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Document 61995CJ0398
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1 Freier Dienstleistungsverkehr - Bestimmungen des Vertrages - Anwendungsbereich - Abgrenzungskriterium - Über den nationalen Rahmen hinausweisender Aspekt - Niederlassung des Leistungserbringers in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Erbringung der Dienstleistung
(EG-Vertrag, Artikel 59)
2 Freier Dienstleistungsverkehr - Beschränkungen - Verbot - Geltungsbereich - Unterschiedslos geltende Maßnahmen - Regelung eines Mitgliedstaats, die für die Beziehung zwischen Tourismus- und Reisebüros, die in diesem Mitgliedstaat Tourismusprogramme organisieren, einerseits und Fremdenführern, die in diesem Mitgliedstaat die Erlaubnis für die Ausübung dieses Berufes besitzen, andererseits als Rechtsform verbindlich das Arbeitsverhältnis vorschreibt - Unzulässigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 59)
3 Freier Dienstleistungsverkehr - Beschränkungen, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind - Zulässigkeit - Voraussetzungen
(EG-Vertrag, Artikel 59)
4 Freier Dienstleistungsverkehr - Beschränkungen - Regelung eines Mitgliedstaats, die für die Beziehung zwischen Tourismus- und Reisebüros, die in diesem Mitgliedstaat Tourismusprogramme organisieren, einerseits und Fremdenführern, die in diesem Mitgliedstaat die Erlaubnis für die Ausübung dieses Berufes besitzen, andererseits als Rechtsform verbindlich das Arbeitsverhältnis vorschreibt - Rechtfertigung durch Gründe des Allgemeininteresses - Wahrung des Arbeitsfriedens - Maßnahme, durch die ein Ziel wirtschaftlicher Art verfolgt wird - Ausschluß - Keine Notwendigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 59)
5 Artikel 59 des Vertrages ist nicht nur anwendbar, wenn der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistung in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind, sondern immer dann, wenn ein Leistungserbringer Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen anbietet, in dem er niedergelassen ist, und zwar unabhängig vom Niederlassungsort der Empfänger dieser Dienstleistungen.
6 Artikel 59 des Vertrages verlangt nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen von Dienstleistungserbringern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistungserbringer wie für Dienstleistungserbringer anderer Mitgliedstaaten gelten -, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit von Dienstleistungserbringern, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und dort rechtmässig entsprechende Dienstleistungen erbringen, zu unterbinden oder zu behindern.
Daher stellt eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Tourismus- und Reisebüros - gleichgültig, wo sie niedergelassen sind - dadurch, daß sie den Beteiligten als Rechtsform verbindlich das Arbeitsverhältnis vorschreibt, daran hindert, im Rahmen der von ihnen in diesem Mitgliedstaat organisierten Tourismusprogramme mit einem Fremdenführer aus einem anderen Mitgliedstaat, der in dem erstgenannten Mitgliedstaat die Erlaubnis für die Ausübung dieses Berufes besitzt, einen Dienstleistungsvertrag zu schließen, eine Behinderung im Sinne von Artikel 59 des Vertrages dar, weil sie Fremdenführern aus anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit nimmt, ihre Tätigkeit in dem erstgenannten Mitgliedstaat selbständig auszuüben.
7 Der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrages darf nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Hoheitsgebiet des Bestimmungsstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten. Insbesondere müssen die Beschränkungen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Zieles Erforderliche hinausgehen.
8 Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Tourismus- und Reisebüros - gleichgültig, wo sie niedergelassen sind - dadurch, daß sie den Beteiligten als Rechtsform verbindlich das Arbeitsverhältnis vorschreibt, daran hindert, im Rahmen der von ihnen in diesem Mitgliedstaat organisierten Tourismusprogramme mit einem Fremdenführer aus einem anderen Mitgliedstaat, der in dem erstgenannten Mitgliedstaat die Erlaubnis für die Ausübung dieses Berufes besitzt, einen Dienstleistungsvertrag zu schließen, kann insoweit nicht durch Gründe des allgemeinen Interesses an der Wahrung des Arbeitsfriedens gerechtfertigt sein, als mit ihr zum einen ein Ziel wirtschaftlicher Art verfolgt wird, da sie zu dem Zweck erlassen worden ist, seit langem bestehende Konflikte zwischen den Fremdenführern einerseits und den Tourismus- und Reisebüros andererseits beizulegen und so negative Auswirkungen auf den Tourismus und damit die Wirtschaft des Landes zu verhindern, und als andererseits nicht erwiesen ist, daß es zur Wahrung des Arbeitsfriedens notwendig ist, die selbständige Tätigkeit von Fremdenführern aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen der Durchführung von Tourismusprogrammen einzuschränken, die von Tourismus- und Reisebüros organisiert werden.