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Document 61988CJ0267
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
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1 . Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Diskriminierende Unterscheidung zwischen Erzeugern oder Verbrauchern - Verbot - Umfang - Ermessen des Gemeinschaftsgesetzgebers auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik - Gerichtliche Nachprüfung - Grenzen
( EWG-Vertrag, Artikel 40 und 43 )
2 . Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Milch und Milcherzeugnisse - Zusätzliche Abgabe für Milch - Wahlmöglichkeit für die Mitgliedstaaten zwischen der Formel A und der Formel B - Unterschiedliche finanzielle Auswirkungen auf die Erzeuger - Korrekturmöglichkeiten im Rahmen der Anwendungsmodalitäten - Keine Diskriminierung
( EWG-Vertrag, Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2; Verordnung Nr . 804/68 des Rates, Artikel 5 c Absatz 1, und Verordnung Nr . 857/84 des Rates, Artikel 1 Absatz 1 und 4 a )
3 . Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Milch und Milcherzeugnisse - Zusätzliche Abgabe für Milch - Anwendungsmodalitäten - Spezielle Vorschriften für bestimmte Mitgliedstaaten, die auf dem Gebiet der Milcherzeugung Besonderheiten aufweisen - Keine Diskriminierung
( EWG-Vertrag, Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2; Verordnung Nr . 857/84 des Rates, Artikel 3 Nr . 3 n . F . und 10 Absatz 2 )
4 . Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Milch und Milcherzeugnisse - Zusätzliche Abgabe für Milch - Durchführung in regionalem Rahmen - Begriff der "Region" - Identität zwischen Region und gesamtem Gebiet eines Mitgliedstaats - Zulässigkeit - Vereinbarkeit mit dem Erfordernis, die strukturellen und naturbedingten Unterschiede der Regionen zu berücksichtigen - Kein Zusammenhang mit der Regelung für die benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiete
( EWG-Vertrag, Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe a; Verordnung Nr . 804/68 des Rates, Artikel 5 c Absatz 1, und Verordnung Nr . 857/84 des Rates, Artikel 1 Absatz 2; Richtlinien 75/268 und 75/269 des Rates )
1 . Das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag ist nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört und nach dem vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre . Bei der gerichtlichen Nachprüfung der Einhaltung dieser Grundsätze ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik über einen Ermessensspielraum verfügt, der seiner politischen Verantwortung, die ihm die Artikel 40 und 43 EWG-Vertrag übertragen, entspricht .
Ist der Gemeinschaftsgesetzgeber insbesondere für den Erlaß einer Regelung genötigt, deren künftige Auswirkungen zu beurteilen, und lassen sich diese nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung vom Gericht nur dann beanstandet werden, wenn sie im Hinblick auf die Erkenntnisse, über die der Gesetzgeber im Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint .
2 . Dadurch, daß er den Mitgliedstaaten bei der Durchführung der zusätzlichen Abgabe für Milch die Wahl lässt zwischen einer Formel A, nach der die Abgabe bei den Erzeugern erhoben wird, und einer Formel B, nach der diese Erhebung bei den Käufern erfolgt, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht gegen das Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft verstossen . Der Rat konnte nämlich vernünftigerweise davon ausgehen, daß die im Rahmen dieser Wahlmöglichkeit, die grundsätzlich durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, angesichts der unterschiedlichen Strukturen der Milcherzeugung und Milcherfassung in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft die volle Wirksamkeit der Regelung in der gesamten Gemeinschaft zu sichern, erfolgte Festsetzung des Abgabensatzes im Rahmen der Formel B auf 100 % des Milchrichtpreises gegenüber 75 % im Rahmen der Formel A geeignet sein würde, den Vorteil auszugleichen, den die der Formel B unterworfenen Erzeuger aus der Möglichkeit ziehen konnten, eine Verrechnung auf der Ebene der Molkerei vorzunehmen, und daß auf diese Weise sichergestellt wäre, daß die Abgabe im Rahmen der beiden Formeln tatsächlich die gleiche Höhe erreichen würde . Zudem wirkt sich die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, im Rahmen sowohl der einen als auch der anderen Formel die von Erzeugern oder Käufern nicht genutzten Mengen Erzeugern oder Käufern der gleichen Region und gegebenenfalls anderer Regionen zuzuteilen, ebenfalls dahin aus, daß die Vorteile abgeschwächt werden, die sich für die Erzeuger bei Anwendung der Formel B aus der Möglichkeit einer Verrechnung auf der Ebene der Molkerei ergeben .
3 . Sowohl Italien als auch Griechenland weisen im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Strukturen vor allem auf dem Gebiet der Milcherzeugung und -vermarktung Besonderheiten auf . Die im erstgenannten Mitgliedstaat anwendbaren speziellen Vorschriften für die Anpassung der individuellen Referenzmengen im Falle aussergewöhnlicher Ereignisse sowie diejenigen, die im zweiten Mitgliedstaat die Anwendungsmodalitäten für die Formel B betreffen, entsprechen der Notwendigkeit, die besondere Lage dieser Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Anwendung der zusätzlichen Abgabe auf Milch zu berücksichtigen . Aufgrund dessen ist die hieraus folgende unterschiedliche Behandlung von Erzeugern aus Italien oder Griechenland und solchen aus anderen Mitgliedstaaten objektiv gerechtfertigt und begründet somit keine verbotene Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft .
4 . Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr . 857/84 ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat befugt ist, sein ganzes Gebiet als eine einzige Region im Sinne von Artikel 5 c Absatz 1 der Verordnung Nr . 804/68 anzusehen, auch wenn dieses Gebiet keine geographische Einheit darstellt, in der die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung vergleichbar wären, es sei denn, daß eine solche Entscheidung den Strukturen des betroffenen Mitgliedstaats offensichtlich nicht angemessen ist .
Hieraus ergibt sich kein Verstoß gegen Artikel 39 Absatz 2 EWG-Vertrag, dem zufolge die strukturellen und naturbedingten Unterschiede der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete berücksichtigt werden müssen, da die Regelung zur Durchführung der zusätzlichen Abgabe für Milch, zu der Artikel 1 Absatz 2 gehört, hinreichend elastisch ist, um es den Mitgliedstaaten bei ihrer Anwendung zu ermöglichen, diese Unterschiede angemessen zu berücksichtigen .
Ebensowenig liegt ein Verstoß gegen die Richtlinien 75/268 und 75/269 vor; diese haben einen eigenständigen, von dem der Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch unterschiedlichen Gegenstand, nämlich die Gewährung staatlicher Beihilfen zugunsten der landwirtschaftlichen Betriebe in bestimmten benachteiligten Gebieten, deren Verzeichnis nach gemeinschaftlichen Kriterien und in einem gemeinschaftlichen Verfahren erstellt wird, und können daher nicht so ausgelegt werden, als müssten die Regionen, auf die sie Anwendung finden, unterschiedliche Regionen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr . 857/84 darstellen .