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Document 61987CJ0395

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

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1 . Freier Warenverkehr - Gewerbliches und kommerzielles Eigentum - Urheberrechte - Schutz - Grenzen - Tonträger, die in einem Mitgliedstaat mit Zustimmung des Urhebers in den Verkehr gebracht worden sind - Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat - Verhinderung oder Beschränkung durch die Erhebung einer Urheberrechtsgebühr - Unzulässigkeit

( EWG-Vertrag, Artikel 30 )

2 . Freier Warenverkehr - Gewerbliches und kommerzielles Eigentum - Urheberrechte - Freier Dienstleistungsverkehr - Nationale Regelung, nach der für die öffentliche Aufführung von Musikwerken, die auf aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Tonträgern aufgenommen sind, Urheberrechtsgebühren erhoben werden dürfen - Zulässigkeit

( EWG-Vertrag, Artikel 30 und 59 )

3 . Wettbewerb - Kartelle - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Verträge zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten über die gegenseitige Vertretung - Zulässigkeit - Ausschließlichkeitsklausel - Unzulässigkeit

( EWG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 )

4 . Wettbewerb - Kartelle - Abgestimmte Verhaltensweise - Parallelverhalten - Vermutung des Vorliegens einer Abstimmung - Grenzen - Weigerung der nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten, einem Benutzer aus einem anderen Mitgliedstaat unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu gewähren - Beurteilung durch das nationale Gericht

( EWG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 und 177 )

5 . Wettbewerb - Kartelle - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Weigerung einer nationalen Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten, einem Benutzer Zugang nur zu einem Teil der geschützten Bestände zu gewähren - Zulässigkeit - Voraussetzungen

( EWG-Vertrag, Artikel 85 )

6 . Wettbewerb - Beherrschende Stellung - Mißbrauch - Unangemessene Geschäftsbedingungen - Von einer Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten geforderte Gebühren, die erheblich höher sind als die in anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren - Rechtfertigungsmöglichkeit

( EWG-Vertrag, Artikel 86 )

Leitsätze

1 . Eine im Namen des Inhabers eines Urheberrechts oder von dessen Lizenznehmer handelnde Gesellschaft kann sich zur Wahrnehmung von Urheberrechten nicht auf das durch das Urheberrecht verliehene ausschließliche Verwertungsrecht berufen, um die Einfuhr von Tonträgern zu verhindern oder zu beschränken, die auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaats von dem Rechtsinhaber selbst oder mit dessen Zustimmung rechtmässig in den Verkehr gebracht worden sind . Eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts darf nämlich einer Gesellschaft, die mit der Wahrnehmung von Urheberrechten betraut ist und hierfür ein tatsächliches Monopol im Gebiet eines Mitgliedstaats besitzt, nicht erlauben, eine Abgabe auf Erzeugnisse aus einem anderen Mitgliedstaat zu erheben, wo sie von dem Inhaber des Urheberrechts oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind, und auf diese Weise bei der Einfuhr von Tonträgern, die sich im Gemeinsamen Markt bereits im freien Verkehr befinden, eine Belastung wegen ihres Grenzuebertritts einführen .

2 . Die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen es eine Verletzung des Urheberrechts darstellt, wenn ein geschütztes Musikwerk mittels Tonträger öffentlich aufgeführt wird, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, dem Autor jedoch für die Vervielfältigung des Werkes bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Vergütung gezahlt wurde .

3 . Verträge über die gegenseitige Vertretung zwischen zwei nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von musikalischen Urheberrechten, durch die diese Gesellschaften einander das Recht gewähren, in dem räumlichen Gebiet, in dem sie jeweils tätig sind, die Genehmigungen zu erteilen, die für die öffentliche Aufführung von Musikwerken erforderlich sind, an denen Mitgliedern der anderen Gesellschaften Urheberrechte zustehen, und diese Genehmigungen bestimmten Bedingungen gemäß den in dem betroffenen Gebiet geltenden gesetzlichen Vorschriften zu unterwerfen, beschränken den Wettbewerb nicht in einer Weise, die sie unter das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fallen ließe . Sie streben nämlich ein doppeltes Ziel an : Zum einen bezwecken sie, in Einklang mit dem in den internationalen Urheberrechtsübereinkommen niedergelegten Diskriminierungsverbot die Gesamtheit der geschützten Musikwerke ohne Rücksicht auf deren Herkunft einheitlichen Bedingungen für die in ein und demselben Staat ansässigen Benutzer zu unterwerfen; zum anderen sollen sie es den Verwertungsgesellschaften ermöglichen, sich für den Schutz ihrer Bestände in einem anderen Staat auf die von der dort tätigen Verwertungsgesellschaft aufgebaute Organisation zu stützen, ohne genötigt zu sein, diese Organisation durch ein eigenes Netzwerk von Verträgen mit den Benutzern und eigene an Ort und Stelle vorgenommene Kontrollen zu ergänzen .

Anders könnten die Dinge liegen, wenn diese Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen eine Ausschließlichkeitsregelung in dem Sinne schüfen, daß die Verwertungsgesellschaften verpflichtet wären, den im Ausland ansässigen Benutzern von aufgezeichneter Musik den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu verwehren .

4 . Artikel 85 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er jegliche zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten abgestimmte Verhaltensweise untersagt, die bezweckt oder bewirkt, daß jede Gesellschaft den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Benutzern den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen verweigert . Im Rahmen der durch Artikel 177 EWG-Vertrag vorgesehenen Verteilung der Zuständigkeiten ist es Sache der innerstaatlichen Gerichte, festzustellen, ob eine derartige Abstimmung zwischen den Verwertungsgesellschaften tatsächlich stattgefunden hat .

Hierzu müssen diese Gerichte sowohl berücksichtigen, daß ein blosses Parallelverhalten unter gewissen Umständen ein wichtiges Indiz für eine abgestimmte Verhaltensweise darstellen kann, wenn es zu Wettbewerbsbedingungen führt, die nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen, als auch, daß eine derartige Abstimmung nicht zu vermuten ist, wenn sich das Parallelverhalten durch andere Gründe als das Vorliegen einer Abstimmung erklären lässt . Was die Verhaltensweisen der Verwertungsgesellschaften angeht, könnte ein solcher Grund gegeben sein, wenn diese Gesellschaften im Fall eines unmittelbaren Zugangs zu ihren Beständen in einem anderen Mitgliedstaat genötigt wären, im Ausland ein eigenes Verwertungs - und Kontrollsystem aufzubauen .

5 . Eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten auf dem Gebiet der Musik, die sich weigert, den Benutzern von Tonaufnahmen einen Zugang lediglich zu den von ihr im Wege der Vertretung verwalteten ausländischen Beständen zu gewähren, bezweckt oder bewirkt hiermit nur dann eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt, wenn auch im Falle eines unmittelbaren Zugangs zu einem Teil der geschützten Bestände die Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger voll gewahrt werden könnten, ohne daß sich deswegen die Kosten der Verwaltung der Verträge und der Überwachung der Nutzung der geschützten Musikwerke erhöhten .

6 . Eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, erzwingt unangemessene Geschäftsbedingungen, wenn die Gebühren, die sie von Diskotheken fordert, erheblich höher sind als die in den anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren, sofern die verschiedenen Tarife, was ihre Höhe betrifft, miteinander auf einheitlicher Grundlage verglichen wurden . Anders wäre es, wenn die in Rede stehende Verwertungsgesellschaft diese Differenz unter Hinweis auf objektive und relevante Unterschiede bei der Wahrnehmung der Urheberrechte in dem betroffenen Mitgliedstaat und in den übrigen Mitgliedstaaten rechtfertigen könnte .

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