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Document 61989CJ0300

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

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    1. Handlungen der Organe - Wahl der Rechtsgrundlage - Kriterien

    2. Handlungen der Organe - Wahl der Rechtsgrundlage - Auf zwei Vertragsbestimmungen beruhende Zuständigkeit des Organs - Rückgriff auf mehrere Rechtsgrundlagen - Grenze - Beeinträchtigung der Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren

    (EWG-Vertrag, Artikel 100a, 130s und 149 Absatz 2)

    3. Rechtsangleichung - Richtlinie zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen, die sich in einem bestimmten Wirtschaftssektor aus den von den Mitgliedstaaten zum Schutz der Umwelt einseitig getroffenen Maßnahmen ergeben - Beitrag zur Verwirklichung des Binnenmarktes - Rechtsgrundlage - Artikel 100a EWG-Vertrag

    (EWG-Vertrag, Artikel 100a, 130r und 130s; Richtlinie 89/428 des Rates)

    Leitsätze

    1. Im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft kann die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts nicht allein davon abhängen, welches nach

    der Überzeugung eines Organs das angestrebte Ziel ist, sondern muß sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen. Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts.

    2. Beruht die Zuständigkeit eines Organs auf zwei Vertragsbestimmungen, so ist das Organ verpflichtet, die entsprechenden Rechtsakte auf der Grundlage dieser beiden Bestimmungen zu erlassen. Schreibt jedoch die eine der Ermächtigungsbestimmungen - Artikel 100a EWG-Vertrag - die Anwendung des in Artikel 149 Absatz 2 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens der Zusammenarbeit mit dem Parlament vor - nach dessen Durchführung der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann, wenn er die vom Parlament formulierten und von der Kommission übernommenen Abänderungen akzeptieren will -, während die andere Bestimmung - Artikel 130s - eine einstimmige Beschlußfassung innerhalb des Rates nach einer blossen Anhörung des Parlaments vorschreibt, so würde durch einen Rückgriff auf mehrere Rechtsgrundlagen das Verfahren der Zusammenarbeit ausgehöhlt, durch das die Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft gestärkt werden soll. Diese Beteiligung spiegelt auf Gemeinschaftsebene ein grundlegendes demokratisches Prinzip wider, nach dem die Völker durch eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt beteiligt sind. In einem solchen Fall ist deshalb ein Rückgriff auf mehrere Rechtsgrundlagen ausgeschlossen und folglich zu prüfen, welche der beiden Ermächtigungsbestimmungen die geeignete Rechtsgrundlage darstellt.

    3. Nach dem Wortlaut des Artikels 130r Absatz 2 EWG-Vertrag fällt eine Maßnahme der Gemeinschaft nicht bereits deshalb unter Artikel 130s, weil mit ihr unter anderem auch Ziele des Umweltschutzes verfolgt werden. Eine Maßnahme, durch die in einem bestimmten Wirtschaftssektor die nationalen Rechtsvorschriften über die Produktionsbedingungen - die aus Gründen des Umweltschutzes erlassen wurden, jedoch geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen - angeglichen werden sollen, trägt zur Verwirklichung des

    Binnenmarktes bei und fällt deshalb in den Geltungsbereich des Artikels 100a EWG-Vertrag. Die in Artikel 130r genannten Ziele des Umweltschutzes können mit gemäß Artikel 100a erlassenen Harmonisierungsmaßnahmen wirksam verfolgt werden. Aus allen diesen Gründen hätte der Rat die Richtlinie 89/428 über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Abfälle der Titandioxid-Industrie auf Artikel 100a als Rechtsgrundlage stützen müssen. Da der Rat die Richtlinie zu Unrecht auf Artikel 130s gestützt hat, ist sie für nichtig zu erklären.

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