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Document 61991CJ0241

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

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1. Wettbewerb ° Beherrschende Stellung ° Begriff ° Monopol der Fernsehgesellschaften für die Informationen über die wöchentlichen Programmvorschauen

(EWG-Vertrag, Artikel 86)

2. Wettbewerb ° Beherrschende Stellung ° Urheberrechte ° Wöchentliche Fernsehprogrammvorschauen ° Ausübung des Rechts ° Mißbrauch ° Voraussetzungen

(EWG-Vertrag, Artikel 86)

3. Rechtsmittel ° Gründe ° Fehlerhafte Tatsachenwürdigung ° Unzulässigkeit

(EWG-Vertrag, Artikel 168a; EWG-Satzung des Gerichtshofes, Artikel 51)

4. Wettbewerb ° Beherrschende Stellung ° Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten ° Kriterien

(EWG-Vertrag, Artikel 86)

5. Völkerrechtliche Verträge ° Verträge der Mitgliedstaaten ° Vor Inkrafttreten des EWG-Vertrags geschlossene Verträge ° Rechtfertigung von Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels ° Unzulässigkeit ° Durch einen Mitgliedstaat, der bereits Vertragspartei des EWG-Vertrags ist, ratifizierter Vertrag ° Keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit der Gemeinschaft

(EWG-Vertrag, Artikel 234 und 236)

6. Wettbewerb ° Verwaltungsverfahren ° Abstellung der Zuwiderhandlungen ° Befugnis der Kommission ° Anordnungen an die Unternehmen

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 3)

7. Wettbewerb ° Verwaltungsverfahren ° Abstellung der Zuwiderhandlungen ° Den Unternehmen auferlegte Belastungen ° Verhältnismässigkeit ° Kriterien

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 3)

8. Wettbewerb ° Verwaltungsverfahren ° Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird ° Begründungspflicht ° Umfang

(EWG-Vertrag, Artikel 190)

Leitsätze

1. Fernsehgesellschaften haben eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 des Vertrages inne, wenn sie aufgrund ihres faktischen Monopols für die Informationen über die Vorschauen auf ihre Programme, die von den meisten Haushalten in einem Mitgliedstaat und einem wesentlichen Teil der Haushalte in dem benachbarten Teil eines anderen Mitgliedstaats empfangen werden, die Möglichkeit haben, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Fernsehwochenzeitschriften in den betreffenden Gebieten zu verhindern.

2. Das Verhalten eines Unternehmens mit beherrschender Stellung, das Teil der Ausübung eines Rechts ist, das vom nationalen Recht als "Urheberrecht" qualifiziert wird, ist nicht allein aufgrund dieser Tatsache jeder Beurteilung anhand des Artikels 86 des Vertrages entzogen.

Zwar bestimmen sich die Voraussetzungen und die Modalitäten des Schutzes eines Immaterialgüterrechts mangels einer Rechtsvereinheitlichung oder -angleichung innerhalb der Gemeinschaft nach nationalem Recht und gehört das ausschließliche Recht der Vervielfältigung zu den Vorrechten des Urhebers, so daß die Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgehen sollte.

Die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber kann jedoch unter aussergewöhnlichen Umständen ein mißbräuchliches Verhalten darstellen. Dies ist der Fall, wenn Fernsehgesellschaften sich auf das vom nationalen Recht verliehene Urheberrecht berufen, um ein anderes Unternehmen daran zu hindern, wöchentlich Informationen (über Fernsehkanal, Datum, Uhrzeit und Titel der Sendungen) zusammen mit Kommentaren und Bildern zu veröffentlichen, die sie ohne Zutun der Fernsehgesellschaften erhalten haben, wenn erstens dieses Verhalten das Auftreten eines neuen Erzeugnisses, nämlich eines umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführers, den die betreffenden Gesellschaften selbst nicht anbieten und nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht, verhindert, was einen Mißbrauch gemäß Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrages darstellt, zweitens diese Weigerung weder durch die Tätigkeit der Ausstrahlung von Fernsehsendungen noch durch die der Herausgabe von Fernsehzeitschriften gerechtfertigt ist, und drittens die betreffenden Gesellschaften sich durch ihr Verhalten einen abgeleiteten Markt ° den der wöchentlichen Fernsehprogrammführer ° vorbehalten, indem sie jeden Wettbewerb auf diesem Markt ausschließen, da sie den Zugang zu den Grundinformationen ° dem unentbehrlichen Ausgangsmaterial für die Herstellung eines solchen Programmführers ° verweigern.

3. Ein Rechtsmittel kann gemäß Artikel 168a des Vertrages und Artikel 51 der Satzung des Gerichtshofes nur auf Gründe gestützt werden, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen.

4. Die Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 86 des Vertrages ist nicht erst dann erfuellt, wenn das beanstandete Verhalten den Handel tatsächlich spürbar beeinträchtigt hat. Es genügt der Nachweis, daß dieses Verhalten geeignet ist, eine derartige Wirkung zu entfalten. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmen jeden potentiellen Konkurrenten auf dem geographischen Markt, der aus einem Mitgliedstaat und einem Teil eines anderen Mitgliedstaats besteht, ausschließt und dadurch die Struktur des Wettbewerbs auf diesem Markt verändert, wodurch die potentiellen Handelsströme zwischen diesen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden.

5. Die Bestimmungen eines vor Inkrafttreten des Vertrages oder, je nachdem, vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats geschlossenen Übereinkommens, auf das Artikel 234 des Vertrages anwendbar ist, können in den innergemeinschaftlichen Beziehungen nicht geltend gemacht werden, wenn die Rechte dritter Länder nicht berührt sind. Ist ein Übereinkommen von einem Mitgliedstaat ratifiziert worden, der bereits Partei des Vertrages ist, so kann es nicht herangezogen werden, um die im Vertrag festgelegten Befugnisse der Gemeinschaft zu begrenzen, da dieser nur nach dem Verfahren des Artikels 236 geändert werden kann.

6. Die Anwendung des Artikels 3 der Verordnung Nr. 17 muß der Natur der festgestellten Zuwiderverhandlung angepasst sein und kann deshalb sowohl die Anordnung zur Vornahme bestimmter Tätigkeiten oder Leistungen, die unrechtmässig unterblieben sind, als auch das Verbot, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Zustände, die dem Vertrag widersprechen, fortzuführen oder fortdauern zu lassen, beinhalten.

7. Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz bedeutet im Rahmen der Anwendung des Artikels 3 der Verordnung Nr. 17, daß die Belastungen, die den Unternehmen auferlegt werden, damit sie eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht abstellen, nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels, der Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften, angemessen und erforderlich ist.

8. Die Entscheidungen der Kommission, mit denen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt, Anordnungen erlassen und finanzielle Sanktionen auferlegt werden können, sind gemäß Artikel 190 des Vertrages stets mit Gründen zu versehen. Diese Vorschrift verlangt, daß die Kommission die Erwägungen darstellt, die sie zum Erlaß einer Entscheidung geführt haben, damit der Gerichtshof und das Gericht ihre Kontrolle ausüben und die Mitgliedstaaten sowie die betroffenen Staatsangehörigen erkennen können, in welcher Weise sie den Vertrag angewandt hat. Im übrigen braucht die Kommission nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die im Verwaltungsverfahren behandelt worden sind.

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