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Document 61992TJ0054

    Leitsätze des Urteils

    URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

    1. Dezember 1994

    Rechtssache T-54/92

    Johann Schneider

    gegen

    Konnnission der Europäischen Gemeinschaften

    „Beamte — Beurteilung — Verspätete Erstellung — Klage auf Aufhebung und Schadensersatz“

    VollständigerWortlaut in deutscher Sprache   II-887

    Gegenstand:

    Klage auf Aufhebung der Beurteilung des Klägers für den Zeitraum 1987-1989 und Verurteilung der Kommission, an den Kläger 10000 ECU Schadensersatz zu zahlen

    Ergebnis:

    Abweisung

    Zusammenfassung des Urteils

    Der Kläger ist wissenschaftlicher Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der Gemeinsamen Forschungsstelle in Ispra zugewiesen.

    Mit Beschwerde vom 31. Juli 1991 beanstandete er die Verspätung bei der Erstellung seiner Beurteilung für den Zeitraum 1987-1989. Seine Beurteilung wurde erstellt, und er unterschrieb sie am 6. September 1991, ohne Bemerkungen beizufügen und ohne die Einschaltung des Berufungsbeurteilenden zu verlangen. Daraufhin wurde die Beschwerde als erledigt behandelt.

    Am 4. Dezember 1991 legte der Kläger eine zweite Beschwerde gegen seine Beurteilung für den Zeitraum 1987-1989 ein. Diese Beschwerde war in zwei Exemplaren abgefaßt, von denen eines am 5. Dezember 1991 seinem Vorgesetzten übergeben und das andere mit der Post an das Generalsekretariat der Kommission in Brüssel abgesandt wurde, wo es am 10. Dezember 1991 einging.

    Der Kläger warf der Kommission vor, den Beurteilungszeitraum um sechs Monate auf eine Zeitspanne von achtzehn Monaten, die am 31. Dezember 1988 endete, verkürzt und die Beurteilung sehr verspätet erstellt zu haben; damit habe sie seine Beförderungsaussichten beeinträchtigt und ihn in einen Zustand der Rechtsunsicherheit versetzt. Da die eingetretene Verspätung nicht geheilt werden könne, verlangte der Kläger 10000 ECU als Ersatz seines immateriellen Schadens.

    Mit ihrer dem Kläger mit Schreiben vom 28. April 1992 mitgeteilten Entscheidung wies die Anstellungsbehörde diese zweite Beschwerde zurück.

    I — Zum Antrag auf Aufhebung der Beurteilung

    1. Zulässigkeit

    a) Zu den Beschwerdefristen

    Die Kommission stützte sich auf eine interne Regelung, wonach der Anstellungsbehörde das Original der Beschwerde vorzulegen sei, und folgerte daraus, daß die Beschwerde verspätet sei, da sie bei ihrem Generalsekretariat am 10. Dezember 1991, also mehr als drei Monate nach der Unterzeichnung der Beurteilung am 6. September 1991, eingegangen sei. Das Gericht weist dieses Vorbringen zurück und stellt fest, daß nach Artikel 90 Absatz 3 des Statuts Anträge und Beschwerden auf dem Dienstweg einzureichen sind und die Organe nicht befugt sind, im Wege von Durchführungsvorschriften und erst recht nicht durch eine Verwaltungsmitteilung von einer ausdrücklichen Vorschrift des Statuts abzuweichen. Im vorliegenden Fall hatte der Vorgesetzte die Beschwerde am 5. Dezember 1991 abgezeichnet. Die Frist des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts war also eingehalten worden (Randnrn. 15 bis 19).

    b) Zur Erschöpfung des internen Berufungsverfahrens

    Das Gericht weist darauf hin, daß eine Beurteilung eine beschwerende Maßnahme darstellt, gegen die ein Beamter entweder unmittelbar beim Gericht klagen oder nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eine Beschwerde einreichen kann (Randnr. 21).

    Verweisung auf: Gericht, 16. Juli 1992, Della Pietra/Kommission, T-l/91, Sig. 1992, II-2145, Randnrn. 23 f.

    Es ist zwar gewöhnlich wünschenswert, daß die internen Verfahren der Allgemeinen Durchführungsbestimmungen ausgeschöpft werden, nach denen der Beamte innerhalb von fünfzehn Tagen die Einschaltung des Berufungsbeurteilenden beantragen kann. Gleichwohl ist das Gericht der Auffassung, daß diese Bestimmungen nicht von dem im Statut begründeten Recht des Beamten abweichen können, gegen eine Beurteilung, die er ohne Anrufung des Berufungsbeurteilenden unterschrieben hat, beim Gericht zu klagen oder bei der Anstellungsbehörde eine Beschwerde einzulegen. Daß von diesem internen Berufungsverfahren kein Gebrauch gemacht wurde, führt daher nicht zur Unzulässigkeit der Klage (Randnr. 22).

    2. Begründetheit

    a) Zum Klagegrund der verspäteten Erstellung der Beurteilung

    Das Gericht ist der Auffassung, daß der verspätete Abschluß des Beurteilungsverfahrens, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, für sich allein die Gültigkeit der Beurteilung nicht beeinträchtigt und ihre Aufhebung nicht rechtfertigt. Könnte nämlich eine Beurteilung allein wegen ihrer verspäteten Erstellung aufgehoben werden, so wäre es zum einen nach Ablauf einer bestimmten Frist unmöglich, eine gültige Beurteilung zu erstellen, und zum anderen wäre die Beurteilung, die an die Stelle der aufgehobenen Beurteilung treten müßte, zwangsläufig ebenso verspätet wie diese (Randnrn. 26 f.).

    Verweisung auf: Gericht, 24. Januar 1991, Latham/Kommission, T-63/89, Slg. 1991, II-19, Randnr. 15).

    b) Zum Klagegrund, die Beurteilung enthalte sachliche Fehler und Lücken

    Zu dem von der Beurteilung erfaßten Zeitraum ist das Gericht der Auffassung, daß der Kläger nicht bewiesen hat, daß der Beurteilungszeitraum um sechs Monate verkürzt worden sei. In der Überschrift der Beurteilung ist ein Zeitraum von zwei Jahren angegeben; dieser Angabe wird durch kein Indiz widersprochen. Außerdem hat der Kläger die Beurteilung unterschrieben, ohne Bemerkungen hinzuzufügen, was er hätte tun können, wenn er es für angebracht oder erforderlich gehalten hätte (Randnr. 34).

    Jedenfalls weist das Gericht darauf hin, daß über die Beamten gemäß Artikel 43 des Statuts regelmäßig, mindestens aber alle zwei Jahre, eine Beurteilung erstellt wird, was an sich einen kürzeren Beurteilungszeitraum nicht ausschließt. Der Umstand, daß eine Beurteilung nur einen Zeitraum von achtzehn Monaten abdeckt, kann somit ihre Gültigkeit nicht beeinträchtigen (Randnr. 35).

    Zur Nichterwähnung einer bestimmten Aufgabe ist das Gericht der Auffassung, daß es Sache des Beamten ist, sofern nach seiner Auffassung in seiner Beurteilung ein Element wie die namentliche Nennung eines spezifischen Projekts fehlt, insoweit seine eigenen Bemerkungen beizufügen und gegebenenfalls den Berufimgsbeurteilenden anzurufen (Randnr. 38).

    II — Zum Antrag auf Schadensersatz

    Zur Zulässigkeit

    Das Gericht weist darauf hin, daß Artikel 91 Absatz 1 Satz 1 des Statuts den Geltungsbereich von Satz 2 begrenzt, so daß diese Bestimmung dem Gericht eine Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung nur in den Fällen verleiht, in denen ein Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer beschwerenden Maßnahme vorliegt (Randnr. 49).

    Verweisung auf: Gerichtshof, 10. Dezember 1969, Grasselli/Kommission, 32/68, Slg. 1969,505, Randnr. 10, Gericht, 13. Juli 1993, Moat/Kommission, T-20/92, Slg. 1993, II-799, Randnr. 46)

    Außerdem ist nach Artikel 91 Absatz 2 des Statuts eine Klage beim Gericht nur zulässig, wenn bei der Anstellungsbehörde zuvor eine Beschwerde im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts innerhalb der dort vorgesehenen Frist eingereicht und diese Beschwerde ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist. Die Beschwerde ihrerseits muß gegen eine den Beamten beschwerende Maßnahme gerichtet sein (Randnr. 50).

    Folglich ist das vom Statut vor einer Schadensersatzklage verlangte Verfahren unterschiedlich, je nachdem ob der vom Beamten beanstandete auslösende Umstand eine beschwerende Maßnahme darstellt oder nicht (Randnr. 51).

    Will der Beamte eine ihn beschwerende Maßnahme anfechten, so kann er sich unmittelbar mit einer Beschwerde an die Anstellungsbehörde wenden und, wenn seine Beschwerde zurückgewiesen worden ist, später beim Gericht auf Aufhebung der beschwerenden Maßnahme, auf Zahlung von Schadensersatz oder auf beides klagen (Randnr. 52).

    Verweisung auf: Gerichtshof, 22. Oktober 1975, Meyer-Burkhardt/Kommission, 9/75, Slg. 1975,1171, Randnrn. 10 f.; Gericht, 8. Oktober 1992, Meskcns/Parlament, T-84/91, Slg. 1992, II-2335, Randnr. 42)

    Ist dagegen der vom Beamten beanstandete Umstand keine beschwerende Maßnahme im Sinne des Statuts, so kann er das Verfahren nur dadurch einleiten, daß er an die Anstellungsbehörde einen Antrag nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts richtet; dessen etwaige Ablehnung stellt eine ihn beschwerende Maßnahme dar, gegen die er eine Beschwerde einlegen kann. Die Entscheidung über diese Beschwerde kann gegebenenfalls Gegenstand einer Anfechtungs- und/oder Schadensersatzklage sein (Randnr. 53).

    Verweisung auf: Gericht, 25. September 1991, Marcato/Kommission, T-5/90, Slg. 1991, II-731, Gericht, 25. Februar 1992, Marcato/Kommission, T-64/91, Slg. 1992, II-243, Randnrn. 32 bis 34; Gericht, 22. Mai 1992, Moat/Kommission, T-72/91, Slg. 1992, II-1771, Randnrn. 40 f.; Della Pietra/Kommission, a. a. O., Randnr. 34; Gericht, 8. Juni 1993, Fiorani/Parlament, T-50/92, Slg. 1993, II-555, Randnrn. 40 f., 45 f.; Gericht, 15. Juli 1993, Cámara Alloisio u. a./Kommission, T-17/90, T-28/91 und T-17/92, Slg. 1993, II-841, Randnr. 45; Gericht, Camera-Lampitelli/Kommission, T-27/92, Slg. 1993, II-873, Randnr. 26; Gericht, 12. Januar 1994, White/Kommission, T-65/91, SIg.ÖD 1994, II-23, Randnr. 137)

    Das Gericht ist der Auffassung, daß im vorliegenden Fall zwischen dem Antrag des Klägers auf Aufhebung und seinem Antrag auf Schadensersatz zu unterscheiden ist. Im Rahmen des ersteren verlangt er die Aufhebung einer ihn beschwerenden Maßnahme, nämlich seiner Beurteilung. Dagegen betrifft der Antrag auf Schadensersatz die Untätigkeit der Verwaltung während der Zeit vor Erlaß der beschwerenden Maßnahme. Folglich ist der immaterielle Schaden, für den Ersatz begehrt wird, im vorliegenden Fall nicht auf eine beschwerende Maßnahme im Sinne des Statuts, sondern auf einen von einer solchen Maßnahme unabhängigen Amtsfehler zurückzuführen (Randnrn. 58 und 59).

    Verweisung auf: Gericht, 1. Dezember 1994, Ditterich/Kommission, T-79/92, SIg.ÖD 1994, H-907

    Unter diesen Umständen mußte das der Einreichung der Klage vorausgehende Verwaltungsverfahren, soweit diese einen Antrag auf Schadensersatz umfaßt, gemäß den Artikeln 90 und 91 des Statuts zv/ei Stufen umfassen, nämlich einen Antrag mit darauffolgender Beschwerde (Randnr. 60).

    Außerdem hat das vorprozessuale Verwaltungsverfahren den Zweck, die gütliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Beamten oder sonstigen Bediensteten und den Gemeinschaftsorganen zu ermöglichen. In dem Fall, in dem ein Beamter Ersatz des immateriellen Schadens begehrt, der seiner Ansicht nach durch eine Verspätung bei der Erstellung seiner Beurteilung verursacht wurde, fördert-das zweistufige vorprozessuale Verwaltungsverfahren eine solche gütliche Beilegung von Streitigkeiten und erleichtert die Herausarbeitung der zwischen den Parteien wirklich streitigen Punkte. Das Gericht verkennt nicht, daß eine solche Regelung bedeutet, daß der Beamte unter bestimmten Umständen zwei getrennte vorprozessuale Verfahren wird einleiten müssen, die zu zwei verschiedenen Klagen führen können, von denen die eine auf Aufhebung und die andere auf Schadensersatz gerichtet ist; es ist jedoch der Auffassung, daß der klare und strikte Wortlaut des Statuts ein solches Vorgehen verlangt (Randnr. 62).

    Da es im vorliegenden Fall an einem zweistufigen vorprozessualen Verfahren fehlt, ist der Antrag auf Schadensersatz als unzulässig abzuweisen (Randnr. 63).

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

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