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Document 61996CJ0067

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1 Vorabentscheidungsverfahren - Zulässigkeit - Erfordernis, dem Gerichtshof hinreichende Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu machen

    (EG-Vertrag, Artikel 177 [jetzt Artikel 234 EG])

    2 Wettbewerb - Gemeinschaftsvorschriften - Sachlicher Geltungsbereich - Tarifverträge, mit denen sozialpolitische Ziele erreicht werden sollen - Tarifvertrag, durch den ein Betriebsrentenfonds geschaffen wird - Entscheidung des Staates, durch die die Mitgliedschaft in dem Fonds verbindlich vorgeschrieben wird - Nichteinbeziehung

    (EG-Vertrag, Artikel 3 Buchstaben g und i [nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben g und j EG], Artikel 5 und 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 10 EG und 81 Absatz 1 EG] und Artikel 118 und 118b [die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden])

    3 Wettbewerb - Gemeinschaftsvorschriften - Unternehmen - Begriff - Mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Rentenfonds - Funktionieren nach dem Kapitalisierungsprinzip - Einbeziehung

    (EG-Vertrag, Artikel 85 ff. [jetzt Artikel 81 ff. EG])

    4 Wettbewerb - Öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren - Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind - Mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Rentenfonds

    (EG-Vertrag, Artikel 86 und 90 [jetzt Artikel 82 EG und 86 EG])

    Leitsätze

    1 Die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, macht es erforderlich, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Dies gilt insbesondere in bestimmten Bereichen, wie dem des Wettbewerbs, die durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet sind.

    Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen dem Gerichtshof nicht nur sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, daß diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, daß den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden.

    2 Bei einer sachgerechten und zusammenhängenden Auslegung der Artikel 3 Buchstaben g und i EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben g und j EG), 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG), 118 und 118b EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) ergibt sich, daß die Verträge, die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern geschlossen worden sind, um sozialpolitische Ziele wie die Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen zu erreichen, aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen.

    In diesem Zusammenhang fällt eine in Form eines Tarifvertrags geschlossene Vereinbarung, durch die in einem bestimmten Wirtschaftszweig ein Zusatzrentensystem geschaffen wird, das durch einen Rentenfonds verwaltet wird, bei dem die Mitgliedschaft durch den Staat verbindlich vorgeschrieben werden kann, aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Ein solches System soll in seiner Gesamtheit ein bestimmtes Rentenniveau für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs gewährleisten und trägt daher unmittelbar zur Verbesserung einer der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, nämlich ihrer Entlohnung, bei.

    Eine auf Antrag der Vertragsparteien getroffene Entscheidung des Staates, die Mitgliedschaft in einem solchen Fonds verbindlich anzuordnen, schreibt daher keine gegen Artikel 85 verstossende Kartellabsprachen vor, noch erleichtert sie solche Absprachen oder verstärkt deren Auswirkungen, und gehört folglich nicht zu den Arten von Verwaltungsmaßnahmen, die die praktische Wirksamkeit der Artikel 3 Buchstabe g EG-Vertrag, 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) und 85 EG-Vertrag beeinträchtigen.

    Die Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 85 EG-Vertrag stehen daher der Entscheidung des Staates nicht entgegen, auf Antrag der Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben.

    3 Der Begriff des Unternehmens im Sinne der Artikel 85 ff. EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 ff. EG) umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.

    Ein Rentenfonds, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, das durch einen Tarifvertrag zwischen den Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, geschaffen worden ist, bei dem die Mitgliedschaft für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs durch den Staat verbindlich vorgeschrieben worden ist, der nach dem Kapitalisierungsprinzip funktioniert und eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit den Versicherungsgesellschaften ausübt, ist ein Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften. Weder das Fehlen eines Gewinnerzielungszwecks noch die Verfolgung einer sozialen Zielsetzung genügen, um einem solchen Fonds die Eigenschaft eines Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln des Vertrages zu nehmen.

    4 Die Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) verwehren dem Staat nicht, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems in einem bestimmten Wirtschaftszweig einzuräumen.

    Das ausschließliche Recht eines Betriebsrentenfonds, die Zusatzrenten in einem bestimmten Wirtschaftszweig zu verwalten, und die sich daraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen können nach Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag als Maßnahme gerechtfertigt werden, die zur Erfuellung einer im allgemeinen Interesse liegenden besonderen sozialen Aufgabe erforderlich ist, mit der dieser Fonds betraut ist.

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