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Document 61987CJ0301

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

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    1 . Staatliche Beihilfen - Beihilfevorhaben - Unterlassene Meldung - Durchführung vor Erlaß der abschließenden Entscheidung der Kommission - Anordnungsbefugnis der Kommission - Weigerung, dieser Anordnung nachzukommen - Folgen

    ( EWG-Vertrag, Artikel 93 Absätze 2 und 3 )

    2 . Gemeinschaftsrecht - Grundsätze - Rechtssicherheit - Staatliche Beihilfen - Prüfung von Beihilfevorhaben durch die Kommission - Ungewöhnliche Dauer - Rechtfertigung - Verhalten des betroffenen Mitgliedstaats

    ( EWG-Vertrag, Artikel 93 )

    3 . Gemeinschaftsrecht - Grundsätze - Rechtliches Gehör - Geltung für Verwaltungsverfahren vor der Kommission - Prüfung von Beihilfevorhaben - Umfang

    ( EWG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 2 )

    4 . Staatliche Beihilfen - Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer nicht gemeldeten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird - Begründungspflicht - Umfang

    ( EWG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 3 und 190 )

    5 . Staatliche Beihilfen - Begriff - Finanzhilfen eines Mitgliedstaats für ein Unternehmen - Beurteilungskriterium - Stellung des Unternehmens im Hinblick auf die privaten Kapitalmärkte

    ( EWG-Vertrag, Artikel 92 )

    6 . Staatliche Beihilfen - Verbot - Ausnahmen - Beihilfen, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können - Ermessen der Kommission - Bezugnahme auf die Gemeinschaft als Ganzes - Veränderung der Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise

    ( EWG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c )

    Leitsätze

    1 . Die in Artikel 93 Absatz 3 Satz 1 EWG-Vertrag vorgesehene Verpflichtung zur Meldung von Beihilfevorhaben soll der Kommission Gelegenheit geben, ihre Kontrolle über jede beabsichtigte Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen rechtzeitig und im allgemeinen Interesse der Gemeinschaften auszuüben, während das in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag vorgesehene Durchführungsverbot gewährleisten soll, daß die Wirkungen einer Beihilferegelung nicht eintreten, bevor die Kommission innerhalb einer angemessenen Frist das Vorhaben im einzelnen prüfen und gegebenenfalls das in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehene Verfahren einleiten konnte .

    Dieses System ist nur wirksam, wenn Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können, mit denen gegen jede Verletzung der Bestimmungen des Artikels 93 Absatz 3 eingeschritten werden kann, und wenn zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten diese Maßnahmen mit einer Klage angefochten werden können . Stellt also die Kommission fest, daß eine Beihilfe eingeführt oder umgestaltet wurde, ohne daß sie davon zuvor unterrichtet wurde, so kann sie dem betreffenden Mitgliedstaat, nachdem ihm Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äussern, vorläufig aufgeben, die Zahlung der Beihilfe unverzueglich bis zum Abschluß ihrer Überprüfung einzustellen und der Kommission innerhalb der von ihr festgesetzten Frist alle Unterlagen, Informationen und Daten zu verschaffen, die notwendig sind, um die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen . Die gleiche Anordnungsbefugnis steht der Kommission zu, wenn sie zwar von der Beihilfe unterrichtet wurde, der betreffende Mitgliedstaat jedoch, ohne den Ausgang des in Artikel 93 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens abzuwarten, unter Verstoß gegen das in Artikel 93 Absatz 3 aufgestellte Verbot das Beihilfevorhaben durchführt .

    Kommt der Mitgliedstaat der Anordnung der Kommission vollständig nach und erteilt die verlangten Auskünfte, so ist die Kommission verpflichtet, die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach dem Verfahren des Artikels 93 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag zu prüfen . Erteilt der Mitgliedstaat hingegen trotz der Anordnung der Kommission die verlangten Auskünfte nicht, so ist die Kommission befugt, das Verfahren abzuschließen und die Entscheidung, mit der die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen . In dieser Entscheidung kann gegebenenfalls die Rückforderung des bereits ausgezahlten Beihilfebetrags angeordnet werden .

    Stellt der Mitgliedstaat trotz der Anordnung der Kommission die Zahlung der Beihilfe nicht ein, so kann die Kommission bei gleichzeitiger Fortsetzung ihrer Sachprüfung den Gerichtshof unmittelbar anrufen, um diese Vertragsverletzung feststellen zu lassen . Eine solche Klageerhebung ist wegen der bestehenden Dringlichkeit gerechtfertigt, da bereits eine anordnende Entscheidung vorliegt, die, nachdem dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äusserung gegeben wurde - also genau wie im Falle der Klagemöglichkeit nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag am Ende eines vorprozessualen kontradiktorischen Verfahrens -, ergangen ist . Diese Klage stellt nur eine Sonderform der Vertragsverletzungsklage dar, die auf die besonderen Probleme abgestimmt ist, die staatliche Beihilfen für den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes mit sich bringen .

    2 . Ist die Kommission nicht so rechtzeitig im Sinne des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag unterrichtet worden, daß sie sich zu den Beihilfevorhaben hätte äussern können, und wurden ihr nur unvollständige Auskünfte erteilt, so verletzt sie nicht den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn sie eine Bedenk - und Prüfungszeit bis zur Absendung des Aufforderungsschreibens gemäß Artikel 93 Absatz 2 an den Mitgliedstaat in Anspruch nimmt . Es kann ihr auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie einen ziemlich langen Zeitraum bis zum Erlaß ihrer abschließenden Entscheidung verstreichen ließ, wenn sie wegen des Verhaltens des betreffenden Mitgliedstaats erst sehr spät über die Informationen verfügte, die sie für die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt benötigte .

    3 . Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muß auch dann sichergestellt werden, wenn eine besondere Regelung fehlt . Angewandt auf die Prüfung von Beihilfevorhaben durch die Kommission gebietet dieser Grundsatz, dem betroffenden Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, zu den Äusserungen Stellung zu nehmen, die beteiligte Dritte nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag abgegeben haben und auf die die Kommission ihre Entscheidung stützen will . Soll der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt werden, darf die Kommission solche Äusserungen in ihrer Entscheidung gegen diesen Staat nicht berücksichtigen, soweit dieser keine Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen . Eine solche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt jedoch nur dann zu einer Nichtigerklärung, wenn das Verfahren ohne diese Verletzung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können .

    4 . Hat ein Mitgliedstaat eine Beihilfe gewährt, ohne sie zuvor in der Planungsphase der Kommission gemeldet zu haben, so brauchen in der Begründung der Entscheidung, mit der die Unvereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, nicht die tatsächlichen Auswirkungen dieser Beihilfe auf den Wettbewerb oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten dargelegt zu werden . Anderenfalls würden diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vetrag zahlen, zu Lasten derjenigen begünstigt, die die Beihilfen in der Planungsphase anmelden .

    5 . Bei der Prüfung, ob Finanzhilfen eines Mitgliedstaats für ein Unternehmen staatliche Beihilfen darstellen, ist es angebracht, zu ermitteln, ob das Unternehmen die fraglichen Mittel auf den privaten Kapitalmärkten hätte aufbringen können .

    6 . Im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind . Die Kommission überschreitet die Grenzen ihres Ermessens nicht, wenn sie die Auffassung vertritt, die Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EWG-Vertrag für Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, die die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändern, komme nicht für Beihilfen in Betracht, die die Kosten des begünstigten Unternehmens gesenkt und somit die Wettbewerbsfähigkeit anderer Hersteller in der Gemeinschaft geschwächt haben, so daß diese möglicherweise vom Markt verdrängt werden, obwohl sie bisher dank der aus eigener Kraft unternommenen Umstrukturierung, Produktivitätssteigerung und Qualitätsverbesserung ihre Tätigkeit fortführen konnten .

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