Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61998TJ0166

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Handlungen mit verbindlicher Rechtswirkung – Organ, das nicht für den Erlass der beantragten Maßnahme zuständig ist – Ausschluss – Ablehnung eines Antrags auf Änderung einer Verordnungsbestimmung – Fehlende Klagebefugnis

    (EG-Vertrag, Artikel 173 [nach Änderung jetzt Artikel 230 EG]; Verordnung Nr. 2499/82 der Kommission)

    2. Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Bestimmung des Streitgegenstands

    (Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 44 § 1 Buchstabe c)

    3. Untätigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Unterlassungen, derentwegen Klage erhoben werden kann – Unterlassung der Kommission, einem Antrag auf Zahlung einer angeblich nach der Verordnung Nr. 2499/82 geschuldeten Beihilfe stattzugeben – Unzulässigkeit

    (EG-Vertrag, Artikel 175 Absatz 3 [jetzt Artikel 232 Absatz 3 EG]; Verordnung Nr. 2499/82 der Kommission)

    4. Untätigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Beantragte Handlung – Verordnung – Unzulässigkeit

    (EG-Vertrag, Artikel 175 [jetzt Artikel 232 EG])

    5. Schadensersatzklage – Gegenstand – Schadensersatzantrag, mit dem die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung gerügt wird, die ein Mitgliedstaat bei der Anwendung einer Gemeinschaftsverordnung erlassen hat – Verordnung Nr. 2499/82 – Gemeinschaftsbeihilfe für die vorbeugende Destillation von Tafelwein – Entscheidung des Mitgliedstaats, für die Zahlung dieser Beihilfe das in Artikel 9 der erwähnten Verordnung vorgesehene Verfahren anzuwenden – Fehlen eines Mechanismus, der die Zahlung dieser Beihilfe an den Erzeuger im Fall der Insolvenz des Destillateurs gewährleistet – Rechtswidrigkeit, die die Verordnung Nr. 2499/82 selbst betrifft – Verantwortung eines Gemeinschaftsorgans für die behauptete Rechtswidrigkeit

    (EG-Vertrag, Artikel 215 Absatz 2 [jetzt Artikel 288 Absatz 2 EG]; Verordnung Nr. 2499/82 der Kommission, Artikel 8 und 9)

    6. Schadensersatzklage – Selbständigkeit – Vorherige Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs – Ausnahme – Unmöglichkeit für das nationale Gericht, einer Klage auf Zahlung stattzugeben, wenn es an einer Gemeinschaftsbestimmung fehlt, die die nationalen Behörden zur Zahlung der beantragten Beträge ermächtigt – Zulässigkeit der Klage, die ohne Ausschöpfung der nationalen Rechtswege eingereicht worden ist

    (EG-Vertrag, Artikel 178 und 215 Absatz 2 [jetzt Artikel 235 EG und 288 Absatz 2 EG])

    7. Schadensersatzklage – Selbständigkeit gegenüber der Nichtigkeits- und der Untätigkeitsklage – Grenzen – Schadensersatzklage, die zu einem Ergebnis führen kann, das demjenigen der anderen Klagearten vergleichbar ist – Zulässigkeit

    (EG-Vertrag, Artikel 178 [jetzt Artikel 235 EG])

    8. Schadensersatzklage – Verjährungsfrist – Beginn – Haftung für normatives Handeln – Zeitpunkt, zu dem die Schadensfolgen der Handlung eintreten

    (EG-Vertrag, Artikel 178 und 215 Absatz 2 [jetzt Artikel 235 EG und 288 Absatz 2 EG]; Statut des Gerichtshofes, Artikel 46)

    9. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Hinreichend qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts – Artikel 9 der Verordnung Nr. 2499/82 – Gemeinschaftsbeihilfe für die vorbeugende Destillation von Tafelweinen – Fehlen eines Mechanismus, der die Zahlung dieser Beihilfe an den Erzeuger im Fall der Insolvenz des Destillateurs gewährleistet – Verstoß gegen das Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung – Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

    (EG-Vertrag, Artikel 178 und 215 Absatz 2 [jetzt Artikel 235 EG und 288 Absatz 2 EG]; Verordnung Nr. 2499/92 der Kommission)

    Leitsätze

    1. Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben ist, sind nur die Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen können.

    Dies ist bei Maßnahmen zur Ablehnung eines Antrags nicht der Fall, wenn das Organ nicht für den Erlass der beantragten Maßnahme zuständig ist und die ablehnende Maßnahme daher keinen Entscheidungscharakter hat.

    Ebenso ist die Klage gegen die Entscheidung der Kommission, mit der sich diese geweigert hat, eine Handlung nachträglich zu berichtigen, mangels Klagebefugnis des Klägers unzulässig, wenn die geforderte Berichtigung in Form einer Verordnung mit allgemeiner Geltung hätte erfolgen müssen.

    (vgl. Randnrn. 64, 76)

    2. Da eine Klageschrift gemäß Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss, sind Anträge auf Nichtigerklärung anderer Maßnahmen als der angefochtenen oder solcher Maßnahmen, auf denen diese beruht oder mit denen sie koordiniert ist oder in Zusammenhang steht, ohne dass diese bezeichnet werden, für unzulässig zu erklären, da sie nicht ausreichend genau sind.

    (vgl. Randnr. 79)

    3. Da die Kommission nicht befugt ist, dem Antrag von Weinerzeugern, ihnen die angeblich nach der Verordnung Nr. 2499/82 mit den Bestimmungen für die vorbeugende Destillation im Weinwirtschaftsjahr 1982/83 geschuldete Beihilfe zu zahlen, stattzugeben, ist die Untätigkeitsklage, mit der diese Unterlassung mit einer Sanktion belegt werden soll, unzulässig. Denn der Kommission kann nicht vorgeworfen werden, dass sie gegenüber den Klägern keine andere Handlung als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme im Sinne von Artikel 175 Absatz 3 EG‑Vertrag (jetzt Artikel 232 Absatz 3 EG) erlassen hat.

    (vgl. Randnrn. 70, 81)

    4. Bürger, die zur Anfechtung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung nicht befugt sind, sind auch nicht zur Erhebung einer Unzulässigkeitsklage, die den Nichterlass dieser Verordnung betrifft, befugt, nachdem sie ein Gemeinschaftsorgan zu ihrem Erlass aufgefordert haben.

    (vgl. Randnr. 82)

    5. Da die Regelung der Zahlung der Beihilfe gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 2499/82 mit den Bestimmungen für die vorbeugende Destillation im Weinwirtschaftsjahr 1982/83 insbesondere bei Insolvenz eines Destillateurs die Zahlung der im Mindestankaufspreis für den diesem Destillateur gelieferten Wein, der gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung destilliert wird, an die betroffenen Erzeuger nicht gewährleistet, beruht die mögliche Rechtswidrigkeit, die im Fehlen der Gewährleistung für die Erzeuger, dass ihnen diese Beihilfe zugute kommt, besteht, unmittelbar auf der Lücke der Verordnung Nr. 2499/82 und nicht auf der Entscheidung des betreffenden Mitgliedstaats gemäß Artikel 8 dieser Verordnung zugunsten der Regelung der mittelbaren Zahlung der Beihilfe, die in Artikel 9 vorgesehen ist. Somit betrifft diese Rechtswidrigkeit die Verordnung selbst und nicht das Verhalten des Mitgliedstaats, der sich darauf beschränkt hat, diese Verordnung ordnungsgemäß anzuwenden. Sie ist daher der Kommission, die diese Verordnung erlassen hat, zuzurechnen.

    (vgl. Randnrn. 109-112)

    6. Zwar ist die Schadensersatzklage im Hinblick auf das gesamte durch den Vertrag eingeführte System des Individualrechtsschutzes zu betrachten, und ihre Zulässigkeit kann daher in bestimmten Fällen von der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs abhängig sein, doch setzt dies voraus, dass die nationalen Rechtsbehelfe den Schutz des Einzelnen, der sich durch die Handlungen der Gemeinschaftsorgane in seinen Rechten verletzt sieht, wirksam sicherstellen und zum Ersatz des geltend gemachten Schadens führen können.

    In dieser Hinsicht kann die Zulässigkeit einer Schadensersatzklage nicht von der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtswege abhängig gemacht werden, wenn, vorausgesetzt, dass die beanstandete Gemeinschaftsregelung durch ein Urteil des gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) angerufenen Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren für ungültig erklärt worden ist, die nationalen Gerichte dennoch einer Klage auf Zahlung – oder jeder anderen geeigneten Klage – nicht stattgeben könnten, ohne dass der Gemeinschaftsgesetzgeber zuvor tätig geworden ist, da es an einer Gemeinschaftsbestimmung fehlt, die die zuständigen nationalen Behörden dazu ermächtigen würde, die beantragten Beträge zu zahlen. Denn in einem solchen Fall würde es nicht nur gegen den Grundsatz einer geordneten Rechtspflege und das Erfordernis der Verfahrensökonomie, sondern auch gegen die Voraussetzung des Fehlens eines wirksamen innerstaatlichen Rechtsschutzes verstoßen, wenn die Betroffenen gezwungen würden, vor der Erhebung einer Schadensersatzklage die nationalen Rechtswege auszuschöpfen.

    (vgl. Randnrn. 115-117)

    7. Die Schadensersatzklage ist ein selbständiger Rechtsbehelf mit Eigenfunktion im System der Klagemöglichkeiten und von Voraussetzungen abhängig, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind. Sie ist auf den Ersatz des durch ein Gemeinschaftsorgan verursachten Schadens gerichtet. Es würde daher der Selbständigkeit dieser Klage sowie der Wirksamkeit des vom Vertrag eingeführten Systems der Klagemöglichkeiten zuwiderlaufen, wenn eine Schadensersatzklage mit der Begründung für unzulässig befunden würde, dass sie, zumindest für die Kläger, zu einem Ergebnis führen könnte, das den Ergebnissen einer Nichtigkeits- oder Untätigkeitsklage vergleichbar ist. Nur dann, wenn eine Schadensersatzklage in Wirklichkeit auf die Rücknahme einer an die Kläger gerichteten und bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung gerichtet ist – so dass sie den gleichen Gegenstand und die gleiche Wirkung wie eine Nichtigkeitsklage hätte – könnte diese Schadensersatzklage als Verfahrensmissbrauch betrachtet werden.

    (vgl. Randnr. 122)

    8. Die in Artikel 46 der Satzung des Gerichtshofes vorgesehene Verjährungsfrist für Klagen gegen die Gemeinschaften aus außervertraglicher Haftung beginnt erst dann, wenn alle Voraussetzungen, von denen die Schadensersatzpflicht abhängt, nämlich ein rechtswidriges Verhalten der Gemeinschaftsorgane, ein tatsächlicher Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden, erfüllt sind. Die erwähnte Voraussetzung des Vorliegens eines bestimmten Schadens ist erfüllt, wenn der Schaden unmittelbar bevorsteht und mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar ist, auch wenn er noch nicht genau beziffert werden kann.

    Daher kann, wenn es sich um die Haftung der Gemeinschaft aufgrund eines Rechtsetzungsakts handelt, die Verjährungsfrist nicht vor Eintritt der Schadensfolgen dieses Aktes und daher vor dem Zeitpunkt beginnen, zu dem den Betroffenen ein sicherer Schaden entstanden ist. Im vorliegenden Fall beginnt die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt an zu laufen, zu dem der Kläger in der Lage ist, ihn tatsächlich zu erkennen, da er offensichtlich unmittelbar bevorsteht und vorhersehbar ist.

    (vgl. Randnrn. 129-131, 145, 149, 154)

    9. Die Kommission hat die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich und schwerwiegend verletzt, indem sie es versäumt hat, innerhalb des Systems der Verordnung Nr. 2499/82 mit den Bestimmungen für die vorbeugende Destillation im Weinwirtschaftsjahr 1982/83 in die in Artikel 9 dieser Verordnung vorgesehene Regelung für die Zahlung der Gemeinschaftsbeihilfe einen Mechanismus aufzunehmen, der deren Auszahlung an die betroffenen Erzeuger im Fall der Insolvenz des Destillateurs gewährleistet.

    Denn diese Regelung verstößt offenkundig gegen das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung, da es in ihr keinen Mechanismus gibt, der geeignet ist, die Auszahlung dieser Beihilfe an die Erzeuger zu gewährleisten, die alle ihre Verpflichtungen erfüllt haben und die die Destillation innerhalb der in der Verordnung vorgeschriebenen Frist durchgeführt haben.

    Ferner führt bei Insolvenz des Destillateurs die Wahlmöglichkeit zwischen den Verfahren für die Zahlung der Gemeinschaftsbeihilfe nach den Artikeln 9 und 10 der Verordnung Nr. 2499/82 zu einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Behandlung im Hinblick auf die Gewährleistung der Zahlung dieser Beihilfe an die betroffenen Erzeuger, obwohl ihnen diese Beihilfe grundsätzlich nach der anwendbaren Gemeinschaftsregelung zustand. Eine solche Unterscheidung ist durch die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Situationen objektiv nicht gerechtfertigt, da sie sich nicht auf die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe für die vorbeugende Destillation, sondern nur auf die administrativen Einzelheiten ihrer Gewährung bezieht und somit nicht mit Unterschieden in Bezug auf die Lage der Weinerzeuger oder ganz allgemein des Weinsektors in den verschiedenen Mitgliedstaaten erklärt werden kann.

    Daher enthält die Verordnung Nr. 2499/82 eine hinreichend qualifizierte Verletzung des Diskriminierungsverbots und des Verbotes der ungerechtfertigten Bereicherung, die auf diese Weise die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für einen von den Organen verursachten Schaden auslöst.

    (vgl. Randnrn. 157, 161, 172-174, 176)

    Top