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Notwendige Verbesserung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
Die Europäische Union strebt eine Stärkung der Economic Governance und eine Klärung hinsichtlich der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts an. Zu diesem Zweck sollten die bislang festzustellenden Unzulänglichkeiten behoben werden, indem der Konjunkturentwicklung in den Mitgliedstaaten und der Erhaltung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen mehr Bedeutung beigemessen wird. Des Weiteren sollten zur Unterstützung des Wachstums die verschiedenen Instrumente der Economic Governance besser miteinander verknüpft werden.
RECHTSAKT
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Stärkung der Economic Governance und Klärung der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts [KOM(2004) 581 endg].
ZUSAMMENFASSUNG
Die vorliegende Mitteilung zur Stärkung der Economic Governance und Klärung der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts wurde am 3. September 2004 von der Europäischen Kommission angenommen. Mit der Mitteilung reagiert die Kommission auf die Feststellung des Europäischen Rates, dass die Mitgliedstaaten etwaigen Vorschlägen der Kommission zu der Frage, wie die Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts verstärkt und klarer gestaltet werden kann, mit Interesse entgegensehen. Sie trägt ferner dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-27/04, Europäische Kommission gegen Rat der Europäischen Union, Rechnung, in der es um die Nichtigkeitserklärung der Rechtsakte des Rates in Bezug auf Deutschland und Frankreich ging.
Im Hinblick auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sind solide öffentliche Finanzen unerlässlich. Die Vertragsbestimmungen mit den Referenzwerten von 3 % und 60 % des BIP für das öffentliche Defizit bzw. den öffentlichen Schuldenstand sind weiterhin die zentralen Stützpfeiler des Systems und bilden das erforderliche tragende Gerüst des finanzpolitischen Rahmens. Übermäßige Defizite sollten vermieden und, wenn sie auftreten, umgehend korrigiert werden. In einer Europäischen Union mit 25 Mitgliedstaaten könnte ein gemeinsamer Rahmen die Wirksamkeit der bestehenden Vorschriften fördern, da er Unterschiede in der Wirtschaftslage der Mitgliedstaaten berücksichtigt.
Stärkere Beachtung der Tragfähigkeit zur verstärkten Überwachung des Schuldenstands
Zur Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts macht die Kommission drei Vorschläge: Klärung und einsatzfähige Konkretisierung des Schuldenstandskriteriums, Aufstellung länderspezifischer mittelfristiger Haushaltsziele und Festlegung des Anpassungspfads beim Defizitverfahren unter Berücksichtigung der mit der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen verbundenen Erwägungen.
Was das Schuldenstandskriterium angeht, so könnte der überarbeitete Stabilitäts- und Wachstumspakt klarstellen, wie die im Vertrag enthaltene Formulierung ‚rasch genug' in Bezug auf die Rückführung der Schuldenquote (s. Artikel 104 Absatz 2 b) zu verstehen ist. Bei der Entscheidung darüber, wo die erforderliche Schuldenabbaurate angesetzt werden soll, muss berücksichtigt werden, dass die Schuldenquoten auf ein sicheres Niveau gesenkt werden müssen, bevor die Bevölkerungsalterung sich auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Mitgliedstaaten auswirkt. Des Weiteren muss dem Ausgangsschuldenstand und dem Wachstumspotenzial in den einzelnen Ländern Rechnung getragen werden. Die alljährliche Bewertung der Schuldenstandsentwicklung könnte anhand dieser Referenzrate erfolgen, wobei jedoch die spezifischen Wachstumsbedingungen des jeweiligen Landes berücksichtigt würden. Beispielsweise wäre ein langsamerer Schuldenabbau mit dem Pakt vereinbar, wenn das Wachstum in einem Mitgliedstaat hinter seinem Potenzial zurückbleibt, aber unvereinbar, wenn das Wachstum des betreffenden Mitgliedstaats die Voraussagen übertrifft.
Stärkere Berücksichtigung länderspezifischer Gegebenheiten bei der Definition der mittelfristigen Ziele
Die mittelfristigen Ziele sollen zum einen genügend Spielraum schaffen, damit das gesamtstaatliche Defizit den Referenzwert von 3 % des BIP bei einer Konjunkturverlangsamung ohne Rückgriff auf eine prozyklische Fiskalpolitik nicht überschreitet. Zum anderen ermöglichen die mittelfristigen Ziele eine Senkung des Schuldenstands und eine Vorbereitung auf die budgetären Folgen der Bevölkerungsalterung.
Das mittelfristige Haushaltsziel wird durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner jetzigen Form nicht konkretisiert. Von den Mitgliedstaaten wird gegenwärtig eine alljährlich ausgeglichene Haushaltsposition über den Konjunkturzyklus hinweg verlangt. Einheitliche Zielvorgaben sind in einer EU mit 25 Mitgliedstaaten weder angebracht noch ökonomisch sinnvoll.
Nach Überzeugung der Kommission könnte das mittelfristige Haushaltsziel vom aktuellen Schuldenstand ausgehen und dessen Entwicklung berücksichtigen. Darüber hinaus könnten andere Faktoren wie Wachstumspotenzial, Inflation, bestehende rechnerische Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung, Auswirkungen von Strukturreformen oder weiterer Nettoinvestitionsbedarf in die Bewertung einbezogen werden.
Verfahren bei übermäßigem Defizit und Anpassungspfad
Das derzeitige Regelungswerk trägt der Möglichkeit eines langsamen, aber dennoch positiven Wachstums nicht Rechnung. Die Kommission strebt eine Korrektur des Anpassungspfads im Falle einer Überschreitung des Defizit-Referenzwerts von 3 % und/oder eine Neudefinition der Klausel über „besondere Umstände" an. Im derzeitigen Rahmen wäre ein Nullwachstum, das zu Defiziten über 3 % führt, kein „besonderer Umstand", der den Mitgliedstaat vor der Einleitung des Defizitverfahrens bewahrt. Die Ausnahmen sind in der Verordnung (EG) Nr. 1497/97 präzisiert. Die Kommission hält auch eine Klärung der Begriffe „jäher Abschwung" und „gegenüber den vorangegangenen Trends insgesamt sehr starker Rückgang der Produktion" für sinnvoll, hebt jedoch hervor, dass Änderungen an der Definition dieser Klausel bei der Korrektur des Anpassungspfads geprüft werden müssen.
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 muss ein Mitgliedstaat, der den Defizit-Referenzwert von 3 % überschreitet, die Korrektur „in dem Jahr (erreichen), das auf die Feststellung eines übermäßigen Defizits folgt, sofern keine besonderen Umstände vorliegen" (Art. 3 Abs. 4). Nach Auffassung der Kommission bringen Einheitsfristen für die Korrektur übermäßiger Defizite fundamentale Einschränkungen mit sich, da sie keine Differenzierung zwischen Ländern mit unterschiedlicher Konjunkturentwicklung und unterschiedlichem Schuldenstand ermöglichen.
Bei der Bestimmung eines geeigneten Anpassungspfads sollte der Stabilitäts- und Wachstumspakt der Konjunkturlage eines Mitgliedstaats, der die 3-Prozent-Hürde reißt, besser Rechnung tragen. Dies bedeutet, dass bei einem Land, das den Referenzwert überschreitet, nach wie vor das Defizitverfahren eingeleitet und eine rasche Korrektur erwartet würde. Das Tempo der Korrektur könnte jedoch von Land zu Land unterschiedlich sein, wobei der Anpassungspfad aufgrund der jeweiligen Konjunkturlage und des jeweiligen Schuldenstands festgelegt würde. Die Kommission hält es ebenfalls für sinnvoll, bei der Bewertung der Gesamtlage die Ursachen des übermäßigen Defizits und die eingeleiteten politischen Maßnahmen zu berücksichtigen.
In der Praxis sind im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts verschiedene Herangehensweisen denkbar. Eine erste Möglichkeit bestünde darin, die Frist „ein Jahr nach Feststellung" als Grundregel für die erforderliche Korrektur beizubehalten, während durch eine entsprechende Definition der Klausel über „besondere Umstände" auch längere Anpassungspfade eingeräumt werden könnten. Alternativ könnten länderspezifische Fristen zur Regel gemacht werden. Wichtig wäre dabei, dass stets eine Maximalfrist für die Korrektur des übermäßigen Defizits festgelegt würde.
Gewährleistung frühzeitiger Maßnahmen zur Korrektur unangemessener Haushaltsentwicklungen
Die haushaltspolitische Überwachung sollte für ausreichenden Gruppendruck (peer pressure) sorgen, um die Erreichung der mittelfristigen Ziele sicherzustellen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte den Willen der Mitgliedstaaten bekräftigen, zur Vorbereitung auf die Bevölkerungsalterung eine über den Konjunkturzyklus hinweg symmetrische Finanzpolitik zu verfolgen, genügend Spielraum für Konjunkturverlangsamungen zu schaffen und über den Konjunkturzyklus hinweg für einen angemessenen Policy-Mix zu sorgen.
Eine effiziente Funktionsweise des Peer-Review-Prozesses im präventiven Teil der haushaltspolitischen Überwachung ist unerlässlich, um die richtigen Politikmaßnahmen und Haushaltsergebnisse hervorzubringen. Die Möglichkeit direkter „Frühwarnungen" durch die Kommission dürfte dazu beitragen, etwaigen Handlungsbedarf zur Korrektur unangemessener Haushaltentwicklungen rechtzeitig aufzuzeigen. Im Hinblick auf die Zukunft der Union sorgen die durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa eingeführten Neuregelungen wie die direkten „Frühwarnungen" durch die Kommission und die Ratsbeschlüsse zur Einleitung des Defizitverfahrens aufgrund eines Vorschlags statt einer Empfehlung der Kommission für eine Klärung der einander ergänzenden Rollen von Rat und Kommission. Auch könnten die Grundzüge der Wirtschaftspolitik effektiver genutzt werden, um das Thema „gute Politik in guten Zeiten" anzugehen. Gegebenenfalls könnten Empfehlungen zur Umsetzung der Grundzüge ausgesprochen werden, wenn die Haushaltspolitik damit unvereinbar erscheint.
Haushaltspolitische Koordinierung
Eine engere Verknüpfung zwischen den Grundzügen der Wirtschaftspolitik, dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und den einzelstaatlichen Haushaltsverfahren würde die Effizienz der wirtschaftspolitischen Koordinierung erhöhen. Erstens müsste die Rolle der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme verstärkt werden und die mittelfristige Haushaltsstrategie darin jeweils zu Beginn der Amtszeit einer neuen Regierung dargelegt werden. Die Fortschreibungen der Programme könnten dann jeweils zu Jahresbeginn vorgenommen werden. Auf diese Weise könnten die Grundzüge und die Stellungnahmen zu den Programmen bei der Aufstellung der einzelstaatlichen Haushalte durch die jeweilige Regierung berücksichtigt werden. Zweitens würde ein echtes EU-Halbjahr für die Wirtschaftspolitik es erleichtern, gemeinsame Orientierungen in die inländische Politikgestaltung einfließen zu lassen.
Verbesserte Durchsetzung
Die Kommission stellt fest, dass die Durchsetzung der EU-Rahmenvorschriften sowie der zugehörigen Leitlinien und Empfehlungen sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf Ebene der Gemeinschaft verbessert und die jeweilige Rolle der verschiedenen Institutionen geklärt werden könnte. Die Umsetzung des finanzpolitischen Rahmens und seine Glaubwürdigkeit hängen auch von der Qualität, pünktlichen Übermittlung und Verlässlichkeit der Finanzstatistiken und der Bewertung der öffentlichen Haushaltspositionen ab. Aus diesem Grund stellt die Kommission europäische Mindeststandards für den institutionellen Aufbau der Statistikbehörden auf. Nach Auffassung der Kommission sollte die Wirksamkeit des Gruppendrucks auf einen Mitgliedstaat, der seine vertraglichen Rechtspflichten verletzt, erhöht werden und die Öffentlichkeit über Rechtsbrüche informiert werden. Die Kommission betont die Rolle der einzelstaatlichen Stellen im Haushaltsverfahren und sieht Maßnahmen vor, die zu mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten führen.
VERWANDTE RECHTSAKTE
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Hin zu einer europäischen Governance-Strategie für Finanzstatistiken" [KOM(2004) 832 endgültig - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]
Die Umsetzung des finanzpolitischen Rahmens und seine Glaubwürdigkeit hängen von der Qualität, pünktlichen Übermittlung und Verlässlichkeit der Finanzstatistiken ab. Die Kommission möchte eine konsistente Strategie vorstellen, die auf die Stärkung der EU-Governance im Bereich der Finanzstatistik ausgerichtet ist. Ihrer Meinung nach:
Letzte Änderung: 19.10.2005