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Document 61993CJ0128
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
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1. Sozialpolitik ° Männliche und weibliche Arbeitnehmer ° Gleiches Entgelt ° Entgelt ° Begriff ° Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem ° Einbeziehung ° Ausschluß verheirateter Frauen vom Anspruch auf Anschluß ° Unzulässigkeit
(EWG-Vertrag, Artikel 119)
2. Sozialpolitik ° Männliche und weibliche Arbeitnehmer ° Gleiches Entgelt ° Artikel 119 EWG-Vertrag ° Anwendbarkeit auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem ° Feststellung im Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 ° Keine zeitliche Beschränkung der Wirkungen ° Möglichkeit, die rückwirkende Gleichbehandlung ab der Anerkennung der unmittelbaren Wirkung des Artikels 119 durch den Gerichtshof am 8. April 1976 zu fordern ° Pflicht zur Zahlung der Beiträge für den betreffenden Anschlußzeitraum ° Anwendung der nationalen Vorschriften über die Fristen für die Rechtsverfolgung ° Voraussetzungen
(EWG-Vertrag, Artikel 119)
3. Sozialpolitik ° Männliche und weibliche Arbeitnehmer ° Gleiches Entgelt ° Entgelt ° Begriff ° Leistungen eines Betriebsrentensystems ° Einbeziehung ° Von unabhängigen Verwaltern geführtes System ° Unerheblich ° Möglichkeit für den diskriminierten Arbeitnehmer, seine Ansprüche gegen die Verwalter geltend zu machen
(EWG-Vertrag, Artikel 119)
4. Sozialpolitik ° Männliche und weibliche Arbeitnehmer ° Gleiches Entgelt ° Dem Vertrag über die Europäische Union beigefügtes Protokoll Nr. 2 zu Artikel 119 ° Anwendungsbereich ° Anspruch auf Anschluß an ein betriebliches System der sozialen Sicherheit ° Ausschluß
(EG-Vertrag, Protokoll Nr. 2 zu Artikel 119)
1. Der Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem, dessen Bestimmungen nicht unmittelbar durch Gesetz festgelegt wurden, sondern das Ergebnis einer Abstimmung zwischen den Sozialpartnern sind, wobei sich die staatlichen Stellen darauf beschränkt haben, das System auf Antrag der als repräsentativ angesehenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen für obligatorisch für den gesamten beruflichen Sektor zu erklären, fällt unter den Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag und unterliegt daher dem dort aufgestellten Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Folglich verstösst ein Betriebsrentensystem, das eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Form des Ausschlusses verheirateter Frauen enthält, gegen Artikel 119 EWG-Vertrag.
2. Die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88, Barber, betrifft nur die Formen von Diskriminierung, die die Arbeitgeber und die Rentensysteme aufgrund der vorübergehenden Ausnahmeregelungen, die das auf Betriebsrenten anwendbare Gemeinschaftsrecht vorsieht, vernünftigerweise als zulässig ansehen konnten. Dazu gehört nicht die Diskriminierung beim Anschluß an Betriebsrentensysteme, deren Unzulässigkeit im Hinblick auf Artikel 119 EWG-Vertrag im Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84, Bilka, bestätigt wurde, das keine zeitliche Beschränkung seiner Wirkungen enthält. Mangels einer solchen Beschränkung kann die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag zur Stützung der Forderung nach rückwirkender Gleichbehandlung in bezug auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem geltend gemacht werden, und zwar ab dem 8. April 1976, dem Tag des Erlasses des Urteils in der Rechtssache 43/75, Defrenne, in dem erstmals die unmittelbare Wirkung dieses Artikels anerkannt wurde.
Ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf den rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem hat, kann sich jedoch der Zahlung der Beiträge für den betreffenden Anschlußzeitraum nicht entziehen.
Arbeitnehmern, die ihren Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem geltend machen, können die innerstaatlichen Vorschriften über die Fristen für die Rechtsverfolgung entgegengehalten werden, sofern sie für derartige Klagen nicht ungünstiger sind als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen, und sofern sie die Ausübung des Gemeinschaftsrechts nicht praktisch unmöglich machen.
3. Die Verwalter eines Betriebsrentensystems sind, obwohl sie am Arbeitsverhältnis nicht beteiligt sind, mit der Erbringung von Leistungen betraut, die ein Entgelt im Sinne von Artikel 119 darstellen, und sie sind daher ebenso wie der Arbeitgeber gehalten, diese Bestimmung in der Weise zu beachten, daß sie alles in ihrer Zuständigkeit liegende tun, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf diesem Gebiet sicherzustellen; die angeschlossenen Personen müssen sich ihnen gegenüber auf diesen Grundsatz berufen können.
Die praktische Wirksamkeit von Artikel 119 würde nämlich beträchtlich geschmälert und der für eine wirkliche Gleichstellung notwendige Rechtsschutz stark eingeschränkt, wenn sich ein Arbeitnehmer auf diese Bestimmung nur gegenüber dem Arbeitgeber berufen könnte und nicht gegenüber den Verwaltern des Systems, die ausdrücklich mit der Erfuellung der Verpflichtungen des Arbeitgebers betraut sind.
4. Das dem Vertrag über die Europäische Union beigefügte Protokoll Nr. 2 zu Artikel 119 EG-Vertrag betrifft sämtliche Leistungen eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit, nicht aber den Anspruch auf Anschluß an ein solches System.
Die Frage des Anschlusses richtet sich somit weiterhin nach dem Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84, Bilka, aus dem sich ergibt, daß ein Unternehmen, das ohne objektive Rechtfertigung, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hat, Männer und Frauen dadurch ungleich behandelt, daß es eine Gruppe von Beschäftigten von einer betrieblichen Altersversorgung ausschließt, gegen Artikel 119 EWG-Vertrag verstösst.