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Document 61996CJ0288

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1 Staatliche Beihilfen - Begriff - Bürgschaft für einen Betriebsmittelkredit - Beurteilungskriterium - Lage des Unternehmens im Hinblick auf den Kapitalmarkt

(EG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 1 [nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG])

2 Staatliche Beihilfen - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Betriebsbeihilfen - Bürgschaft für ein der Finanzierung der üblichen Betriebskosten dienendes Bankdarlehen

(EG-Vertrag, Artikel 92 Absätze 1 und 3 [nach Änderung jetzt Artikel 87 Absätze 1 und 3 EG])

3 Staatliche Beihilfen - Prüfung durch die Kommission - Einführung eines Rahmens für Beihilfen in einem bestimmten Sektor - Von der Kommission in Leitlinien aufgestellte Regeln für den Fischereisektor - Bindende Wirkung

(EG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 1 [nach Änderung jetzt Artikel 88 Absatz 1 EG])

4 Staatliche Beihilfen - Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird - Begründungspflicht - Umfang - Auf Leitlinien gestützte Entscheidung

(EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG] sowie Artikel 93 Absatz 3 und 190 [nach Änderung jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG und 253 EG])

5 Gemeinschaftsrecht - Grundsätze - Rechtliches Gehör - Geltung für Verwaltungsverfahren vor der Kommission - Prüfung von Beihilfevorhaben - Umfang

(EG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 2 [jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG])

Leitsätze

1 Bei der Prüfung, inwieweit eine Bürgschaft für einen Betriebsmittelkredit eine staatliche Beihilfe darstellt, ist als Kriterium zugrunde zu legen, ob das Unternehmen das Darlehen auf dem Kapitalmarkt ohne eine solche Bürgschaft hätte erhalten können.

Würde kein Kreditinstitut einem Unternehmen wegen dessen finanziellen Schwierigkeiten ein Darlehen ohne eine staatliche Bürgschaft gewähren, so ist der Gesamtbetrag des dem Unternehmen gewährten und verbürgten Darlehens als Beihilfe anzusehen. (vgl. Randnrn. 30-31)

2 Beihilfen fallen dann unter die Kategorie der Betriebsbeihilfen, wenn die entsprechenden Aufwendungen übliche Betriebskosten sind, die einem Unternehmen bei seiner normalen Tätigkeit entstehen. So stellt eine Bürgschaft, die von der öffentlichen Hand auf Regionalebene für ein der Finanzierung der üblichen Betriebskosten eines Unternehmens dienendes Bankdarlehen gewährt wird, eine Betriebsbeihilfe dar.

Betriebsbeihilfen verfälschen per se den Wettbewerb und fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 3 EG). (vgl. Randnrn. 49, 77-78, 90)

3 Die Kommission kann sich bei der Ausübung ihres Ermessens durch Maßnahmen wie Leitlinien selbst binden, sofern sie Regeln enthalten, denen sich die von ihr zu verfolgende Politik entnehmen lässt und die nicht von Normen des Vertrages abweichen.

Die Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor sind auf Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) gestützt. Sie sind damit Teil der Verpflichtung zu regelmäßiger und laufender Zusammenarbeit, von der sich weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten freimachen können. (vgl. Randnrn. 62, 64)

4 Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, wie dem Inhalt des Rechtsakts und der Art der angeführten Gründe, zu beurteilen. Im Bereich staatlicher Beihilfen kann der Umstand, dass eine Entscheidung, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, auf Leitlinien für die Prüfung der Beihilfen in dem betreffenden Sektor gestützt ist, von Bedeutung für den Inhalt der Begründungspflicht sein.

Bei einer Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe im Fischereisektor mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, ist es, wenn die Kommission festgestellt hat, dass die Maßnahme eine Betriebsbeihilfe ist, nicht mehr erforderlich, zu erläutern, weshalb eine solche Beihilfe den Wettbewerb verfälscht, da die Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor bestimmen, dass das Vorliegen einer Betriebsbeihilfe automatisch zu dieser Feststellung führt. (vgl. Randnrn. 83-85)

5 Die Gewährung rechtlichen Gehörs in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ist ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muss auch dann sichergestellt werden, wenn eine besondere Regelung fehlt. Im Bereich der Prüfung der Beihilfen durch die Kommission gebietet es dieser Grundsatz, dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, zu den Äußerungen Stellung zu nehmen, die beteiligte Dritte nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) abgegeben haben. Die Kommission darf diese Äußerungen in ihrer Entscheidung gegen diesen Staat nicht berücksichtigen, soweit dieser keine Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen.

Eine solche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt jedoch nur dann zu einer Nichtigerklärung, wenn das Verfahren ohne diese Verletzung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. (vgl. Randnrn. 99-101)

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