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Document 61996CJ0392

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1 Vertragsverletzungsverfahren - Vorverfahren - Gegenstand - Bestimmung des Streitgegenstands durch die mit Gründen versehene Stellungnahme

(EG-Vertrag, Artikel 169 [jetzt Artikel 226 EG])

2 Vertragsverletzungsverfahren - Nachweis der Vertragsverletzung - Obliegenheit der Kommission - Unzureichende oder nicht ordnungsgemässe Umsetzung einer Richtlinie - Keine Verpflichtung zur Feststellung der tatsächlichen Auswirkungen der nationalen Umsetzungsvorschriften

(EG-Vertrag, Artikel 169 [jetzt Artikel 226 EG])

3 Umwelt - Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten - Richtlinie 85/337 - Prüfung der Projekte der in Anhang II aufgezählten Klassen - Ermessen der Mitgliedstaaten - Grenzen - Versäumte Berücksichtigung der Art, Lage und kumulativen Wirkung von Projekten - Vertragsverletzung

(Richtlinie 85/337 des Rates, Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2)

4 Vertragsverletzungsverfahren - Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof - Maßgebliche Sachlage - Sachlage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

(EG-Vertrag, Artikel 169 [jetzt Artikel 226 EG])

Leitsätze

1 Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens soll das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, sowohl seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen als auch seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirkungsvoll geltend zu machen.

Der Gegenstand einer Klage nach Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) wird durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt. Daher kann die Klage nicht auf andere als die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführten Rügen gestützt werden.

2 Im Vertragsverletzungsverfahren braucht für den Nachweis, daß eine Richtlinie nicht hinreichend oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurde, nicht dargetan zu werden, wie sich die nationalen Umsetzungsvorschriften tatsächlich auswirken. Die Kommission braucht also, um den Nachweis einer fehlerhaften oder unzureichenden Umsetzung zu führen, nicht zuzuwarten, bis die Anwendung der Umsetzungsbestimmungen tatsächlich Schäden zur Folge hat.

3 Nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten werden Projekte der in Anhang II der Richtlinie aufgezählten Klassen einer Prüfung unterzogen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern; die Mitgliedstaaten können zu diesem Zweck bestimmte Arten von Projekten, die einer Prüfung zu unterziehen sind, bestimmen oder Kriterien und/oder Schwellenwerte aufstellen, anhand deren bestimmt werden kann, welche von den fraglichen Projekten einer Prüfung unterzogen werden sollen. Dieses Ermessen wird begrenzt durch die sich aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie ergebende Verpflichtung, Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Grösse oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen.

Deshalb überschreitet ein Mitgliedstaat, der die Kriterien und/oder Schwellenwerte so festlegt, daß nur die Grösse, aber nicht die Art und der Standort von Projekten berücksichtigt werden, den ihm durch die Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie eingeräumten Ermessensspielraum. Das gleiche gilt für einen Mitgliedstaat, der die Kriterien und/oder Schwellenwerte so festlegt, daß in der Praxis alle Projekte einer bestimmten Art von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen sind, es sei denn, aufgrund einer Gesamtbeurteilung aller ausgenommenen Projekte wäre davon auszugehen, daß bei ihnen nicht mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. So verhält es sich, wenn ein Mitgliedstaat lediglich ein Kriterium der Projektgrösse festlegt, ohne sich ausserdem zu vergewissern, daß das Regelungsziel nicht durch die Aufsplitterung von Projekten umgangen werden wird. Bleibt die kumulative Wirkung von Projekten unberücksichtigt, so hat dies nämlich praktisch zur Folge, daß sämtliche Projekte einer bestimmten Art der Verträglichkeitsprüfung entzogen werden können, obgleich sie zusammengenommen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie haben können.

4 Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens betreffend die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht sind etwaige Änderungen dieser Rechtsvorschriften für die Entscheidung über die Klage ohne Einfluß, wenn sie nicht vor Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist vorgenommen wurden.

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