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Document 61992CJ0036

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

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    1. Wettbewerb ° Verwaltungsverfahren ° Informationen, die die Kommission bei der Anwendung der Verordnung Nr. 17 erlangt hat ° Übermittlung an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ° Wahrung des Berufsgeheimnisses ° Verpflichtung der Behörden der Mitgliedstaaten, die Vertraulichkeit der von der Kommission übermittelten Informationen zu wahren ° Umfang ° Grenzen

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 10 und 20)

    2. Rechtsmittel ° Rechtsmittelgründe ° Urteilsgründe, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstossen ° Urteilsformel, die aus anderen Rechtsgründen richtig ist ° Zurückweisung

    3. Wettbewerb ° Verwaltungsverfahren ° Schutz der Geschäftsgeheimnisse ° Geltendmachung gegenüber den nationalen Behörden ° Ermessen der Kommission ° Rechte des betroffenen Unternehmens ° Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ° Keine Möglichkeit, sich gegenüber einer Entscheidung, mit der die Vorlage eines Schriftstücks an die Kommission angeordnet wird, auf den Schutz der Geschäftsgeheimnisse zu berufen

    (EWG-Vertrag, Artikel 214; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 10, 11 und 20)

    Leitsätze

    1. Wenn im Rahmen des Verfahrens zur Anwendung der Wettbewerbsregeln die Kommission nach Artikel 10 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet ist, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Abschriften der wichtigsten Schriftstücke zu übermitteln, die bei ihr eingereicht wurden, so sind diese Behörden nach Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet, Kenntnisse nicht preiszugeben, die sie bei der Anwendung dieser Verordnung erhalten haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen. Dieses Preisgabeverbot kann jedoch nicht garantieren, daß die fraglichen Informationen von den Behörden, für die sie bestimmt sind, oder von den Beamten, die von ihnen bei der Ausübung ihres Amtes Kenntnis erlangt haben, nicht berücksichtigt werden. Die Verfahrensgarantie, die für die Unternehmen darin besteht, daß die Behörden die erlangten Kenntnisse nicht zu einem anderen Zweck als demjenigen verwerten dürfen, zu dem sie gesammelt worden sind, kann nämlich nicht so weit gehen, daß die Behörden die übermittelten Informationen tatsächlich ignorieren.

    In einer Situation, in der die Kommission die Vorlage eines zwischen Unternehmen geschlossenen Vertrages angeordnet hat und in der ein Mitgliedstaat, dem dieser Vertrag übermittelt werden soll, die Aufsichtsbehörde eines dritten Unternehmens ist, das Konkurrent eines der Unternehmen ist, die Parteien des Vertrages sind, könnte die in Artikel 20 der Verordnung vorgenommene Beschränkung der Verwertung der erlangten Kenntnisse nicht die irreversiblen Folgen verhindern, die mit der blossen Kenntnis der in diesem Vertrag festgelegten Geschäftsbedingungen verbunden sind. Die nationalen Behörden, die diesen Vertrag berechtigterweise eingesehen hätten, könnten nämlich nicht wirksam gezwungen werden, diesen Bedingungen keinerlei Rechnung zu tragen, wenn sie veranlasst wären, die Handelspolitik des Konkurrenzunternehmens zu bestimmen, über das sie die Aufsicht ausüben. Artikel 20 bietet dem fraglichen Unternehmen daher keinen wirksamen Schutz.

    2. Das Rechtsmittel ist zurückzuweisen, wenn die Gründe eines Urteils des Gerichts eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts erkennen lassen, sich die Urteilsformel aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist.

    3. Zwar ist im Rahmen des Verfahrens zur Durchführung der Wettbewerbsregeln die Kommission nach Artikel 10 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Abschriften derjenigen der bei ihr eingereichten Schriftstücke zu übermitteln, die sie für die wichtigsten hält, doch kann diese Verpflichtung durch den allgemeinen Grundsatz des Rechts der Unternehmen auf Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse eingeschränkt werden, der in Artikel 214 EWG-Vertrag sowie in verschiedenen Bestimmungen der Verordnung Nr. 17 zum Ausdruck kommt. Das kann dann der Fall sein, wenn sich ein Unternehmen vor der Kommission auf die Vertraulichkeit eines bestimmten Schriftstücks gegenüber den zuständigen nationalen Behörden beruft und diese Berufung nicht ganz irrelevant ist.

    Daher ist es Sache der Kommission, zu beurteilen, ob ein bestimmtes Schriftstück Geschäftsgeheimnisse enthält. Nachdem sie dem Unternehmen Gelegenheit gegeben hat, seinen Standpunkt geltend zu machen, hat sie darüber eine hinreichend begründete Entscheidung zu erlassen, die dem Unternehmen mitzuteilen ist. Angesichts des ausserordentlich schweren Schadens, der aus der unzulässigen Weiterleitung von Unterlagen entstehen kann, muß die Kommission, wenn sie den nationalen Behörden ein Schriftstück übermitteln will, obwohl von diesem behauptet wird, daß es diesen Behörden gegenüber vertraulich zu behandeln sei, vor dem Vollzug ihrer Entscheidung dem Unternehmen die Möglichkeit geben, den Gerichtshof anzurufen, um die vorgenommenen Beurteilungen überprüfen zu lassen und die beanstandete Weiterleitung zu verhindern.

    Das Unternehmen könnte also im Rahmen einer gegen eine solche Entscheidung gerichteten Nichtigkeitsklage und nicht im Rahmen einer Klage gegen die nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 getroffene Entscheidung, mit der die Vorlage des Schriftstücks an die Kommission angeordnet wird, gegebenenfalls sein Recht auf Schutz seiner Geschäftsgeheimnisse geltend machen, da die Verpflichtung, das Schriftstück vorzulegen, nicht notwendig dazu führt, daß es den zuständigen nationalen Behörden übermittelt werden kann.

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