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Document C:2006:325:FULL

    Amtsblatt der Europäischen Union, C 325, 30. Dezember 2006


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    ISSN 1725-2407

    Amtsblatt

    der Europäischen Union

    C 325

    European flag  

    Ausgabe in deutscher Sprache

    Mitteilungen und Bekanntmachungen

    49. Jahrgang
    30. Dezember 2006


    Informationsnummer

    Inhalt

    Seite

     

    II   Vorbereitende Rechtsakte

     

    Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

     

    431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006

    2006/C 325/01

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung xxx/2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/20/EG, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004KOM(2006) 640 endg. — 2006/0207 (COD)

    1

    2006/C 325/02

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/38/EG bezüglich der Geltungsdauer der Mehrwertsteuerregelung für Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmte elektronisch erbrachte DienstleistungenKOM(2006) 739 endg. — 2006/0245 (CNS)

    2

    2006/C 325/03

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren

    3

    2006/C 325/04

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission — Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen TourismusKOM(2006) 134 endg.

    11

    2006/C 325/05

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Potenzial Europas für Forschung, Entwicklung und Innovation freisetzen und stärken

    16

    2006/C 325/06

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kennzeichnung der Betätigungseinrichtungen, Kontrollleuchten und Anzeiger von zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen (kodifizierte Fassung) KOM(2006) 556 endg. — 2006/0175 (COD)

    28

    2006/C 325/07

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im europäischen WeinsektorKOM(2006) 319 endg.

    29

    2006/C 325/08

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)KOM(2006) 237 endg. — 2006/0082 (CNS)

    35

    2006/C 325/09

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. …/… über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über LebensmittelKOM(2006) 607 endg. — 2002/0195 (COD)

    37

    2006/C 325/10

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. …/… über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu LebensmittelnKOM(2006) 606 endg. — 2006/0193 (COD)

    40

    2006/C 325/11

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 404/93, (EG) Nr. 1782/2003 und (EG) Nr. 247/2006 in Bezug auf den BananensektorKOM(2006) 489 endg. — 2006/0173 (CNS)

    41

    2006/C 325/12

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71KOM(2005) 676 endg. — 2005/0258 (COD)

    43

    2006/C 325/13

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen

    46

    2006/C 325/14

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werdenKOM(2006) 136 endg.

    53

    2006/C 325/15

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt

    60

    2006/C 325/16

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission im Hinblick auf eine EU-KinderrechtsstrategieKOM(2006) 367 endg.

    65

    2006/C 325/17

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem BereichKOM(2006) 399 endg.

    71

    2006/C 325/18

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Sicherheit der LieferketteKOM(2006) 79 endg. — 2006/0025 (COD)

    73

    2006/C 325/19

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — E-Government-Aktionsplan im Rahmen der i2010-Initiative: Beschleunigte Einführung elektronischer Behördendienste in Europa zum Nutzen allerKOM(2006) 173 endg.

    78

    2006/C 325/20

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/…/EWG über die technischen Vorschriften für BinnenschiffeKOM(2006) 646 endg. — 2006/0210 (COD)

    82

    2006/C 325/21

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) 3922/91 des Rates zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der ZivilluftfahrtKOM(2006) 645 endg. — 2006/0209 (COD)

    83

    DE

     


    II Vorbereitende Rechtsakte

    Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

    431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006

    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/1


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung xxx/2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/20/EG, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004“

    KOM(2006) 640 endg. — 2006/0207 (COD)

    (2006/C 325/01)

    Der Rat beschloss am 9. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) Frau HEINISCH zur Hauptberichterstatterin und verabschiedete mit 125 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerung

    1.1

    Der Ratsbeschluss 2006/512/EG, der am 17. Juli 2006 angenommen wurde und den Ratsbeschluss 1999/468/EG abändert, basiert auf Artikel 202 des Vertrages. Mit dem Beschluss 2006/512/EG wurde eine neue Modalität für die Ausübung von Durchführungsbefugnissen eingeführt, nämlich das Regelungsverfahren mit Kontrolle.

    1.2

    Alle anhängigen Rechtsakte, die nach Inkrafttreten des Kommitologiebeschlusses 2006/512/EG, auf ein Regelungsverfahren eines nach dem Mitentscheidungsverfahren gemäß Artikel 251 des Vertrages angenommenen, aber noch nicht erlassenen Basisrechtsakts verweisen, müssen demnach abgeändert werden. Diese Verordnung xxx/2006 über Kinderarzneimittel wurde zwar am 23.10.2006 formell angenommen, jedoch noch nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, ist also noch nicht in Kraft getreten.

    1.3

    Der vorliegende Vorschlag der Kommission ändert die Verordnung xxx/2006 über Kinderarzneimittel dahingehend ab, dass die beiden Durchführungsbefugnisse, nämlich Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 49 Absatz 3 im Rahmen des neuen Regelungsverfahrens mit Kontrolle erlassen werden können, da mit ihnen diese Verordnung durch die Hinzufügung nicht wesentlicher Bestimmungen ergänzt werde soll:

    in Artikel 20 Absatz 2, um die Gründe für die Gewährung einer Zurückstellung näher festzulegen und,

    in Artikel 49 Absatz 3 in Bezug auf die Höchstbeträge sowie die Bedingungen und die Modalitäten für die Einbeziehung der Geldbußen.

    2.   Empfehlung

    2.1

    Der vorliegende Vorschlag der Kommission entspricht vollends den Verfahren, mit denen der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden und deren Regeln. Der EWSA stimmt dem Vorschlag der Kommission ohne Einwände zu.

    Brüssels, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/2


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/38/EG bezüglich der Geltungsdauer der Mehrwertsteuerregelung für Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmte elektronisch erbrachte Dienstleistungen“

    KOM(2006) 739 endg. — 2006/0245 (CNS)

    (2006/C 325/02)

    Der Rat beschloss am 30. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 Herrn BURANI zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 102 Stimmen ohne Gegenstimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Am 7. Mai 2002 verabschiedete der Rat die Richtlinie 2002/38/EG zur Änderung der „Basisrichtlinie“ 77/388/EG, mit der die Mehrwertsteuerregelung eingeführt wird. Die Änderung betrifft die für Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie einige elektronisch erbrachte Dienstleistungen erhobene Mehrwertsteuer; sie enthält eine Reihe von Vorschriften, die ohne Fristverlängerung am 30. Juni 2006 ausgelaufen wären.

    1.2

    Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Richtlinie hatte der Rat eine Überprüfung der Vorschriften über den Ort der Erbringung der Dienstleistungen sowie einiger anderer über Erleichterungen für Unternehmen aus Drittländern innerhalb von drei Jahren, d.h. vor dem Auslaufen der Richtlinie, vorgesehen. Am 25. Mai 2006 legte die Kommission einen Bericht vor, in dem sie die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen bestätigt und deren Verlängerung bis zum 31. Dezember 2008 vorschlägt. Der Rat hat allerdings beschlossen, die Verlängerung der Geltungsdauer auf den 31. Dezember 2006 zu begrenzen.

    1.3

    Die Kommission merkt an, dass das Auslaufen der in der Richtlinie enthaltenen Maßnahmen „unerwünschte Folgen“ hätte, ein Euphemismus dafür, dass in diesem Bereich ein Rechtsvakuum entstünde, wenn keine neuen Vorschläge unterbreitet würden. Ferner stellt die Kommission fest, dass aufgrund der langsamen Rechtsetzungsverfahren im Steuerbereich vor Ende 2006 keine neuen Maßnahmen festgelegt werden können, die die Richtlinie ersetzen; sie wiederholt daher ihren Vorschlag, die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2008 zu verlängern.

    2.   Standpunkt des Ausschusses

    2.1

    Der Ausschuss nimmt die von der Kommission vorgebrachten Beweggründe zur Kenntnis und ist der Auffassung, dass derzeit kein Anlass besteht, sich eingehend mit den in der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen zu beschäftigen: in Anbetracht der Tatsache, dass Rechtsvorschriften für diesen Sektor dringend erforderlich sind, und im Vertrauen auf die Stichhaltigkeit der Behauptungen der Kommission, dass sich die geltenden Vorschriften bewährt haben, kann der EWSA den Verlängerungsvorschlag nur befürworten. Aufgrund der langwierigen Rechtsetzungsverfahren im Steuerbereich hält er darüber hinaus eine Frist von zwei Jahren, d.h. bis zum 31. Dezember 2008, für kaum ausreichend bzw. für schlichtweg zu kurz, um die Formulierung neuer Vorschläge in diesem Bereich zu ermöglichen.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/3


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren“

    (2006/C 325/03)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 19. Januar 2006 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren“

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. November 2006 an. Berichterstatter war Herr van IERSEL.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 102 gegen 5 Stimmen bei 48 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung

    1.1

    Dem Ministerrat kommt im Beschlussfassungsprozess der EU eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Trotzdem ist das Problem der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung auf Gemeinschaftsebene noch nie gründlich erörtert worden. Die Europäische Union ist ein einzigartiges Gebilde, was die Teilung der Hoheitsrechte angeht. Dies bedeutet, dass in zahlreichen Bereichen ein transparentes Regieren und Verwalten auf mehreren Ebenen erforderlich ist. Der EWSA ist der Auffassung, dass klar definierte und wirksame innerstaatliche Verfahrensweisen in Politik und Verwaltung der Mitgliedstaaten zusammen mit besserer Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ein integraler Bestandteil des verantwortungsvollen Regierens und Verwaltens in der EU sind. Durch sie kann zu größerer Transparenz und zur Klärung der Auswirkungen von Gemeinschaftsrecht und EU-Politiken auf die ganze Gesellschaft beigetragen werden. Die Analyse einzelstaatlicher Verfahrensweisen zeigt, dass zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bezüglich der politischen und administrativen Behandlung von EU-Angelegenheiten bestehen, und sollte daher eine Debatte über Regierungs- und Verwaltungsverfahren im Umgang mit EU-Recht anregen. Dabei kristallisieren sich möglicherweise hochinteressante und vorbildliche Verfahrensweisen heraus. Eine offene Debatte in ganz Europa über den besten Umgang mit europäischen Angelegenheiten auf einzelstaatlicher Ebene wird auch der Debatte über bessere Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts dienen. Der Ausschuss spricht sich für eine ständige Beobachtung der Verfahrens- und Vorgehensweisen der nationalen Verwaltungen aus.

    2.   Einleitung

    2.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat 2005 je eine Stellungnahme zur besseren Rechtsetzung und zu einer besseren Durchführung und Durchsetzung des EU-Rechts verabschiedet. Beide Stellungnahmen basierten auf dem Grundsatz: In einem Rechtsstaat ist ein Gesetz gut, wenn es durchsetzbar ist und auch durchgesetzt wird (1). EU-Recht muss in einem transparenten, demokratischen und offenen Prozess entstehen, durch den die Legitimation der EU gestärkt wird. Teil dieses Prozesses sind auch interne Verfahrensweisen der Regierungen und Behörden der Mitgliedstaaten.

    2.2

    Es ist bemerkenswert und bedauerlich, dass nach vielen Jahren europäischer Integration noch längst nicht alle Mitgliedstaaten EU-Recht und -Politik angemessen politisch und administrativ in die Gestaltung ihrer Politik eingebunden haben, obwohl sie sich in einer Reihe von Bereichen zu einer gemeinsamen Politik und zur Durchführung gemeinsamer Entscheidungen verpflichtet haben.

    2.3

    Bei der Rechtsetzung, Umsetzung und Durchführung sind die Mitgliedstaaten entscheidend. Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten diese Prozesse handhaben, ebenfalls von großer Bedeutung ist: je besser die Organisation, desto besser das Endergebnis für die Europäische Union, im Interesse der Mitgliedstaaten selbst und für die Gesellschaft insgesamt.

    2.4

    Es ist unbedingt erforderlich, dass europäische Angelegenheiten auf nationaler Ebene effektiv und transparent gehandhabt werden, da 25 Mitgliedstaaten mit ihrer eigenen Verwaltungskultur und -tradition denselben gemeinsamen Besitzstand achten müssen, was bedeutet, dass sie bei der Rechtsetzung, Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ähnliche Anforderungen zu erfüllen haben.

    2.5

    Das Problem der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung ist noch nie eingehend auf Gemeinschaftsebene erörtert worden, zum einen aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes, zum andern aus Mangel an wirklichem Interesse seitens der Entscheidungsgremien in Brüssel und den Hauptstädten. Bemerkenswerterweise hat man diesem Aspekt in akademischen Kreisen bisher, abgesehen von einigen Ausnahmen, überhaupt noch keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Zweifellos hat die Organisation und Funktionsweise der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung aber wesentliche Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung in Brüssel und folglich auf die Umsetzung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts. Daher muss bei der Debatte über eine verbesserte Rechtsetzung und Durchführung auch berücksichtigt werden, wie die innerstaatliche Koordination und Politikgestaltung funktioniert.

    2.6

    Dies ist bei Weitem mehr als eine rein technische Frage. Es ist eine politische Angelegenheit, da eine Debatte über die Verbesserung der Organisation und internen Verfahrensweisen in den Mitgliedstaaten sowie über eine mögliche Neudefinition der jeweiligen Zuständigkeiten von Mitgliedstaaten und Kommission erstrebenswert wäre. Außerdem ist es erforderlich, dass diese Prozesse in den Mitgliedstaaten in transparenter und offener Form ablaufen, um die Kommunikation zwischen der EU und der Gesellschaft zu verbessern und Verwirrung und Misstrauen in der Bevölkerung entgegenzuwirken.

    2.7

    Aus verständlichen Gründen hat die Kommission die Debatte über die innerstaatlichen Verfahren bisher abgelehnt. Gleichwohl erklärte die Kommission 2001 (2) zu Recht: „Es ist an der Zeit anzuerkennen, dass die Europäische Union von einem diplomatischen zu einem demokratischen Prozess übergegangen ist und ihre Politiken tief in die nationalen Gesellschaften und das tägliche Leben hineinreichen. Der Rat muss seine Fähigkeit, alle Aspekte der EU-Politik auf seiner Ebene und in den Mitgliedstaaten zu koordinieren, ausbauen.“

    2.8

    Die Kommission machte 2004 in einer Empfehlung praktische Vorschläge für die „Umsetzung“ von Gemeinschaftsrecht, die direkt an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, um die korrekte Durchführung und Durchsetzung von verabschiedetem Gemeinschaftsrecht (3) zu fördern. Einige dieser Vorschläge können auch dazu dienen, die innerstaatlichen Koordinierungs- und Politikgestaltungsmaßnahmen bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften der EU und bei der Durchführung vereinbarter politischer Ziele zu verbessern.

    2.9

    Zweifelsohne ist die Rationalisierung der politischen und administrativen Verfahren in den Mitgliedstaaten seit den folgenden Ereignissen notwendiger denn je geworden:

    der Einführung von „Anzeigern“ für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts,

    der Einbeziehung der EU in immer mehr Bereiche,

    den Verhandlungen zum Verfassungsvertrag sowie

    der Erweiterung der EU und der Aussicht auf den Beitritt weiterer Mitgliedstaaten.

    Es muss jedoch noch viel getan werden.

    3.   Allgemeiner Kontext

    3.1

    Die EU ist weder ein Staat noch beabsichtigt sie, ein Staat zu werden. Die Kommission ist eine zentrale Stelle, die in klar definierten Bereichen das Initiativrecht besitzt. Der Rat bestimmt das Geschehen, wenn es um Entscheidungen über Gesetzgebung und Haushalt geht, wobei diese häufig vom Europäischen Parlament als Mitgesetzgeber und vom Gerichtshof als Hüter des EU-Rechts beeinflusst werden. Somit hat keines der Organe eine ausschlaggebende Führungsrolle inne. Die EU ist vielmehr ein sehr komplexes Gebilde mit gegenseitigen Abhängigkeiten vieler Akteure. Sie ist einzigartig hinsichtlich des geschaffenen Netzes nationaler und föderaler Verantwortlichkeiten.

    3.2

    Die Europäische Union ist ferner einzigartig hinsichtlich der geteilten Souveränität. Dies bedeutet, dass in zahlreichen Bereichen ein transparentes Regieren und Verwalten auf mehreren Ebenen erforderlich ist, aber über die Auswirkungen, die dies auf die Verwaltung der Komponenten der EU, d.h. der Mitgliedstaaten hat, besteht noch weitgehend Unklarheit (4). Dies betrifft Angelegenheiten, für die eine gemeinsame Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und „Brüssels“ besteht, aber auch solche, für die die Mitgliedstaaten selbst verantwortlich sind, wie etwa die Umsetzung der Lissabon-Strategie.

    3.3

    Während der letzten Jahrzehnte hat die EU immer mehr Bereiche in ihre Zuständigkeit übernommen. An diesem dynamischen Prozess sind die Regierungen der Mitgliedstaaten, aber zunehmend auch regionale Gebietskörperschaften, soziale und wirtschaftliche Akteure und die Zivilgesellschaft beteiligt. Seit kurzem stehen Themen des „Dritten Pfeilers“, d.h. des Bereichs Justiz und Inneres, am Beginn der Vergemeinschaftung. Bisher ist es der Kommission in diesem Bereich nicht möglich, gegen Mitgliedstaaten eine Verletzungsklage einzureichen, um Versäumnisse bei der einzelstaatlichen Umsetzung der Rechtsvorschriften gutzumachen (5).

    3.4

    Obwohl das Gemeinschaftsrecht und die auf EU-Ebene gefassten Beschlüsse häufig direkte Auswirkungen für die einzelnen Bürger, Unternehmen und Organisationen haben, wird die Europäische Union in vielen Mitgliedstaaten immer noch in erster Linie als internationale Organisation außerhalb des eigenen Staates wahrgenommen, in einigen Ländern sogar als rein außenpolitische Angelegenheit. Dies führt zu Verwirrung und schafft eine integrationsfeindliche Distanz. Die Probleme, auf die die EU im politischen und administrativen Kontext der Mitgliedstaaten stößt, sind zum größten Teil auf eine solche Einstellung zurückzuführen.

    3.4.1

    Im politischen Rahmen sind Stellung und Rolle der einzelstaatlichen Parlamente von höchster Wichtigkeit. In vielen Fällen besteht immer noch eine Kluft zwischen dem Grad ihrer Informiertheit und Eingebundenheit einerseits und dem Entscheidungsprozess auf Gemeinschaftsebene andererseits. Dadurch verstärkt sich auch die Distanz zwischen der EU und der Gesellschaft.

    3.4.2

    Ein zweiter Aspekt in diesem Zusammenhang ist der Unterschied in Wahrnehmung und Engagement von Politikern, einzelstaatlichen Verwaltungen und den eingebundenen privaten Akteuren.

    3.4.3

    Drittens kann ein Mangel an Transparenz in der Politikgestaltung zu Unklarheit darüber führen, wie und wann genau einzelstaatliche Standpunkte intern sowie auf EU-Ebene festgelegt und verhandelt werden. Bezeichnenderweise sind in verschiedenen Ministerien die Abteilungen für europäische Angelegenheiten mehr oder weniger getrennt von den Abteilungen für Landesangelegenheiten, obwohl sie sich mit Fachfragen und nicht nur mit der Koordinierung befassen. Das kann sich negativ darauf auswirken, wie sensibel und aufmerksam letztere gegenüber Aspekten sind, die Europa betreffen. Vergleichbare Koordinierungsprobleme bestehen zwischen den ständigen Ausschüssen in den einzelstaatlichen Parlamenten.

    3.4.4

    Viertens findet auf einzelstaatlicher Ebene der Entscheidungsprozess bezüglich Europas zu häufig getrennt von den Exekutivdirektionen oder -agenturen und auch zu weit von den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften entfernt statt.

    3.5

    Es gibt hinreichend Beispiele für die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten administrative und politische Verfahren nur relativ ungern umstellen. Sollten die Verfahren aber nicht an die wachsende Komplexität und Bedeutung der EU angepasst werden, so könnte dies zu ständigen Friktionen auf den verschiedenen Ebenen des Entscheidungsprozesses führen.

    3.6

    Besondere politische Interessen und Traditionen sowie eine national und parteipolitisch eingefärbte Rhetorik sind für gewöhnlich tonangebend. Dadurch entsteht eine künstliche Kluft zwischen den Entscheidungen aus Brüssel und den als spezifisch national wahrgenommenen Interessen und Verfahren.

    3.7

    Diese Entwicklung ist der Hauptgrund für die besondere paradoxe Situation, dass auf der einen Seite die Regierungen sich in der EU, also in „Brüssel“, über politische Zielsetzungen und Rechtsvorschriften einigen, diese aber auf der anderen Seite zurückweisen, sobald sie auf Landesebene diskutiert werden.

    3.8

    Diese Kluft kann für Interessengruppen und die Öffentlichkeit insgesamt sehr verwirrend sein. Mit Sicherheit aber verschlimmert dieses Problem die erhebliche Legitimationskrise der EU, da die Meinungen und Erwartungen der Öffentlichkeit direkt davon beeinflusst werden, auf welche Weise und wie zuverlässig die politischen Gemeinschaftsziele auf nationaler Ebene gehandhabt werden.

    3.8.1

    Der EWSA weist in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass eine eventuelle Legitimitätskrise der EU nicht in erster Linie auf Kommunikationsprobleme zurückgeführt werden sollte. Der primäre Ansatz, um das Vertrauen der Bürger in die EU zurückzugewinnen, muss nach wie vor darin bestehen, die drängenden Probleme der Union zu lösen.

    3.9

    In diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass eine Reihe von Organisationen der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft auf mehr oder weniger ähnlich widersprüchliche Weise mit „Brüssel“ und der Landespolitik verfahren.

    3.10

    Der Ruf der EU kann untergraben werden, weil die auf nationaler Ebene geäußerte Kritik meistens an „Brüssel“ und die Kommission gerichtet ist, aber nur selten an die Mitgliedstaaten, die die Hauptakteure im Integrationsprozess sind.

    3.11

    Nationale Lobbykreise neigen dazu, ganz ähnlich zu handeln, wenn es um die Umsetzung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts geht. Manchmal ergibt sich ihr Verhalten aus den Möglichkeiten, die durch hart umkämpfte Kompromisse im Rat, bei denen den einzelnen Staaten Ermessensspielraum gegeben wird, zustande kommen. Bei anderen Gelegenheiten nutzen die Lobbykreise einfach nur die von den innerstaatlichen Gesetzgebungsorganen ungerechtfertigterweise geschaffenen Möglichkeiten aus, was zu dem so genannten Gold-Plating und zum „Rosinenpicken“ führt.

    3.12

    Eine einzelstaatlich-bezogene Orientierung in EU-Angelegenheiten kann auch durch die Tendenz begünstigt werden, flexiblere Instrumente anstelle von verbindlichen Rechtsinstrumenten anzuwenden, wie etwa die offene Koordinierungsmethode: je mehr Spielraum für die nationale Auslegung besteht, desto größer fallen die Unterschiede zwischen den Ländern aus.

    4.   Koordinierung auf einzelstaatlicher Ebene

    4.1

    Bis vor kurzem wurde anscheinend in vielen Mitgliedstaaten das Problem der Harmonisierung von Prozessen und Verfahren auf nationaler Ebene hauptsächlich durch spontane Entwicklungen innerhalb eines oder mehrerer Ministerien gelöst, ohne dabei eine gut strukturierte Vorgehensweise anzustreben. Zwar sind alle Mitgliedstaaten dabei, ein mehr oder weniger strukturiertes Koordinierungsverfahren (und die entsprechenden Organe) zu entwickeln, aber dies betrifft in vielen Fällen nur die letzte Phase der innerstaatlichen Entscheidungsfindung. Die vorhergehenden Phasen sind in der Regel schlechter organisiert.

    4.2

    Dies zeigt, dass es eher ein vielschichtiges Modell der Regierungszusammenarbeit gibt als einen dynamischen Prozess der EU-Rechtsetzung mit entsprechenden komplizierten politischen Verhandlungen. In der Praxis wurden durch die europäische Integration sehr breit gefächerte und intensive Kontakte mit unzähligen Querverbindungen zwischen all den Personen im öffentlichen und privaten Sektor geknüpft, die mit der Rechtsetzung, den verwaltungsbezogenen Verhandlungen und Verfahren in Europa befasst sind. So bestehen viele Verknüpfungen im Zusammenhang mit der Erarbeitung europäischer Rechtsvorschriften — u.a. durch die Konsultation von Sachverständigen und Interessensvertretern — sowie im Zusammenhang mit der Aushandlung neuer Rechtsvorschriften, der Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung von verabschiedetem Gemeinschaftsrecht, der Wahrung des Gemeinschaftsrechts durch die einzelstaatlichen Justizbehörden und den Europäischen Gerichtshof und schließlich der Diskussion mit den europäischen Rechtsetzungsorganen über die Erfahrungen einzelner Staaten mit dem Gemeinschaftsrecht. Diese Verfahren erfordern auch ein hohes Maß an Professionalität bei der Gesamtorganisation der nationalen Verwaltungen.

    4.3

    Eine angemessene Verwaltung und Koordinierung auf nationaler Ebene und eine effektive internationale Vernetzung werden zunehmend erforderlich, da die politischen Zielsetzungen und die Entscheidungsfindung der EU eng an die politischen Zielsetzungen der Einzelstaaten gebunden bzw. mit ihnen verknüpft sind. Die Lissabon-Strategie ist ein anschauliches Beispiel: Sie wurde auf EU-Ebene festgelegt, aber in der Praxis betrifft die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung nur einen begrenzten Teil der Strategie. Die Verantwortlichkeit für die Hauptaspekte liegt weiterhin bei den Mitgliedstaaten. Aber das Endergebnis ist ungewiss, wenn die Mitgliedstaaten vereinbarte Zielvorgaben aufgrund fehlender obligatorischer interaktiver Verfahren zur Abstimmung der Gemeinschafts- und Länderpolitiken nicht oder nur teilweise zu erreichen versuchen.

    4.4

    Die Intensivierung der europäischen Integration, die auf einer Reihe von EU-Gipfeln und in zahlreichen Ratssitzungen in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission beschlossen wurde, sollte sich in der politischen und administrativen Organisation der Mitgliedstaaten widerspiegeln. Diesbezüglich gibt es zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch beträchtliche Unterschiede (6). Aufgrund historischer Entwicklungen in jedem Land betreffen die Unterschiede nahezu alle Aspekte der Politik und Regierungsführung.

    4.5

    Zu diesen Aspekten gehören: Verfahren und grundlegende Konzepte der Regierungsführung und Verwaltung, die Rangfolge zwischen den Ministerien, die Merkmale der Ministerien und der zentralisierte vs. dezentrale Staatsaufbau.

    4.6

    Insbesondere gibt es zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche politische Unterschiede in Bezug auf die EU, und zwar hinsichtlich:

    der Stellung und der Befugnisse des Ministerpräsidenten bzw. des Regierungschefs,

    der Rolle und Funktion der Minister im Kabinett,

    der Beziehung zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister und/oder dem Staatssekretär für europäische Angelegenheiten,

    der Koalitions- oder Mehrheitsregierungen und ihrer Prioritäten,

    der Beziehung zwischen Regierung und Parlament und der Rolle des einzelstaatlichen Parlaments im europäischen Integrationsprozess,

    des Ausmaßes, in dem bessere Rechtsetzung der EU und deren Umsetzung ernst genommen werden.

    4.7

    Ähnliche Unterschiede bestehen bezüglich der Zuständigkeiten und Arbeitsmethoden zwischen den und innerhalb der Ministerien hinsichtlich:

    der Organisation des Amtes des Ministerpräsidenten/Regierungschefs und seiner institutionellen Stellung,

    des Ausmaßes, in dem zwischen den „Europa“-Abteilungen und anderen Abteilungen der Ministerien „Chinesische Mauern“ existieren oder nicht,

    des Zeitpunkts, zu dem in den Ministerien ein ernsthaftes Interesse an einem bestimmten Vorschlag einsetzt,

    des Grades und Niveaus an Koordinierung, wenn es um „Brüssel“ geht,

    des Zeitpunks, zu dem die Koordinierung eines bestimmten Vorschlags beginnt,

    der Rolle des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und dementsprechend des Grades der Unabhängigkeit der anderen Ministerien,

    der (fortlaufenden) Weiterbildung für Beamte,

    der Art und Weise, wie die betroffenen Akteure der Gesellschaft in der Verhandlungs- und Umsetzungsphase angehört werden,

    der Art und Weise, in der Richtlinien gewöhnlich umgesetzt werden, entweder durch das formale nationale Gesetzgebungsverfahren oder durch formal weniger anspruchsvolle Regierungsverordnungen.

    4.8

    Die Aufteilung der Arbeit zwischen nationalen Ministerien kann sich ebenfalls ernsthaft auf den Rat auswirken, z.B. sind an dem Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ häufig vier oder fünf Ministerien pro Land beteiligt. Dadurch ist keine Langzeitstrategie möglich, die Führerschaft wird blockiert und es entsteht politisches Stückwerk.

    4.9

    Die Situation wird noch komplizierter, wenn die Zuständigkeiten auch noch zwischen der nationalen und der regionalen Ebene, wie dies in föderalen Systemen der Fall ist, aufgeteilt werden. Vielschichtige und manchmal undurchsichtige Beziehungen zwischen der nationalen und der regionalen Ebene können leicht zu weiterer Verwirrung führen.

    4.10

    Auch durch ungeeignete Verfahrensweisen der Kommission und des Sekretariats des Rates der EU werden effiziente Entscheidungsprozesse in den Mitgliedstaaten unmöglich gemacht. So werden beispielsweise die endgültigen Entwürfe der vom Rat erörterten Dokumente erst kurz vor der entsprechenden Ratssitzung weitergeleitet, wodurch selbst die zügigsten nationalen Entscheidungsabläufe konterkariert werden.

    4.11

    Da die Arbeit in den Mitgliedstaaten zwischen den Ministerien und den Abteilungen unterschiedlich aufgeteilt wird, ist es häufig schwierig, in ganz Europa eine wirksame internationale Vernetzung und langfristige persönliche Kontakte zwischen den zuständigen Beamten aufzubauen.

    4.12

    Die tägliche Erfahrung zeigt nach wie vor, dass das Wissen eines großen Teils der juristischen Kreise allgemein und vieler nationaler Richter, die europäische Rechtsvorschriften uneingeschränkt berücksichtigen sollen, unzureichend ist. Dadurch werden die nationalen Verwaltungen nicht gerade darin bestärkt, die EU ohne Weiteres als politische und institutionelle Ebene in die innerstaatliche Politikgestaltung einzubinden.

    5.   Aktuelle Entwicklungen

    5.1

    Durch ständig stattfindende Rechtsverletzungsverfahren, die die Kommission in Ausübung ihrer wichtigen Aufgabe, Versäumnisse bei der einzelstaatlichen Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften gutzumachen, in Gang bringt, und die Erweiterung des erfolgreichen EU-„Anzeigers“ für die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in einzelstaatliches Recht wurde das Bewusstsein dafür geweckt, dass die nationalen Verfahren an die Gemeinschaftsanforderungen angepasst werden müssen.

    5.2

    Die Einführung des gemeinschaftlichen Besitzstandes in den zehn neuen Mitgliedsländern bis 2003 hat zu einer ähnlichen Sensibilisierung für dieses Thema geführt.

    5.3

    Der vorgeschlagene Verfassungsvertrag zielt unter anderem darauf ab, die einzelstaatlichen politischen Verfahren mit der Erarbeitung von Rechtsvorschriften der EU zu verbinden, unter anderem indem die nationalen Parlamente in einer frühen Phase in die EU-Verfahren integriert werden.

    5.4

    Obwohl die Koordinierungsverfahren gelegentlich verbessert werden, darf man nicht die Augen davor verschließen, dass die meisten nationalen Verwaltungen es in der Regel ablehnen, ihre internen Verfahren zu ändern, und insbesondere ihre Verfahren untereinander oder auf EU-Ebene zu erörtern. Subsidiarität heißt das Motto, auf das man sich beruft.

    5.5

    Neben der Subsidiarität gibt es noch eine Tatsache, die die Beziehungen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten häufig verkompliziert: Der Zyklus der Entscheidungsfindung der EU deckt sich gewöhnlich nicht mit dem der Politikgestaltung auf nationaler Ebene.

    5.6

    Obwohl in den Mitgliedstaaten Anpassungen der Koordinierungsverfahren erörtert werden (7), bestehen weiterhin Unterschiede in der Vorgehens- und Verfahrensweise der Mitgliedstaaten.

    5.6.1

    In Dänemark zum Beispiel wird das Parlament in einer sehr frühen Phase in die Erarbeitung von EU-Rechtsvorschriften und die Gestaltung von EU-Politiken eingezogen, wodurch die Arbeit in Brüssel systematisch sichtbarer und transparenter wird. Gleichzeitig werden in Dänemark bereits seit relativ langer Zeit wirksame Anpassungen administrativer Verfahren vorgenommen und Querverbindungen beim Umgang mit nationalem Recht und EU-Recht aufgebaut.

    5.6.2

    Im Vereinigten Königreich wurden Verfahren eingeführt, um die EU-Angelegenheiten näher an die einzelstaatliche Politikgestaltung heranzuführen, unter anderem durch ein effizientes Koordinierungssystem zwischen den Ministerien und die Erteilung eines umfangreichen Gemeinschaftsrechts-Mandats an die Kabinettskanzlei. Das House of Commons (Unterhaus) hat die Möglichkeit, die EU-Rechtsvorschriften zu prüfen, und das House of Lords (Oberhaus) nimmt eine aktive Rolle bei der Kommentierung des Gemeinschaftsrechts und der EU-Politiken wahr.

    5.6.3

    Im Gegensatz hierzu wird das Parlament in Frankreich und Spanien gewöhnlich in einer späten Phase eingebunden. Dies hat Auswirkungen auf die Stellung der EU in der öffentlichen Debatte. EU-Recht und EU-Politiken sind in erster Linie Belange der nationalen Verwaltungen und der politischen Führung. Beachtenswert ist, dass der größte Teil der École nationale d'administration (ENA) als Zeichen eines wachsenden Einflusses der EU in Frankreich von Paris nach Straßburg umgezogen ist.

    5.6.4

    In den Niederlanden haben einige unglückliche Erfahrungen bei der Durchführung des EU-Rechts wachsendes Interesse an der Handhabung von und der Verfahrensweise bei EU-Angelegenheiten hervorgerufen. Die Reorganisation interner Verfahren in den Ministerien durch die Verbindung der „innerstaatlichen“ und „europäischen“ Interessenbereiche ist im Gange, was sich in der Praxis als schwieriger Prozess erweist. Dies gilt auch für Bemühungen, das Parlament effizienter und rechtzeitiger in EU-Angelegenheiten einzubeziehen. In Luxemburg sind im Parlament bereits Verfahrensweisen erfolgreich angepasst worden.

    5.6.5

    In den neuen Mitgliedstaaten tragen die Verfahren Früchte, die während der Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft im Zuge der Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands in das innerstaatliche Recht eingeführt oder angepasst wurden und unangetastet geblieben sind. Durch ein weit reichendes Twinning-Projekt mit Sachverständigen aus „alten“ und „neuen“ Mitgliedstaaten werden die neuen Mitgliedstaaten dabei unterstützt, bewährte Verfahren bei der Ausführung von Rechtsvorschriften der EU einzuführen. Dies kann auch Bemühungen fördern, EU-Angelegenheiten in einer früheren Phase der Entscheidungsfindung einzubeziehen.

    5.6.6

    In Föderalstaaten wie Deutschland und Spanien ist es gewiss nicht einfach, die Kluft zwischen den Regionen — den Bundesländern und Provinzen — und Europa zu überwinden. Insbesondere entstehen manchmal ernsthafte Probleme, wenn die Regionen ausschließlich für die Durchführung des EU-Rechts verantwortlich sind, wie dies in Deutschland der Fall ist. Alle Bundesländer haben eine Vertretung in Brüssel, um in für sie relevante Gemeinschaftsangelegenheiten unmittelbar eingebunden werden zu können.

    5.7

    Die Einführung und weit verbreitete Nutzung des Systems „nationaler Sachverständiger“ als ein kontinuierlicher Prozess der Interaktion zwischen den nationalen Verwaltungen und der Kommission kann helfen, eine fruchtbare Wechselbeziehung zwischen der einzelstaatlichen Ebene und „Brüssel“ zu stärken.

    5.8

    Die Europäische Kommission fördert eine Reihe erfolgreicher Kooperationsnetze zwischen Verwaltungen von Mitgliedstaaten sowie zwischen der Europäischen Kommission und einzelstaatlichen Verwaltungen (z.B. SOLVIT, Verbrauchernetze etc.). Die Kommission richtet ferner das Binnenmarktinformationssystem (BIS) ein, das den Verwaltungen der Mitgliedstaaten die Anwendung von Binnenmarktvorschriften erleichtern soll.

    5.9

    Das System der „nationalen Regulierungsbehörden“ in verschiedenen Bereichen, wie z.B. des Wettbewerbs, der Telekommunikation, Energie und andere, trägt zur Annäherung bei der Durchführung der einvernehmlich beschlossenen EU-Politiken in den Mitgliedstaaten bei.

    5.10

    Allgemeiner gesagt, es bestehen nach wie vor konzeptionelle Unterschiede zwischen den Ländern, die neue Strukturen zur Verbesserung der Interaktion zwischen der EU und der nationalen Handhabung von EU-Angelegenheiten einrichten, und denjenigen, die bisher auf ein Überdenken ihrer Strukturen und Verfahren verzichten. Dieser Prozess hängt vor allem vom politischen Willen ab.

    6.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    6.1   Schlussfolgerungen

    6.1.1

    Die Art und Weise der Organisation nationaler Verwaltungen ist das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung in jedem Land. Demzufolge betreffen die Unterschiede zwischen den Ländern nahezu alle Aspekte des politischen und öffentlichen Lebens. Dies wird auch in Zukunft weitgehend so bleiben. Diese Unterschiede dürften jedoch nicht zwangsläufig einer Anpassung oder gar wechselseitigen Annäherung der Verfahren und Arbeitsmethoden, die bei der Erarbeitung und Durchführung von EU-Recht und gemeinsamen EU-Politiken angewandt werden, im Wege stehen.

    6.1.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass klar definierte und wirksame innerstaatliche Verfahrensweisen in Politik und Verwaltung zusammen mit besserer Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ein integraler Bestandteil eines verantwortungsvollen Regierens und Verwaltens in der EU sind.

    6.1.3

    Folglich wäre es sehr wünschenswert, dass die Anpassung und Verbesserung einzelstaatlicher Verfahrensweisen vor dem Hintergrund der Abläufe auf europäischer Ebene und der EU-Prioritäten „bessere Rechtsetzung“ und „Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts“ beurteilt wird, da die Erreichung dieser Ziele weitgehend von einer angemessenen Herangehensweise in allen Mitgliedstaaten abhängt.

    6.1.4

    Für die Organisation von EU-Angelegenheiten in den Mitgliedstaaten sind Letztere selbst zuständig. Es wäre jedoch ein großer Schritt nach vorn, wenn die politischen Kräfte und nationalen Verwaltungen die EU-Angelegenheiten als einen integralen Bestandteil der Gestaltung ihrer Innenpolitik ansehen und öffentlich bekennen würden, dass sie selbst die EU verkörpern, und wenn sie entsprechend handeln würden. Ausschlaggebend ist der politische Wille, diese Richtung einzuschlagen.

    6.1.5

    Ein solcher Schritt wäre voll und ganz im Sinne der Besonderheiten der Beziehung zwischen den Gemeinschafts- und den einzelstaatlichen Politiken und deren Auswirkungen, die miteinander verknüpft und mehr denn je voneinander abhängen. Die Einbeziehung der EU als politische und administrative Ebene in die innerstaatliche Politikgestaltung würde ebenfalls zu einer besseren Rechtsetzung der EU beitragen.

    6.1.6

    In einigen Mitgliedstaaten, insbesondere in Dänemark und seit kurzem auch in Luxemburg, werden die Vorschläge der Kommission in einer frühen Phase auf die politische Tagesordnung gesetzt. Hierzu gehört eine systematische Einbeziehung des dänischen Parlaments. In anderen Mitgliedstaaten wird augenblicklich eine ähnliche Anpassung vorgeschlagen. Dennoch lässt sich sagen, dass sich die meisten einzelstaatlichen Parlamente nicht ganz wohl fühlen, wenn es um die Harmonierung ihres Engagements für die EU-Politiken geht.

    6.1.7

    Der vorgeschlagene Verfassungsvertrag zielt auch darauf ab, die einzelstaatlichen Parlamente in einer früheren Phase in die Entscheidungsverfahren der EU einzubinden. Diesem Konzept entsprechend erhalten die Parlamente in letzter Zeit Vorschläge für EU-Politiken und Rechtsvorschriften direkt von der Kommission (8). Infolge dieser Verfahrensänderung werden die innerstaatlichen Diskussionen über EU-Politiken, EU-Rechtsvorschriften und deren Auswirkungen in den meisten Mitgliedstaaten zwangsläufig in einer früheren Phase als bisher beginnen.

    6.1.8

    Eine stärkere Betonung frühzeitiger politischer Diskussionen und Beratungen im nationalen Rahmen kann dazu führen, dass sich die Regierungen in Verhandlungen über konkrete Themen eher für bestimmte Positionen engagieren.

    6.1.9

    Die Gesellschaft fordert insgesamt mehr Transparenz, wodurch Vertrauen und Legitimation gefördert werden können. Folglich wäre es erstrebenswert, dass die administrativen und politischen Verfahren der Mitgliedstaaten in EU-Angelegenheiten diesem Ziel gerecht werden. Effiziente und transparente Verfahren würden nicht nur der Rechtsstaatlichkeit dienen, sondern auch zu einer verbesserten Kommunikation zwischen der Europäischen Union und den Unternehmen, Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft führen, indem besseres Verständnis sowie eventuell Beteiligung und Engagement erreicht würden (9).

    6.1.10

    Folglich sind Transparenz und Kommunikation auch von größter Bedeutung für bereits stattfindende oder neu eingerichtete Anhörungen privater Interessengruppen in den Mitgliedstaaten, die manchmal unterschätzt werden.

    6.1.11

    Die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen ist eine gemeinsame Priorität aller Institutionen. Dazu gehören auch die Kohärenz des Binnenmarktes und seit 2000 die Umsetzung der Lissabon-Strategie. All diese Zielsetzungen sind besser zu erreichen, wenn die Entscheidungsprozesse auf einzelstaatlicher und EU-Ebene effizient miteinander verbunden sind.

    6.1.12

    Auch wenn die Subsidiarität als Grundsatz in den theoretischen Konzepten und in der Praxis der EU fest verankert ist, muss immer berücksichtigt werden, dass die Handhabung und Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und der entsprechenden Verpflichtungen in den Mitgliedstaaten häufig Auswirkungen auf andere Länder und Gesellschaften in der EU haben. Dies bedeutet, dass öffentliche und private Partner an der Art und Weise interessiert sind, in der jedes einzelne Land seine Beziehungen zur EU handhabt. Mit anderen Worten: Die Organisation und Arbeitsmethoden der nationalen Verwaltungen sind Teil der Verwaltung der EU als Ganzes.

    6.1.13

    Angemessene Verfahren und eine adäquate Beobachtung der EU-Angelegenheiten in den Mitgliedstaaten wären für die Kommission ebenfalls von großem Nutzen und könnten die Qualität ihrer Arbeit verbessern.

    6.2   Empfehlungen

    6.2.1

    Zusätzlich zu den Vorschlägen in seiner Stellungnahme „Bessere Durchführung des Gemeinschaftsrechts“ (10) empfiehlt der EWSA, in allen 25 Mitgliedstaaten tiefgehende Analysen der nationalen und regionalen Vorgehens- und Verfahrensweisen in EU-Angelegenheiten sowohl unter politischem als auch administrativem Aspekt durchzuführen, um ein vollständiges Bild zu erhalten.

    6.2.2

    Alle in Kapitel 4 („Koordinierung auf einzelstaatlicher Ebene“) genannten Aspekte bezüglich der Art der Einbindung einzelstaatlicher Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung sind besonders zu beachten. Die Kommission kann ergänzend zu ihren zunehmenden Aktivitäten in den Bereichen „bessere Rechtsetzung“ sowie „Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts“ eine initiierende und unterstützende Rolle in diesem Bereich wahrnehmen.

    6.2.3

    Die Analysen werden als produktiver Ausgangspunkt einer Debatte über die Effizienz der auf die EU bezogenen Regierungs- und Verwaltungsverfahren dienen. Aus dem Gesamtbild sollten sich wünschenswerte und vorbildliche Verfahrensweisen herauskristallisieren. Die Analysen sollen eine solide Basis für eine offene Debatte in ganz Europa darüber bilden, wie man auf einzelstaatlicher Ebene am besten mit europäischen Angelegenheiten umgehen kann. Auch dies wird die Debatte über bessere Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts voranbringen.

    6.2.4

    Eine umfassende Analyse und die Ableitung durchführbarer Schlussfolgerungen sind eine sehr komplizierte Angelegenheit. Einzelstaatliche und regionale Behörden bringen auch zunehmend zum Ausdruck, dass ein Meinungs- und Wissensaustausch über einen angemessenen Umgang mit europäischen Angelegenheiten erforderlich ist. Der Ausschuss spricht sich für eine ständige Beobachtung der Verfahrens- und Vorgehensweisen der nationalen Verwaltungen aus. Ferner könnte der bilaterale Meinungsaustausch zwischen den Behörden der einzelnen Staaten unterstützt werden, wie dies z.B. bei dem Kompetenzzentrum IMPEL (11) und dem Netzwerk SOLVIT erfolgt.

    6.2.5

    Bemerkungen von Unternehmen, Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft sollten ebenfalls systematisch berücksichtigt werden. Sie alle haben ein starkes Interesse an einer besseren Rechtsetzung sowie an der Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, einem Prozess, der von Beginn an auch Transparenz und effiziente Konsultationen auf einzelstaatlicher Ebene erfordert.

    6.2.6

    Das Binnenmarktinformationssystem (BIS) zur Erleichterung des Informationsaustausches zwischen Verwaltungen der Mitgliedstaaten, das auf eine bessere Anwendung der Binnenmarktvorschriften abzielt, sollte weiter ausgebaut und umgesetzt werden.

    6.2.7

    Ferner wäre ein EU-Leitfaden zu nationalen Vorgehens- und Verfahrensweisen hilfreich. Solch ein Leitfaden, der die Ergebnisse des Kompetenzzentrums berücksichtigt, könnte als Anleitung für den gesamten Prozess gut funktionierender einzelstaatlicher Verfahrensweisen, besserer Rechtsetzung sowie der Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts dienen.

    Brüssel, den 14. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  ABl. C 24 vom 31.1.2006.

    (2)  Europäisches Regieren, ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endg.

    (3)  Empfehlung der Kommission vom 12. Juli 2004 zur Umsetzung binnenmarktrelevanter Richtlinien in innerstaatliches Recht, (2005/309/EG).

    (4)  Coordinating European Union Affairs: How do different actors manage multilevel complexity?, Adriaan Schout und Andrew Jordan, 29. Mai 2006. In der Studie werden die Koordinierungsverfahren zwischen der Kommission, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden analysiert. Dabei wird offenbar, dass eine umfangreiche Literatur zu Teilaspekten dieses allgemeinen Themas existiert, was zugleich beweist, dass eine Gesamtanalyse der Verfahren in den 25 Mitgliedstaaten nach wie vor fehlt.

    (5)  Siehe informelles Justiz- und Innenministertreffen vom 20. bis 22. September 2006 in Tampere zum Thema „Verbesserung der Beschlussfassung im Bereich Justiz und Inneres“.

    (6)  „De Omzetting van Europese richtlijnen: Instrumenten, technieken en processen in zes lidstaten vergeleken“ (Die Umsetzung europäischer Richtlinien: eine vergleichende Studie zu Instrumenten, Techniken und Prozessen in sechs Mitgliedstaaten), Prof. Dr. B. Steunenberg und Prof. Dr. W. Voermans, Universität Leyden, Niederlande, 2006. Neben einer tief greifenden Analyse und Empfehlungen zur Lage in den Niederlanden behandelt diese vergleichende Studie Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und das Vereinigte Königreich.

    (7)  Siehe Steunenberg und Voermans, Leyden, 2006.

    (8)  Siehe die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2006.

    (9)  Bemerkenswert ist, dass in Dänemark die anfängliche Reaktion der Öffentlichkeit auf den Verfassungsvertrag eher positiv war, da in dem Vertrag demokratischere und transparentere Verfahren vorgesehen waren. Dagegen hat das Comité de dialogue, ein Diskussionsforum der Regierung und der Sozialpartner in Frankreich zu Europaangelegenheiten, keine praktische Bedeutung mehr.

    (10)  ABl. C 24 vom 31.1.2006. In dieser Stellungnahme argumentiert der EWSA, dass obwohl die Mitgliedstaaten „auch weiterhin nach ihrem Ermessen eigene Methoden und Verfahren zur Durchführung des EU-Rechts festlegen können“ sollten, der nächste Schritt „in der Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den einzelstaatlichen Behörden ... darin bestehen [sollte], die nationalen Verwaltungskapazitäten zur Anwendung und Durchsetzung der Politik zu stärken oder zu rationalisieren“ (siehe Ziffer 4.2.1 und 4.2.4). In Kapitel 4 werden diesbezüglich Vorschläge unterbreitet.

    (11)  Das 1992 eingerichtete „Netz für eine bessere Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts der Europäischen Union“ (IMPEL) ist ein informelles Netz europäischer Umweltinspektoren und Behörden, die sich mit der Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts befassen. Inzwischen sind 30 Länder beteiligt: alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die beiden Beitrittsländer Bulgarien und Rumänien, die EU-Kandidatenländer Kroatien und die Türkei sowie Norwegen und die Europäische Kommission.


    ANHANG

    zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Die folgende Textstelle der Fachgruppenstellungnahme wurden zugunsten von im Plenum angenommenen Änderungsanträgen abgelehnt, hatte jedoch mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigt:

    1.1

    Dem Ministerrat kommt im Beschlussfassungsprozess der EU eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Trotzdem ist das Problem der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung auf Gemeinschaftsebene noch nie gründlich erörtert worden. Die Europäische Union ist ein einzigartiges Gebilde, was die Teilung der Hoheitsrechte angeht. Dies bedeutet, dass in zahlreichen Bereichen ein transparentes Regieren und Verwalten auf mehreren Ebenen erforderlich ist. Der EWSA ist der Auffassung, dass klar definierte und wirksame innerstaatliche Verfahrensweisen in Politik und Verwaltung der Mitgliedstaaten zusammen mit besserer Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ein integraler Bestandteil des verantwortungsvollen Regierens und Verwaltens in der EU sind. Durch sie kann zu größerer Transparenz und zur Klärung der Auswirkungen von Gemeinschaftsrecht und EU-Politiken auf die ganze Gesellschaft beigetragen werden. Die Analyse einzelstaatlicher Verfahrensweisen zeigt, dass zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bezüglich der politischen und administrativen Behandlung von EU-Angelegenheiten bestehen, und sollte daher eine Debatte über Regierungs- und Verwaltungsverfahren im Umgang mit EU-Recht anregen. Dabei kristallisieren sich möglicherweise hochinteressante und vorbildliche Verfahrensweisen heraus. Eine offene Debatte in ganz Europa über den besten Umgang mit europäischen Angelegenheiten auf einzelstaatlicher Ebene wird auch der Debatte über bessere Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts dienen. Der Ausschuss spricht sich für eine ständige Beobachtung der Verfahrens- und Vorgehensweisen der nationalen Verwaltungen aus, ein öffentlich gefördertes virtuelles Kompetenzzentrum, in dem Politiker, nationale Beamte, die Kommission und Hochschulvertreter Daten zu einzelstaatlichen Verfahrensweisen sammeln könnten sowie der Meinungsaustausch gefördert und die Debatte in Gang gesetzt werden könnte. Die Bemerkungen und Standpunkte von Unternehmen, Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

    Für das Ändern dieses Absatzes stimmten: Ja-Stimmen: 74, Nein-Stimmen: 59, Stimmenthaltungen: 16.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/11


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission — Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus“

    KOM(2006) 134 endg.

    (2006/C 325/04)

    Die Kommission beschloss am 17. März 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen zu obenerwähnter Vorlage.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. November 2006 an. Berichterstatter war Herr MENDOZA, Mitberichterstatter Herr BARROS VALE.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 75 gegen 6 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die gelungene Mitteilung der Kommission „Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus“ und unterstützt das Engagement der Kommission, die Strategie und die Tourismuspolitik in den nächsten Jahren nachhaltig zu fördern.

    1.2

    Er würdigt das Bemühen der Kommission, die Vielzahl der Dokumente, Stellungnahmen und Diskussionen in einem kurzen Dokument zusammengefasst zu haben. Das Ergebnis wird dem Auftrag gerecht, der Öffentlichkeit diese neuausgerichtete Tourmismuspolitik verständlich zu machen.

    1.3

    Sowohl die Gründe dieser neuen Politik im Rahmen der überarbeiteten Lissabon-Strategie als auch die Zielvorgaben der Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit sind nachvolllziehbar.

    1.4

    Fundiert sind auch die in der Kommissionsmitteilung ausgewiesenen Herausforderungen und die vorgeschlagene Bewältigungsform. Als methodische Vorgehensweise wird die Einbeziehung aller Interessenträger in verschiedenen Formen von Partnerschaft und „wettbewerbsfähiger Partnerschaft“ angeregt, Mitwirkung als Grundpfeiler der neuen Tourismuspolitik.

    1.5

    Angemessen ist ferner, dass sich die Kommission verpflichtet, diese neue Politik im Zuge von Zusammenarbeit, Fördermaßnahmen und Koordinierung zwischen den Interessengruppen umzusetzen. Nach Ansicht des EWSA sollten die konkrete Vorgehensweise und die Durchführungsinstrumente jedoch ergänzt werden. So sollte die Generaldirektion Unternehmen eine aktivere Rolle spielen und die Umsetzung von Initiativen auf europäischer Ebene vorantreiben.

    1.6

    Der EWSA bekräftigt seine Empfehlung, bei der Entwicklung dieser Partnerschaftspolitik einen Europäischen Tourismusrat einzusetzen und die Voraussetzungen für die Schaffung einer Europäischen Agentur für Tourismus zu prüfen.

    1.7

    Begrüßt wird der von der Kommission erklärte Wille, die Nutzung der bestehenden Finanzierungsinstrumente zu optimieren, allerdings wird kein Programm zur Bewältigung der klar umrissenen Herausforderungen im Bereich des Tourismus vorgeschlagen. Nach Ansicht des Ausschusses bietet der Bereich des Sozialtourismus bereits ein angemessenes Feld, um in Form von Pilotprojekten einige transnationale Erfahrungen zu sammeln.

    1.8

    Der EWSA verspricht sich viel von dem Abschluss der derzeit laufenden Arbeiten für die europäische Agenda 21 für den Tourismus. Dieses Dokument wird sicherlich die allgemeine Politik der Nachhaltigkeit im europäischen Tourismus ergänzen und konkretisieren. Die Schaffung von Datenbanken für gute Praktiken sowohl in Bezug auf die Nachhaltigkeit als auch auf andere Aspekte im Zusammenhang mit Qualität, Kreativität und Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus sind angemessene Instrumente, die von der Kommission vorangetrieben werden sollten.

    1.9

    Für die Statistik schlägt der EWSA vor, ein Netz von Beobachtungsstellen für den Tourismus aufzubauen, dank deren nicht nur die Daten des Sektors ermittelt, sondern auch eine strategische und zukunftsweisende Vision entwickelt werden können, die es ermöglicht, künftig notwendige Maßnahmen vorherzusehen.

    1.10

    Der EWSA ist bereit, auch weiterhin im Bereich des Tourismus nach Maßgabe der in der Kommissionsmitteilung formulierten Leitlinien tätig zu sein und ruft die übrigen EU-Institutionen, Mitgliedstaaten, Regionen und Gebietskörperschaften, Branchenakteure, Unternehmen, Gewerkschaften und alle Bürger auf, ihren Beitrag zu leisten bei der Kenntnis und der Förderung des Tourismus als allgemeines Recht und ein für die Zukunft Europas strategisch wichtiger Wirtschaftszweig.

    2.   Die Mitteilung der Kommission

    Im Interesse eines besseren Verständnisses dessen, was die Kommission allen Interessengruppen und europäischen Institutionen vermitteln möchte, wird die Mitteilung nachfolgend in ihren Kernpunkten kurz zusammengefasst:

    2.1   Der Tourismus und die überarbeitete Lissabon-Strategie

    2.1.1

    Wachstum und Beschäftigung als Herausforderung. Die Kommission verbindet in Kapitel 1 ihrer Mitteilung die neue europäische Tourismuspolitik mit der notwendigen Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie. Auf diese Weise anerkennt sie ausdrücklich die wichtige Rolle, die der Tourismus derzeit für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen spielt und setzt zu Recht auf den Tourismus als eine Wirtschaftstätigkeit, die auch in Zukunft ihren Beitrag zur Vollbeschäftigung leisten und diesen sogar vergrößern kann. Die Kommissionsmitteilung analysiert die Zusammensetzung des Sektors und hebt die an seiner Entwicklung beteiligte Vielfalt an Dienstleistungen und Berufen ebenso hervor wie die Vielzahl der in dieser Branche tätigen kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen. Dank seiner besonderen Charakteristika ist dieser Wirtschaftszweig für flexible Beschäftigungsverhältnisse geeignet. Gleichzeitig wird auf die Notwendigkeit von Ausgleichsmaßnahmen zur Gewährleistung von Stabilität und Qualität der Beschäftigung im Tourismussektor hingewiesen.

    Die Kommission macht deutlich, dass der Tourismus eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der Regionen in Europa und seine Nachhaltigkeit positive Auswirkungen auf verschiedene Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft hat. In diesem Sinne wird die derzeit in der Kommission erarbeitete „Agenda 21 für den europäischen Tourismus“ sicherlich als Richtschnur und geeignetes Instrument für die Gewährleistung dieser nachhaltigen Entwicklung des Tourismus fungieren.

    Ein weiterer Faktor, den es in Bezug auf den Beitrag des Tourismus zur Lissabon-Strategie zu berücksichtigen gilt, ist die Erweiterung der Europäischen Union und ihre positive Auswirkung auf die Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

    Damit dies gelingt, bedarf es der Mitwirkung und Zusammenarbeit aller privaten und öffentlichen Partner auf sämtlichen Ebenen als Grundlage für die von der Kommission vorgeschlagene neue europäische Tourismuspolitik.

    2.1.2

    Die Herausforderungen des Tourismus. Die Kommission führt in ihrer Mitteilung mehrere globale Herausforderungen für den europäischen Tourismus auf, die sich im Zuge des tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels in Europa und der Welt ergeben.

    Die erste Herausforderung besteht in der sich grundlegend wandelnden Bevölkerungsstruktur, was zur Folge hat, dass sehr viel mehr Menschen, insbesondere im Alter über 50 Jahren, immer mehr reisen. Der Tourismus muss sich diesen neuen Anforderungen anpassen.

    Eine andere wichtige Herausforderung stellen die weltweit neu hinzukommenden Reiseziele dar, sodass sich die Produkte und Dienstleistungen dieser neuen Marktrealität anpassen müssen.

    Und schließlich die Notwendigkeit, dass sich der Tourismus unter den Kriterien der wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Nachhaltigkeit entwickelt.

    Nach Auffassung der Kommission können diese Herausforderungen durch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit angemessen bewältigt und die mit der Lissabon-Strategie angestrebten Ziele erfüllt werden.

    2.1.3

    Dialog und Partnerschaft. Zur angestrebten Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit setzt die Kommission in ihrer Mitteilung auf den Dialog und die Partnerschaft zwischen allen Interessenträgern. Jedewede Form der Partnerschaft auf sämtlichen Ebenen ist vonnöten und muss einen Handlungsschwerpunkt im Tourismussektor darstellen.

    2.2

    Eine neue EU-Tourismuspolitik. Die Kommission schlägt in ihrer Mitteilung eine neue europäische Tourismuspolitik mit dem Ziel vor, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und mehr und bessere Arbeitsplätze unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in Europa und weltweit zu schaffen. Zu diesem Zweck schlägt sie Dialog, Koordinierung und Partnerschaft auf sämtlichen Ebenen vor.

    2.2.1

    Tourismusrelevante Querschnittsmaßnahmen. Die Kommission stellt drei Maßnahmenbündel vor:

    Eine bessere Rechtsetzung durch häufigere Folgenabschätzung, Prüfung der Legislativvorschläge und Vereinfachung bestehender Rechtsvorschriften.

    Koordinierung sämtlicher Gemeinschaftspolitiken, die sich auf den Tourismus auswirken, durch interaktive Konsultation und Partnerschaft mit allen Interessengruppen.

    Optimierte Nutzung der bestehenden europäischen Finanzierungsinstrumente: EFRE, Kohäsionsfonds, ESF, Europäischer Landwirtschaftsfonds und andere, die zur Stärkung der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus beitragen können.

    Die Kommission sieht in ihrer Mitteilung für ihre eigenen Dienststellen wesentliche Aufgaben im Bereich der Koordinierung von Initiativen im öffentlichen und privaten Bereich vor. So sollen diese insbesondere dafür sorgen, dass die interaktive Information in der Branche aufrechterhalten wird und alle Interessengruppen zusammenarbeiten, damit alle gemeinschaftlichen Finanzierungsinstrumente dem Tourismus zugute kommen.

    2.3

    Förderung der Nachhaltigkeit im Tourismus. Als Kernelement bei der Gestaltung der neuen EU-Tourismuspolitik sieht die Kommission den Vorschlag einer europäischen Agenda 21 für den Tourismus. Die diesbezüglichen Arbeiten sind angelaufen und sollten 2007 abgeschlossen werden.

    In der Zwischenzeit sieht die Kommission die sofortige Umsetzung verschiedener Sondermaßnahmen vor. Dazu gehört u.a. das vom EWSA in mindestens sieben Initiativstellungnahmen behandelte Thema der Vereinfachung des Austauschs bewährter Verfahrensweisen im Tourismussektor in Bezug auf folgende Aspekte: Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit, Sport, Kultur, wirtschaftliche Erholung, EU-Erweiterung, öffentlich-private Partnerschaft und Sozialtourismus in Europa.

    2.4

    Bessere Kenntnis und größere Öffentlichkeitswirkung des Tourismus. Zur Steigerung der strategischen Bedeutung des Tourismus in der allgemeinen EU-Politik gibt die Kommission verschiedene politische Leitlinien vor, u.a.:

    Verbesserung der Verfügbarkeit statistischer Daten im Bereich des Tourismus, hierzu gehören insbesondere die Tourismussatellitenkonten.

    Fortsetzung der Werbung für europäische Reiseziele, u.a. durch das von der Kommission eingerichtete Europäische Internet-Portal für Reiseziele, das sicherlich in naher Zukunft ein einflussreiches Instrument zur Förderung von touristischen Produkten, Kultur- und Sportveranstaltungen sein und eine breite Palette von Werbemöglichkeiten bieten wird.

    Mehr öffentliche Aufmerksamkeit für den Tourismus als gemeinsames Ziel durch verschiedene gemeinsame Aktionen mit den Mitgliedstaaten, wie etwa die seit 2002 jährliche Veranstaltung des Europäischen Tourismusforums. Die Kommission wird sich auch weiterhin für die Verbreitung ihrer Vorschläge, Schlussfolgerungen oder einfach für die Diskussion über Tourismusthemen einsetzen. Desgleichen hat jede Ratspräsidentschaft verschiedene Veranstaltungen für eine bessere Öffentlichkeitswirkung und einen größeren Stellenwert des Tourismus in Europa organisiert.

    2.5   Schlussfolgerung der Mitteilung

    Die Kommission schließt ihre Mitteilung mit der grundlegenden Feststellung, dass alle öffentlichen und privaten Interessenträger bei der Verabschiedung und praktischen Umsetzung der Tourismuspolitik uneingeschränkt zusammenarbeiten müssen. Sie empfiehlt erneut eine Partnerschaft auf sämtlichen Ebenen als Voraussetzung für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die einen langfristig nachhaltigen EU-Tourismus sicherstellt. Das von der Kommission mit der Vorlage dieser Mitteilung verfolgte Ziel wird somit sehr anschaulich.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Alle EU-Institutionen haben dem Tourismus in ihren strategischen Arbeitsdokumenten großen Raum geschenkt. Gleichwohl steht diese Präsenz noch in keinem Verhältnis zur Bedeutung, die der Tourismus als Wirtschaftstätigkeit derzeit hat, und zu seinem künftigen Potenzial auf europäischer Ebene. Und diese Bedeutung ist bei Weitem nicht nur eine wirtschaftliche. Denn sie hat auch ganz klar eine soziale und kulturelle Dimension, ebenso wie als Kulturerbe und als Element zur Vollendung der Unionsbürgerschaft. Der Tourismus erstreckt sich auf verschiedene Sektoren und wirkt sich deshalb auf zahlreiche gemeinschaftliche Strategien, Politiken und Maßnahmen aus.

    3.2

    Obwohl der Tourismus gegenwärtig nicht Gegenstand einer gemeinsamen Politik der Europäischen Union ist, planen doch mehrere EU-Institutionen Maßnahmen und Aktionen, die Auswirkungen auf den Tourismus haben oder sich auf diesen Sektor als Instrument zur Erreichung verschiedener Grundziele der Europäischen Union stützen. Der neue, noch nicht verabschiedete Verfassungsvertrag stellt in diesem Sinne einen Fortschritt dar. Denn er würdigt die ergänzende Rolle des Tourismus auch zur Koordinierung nationaler Politiken für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, und er anerkennt den wirtschaftlichen Charakter des Tourismus.

    3.3

    Dieser Raum wird dem Tourismus in verschiedenen EU-Institutionen gewidmet:

    im Europäischen Parlament, das mehrfach sehr unterschiedliche Entschließungen zum Tourismus und seinen Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Wirtschaft verabschiedet hat. So z.B. zu „Tourismus und Entwicklung“ und zu „den neuen Perspektiven und neuen Herausforderungen für einen nachhaltigen europäischen Fremdenverkehr“;

    im Rat der Europäischen Union, der sich zu verschiedenen Anlässen in Form von Schlussfolgerungen und Aktionsplänen mit dem Tourismus befasst hat in dem Bestreben, die Notwendigkeit seiner Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und seine Fähigkeit zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu betonen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Schlussfolgerungen des Rates vom 7. Juli 2006 betreffend die Mitteilung der Kommission über die neue EU-Tourismuspolitik, in denen diese Mitteilung begrüßt und die Kommission aufgerufen wird, eine aktive Rolle bei der Koordinierung der einzelnen Politiken zu übernehmen.

    in der Europäischen Kommission im Zuge verschiedener Mitteilungen, der Einsetzung, dem Ausbau und der Kontinuität der Europäischen Tourismusforen, der Veranstaltung von Konferenzen zu verschiedenen Themen: Sozialtourismus, Agenda 21 für den Tourismus und viele andere Aktionen.

    im Ausschuss der Regionen, der u.a. Stellungnahmen zur Mitteilung der Kommission „für die Zukunft des Tourismus in Europa“ und über „Grundlinien zur Nachhaltigkeit des europäischen Tourismus“ verabschiedet hat;

    im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, der dem Tourismus seit jeher besondere Aufmerksamkeit widmet. So hat er seit 1999 bis heute mehr als 11 einschlägige Stellungnahmen verabschiedet, aktiv an verschiedenen Europäischen Tourismusforen der Kommission mitgewirkt und an zahlreichen Veranstaltungen zu verschiedenen Aspekten des Tourismus teilgenommen und diese unterstützt, wie z.B. der Welttourismustag 2005 in Brüssel und 2006 in Léon. Besonders erwähnenswert ist die Zusammenarbeit des EWSA mit anderen Institutionen bei allen Initiativen, die diese im Tourismusbereich planen.

    3.4

    In dieser Stellungnahme möchte sich der EWSA nicht nur mehr oder weniger kritisch mit der Mitteilung der Kommission auseinandersetzen und die einschlägigen Empfehlungen aufzählen, die sich aus der Diskussion über diese Mitteilung ergeben. Er möchte vielmehr auch die bestehenden Initiativen unter die Lupe nehmen und selbst klare Vorschläge unterbreiten. In diesem Sinne wird die Mitteilung der Kommission als positiv bewertet. Gleichwohl wird vorgeschlagen, auf bestimmte Handlungsbereiche einzuwirken, die in ihrer Gesamtheit eine Tourismuspolitik ausmachen. In der gegenwärtigen EU-Politik gibt es verschiedene Elemente, die zwar nicht unmittelbar in den Bereich des Tourismus gehören, aber doch tiefgreifende Auswirkungen auf seine Entwicklung haben: u.a. der freie Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen, das Verkehrswesen und die Umwelt … Eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Tourismuspolitik muss auf diesen Elementen konzipiert werden.

    3.5

    Generell möchte diese Stellungnahme folgende konkrete Aussagen machen:

    Der Tourismus ist ein Recht aller Unionsbürger nach Maßgabe des Globalen Ethischen Kodex für den Tourismus, das Pflichten in Bezug auf bewährte Praktiken mit sich bringt.

    Dieses Recht schafft Reichtum und direkte und indirekte Wertschöpfung, insbesondere für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, die für Europa einen strategisch wichtigen und erwiesenermaßen stabilen Industriezweig darstellen.

    Die Qualität der Dienstleistungen der Marktteilnehmer und die Verantwortung der Nutzer gegenüber den Gemeinden vor Ort sind Werte, die wir als Grundlage für ihren Fortbestand erhalten müssen.

    Der Tourismus hat positive wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Auswirkungen auf lokaler und regionale Ebene oder sollte diese haben; in diesem Sinne ist er ein Instrument zur Kenntnis anderer Kulturen, Lebensarten und Verhaltensweisen und der interregionalen Zusammenarbeit.

    Der Tourismus ist ein dynamischer Sektor, der gegenwärtig und zukünftig viele Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet und die Fähigkeit besitzt, hochwertige und stabile Arbeitsplätze mit Rechten zu schaffen.

    Der Tourismus ist nicht frei von Problemen, wie etwa das der Massenphänomene und der Saisonabhängigkeit, die den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit zur Folge haben.

    Der Ausschuss ist überzeugt von der Notwendigkeit einer zielgerichteten und ehrgeizigen europäischen Agenda 21 für den Tourismus.

    Das europäische Tourismusmodell ist eine innereuropäische Notwendigkeit und kann weltweit als Bezugsgröße fungieren, wenn es nicht auf mehr Vorschriften basiert, sondern auf Werten wie Qualität, Nachhaltigkeit, Zugänglichkeit u.a., die freiwillig an den Reisezielen und von allen Wirtschaftsteilnehmern eingehalten werden.

    Das europäische Tourismusmodell basiert auf einer Vielfalt an Reisezielen, Tourismuskonzepten und Gestaltungsformen, die es bereichern.

    Das vom Ausschuss befürwortete europäische Tourismusmodell ist ein gutes Instrument für Frieden und Verständnis unter den Völkern.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Die Kommission stellt in ihrer Mitteilung die generellen Grundlagen, Herausforderungen, politischen Maßnahmen, wichtigsten Aufgabenbereiche und die methodische Vorgehensweise für eine neue EU-Tourismuspolitik vor. Damit dies alles in einer nicht sehr umfangreichen Mitteilung zusammengefasst werden konnte, hat man sich im Vorfeld sicherlich sehr um Prägnanz bemüht und unzählige Dokumente, Standpunkte und Diskussionen auswerten müssen. Die Kommission ist im Ergebnis ihrem Auftrag gerecht worden, nämlich der Öffentlichkeit ihren Standpunkt in Bezug auf den Tourismus und die in diesem komplexen Wirtschaftszweig künftig zu ergreifenden Maßnahmen klar zu machen.

    4.2

    Die Grundlage, auf welche die Kommission diese neue Tourismuspolitik stellt, ist insofern tragfähig, als sie von der überarbeiteten Lissabon-Strategie und ihren beiden großen Bausteinen — Wachstum und Beschäftigung — gestützt wird. Wenn die große Gemeinschaftsstrategie in der Erreichung dieser Zielsetzungen besteht, dann besteht der Beitrag, den der Tourismus hierzu leisten kann, sicherlich darin, ihre Rolle zu stärken und die richtigen Fundamente für ihre Entwicklung zu legen.

    4.3

    Es wäre vermutlich zweckmäßig gewesen, wenn die Kommission in ihrer Mitteilung auch die Rolle des Tourismus in den großen EU-Erklärungen und in der Europäischen Verfassung analysiert hätte, um herauszufinden, wie in diesen Dokumenten die gegenwärtige Tourismuspolitik konzipiert wird und was die neue EU-Tourismuspolitik an Fortschritten bringt. Es darf nicht vergessen werden, dass die Mitgliedstaaten und Regionen mehrfach ihren Willen bekundet haben, auch weiterhin für den Tourismus zuständig zu sein, wobei die Europäische Union durchaus als Impulsgeber für bestimmte gemeinsame Aspekte fungieren kann, die zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Tourismusbranche beitragen können. So ist z.B. die Einrichtung und Verwaltung eines EU-Portals zur Werbung für Europa als Reiseziel eine Forderung, die derzeit umgesetzt und optimiert wird. In einer Zeit, in der die Binnengrenzen verschwimmen, werden gemeinsame Maßnahmen unverzichtbar.

    4.4

    Die Kommission hat sicherlich die wichtigsten Herausforderungen skizziert, mit denen der Tourimus in den nächsten Jahrzehnten konfrontiert ist. Vielleicht hätte der Bezugsrahmen weiter gefasst werden können, aber sicherlich ist die grundlegende Herausforderung der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit umfassend genug, um auch andere wichtige Herausforderungen einzuschließen, wie die Verbesserung der Qualität, die Bekämpfung der Saisonabhängigkeit oder die bessere Professionalisierung der in der Tourismusbranche tätigen Arbeitnehmer. Für die in der Tourismusbranche Beschäftigten ist die berufliche Bildung und die Verbesserung der Qualifikation im Rahmen des integrierten Programms für lebenslanges Lernen besonders wichtig, da hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit der Branche gestärkt und eine hohe Dienstleistungsqualität gewährleistet wird.

    4.5

    In der Kommissionsmitteilung wird immer wieder zu Partnerschaften aufgerufen. Dies überrascht nicht, denn schon im Titel wird das Ziel einer Stärkung der Partnerschaft als identitätsstiftende Handlungsachse für die neue europäischen Tourismuspolitik vorgegeben. Insbesondere ist die Rolle der Gewerkschaften und Unternehmensverbände hervorzuheben, die in die Partnerschaftsprozesse einbezogen und an allen Diskussionen und Foren sowie an der Umsetzung der allgemeinen Maßnahmen zur Verbesserung des Sektors beteiligt werden müssen. Interessant wäre außerdem die Schaffung einer Datenbank für nachahmenswerte Praktiken in der Tourismuswirtschaft, die als Ort des Austauschs von erfolgreichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Zusammenarbeit aller Interessengruppen fungieren könnte. Desgleichen wäre es zweckmäßig, stabile Netze zwischen Städten und Reisezielen im gemeinsamen Bestreben nach Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Begrüßt wird das Projekt „herausragender Reiseziele“, das auch korrekte Arbeitsbeziehungen und die Einbeziehung der Gewerkschaften und Unternehmensverbände am ausgewählten Reiseziel beinhalten muss.

    4.6

    Die Kommission verpflichtet sich, diese neue Politik durch Partnerschaft, bestimmte Fördermaßnahmen und Koordinierung der Interessengruppen umzusetzen. Vielleicht wäre es aber auch erforderlich, ausführlicher zu veranschaulichen, wie sich diese drei Handlungsmethoden jeweils in der Praxis umsetzen lassen. Die Generaldirektion Unternehmen spielt nach Ansicht des EWSA bei der Koordinierung aller EU-Politiken, die direkt oder indirekt den Tourismus betreffen, eine herausragende Rolle. Gleichwohl sollte die Kommission bestimmen, welches Arbeitsorgan für diese Koordinierung zuständig sein soll. Außerdem sollte die Kommission eine aktivere Rolle beim Anstoß von Initiativen auf europäischer Ebene spielen. So hat der EWSA mehrfach vorgeschlagen, einen Europäischen Tourismusrat einzusetzen und die Voraussetzungen für die Schaffung einer Europäischen Agentur für Tourismus zu sondieren.

    4.7

    Die Kommission macht in ihrer Mitteilung das notwendige Ziel einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der europäischen Tourismuswirtschaft sehr deutlich. Der weltweit wachsende Wettbewerbsdruck in diesem Sektor untergräbt die Wertschöpfung der Wirtschaftsteilnehmer. Deshalb wird Europa seine Spitzenposition als Reiseziel in Zukunft nur behaupten können, wenn es seine Anstrengungen im Bereich Innovation, Qualität und Kreativitätsförderung erheblich verstärkt und die Produktivität aller Faktoren und Wirtschaftsteilnehmer steigert.

    4.8

    Nach Ansicht des Ausschusses geht die Kommission in ihrer Mitteilung nicht hinlänglich auf die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) für die neue Tourismuspolitik ein, und zwar sowohl aus Sicht der Nutzer als auch aus Sicht der Unternehmen und Wirtschaftsteilnehmer. Forschungs- und Entwicklungsbemühungen im Tourismusbereich zur besseren Nutzung dieser Technologien müssen eine der Prioritäten der nächsten Jahre sein.

    4.9

    Der EWSA begrüßt ausdrücklich die vorgeschlagene „bessere Rechtsetzung“, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass weniger Rechtsvorschriften nicht zwangsläufig auch bessere Rechtsvorschriften bedeuten. Zur Anpassung der einschlägigen Rechtsvorschriften und zur Regulierung des Sektors im Bereich der Arbeit müssen die Tarifverhandlungen in den von den Sozialpartnern bestimmten Bereichen ausgebaut werden.

    4.10

    Es ist wichtig, dass konkrete Maßnahmen verabschiedet werden sollen, insbesondere zur optimierten Nutzung der bestehenden europäischen Finanzierungsinstrumente, doch mangelt es an einer stärkeren Konkretisierung und dem Entwurf eines Programms, das speziell auf die Bewältigung der wichtigen Herausforderungen des europäischen Tourismus zugeschnitten ist, die in der Mitteilung zutreffend skizziert werden. Es muss sichergestellt werden, dass die für den Tourismus bereitgestellten Mittel ihre Ziele wirkungsvoll und effizient erfüllen.

    4.11

    Die Kommission misst der „europäischen Agenda 21 für den Tourismus“ große Bedeutung bei, welche Strategien, Programme und Maßnahmen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus umfassen soll. Erwartet wird ein grundlegendes Dokument, das sicherlich Aufschluss über die verschiedensten Fragen und wirtschaftliche, soziale und ökologische Gleichgewichte geben wird. Nach Ansicht des Ausschusses sollte das große Thema der Wachstumsgrenzen, des nachhaltigen Tempos beim Wachstum der Reiseziele und des Schutzes der Küstengebiete und anderer sensibler Habitate in diesem Dokument konsequent behandelt und diesbezüglich durchführbare und nachhaltige Vorschläge formuliert werden.

    4.12

    Wichtig ist auch die Bedeutung, welche die Kommission den statistischen Daten im Bereich des Tourismus beimisst. Allerdings wäre es u.U. erforderlich, diese durch Studien zu begleiten, die eine klare strategische Zukunftsvision verfolgen und in der Lage sind, Trends sichtbar zu machen, Ergebnisse zu bringen und künftige Maßnahmen vorherzusehen. Die Einrichtung einer oder mehrerer Beobachtungsstellen für den Tourismus in einer europaweiten Netzstruktur könnte sich in diesem Zusammenhang als hilfreich erweisen. In den Tourismusstatistiken muss den beschäftigungsbezogenen Variablen mehr Bedeutung beigemessen werden.

    4.13

    Die Kommission spricht in ihrer Mitteilung sehr klar die erforderliche Verbesserung der Öffentlichkeitswirkung, Kenntnis und Akzeptanz des Tourismus in der europäischen Öffentlichkeit an. Wie der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zur Erklärung von Katowice und in der Stellungnahme zum Thema „Tourismus und Kultur: zwei Kräfte im Dienste des Wachstums“ sowie in anderen Dokumenten gefordert hat, wären auch Bildungs- und Motivationskampagnen an die Adresse aller Unionsbürger, insbesondere aber der jungen Menschen, erforderlich.

    Brüssel, den 14. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/16


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Potenzial Europas für Forschung, Entwicklung und Innovation freisetzen und stärken“

    (2006/C 325/05)

    In ihrem Schreiben vom 9. August 2006 ersuchte Frau Dr. SCHAVAN, Bundesministerin für Bildung und Forschung, im Namen des künftigen deutschen EU-Ratsvorsitzes den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Erarbeitung einer Stellungnahme zu dem Thema: „Das Potenzial Europas für Forschung, Entwicklung und Innovation freisetzen und stärken“

    Der Ausschuss beschloss, die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit der Vorbereitung der Arbeiten zu beauftragen.

    Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember 2006) Herrn WOLF zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 125 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    Inhalt:

    1.

    Zusammenfassung und Empfehlungen

    2.

    Allgemeine Gesichtspunkte

    3.

    Finanzielle Fragen und Prozeduren

    4.

    Strukturelle Aspekte und Rahmenbedingungen

    5.

    Der Faktor Mensch — Humankapital — Wissenschaftler und Ingenieure

    1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

    1.1

    Der Ausschuss begrüßt die in Vorbereitung der Deutschen Ratspräsidentschaft geäußerte Bitte der deutschen Bundesministerin für Bildung und Forschung um eine Sondierungsstellungnahme zum Thema „Das Potenzial Europas für Forschung, Entwicklung und Innovation freisetzen und stärken“. Er hält es für wichtig und hilfreich, auf diese Weise auch die Meinung des Ausschusses — als Brücke zur organisierten Zivilgesellschaft — zu diesem sehr umfangreichen und vielschichtigen Thema rechtzeitig in die zukünftige Gestaltung der europäischen Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik einfließen zu lassen.

    1.2

    Angesichts der beiden kürzlich veröffentlichten Mitteilungen (1) der Kommission zum Thema „Innovation“ in dessen voller Breite, sowie angesichts des ausgezeichneten Aho-Reports (2), fokussiert sich die hier vorgelegte Stellungnahme vorwiegend auf die Themen Forschung und Entwicklung — als die absolut notwendigen Vorraussetzungen jeder nachhaltigen Innovationsfähigkeit — sowie auf die dazu erforderliche Ausbildung. Damit sollen auch zu weitgehende Überlappungen mit den genannten Veröffentlichungen vermieden werden.

    1.3

    Wissenschaftliche und technische Höchstleistungen und deren Umsetzung in wettbewerbsfähige Wirtschaftskraft sind die entscheidenden Voraussetzungen, um unsere Zukunft — z.B. bezüglich der Energie- und Klimaproblematik — zu sichern, unsere derzeitige Position im globalen Umfeld zu erhalten und zu verbessern, und um das europäische Sozialmodell nicht zu gefährden sondern auszubauen zu können.

    1.4

    Also gilt es jetzt für Europa, sich seiner Tradition als führender Forschungs- und Innovationsraum bewusst zu werden und diese wieder zu beleben. Dies erfordert, die dafür benötigten Fähigkeiten seiner Bürger stärker zu fördern, deutlich mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren, deren Effizienz zu erhöhen, die Innovationsbereitschaft und Innovationsfähigkeit der Industrie zu stärken, sowie die dem entgegenstehenden Hindernisse abzubauen.

    1.5

    Wichtigste Voraussetzung dafür ist ein dem Fortschritt aufgeschlossenes gesellschaftliches Klima, in dem diese Einsicht ihre volle Wirkung entfaltet, damit auf allen Ebenen der Politik die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen und die entsprechenden richtungweisenden Entscheidungen getroffen werden, aber auch damit Arbeitsplätze entstehen und seitens der Industrie genügend Vertrauen und Optimismus für die nötigen Investitionen aufgebaut wird.

    1.6

    Dazu gehört, die Bürger mehr als bisher mit Wissenschaft und Technik vertraut zu machen sowie das vorhandene Begabungspotenzial vermehrt auszuschöpfen und intensiver zu fördern. Hierfür muss man bereits in den Lehrplänen der Grundschulen, noch mehr in denen der weiterbildenden Schulen, dem Themenkreis Wissenschaft und Technik ein deutlich größeres Gewicht einräumen.

    1.7

    Kinder und Jugendliche müssen schrittweise und mit anschaulichen Beispielen und praktischen Erfahrungen an den Nutzen von Wissenschaft und Technik sowie an die Grundbegriffe und Grundgesetze dieses Themenkreises herangeführt werden. Die dafür Begabten sind für eine dementsprechende Berufswahl und ein bekanntermaßen schwieriges Studium zu begeistern und mit solidem Grundwissen auszustatten.

    1.8

    Dazu gehört zudem, an den Universitäten und Technischen Hochschulen eine dem besten internationalen Standard mindestens ebenbürtige wissenschaftlich-technische Fachausbildung zu gewährleisten: das wichtigste Kapital für Forschung und Innovation sind bestqualifizierte und motivierte Wissenschaftler und Ingenieure beiderlei Geschlechts, die ihre Fachkompetenz durch lebenslanges Lernen über ihr gesamtes Berufsleben erhalten und ausbauen.

    1.9

    Dazu gehört weiter, diesen Wissenschaftlern und Ingenieuren seitens der Gemeinschaft, der Mitgliedstaaten und der Wirtschaft attraktive Arbeitsmöglichkeiten, berufliche Anreize, Karriereperspektiven und angemessene Lebensplanungssicherheit zu bieten. Diese Maßnahmen müssen sowohl der gesellschaftlichen Investition in deren Ausbildung als auch der hohen persönlichen Investition in ein besonders schwieriges und anspruchsvolles Studium gerecht werden. Nur so wird statt des heutigen, vielfach beklagten einseitigen „brain-drain“ eine Veränderung der globalen Mobilität entscheidender Leistungsträger zugunsten Europas zu erreichen sein.

    1.10

    Dazu gehört schließlich, die Innovationsfreude der Industrie und deren Investitionsbereitschaft in Forschung und Entwicklung, insbesondere auch der kleineren und mittelgroßen Unternehmen, durch geeignete rechtliche, administrative und finanzielle Rahmenbedingungen zu fördern sowie attraktiver und lohnender zu machen.

    1.11

    Besondere Anstrengung verdient das Ziel, die Umsetzung neuer Erkenntnisse von Forschung und Entwicklung in neue Produkte oder Prozesse zu beschleunigen. Dazu müssen diese Firmen durch ihre Personalpolitik sicherstellen, dass genügend wissenschaftlich-technische Kompetenz vorhanden ist, um sich ihrerseits am Innovationsprozess beteiligen zu können, zumindest aber um gegenüber neuen Ideen oder Möglichkeiten urteilsfähig und adaptionsbereit zu sein.

    1.12

    Neben finanztechnischen, steuerrechtlichen und haftungsrechtlichen Aspekten sollte daher ein besonderer Schwerpunkt auf die wechselseitige Mobilität zwischen Akademia und Wirtschaft gelegt werden. Hilfreich wäre dazu insbesondere die Einführung eines neuen, attraktiven, den akademischen und industriellen Bereich gleichermaßen übergreifenden Mobilitäts- bzw. Stipendien-Systems für Wissenstransfer sowie Aus- und Weiterbildung.

    1.13

    Dieses sollte — in Analogie zum „Sabbatical“ von Hochschulprofessoren — den befristeten Aufenthalt bestqualifizierter Wissenschaftler und Ingenieure in der Industrie (und umgekehrt!) mit voller Rückkehrgarantie in die vorherige Laufbahn ermöglichen. Damit würde eine personelle Brücke zur wechselseitigen Durchdringung zwischen Akademia und Wirtschaft geschaffen und der notwendige Wissenstransfer in bester Weise gefördert.

    1.14

    Beispiele weiterer konkreter Empfehlungen und Feststellungen sind:

    1.14.1

    Der zur Verwirklichung der Lissabon-Strategie formulierte Zielwert von Barcelona muss von allen darin angesprochenen Akteuren sehr ernst genommen werden, um im globalen Wettlauf der F&E-Investitionen nicht letzter zu bleiben. Dieser Zielwert besagt, dass die Gesamtausgaben für F&E in der Union erhöht werden sollen, so dass sie 2010 ein Niveau von nahezu 3 % des BIP erreichen. Die dazu benötigten Investitionen sollten zu zwei Dritteln von der Privatwirtschaft finanziert werden.

    1.14.2

    Gemäß derzeitiger Haushaltsplanung der Gemeinschaft für die Jahre 2007-2013 würde die Gemeinschaft mit dem 7. F&E-Rahmenprogramm (RP7) nur einen Anteil von rund 2 % zu dem im Zielwert von Barcelona insgesamt angestrebten Investitionen in Forschung und Entwicklung beisteuern. Nach Meinung des Ausschusses reicht dies nicht aus, um die erhebliche Hebelwirkung und Integrationskraft der gemeinschaftlichen Förderung auf die Förderpolitik der Mitgliedstaaten und auf die notwendige Investitionsbereitschaft der Industrie voll zur Wirkung zu bringen und dort den erforderlichen beachtlichen Zuwachs auszulösen.

    1.14.3

    Darum sollte dieser Anteil der gemeinschaftlichen Förderung bei der im Jahre 2008 anstehenden Revision des EU-Haushalts in einem ersten Schritt auf rund 3 % erhöht werden. Dies wäre seitens der Gemeinschaft eine besonders wirkungsvolle Maßnahme, um die unverändert wichtigen Ziele von Lissabon und Barcelona rascher als derzeit erkennbar erreichen zu können. Letzteres ist auch erforderlich, weil sich die Forschungsanstrengungen z.B. der USA oder Chinas in rapidem Wachstum befinden.

    1.14.4

    Das Beihilferecht (E state aid) der Gemeinschaft sollte so gestaltet werden, dass es die Mitgliedstaaten ermuntert und ihnen den dazu nötigen Freiraum gibt, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben der Universitäten, der Forschungsorganisationen und der Industrie, sowie deren erforderliche Vernetzung, mehr, effektiver und unbürokratischer als bisher zu fördern.

    1.14.5

    Das Haushaltsrecht einzelner Mitgliedstaaten sollte bei der Förderung von F&E-Maßnahmen einen dem jeweiligen Projektablauf angepassten flexibleren Mittelabfluss ermöglichen, z.B. durch Übertragbarkeit zugewiesener Mittel in das nächste Kalender- oder Haushaltsjahr.

    1.14.6

    Die Bemühungen um ein Gemeinschaftspatent sollten endlich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden, wobei die Sprachenfrage gemäß den langjährigen Gepflogenheiten der internationalen „Science-Community“ zu lösen wäre.

    1.14.7

    Innovation und Fortschritt beruhen auf dem Zusammenwirken von Grundlagenforschung, angewandter Forschung sowie produktorientierter Entwicklung, wobei die Grenzen zwischen den genannten Kategorien unscharf sind.

    1.14.8

    Darum ist einerseits eine noch stärkere Vernetzung der Säulen Ausbildung, Forschung und industrielle Anwendung erforderlich. Deswegen begrüßt der Ausschuss die Planungen zum Europäischen Technologie Institut ETI, welches zur Weiterentwicklung der Innovationskapazität der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten beitragen soll, indem es Ausbildungs-, Forschungs- und Innovationsaktivitäten auf höchstem Niveau miteinander verbindet.

    1.14.9

    Darum ist andererseits aber auch eine ausreichende gemeinschaftliche Förderung der Grundlagenforschung erforderlich; das Teilprogramm „Ideen“ in RP7 ist dazu ein guter Ansatz.

    1.14.10

    Fortschritt und permanente Innovation beruhen allerdings nicht nur auf Wissenschaft und Technik, sondern auch auf der Motivation aller Beteiligten, auf neuartigen Geschäftsmodellen und auf den richtigen Management-Methoden.

    1.14.11

    Es geht darum, den Menschen die gemäß ihrer Begabung, Leistungsfähigkeit und Kreativität bestmöglichen Chancen der Entfaltung und Eigeninitiative zu bieten. Darum ist auch sicher zu stellen, dass alle Mitarbeiter einer Firma oder eines Instituts die Chance erhalten, ihre Ideen und Vorschläge einbringen zu können und dafür entsprechend belohnt zu werden. Dies sind wichtige Fragen der Sozialforschung, der Betriebswirtschaftlehre und generell der Management-Kultur.

    1.14.12

    Um neue Forschungsansätze, innovative Technologien, Betriebsabläufe oder Geschäftsmodelle zu fördern, ist es notwendig, ein gewisses Erfolgsrisiko zu akzeptieren. Fortschritt und Risiko sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

    1.14.13

    Zu starre Regelwerke zur Vereinheitlichung der Organisationsformen, Forschungsprogramme und Arbeitsmethoden können die Evolution zum Neuen und zur Innovation behindern. Freiheit der Forschung ist Grundvoraussetzung für kreative Wissenschaft, neue Entdeckungen und innovative Techniken, unbeschadet ihrer Grenzen durch die gesetzliche Regelung ethischer Problemstellungen und unbeschadet einer sachgerechten Verwendung zugewiesener Fördermittel.

    1.14.14

    Die administrativen Prozeduren zur Förderung von Forschung und Entwicklung sind zu vereinfachen, auch um die Inflation der geforderten vielfältigen und häufig sogar überlappenden Antrags-, Begutachtungs-, Monitoring- und Auditing-Verfahren einzudämmen und diese auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen.

    1.14.15

    Im Übrigen wird auf den ausführlichen Text dieser Stellungnahme verwiesen. Darin werden die Empfehlungen begründet; weitere, auch sehr konkrete, Gesichtspunkte werden angesprochen und dazu Empfehlungen gegeben.

    2.   Allgemeine Gesichtspunkte

    2.1

    Angesichts der beiden kürzlich veröffentlichten Mitteilungen der Kommission (3) zum Thema „Innovation“ in dessen voller Breite (siehe auch Ziffer 4.12.1), sowie angesichts des ausgezeichneten Aho-Reports (4), fokussiert sich die hier vorgelegte Stellungnahme vorwiegend auf die Themen Forschung und Entwicklung — als die absolut notwendigen Vorraussetzungen jeder nachhaltigen Innovationsfähigkeit — sowie auf die dazu erforderliche Ausbildung. Damit sollen auch zu weitgehende Überlappungen mit den genannten Veröffentlichungen vermieden werden.

    2.2

    Die Wiege der modernen Wissenschaft und Forschung liegt in Europa (5). Wissenschaft und Forschung, ihre Methodik und Denkweise, waren ein entscheidender Wegbereiter unserer heutigen europäischen Gesellschaft, ihrer Werte, ihrer Lebensweise und ihres Lebensstandards; sie waren ein Kennzeichen des Europäischen Kulturraums (6). Erfolgsrezept für die daraus resultierenden Errungenschaften war das freie Wechselspiel von handwerklichem Erfinder- und Unternehmergeist mit wissenschaftlicher Methodik und Systematik.

    2.3

    Nahezu Hand in Hand mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt verliefen die entscheidenden gesellschaftspolitischen Entwicklungen hin zum modernen Staat mit Gewaltenteilung, Demokratie, Grundrechten und Sozialgesetzen.

    2.4

    Als Ergebnis dieser gemeinsamen Prozesse haben sich die Lebensbedingungen der Menschen in den daran beteiligten Staaten und Regionen in einem Maße verändert und verbessert wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.

    2.5

    Innerhalb der letzen 135 Jahre hat sich die mittlere Lebenserwartung der Bevölkerung (7) mehr als verdoppelt (8). Innerhalb der letzten 50 Jahre hat sich der flächenbezogene, landwirtschaftliche Ertrag nahezu verdreifacht. In den erfolgreichen Industriestaaten werden Übergewicht statt Unterernährung, Informationsüberflutung statt Informationsmangel, Überalterung statt Kindersterblichkeit diskutiert.

    2.6

    Die durch Forschung, Entwicklung und Innovation erarbeiteten Fähigkeiten und Leistungen der modernen mobilen Industriegesellschaft umfassen alle Bereiche menschlicher Entfaltung und Lebensqualität.

    2.7

    Während die unmittelbare Aufgabe von Forschung und Entwicklung in der Suche nach neuem und vertieftem Wissen — also nach der Erkundung des Unbekannten und der Bestätigung des Vermuteten oder Bekannten — sowie in der Entwicklung neuer Fähigkeiten besteht, haben die Ergebnisse dieses Strebens in hohem und vordem unvorstellbarem Maße zum Wohle der Menschen beigetragen. In diesem übertragenen Sinne ist es also auch Zweck von Forschung und Entwicklung, dem Wohle der Menschheit zu dienen.

    2.8

    Ein weiterer für den erreichten Fortschritt maßgeblicher Faktor war die Entwicklung und intensive Nutzung von Energie verbrauchenden industriellen Verfahren und Maschinen: Energie hat die Menschen von der Last körperlicher Schwerstarbeit befreit und wurde zum „Nahrungsmittel“ moderner Volkswirtschaften.

    2.9

    Daraus folgt eine erste wichtige Empfehlung des Ausschusses: die entscheidende Rolle dieser Errungenschaften für unsere heutige Lebensweise, die Voraussetzungen ihrer Entstehung, sowie die mit ihnen verbundene wissenschaftlich-technische und kulturelle Leistung muss von der Gesellschaft wahrgenommen und in ihrer existentiellen Bedeutung gewürdigt werden — dieses Verständnis muss Teil des allgemeinen Bildungsstandards sein! Die viel niedrigere Lebensqualität und auch die Not, die in Teilen der Dritten Welt noch heute anzutreffen sind, und die früher ohne alle diese Errungenschaften ebenso in den heutigen Industrieländern existierten, müssen in Erinnerung gerufen werden, um den für uns inzwischen selbstverständlichen Standard und dessen Voraussetzungen würdigen zu können.

    2.9.1

    Entsprechend sind Lehrpläne und verfügbare Unterrichtszeit in allen Schulstufen darauf auszurichten, die Kinder und Jugendlichen mit anschaulichen und interessanten Erklärungen und Lernstoffen stufenweise in die Denkweise von Wissenschaft und Technik sowie in den vorhandenen Wissensschatz (9) einzuführen, und die entscheidende Bedeutung der wissenschaftlichen Arbeit und technischen Entwicklung für unser Alltagsleben bewusst zu machen. Es gilt, die begabten jungen Menschen beiderlei Geschlechts dafür zu gewinnen, ein wissenschaftlich-technisches Studium zu wählen, ihnen dann aber auch bestmögliche wissenschaftlich-technische Fachausbildung an den Hochschulen und Universitäten zu bieten und sie später durch Programme lebenslangen Lernens weiterzubilden. Das Erreichte ist die Basis für zukünftigen Fortschritt.

    2.10

    Das meiste des bisher Gesagten ist nicht auf Europa beschränkt, wenngleich die genannten Errungenschaften weltweit — leider — noch nicht allen Menschen, Bevölkerungsgruppen und Völkern gleichermaßen und ausreichend zur Verfügung stehen.

    2.10.1

    In diesem Zusammenhang ist ein wichtiges Merkmal der modernen Wissensgesellschaft hervorzuheben: anders als in früheren Zeiten, als z.B. die Seidenherstellung in China als strenges Geheimnis gehütet wurde, wird das erarbeitete Wissen, also unser wertvollstes Gut, nahezu frei (10) zur Kenntnisnahme dargeboten, z.B. an den Universitäten und Technischen Hochschulen für Studenten aus aller Welt (sogar in Form von Stipendien), aber auch in Lehrbüchern, Veröffentlichungen, Patentschriften, Fachkonferenzen, Internet-Publikationen, Fachzeitschriften, etc.

    2.10.2

    Diese Offenlegung des erarbeiteten Wissens dient einerseits dem für den wissenschaftlichen Fortschritt förderlichen globalen Wissensaustausch, sie ist aber andererseits eine einmalige und besonders wirkungsvolle Form der Entwicklungshilfe, welche z.B. bereits ab dem 19. Jahrhundert dazu beigetragen hat, dass es einem Land wie Japan aus eigener Anstrengung gelungen ist, aus mittelalterlicher Lebensform und Gesellschaftsstruktur kommend in kürzester Zeit einen ähnlichen Lebensstandard wie Europa zu erreichen.

    2.10.3

    Diese freie Verfügbarkeit erworbenen Wissens und erworbener Fähigkeiten muss allerdings dort ihre Grenzen finden, wo es darum geht, die getätigten Investitionen in Forschung und Entwicklung aus deren späterem wirtschaftlichen Nutzen wieder zu gewinnen und damit zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden Volkswirtschaften durch den notwendigen Vorsprung am Markt zu stärken.

    2.10.4

    Dazu haben die meisten Industriestaaten ein balanciertes Rechtssystem zum befristeten Schutz des geistigen Eigentums entwickelt, das im Patentrecht kulminiert. Hierzu hat der Ausschuss bereits mehrfach Stellung (11) genommen und wiederholt die Einführung eines Europäischen Gemeinschaftspatents angemahnt, aber auch ein geschärftes Bewusstsein der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung geistigen Eigentums. Schließlich sind Anerkennung und Schutz des geistigen Eigentums Ansporn und gerechte Entlohnung für die Erfinder neuer Techniken und die Schöpfer neuer Werke.

    2.11

    Was folgt daraus für die Politik der Europäischen Gemeinschaft? Hier geht es zunächst um die wichtige und sehr konkrete Frage, welcher Bruchteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung — im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtpolitik — investiert werden soll.

    2.11.1

    Die Antwort darauf ergibt sich aus der Position Europas im globalen Wettbewerb, also aus der viel zitierten Lissabon-Strategie (12).

    2.11.2

    Dazu hatte bereits der Rat im März 2002 in Barcelona (13) wegweisende Beschlüsse gefasst (14) und das inzwischen allgemein bekannte 3 %-Ziel formuliert, welches besagt, dass die Gesamtausgaben für F&E in der Union erhöht werden sollen, so dass sie 2010 ein Niveau von nahezu 3 % des BIP erreichen. Die erforderlichen Investitionen sollten zu zwei Dritteln von der Privatwirtschaft finanziert werden (Punkt 47 des Ratsbeschlusses). Neben einer massiven Erhöhung der F&E-Investitionen der Gemeinschaft selbst, geht es also insbesondere auch darum, Anreize für vermehrte F&E-Investitionen der Mitgliedstaaten und vor allem der Industrie zu schaffen. Dieses Ziel ist vom Ausschuss in zahlreichen Stellungnahmen mit Nachdruck unterstützt worden (15), aber es zeichnet sich leider ab, dass es — mit Ausnahme weniger Mitgliedstaaten — nicht erreicht werden wird. Dies ist ein besorgniserregender Tatbestand.

    2.11.3

    Zudem wird in dem Ende Oktober 2006 veröffentlichten STERN REVIEW (16): „The Economics of Climate Change“ festgestellt, dass allein zur Eindämmung der durch Klimagase beeinflussten globalen Erwärmung ein Aufwand von ca. 1 % des BIP benötigt wird, der auch weitere, dazu erforderliche, F&E-Aktivitäten umfasst.

    2.11.4

    Allerdings sind Klimaänderung und deren Bezug zum allgemeinen Problem der Energienutzung, des Energieverbrauchs und einer nachhaltigen Energieversorgung nicht der einzige Problemkreis. Auch die Bekämpfung physischer und psychischer Krankheiten, Lebenserleichterung für Behinderte, Auswirkung des demografischen Wandels einschließlich der Alternsforschung sowie Schutz der Umwelt sowie generell Sicherung unserer Lebensgrundlagen und unseres europäischen Wertesystems sind Beispiele bedeutender Forschungsthemen, zu denen der Ausschuss in früheren Stellungnahmen wie z.B. jenen zum 7. FuE-Rahmenprogramm und zu dessen „Spezifischen Programmen“ ausführliche Empfehlungen gegeben hat.

    2.12

    Die Europäische Gemeinschaft steht bekanntlich vor der sehr ernsten Herausforderung eines sich verschärfenden globalen Wettbewerbs, bei dem es insbesondere darum geht, die europäischen Arbeitsplätze, Einkommensniveaus sowie Sozial- und Umweltstandards zu erhalten. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund der Wirtschaftskraft der USA und Japans, sondern insbesondere der beachtlichen und zunehmend erstarkenden Industrie- und Forschungsleistungen von Staaten wie China (bis 2050 will China die USA als weltweit führende Technologienation abgelöst haben! (17)), Indien und Brasilien, und angesichts der dort bedeutend niedrigeren Löhne sowie Sozial- und Umweltstandards.

    2.13

    Genau vor diesem Hintergrund des globalen Wettbewerbs, sowie des damit verbundenen globalen Wettlaufs zunehmender Investitionen in Forschung und Entwicklung, einschließlich eines globalen Wettbewerbs um die besten Wissenschaftler und Ingenieure, muss die Europäische Gemeinschaft ihr Potenzial für Forschung, technische Entwicklung und Innovation besser ausschöpfen und weiter stärken. Dabei geht es primär um den globalen Wettbewerb, nicht um den innereuropäischen!

    2.14

    Eine wettbewerbsfähige Position Europas kann also nur durch einen auch in Zukunft bestehenden Vorsprung (18) in Forschung, technologischer Entwicklung und Innovation gehalten werden, eingebettet in ein gesellschaftliches und kulturelles Umfeld von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, unternehmerischer Freiheit, Planungssicherheit, Leistungswillen und Leistungsanerkennung. Der Europäische Forschungsraum muss gestärkt und ausgebaut werden. Zwar ist diese Erkenntnis inzwischen Allgemeingut politischer Absichtserklärungen, aber im tatsächlichen Handeln und in der Umsetzung in reale Prioritäten (z.B. Forschungsbudgets) und in die betreffenden Regelwerke (z.B. Tarifstruktur (19), Steuerrecht) bestehen noch deutliche und bedauerliche Defizite, sowohl auf Ebene der Gemeinschaft als auch auf Ebene der meisten Mitgliedstaaten.

    2.15

    Andere Staaten, die mit einer ähnlichen Problematik konfrontiert sind, wie z.B. die USA oder Japan, aber auch die Schweiz, treiben hier mit Erfolg nicht nur einen deutlich höheren, sondern auch effektiveren Aufwand in Forschung, technologischer Entwicklung und Innovation. Dies zeigt sich u.a. in der Anziehungskraft der USA für europäische Wissenschaftler und Ingenieure, die nach wie vor innerhalb der im Prinzip erwünschten wechselseitigen Mobilität zu einem Überschuss nach den USA auswandernder Experten und Talente führt („brain-drain“).

    2.16

    Gerade in Hinblick auf die USA ist diese Tatsache nicht nur ein Indikator der finanziellen Leistungsfähigkeit und eines überlegenen Forschungssystems, sondern sie schwächt zudem Europa und stärkt die USA. Darüber hinaus ist die F&E-Politik der USA durch einen im Vergleich zu Europa offeneren und mutigeren Umgang mit neuen Konzepten und Ansätzen gekennzeichnet, aber auch durch insgesamt mehr Risikobereitschaft. Sie motiviert sich zudem nicht nur aus der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, sondern in gleichem Maße auch aus einer konsequenten nationalen Sicherheitsstrategie (20) und den damit verbundenen hohen F&E-Investitionen, was zu wechselseitigen Befruchtungen führt.

    2.17

    Also gilt es jetzt für Europa, seine Tradition als führender Forschungs- und Innovationsraum wieder zu beleben, erheblich mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren, die Fähigkeiten seiner Bürger dafür zu fördern und deren Leistungen zu belohnen, sowie entgegenstehende Hindernisse abzubauen.

    2.18

    Wichtigste Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen, ist ein gesellschaftliches Klima, in dem diese Einsicht ihre volle Wirkung entfaltet, damit auf allen Ebenen der Politik die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen und die richtungsweisenden Entscheidungen getroffen werden. Nur dann werden Schulen und Universitäten ihre Aufgabe im globalen Wettbewerb erfüllen können, und sich genügend viele junge Menschen für Wissenschaft und Technik engagieren. Nur dann wird seitens der Industrie genügend Vertrauen und Optimismus für die nötigen Investitionen entstehen.

    3.   Finanzielle Fragen und Prozeduren

    3.1

    Quelle der Investitionen. Forschung und Innovation — zusammen mit einer qualifizierten und effektiven Ausbildung der dazu Befähigten — sind die Voraussetzung für zukünftigen Wohlstand der Gesellschaft. Also muss die Gesellschaft die dafür benötigten Investitionen bereitstellen. In der EU kommen diese Investitionen von der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten, der Wirtschaft und — zu einem geringen Teil — aus privaten Stiftungen.

    3.2   Förderung seitens der Gemeinschaft

    3.2.1

    7. FTE-Rahmenprogramm. Seitens der Europäischen Gemeinschaft wird der Hauptbeitrag (21) der Förderung von Forschung und Entwicklung vom 7. FTE-Rahmenprogramm geleistet werden. Dessen für die Jahre 2007 bis 2013 verfügbarer Haushalt konvergiert (22) auf rund 50 Mrd. EUR (23), das sind rund 5,8 % des Gesamthaushalts der Gemeinschaft für diese Periode.

    3.2.2

    Dieser Betrag liegt damit bei rund 0,06 % des Bruttoinlandsprodukts der Gemeinschaft, also bei nur rund 2 % des Zielwerts von Barcelona (siehe Anhang). Nach Meinung des Ausschusses reicht dies nicht aus, um die erhebliche Hebelwirkung und Integrationskraft der gemeinschaftlichen Förderung auf die Förderpolitik der Mitgliedstaaten und auf die notwendige Investitionsbereitschaft der Industrie voll zur Wirkung zu bringen und dort den erforderlichen beachtlichen Zuwachs auszulösen.

    3.2.3

    Der Ausschuss bedauert darum sehr, dass seinen Empfehlung (24), den Anteil des für das 7. F&E-Rahmenprogramm verfügbaren Budgets am gesamten Gemeinschaftshaushalt stärker zu erhöhen, nicht gefolgt worden ist.

    Der Ausschuss appelliert daher an den Europäischen Rat und das Europäische Parlament, bei der im Jahre 2008 anstehenden Revision des EU-Haushalts hier noch einen deutlichen Fortschritt zu erzielen und das für das 7. F&E-Rahmenprogramm verfügbare Fördervolumen der Gemeinschaft auf 3 % des Zielwerts von Barcelona zu erhöhen.

    3.2.4

    Europäische Investitionsbank. Zudem weist der Ausschuss darauf hin, dass auch die Fördermittel der Europäischen Investitionsbank verstärkt zugunsten von Forschung, Entwicklung und Innovation eingesetzt werden sollen (25), insbesondere für solche, die dem Aufbau der erforderlichen Infrastrukturen und dem Wissenstransfer zur industriellen Anwendung dienen.

    3.2.5

    Europäischer Strukturfond. Das gleiche gilt, sogar in noch stärkerem Maße, für die Verwendung des Europäischen Strukturfonds. Hier besteht insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten ein deutlicher Nachholbedarf im Aufbau der erforderlichen Forschungs-Infrastrukturen und deren Verknüpfung mit der Ansiedlung moderner High-Tech-Firmen.

    3.3   Förderung seitens der Mitgliedstaaten und der Wirtschaft; unterstützende Maßnahmen seitens der Gemeinschaft.

    3.3.1

    Mehr Investitionen seitens der Wirtschaft. Angesichts des strukturgemäß bescheidenen Anteils Gemeinschaftlicher Förderung ist es von entscheidender Bedeutung, dass sowohl die Mitgliedstaaten, als auch die europäische Wirtschaft (26) ihrerseits genügend — das heißt erheblich mehr als bisher — in Forschung, Entwicklung und die dazugehörige Ausbildung investieren werden, um das Potenzial Europas für Forschung, Entwicklung und Innovation freizusetzen und zu stärken, den Europäischen Forschungsraum zu nutzen und um das Ziel von Barcelona wenigstens annähernd zu erreichen. Hier bestehen in den meisten Mitgliedstaaten der höchste Nachholbedarf und das dringendste Bedürfnis!

    3.3.2

    Verlässliche und geeignete Rahmenbedingungen. Neben vermehrten finanziellen Anstrengungen ist auch eine Überprüfung aller sonstigen Rahmenbedingungen erforderlich, um mit den eingesetzten Mitteln eine bestmögliche Wirkung zu erzielen. Dabei gilt es insbesondere, forschungsfremde Gesichtspunkte und Vorgaben auf ihren Nutzen oder Schaden zu überprüfen sowie größtmögliche Planungssicherheit und Verlässlichkeit auf staatliche Vorgaben zu gewährleisten.

    3.3.3

    Unterstützende Maßnahmen seitens der Gemeinschaft. Hierzu kann und muss aber auch die Europäische Gemeinschaft durch ihre Politik nachdrückliche Unterstützung leisten, insbesondere durch dafür geeignete Verordnungen oder Richtlinien, optimale Rahmenbedingungen und die klug eingesetzte Hebelwirkung ihrer Förderung aus dem 7. FTE-Rahmenprogramm.

    3.3.4

    Beihilferecht der Gemeinschaft. Das Beihilferecht der Gemeinschaft regelt in Auslegung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrages Art, Umfang und administrative Prozeduren der seitens der Mitgliedstaaten zulässigen staatlichen Beihilfen (27) für F&E-Arbeiten. Die Ausgestaltung dieses Beihilferechts ist also ein weiterer entscheidender Hebel, um auf die Forschungsförderung seitens der Mitgliedstaaten einzuwirken, aber auch um die Förderung durch das 7. FTE-Rahmenprogramm der Gemeinschaft optimal einzusetzen. Daher muss das Beihilferecht der Gemeinschaft so gestaltet werden (28), dass es die Mitgliedstaaten ermuntert und es ihnen erleichtert, auf möglichst effektive und unbürokratische Weise Forschungs- und Entwicklungsvorhaben der Universitäten, der Forschungsorganisationen, der Industrie und deren Zusammenwirken mehr als bisher und wirksamer als bisher zu fördern.

    3.3.5

    Vorrang der globalen Wettbewerbsfähigkeit. Dabei muss insbesondere vermieden werden, dass zu eng gefasste, mit hohem bürokratischem Aufwand verbundene und ausschließlich auf die innereuropäische Wettbewerbssituation ausgerichtete Einschränkungen der staatlichen Förderung von Forschung und Entwicklung die globale Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft beeinträchtigen. Im Gegenteil, gerade angesichts des sehr geringen relativen Beitrags der gemeinschaftlichen Förderung (29) müssen die Mitgliedstaaten ihrerseits die im Europäischen Forschungsraum erforderliche Vernetzung zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und der Industrie großzügig und ohne bürokratische Hemmnisse fördern können.

    3.3.6

    KMU und „Start-Ups“. Dabei gilt es auch, das Potenzial von KMU und insbesondere von „Start-Ups“ für Innovationen weiter zu stärken sowie generell stärkere Anreize für mehr dementsprechende Investitionen seitens der Industrie zu schaffen. Der Ausschuss verweist zudem auf seine Empfehlungen (30) zum EU-Programm „Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)“ und auf die in diesem Zusammenhang besonders wichtige Förderung im Bereich der wissensbasierten Wirtschaft. Aus der Tatsache, dass in der EU 98 % aller Firmen KMUs sind, wird besonders deutlich, welche Bedeutung einer Stärkung der Innovationsfähigkeit dieser Unternehmenskategorie zukommt.

    3.3.7

    Beispiel USA. Als Orientierungshilfe sollte die diesbezügliche Förderpolitik der globalen Wettbewerber, insbesondere der USA herangezogen werden.

    3.4

    Haushaltsrecht der Mitgliedstaaten. Ein weiterer wesentlicher, mit Finanzierungsfragen verbundener Aspekt betrifft die Frage, ob das Hauhaltsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten dem Ziel effektiver Mittelverwendung dienlich ist. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte seitens der Gemeinschaft darauf hingewirkt werden, dass das Hauhaltsrecht der jeweiligen Mitgliedstaaten den Bedürfnissen von Forschung und Entwicklung besser als bisher gerecht wird.

    3.4.1

    Flexiblere Mittelabflusspläne und Haushaltsrecht. Insbesondere bei größeren Entwicklungsprojekten, aber generell bei allen Forschung und Entwicklung betreffenden Investitionen sollte vermieden werden, dass sachfremd festgelegte, staatliche Mittelabflusspläne (wie das z.B. im Falle der kameralistischen Buchführung zutrifft) zu nicht projektgerechten Entscheidungen führen. Da bei solchen in technisches Neuland vorstoßenden Projekten der Gesamtaufwand, also insbesondere auch der Mittelabfluss pro jeweiligem Kalenderjahr, nicht immer hinreichend genau planbar ist, können Projektmittel durch an das Kalenderjahr gebundene staatliche Mittelabflusspläne verfallen. Dies führt zu sachfremden Optimierungsprozeduren und zu Ineffektivität. Deswegen sollten bessere Lösungen gefunden und im Haushaltsrecht der Mitgliedstaaten verankert werden, die z.B. die Übertragbarkeit eines Teils der zugewiesenen Mittel in das nächste Kalender- oder Haushaltsjahr zulassen.

    3.5

    Steuer- und Haftungsrecht der Mitgliedstaaten. Desgleichen sollte seitens der Gemeinschaft darauf hingewirkt werden, dass auch das Steuer- und Haftungsrecht der Mitgliedstaaten besser auf das Ziel ausgerichtet wird, Anreize für stärkere Investitionen der Industrie in Forschung und Entwicklung zu schaffen und die finanziellen Risiken bei der Einführung innovativer Techniken oder Produkte überschaubar zu halten..

    3.6

    Ausreichende Grundfinanzierung seitens der Mitgliedstaaten. Zudem sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass ihre Forschungseinrichtungen mit genügend Grundfinanzierung ausgestattet sind, um die Chance einer Co-Finanzierung durch das 7. FTE-Rahmenprogramm überhaupt wahrnehmen zu können.

    3.7

    Rechnungswesen, Kostenerfassung und Bewertung. Ebenso sollten Rechnungswesen, Kostenerfassung und Aufwandsbewertung der Empfänger staatlicher Zuwendungen, also der verschiedenen Forschungseinrichtungen, daraufhin überprüft werden, ob sie den charakteristischen Eigentümlichkeiten von Forschung und Entwicklung wirklich gerecht werden. Insbesondere ist zu untersuchen, ob betriebswirtschaftliche Gesichtpunkte, welche für die produzierende Industrie optimiert wurden, unreflektiert auf Organisationen übertragbar sind, deren Produkt Wissen ist, und die dort dann bezüglich Aufwand, Darstellung und Bewertung zu Verzerrungen führen können.

    3.8

    Politische und gesellschaftliche Prioritäten. Generell gilt es, dafür auf politischer Ebene — und in den Medien als Meinungsverstärker — das Bewusstsein zu schaffen und dann auch danach zu handeln, dass ausreichende und wirksame Forschung und Entwicklung das notwendige Saatgut für zukünftigen Wohlstand, also auch für Arbeitsplätze, soziale Leistungen und Wettbewerbsfähigkeit sind. Dies betrifft sowohl die dazu nötigen Haushaltsentscheidungen für die erforderlichen Investitionen, als auch alle Rahmenbedingungen für Ausbildung, Arbeitsrecht und Arbeitsbedingungen, Steuerrecht, Tarifrecht, etc. Es betrifft aber auch die Grundhaltung der Gesellschaft als Ganzem zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt, der mit großen Chancen, aber auch bei aller Vorsorge unvermeidlich mit einem gewissen Restrisiko verbunden ist. Ein Übermaß an Risikoscheu führt zu Stagnation, letztlich sogar zu einem Verlust an Wissenskompetenz und zum Rückschritt.

    4.   Strukturelle Aspekte und Rahmenbedingungen

    4.1

    Allgemeine Gesichtspunkte  (31). Vorrangige Bedeutung hat daher das ökonomische, politische, soziale und kulturelle Umfeld, in dem sich Kreativität und Erfindungsreichtum sowie unternehmerische Initiativen am besten entfalten können (32), und das es ermöglicht, die besten Wissenschaftler und Ingenieure für den Europäischen Forschungsraum zu gewinnen und auch dort zu behalten. Dies umfasst insbesondere auch die nötigen Maßnahmen zur Erhaltung oder Schaffung bestmöglicher Funktionsbedingungen für gute Wissenschaft und Forschung.

    4.2

    Erprobung von neuen Ideen und Konzepten. Wissenschaft und Forschung bemühen sich um die besten und neuesten Ideen, Verfahren und Ergebnisse. Dazu gehört auch die unabhängige Reproduktion (oder Widerlegung) — also „Zertifizierung“ — neuer Erkenntnisse, sowie deren Verbreitung, Vertiefung und Erweiterung, wobei primäres Ziel sein muss, sukzessive in Neuland vorzustoßen. Also ist es notwendig, pluralistische (33) und interdisziplinäre Forschungsansätze, Bewertungsverfahren und Forschungsstrukturen zu ermöglichen und zu pflegen, um den evolutionären Prozess (34) hin zu den jeweils besten Ideen, Ergebnissen aber auch Organisationsformen zu stimulieren und zu nutzen.

    4.3

    Bewertungskriterien und Freiräume. Also müssen die Bewertungskriterien auch das Neue fördern und dabei das Risiko des Fehlschlags akzeptieren, da der Erfolg nicht a priori garantiert werden kann. Zu starre „Top-Down“-Vorschriften oder Regelwerke zur Vereinheitlichung der Organisationsformen, Forschungsprogramme und Arbeitsmethoden sind zu vermeiden; sie können die Evolution zum Neuen, zur Innovation behindern. Innovation benötigt einen ausreichenden unternehmerischen Freiraum, um die neue Idee nicht schon am Übermaß einschränkender Vorschriften verdorren zu lassen. Freiheit der Forschung — auch die Freiheit von sachfremden, einengenden (35) oder gar ideologischen Vorgaben — ist Grundvoraussetzung für kreative Wissenschaft und neue Entdeckungen, unbeschadet ihrer Grenzen durch die gesetzliche Regelung ethischer Problemstellungen und unbeschadet einer sachgerechten Verwendung zugewiesener Fördermittel.

    4.3.1

    Bottom-Up. Daher sollte ein Grundsatz jeder Forschungspolitik sein: So viel „bottom up“ wie möglich, so viel „top down“ wie nötig, so viel Dezentralisierung wie möglich, so viel Zentralisierung wie nötig. Letztlich geht es dabei um die Balance zwischen einerseits individuellem Ideenreichtum und individueller Kreativität und andererseits der erforderlichen Planung, Harmonisierung und Lenkung bei der Bündelung von Ressourcen, um größere, arbeitsteilige Projekte durchführen zu können.

    4.3.2

    Kooperationsprojekte. Schließlich erfordern gerade besonders anspruchsvolle und Erfolg versprechende F&E-Vorhaben oder High-Tech-Projekte oft die länderübergreifende Kooperation zwischen unterschiedlichen Forschungsorganisationen, Firmen etc., einschließlich einer Finanzierung durch unterschiedliche Zuwendungsgeber. Gerade wenn deren innere Organisationsstrukturen, Bewertungssysteme, Personalpolitik, Haushaltsregeln (36) etc. sich deutlich voneinander unterscheiden, können daraus Hemmnisse für den gewünschten Erfolg dieser Zusammenarbeit erwachsen. Hier gilt es, dass alle beteiligten Akteure bereit sind, auf die wechselseitigen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen und sich für das spezielle Projekt auf gemeinsame, nötigenfalls von ihren jeweiligen sonstigen Gepflogenheiten abweichende, Regeln zu verständigen, auf besondere Prioritätsansprüche zu verzichten und zu arbeitsfähigen Vereinbarungen zu kommen.

    4.3.3

    Methode der offenen Koordinierung. Während also unter dem Punkt „Erprobung neuer Ideen und Konzepte“ Pluralität empfohlen wird, und die Nachteile zu großer Einheitlichkeit für den evolutionären Fortschritt dargelegt werden, ist es für Kooperationsprojekte und generell für die innereuropäische Zusammenarbeit notwendig, innerhalb der kooperierenden Institutionen ein Mindestmaß an Einheitlichkeit der anzuwendenden Regeln und Maßstäbe herzustellen. Hier gilt es, das Instrument der offenen Koordinierung behutsam einzusetzen, um die erforderliche Balance zwischen diesen widersprüchlichen Gesichtspunkten zu erreichen.

    4.4

    Vereinfachung  (37) und Reduktion administrativer Verfahren Vermeidung überlappender oder paralleler Instanzen  (38). Forschung und Entwicklung erfordern unvermeidlich auch planerische, unternehmerische, administrative und gutachterliche Aufgaben, die von ausgewiesenen und erfahrenen Wissenschaftlern und Ingenieuren wahrgenommen werden müssen. Allerdings haben sich die geforderten administrativen Prozeduren derart vermehrt und aufgebläht, dass der damit verbundene Aufwand der eigentlichen Forschungstätigkeit beachtliche Leistungskraft entzieht. Insbesondere hat sich eine Inflation von geforderten Antrags-, Gutachten-, Monitoring- und Auditing-Prozessen herausgebildet, die zu einer unproduktiven Geschäftigkeit führt und der eigentlichen Forschungstätigkeit Leistungskraft entzieht (39). Zudem: mangelnde Investitionen in Ausbildung, Forschung und Entwicklung lassen sich auch durch vermehrte Evaluierungs-Prozeduren nicht ersetzen.

    4.4.1

    Daher wiederholt der Ausschuss sein dringendes Ersuchen (40), dass sich sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten mit dieser Frage intensiv befassen und auf effizientere und besser koordinierte Verfahren (insbesondere auch mit und zwischen den beteiligten Instanzen der Mitgliedstaaten) hinwirken. Insbesondere wird empfohlen, das Übermaß an getrennt agierenden, vertikalen (und auch horizontalen/parallelen) Genehmigungs-, Lenkungs- und Kontrollinstanzen (und -verfahren) zu reduzieren.

    4.5

    Exzellenzförderung und Wettbewerb. Der Ausschuss begrüßt die Bemühungen der Kommission, der Mitgliedstaaten und der Forschungsorganisationen, herausragende Leistungen oder Programmvorschläge besonders zu fördern. Dies dient generell der Absicht, Spitzenleistungen in Forschung und Entwicklung zu erzielen, aber auch dem Bemühen, die erfolgreichsten Leistungsträger in Europa zu halten oder für Europa zu gewinnen. Allerdings ist dies mit einer weiteren Zunahme administrativer Prozeduren verbunden. Umso mehr besteht die vorrangige Notwendigkeit, die Summe aller dieser Prozeduren massiv zu reduzieren und die Verfahren zu rationalisieren und zu vereinfachen. Der Satz „Weniger ist mehr“ gilt hier in besonderem Maße.

    4.6

    Schwindende Trennschärfe der Forschungskategorien. Zwischen den Forschungskategorien Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Entwicklung gibt es keine scharfe Trennung, sondern vielmehr fruchtbare Vernetzungen und Rückkopplungen. Soweit also in Regelwerken eine Unterscheidung dieser Kategorien beibehalten werden sollte, muss den betroffenen Organisationen hier genügend Ermessens- und Entscheidungsspielraum bei der Festlegung der jeweiligen Anteile gegeben werden. Dessen unbeschadet bleibt die Tatsache, dass die Ergebnisse der Grundlagenforschung kaum vorhersehbar oder planbar sind, während eine zielgerichtete, durchgeplante Vorgehensweise erst dann einsetzen kann, wenn das Ziel definierbar geworden und der Weg hinreichend klar ist.

    4.7

    Von der Naturerkenntnis zum innovativen Produkt, zum innovativen Prozess und zu innovativen Dienstleistungen. Besondere Anstrengung verdient das Ziel, die Umsetzung neuer Erkenntnisse der Grundlagenforschung und auch der angewandten Forschung und Entwicklung in neue Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen zu beschleunigen. Obwohl es sich hierbei um eines der Kernprobleme handelt, gibt es zu seiner Lösung leider kein umfassendes Patentrezept. Dennoch lassen sich einige Grundsätze definieren und Maßnahmen empfehlen.

    4.7.1

    Als wohl wichtigste Maßnahme gilt es, die personelle Mobilität zwischen Akademia und Industrie zu verbessern (siehe hierzu Ziffer 5.5 ff), aber auch generell das wechselseitige Verständnis und die wechselseitige Durchdringung dieser zwei „Kulturen“ (41) zu fördern.

    4.7.2

    Hierzu besteht allerdings auch seitens der Privatwirtschaft die Verpflichtung, eine dementsprechende Unternehmens-Kultur zu entwickeln und sich stärker um die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung zu bemühen sowie mehr Mut zum innovativen Produkt zu zeigen (siehe auch Ziffer 4.9). Firmen müssen ihre Personalpolitik darauf richten, ihrerseits zumindest so viel wissenschaftlich-technische Kompetenz zu besitzen oder aufzubauen, dass sie urteilsfähig und adaptionsbereit sind. Firmen müssen sich zudem um ein innovationsfreundliches Klima bemühen, um das kreative Potenzial ihrer Mitarbeiter zu fördern und zu nutzen. Know-how kann man nur übertragen oder kaufen, wenn es vorhanden, bekannt und verstanden ist (42).

    4.7.3

    Hierzu könnten auch verbesserte, über das Internet öffentlich zugängliche Informations-Systeme beitragen, welche es potenziellen Interessenten ermöglichen, den Weg von einer allgemeinen Stichwortsammlung zu den Ergebnissen europäischer Forschung sowie den Originalveröffentlichungen und deren Autoren zurück zu verfolgen und die erforderlichen Kontakte zu finden. Dies wird in Teilen bereits von Cordis (43) versucht. Solche Informationssysteme sollten bestmöglich auch behinderten Menschen zugänglich sein (44) und der alternden Gesellschaft Rechnung tragen.

    4.7.4

    Mindestens ebenso wichtig ist jedoch die erforderliche Zusammenarbeit von Forschungsinstituten mit den jeweils themenverwandten Firmen. Diese wird durch unmittelbare räumliche Nähe begünstigt (45), da aus dieser engen Nachbarschaft (Cluster) sowohl zwangsläufige, als auch gesuchte Begegnungen und Partnerschaften folgen. Diese Clusterbildung gilt es durch geeignete Programme weiter zu fördern. Aber auch alle Bemühungen auf kommunaler und regionaler Ebene, Wissenstransfer zu fördern und Verknüpfungen herzustellen, sind anzuerkennen und zu fördern. Beispielhaft seien hier die Initiativen der „Science Cities“ (46) zu nennen.

    4.7.5

    Deswegen begrüßt der Ausschuss ganz besonders die gegenwärtigen Planungen (47) zur Gründung eines Europäischen Technologie Instituts (ETI), welches zur Weiterentwicklung der Innovationskapazität der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten beitragen soll, indem es Aus-bildungs-, Forschungs- und Innovationsaktivitäten auf höchstem Niveau miteinander verbindet. Das ETI soll seine Tätigkeit primär im Rahmen von partnerschaftlichen Wissens- und Innovationsgemeinschaften entfalten. Der Ausschuss empfiehlt, auch hierbei jedoch insbesondere „bottom-up“-Initiativen und -Prozesse anzuregen, zu fördern und zu bevorzugen.

    4.7.6

    Insgesamt müssten auch seitens der Mitgliedstaaten hier stärkere Fördermaßnahmen ergriffen werden. Diese müssten sowohl die bereits erwähnten „Start-Ups“ einbeziehen, als auch die Zusammenarbeit (48) zwischen Forschungsinstitutionen und bereits etablierten Firmen.

    4.8

    Bedeutung der Grundlagenforschung. Solche Förderprogramme dürfen aber keinesfalls zu Lasten der Grundlagenforschung gehen. Daher wiederholt der Ausschuss erneut seine Unterstützung des in RP7 sehr wichtigen Programms „Ideen“ sowie des dafür eingesetzten Europäischen Forschungsrats. Aus einer einzigen neuartigen Idee kann sich ein lawinenartiger Innovationsschub und eine Durchdringung in viele Technikbereiche entwickeln (49). Die Bedeutung der Grundlagenforschung und deren Förderung wird auch seitens der Industrie (50) gesehen und unterstützt.

    4.8.1

    Dies entspricht der mehrfachen Empfehlung des Ausschusses, im Innovationsdreieck Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Entwicklung (Produkt- und Prozessentwicklung) allen drei erforderlichen Pfeilern durch ausreichende Förderung auch der Grundlagenforschung das ihnen gebührende Gewicht zu geben.

    4.9

    Das innovative Produkt. Selbst wenn alle diese Empfehlungen umgesetzt würden, bleibt es Aufgabe der Privatwirtschaft, das innovative Produkt, den innovativen Prozessablauf und die innovative Dienstleistung auf der Basis der durch F&E errungenen Erkenntnisse und Fähigkeiten zu realisieren, zu nutzen oder zu produzieren, und zu vermarkten. Dies erfordert beachtliche Vorab- Investitionen und hinreichend Zeit, und ist mit deutlichen marktwirtschaftlichen Risiken verbunden, insbesondere auch für KMUs. Aber auch hierzu können die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten durch eine insgesamt verlässliche Politik, durch Abbau administrativer Hindernisse, durch wirtschaftspolitische — insbesondere steuerliche — Anreize, durch ausreichende Ausstattung mit Risikokapital, durch kluge, effektive und unbürokratische Förderprogramme sowie insbesondere durch das stetige Bemühen um ein technik- und innovationsfreundliches gesellschaftliches Umfeld entscheidende Hilfestellung leisten.

    4.9.1

    Einen Beitrag zur Markteinführung innovativer Produkte (Techniken, Dienstleistungen …) könnte auch das öffentliche Auftragswesen übernehmen, welches auf diese Weise die Chance für einen Modernisierungsschub der öffentlichen Einrichtungen wahrnehmen würde (51).

    4.10

    Geistiges Eigentum und Gemeinschaftspatent. Eine Schwäche der EU liegt im Fehlen eines Gemeinschaftspatents. Dieser Mangel schlägt sich in deutlich höheren Kosten und sonstigen Hürden zur Sicherung des geistigen Eigentums nieder. Er bewirkt auf diese Wiese gleich zwei schwerwiegende Nachteile: einerseits höhere Kosten für Patentverfahren und Patentschutz, andererseits sogar den Verlust möglichen Patentschutzes — nämlich durch Zeitverzug und durch Entmutigung.

    4.10.1

    Sprachenproblem. Eines der Hindernisse, sich seitens der EU auf die Einführung eines Gemeinschaftspatents zu einigen, liegt im Sprachenproblem. Daher empfiehlt der Ausschuss, die Sprachenfrage gemäß den langjährigen Gepflogenheiten der internationalen „Science-Community“ zu lösen. Dies darf aber keinesfalls als eine Bemühung genutzt oder verstanden werden, die europäische Sprachenvielfalt — als wertvolles und vom Ausschuss unterstütztes (52) Kennzeichen der kulturellen Breite Europas — generell zu behindern oder einzuschränken.

    4.10.2

    Neuheitsunschädliche Vorveröffentlichungsfrist. Zugleich verweist der Ausschuss erneut auf sein Anliegen, dabei eine neuheitsunschädliche Vorveröffentlichungsfrist (53) zuzulassen, um so den Konflikt aufzulösen zwischen der für Forscher bestehenden Notwendigkeit einer raschen Veröffentlichung ihrer Ergebnisse und der Einschränkung, nur neue, bisher nicht bekannte Erfindungen patentieren zu können.

    4.11

    Besondere Situation der neuen Mitgliedstaaten. Während die neuen Mitgliedstaaten im Allgemeinen einerseits den Wettbewerbsvorteil niedrigerer Arbeitslöhne — natürlich dann auch verbunden mit dem Nachteil eines niedrigeren Lebensstandards der meisten Bürger — aufweisen können, leiden sie andererseits unter dem Mangel, dass ihre für Forschung und Entwicklung erforderliche Infrastruktur bisher noch weniger ausgebaut ist.

    4.11.1

    Daher hatte der Ausschuss mehrfach (54) empfohlen, einen deutlich größeren Teil der Mittel des gemeinschaftlichen Strukturfonds für den Ausbau wissenschaftlicher Infrastruktur zu verwenden. Hier könnten auch Mittel der Europäischen Investitionsbank mit großem Nutzen zum Einsatz kommen.

    4.11.2

    Aber auch die neuen Mitgliedstaaten sollten ihrerseits alles daran setzen, die genannte Lücke baldmöglichst zu schließen und danach sukzessive das 3 %-Ziel zu erreichen. Insgesamt muss es ein vorrangiges Ziel der Gemeinschaft sein, die neuen Mitgliedstaaten beim Ausbau ihres Forschungssystems und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nachdrücklich zu unterstützen.

    4.12

    Innovation  (55) im allgemeinen Sinn. Während die bisherigen Anmerkungen und Empfehlungen Innovation hauptsächlich als Folge wissenschaftlich-technischer Aktivitäten und Initiativen behandelten, sei hier ausdrücklich auch auf die unternehmerischen, kaufmännischen und sozialen Aspekte (56) und Möglichkeiten innovativer Ideen und Verfahren hingewiesen. Zweifellos haben diese eine zum wissenschaftlich-technischen Aspekt ergänzende, gleichrangige Bedeutung für Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und die Lissabon-Strategie. Im Sinne der hier erbetenen Sondierungsstellungnahme betreffen sie allerdings vorwiegend Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, welche in einer zukünftigen Stellungnahme des Ausschusses zur Lissabon-Strategie gesondert behandelt werden. (Siehe zudem das folgende Kapitel.)

    4.12.1

    Der Ausschuss begrüßt in diesem Zusammenhang die Mitteilungen der Kommission  (57) (siehe auch Ziffer 1.2) vom 13. September 2006„Kenntnisse in die Praxis umsetzen: eine breit angelegte Innovationsstrategie für die EU“, und vom 12. Oktober 2006„Ein innovationsfreundliches Europa“, deren Tendenz er voll unterstützt und in einigen Punkten durch die hier vorliegende Stellungnahme zudem präzisiert. (Die erste der Mitteilungen bezieht sich ihrerseits auf den ebenfalls unterstützenswerten Aho-Report (58)). Der Ausschuss verweist zudem auf seine eigenen Vorschläge (59) für eine innovative Beschäftigungspolitik.

    5.   Der Faktor Mensch — Humankapital — Wissenschaftler und Ingenieure (60)

    5.1

    Persönliche AspekteMotivation. Hierzu verweist der Ausschuss auf seine spezifisch diesem Themenkreis gewidmete Stellungnahme (61), deren Aussagen er noch einmal bestätigt und unterstreicht. Wie schon zuvor hatte der Ausschuss dort darauf hingewiesen, dass Humankapital die sensibelste und wertvollste Ressource für Forschung, Entwicklung und Innovation ist. Also ist die wichtigste Aufgabe, dazu begabte, junge Menschen für eine wissenschaftliche oder technische Ausbildung zu motivieren und ihnen diese dann auch bestmöglich zu bieten.

    5.2

    Universitäten und Technische Hochschulen. Daher sind die dafür erforderlichen Ausbildungsstätten eine entscheidende Voraussetzung, den Bedarf an guten Wissenschaftlern und Ingenieuren befriedigen zu können. Also muss man in genügender Zahl und Ausstattung beste, attraktive Universitäten, vor allem auch Technische Universitäten, mit hervorragenden Lehrkräften — und in Verbindung von Forschung und Lehre (62) — schaffen und erhalten. Diese müssen den Wettbewerb mit den besten Universitäten der USA oder anderen, außereuropäischen Ländern bestehen können. Sie müssen demnach auch genügend Anziehungskraft für die besten außereuropäischen Studenten besitzen. Auch hier könnte das ETI eine hilfreiche Rolle spielen.

    5.3

    Mobilität. Da im Anschluss an eine erfolgreiche Hochschulausbildung inner- wie außereuropäische Mobilität für junge Wissenschaftler und Ingenieure heute schon fast als Teil der erforderlichen Weiterbildung anzusehen ist, folgen dementsprechend zwei weitere Forderungen:

    5.3.1

    Mobilität muss belohnt werden, sie darf nicht bestraft werden. Leider gibt es jedoch immer noch zahlreiche — sogar neuere (63) — tarifrechtliche, steuerrechtliche, versicherungsrechtliche und versorgungsrechtliche Regelungen, die genau das Gegenteil bewirken. Hier ist eine systematische und auf diese Problematik ausgerichtete Überprüfung/Korrektur aller infrage kommenden Aspekte/Hemmnisse erforderlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dies wegen des erforderlichen Familienzusammenhalts für die gesamte Familie gelten muss.

    5.3.2

    Mobilität darf keine Einbahnstraße zum „Brain-Drain“ sein. Also müssen sich die durch Ausstattung und Arbeitsumfeld gegeben Erfolgschancen, sowie die Einkommensverhältnisse und Karrierechancen der Forscher und Ingenieure an jenen orientieren, die in den außereuropäischen, mit Europa in besonderem Wettbewerb stehenden Ländern, geboten werden.

    5.4

    Karriere. Mit den sowohl seitens der Gesellschaft, als auch seitens der einzelnen Forscher getätigten Investitionen zum Erwerb eines erwünschten breiten und schwierigen Grundlagen- und hochgradigen Spezialwissens übernimmt die Gesellschaft — vertreten durch die Politik — die Verantwortung zum bestmöglichen Nutzen dieser Investitionen. Diese Verantwortung muss sich in der Sorge für einen adäquaten Karriereweg der ausgebildeten Forscher mit attraktiven Verzweigungsoptionen ohne berufliche Abseitsfalle manifestieren. Die Arbeitslosigkeit oder Fehlbeschäftigung qualifizierter Wissenschaftler und Ingenieure ist Vergeudung volkswirtschaftlicher Investitionen und Abschreckung der nachwachsenden Leistungselite mit dem Ergebnis einer Entscheidung für wissenschafts- und technikferne Berufsbilder oder eine Abwanderung aus Europa!

    5.4.1

    Doktoranden. Angesichts der erforderlichen Dauer eines vollwertigen wissenschaftlich-technischen Studiums und der daran anschließenden Doktorarbeit, und angesichts der Tatsache, dass Dissertationen in Wissenschaft und Technik die Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten und den vollen beruflichen Einsatz erfordern, ist letzterer auch als solcher anzuerkennen und zu entlohnen (was bei Ingenieuren manchmal auch der Fall ist). Es ist unter verschiedenen Aspekten schädlich, gerade den Begabtesten jungen Wissenschaftlern während ihrer Doktorandenzeit durch unzureichende Entlohnung  (64) zu lange ihre finanzielle Unabhängigkeit vorzuenthalten. Ingenieure und Wissenschaftler, die einen vollwertigen akademischen Abschluss vorweisen, sind keine Lehrlinge oder Praktikanten.

    5.4.2

    Für den weiteren Karriereweg ist es wichtig, attraktive „Tenure-Track“ Modelle sowie alternative berufliche Verzweigungsoptionen zu entwickeln. Zudem gilt dort noch verstärkt das im vorhergehenden Abschnitt zuletzt gesagte.

    5.4.3

    Den Menschen die richtigen Chancen geben. Fortschritt und permanente Innovation beruhen auch auf der Motivation aller Beteiligten, auf neuartigen Geschäftsmodellen und auf den richtigen Management-Methoden. Es geht darum, den Menschen — also auch allen Mitarbeitern in Firmen und Forschungsinstituten — die gemäß ihrer Begabung, Leistungsfähigkeit und Kreativität bestmöglichen Chancen für die Entfaltung ihrer Talente und für Eigeninitiative zu bieten, sowie ein soziales Umfeld zu ermöglichen, das ihrer Schaffenskraft dient und diese fördert. Dies sind sehr wichtige Fragen der Sozialpolitik und Sozialforschung, der Familienpolitik, der Betriebswirtschaftlehre und generell der Management-Kultur. Dort wurde inzwischen auch die Bedeutung einer sinnvollen „Work-Life-Balance“ für Kreativität und Produktivität erkannt (65).

    5.5

    Wege zwischen Akademie und Industrie. Das beste Transportmittel für Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch sind die Köpfe der jeweiligen Fachleute. Seit langem bestehen daher Bemühungen für mehr personellen Austausch zwischen Universitäten und Forschungseinrichtungen einerseits und der Industrie andererseits. Diese sollten trotz bestehender Schwierigkeiten und Hindernisse unbedingt verstärkt werden.

    5.5.1

    Leider ist es nämlich bisher kaum gelungen (66), die dem entgegenstehenden, vielfältigen Hindernisse wie Tarifrecht, Berufungskultur, Karrierekriterien etc. zu überwinden. Hier sollte erneut versucht werden, angesichts der im Wesentlichen bekannten Probleme auf die Verfahren einzuwirken bzw. diese zu modifizieren sowie die tariflichen Hindernisse zu beseitigen. Allerdings ist es nicht nur eine Frage der Tarife und der sehr unterschiedlichen Einkommensverhältnisse, sondern auch der Unterschiede zwischen Unternehmenskultur in Industrie und Akademia. Wenngleich einige dieser Unterschiede wesensbedingt sein dürften, ist es dennoch eine wichtige Aufgabe, hier zu deutlich mehr personeller Durchlässigkeit und Kooperation zu kommen. Der Ausschuss empfiehlt, hier mit neuen Überlegungen anzusetzen, um in dieser wichtigen Frage doch noch zu positiven Ergebnissen zu kommen.

    5.5.2

    Neben finanztechnischen, steuerrechtlichen, und haftungsrechtlichen Aspekten sollte daher ein besonderer Schwerpunkt auf die wechselseitige Mobilität zwischen Akademia und Wirtschaft gelegt werden. Der Ausschuss wiederholt dementsprechend seine Empfehlung, ein Stipendien- bzw. Fördersystem zu schaffen, das Anreize für eine befristete (z.B. ein bis drei Jahre) wechselseitige Mobilität (mit Rücknahmegarantie in die vorherige Laufbahn) zwischen Industrie und wissenschaftlichen Einrichtungen in Analogie zum „Sabbatical“ im akademischen Bereich bietet. Dies könnte nicht nur zum besseren Kennenlernen und Verständnis der wechselseitigen Gegebenheiten sowie zur Wissensübertragung führen, sondern natürlich auch die Chance dann für einen längerfristigen Wechsel eröffnen. Der Ausschuss ist sich zwar bewusst, dass auch solche Rückkehrprozesse für beide Teile nicht unproblematisch sind (67), aber die Vorteile eines derartigen Stipendiums sollten erlauben, diese Problematik zu überwinden; zudem, es könnte sich daraus ja auch ein weiterer Karriereschritt eröffnen.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  KOM(2006) 502 endg. vom 13. September 2006„Kenntnisse in die Praxis umsetzen: eine breit angelegte Innovationsstrategie für die EU“; KOM(2006) 589 endg. vom 12. Oktober 2006„Ein innovationsfreundliches modernes Europa“.

    (2)  EUR 22005 „Creating an Innovative Europe“ ISBN 92-79-00964-8.

    (3)  Siehe Fußnote 1.

    (4)  Siehe Fußnote 2.

    (5)  Dies gilt unter Einbeziehung des griechisch-ägyptischen Kulturkreises und zeitweiliger wechselseitiger Befruchtungen mit dem indisch-arabischen Kulturkreis auch für die Wiege der Wissenschaft generell.

    (6)  Eine sehr ausführliche und differenzierte Darstellung dieser Prozesse findet sich in der Initiativstellungnahme des Ausschusses „Wissenschaft, Gesellschaft und Bürger in Europa“, ABl C 221 vom 7.8.2001).

    (7)  In Deutschland.

    (8)  Insbesondere auch durch Reduktion der Kindersterblichkeit.

    (9)  Dabei geht es nicht so sehr um ein Erlernen und Beherrschen von sehr vielen Formeln, sondern um ein Grundverständnis der Technik und der elementaren Naturgesetze, aber doch auch um die Bedeutung quantitativer Zusammenhänge und des Nutzens der Mathematik.

    (10)  Siehe jedoch Punkt 2.10.3: In bestimmten Fällen (i) in der Nutzung durch Patente befristet eingeschränkt oder über Lizenzen erwerbbar oder (ii) von Firmen mit mehr oder weniger Erfolg während einer Zeitspanne als industrielle Betriebsgeheimnisse behandelt.

    (11)  Siehe (ABl. C 112 vom 30.4.2004), (ABl. C 112 vom 30.4.2004), (ABl. C 65 vom 17.3.2006) (ABl. C 324 vom 30.12.2006).

    (12)  http://consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/de/ec/00100-r1.d0.htm.

    (13)  http://consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/de/ec/71067.pdf.

    (14)  Die, wie z.B. insbesondere das 3 %-Ziel, bisher leider nur unvollständig umgesetzt worden sind.

    (15)  ABl C 95 vom 23.4.2003.

    (16)  http://www.hm-treasury.gov.uk/independent_reviews/stern_review_economics_climate_change/sternreview_index.cfm.

    (17)  Bild der Wissenschaft 9/2006, S. 109.

    (18)  Der Ausschuss hatte bereits mehrfach (ABl. C 65 vom 17.3.2006) darauf hingewiesen, dass das in Barcelona definierte 3 %-Ziel wegen des globalen Wettlaufs der Investitionen in Forschung und Entwicklung ein „Moving-Target“ darstellt; wer es zu spät erreicht, bleibt weiterhin der letzte.

    (19)  Insbesondere die Einkommens- und Vertragssituationen junger Wissenschaftler und Ingenieure.

    (20)  Das US Department of Defense (DoD) fördert in großem Umfang Forschungsprojekte auch an Universitäten und Forschungszentren.

    (21)  Daneben gibt es auch noch Förderprogramme der verschiedenen anderen Kommissionsdienststellen, wie z.B. das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (2007-2013) oder das Programm Intelligent Energy-Europe.

    (22)  KOM(2006) 364 endg.; vorbehaltlich eines noch ausstehenden Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rats.

    (23)  Plus rund 2 Mrd. EUR des 7. FTE-Rahmenprogramms Euratom.

    (24)  CESE 1484/2005 (ABl. C 65 vom 17.3.2006).

    (25)  Dazu bereitet die CCMI gerade eine entsprechende Stellungnahme vor.

    (26)  Eine kürzliche Studie der Kommission hat gezeigt, dass die europäischen Firmen im Jahre 2005 ihre Investitionen für F&E erfreulicherweise um 5,3 % gesteigert haben.

    (27)  Siehe auch (ABl. C 80 vom 30.3.2004) sowie (ABl. C 65 vom 17.3.2006).

    (28)  Dazu sind auf der Web-Seite der Kommission am 22. November 2006 eine Pressemitteilung der Kommission (IP/06/1600) sowie ein Dokument (ohne Datum und Kennzeichnung!) „Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation“ erschienen. Der Ausschuss konnte sich darüber noch kein Urteil bilden und es noch nicht im Sinne obiger Empfehlungen prüfen.

    (29)  Siehe Ziffer 3.2.2.

    (30)  (ABl. C 234 vom 22.9.2005).

    (31)  Teilweise nach (ABl. C 95 vom 23.4.2003).

    (32)  Siehe dazu auch Ziffer 3.4.

    (33)  Siehe jedoch auch die später angesprochene Ziffer „Kooperationsprojekte“.

    (34)  Siehe auch (ABl C 221 vom 7.8.2001) „Wissenschaft, Gesellschaft und Bürger“, Ziffer 4.7: „Forschung ist der Schritt ins Unbekannte, und die dabei vom Einzelnen oder von der Gruppe angewandten Vorgehensweisen variieren und ergänzen sich dabei je nach Erfordernis, Begabung und Temperament. Forscher sind Manager, Ingenieure, Sammler, Haarspalter, Glasperlenspieler oder Künstler. Forschen ist Tasten im Nebel, intuitives Erahnen, Vermessen einer unbekannten Landschaft, Sammeln und Ordnen von Daten, Finden neuer Signale, Aufspüren übergeordneter Zusammenhänge und Muster, Erkennen neuer Korrelationen, Entwickeln mathematischer Modelle, Entwickeln der jeweils benötigten Begriffe und Symbolsprache, Entwickeln und Bauen neuer Geräte, Suche nach einfachen Lösungen und nach Harmonie. Es ist auch Bestätigen, Sicherstellen, Erweitern, Verallgemeinern und Reproduzieren.“

    (35)  Siehe auch (ABl. C 65 vom 17.3.2006), dort Ziffer 4.13.2 „Charta“ samt Fußnote.

    (36)  Siehe auch Ziffer „Flexiblere Mittelabflusspläne und Haushaltsrecht“.

    (37)  Siehe auch CESE 956/2006, dort z.B. Ziffer 1.2 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

    (38)  Nach CESE 1674/2004.

    (39)  Hierzu hat der Deutsche Hochschulverband gerade eine prägnante Gegenüberstellung veröffentlicht: Forschung und Lehre 9/06, S. 516 (www.forschung-und-lehre.de).

    (40)  CESE 305/2004; Kapitel 5.1.8 (ABl. C 110 vom 30.4.2004).

    (41)  Nicht zu verwechseln mit den „Zwei Kulturen“ nach G.P. Snow — Science and Humanities.

    (42)  Zitat aus der Stellungnahme des EWSA zum Europäischen Forschungsraum. CES 595/2000 (ABl. C 204 vom 18.7.2000).

    (43)  http://cordis.europa.eu.

    (44)  Sie dazu auch die EFRE-Regeln.

    (45)  Ähnlich wie dies auch bei interdisziplinären Forschungsthemen der Fall ist.

    (46)  www.sciencecities.eu

    (47)  Dazu wird vom Ausschuss eine eigene Stellungnahme vorbereitet.

    (48)  Dabei gibt es allerdings auch einige grundsätzliche Gegensätze, die bereits in § 7 von angesprochen wurde. So z.B.: (ABl. C 304 vom 16.12.2006).

    Grundlagenforschung, ja jede längerfristig angelegte Forschung und Entwicklung, gedeiht durch die frühzeitige Veröffentlichung ihrer Ergebnisse, um so anderen Forschungsgruppen die Möglichkeit der Nachprüfung zu bieten. Darüber hinaus muss man die Synergie nutzen, welche aus unverzüglicher, wechselseitiger Kommunikation innerhalb der „Scientific Community“ hervorgeht, insbesondere dann, wenn viele Laboratorien an einem gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprogramm zusammenarbeiten.

    Auch die öffentliche Hand muss üblicherweise auf einer Veröffentlichung der Ergebnisse der von ihr geförderten Forschung bestehen, um Förder- und Wettbewerbsgerechtigkeit zu gewährleisten.

    Demgegenüber muss eine Firma in der Regel — mit Rücksicht auf ihre Wettbewerbssituation — zumindest so lange an einer vertraulichen Behandlung der Ergebnisse ihrer Produktentwicklung interessiert sein, bis ein marktreifes, neues Produkt angeboten werden kann.

    (49)  Siehe dazu auch(ABl. C 304 vom 16.12.2006), dort § 1, 7 und 8.

    (50)  cf. The Economic Returns to Basic Research and the Benefits of University-Industry Relationships. A literature review and update of findings. Report for the UK Office of Science and Technology* by SPRU — Science and Technology Policy Research. Alister Scott, Grové Steyn, Aldo Geuna*, Stefano Brusoni, Ed Steinmueller, 2002.

    (51)  Bekanntlich sind jedoch bei innovativen Sprüngen auch immer Risiken enthalten, welche zur Verzögerung, Kostenerhöhung oder gar zum Scheitern führen können; dies kann dann öffentliche Kritik nach sich ziehen — und schließlich nur am langfristigen Er-folg gemessen werden. [Beispiele: Airbus 380, deutsches Maut-System oder UMTS-Lizenzen (Universal Mobile Telecomunications System)].

    (52)  (ABl. C 304 vom 16.12.2006)„Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

    (53)  Das bedeutet, dass eine Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse durch den Erfinder innerhalb einer gewissen Frist diesem bei der Patentanmeldung nicht als neuheitsschädlich entgegengehalten werden kann. Siehe dazu auch dort Ziffer 5.2 (ABl. C 95 vom 23.4.2003); sowie dort Ziffern 2.5.1 und 2.5.2 (ABl. C 110 vom 30.4.2004).

    (54)  U.a. in (ABl. C 65 vom 17.3.2006).

    (55)  Gemäß Vorschlag der Kommission zur Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts ist Innovation „Der Prozess und die Ergebnisse des Prozesses, bei dem neue Ideen hervorgebracht werden, die auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedürfnisse ausgerichtet sind, so dass daraus neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle entstehen, die erfolgreich in bestehende Märkte eingeführt werden oder zur Schaffung neuer Märkte führen.“Im Sinne der erbetenen Sondierungsstellungnahme geht es hier vorwiegend um wissenschaftlich-technische Prozesse oder Produkte.

    (56)  Siehe Fußnote 55. Eine kürzere Definition aus dem englischen Sprachraum lautet: Innovation is the successful exploitation of new ideas.

    (57)  KOM (2006) 502 endg. und KOM(2006) 589 endg., auch Fußnoten 1 und 2.

    (58)  Esko Aho / EUR 22005 . http://europa.eu.int/invest-in-research/

    (59)  Z.B. „Flexicurity nach dänischem Muster“ (ABl C 195 vom 18.8.2006).

    (60)  Diese Bezeichnung gilt für beide Geschlechter, also auch für Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen.

    (61)  „Forscher im europäischen Forschungsraum: ein Beruf, vielfältige Karrieremöglichkeiten“ (ABl. C 110 vom 30.4.2004).

    (62)  Dabei könnte eine noch bessere Vernetzung zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten hilfreich sein, insbesondere um deren Gerätschaften und Infrastruktur in die Verbindung von Forschung und Lehre einzubeziehen, aber auch um so deren neueste Erkenntnisse in die Lehre einfließen zu lassen.

    (63)  Z.B. in Deutschland.

    (64)  Siehe dazu auch (ABl. C 110 vom 30.4.2004).

    (65)  Siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 257, 4. November 2005, C1.

    (66)  Siehe z.B. „Forschung und Lehre“ (Im Auftrag des Deutschen Hochschulverbandes; www.forschung-und-lehre.de) 4/06, S. 208 sowie „Forschung und Lehre“ 7/06, S. 402.

    (67)  Siehe z.B. „Beruf und Chance“, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 251, 28. Oktober 2006, C1.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/28


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kennzeichnung der Betätigungseinrichtungen, Kontrollleuchten und Anzeiger von zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen“ (kodifizierte Fassung)

    KOM(2006) 556 endg. — 2006/0175 (COD)

    (2006/C 325/06)

    Der Rat beschloss am 19. Oktober 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch am 25. Oktober 2006 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) Herrn SIMONS zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 117 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Empfehlungen und Schlussfolgerungen

    1.1

    Im Zusammenhang mit dem „Europa der Bürger“ ist es ein wichtiges Anliegen, das Gemeinschaftsrecht verständlich und transparent zu gestalten. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben daher die Notwendigkeit hervorgehoben, mehrfach geänderte Rechtsakte zu kodifizieren, und sich in einer interinstitutionellen Vereinbarung auf ein beschleunigtes Verfahren geeinigt. An den zu kodifizierenden Rechtsakten dürfen keine materiell-inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden.

    1.2

    Der vorliegende Vorschlag der Kommission entspricht genau der Absicht und den Regeln der Kodifizierung, der EWSA erhebt daher keine Einwände.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/29


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im europäischen Weinsektor“

    KOM(2006) 319 endg.

    (2006/C 325/07)

    Die Europäische Kommission beschloss am 22. Juni 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 8. November 2006 an. Berichterstatter war Herr KIENLE.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 107 gegen 2 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Bericht zur Reform der Europäischen Weinmarktorganisation vorgelegt hat. Der EWSA begrüßt insbesondere, dass die Kommission im Grundsatz die Beibehaltung einer weinspezifischen Marktorganisation vorschlägt, innerhalb der die Option „grundlegende Reform“ verfolgt werden kann.

    1.2

    Da die europäischen Weine sowohl im Binnenmarkt als auch auf wichtigen Exportmärkten Marktanteile gegenüber den Weinen aus Drittländern, insbesondere der Neuen Welt, verloren haben, ist eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weine zu verbessern und Marktanteile zurückzugewinnen. Dabei sollte die Kommission bei der Reform und den Außenhandelsregelungen die Position des europäischen Weinsektors als Weltmarktführer stärker berücksichtigen.

    1.3

    Der EWSA erinnert an seine Stellungnahme vom 27./28. Januar 1999 (1), in der er die damaligen Reformvorschläge der Europäischen Kommission bereits für unzureichend erachtet hat. Viele seiner Anregungen — insbesondere in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Interventionsmaßnahmen, Berücksichtigung der regionalen Unterschiede, Informationen — sind heute aktueller denn je.

    1.4

    Der EWSA unterstreicht, dass der Wein und der Weinbau wichtige und integrale Bestandteile der europäischen Kultur und Lebensart sind. Der Weinbau prägt in vielen europäischen Weinbauregionen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld. Der Ausschuss legt deshalb Wert darauf, dass nicht nur die ökonomischen Konsequenzen, sondern auch die Folgen für Beschäftigung, Sozialgefüge, Umwelt — insbesondere durch die Rodeprogramme — sowie Verbraucherschutz und Gesundheit bei der Reform bedacht werden.

    1.5

    Der EWSA weist darauf hin, dass der Weinbau in der Europäischen Union Existenzgrundlage für 1,5 Mio. überwiegend kleine Familienbetriebe ist und über 2,5 Mio. Arbeitnehmern zumindest saisonal Beschäftigung gibt. Daher achtet der Ausschuss darauf, dass bei der Reform Maßnahmen bevorzugt werden, die sich positiv auf die Einkommen der Winzer und die Beschäftigungsmöglichkeiten im europäischen Weinbau auswirken.

    1.6

    Der EWSA erachtet den Vorschlag der Europäischen Kommission, den Wein erzeugenden Mitgliedstaaten jeweils einen nationalen Finanzrahmen zur Verfügung zu stellen, als wichtigen Beitrag zu mehr Subsidiarität und Berücksichtigung der regionalen Unterschiede. Der EWSA hält sich bei seinen Vorschlägen zur Aufteilung der Förderinstrumente zwischen EU-Gemeinschaftsrahmen und Maßnahmen innerhalb des „nationalen Finanzrahmens“ an diese Grundsätze und verneint Schritte zur Renationalisierung der Weinmarktpolitik.

    1.7

    Der EWSA erwartet von der Europäischen Kommission konkrete Vorschläge für Maßnahmen für die Verbraucherinformation und für die Absatzförderung im Binnenmarkt und auf Exportmärkten.

    2.   Überlegungen und Vorschläge der Kommission

    Ziele der Reform

    2.1

    Die Kommission nennt als Ziele der Reform: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Stärkung des Images der europäischen Weine, Wiedergewinnung von Marktanteilen und Eroberung neuer Marktanteile, möglichst einfache Regeln, Berücksichtigung der gesellschaftlichen und politischen Rolle der Weinbauregionen.

    2.1.1

    Die Kommission spricht als weiteres Ziel die Herstellung eines Marktgleichgewichts an und leitet daraus bestimmte Maßnahmen, wie z.B. den Bedarf einer umfassenden Rodung ab.

    Die derzeitige GMO für Wein

    2.2

    Die Kommission analysiert in ihrem Bericht die derzeitige Marktlage, beschreibt Probleme mit der derzeitigen GMO und leitet daraus Maßnahmen ab.

    Vier Optionen

    2.3

    Die Kommission zog vier mögliche Optionen für die Reform der EU-Weinmarktorganisation in Erwägung:

    Beibehaltung des Status quo mit geringfügigen Anpassungen,

    Reform in Anlehnung an die GAP-Reform,

    Deregulierung des Weinmarkts,

    grundlegende Reform der GMO.

    2.3.1

    Die Kommission kommt aufgrund ihrer Bewertungen zu dem Schluss, dass unter den vier Optionen die grundlegende Reform die meisten Vorteile biete und dass die Beibehaltung einer spezifischen Weinmarktorganisation erforderlich sei.

    Grundlegende Reform der GMO

    2.4

    Die Kommission schlägt eine einstufige und eine zweistufige Reform alternativ vor. Bei der Variante A soll die Anbauregelung umgehend (oder zum 1.8.2010) ohne Übergangsregelung abgeschafft werden. Bei der Variante B soll vor Abschaffung der Anbauregelung eine umfassende Rodungsaktion durchgeführt werden, um eine strukturelle Anpassung vorzunehmen.

    Abschaffung der Marktinstrumente und Einführung zukunftsweisender Maßnahmen

    2.5

    Die Europäische Kommission schlägt vor, folgende Maßnahmen sofort abzuschaffen:

    Beihilfen für die Destillation von Nebenprodukten,

    Trinkwein- und Krisendestillation,

    Beihilfen für die private Lagerhaltung,

    Mostbeihilfen im Zusammenhang mit der Anreicherung und der Herstellung von Traubensaft.

    Nationaler Finanzrahmen

    2.6

    Die Kommission schlägt vor, dass jedem Wein erzeugenden Mitgliedstaat ein nach objektiven Kriterien berechneter nationaler Finanzrahmen zur Verfügung gestellt wird. Mit diesen Mitteln soll er aus einem bestimmten Maßnahmenangebot die für seine Situation am besten geeigneten Maßnahmen finanzieren.

    Entwicklung des ländlichen Raums

    2.7

    Die Europäische Kommission schlägt vor, dass viele dieser Umstellungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen der ländlichen Entwicklung durchgeführt und hierfür ein Finanzmitteltransfer aus dem spezifischen Weinbudget in die Säule II erfolgen soll.

    Qualitätspolitik und geografische Angaben

    2.8

    Die Kommission schlägt eine grundlegende Überarbeitung des geltenden Regelwerks zur Qualität mit Blick auf eine bessere Übereinstimmung der EU-Qualitätspolitik mit den internationalen Vorschriften, insbesondere dem TRIPs-Abkommen, vor.

    Weinbereitungsverfahren

    2.9

    Die Kommission schlägt eine Liberalisierung der Weinbereitungsverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Normen der Internationalen Weinorganisation, OIV, vor.

    Anreicherung

    2.10

    Die Kommission schlägt ein Verbot der Anreicherung mit Saccharose, kombiniert mit einer Streichung der Beihilfe für die Mostkonzentrat-Verwendung sowie eine erhebliche Begrenzung der Anreicherungsspannen für die nördlichen Weinbaugebiete vor.

    Etikettierung

    2.11

    Die Kommission schlägt vor, die Etikettierungsvorschriften zu vereinfachen und einen einzigen Rechtsrahmen einzuführen, der für alle Kategorien von Wein und die betreffenden Angaben gilt.

    Absatzförderung und Information

    2.12

    Die Kommission plant, eine verantwortungsvolle Absatz- und Informationspolitik zu verfolgen. Alle im geltenden Recht vorgesehenen Möglichkeiten sollen genutzt werden.

    Umweltschutz

    2.13

    Die Kommission will sicherstellen, dass die Reform des Weinsektors auch dazu beiträgt, die Auswirkungen des Weinbaus und der Weinbereitung auf die Umwelt zu minimieren.

    WTO

    2.14

    Die Kommission legt Wert darauf, dass die neue GMO WTO-kompatibel ist. Sie verbindet damit die Abschaffung der geltenden Interventionsmaßnahmen und die Zulassung der Herstellung von Weinen in der Europäischen Union aus importierten Mosten und Vermischung von Drittlandsweinen mit EU-Weinen.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    Ziele der Reform

    3.1

    Der EWSA kann weitgehend die Ziele, die von der Europäischen Kommission genannt werden, unterstützen. Er hält jedoch einige Anpassungen für erforderlich.

    3.1.1

    Der EWSA erinnert daran, dass er in seiner damaligen Stellungnahme u.a. als Ziele genannt hat:

    Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Sektors,

    Abschaffung der Interventionsmaßnahmen als künstliche Absatzmöglichkeiten für die Überschusserzeugung,

    Berücksichtigung der regionalen Unterschiede,

    Informationen über die Vorzüge eines moderaten Weinkonsums.

    3.1.2

    Der EWSA hält eine umfassende Prüfung für erforderlich, ob bei einem globalisierten Weinmarkt und nach dem Wegfall eines effektiven Außenschutzes das Ziel eines Marktgleichgewichts überhaupt noch erreichbar ist.

    3.1.3

    Daher ist der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weinerzeuger besonderes Augenmerk zu schenken. Es gilt, den europäischen Wirtschaftsstandort zu stärken, Qualitätsanstrengungen zu unterstützen und sich vermehrt an den Marktentwicklungen und Verbraucherwünschen auszurichten.

    3.1.4

    Der Ausschuss hält es für erforderlich, dass die ökonomischen Ziele konkretisiert und um soziale und beschäftigungspolitische Ziele ergänzt werden. Hierbei ist vor allem eine Verbesserung der Einkommenssituation für die Weinbaubetriebe anzustreben. Den Entwicklungsmöglichkeiten von Jungwinzern ist besonderes Augenmerk zu widmen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Vollarbeitskräfte und für saisonale Arbeitnehmer müssen berücksichtigt und die Voraussetzungen für eine angemessene Entlohnung verbessert werden.

    3.1.5

    Der Ausschuss steht einer Übertragung von Kompetenzen vom Ministerrat auf die Kommission, z.B. bei der Zulassung neuerer Weinbereitungsverfahren, kritisch gegenüber, da die Kommission bei der Verhandlung bilateraler Abkommen die Interessen der europäischen Weinerzeuger unzureichend vertreten hat.

    3.1.6

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die derzeitigen Finanzmittel aufgestockt werden müssen, um dem Beitritt von zwei neuen Erzeugerländern zur EU Rechnung zu tragen.

    Die derzeitige GMO für Wein — ex-post-Analyse

    3.2

    Der EWSA hält eine umfassende Überprüfung der Analyse der Kommission und der daraus abgeleiteten Maßnahmen für erforderlich, da die Analyse von Marktbeteiligten und unabhängigen Organisationen in Frage gestellt wird.

    3.2.1

    Der Ausschuss hält eine bessere und umfassendere Marktbeobachtung für erforderlich, um als Grundlage für die Organisation des Weinmarkts bessere Daten über die Erzeugung, den Handel und den Verbrauch zu erhalten. Die bisher verwendeten Gesamtdaten sind wichtig, aber unzureichend. Notwendig sind auch aktuelle Informationen über Veränderungen der Produktionsstrukturen, der Absatzwege und des Konsumentenverhaltens.

    3.2.2

    Die Aussage der Kommission, dass es ansteigende strukturelle Überschüsse gäbe, ist zu überprüfen. Der Ausschuss verweist darauf, dass der Anstieg von Lagerbeständen auch unter Berücksichtigung einer vermehrten Qualitätsweinproduktion zu würdigen ist.

    Vier Optionen

    3.3

    Der EWSA behält sich eine umfassende Prüfung dieser vier Optionen vor, stimmt jedoch nach vorläufiger Analyse dem Ergebnis der Auswahl zu. Allerdings ist die Ausgestaltung der Option „Grundlegende Reform“ zu ändern.

    3.3.1

    Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich, dass die Europäische Kommission die Beibehaltung einer weinspezifischen Marktorganisation vorschlägt. Alle Aspekte der Marktorganisation, von der Erzeugung bis zum Verbrauch, insbesondere auch die Maßnahmen zum Verbraucherschutz, der Gesundheitsfürsorge und der Verbraucherinformation, sind innerhalb der Marktorganisation für Wein zu berücksichtigen.

    Grundlegende Reform

    3.4

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die neue Weinmarktorganisation 2008 in Kraft treten soll. Er hält jedoch eine „phasing-out-Periode“ für erforderlich, um den Betrieben bei Bedarf eine schrittweise Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

    3.4.1

    Der EWSA spricht sich entschieden gegen den Vorschlag aus, mehr als ein Drittel des zur Verfügung stehenden Budgets für ein Rodungsprogramm auszugeben, so dass diese Mittel für Marktmaßnahmen bzw. Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nicht zur Verfügung stehen. Indessen wird die Bedeutung der Rodung als ein Instrument der Marktorganisation anerkannt (siehe unten), das den Weinbauregionen als eine freiwillige Maßnahme innerhalb des gemeinschaftlichen Gesamtrahmens angeboten werden soll.

    3.4.2

    Der Ausschuss widerspricht einer totalen Liberalisierung der Anpflanzungsregeln, da hierdurch die ökonomischen, sozialen, umweltpolitischen und landschaftserhaltenden Ziele der Weinmarktreform gefährdet werden. Eine Verlagerung des Weinanbaus aus den kulturellen Weinlandschaften in die billiger zu bewirtschaftenden Flächen kann nicht unterstützt werden. Wenn die europäische Anbauregelung verbunden mit einem Neuanpflanzungsverbot nicht fortgesetzt werden soll, dann ist ein Ermächtigungsrahmen zu schaffen, damit die Weinbauregionen ihre Anbauregelungen im Einklang mit den Zielen der Europäischen Weinmarktorganisation fortführen oder ausgestalten können.

    3.4.3

    Der Ausschuss bemängelt, dass die Kommission ihren Worten „Rückgewinnung von Marktanteilen“ keine Taten bei der Ausgestaltung der grundlegenden Reform folgen lässt. Es fehlt an Instrumenten und Maßnahmen, um diese unterstützenswerten Ziele verwirklichen zu können.

    Abschaffung der Marktinstrumente und Einführung zukunftsweisender Maßnahmen

    3.5

    Der EWSA erinnert an seine frühere Forderung, Interventionsmaßnahmen als künstliche Absatzmöglichkeiten abzuschaffen und würdigt die Vorschläge im Lichte dieser Zielsetzung.

    3.5.1

    Der Ausschuss empfiehlt, dass die Rodung als Bestandteil eines strukturellen Programms mit sozialen Komponenten von Weinbauregionen den Betrieben, die ganz oder teilweise aus der Produktion aussteigen wollen, als freiwillige Maßnahme angeboten werden kann.

    3.5.2

    Der Ausschuss hält einen sofortigen Ausstieg aus den Interventionsmaßnahmen für nicht vertretbar. Daher empfiehlt er, dass innerhalb des nationalen Finanzrahmens in der „phasing-out-Periode“ 2008-2010

    Destillationen zur Herstellung von Trinkbranntwein (derzeit Art. 29) und

    Beihilfen zur privaten Lagerhaltung (derzeit Art. 24 ff.)

    angeboten werden können.

    3.5.3

    Nach Auffassung des Ausschusses muss die Pflicht zur Beseitigung der Nebenprodukte beibehalten werden, um die Qualität der Weinerzeugnisse zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu vermeiden.

    3.5.4

    Der Ausschuss ist der Auffassung, dass innerhalb des nationalen Finanzrahmens Maßnahmen zur Krisenprävention vorgesehen werden müssen, die auf der Mitverantwortung der Erzeuger basieren.

    3.5.5

    Der Ausschuss hält die Einführung von neuen zukunftsweisenden Instrumenten für erforderlich, um die definierten Ziele zu erreichen. Hierzu zählen u.a.:

    Umfassende Marktbeobachtung,

    Informationsprogramme für den Binnenmarkt, um die Verbraucher über die Vorzüge eines moderaten Konsums zu informieren und vor dem Missbrauch zu warnen,

    Schaffung eines Exportförderungsprogramms,

    Informationsprogramme für die Verbraucher in Drittländern und

    Forschungsprogramme, auch in Zusammenarbeit mit Drittländern.

    3.5.6

    Der Ausschuss betont, dass die Instrumente der Marktorganisation in allererster Linie denjenigen zu Gute kommen müssen, die den Weinbau in Europa fortentwickeln wollen, und nicht denjenigen zugedacht werden, die aus welchen Gründen auch immer ausscheiden.

    Nationaler Finanzrahmen

    3.6

    Der EWSA begrüßt diesen Vorschlag, da er seinen Forderungen nach stärkerer Berücksichtigung der regionalen Unterschiede und einer konsequenteren Umsetzung der Subsidiarität im Weinsektor entspricht. Um die Renationalisierung zu verhindern und den europäischen Charakter des einheimischen Weinsektors zu wahren, muss jedoch ein konsequenter und angemessener Gemeinschaftsrahmen beibehalten werden.

    3.6.1

    Er hatte bereits in seiner Stellungnahme (CES 68/99) gefordert, dass es in den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten liegen soll, welche Maßnahmen für ihre Weinbaugebiete aus dem Umstellungsprogramm ausgewählt werden. Dabei kann den Erzeugerorganisationen, Branchenvereinigungen und Einrichtungen mit entsprechender Zielsetzung eine große Bedeutung zugemessen werden.

    3.6.2

    Der EWSA erinnert daran, dass er ein spezielles Programm zur Förderung der benachteiligten Weinbaugebiete, wie z.B. dem Anbau in Steil- und Hanglagen gefordert hatte. Diejenigen Gebiete, die extremen klimatischen Bedingungen unterworfen sind, sollten ebenfalls Nutznießer solcher Programme sein.

    3.6.3

    Der EWSA spricht sich für einen umfangreichen Maßnahmenkatalog aus, der nach seiner Umfassung über die Beispiele der Kommission hinausgehen sollte. Er verweist auf seine Stellungnahme (CES 68/99), in der er bereits eine erhebliche Erweiterung des Programms zur Förderung von Kellerwirtschaft und Vermarktung gefordert hat.

    3.6.4

    Ferner müssen nach Auffassung des Ausschusses innerhalb des nationalen Finanzrahmens kohärente und integrierte Maßnahmen finanziert werden, um die größtmögliche Wirksamkeit zu erzielen. Diese Maßnahmen müssen daher in umfassende Pläne für die gesamte Produktionskette integriert werden, die vom Weinanbau über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung des Produkts reichen. Darüber hinaus müssen auch Maßnahmen finanziert werden, die den Erzeugern eine mitverantwortliche Bewirtschaftung des Potenzials und Erschließung alternativer Absatzmärkte ermöglichen. Nach Auffassung des Ausschusses muss die zentrale Verantwortung für die Verwaltung dieser Pläne bei den Erzeugerorganisationen liegen.

    3.6.5

    Die Verteilung des Budgets für den nationalen Finanzrahmen sollte — wie bereits im Falle der Umstrukturierung praktiziert — entsprechend dem Rebflächenschlüssel erfolgen. In der phasing-out-Periode sind ausreichende finanzielle Mittel für die auslaufenden Marktmechanismen vorzusehen, damit die Betriebe, die bisher die Maßnahmen in Anspruch genommen haben, sich schrittweise an die neuen Rahmenbedingungen anpassen können.

    3.6.6

    Die Instrumente des nationalen Finanzrahmens sollen in der EU-Weinmarktorganisation definiert werden. Den Mitgliedstaaten obliegt es, im Rahmen ihres anteiligen finanziellen Budgets (Rebflächenschlüssel) eine Auswahl zu treffen, um ihren Weinbau wettbewerbsfähiger zu machen. Die Programme müssen in Brüssel angezeigt werden. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung obliegt den Mitgliedstaaten.

    3.6.7

    Der Ausschuss schlägt folgende Aufteilung von Förderungsinstrumenten zwischen dem EU-Gemeinschaftsmaßnahmen und Maßnahmen im Rahmen des nationalen Finanzrahmens vor:

    3.6.7.1

    Gemeinschaftsmaßnahmen:

    Europäische Marktbeobachtung,

    Informationsprogramme für die Verbraucher auf europäischer Ebene und auf Exportmärkten,

    Exportprogramme für Drittländer,

    Forschungsprogramme.

    3.6.7.2

    Nationaler Finanzrahmen:

    Beihilfen für die Verwendung von Most für die Anreicherung,

    Art. 29 Destillation (2008-2010),

    Beihilfen für die Destillation der Nebenprodukte (2008-2010),

    endgültige und temporäre Rodungsmaßnahmen,

    flächenbezogene Direktbeihilfen,

    Grünernte,

    Beihilfen für die Traubensaftherstellung,

    Restrukturierung, Umstellung und Umlegung von Rebflächen,

    Maßnahmen zur Verbesserung der Erfassungs- und Vermarktungsstrukturen (z.B. integriertes Netzwerk von Unternehmen und Unternehmenszusammenschlüsse),

    Informationsprogramme für die Verbraucher,

    Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung,

    Programm für benachteiligte Gebiete, wie z.B. Hang- und Steillagen, und Gebiete mit extremen klimatischen Bedingungen,

    Krisenmanagement (Prävention und Bewältigung von Krisen, Versicherungsfonds).

    Entwicklung des ländlichen Raums

    3.7

    Der Ausschuss hat in vielen Stellungnahmen die Bedeutung der 2. Säule für die zukünftige Entwicklung des ländlichen Raums, zu dem auch die europäischen Weinbaugebiete zählen, betont.

    3.7.1

    Unter Berücksichtigung dieser grundsätzlichen Zielrichtung spricht er sich zur Lösung der speziellen Probleme des Weinsektors dafür aus, dass die im Rahmen der Weinmarktreform diskutierten Maßnahmen insgesamt aus dem Weinbudget finanziert werden. Daher darf das Budget weder durch Kürzungen noch durch Mitteltransfers geschmälert werden.

    Qualitätspolitik und geografische Angaben

    3.8

    Da diese Vorschläge der Kommission von sehr weitgehender Bedeutung sind und letztlich die heutige Qualitätssystematik abschaffen sollen, erwartet der EWSA von der Europäischen Kommission Simulationsmodelle, wie sich diese Vorschläge auf die Ziele der Weinmarktreform sowohl hinsichtlich verbesserter Wettbewerbsfähigkeit und Qualitätsförderung als auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten auswirken werden.

    3.8.1

    Der EWSA fordert, dass zuerst die geltenden Regelungen des TRIPs-Abkommens, insbesondere die Einführung eines Registers zum Schutz von Herkunftsangaben realisiert werden, bevor über eine Änderung des geltenden europäischen Qualitätssystems diskutiert wird.

    Weinbereitungsverfahren

    3.9

    Der EWSA sieht in den Vorschlägen Widersprüche, die aufgelöst werden müssen.

    3.9.1

    Der Ausschuss hält eine international akzeptierte Definition des Produktes Wein für unbedingt erforderlich. Dies verlangt auch die Festlegung von anerkannten Produktionsmethoden.

    3.9.2

    Die Zulassung jeglicher Verfahren, die irgendwo auf der Welt akzeptiert werden, widerspricht der stärkeren Orientierung an den OIV-Normen.

    3.9.3

    Der Ausschuss spricht sich dafür aus, die Orientierung der Weinbereitungsverfahren an die OIV-Normen konsequenter in die strategische Ausrichtung von bilateralen oder internationalen Handelsverträgen einzubeziehen.

    3.9.4

    Der Ausschuss widerspricht der vorgesehenen Zulassung, aus importierten Traubenmosten oder Mostkonzentraten in Europa Wein herzustellen oder Drittlandsprodukte mit europäischen Erzeugnissen zu verschneiden.

    Anreicherung

    3.10

    Der EWSA hat in seiner Stellungnahme aus dem Jahre 1999 gefordert, den unterschiedlichen Standort-, Klima- und Witterungsbedingungen innerhalb der Europäischen Union Rechnung zu tragen. Er weist darauf hin, dass diese Thematik sehr sensibel ist und nicht zu einer Entzweiung der europäischen Weinwirtschaft oder gar zu einer Blockade der Reformvorschläge führen darf.

    3.10.1

    Der EWSA bewertet daher die Vorschläge der Kommission unter Berücksichtigung seiner bisherigen Stellungnahme, der vorgetragenen Analysen der Kommission, der vorgeschlagenen Liberalisierung der Weinbereitungsmethoden, der Anerkennung von Weinbereitungsverfahren in bilateralen Verträgen sowie im Lichte der Reformziele, insbesondere der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Senkung der Produktionskosten. Bei Abwägung des Für und Wider des Kommissionsvorschlags spricht er sich für eine grundsätzliche Fortführung der geltenden Regelungen für die Verwendung von Saccharose und für die Beihilfe für Mostkonzentrate aus.

    Etikettierung

    3.11

    Der EWSA bewertet die Vorschläge als sehr komplex und erwartet von der Europäischen Kommission eine genaue Simulation der Folgen der vorgeschlagenen Änderungen.

    3.11.1

    Der EWSA verweist darauf, dass das Bezeichnungsrecht erst vor kurzem nach jahrelanger Diskussion geändert wurde. Er fordert die Europäische Kommission auf darzulegen, welche neuen Gesichtspunkte vorliegen, die bei der gerade zu Ende gegangenen Diskussion nicht gewürdigt worden sind.

    3.11.2

    Der Ausschuss begrüßt Vereinfachungen der Etikettierungsregeln, wenn sie der besseren Verbraucherinformation dienen. Derartige Änderungen dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen oder Irreführung der Verbraucher wächst und zu einer Flut von gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Unter diesen Gesichtspunkten ist auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine fakultative Angabe von Rebsorte und Jahrgang für einfache Tafelweine zu prüfen, die geringere Anforderungen als Land- und Qualitätsweine b.A. erfüllen müssen.

    3.11.3

    Der Ausschuss weist darauf hin, dass bei einer immer größer werdenden Europäischen Union die Sprachenvielfalt wächst und daraus Handelsbehinderungen entstehen können, wie dies zur Zeit bei der Angabe der Sulfite der Fall ist. Daher ist bei der Etikettierung von obligatorischen Angaben, z.B. Zutaten, die Möglichkeit zu schaffen, sie durch allgemein verständliche Symbole anzugeben.

    Absatzförderung und Information

    3.12

    Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme CES 68/99 gefordert, die Informationen über die gesundheitlichen Vorzüge eines moderaten Weinkonsums und über die Gefahren des Missbrauchs zu einer wichtigen Säule der Weinmarktorganisation zu machen.

    3.12.1

    Da die Vorschläge der Kommission sehr vage sind, fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, konkrete Maßnahmen für die Verbraucherinformation und die Absatzförderung im Binnenmarkt und auf Exportmärkten vorzuschlagen, die über den unzureichenden geltenden Rahmen hinausgehen und geeignet sind, Marktanteile zurückzugewinnen oder auszubauen.

    3.12.2

    Dabei muss einer umfassenden Information über die Vorzüge eines moderaten Weinkonsums als Bestandteil einer gesundheitsbewussten Ernährung und eines modernen Lebensstils besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

    3.12.3

    Die seit Jahren zu beobachtende Verschlechterung der Außenhandelsbilanz muss gestoppt und durch Exportförderungsprogramme wieder erheblich verbessert werden.

    Umweltschutz

    3.13

    Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme CES 68/99 eine umfassendere Betrachtung gefordert.

    3.13.1

    Die Weinbaugebiete sind in aller Regel einzigartige Kulturlandschaften, die von Winzern durch umweltschonende Bewirtschaftungsweisen gepflegt werden müssen. Der Weinbau ist Bestandteil der Lebenskultur ganzer Regionen, deren wirtschaftliche, soziale und kulturelle Existenz vom Weinbau abhängt.

    3.13.2

    Eine Reform muss daher Umwelt, Sozialgefüge, Infrastruktur, Wirtschaft und Lebenswert umfassend berücksichtigen.

    WTO

    3.14

    Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme CES 68/99 eine Zulassung von Verschnitten zwischen Drittlandsimporten mit EU-Erzeugnissen oder die Herstellung von Weinen in der EU aus Drittlandserzeugnissen wegen der daraus entstehenden Nachteile für die europäischen Erzeuger und Missbrauchsgefahren für Konsumenten abgelehnt. Er hatte bedauert, dass es an Vorschlägen der Kommission fehlt, die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handelsverkehr, insbesondere auf den Exportmärkten, zu stärken. Der Ausschuss bekräftigt diese Kritik erneut im Hinblick auf die anstehende Weinmarktreform.

    3.14.1

    Im Lichte seiner früheren Analysen fordert der EWSA, dass die Kommission bei der Reform der Weinmarktorganisation und insbesondere der Außenhandelsregelungen die Position des europäischen Weinsektors als Weltmarktführer stärker berücksichtigt.

    Brüssel, den 14. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  ABl. C 101 vom 12.4.1999, S. 60-64.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/35


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)“

    KOM(2006) 237 endg. — 2006/0082 (CNS)

    (2006/C 325/08)

    Der Rat beschloss am 13. Juli 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 und 299, Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 8. November 2006 an. Berichterstatter war Herr KIENLE.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) mit 127 gegen 3 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Vorschlag der Änderungen von zwei Artikeln der ELER-Verordnung ist nach Meinung des EWSA die logische Folge des Beschlusses des Europäischen Rates zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013. Eine differenzierte Berücksichtigung der Wirtschaftskraft eines Mitgliedstaates ist bei Zuweisungen aus Kohäsions-Fonds sinnvoll. Eine Ausnahmeregelung von der Kofinanzierungsverpflichtung für Portugal ist unter der dargestellten Lage akzeptabel.

    1.2

    Der EWSA nutzt das Vorliegen des Kommissionsvorschlages ebenfalls dazu, die beim Europäischen Rat beschlossene Kürzung der ELER-Mittel sowie die für einige Mitgliedstaaten beschlossenen Sonderregelungen in Höhe und Ausgestaltung der Mittel für die ländliche Entwicklung aufmerksam zu reflektieren.

    2.   Vorbemerkungen

    2.1   Finanzrahmen der EU 2007-2013

    2.1.1

    Am 19. Dezember 2005 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU nach monatelangen Verhandlungen auf einen Finanzrahmen für die EU für die Jahre 2007-2013. Der Kompromiss, der in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 14. Juni 2006 zwischen Europäischem Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission umgesetzt wurde, enthielt neben der finanziellen Ausstattung der einzelnen Rubriken eine Reihe weiterer Regelungen.

    2.2   Existierende Rechtsgrundlage ELER-Verordnung

    2.2.1

    Einige dieser Vereinbarungen betreffen die Förderung des ländlichen Raums, die in der am 20. September 2005 verabschiedeten Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) dargelegt ist.

    2.2.2

    Die im Dezember 2005 getroffenen Vereinbarungen sollen nun nach dem Vorschlag der Kommission in die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ELER-Verordnung) eingebracht werden. Gegenstand des vorliegenden Kommissionsentwurfs ist daher die Änderung der ELER-Verordnung, damit bislang im Widerspruch zur Finanziellen Vereinbarung vom Dezember 2005 stehende Textpassagen der ELER-Verordnung an die Formulierungen der Finanziellen Vereinbarung angepasst werden.

    3.   Inhalt des Kommissionsvorschlags

    3.1   Ziel des Kommissionsvorschlags

    3.1.1

    Die Europäische Kommission will mit dem vorliegenden Entwurf eine Konformität zwischen dem Beschluss des Rates zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013 vom 19. Dezember 2005 und der ELER-Verordnung herstellen. Dazu sollen zwei Artikel der ELER-Verordnung geändert werden. Die vorgesehenen Änderungen betreffen die Artikel 69 (Absatz 6) und 70.

    3.2   Begrenzung der Mittel aus Fonds zur Förderung der Kohäsion

    3.2.1

    Die derzeitige ELER-Verordnung begrenzt die gesamten jährlichen Zuwendungen an einen Mitgliedstaat aus Fonds zur Förderung der Kohäsion (einschließlich ELER-Mittel) auf maximal 4 % des BIP des jeweiligen Mitgliedstaats (ELER-Verordnung Artikel 69, Absatz 6). Im Beschluss des Rates zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013 (Punkt 40) werden die gesamten jährlichen Zuweisungen aus Fonds, die die Kohäsion fördern, je nach durchschnittlichem Pro-Kopf-BNE (Brutto-Nationaleinkommen) auf Werte zwischen 3,2398 % und 3,7893 % des BIP begrenzt.

    3.3   Regelungen zur Berechnung der Begrenzung der Mittel aus Fonds zur Förderung der Kohäsion

    3.3.1

    Im Beschluss des Rates zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013 werden weitere technische Regelungen dazu aufgeführt. So soll die Transfer-Obergrenze für jede Steigerung des durchschnittlichen Pro-Kopf-BNE um 5 Prozentpunkte gegenüber dem EU-Durchschnitt im Zeitraum 2001-2003 um 0,09 Prozentpunkte des BIP verringert werden.

    3.3.2

    Geregelt wird zudem, dass im Jahr 2010 eine Überprüfung erfolgt. Wird dabei festgestellt, dass das kumulierte BIP eines Mitgliedstaats für die Jahre 2007-2009 (auch infolge von Wechselkursänderungen) um mehr als 5 % von dem veranschlagten kumulierten BIP abgewichen ist, werden die diesem Mitgliedstaat für diesen Zeitraum zugewiesenen Beträge entsprechend angeglichen. Dies geschieht allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag — ob positiv oder negativ — von insgesamt 3 Mrd. EUR.

    3.3.3

    Weiterhin werden Regelungen für die korrekte Einbeziehung des Wertes des polnischen Zloty ausgeführt.

    3.4   Teilweise Ausnahme der Kofinanzierungsverpflichtung für Portugal

    3.4.1

    Die ELER-Verordnung legt in Artikel 70 fest, dass Mittel des ELER nur als Zuschuss gewährt werden und eine nationale Kofinanzierung (in unterschiedlicher Höhe) verpflichtend ist. Die Finanzielle Vereinbarung vom Dezember 2005 weist allerdings Portugal im Rahmen der ländlichen Entwicklung einen Betrag von 320 Mio. EUR zu, der nicht national kofinanziert werden muss (Punkt 63). Diese Vereinbarung soll nach dem Vorschlag der Kommission in den derzeitigen Artikel 70 der ELER-Verordnung eingefügt werden. Dort ist in Absatz 4 eine Ausnahmeregelung für die Regionen in äußerster Randlage und in den kleineren Inseln im Ägäischen Meer formuliert, nach der der Beteiligungssatz des ELER auf 85 % heraufgesetzt werden kann. Im selben Absatz soll nun die Ausnahmeregelung verankert werden, dass Portugal für einen Betrag von 320 Mio. EUR keine Kofinanzierung der ELER-Mittel erbringen muss.

    4.   Allgemeine Bemerkungen

    4.1   Konformität der rechtlichen Grundlagen ist notwendig

    4.1.1

    Der EWSA unterstreicht, dass eine Kohärenz der rechtlichen Grundlagen unbestritten notwendig ist. Der Vorschlag der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) ist die logische Folge des Beschlusses des Rates zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013. Die Formulierungen des Kommissionsvorschlags entsprechen den gefassten Beschlüssen des Rates vom Dezember 2005 und sind schlüssig in die Struktur der ELER-Verordnung eingebunden.

    4.2   Inhaltliche Bewertung des Beschlusses des Rates zur Finanziellen Vorausschau möglich

    4.2.1

    Über den Verordnungsvorschlag erhalten nun das Europäische Parlament, die Europäische Kommission sowie der Ausschuss der Regionen und der EWSA die Gelegenheit, sich zu den Beschlüssen des Rates zur Finanziellen Vorausschau auch inhaltlich zu äußern, sofern diese nicht bereits in der Interinstitutionellen Vereinbarung enthalten sind.

    4.3   Kohäsionspolitik der EU stärken

    4.3.1

    Der EWSA hat sich stets zu den Zielen der Kohäsion bekannt, die den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der EU stärken und Entwicklungsunterschiede zwischen den Regionen verringern soll. Das Konvergenzziel als wichtiger Teil der Kohäsionspolitik besagt, dass durch eine Förderung der wachstumssteigernden Bedingungen und Faktoren für die am wenigsten entwickelten Mitgliedstaaten und Regionen eine Annäherung an den EU-Durchschnitt erzielt wird.

    4.3.2

    Der EWSA verweist darauf, dass die Kohäsionspolitik über Fonds (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Europäischer Sozialfonds (ESF), Kohäsionsfonds) erfolgt und deren Zugang je nach Wirtschaftskraft und Lage der Region geregelt ist. Regionen, die ein regionales BIP von unter 75 % des EU-Durchschnitts aufweisen, sind im Rahmen des Konvergenzziels förderwürdig, während alle anderen Regionen Zugang zur Förderung im Rahmen der Ziele „Regionale Wettbewerbsfähigkeit“ und „Beschäftigung“ haben. Von den 25 EU-Ländern sind 86 Regionen in 18 Mitgliedstaaten Konvergenzregionen. Neben 9 der 10 neuen EU-Staaten (außer Zypern) gibt es auch in Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Portugal, Belgien, Österreich, Griechenland und Italien Konvergenz-Regionen.

    4.3.3

    Der EWSA begrüßt die Regelungen zur differenzierten Berücksichtigung der Wirtschaftskraft eines Mitgliedstaates bei der Berechnung der Obergrenze für Zuweisung von Kohäsionsmitteln. Eine Differenzierung anstatt der pauschalen Begrenzung auf 4 % trägt dem Gedanken der Konvergenz Rechnung sowie der Ausgestaltung der Förderung, die den am wenigsten entwickelten Mitgliedstaaten relativ mehr Mittel zugute kommen lässt. Damit ist auch eine Obergrenze in Abhängigkeit von der Wirtschaftskraft eines Landes sinnvoll.

    4.4   Förderung der ländlichen Entwicklung muss in Höhe und Ausgestaltung angemessen sein

    4.4.1

    Die „zweite Säule“ der Gemeinsamen Agrarpolitik, die Förderung der ländlichen Entwicklung ist nach Ansicht des EWSA eine äußerst wichtige Politik, deren Bedeutung zu Recht in den letzten Jahren zugenommen hat und weiter zunehmen muss. Dies findet sich auch in den Aussagen von Kommission und Mitgliedstaaten wieder, allerdings finden sich diese politischen Absichtserklärungen keineswegs in einer entsprechenden finanziellen Ausstattung der „zweiten Säule“ in der Finanzierungsperiode 2007-2013 wieder. Der EWSA sieht dies äußerst kritisch und wird sich an geeigneter Stelle mit dieser Problematik auseinandersetzen.

    4.4.2

    In den Verhandlungen um die Finanzielle Vorausschau 2007-2013 konnten mehrere Staaten Sonderregelungen in Höhe und Ausgestaltung der Mittel für die ländliche Entwicklung für sich erzielen. Von den insgesamt 69,75 Mrd. EUR für die Entwicklung des ländlichen Raums wurden 4,07 Mrd. EUR gesondert acht Ländern zugewiesen. Österreich erhielt 1,35 Mrd. EUR, Schweden 820 Mio. EUR, Irland und Italien jeweils 500 Mio. EUR, Finnland 460 Mio. EUR, Portugal 320 Mio. EUR, Frankreich 100 Mio. EUR und Luxemburg 20 Mio. EUR. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass diese nicht vorgesehene Zuteilung von Mitteln ein politisches Zugeständnis ist, das aber auch das Engagement und die Bedeutung der ländlichen Entwicklung in diesen Staaten zum Ausdruck bringt. Neben der grundsätzlichen Problematik einer außergewöhnlichen Mittelzuteilung im Rahmen von Verhandlungen in diesem Ausmaß sieht der EWSA auch die Gefahr des Auseinanderdriftens der Politik der ländlichen Entwicklung aufgrund unterschiedlicher Mittelausstattungen und unterschiedlichen Engagements der einzelnen Mitgliedstaaten.

    4.4.3

    In Kenntnis der schon im Bericht der EU-Kommission über die Lage der portugiesischen Landwirtschaft (KOM(2003) 359 endg. vom 19. Juni2003) dargestellten schwierigen Lage Portugals akzeptiert der EWSA die Vereinbarung des Rates, Portugal für einen Betrag von 320 Mio. EUR von der Kofinanzierungsverpflichtung auszunehmen. Das Prinzip der Kofinanzierung von Mitteln zur Förderung der ländlichen Entwicklung ist richtig, aber kein Dogma. Der EWSA wird sich auch in Zukunft im Einzelfall kritisch mit Höhe und Ausgestaltung der Kofinanzierung und deren Ausnahmen auseinandersetzen.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    Des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/37


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. …/… über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel“

    KOM(2006) 607 endg. — 2002/0195 (COD)

    (2006/C 325/09)

    Der Rat beschloss am 10. November 2006 gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz am 25. Oktober 2006 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) Herrn GKOFAS zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 110 gegen 3 Stimmen bei 16 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Änderung von Artikel 25 der Verordnung über Lebensmittelangaben, in dem dargelegt wird, welches Ausschussverfahren zu befolgen ist, um Maßnahmen zu verabschieden, die für die Umsetzung der Verordnung erforderlich sind.

    1.2

    Der EWSA befürwortet die Aufnahme der Absätze 3 und 4 in Artikel 25, da diese gewährleisten, dass bei der Verabschiedung von Maßnahmen allgemeiner Tragweite, mit denen die nicht wesentlichen Bestimmungen der Verordnung über Lebensmittelangaben geändert werden sollen, ein neues Regelungsverfahren mit Kontrolle zur Anwendung kommt. Diese Änderung ist erforderlich, um das Verfahren zu vervollständigen.

    1.3

    Der EWSA unterstützt die Anwendung des neuen Regelungsverfahrens mit Kontrolle auf relevante Artikel der Verordnung über Lebensmittelangaben, da das neue Verfahren klarer und wirksamer ist als das bisherige.

    1.4

    Der EWSA hält es für erforderlich, dass die Verordnung über Lebensmittelangaben, die sich auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie der Werbung hierfür erstreckt, unverzüglich angewandt wird. In diesem Zusammenhang unterstreicht der EWSA, dass sichergestellt werden muss, dass die Anwendung des neuen Regelungsverfahrens auf bestimmte Artikel der Verordnung über Lebensmittelangaben keine zu langwierigen Verfahren nach sich zieht, die die wirksame und rechtzeitige Umsetzung der Verordnung behindern würden.

    1.5

    Nach Auffassung des EWSA sollte sich die Kommission künftig mit der Frage der Vereinfachung des Rechtsrahmens in Bezug auf Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz befassen. Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, die bestehenden EU-Rechtsvorschriften über Lebensmittelkennzeichnung (1) zu überarbeiten und zu aktualisieren, und hebt hervor, dass die bestehenden Kennzeichnungsbestimmungen im Sinne der besseren Rechtsetzung vereinfacht und klarer gestaltet werden müssen.

    1.6

    Der EWSA befürwortet die Einführung eines europäischen Rechtsrahmens, der nicht nur dem Verbraucherschutz dient, sondern auch der Harmonisierung und wirksamen Funktionsweise des Binnenmarktes förderlich ist.

    2.   Einleitung

    2.1

    Der Rat hat den EWSA beauftragt, eine Stellungnahme zu einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Verordnung über Lebensmittelangaben (2)) zu erarbeiten, die auf diese Weise mit dem neuen Beschluss 2006/512/EG zur Änderung des Beschlusses 1999/468/EG (Komitologiebeschluss) zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse in Einklang gebracht werden soll. Mit dem Beschluss 2006/512/EG des Rates wurde ein neues Ausschussverfahren, das Regelungsverfahren mit Kontrolle, in den Beschluss 1999/468/EG des Rates aufgenommen, da darin nur eine begrenzte Zahl von Verfahren für die Ausübung dieser Befugnisse vorgesehen war.

    2.2

    Die Verordnung über Lebensmittelangaben, die sich auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie der Werbung hierfür erstreckt, bezieht sich auf das Regelungsverfahren, in dessen Rahmen Durchführungsbefugnisse auf die Kommission übertragen werden, und muss daher erforderlichenfalls an das neue Ausschussregelungsverfahren mit Kontrolle nach Maßgabe des Beschlusses 1999/468/EG des Rates angepasst werden.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der EWSA begrüßt grundsätzlich den Vorschlag der Kommission, das Regelungsverfahren mit Kontrolle anzuwenden, wenn Maßnahmen von allgemeiner Tragweite zur Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen der Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel verabschiedet werden sollen.

    3.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Verordnung zu einem Zeitpunkt verabschiedet wird, da aufgrund des öffentlichen Bewusstseins für nährwert- und gesundheitsbezogene Fragen präzise und fundierte Informationen für die Verbraucher erforderlich sind. Der Erfolg dieser Verordnung beruht darauf, dass ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet und gleichzeitig die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher verbessert wird, so dass heimische und importierte Produkte unbedenklich sind und eine präzise und klare Kennzeichnung tragen.

    3.3

    Die Verordnung über Lebensmittelangaben ergänzt die allgemeinen Bestimmungen von Richtlinie 2000/13/EG, in der Informationen, die die Verbraucher irreführen oder den Lebensmitteln heilende Eigenschaften zuschreiben könnten, verboten und spezielle Bestimmungen zur Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben festgelegt werden. Nach Ansicht des EWSA ist diese Verordnung heute besonders relevant und sollte unverzüglich umgesetzt werden, da dem Zusammenhang zwischen einer gesunden Lebensweise und gesunder Ernährung immer mehr Bedeutung beigemessen wird und Bedarf an Informationen besteht, die den Verbrauchern dabei helfen, eine „gesunde Wahl“ zu treffen.

    3.4

    Der EWSA ist der Meinung, dass die Kommission — zusätzlich zu den rechtlichen Bestimmungen — im Rahmen ihres Programms im Bereich der öffentlichen Gesundheit auch Informationskampagnen zum Thema Gesundheit und Ernährung durchführen sollte.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Nach Auffassung des EWSA sind die Änderungen von Artikel 25 der Verordnung über Lebensmittelangaben, in dem das Ausschussverfahren zur Verabschiedung von Maßnahmen von allgemeiner Trageweite beschrieben wird, mit denen die nicht wesentlichen Bestimmungen eines grundlegenden Instruments nach Maßgabe des Mitbestimmungsverfahrens geändert werden sollen, von wesentlicher Bedeutung.

    4.2

    Der EWSA ist der Meinung, dass die neuen Absätze in Artikel 25 einen umfassenderen und eingehenderen Bezug zu den einschlägigen Artikeln des Beschlusses 1999/486/EG des Rates herstellen und das Verfahren mittels einer Stärkung der Durchführungsbefugnisse des Regelungsausschusses wirksamer machen. So werden in den neuen Absätzen vor allem die der Kommission übertragenen Befugnisse eindeutiger definiert und die Rolle des Europäischen Parlaments und des Rates im Rahmen von Kontrollmaßnahmen vor deren Verabschiedung unterstrichen.

    4.3

    Der EWSA befürwortet die Ergänzung von Artikel 25 um die Absätze 3 und 4, mit denen eine neue Kategorie von Verfahren für die Ausübung von Durchführungsbefugnissen durch die Kommission eingeführt wird. Dies ermöglicht es dem Parlament oder dem Rat, sich gegen die Verabschiedung von geplanten Maßnahmen auszusprechen, wenn diese über die Durchführungsbefugnisse der Kommission hinausgehen oder den Grundsätzen der Subsidiarität oder Verhältnismäßigkeit zuwiderlaufen.

    4.4

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Möglichkeit gegeben sein sollte, die Fristen für das Verfahren in wohlbegründeten Ausnahmefällen zu verkürzen bzw. zu verlängern (wie dies in Artikel 5a des Beschlusses 1999/468/EG, geändert durch den Beschluss 2006/512/EG, festgelegt ist).

    4.5

    Der EWSA befürwortet die Änderung der Verordnung über Lebensmittelangaben, um das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle auf diejenigen Artikel dieser Verordnung anzuwenden, die Maßnahmen erforderlich machen, die unter den Anwendungsbereich von Artikel 5 (Regelungsverfahren) des Komitologiebeschlusses (Beschluss 1999/468/EG des Rates) fallen.

    4.5.1

    Der EWSA erachtet diese Änderung als positiv und wirksam, da sie gewährleistet, dass bei der Festlegung der allgemeinen Bedingungen für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle Anwendung findet.

    4.5.2

    Nach Auffassung des EWSA trägt diese Änderung dazu bei, dass bei der Umsetzung der Verordnung über Lebensmittelangaben ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet wird, insbesondere bei der Festlegung spezifischer Nährwertprofile, die Lebensmittel oder bestimmte Lebensmittelgruppen aufweisen müssen, um nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben tragen zu dürfen.

    4.5.3

    Der EWSA betont, dass bei der Festlegung oder Aktualisierung der Bedingungen für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben und der Änderung des Anhangs, in dem die erlaubten Angaben aufgeführt werden, unbedingt Verbrauchergruppen sowie Angehörige der Lebensmittelbranche und ihre Vertreter konsultiert werden sollten.

    4.6

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, zu erwägen, ob das Verfahren zur Annahme und Genehmigung der wissenschaftlichen Grundlage einer nährwertbezogenen Angabe im Zusammenhang mit gesundheitlichen Fragen künftig vereinfacht werden sollte (3). Darüber hinaus ist der EWSA der Auffassung, dass es erforderlich ist, den Rechtsrahmen im Hinblick auf Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz zu vereinfachen.

    4.7

    Der EWSA betont, dass die Verordnung über Lebensmittelangaben pragmatisch sein muss, und befürchtet, dass einige Bestimmungen in Bezug auf die Dokumentation von Angaben unnötig kompliziert sein könnten. Der EWSA hält es für wichtig, dass zwischen dem Wunsch der Verbraucher nach mehr wissenschaftlich belegten und klaren Informationen einerseits und den Möglichkeiten der Lebensmittelindustrie zur Entwicklung und Vermarktung von Lebensmitteln, die für die Verbraucher nützliche und relevante Eigenschaften aufweisen, andererseits ein Gleichgewicht gefunden wird.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Allgemeine Anforderungen an die Lebensmitteletikettierung sind in horizontalen Rechtsvorschriften festgelegt (Richtlinie 2000/13/EG und damit zusammenhängende Texte), von denen die meisten bis in das Jahr 1978 zurückreichen. In vertikalen Rechtsvorschriften sind weitere spezifische Bestimmungen enthalten.

    (2)  Die endgültige Entscheidung des Rates über das ursprüngliche Rechtsdokument (KOM(2003) 424 endg.) steht noch aus.

    (3)  Vgl. Stellungnahme ABl. C 110 vom 30.4.2004, S. 18-21.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/40


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. …/… über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln“

    KOM(2006) 606 endg. — 2006/0193 (COD)

    (2006/C 325/10)

    Der Rat beschloss am 15. November 2006, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Am 25. Oktober 2006 beauftragte das Präsidium die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz mit den entsprechenden Vorarbeiten.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember), Herrn KAPUVARI zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 107 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen

    1.1

    Der EWSA hält es für sinnvoll, das Regelungsverfahren mit Kontrolle in die Verordnung aufzunehmen. Der EWSA hält es wie die Europäische Kommission für wichtig, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und transparenter zu gestalten.

    2.   Einleitung

    2.1

    Mit diesem Vorschlag soll in die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. …/… über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln ein Hinweis aufgenommen werden, wonach das Regelungsverfahren mit Kontrolle in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Kommission befugt ist, quasi-legislative Maßnahmen im Sinne von Artikel 2 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse in der durch den Beschluss 2006/512/EG des Rates geänderten Fassung zu verabschieden.

    2.2

    Die Änderung ist aufgrund der Einführung des neuen Komitologieverfahrens, des Regelungsverfahrens mit Kontrolle, erforderlich.

    2.3

    Der Vorschlag umfasst ausschließlich Änderungen, die zur Angleichung der Verordnung an den Komitologiebeschluss erforderlich sind.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der EWSA hält es für sinnvoll, das Regelungsverfahren mit Kontrolle in die Verordnung aufzunehmen. Der EWSA hält es wie die Europäische Kommission für wichtig, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und transparenter zu gestalten.

    3.2

    Das Regelungsverfahren mit Kontrolle ermöglicht eine wirksamere Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen der Verordnung, einschließlich durch Streichung einiger dieser Bestimmungen oder Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen.

    3.3

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat im März 2004 eine Stellungnahme zum Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln verabschiedet; der vorliegende Änderungsvorschlag erfordert angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Konsolidierung handelt, keine neue Stellungnahme zu dem Thema.

    3.4

    Die im Rahmen des Regelungsverfahrens mit Kontrolle formulierten neuen Regeln sind ab dem 23. Juli 2006 anzuwenden.

    3.5

    Es ist gewährleistet, dass die neue Verordnung keine materiellrechtlichen Änderungen aufweist und lediglich dazu dienen soll, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und stimmt dem Vorschlag angesichts der genannten Gewährleistung zu.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/41


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 404/93, (EG) Nr. 1782/2003 und (EG) Nr. 247/2006 in Bezug auf den Bananensektor“

    KOM(2006) 489 endg. — 2006/0173 (CNS)

    (2006/C 325/11)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 26. Oktober 2006 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 8. November 2006 an. Berichterstatter war Herr ESPUNY MOYANO.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) mit 134 Ja-Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) erkennt die Notwendigkeit an, die derzeitige Stützungsregelung für die gemeinschaftlichen Erzeuger von Bananen zu überarbeiten, und begrüßt daher den Vorschlag der Kommission. Er vertritt jedoch die Auffassung, dass es noch zu früh ist, um die Auswirkungen der neuen, am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen und ausschließlich auf Zöllen beruhenden Einfuhrregelung auf die Einkommen der Erzeuger zu bewerten, und dass der Vorschlag der Kommission dies nicht gebührend berücksichtigt.

    1.2

    Der EWSA schlägt vor, in den fünften Erwägungsgrund des Vorschlags folgende Änderungen aufzunehmen.

    „Titel III der Verordnung (EG) Nr. 247/2006 des Rates vom 30. Januar 2006 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union sieht die Aufstellung von gemeinschaftlichen Förderprogrammen für die Regionen in äußerster Randlage vor, die besondere Maßnahmen zugunsten der örtlichen landwirtschaftlichen Erzeugungen umfassen. Gemäß der genannten Verordnung wird bis spätestens 31. Dezember 2009 eine Überprüfung vorgenommen. Bei erheblichen Änderungen der wirtschaftlichen Bedingungen, die sich auf die Lebensunterhaltsbedingungen in den Regionen in äußerster Randlage auswirken, wird die Kommission den Bericht bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorlegen. Um der besonderen Situation der Bananenerzeuger in der Gemeinschaft Rechnung zu tragen, legt die Kommission vor dem vorgesehenen Termin einen spezifischen Bericht vor, falls diese Änderungen der Einfuhrregelung zu einer Einkommensverschlechterung für diese Erzeuger führen. Dieses Instrument erscheint für die Förderung der Bananenerzeugung in jeder der betreffenden Regionen am besten geeignet, indem es eine flexible Handhabung und eine Dezentralisierung der Mechanismen zur Förderung der Bananenerzeugung vorsieht. Die Möglichkeit, die Förderung für Bananen in diese Förderprogramme einzubeziehen, dürfte die Kohärenz der Strategien zugunsten der landwirtschaftlichen Erzeugung in diesen Regionen verbessern.“

    1.3

    Der EWSA schlägt vor, in Artikel 3 Absatz 2 einen neuen Absatz 3 a zu Artikel 28 der Verordnung (EG) Nr. 247/2006 einzufügen:

    Im Falle einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen der Bananenerzeuger infolge einer Änderung der Einfuhrregelung legt die Kommission vor dem 31. Dezember 2009 einen spezifischen Bericht — gegebenenfalls mit den erforderlichen Vorschlägen — vor.

    1.4

    Der EWSA schlägt vor, Artikel 30 der Verordnung Nr. 247/2006 durch Einführung des folgenden Absatzes zu ändern:

    Die Europäische Kommission kann die Mitgliedstaaten ermächtigen, in ihre Förderprogramme ein spezifisches Vorauszahlungssystem für die Bananenerzeuger aufzunehmen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Bananensektor ist aufgrund seiner besonderen Wesenscharakteristik bislang Gegenstand einer spezifischen Gemeinsamen Marktordnung (GMO). Diese Besonderheit ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sich die meisten der Bananenanbaugebiete in der EU in Regionen in äußerster Randlage befinden, die — wie dies in Artikel 299 Absatz 2 EGV anerkannt wird — mit einigen besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, dass der Gemeinschaftsmarkt nur zu 16 % aus Gemeinschaftsbananen beliefert wird und dass der weltweite Markt für Bananen quasi ein Oligopol ist, da ihre Vermarktung von fünf großen Unternehmen kontrolliert wird.

    2.2

    Der Kommissionsvorschlag, der nach ausführlichen externen und internen Konsultationen verabschiedet wurde, stellt eine radikale Abkehr von der derzeitigen Stützungsreglung für Gemeinschaftsbananen dar. Das derzeitige auf dem Grundsatz der Ausgleichszahlungen basierende interne Stützungssystem mit einer variablen jährlichen Beihilfe, deren Höhe vom Preisniveau der Bananen abhängt, wird durch eine auf nationale Rahmenbeträge verteilte Beihilfe ersetzt, die für die Regionen in äußerster Randlage in die jeweiligen POSEI-Programme (Programme zur Lösung der spezifisch auf Abgelegenheit und Insellage zurückzuführenden Probleme) und für die übrigen Anbaugebiete der Gemeinschaft in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden.

    2.3

    Der Kommissionsvorschlag impliziert die Änderung dreier Gemeinschaftsverordnungen.

    2.3.1

    Verordnung (EWG) Nr. 404/93, GMO für Bananen: Titel II (Erzeugerorganisationen und Konzertierungsmechanismen), Titel III (Beihilferegelung, Operationsprogramme und Rodungsprämien) und verschiedene Artikel von Titel IV und V, die aufgrund der Ersetzung der Zollkontingentsregelung durch eine ausschließlich auf Zöllen beruhende Regelung hinfällig geworden sind, werden gestrichen, und einige Artikel von Titel V werden geändert: Der Verwaltungsausschuss für Bananen wird aufgelöst (sodass die betreffenden Textstellen so zu verstehen sind, dass sie sich auf den Verwaltungsausschuss für frisches Obst und Gemüse beziehen), und die Bestimmung, im Rahmen der Verordnung Nr. 404/1993 einen Jahresbericht vorzulegen, entfällt.

    2.3.2

    Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, GAP-Reform 2003: Es werden die einschlägigen Artikel dahingehend geändert, dass Bananen, die nicht in den Regionen in äußerster Randlage angebaut werden, in die Betriebsprämienregelung aufgenommen werden. Zu diesem Zweck werden die nationalen Obergrenzen für Griechenland (+ 1,1 Mio. EUR), Portugal (+ 0,1 Mio. EUR) und Zypern (+ 3,4 Mio. EUR) geändert. Diese Mitgliedstaaten bestimmen anhand eines repräsentativen Zeitraums zwischen 2000 und 2005 den Referenzbetrag und die anwendbare Hektarzahl, die erforderlich sind, um in den Genuss der Betriebsprämie zu kommen.

    2.3.3

    Verordnung (EG) Nr. 247/2006, POSEI-Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft: Die Haushaltsmittel für die Sondermaßnahmen werden auf 278,80 Mio. EUR aufgestockt: POSEICAN (zugunsten der Kanarischen Inseln) auf 141,1 Mio. EUR, POSEIDOM (zugunsten der französischen überseeischen Departements) auf 129,1 Mio. EUR und POSEIMA (zugunsten der Azoren und Madeiras) auf 8,6 Mio. EUR.

    2.4

    Der EWSA ist der Meinung, dass sich die Kommission mit ihrem Vorschlag gewissermaßen der Verantwortung in Bezug auf den Sektor der gemeinschaftlichen Bananenerzeugung entzieht, da er die GMO für Bananen praktisch aushöhlt und die finanzielle Unterstützung für dieses Erzeugnis auf den Gesamthaushalt der POSEI-Programme überträgt, ohne ein spezielles Kapitel für den Bananensektor auszuweisen.

    2.5

    Der EWSA wertet es als positiv, dass die Europäische Kommission ein System von festen nationalen Rahmenbeträgen vorschlägt. Er befürchtet jedoch, dass die daraus resultierende Gesamtmittelhöhe im Falle eines starken Verfalls der Gemeinschaftspreise infolge der mit der neuen Einfuhrregelung einhergehenden stärkeren Liberalisierung des Marktes und infolge der sich aus den laufenden internationalen Handelsverhandlungen ergebenden absehbaren Entwicklung des Marktes nicht ausreichen könnte.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1

    Die Kommission sollte eine Alternativlösung finden, um den Gemeinschaftsrahmen der Organisationen von Bananenerzeugern beizubehalten, da der europäische Anbau dieses Erzeugnisses aufgrund der Tatsache, dass es sich in der Mehrheit um Kleinerzeuger handelt, die ihr Erzeugnis auf einem stark umkämpften Markt absetzen müssen, sehr zersplittert ist und daher eine starke Angebotskonzentration erforderlich macht. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass dieser Gemeinschaftsrahmen der Erzeugerorganisationen durch die Beibehaltung einiger Bestimmungen des Titels II der Verordnung (EG) Nr. 404/1993, insbesondere Artikel 5, 8 und 9, aufrechterhalten werden könnte.

    3.2

    Der Bananenanbau ist sehr arbeitsintensiv und erfordert eine ganzjährige Bewirtschaftung der Plantagen. Dies ist mit ständigen Ausgaben verbunden, die hauptsächlich auf den großen Arbeitskräftebedarf und die künstliche Bewässerung zurückzuführen sind. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der derzeitigen Regelung ein Vorauszahlungssystem eingeführt, das beibehalten werden sollte.

    3.3

    Der Vorschlag der Kommission sollte genauere Angaben zum Inhalt des Berichts enthalten, der als Grundlage für entsprechende Maßnahmen im Falle von Einkommensverlusten der Landwirte infolge der Auswirkungen der neuen Einfuhrregelung dienen soll.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/43


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71“

    KOM(2005) 676 endg. — 2005/0258 (COD)

    (2006/C 325/12)

    Der Rat beschloss am 14. Februar 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2006 an. Berichterstatter war Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) mit 140 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen

    1.1

    Der Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag für eine Änderung der Verordnung Nr. 1408/71 und hofft, dass dies eine der letzten bzw. die letzte Änderung ist, zu der er Stellung nehmen muss. Dies würde bedeuten, dass die Verordnung Nr. 883/2004 uneingeschränkt in Kraft tritt, sobald das Europäische Parlament und der Rat die neue Durchführungsverordnung verabschiedet haben, welche die Verordnung Nr. 574/72 ersetzen soll.

    1.2

    Daher fordert der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss die Mitgliedstaaten und das Parlament auf, das Legislativverfahren zu der neuen Verordnung effizienter zu gestalten, als dies beim Verabschiedungsprozess für die Verordnung Nr. 883/2004 der Fall war. Im Europäischen Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer wäre dies der beste Beitrag, den die Europäischen Institutionen leisten könnten.

    2.   Einleitung

    2.1

    Die Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sind seit ihrem Inkrafttreten mehrfach geändert worden, um den Änderungen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und verschiedenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zum Thema soziale Sicherheit gerecht zu werden.

    2.2

    Durch diese Änderungen wird gewährleitstet, dass die Systeme zur Koordination der sozialen Sicherheit auf EU-Ebene auf dem neuesten Stand sind, und die Bürgerinnen und Bürger Europas, die innerhalb der Grenzen zu- und abwandern, im Bereich soziale Sicherheit keine Rechtsnachteile erfahren, wenn sie eines der Grundrechte der Europäischen Union, nämlich das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl des Wohnortes, wahrnehmen.

    2.3

    Die wichtigste Änderung bei der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurde durch die Verordnung Nr. 883/2004 (1) des Europäischen Parlaments und des Rats eingeführt. Diese Verordnung ersetzt die Verordnung Nr. 1408/71, wird aber noch nicht angewendet, da die Vorschrift, die die Verordnung Nr. 574/72 ersetzen soll, noch verabschiedet werden muss. Das Legislativverfahren für den Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (2) wurde bereits eingeleitet, und der Ausschuss hat kürzlich eine Stellungnahme (3) zu diesem Vorschlag verabschiedet.

    2.4

    Der EWSA hat auch eine Stellungnahme zur Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (4) verabschiedet.

    3.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

    3.1

    In dem Vorschlag, der dem Ausschuss zur Stellungnahme vorliegt, wird vorgesehen, die Anhänge der Verordnung Nr. 1408/71 zu aktualisieren, um den verschiedenen Änderungen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Bereich soziale Sicherheit Rechnung zu tragen und die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu vereinfachen.

    3.2

    In diesem Zusammenhang wird in dem von der Kommission vorgelegten Dokument nicht vorgeschlagen, die Verordnung Nr. 574/72 zu ändern.

    3.3

    Da die Änderungsvorschläge sehr unterschiedlicher Art sind, werden Sie im Abschnitt „Besondere Bemerkungen“ aufgeführt, um die Stellungnahme zu vereinfachen.

    4.   Allgemeine Bemerkungen

    4.1

    Insgesamt begrüßt der Wirtschafts- und Sozialausschuss diesen Vorschlag, da die Änderungen den gesetzgeberischen Absichten der verschiedenen Mitgliedstaaten entsprechen. Jede Änderung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Europäischen Union ist willkommen, solange sie den Bürgerinnen und Bürgern der Union zugute kommt und deren Beziehungen zu den verschiedenen öffentlichen Verwaltungen, an die sie sich zur Wahrung ihrer Rechte wenden müssen, vereinfacht und verbessert werden.

    4.2

    Auch wenn der Verabschiedungsprozess für die Modalitäten zur Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 bereits begonnen hat, ist der Ausschuss der Auffassung, dass die allgemeinen Bemerkungen, die er in seiner Stellungnahme zu anderen Teilbereichen der Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 gemacht hat und die auf der Plenartagung des EWSA am 28./29. September 2005 (5) verabschiedet wurden, auch weiterhin gültig sind und daher berücksichtigt werden sollten.

    4.3

    Der vorliegende Änderungsvorschlag trägt den Titel „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71“.

    4.4

    In Artikel 1 des Vorschlags wird darauf hingewiesen, dass bestimmte Anhänge der Verordnung Nr. 1408/71 geändert werden. Die Verordnung Nr. 574/72 wird dabei nicht erwähnt. Daher schlägt der Ausschuss vor, den Titel des Vorschlags an dessen Inhalt anzupassen und den Hinweis auf die Verordnung Nr. 574/72 daraus zu streichen.

    5.   Besondere Bemerkungen

    5.1

    Durch Artikel 1 des Vorschlags werden die Anhänge I, II a, III, IV und VI der Verordnung Nr. 1408/71 geändert.

    5.2

    Um den Änderungen des schwedischen Sozialversicherungsgesetzes und dem Gesetz über die entsprechenden Beitragszahlungen zu entsprechen, wird Anhang I Teil I geändert, wo die Begriffe „Erwerbstätige“ und „Selbstständige“ definiert werden.

    5.3

    Aufgrund der verschiedenen Änderungen der neuen Rechtvorschriften für Krankenversicherungen in den Niederlanden wird Teil II im Anhang I geändert. Der Abschnitt bezieht sich auf den personenbezogenen Geltungsbereich der Verordnung hinsichtlich der Berücksichtigung von „Familienangehörigen“. In diesem Fall gehören dazu der Ehegatte, der eingetragene Partner oder ein Kind unter 18 Jahren.

    5.4

    Aufgrund verschiedener Änderungen der Rechtsvorschriften über Sozialrenten in Litauen und der Slowakei wird der Anhang II a über beitragsfreie Sonderausgleichszahlungen geändert. Der Anhang wird für Litauen geändert, um Änderungen der nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. In der Slowakei wurden die Vorschriften geändert und nur bei erworbenen Rechten wird Sozialrente weiterhin ausgezahlt.

    5.5

    Anhang III Teil A, der sich auf die nach wie vor gültigen Sozialversicherungsbestimmungen bezieht, wird geändert, indem Nummer 187 über das allgemeine Abkommen zwischen Italien und den Niederlanden gestrichen wird.

    5.6

    Die Höhe der Leistungen bei Invalidität hängt in der Slowakei nunmehr von der Dauer der Versicherungszeiten ab. Deshalb wird in Anhang IV Teil A geändert, der sich auf die in Artikel 37 Absatz 1 erwähnten Rechtsvorschriften bezieht, wonach die Höhe der Leistungen bei Invalidität nicht von der Dauer der Versicherungszeiten abhängt. Teil A wird im Abschnitt „Slowakei“ entsprechend den nationalen Bestimmungen geändert.

    5.7

    Aufgrund von Änderungen der spanischen Rechtsvorschriften wird Anhang IV Teil B geändert. Dieser Teil bezieht sich auf selbstständige Personen, für die Sondervorschriften für die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten gelten, die in einem anderen Mitgliedsland zurückgelegt wurden.

    5.8

    In Anhang IV wird Teil C in Bezug auf die Slowakei und Schweden geändert. In diesem Anhang werden die Fälle beschrieben, in denen auf eine doppelte Berechnung der Geldleistungen verzichtet werden kann, weil die Ergebnisse identisch wären. Bei der Slowakei bezieht sich die Änderung auf die Hinterbliebenenrente und bei Schweden auf die Berechnung der Mindestrente, die von der Dauer des Aufenthalts in diesem Land abhängt.

    5.9

    Wegen der Änderung der Gesetzeslage in Schweden wird Anhang IV Teil D aktualisiert, der sich auf Leistungen und Vereinbarungen für das Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art bezieht, die Personen nach den Rechtvorschriften in einem oder mehreren anderen Ländern zustehen. Zudem wird das bilaterale Abkommen zwischen Finnland und Luxemburg einbezogen.

    5.10

    Des Weiteren wird Anhang VI in Bezug auf die Verfahren für die Anwendung der Rechtsvorschriften in bestimmten Mitgliedstaaten geändert. Die Abschnitte für folgende Mitgliedstaaten werden geändert:

    Estland: Einfügung der Regeln zur Berechnung des Erziehungsgeldes;

    Niederlande: Berücksichtigung der in diesem Jahr durchgeführten Reform der Krankenversicherung;

    Finnland: Berücksichtigung der Änderungen der finnischen Rechtsvorschriften über Berufsrenten;

    Schweden: Berücksichtigung der Änderungen durch das neue schwedische Sozialversicherungsgesetz und die Rentenreform.

    5.11

    Die Änderungen der verschiedenen Anhänge der Verordnung Nr. 1408/71 beruhen vor allem auf den Änderungen der Rechtsvorschriften in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt alle Änderungen, die den Bürgerinnen und Bürgern der Union Verbesserungen der Sozialleistungen verschaffen.

    5.12

    Der EWSA betont jedoch, dass durch die Vielzahl von Anhängen und Sonderfällen in den Verordnungen Nr. 1408/71 und 883/2004 die Verfahrensweisen für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit nicht unbedingt vereinfacht werden. Aber die Verordnung Nr. 883/2004 sollte zu einer Verbesserung und Vereinfachung führen und der Ausschuss plädiert dafür, dass dieses Konzept weiter verfolgt wird.

    5.13

    Die Kommission hat einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 883/2004 unterbreitet, um deren Anhang XI (6) inhaltlich zu bestimmen. Dieser Anhang entspricht dem Anhang VI der Verordnung Nr. 1408/71. Der Ausschuss weist darauf hin, dass sich die beiden Anhänge in Bezug auf den Abschnitt „W. FINNLAND“ unterscheiden, der in dieser Stellungnahme unter Ziffer 5.10 erwähnt wird.

    5.14

    In Ziffer 6 Buchstabe c) des Anhangs des Verordnungsvorschlags, zu dem diese Stellungnahme vorgelegt wird, heißt es: „1. hat die betreffende Person während eines Teils des Bezugszeitraums (...) auf Grundlage einer Beschäftigung Versicherungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt …“. Hingegen heißt es in Anhang XI der Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 883/2004 im Abschnitt „W. FINNLAND“: „… hat die betreffende Person während eines Teils des Bezugszeitraums (...) in einem anderen Mitgliedstaat Versicherungszeiten aufgrund einer Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit zurückgelegt …“.

    5.15

    Da hier jeweils die gleiche Situation beschrieben wird, ist der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Auffassung, dass die Formulierung angepasst werden sollte, damit die Texte übereinstimmen.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  ABl. L 166 vom 30.4.2004.

    (2)  KOM(2006) 16 endg.

    (3)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ (Berichterstatter: Herr GREIF), CESE 1371/2006.

    (4)  ABl. C 75 vom 15.2.2000, Berichterstatter : Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO.

    (5)  ABl. C 24 de 31.1.2006. Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO.

    (6)  KOM(2006) 7 endg., SOC/238. Stellungnahme des EWSA in Arbeit, Berichterstatter: Herr GREIF.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/46


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“

    (2006/C 325/13)

    Die Kommission beschloss am 6. April 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.„Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2006 an. Berichterstatterin war Frau KOLLER, Mitberichterstatterin war Gräfin zu EULENBURG.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) mit 127 gegen 9 Stimmen bei 17 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Empfehlungen und Schlussfolgerungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert die Kommission auf, ein Jahr der Freiwilligen auszurufen und so schnell wie möglich ein Weißbuch über freiwillige Aktivitäten und aktive Bürgerschaft in Europa zu veröffentlichen. Auf diese Weise könnten die Wechselwirkungen dieser beiden Phänomene unterstrichen und ihr Umfang und ihre Bedeutung hervorgehoben werden. Da freiwillige Tätigkeiten größtenteils auf lokaler Ebene stattfinden, soll dieses Weißbuch zu einer Strategie beitragen, mit der die europäische Dimension dieser Aktivitäten gestärkt und eine aktive europäische Bürgerschaft sowie eine europäische Identifikation gefördert werden können.

    1.2

    Die Regierungen der Mitgliedstaaten sollten dazu angeregt werden, eine eigene Freiwilligenpolitik und eine Strategie zu entwerfen, wie freiwillige Tätigkeiten direkt gefördert und anerkannt werden können. Im Rahmen dieser nationalen Freiwilligenpolitik sollte auch die Rolle einer Infrastruktur für freiwillige Aktivitäten beleuchtet werden. Die EU kann hier einen Rahmen vorgeben und auf einen verstärkten Austausch vorbildhafter Praxis zwischen den Mitgliedstaaten hinwirken.

    1.3

    Sämtliche Mitgliedstaaten sollten rechtliche Rahmenbedingungen ausarbeiten, die ein Recht auf freiwillige Tätigkeiten unabhängig vom jeweiligen rechtlichen oder sozialen Status vorsehen. Chancengleichheit ist — einschließlich Menschen mit Behinderungen — all denen zu gewährleisten, die sich freiwillig engagieren. In einigen Mitgliedstaaten stehen die rechtlichen Rahmenbedingungen der Entwicklung freiwilliger Aktivitäten immer noch im Wege und ermöglichen daher keine stärkere gesellschaftliche Unterstützung. Mitunter wird die Entwicklung gar durch rechtliche Vorschriften wie Verbote oder Einschränkungen einer Tätigkeit gehemmt. Diese Einschränkungen sind zu prüfen und freiwillige Aktivitäten durch einen Rechtsrahmen zu fördern, der beispielsweise Regelungen im Versicherungsbereich und die Erstattung von Auslagen vorsieht.

    1.4

    Nach Ansicht des Ausschusses sollten nicht nur die Regierungen, sondern auch andere beteiligte Akteure — Parlamente, regionale und lokale Gremien und die Organisationen der Zivilgesellschaft — die Bedeutung der freiwilligen Tätigkeiten anerkennen und aktiv an ihrer Förderung mitwirken, denn so betonen sie die Rolle freiwilliger Aktivitäten und verbessern damit ihr gesellschaftliches Ansehen.

    Darüber hinaus möchte der EWSA die Kommission nachdrücklich darauf hinweisen, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft für freiwillige Tätigkeiten eine entscheidende Rolle spielen.

    1.5

    Zugleich hält der Ausschuss es für wünschenswert, dass die Beziehung zwischen Schule und Zivilgesellschaft hervorgehoben wird, um die Vorbereitung auf freiwillige Aktivitäten zu fördern. In der Primärbildung muss daher der pädagogischen Tätigkeit, die auf die Entwicklung des sozialen Bewusstseins und die Teilhabe an der Lösung sozialer Fragen von allgemeinem Interesse abzielt, breiterer Raum gegeben werden. So könnten im Rahmen eines „sozialen und ökologischen Jahres“ praktische Tätigkeiten als Option für Jugendliche ab 15 Jahren angeboten werden, um sie zu einer wichtigen, sinnvollen Beschäftigung zu ermuntern. Besondere Aufmerksamkeit sollte jenen nichtstaatlichen Organisationen geschenkt werden, in denen Kinder ihrer allerersten freiwilligen Tätigkeit nachgehen.

    1.6

    Bei ihren Bestrebungen zur Anerkennung des informellen und nicht-formalen Lernens, zum Beispiel über den Europass und die Empfehlung zu Schlüsselkompetenzen, sollte die EU der Anerkennung der im Rahmen freiwilliger Aktivitäten erworbenen Kompetenzen besondere Bedeutung beimessen. Die Einführung eines Jugend-Europasses würde die Anerkennung der freiwilligen Tätigkeiten junger Menschen verbessern.

    1.7

    Der EWSA empfiehlt, dass sämtliche Mitgliedstaaten, aber auch die EU selbst eine Politik für freiwillige Aktivitäten konzipieren, die eine Strategie und konkrete Programme für die Förderung dieser Tätigkeiten umfasst, Vorschläge für eine gezielte Hilfe enthält und die Öffentlichkeit sensibilisieren, Partnerschaften zwischen der Zivilgesellschaft und den Unternehmen anregen und die generelle Anerkennung der Leistungen der Freiwilligen fördern soll. Hierzu gehört auch ein entsprechender Rechtsrahmen, der freiwillige Aktivitäten fördert. Die EU kann zu diesem Zweck einen Rahmen festlegen, Denkanstöße geben und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten anregen.

    1.8

    Auf europäischer Ebene bedarf es verlässlicher und vergleichbarer Zahlen über den Umfang, die Bedeutung und den sozioökonomischen Wert freiwilliger Aktivitäten. Den diesbezüglichen Untersuchungen sollte eine einheitliche Definition dieser Tätigkeiten zugrunde liegen. Sie sollten Bedürfnisse und Beweggründe von Freiwilligen — und vor allem auch Beweggründe von Menschen, die sich nicht engagieren wollen, — analysieren. Es gilt auf europäischer Ebene Möglichkeiten zu finden, wie der Beitrag freiwilliger Aktivitäten zum Volkseinkommen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft sichtbar gemacht werden können. Hier könnte Eurostat eine koordinierende und initiierende Rolle übernehmen: Alle statistischen Ämter der Mitgliedstaaten der EU sollten über solche Zahlen verfügen.

    1.9

    Der EWSA empfiehlt, dass das Finanzierungssystem sowie die einzelnen Politikbereiche und Programme der Europäischen Union freiwillige Tätigkeiten stärker als bisher fördern. Hierfür bedarf es insbesondere einer europaweiten Infrastruktur zur Unterstützung dieser Aktivitäten. Gegenwärtig ist der 1996 gegründete Europäische Freiwilligendienst (EFD) eine Förderquelle freiwilliger Tätigkeiten in der Europäischen Union, im Rahmen dessen sich bislang ca. 40.000 junge Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren zwischen sechs Monaten und einem Jahr in 31 europäischen und Partnerländern aufgehalten haben. Der von anderen Freiwilligen in Entwicklungsländern geleistete Dienst wird allerdings aus Entwicklungshilfemitteln finanziert. Der EWSA hält diese Förderquellen für unzureichend und wünscht, dass die Europäische Union einen aktiveren, konsequenteren und kohärenteren Ansatz für diese freiwilligen Aktivitäten verfolgt und insbesondere beginnt dafür Sorge zu tragen, dass die europaweiten Freiwilligenprogramme für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich werden und sich nicht allein auf langfristige Freiwilligendienste Jugendlicher beschränken.

    1.10

    Der EWSA würde ferner die Vorlage einer besonderen Empfehlung zur Förderung freiwilliger Tätigkeiten älterer Menschen begrüßen, etwa mit Pilotaktionen für Partnerschaften und einem Erfahrungsaustausch; diese könnte zu den ersten Initiativen zählen.

    1.11

    Darüber hinaus sollten freiwillige Aktivitäten im Rahmen europäischer Projekte grundsätzlich mit einer finanziellen Kofinanzierung gleichgesetzt werden. Im Übrigen müssen die Antragsformulare für europäische Projekte generell einfacher und unbürokratischer gestaltet werden, so dass Freiwilligenorganisationen überhaupt erst in die Lage versetzt werden, an europäischen Projektausschreibungen teilnehmen zu können.

    1.12

    Die Informationsverbreitung muss verstärkt und erweitert werden: Allzu oft kommen die Informationen leider nicht in den interessierten Kreisen an. In diesem Zusammenhang müssen alle möglichen Informationskanäle genutzt werden; beispielsweise könnte eine Website mit einschlägigen Informationen eingerichtet werden, die von jeder bestehenden Website über freiwillige Tätigkeiten mit einem Klick zugänglich wäre. Europäischen Netzwerken von Freiwilligenorganisationen kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Sie stellen sicher, dass Organisationen sich untereinander austauschen, vorbildhafte Praxis weitergeben und die Anliegen und Forderungen der Freiwilligen an der Basis an die Institutionen der EU weitergeben. Als Teil der Infrastruktur zur Förderung freiwilliger Aktivitäten müssen diese Netzwerke gezielt gefördert werden.

    1.13

    Die Europäische Union kann einen wichtigen Beitrag zur Förderung und öffentlichen Anerkennung der freiwilligen Tätigkeiten leisten, indem sie den 5. Dezember, den die Vereinten Nationen zum internationalen Tag der Freiwilligen ausgerufen haben, unterstützt und freiwillige Aktivitäten an diesem Tag würdigt und feiert. Das Internationale Jahr der Freiwilligen 2001 hat gezeigt, wie wichtig öffentlichkeitswirksame und staatlich unterstützte Programme sind. Würde — wie vom EWSA vorgeschlagen — auf europäischer Ebene ein Jahr der Freiwilligen ausgerufen, würde dies dazu beitragen, das Engagement unzähliger Freiwilliger vor Ort auf europäischer Ebene zu würdigen und zu fördern; außerdem würde dadurch bei den Freiwilligen ein europäisches Zugehörigkeitsgefühl hervorgerufen.

    1.14

    Damit die Bedeutung des freiwilligen Engagements für die Entwicklung der Mitgliedstaaten stärker gewürdigt wird, empfiehlt der EWSA, auf europäischer Ebene eine Charta zu verabschieden, in der die Rolle der Freiwilligenorganisationen mitsamt ihren Rechten und Pflichten festgelegt wird. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Freiwilligenorganisationen in den Mitgliedstaaten empfiehlt der EWSA, im Gemeinschaftsrecht eine Rechtsgrundlage für die Mehrwertsteuerbefreiung dieser Organisationen zu schaffen. Ziel der vorgeschlagenen Festlegung der Rolle, Rechte und Pflichten der Freiwilligenorganisationen in einer europäischen Charta ist vornehmlich die Schaffung einheitlicher Leitlinien für diejenigen Organisationen, denen eine besondere rechtliche Stellung in Verbindung mit wirtschaftlichen und anderen Sonderrechten verliehen werden kann.

    2.   Einleitung

    2.1

    Freiwillige Tätigkeiten sind von unschätzbarem Wert für die Gesellschaft. Mehr als 100 Millionen ehrenamtlich Tätige in Europa widmen sich in ihrer Freizeit einer Vielzahl von Aktivitäten, die Dritten nutzen und dem allgemeinen Interesse dienen. Die Leistungen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die ausschließlich oder zum großen Teil dem Engagement Ehrenamtlicher zu verdanken sind, finden immer größere Anerkennung — bei Unternehmen, bei staatlichen Akteuren und vor allem bei den Bürgern und Bürgerinnen selbst (1).

    2.2

    Der ureigene Wert freiwilliger Aktivitäten geht allerdings weit über die Bereitstellung von Diensten und die Befriedigung sozialer Bedürfnisse hinaus. Die ihnen zugrunde liegende Motivation, nämlich aus eigenem Antrieb einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten und dieses mitzugestalten, fördert Werte wie Gemeinwohlorientierung und Solidarität und bildet somit ein Gegengewicht zu Isolierung und Egoismus — immer typischere Erscheinungen moderner Gesellschaften.

    2.3

    Freiwillige Tätigkeiten sind untrennbar mit aktiver Bürgerschaft verbunden, die — sowohl auf lokaler als auch auf europäischer Ebene — das Herzstück der Demokratie bildet. Die Bürger und Bürgerinnen beteiligen sich am gesellschaftlichen Leben nicht allein durch politische Partizipation, sondern auch durch gezielte Lösung gesellschaftlicher Probleme. Indem sie sich gesellschaftlich engagieren, können sie einen konkreten Gestaltungswillen in die Tat umsetzen. Der Einzelne arbeitet für die anderen, entweder in seiner Freizeit oder im Rahmen eines Freiwilligendienstes, und stellt sich — oft unter erheblichem finanziellem oder auch gesundheitlichem Risiko — so in den Dienst des Gemeinwesens. Es ist gerade diese Form der aktiven europäischen Bürgerschaft, die in unseren Gesellschaften ein starkes Zugehörigkeitsgefühl der Bürger zum Gemeinwesen erzeugt. Freiwillige Aktivitäten können daher als eines der besten Beispiele für Mitwirkung und somit als ein essentieller Bestandteil, ja als Voraussetzung einer aktiven Bürgerschaft angesehen werden.

    2.4

    Darüber hinaus fördern freiwillige Tätigkeiten die persönliche Entwicklung: die Schaffung eines sozialen Bewusstseins auf der einen und die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen und Fähigkeiten auf der anderen Seite, wodurch die Beschäftigungsfähigkeit der Freiwilligen sowie ihre aktive Teilhabe an der Gesellschaft verbessert werden. Freiwillige Aktivitäten bieten in ihren verschiedenen Ausprägungen die Gelegenheit informellen Lernens (2) und nicht-formalen Lernens (3), die so — neben dem formalen Lernen (4) — eine wesentliche Rolle bei der Verwirklichung des lebenslangen Lernens spielen.

    2.5

    Freiwillige Tätigkeiten leisten einen wesentlichen Beitrag zum Nationalprodukt unserer Volkswirtschaften. Sehr oft bleibt dieser Beitrag in nationalen Statistiken unbeachtet, da ihm nicht immer der Austausch geldwerter Güter zugrunde liegt und es keine einheitliche Methodik gibt, seinen wirtschaftlichen Wert zu messen. Dort wo er jedoch gemessen wird, hat sich gezeigt, dass der wirtschaftliche Wert freiwilliger Aktivitäten und ihr Beitrag zur Volkswirtschaft beträchtlich ist (5). Im Vereinigten Königreich wird beispielsweise der wirtschaftliche Wert freiwilliger Tätigkeiten auf 7,9 % des BIP geschätzt, und 38 % der Gesamtbevölkerung nehmen an einschlägigen Tätigkeiten teil. In Irland und in Deutschland sind über 33 % der Bürger und in Polen 18 % der Bevölkerung in irgendeiner Form freiwilliger Aktivität engagiert.

    2.6

    Darüber hinaus kann ein grenzüberschreitender Freiwilligendienst auf europäischer und internationaler Ebene die Solidarität und das gegenseitige Verständnis der Menschen erheblich steigern und den Dialog zwischen den Kulturen fördern. In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA die Absicht der Kommission, den Europäischen Freiwilligendienst auszubauen, sein Profil zu schärfen und seine Effektivität zu steigern.

    2.7

    Solidarität und Verantwortungsgefühl für die anderen sowie das Bedürfnis, sich nützlich zu fühlen, sind wesentliche Motivationen für freiwillige Aktivitäten. Es schafft soziale Bindungen, trägt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei und fördert die Lebensqualität und den sozialen Fortschritt in Europa. Es verkörpert somit die Werte der europäischen Integration, wie sie in Artikel 2 des EG-Vertrages und Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union festgelegt sind. Zudem sind freiwillige Tätigkeiten eine wesentliche Ausdrucksform partizipativer Demokratie, die im europäischen Verfassungsvertrag als Bestandteil des demokratischen Lebens der EU anerkannt wird. Freiwillige Aktivitäten dienen dem Gemeinwohl, ganz so wie die Freiwilligen selbst. Freiwillige Tätigkeiten sollten in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechend ihrer Bedeutung anerkannt werden.

    2.8

    Der EWSA hat sich bereits in seinem 2002 verabschiedeten Informationsbericht „Hospizarbeit als Beispiel für freiwillige Tätigkeit in Europa“ (Berichterstatterin: Gräfin zu EULENBURG) mit dem Thema freiwillige Tätigkeiten beschäftigt.

    Ferner wurden freiwillige Aktivitäten unter anderen Aspekten in Arbeiten des EWSA beleuchtet, bislang jedoch noch keine Stellungnahme speziell zu diesem Thema erarbeitet (6).

    2.9

    Auch innerhalb der EU wird der Beitrag freiwilliger Tätigkeiten im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich mehr und mehr anerkannt, und Freiwilligenorganisationen werden besser in die politischen und sonstigen Entscheidungsprozesse, etwa in den Bereichen lebenslanges Lernen, Gesundheitswesen und Verbraucherschutz, Entwicklung, Handel usw., einbezogen. Der EWSA begrüßt diese Initiativen, ist jedoch der Ansicht, dass die bisherigen Fortschritte bei weitem nicht ausreichen.

    2.10

    Der EWSA begrüßt, dass freiwillige Aktivitäten junger Menschen als eine Priorität des von der Kommission im Jahr 2001 eingeleiteten politischen Prozesses und als Teil der Methode der offenen Koordinierung angesehen werden. Er fordert die Kommission auf, auf der Grundlage der bereits im Jugendsektor erzielten Fortschritte die Weiterentwicklung freiwilliger Tätigkeiten durch einen ganzheitlichen Ansatz für Querschnittsaspekte voranzutreiben.

    2.11

    Auf internationaler Ebene wurde 2001 ein Zeichen gesetzt, als die VN das Internationale Jahr der Freiwilligen ausriefen. Dieses Jahr hat freiwilligen Aktivitäten Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit beschert, es hat die Menschen erneut ermuntert, sich freiwillig zu engagieren, und Wege aufgezeigt, wie freiwillige Tätigkeiten von politischer Seite her anerkannt, unterstützt und gefördert werden können. Auf Initiative der VN wird jedes Jahr am 5. Dezember der Internationale Tag der Freiwilligen gefeiert. Auch die Europäische Union sollte die europäischen Bürger auf diese wichtige Veranstaltung aufmerksam machen.

    2.12

    Insgesamt ist der Ausschuss jedoch der Ansicht, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sich stärker freiwilligen Tätigkeiten widmen sollten. Auch deshalb begrüßt der EWSA das Ersuchen von Frau WALLSTRÖM an den Ausschuss, eine Stellungnahme zu diesem wichtigen Thema zu erarbeiten.

    3.   Das Konzept der ehrenamtlichen Tätigkeiten und seine Merkmale

    3.1

    In der Praxis und Forschung werden freiwillige Aktivitäten oftmals unterschiedlich definiert und es ist schwierig, die verschiedenen Facetten dieses Konzepts in einer Definition zu fassen. Typisch für die verschiedenen Definitionen in den Ländern der Europäischen Union sind drei gemeinsame, unerlässliche Kriterien:

    Freiwillige Tätigkeiten erfolgen aus freiem Willen und eigenem Antrieb heraus, sie können in keiner Form obligatorisch sein. Dies sichert die Verbindlichkeit und die Identifikation der Freiwilligen mit ihrer Tätigkeit.

    Freiwillige Aktivitäten sind unentgeltlich und erfolgen nicht aus finanziellen Beweggründen; es können aber entstandene Auslagen der Freiwilligen erstattet werden.

    Freiwillige Tätigkeiten erfolgen mit dem Ziel, sich für andere Menschen außerhalb der eigenen Familie bzw. für andere gesellschaftliche Gruppen einzusetzen und damit der Gesellschaft als solcher nützlich zu sein (wenngleich unbestritten ist, dass freiwillige Tätigkeiten für die Persönlichkeitsbildung der Freiwilligen von erheblichem persönlichen Nutzen sind).

    Es ist umstritten, ob nur regelmäßige Tätigkeiten unter diese Definition fallen sollen, ob auch Nachbarschaftshilfe und die in letzter Zeit entstehenden Zeitbanken dazu gehören oder ob nur freiwillige Aktivitäten in formeller und strukturierter Form zählen sollen. Die drei genannten Grundbedingungen sind jedoch eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass eine Tätigkeit — sei es eine freiwillige Tätigkeit zugunsten der örtlichen Gemeinschaft oder ein strukturierter Freiwilligendienst — als freiwillige Aktivität eingestuft wird. Generell lässt sich sagen, dass man den unterschiedlichen Ausprägungen der freiwilligen Tätigkeiten durch eine nicht zu enge Definition am besten gerecht wird.

    3.2

    Es ist nicht das Ziel, durch freiwillige Aktivitäten bezahlte Arbeit zu ersetzen; es ist sogar ausdrücklich zu wünschen, dass vergütete Tätigkeiten nicht durch freiwillige Aktivitäten ersetzt werden können. Freiwillige Tätigkeiten beziehen ihren besonderen Wert durch ihren Beitrag zur Gestaltung des Gemeinwesens. Freiwillige Aktivitäten sind auch nicht bloße soziale Dienstleistungen oder dazu angetan, staatliche Grundaufgaben zu übernehmen. Der ureigene Mehrwert freiwilliger Tätigkeiten besteht

    in der Schaffung sozialer und gesellschaftlicher Bindungen; jeder, der sich freiwillig engagiert, identifiziert sich stärker mit der Gesellschaft und entwickelt mehr Solidargefühl;

    in der Teilhabe der Bürger an der aktiven Gestaltung des Gemeinwesens.

    3.3

    Freiwillige Aktivitäten treten in vielen verschiedenen Formen auf, was ihre Kategorisierung so schwierig macht. Die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen engagieren sich freiwillig, wenn auch je nach Mitgliedstaat in unterschiedlichem Ausmaß: Der Anteil der pro Bereich tätigen Ehrenamtlichen, ihr Profil (Alter, Herkunft, Bildungsstand usw.) variiert von Land zu Land zum Teil stark.

    3.4

    Neben der formellen, in einer bestimmten Einrichtung ausgeübten Tätigkeit gibt es auch informelles Engagement und solches, das im Verborgenen bleibt (zum Beispiel oft freiwillige Aktivitäten von Migranten und Migrantinnen).

    3.4.1

    Zu den verschiedenen Formen freiwilliger Tätigkeiten gehören unter anderem:

    Teilnahme am öffentlichen Leben und Bürgerengagement;

    Einsatz für Angelegenheiten von öffentlichem Interesse, Veranstaltung von Sensibilisierungskampagnen, Rechtshilfe und Verbraucherschutz;

    Wohltätigkeit, Hilfe für andere in der näheren Umgebung, insbesondere für Ältere oder Menschen mit Behinderungen, oder ggf. auch im Entwicklungshilfebereich;

    Einsatz für das unmittelbare Gemeinwohl, unter anderem in besonderen Situationen wie nach Umweltkatastrophen usw.;

    gegenseitige Hilfe und Selbsthilfegruppen;

    Einsatz in religiösen Vereinigungen;

    Bürger, die diverse ehrenamtliche Positionen in der Gesellschaft bekleiden und sich im politischen und wissenschaftlichen Leben, in der Leitung oder dem Betrieb kleiner Verbände oder Sportvereine engagieren.

    3.4.2

    Ferner können freiwillige Aktivitäten in Betätigungsfelder eingeteilt werden (zum Beispiel Sport, Kultur, Soziales, Gesundheit, Bildung, Jugend, Umweltschutz, Katastrophenschutz, Politik, Verbraucherschutz, Entwicklungszusammenarbeit usw.).

    3.5

    Freiwilligendienste sind eine besondere Form freiwilliger Tätigkeiten: Sie sind von vornherein zeitlich begrenzt und werden von den Freiwilligen oft ausschließlich durchgeführt, d.h. im Gegensatz zum Großteil freiwilliger Aktivitäten nicht zusätzlich zu anderen Tätigkeiten wie Ausbildung oder Beschäftigung. Anders als stets in der Freizeit der Freiwilligen ausgeübte Tätigkeiten basiert der Freiwilligendienst im Allgemeinen auf einer Reihe gemeinsam vereinbarter Regeln und Aufgaben, oftmals in Form einer Vereinbarung zwischen den Projektpartnern, zu denen auch die Freiwilligen zählen. Es werden verschiedene Formen von Freiwilligendiensten unterschieden:

    Freiwillige Aktivitäten beinhalten alle Arten freiwilliger Aktivitäten und lassen sich wie folgt beschreiben: Sie stehen allen offen, sind unbezahlt, werden aus freien Stücken geleistet, haben einen Bildungsaspekt (nicht formale Lernerfahrung) und erbringen einen sozialen Mehrwert.

    Der Freiwilligendienst ist eine Form von freiwilligen Aktivitäten und weist folgende zusätzliche Merkmale auf: Er ist zeitlich befristet; Ziele, Inhalte, Aufgaben, Struktur und Rahmen sind klar festgelegt; entsprechende Unterstützung sowie rechtliche und soziale Absicherung werden geboten.

    Der staatlich organisierte Freiwilligendienst ist ein Freiwilligendienst, der vom Staat oder im Auftrag des Staates organisiert wird, zum Beispiel im sozialen oder im Zivilschutzbereich.

    Der Zivildienst ist eine in einigen Ländern angebotene nicht freiwillige Alternative zum Pflichtwehrdienst (7).

    3.6

    Freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeit unterscheidet sich in eindeutiger Weise dadurch, dass der in gemeinnützigen Einrichtungen im Sinne der Definitionen der Vereinten Nationen und der ILO geleistete Freiwilligendienst — wenn auch meistens unter Marktniveau — vergütet wird, während die ehrenamtliche Tätigkeit nicht vergütet wird und bestenfalls die im Rahmen der Tätigkeit entstehenden Unkosten erstattet werden. Die Klärung des rechtlichen Status dieser Tätigkeiten hat diesen Tatsachen und auch der Lage der „Praktikanten“, die im Rahmen der Anforderungen ihres Studiums für NGOs tätig sind, Rechnung zu tragen, um die Situation der Betroffenen zu erleichtern.

    Freiwillige Aktivitäten sind gemäß der Definition der ILO und der Agenturen der VN Tätigkeiten, die in Organisationen ohne Erwerbszweck, das heißt in humanitären oder gemeinnützigen Einrichtungen bzw. nichtstaatlichen Organisationen, von so genannten Freiwilligen geleistet werden, die zumeist — als abhängig Beschäftigte — entlohnt werden. Es handelt sich um Angestellte, deren Arbeit insofern gemeinnützig ist, als ihr Entgelt oftmals unter dem Marktwert liegt; dieser Aspekt macht den gemeinnützigen Anteil und den ehrenamtlichen Charakter aus. Ist ein Logistiker zum Beispiel bei einer Nothilfeorganisation oder ein Jurist bei einem Flüchtlingshilfeverband angestellt, bezieht er ein geringeres Gehalt, als er auf dem freien Markt bei einem Verkehrsunternehmen oder in einer Anwaltskanzlei erzielen könnte.

    Der Europäische Freiwilligendienst (EFD), dessen als auszubauend und aufzuwertend bezeichnetes Beispiel mehrfach genannt wird, ist in Wirklichkeit ein Dienst, der junge Menschen gegen Vergütung und Kostenübernahme (Kost und Logis) an Vereine oder NGOs vermittelt und einen Vergütungsteil umfasst, nämlich die Praktikumsvergütungen. Dies ist eine Möglichkeit, junge Menschen im Rahmen ihres Hochschulstudiums (vorgeschriebenes Auslandspraktikum in fast allen Studiengängen mit internationaler oder europäischer Dimension) an diese Vereine und NGOs zu vermitteln.

    Die Teilnahme junger Menschen an humanitären Vorhaben oder Projekten von allgemeinem Interesse gegen Pauschalvergütung stellt eine gegenseitige Bereicherung dar. Es ist zwar gut gemeint, den rechtlichen Status der gewährten Vergütung zu klären, doch dürfen „ehrenamtliches“ und „freiwilliges“ Engagement hierbei nicht durcheinander gebracht werden.

    3.7

    Die vergütete freiwillige Arbeit gemäß den Definitionen der ILO und der VN, wie etwa die Tätigkeit von „Ärzte ohne Grenzen“, wird in dieser Stellungnahme nicht behandelt.

    3.8

    In den letzten Jahren hat sich das Feld freiwilliger Aktivitäten hinsichtlich der Formen und Motivationen weiter diversifiziert, wofür neue gesellschaftliche Werte bzw. Entwicklungen entscheidend sind. Freiwillige Tätigkeiten stoßen auf immer größeres Interesse und breitere Nachfrage, während die Finanz- und Haushaltsmittel sowie die Infrastrukturentwicklung nicht damit Schritt halten, und auch die Anerkennung wächst nicht im notwendigen Maße.

    3.8.1

    Für ehrenamtlich Tätige sind eine sinnvolle Freizeitgestaltung, die Entwicklung sozialer Kompetenzen sowie der Erwerb und die Weitergabe von Erfahrungen attraktive Vorteile freiwilliger Aktivitäten. Wissenserwerb oder eine bessere Kenntnis der eigenen Person und Fähigkeiten sind immer häufiger Motivationen für freiwillige Tätigkeiten Jugendlicher, nicht zuletzt, um den Anforderungen der Wissensgesellschaft gerecht zu werden. Beim Freiwilligendienst im Ausland spielen interkulturelle Kontakte und das Erlernen einer Fremdsprache ebenfalls eine Rolle bei der Entscheidung zugunsten freiwilliger Aktivitäten. Vor allem im Rahmen der europäischen Einigung wird so das Verständnis zwischen den Kulturen gefördert. Grenzüberschreitende Freiwilligenprojekte wie beispielsweise Freiwilligenbörsen in Euroregios können für die Entwicklung einer europäischen Bürgerschaft von großer Bedeutung sein.

    3.8.2

    Zivilgesellschaftliche Organisationen und Freiwilligenzentren gewinnen leichter Freiwillige, wenn sie auf neue Wirklichkeiten in unserer Gesellschaft eingehen: auf Veränderungen in der Jugendkultur, die Verbreitung des Internets und die Möglichkeiten freiwilliger Tätigkeiten online; neue Formen, Jugendliche anzusprechen, wie beispielsweise über SMS; das Anbieten kurzfristiger Engagements als erster Einstieg für Jugendliche; die Berücksichtigung neuer Freizeitverhalten sowie vorhandener Zeitbudgets interessierter Bürger und Bürgerinnen; gezielte Berücksichtigung neuer Zielgruppen wie Migranten und Migrantinnen, Langzeitarbeitslose oder die steigende Anzahl von Rentnern und Renterinnen, die sich einbringen wollen, sind Beispiele hierfür.

    3.9

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass freiwillige Aktivitäten ein horizontales Phänomen sind, das viele verschiedene Bereiche der Gesellschaft betrifft, aber auch bei einem bedeutenden Teil der Bevölkerung eine Rolle spielt. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass benachteiligte oder aus der Gesellschaft ausgegrenzte Menschen sich weniger freiwillig engagieren.

    4.   Die allgemeine sozioökonomische Rolle freiwilliger Aktivitäten in der europäischen Gesellschaft

    4.1

    In der internationalen Fachliteratur wird die Rolle freiwilliger Tätigkeiten hauptsächlich auf der Grundlage ihrer gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Funktion analysiert. Wie bereits angemerkt, beziehen sie ihren ureigenen Wert durch ihren Beitrag zur aktiven Bürgerschaft, ihre Auswirkungen sind oft schwer quantifizierbar: gesellschaftliches Engagement, Zugehörigkeitsgefühl, Identifikation mit der Gesellschaft, Solidarität, Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft und Förderung des sozialen Zusammenhaltes sind nur schwer direkt messbar.

    4.2

    Eine geeignete Herangehensweise, die in Forschungsarbeiten zur Zivilgesellschaft (zum Beispiel Putnam, 2000 (8)) beschrieben wird, ist das so genannte Sozialkapital, zu dem freiwillige Aktivitäten einen wesentlichen Beitrag leisten. Soziale Netzwerke, Kontakte, Werte und Haltungen der Bürger sowie gegenseitiges Vertrauen sind für die soziale (und wirtschaftliche) Entwicklung von Regionen von wesentlicher Bedeutung. Gibt es in einem bestimmten Gebiet zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen oder Ehrenamtliche, dann fallen andere wirtschaftliche und soziale Indikatoren im Allgemeinen ebenfalls positiver aus. Freiwillige Tätigkeiten erhöhen wesentlich das Sozialkapital einer Gesellschaft, da sie soziale Netzwerke und Bindungen schaffen.

    4.3

    Zu den gemeinhin verwendeten quantitativen Indikatoren für die Entwicklung eines Landes (wesentliche Wirtschaftsindikatoren wie Wirtschaftswachstum und finanzielles Gleichgewicht) müssen daher neue und alternative Indikatoren treten, die das Sozialkapital und den sozialen Zusammenhalt messen sowie den Beitrag freiwilliger Aktivitäten herausstellen. Auch sollte der wirtschaftliche Wert dieser Tätigkeiten beziffert werden, wie von den Vereinten Nationen in ihrem Handbuch zu Not-for-Profit-Organisationen im System nationaler Statistiken vorgeschlagen.

    4.4

    Dies wird auch dem Fokus auf eine nachhaltige Entwicklung gerecht, die ein globales System anstrebt, das neben wirtschaftlichem Erfolg auch ökologische Nachhaltigkeit, Solidarität und Demokratie fördert. Dies entspricht auch den Zielen der Lissabon-Strategie, die im Gesamtkontext der nachhaltigen Entwicklung die drei Bereiche Wirtschaft, Soziales und Umwelt als untrennbar versteht und die gegenseitigen Synergien der Bereiche besser nutzen will. Freiwillige leisten in allen drei Bereichen einen wesentlichen Beitrag, der gemessen werden muss: Förderung des sozialen Zusammenhalts, Aktivitäten im Umweltbereich sowie bei der Wiedereingliederung von (Langzeit)Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt.

    4.5

    Der Europäische Pakt für die Jugend, der vom Europäischen Rat auf seiner Frühjahrstagung 2005 verabschiedet wurde und Teil der revidierten Lissabon-Strategie ist, ermuntert junge Menschen zu freiwilligen Aktivitäten (9).

    4.6

    Internationalen Forschungsarbeiten und Erfahrungen zufolge können freiwillige Tätigkeiten in den verschiedenen Bereichen noch besser und gezielter gefördert werden.

    4.6.1

    So kann bereits bei der Sozialisierung, Bildung und Erziehung der Kinder darauf hingearbeitet werden, dass diese später aktive Mitglieder der Gemeinschaft werden. Besonderen Vorbildcharakter haben dabei solche Organisationen, die soziale Programme durchführen, an denen vorrangig Kinder und Jugendliche beteiligt sind.

    4.6.2

    Freiwillige Aktivitäten können eine besondere Rolle bei der Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit sowie generell für den Eintritt ins Erwerbsleben spielen.

    Freiwillige können gezielt wichtige, auf dem Arbeitsmarkt nachgefragte Erfahrungen und Kenntnisse sammeln und ein Netzwerk an Kontakten aufbauen. Neben den Aktivitäten im sozialen Bereich und im Gesundheitswesen, die als traditionelle Einsatzfelder freiwilliger Tätigkeiten gelten, können die Freiwilligen während ihres Dienstes Schlüsselkompetenzen und Kenntnisse in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation, Ausdrucksfähigkeit, Organisationsmanagement, berufliche Bildung usw. erwerben.

    Sie haben die Möglichkeit, diverse soziale Rollen auszuprobieren, zu lernen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen, sich eine Arbeitskultur zu eigen zu machen sowie ihren Gerechtigkeitssinn und ihre Führungsstärke unter Beweis zu stellen. Freiwillige Aktivitäten können einen wichtigen Bestandteil des Lebenslaufes und der beruflichen Laufbahn bilden. Sie sind folglich ein wichtiges zusätzliches Instrument für nicht-formales und informelles Lernen und ergänzen formelles Lernen sowie die allgemeine und berufliche Bildung. Sie können auch die Beschäftigungsfähigkeit gerade junger Menschen verbessern.

    4.6.3

    Im Bereich des aktiven Alterns sind freiwillige Aktivitäten von zweifacher Bedeutung: Zum einen können ältere Mitbürger und Mitbürgerinnen hierdurch weiter am gesellschaftlichen Leben teilhaben, ihre Lebenserfahrung einbringen und sich weiter nützlich fühlen. Dies wirkt sich auch positiv auf ihre Gesundheit und Lebensqualität aus. Zweitens können freiwillige Tätigkeiten das Verständnis zwischen den Generationen fördern, wo Junge und Alte an einem gemeinsamen Vorhaben beteiligt sind, sich austauschen und unterstützen.

    4.6.4

    Freiwillige Aktivitäten können verschiedenen marginalisierten Bevölkerungsgruppen die Chance zur Eingliederung und Integration geben. Sei es, weil Freiwillige sich für sie engagieren, sei es, weil sie selbst durch ihr eigenes Engagement in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren. Dieses Empowerment durch freiwillige Tätigkeiten ist vor allem für sozial ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen und für Migranten und Migrantinnen wichtig. Leider wird dieser Prozess in einigen Mitgliedstaaten durch Rechtsvorschriften behindert; so gibt es beispielsweise Mitgliedstaaten, in denen Migranten sich nicht freiwillig engagieren können.

    4.6.5

    Hingewiesen sei auch auf die Bedeutung der verschiedenen Selbsthilfegruppen. Ihr wesentliches Merkmal ist, dass sich Menschen mit ähnlichen Problemen — in unterschiedlichsten Bereichen — zusammenschließen und gegenseitig helfen, indem sie ihre persönlichen Erfahrungen austauschen.

    4.6.6

    Auch Arbeitgeber und Unternehmen spielen eine Rolle bei der Förderung freiwilliger Aktivitäten. Zum einen erwerben ihre Angestellten und Fachkräfte durch freiwillige Tätigkeiten außerhalb des Unternehmens soziale Kompetenzen, die ihre Kreativität und Arbeitsmotivation steigern; auf diese Weise fühlen sie sich dem Unternehmen in größerem Maße verbunden. Zum anderen sind sich die Unternehmen mehr und mehr ihrer sozialen Verantwortung bewusst: Partnerschaften zum wechselseitigen Nutzen zwischen Freiwilligenorganisationen, Gemeinden, Staat und Unternehmen helfen, Kapazitäten vor Ort zu bündeln und gemeinsam an der Gestaltung des Gemeinwesens mitzuwirken. Der Dialog zwischen den Sozialpartnern, das Voneinanderlernen sowie Kollektivvereinbarungen können dazu beitragen, dass freiwillige Aktivitäten — ein Teil der sozialen Verantwortung — mehr Anerkennung und Unterstützung erfahren.

    4.6.7

    Der EWSA beobachtet mit Sorge, dass — oftmals aufgrund einer in vielen Mitgliedstaaten festgestellten fehlenden rechtlichen Definition bzw. rechtlichen Grundlage „freiwilliger Aktivitäten“ — freiwilligen Einrichtungen und Tätigkeiten die öffentliche Anerkennung versagt wird. Manchmal führt dies sogar dazu, dass das Potenzial nicht wahrgenommen wird, wenn beispielsweise freiwillige Aktivitäten im Rahmen von Eingliederungsmaßnahmen von Jugendlichen, Arbeitslosen oder der Integration von Migranten nicht anerkannt werden. Die Lage von Freiwilligen ist zudem häufig problematisch, insbesondere in steuerlicher Hinsicht, in Bezug auf die soziale Sicherheit oder in Versicherungsfällen. Nachdrücklich ist für Bestimmungen einzutreten, welche die rechtliche Stellung der Freiwilligen klären und jedem Bewohner eines Landes das Recht auf freiwillige Tätigkeiten einräumen. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, arbeitsrechtliche Mängel zu beseitigen, die dem Einsatz von freiwilligen Hilfskräften, die — insbesondere in Katastrophenfällen — wichtige Arbeit im Interesse der Öffentlichkeit leisten, entgegenstehen. Allzu oft sind Beschäftigte — was etwa die Freistellung betrifft — nach wie vor auf den guten Willen ihres Arbeitgebers angewiesen.

    4.6.8

    Der EWSA empfiehlt, dass die Beziehungen und Aufgaben der einzelnen Akteure Staat, Marktsektor und Freiwilligenorganisationen genau geklärt werden. Freiwillige Aktivitäten spielen zwar eine wichtige Rolle in unseren Gesellschaften, sollen aber nicht die Grundversorgung im sozialen Dienstleistungsbereich sicherstellen oder staatliches Handeln ersetzen. Ziel politischen Handelns muss die Förderung freiwilliger Tätigkeiten als solchen sein, sie dürfen nicht instrumentalisiert werden, weil sie sonst ihre Existenzberechtigung und ihren besonderen Wert verlieren, die auf der freien Wahl der Menschen basieren.

    4.6.9

    Nach Ansicht des EWSA hat der Staat allerdings auf der einen Seite die Aufgabe, die für freiwillige Aktivitäten notwendige Infrastruktur bereitzustellen. Denn freiwillige Tätigkeiten sind zwar kostenlos — aber nicht umsonst zu haben. Auch zeigt die Erfahrung in einigen europäischen Ländern, dass eine gezielte Infrastruktur zur Unterstützung freiwilliger Aktivitäten deren Umfang und Qualität erheblich steigert. Die Unterstützung und Beratung von Freiwilligenorganisationen sowie die Motivation von Freiwilligen, ihre Ausbildung, Betreuung und Begleitung sowie eventuelle Kostenerstattung kosten Geld — machen sich aber mehr als bezahlt. Hierbei kann der Staat — über eine strategische Programmplanung, Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Koordinierung — eine aktive Rolle übernehmen. Damit freiwillige Tätigkeiten besser bekannt werden, muss der Staat die Erarbeitung von Studien finanzieren und den Schwerpunkt darauf legen, dass der Geist freiwilliger Aktivitäten in der Bildung Einzug hält.

    4.6.10

    Auf der anderen Seite müssen alle beteiligten Akteure (Staat, Unternehmen, Gewerkschaften und Freiwilligenorganisationen) gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn freiwillige Aktivitäten gefördert und voran gebracht und ihre gesellschaftliche Anerkennung gesteigert werden sollen. Eine effektive Netzwerkarbeit der Freiwilligenorganisationen zum Austausch vorbildhafter Praxis und zur Bündelung der Kräfte ist hier ebenso unabdingbar wie der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sektoren.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Die von der Europäischen Kommission finanzierte Studie EUYOUPART 2003-2005 über die gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen zeigt beispielsweise, dass in allen acht beteiligten europäischen Staaten Jugendliche zivilgesellschaftlichen Organisationen mehr als staatlichen Einrichtungen vertrauen.

    http://www.sora.at/images/doku/euyoupart_finalcomparativereport.pdf.

    (2)  Informelles Lernen: Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Familie oder in der Freizeit stattfindet. Es ist (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) nicht strukturiert und führt üblicherweise nicht zur Zertifizierung. Informelles Lernen kann zielgerichtet sein, ist jedoch in den meisten Fällen nichtintentional (oder „inzidentell“/beiläufig).

    (3)  Nicht-formales Lernen: Lernen, das nicht in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung stattfindet und üblicherweise nicht zur Zertifizierung führt. Gleichwohl ist es strukturiert (in Bezug auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel). Aus Sicht der Lernenden ist es zielgerichtet.

    (4)  Formales Lernen: Lernen, das üblicherweise in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung stattfindet, (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) strukturiert ist und zur Zertifizierung führt. Formales Lernen ist aus der Sicht des Lernenden zielgerichtet. Quelle: KOM(2001) 678 endg.

    (5)  Vgl. die vom Europäischen Freiwilligenzentrum (CEV) veröffentlichten Studie „Facts & Figures Research Project“ (Forschungsprojekt zur Sammlung von Statistiken und Informationen) (2004-2006)

    (http://www.cev.be/facts&figures.htm).

    (6)  Folgende Arbeiten des EWSA lassen sich mit dem Thema freiwillige Aktivitäten in Verbindung bringen:

     

    Stellungnahme des EWSA zum Thema „Jugendpolitik“, Berichterstatterin: Frau van TURNHOUT (ABl. C 28 vom 3.2.2006, S. 35-41);

     

    Stellungnahme des EWSA zum Thema „Jugend in Aktion im Zeitraum 2007-2013“, Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO (ABl. C 234 vom 22.9.2005, S. 46-51);;

     

    Stellungnahme des EWSA zum Thema „Unionsbürgerschaft: Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung und Wirkung“, Berichterstatter: Herr VEVER (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht);

     

    Stellungnahme des EWSA zum Thema „Aktionsprogramm Aktive Bürgerschaft“, Berichterstatter: Herr LE SCORNET (ABl. C 28 vom 3.2.2006, S. 29-34).

    (7)  KOM(2004) 337 endg.

    (8)  Robert D. Putnam, Bowling AloneThe Collapse and Revival of American Community (Kegeln allein: „Der Zusammenbruch und die Erneuerung der amerikanischen Gemeinschaft“); New York, Simon and Schuster, 2000.

    (9)  Der Europäische Pakt für die Jugend wurde vom Europäischen Rat auf seiner Frühjahrstagung 2005 im Rahmen der revidierten Lissabon-Strategie verabschiedet und soll die berufliche und allgemeine Bildung, die Mobilität, die soziale Eingliederung junger Menschen verbessern und zugleich die Vereinbarung von Beruf und Familie erleichtern. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Rat die EU und die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Mobilität junger Menschen durch einen Abbau der Hemmnisse für Praktikanten, Freiwillige, Arbeitnehmer und ihre Familien zu fördern. Anhang 1 der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates, Brüssel, 22./23. März 2005 (7619/05).


    ANHANG

    zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Der folgende Änderungsantrag, auf den mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen entfiel, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt:

    Ziffer 3.6 streichen

    Begründung

    Als einer der wenigen EWSA-Stellungnahmen, die sich so ausführlich mit freiwilligen Aktivitäten befassen, kommt der vorliegenden Stellungnahme besondere Bedeutung zu. Die darin enthaltenen Definitionen, Beispiele und Thesen sind insofern relevant, als bei der Einstufung einer Tätigkeit als freiwilliges Engagement bzw. als Sozialarbeit in weiteren Stellungnahmen zu diesem Thema auf diese zurückgegriffen werden wird.

    Ich schlage hiermit vor, die Definitionen, derer sich sowohl die Vereinten Nationen als auch die Internationale Arbeitsorganisation bedienen, zu streichen. Meines Erachtens muss sich der EWSA in der vorliegenden Stellungnahme keinesfalls auf diese Definitionen berufen, da sich die Kommissionsvorlage, zu der der EWSA seine Stellungnahme erarbeitet, ausschließlich auf das freiwillige Engagement per se bezieht, d.h. die unbezahlte Freiwilligentätigkeit.

    Durch die Annahme meines Änderungsantrags durch das Plenum würde die Stellungnahme verständlicher und hinterließe beim Leser keine unnötige Verwirrung. Außerdem wäre die Stellungnahme so kürzer.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 53

    Nein-Stimmen: 61

    Stimmenthaltungen: 24


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/53


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden“

    KOM(2006) 136 endg.

    (2006/C 325/14)

    Die Kommission beschloss am 22. März 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2006 an. Berichterstatterin war Frau PICHENOT.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 153 gegen 21 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Die soziale Verantwortung der Unternehmen (SVU), die Bestandteil des europäischen Sozialmodells ist, betrifft jeden einzelnen Bürger der Europäischen Union. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist erfreut darüber, dass diese Auffassung in die Mitteilung der Kommission eingeflossen ist, in der darüber hinaus hervorgehoben wird, dass SVU die „Grundwerte der Europäischen Union selbst widerspiegele“. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass die Bürgerinnen und Bürger der EU Zugang zu — möglichst zuverlässigen und umfassenden — Informationen über Erklärungen der Unternehmen sowie der Gebietskörperschaften und deren Praktiken haben sollten. Werden Berichte mit der gebotenen Sorgfalt erstellt, können sich Verbraucher, Privatanleger und die Bürger vor Ort für ihre Entscheidungen daran orientieren. Die Produkte und Dienstleistungen, für die qualitativ hochwertige Informationen für das Unternehmen geliefert werden können und die eine Rückverfolgung ermöglichen, haben bereits heute bei Investoren, Verbrauchern und Verbraucherverbänden einen echten Wettbewerbsvorteil. Diese Tendenz gewinnt in der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung zunehmend an Bedeutung

    1.2

    Ein Informationsportal zur SVU könnte daher in den Rahmen des Aktionsplans „Europa vermitteln“ integriert werden. Mithilfe dieses europäischen Portals würden verfügbare Informationen zusammengetragen und eine Übersicht über die Zahl der Unternehmen und die Unternehmensarten, die angeschnittenen Themen und beteiligten Stakeholder gewonnen. Das Portal könnte damit hilfreich sein, damit sich die Stakeholder in allen Mitgliedstaaten die SVU zu Eigen machen. Insbesondere wäre in hohem Maße wünschenswert, dass dieses Portal Informationen zu vorbildlichen Praktiken von Unternehmen in den neuen Mitgliedstaaten umfasst. Hierbei würde es sich um ein Instrument zur Gesamtbewertung der SVU handeln. Ein solches auto-deklaratives multilaterales Verzeichnis als unverzichtbares Begleitinstrument des „Europäischen Bündnisses“ sollte von der Kommission kofinanziert werden. Die so erstellte „SVU-Praxisthek (1)“ (Bibliothek der Praktiken) würde einen Informationsaustausch über bewährte Praktiken der Unternehmen Gebietskörperschaften ermöglichen.

    1.3

    Da die SVU einen Beitrag zur Lissabon-Strategie (Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungsfähigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen) leistet, stellt der EWSA den Mitgliedstaaten anheim, die Förderung der SVU in ihre nationalen Reformpläne und — was sich von selbst versteht — in die nationalen Strategien für nachhaltige Entwicklung einzubeziehen. Er weist darauf hin, dass das SVU-konforme Verhalten freiwillig ist und die Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten ergänzt; ggf. wird so auch die Durchsetzung der internationalen Arbeitsnormen unterstützt. Der EWSA appelliert an die Behörden der Mitgliedstaaten und der Union, die Entstehung und Entwicklung der neuen Tätigkeitsbereiche zu fördern, die durch die SVU-Politik geschaffen bzw. weiterentwickelt wurden. Er ruft die Mitgliedstaaten und die Union auf, Anreize für ein verantwortungsvolles Vorgehen der Unternehmen bei Vergabeverfahren zu schaffen (Politik des in sozialer und ökologischer Hinsicht günstigsten Gebots).

    1.4

    In ganz Europa gibt es zahlreiche Praktiken, die sich auf die nachhaltige Entwicklung oder die SVU berufen. Diese Vielfalt ist zwar Bestandteil der Dynamik, erschwert allerdings eine auf europäischer Ebene abgestimmte Vorgehensweise. Der EWSA ist erfreut über die in der Mitteilung angeregte Wiederaufnahme der Arbeiten der SVU-Gruppe hochrangiger Vertreter der Mitgliedstaaten, die als Forum für Diskussionen über eine Verbesserung des Austausches bewährter Praktiken dienen kann. Vor jedem Streben nach Konvergenz sollte eine Aktualisierung der Bestandsaufnahme der nationalen Praktiken vorgenommen werden. Durch diese Untersuchung der Lage einschließlich der öffentlichen Politiken und der geltenden Rechtsvorschriften sollten — unter Wahrung der Vielfalt — die in den öffentlichen Politikfeldern der SVU-Förderung erzielten Ergebnisse herausgestellt werden können.

    1.5

    Die Europäische Kommission ist der Ansicht, dass europäische Unternehmen sozialverantwortlich, unter Achtung der europäischen Werte und der international vereinbarten Normen und Standards — insbesondere bezüglich menschenwürdiger Arbeitsbedingungen — handeln sollten, wo auch immer sie ihre Aktivitäten entfalten. Dementsprechend fordert der EWSA die Sozialpartner in den multinationalen Unternehmen mit Ursprung in Europa auf, den grenzübergreifenden sozialen Dialog durch Aushandlung internationaler Rahmenvereinbarungen (IRV) über die SVU zu bereichern. Die Unternehmen, die diese IRV Vereinbarungen — sofern diese auf die Wahrung der Grundsätze der ILO-Erklärung und die OECD-Leitlinien durch multinationale Unternehmen gestützt sind — unterzeichnet haben, leisten so einen Beitrag zur Verwirklichung der Millenium-Entwicklungsziele.

    1.6

    Der EWSA unterstützt die Initiativen des sektoralen sozialen Dialogs, bei denen die SVU in die Bewältigung des wirtschaftlichen Wandels einbezogen wird. Er ruft die Branchen auf sicherzustellen, dass Teilnehmer aus allen Mitgliedstaaten an diesen Initiativen teilhaben.

    1.7

    Der EWSA bekräftigt, dass die SVU dann Vorbildcharakter hat, wenn sie Teil der Strategie ist und in der gesamten Unternehmenshierarchie verwirklicht wird. Er ruft die Unternehmen, die das Bündnis fördern wollen, auf, sich umfassend hieran zu beteiligen und auch die Arbeitnehmervertreter einzubeziehen, die dies wünschen. Hat ein Unternehmen einen Europäischen Betriebsrat, muss auch dieser eingebunden werden.

    1.8

    Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die von der Kommission gewünschte Ausweitung der SVU über die KMU führt, fordert aber alle Unternehmen — gleich welcher Art, einschließlich der Unternehmen der Sozialwirtschaft — auf, sich unter Wahrung ihrer Vielfalt für die SVU einzusetzen.

    1.9

    Zur Verbesserung der Berichterstattung ruft der EWSA die europäischen Unternehmen auf, sich für die Konzipierung und Überarbeitung verschiedener Informations- und Messinstrumente wie EMAS, GRI oder ISO 26000 zu engagieren. Er ruft in Erinnerung, dass die Zertifizierung — sofern sie möglich ist — von den Unternehmen freiwillig vorgenommen wird und nicht zu einer Verpflichtung gemacht werden kann. Der EWSA erachtet es für wichtig, dass sich die Bewertungs- und Zertifizierungsagenturen zur Gewährleistung ihrer Legitimität und Leistungsfähigkeit von Kriterien leiten lassen, die sich aus den grundlegenden Texten ergeben, die in den vom Multistakeholder-Forum 2004 erstellten Verzeichnis aufgeführt sind. Der EWSA fördert die Selbstregulierungsinitiativen im Bereich der Agenturen.

    1.10

    Der EWSA stellt fest, dass der Anhang zur Mitteilung eine gemeinsame Initiative der Kommission und eines Teils der Wirtschaft betrifft, ohne dass die sonstigen betroffenen Stakeholder hinzugezogen wurden. Er ist daher der Auffassung, dass es Aufgabe der Arbeitgeberverbände ist, Informationen auf nationaler und lokaler Ebene zu verbreiten und sicherzustellen, dass die SVU-Aktivitäten der dem Bündnis angehörenden Unternehmen gefördert werden.

    1.11

    Der EWSA appelliert an die externen Stakeholder, sich in den künftigen Sitzungen des Forums einzubringen und am offenen Dialog in den Unternehmen des Bündnisses mitzuwirken. Er empfiehlt, multilaterale Foren für Diskussionen auf nationaler Ebene zu gründen, in denen — insbesondere die in dem europäischen Portal angeführten — bewährten Praktiken geprüft werden, um den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich Rechnung zu tragen.

    1.12

    Der EWSA wünscht, dass tiefer gehende Überlegungen zur Bewertung des bereits erreichten SVU-Niveaus angestellt werden. Dies sollte so rasch wie möglich geschehen, um die Glaubwürdigkeit des neuen, ausdrücklich auf die Führungsrolle gerichteten Ansatzes zu gewährleisten. Diese Überlegungen könnten bei der Prüfung der nationalen und Gemeinschaftsstrategien für nachhaltige Entwicklung vorgenommen werden, zumal beide Begriffe im Zeichen desselben Konzepts stehen: die soziale Verantwortung der Unternehmen und der Gebietskörperschaften auf mikroökonomischer und die nachhaltige Entwicklung auf makroökonomischer Ebene. Diese Frage sollte auf der Tagesordnung der ersten Sitzungen des Multi-Stakeholder-Forums (Ende 2006) stehen, an dem der EWSA umfassend beteiligt werden möchte.

    1.13

    Der EWSA schlägt der Kommission vor, eines der kommenden Jahre zum „Europäischen Jahr der SVU“ zu erklären.

    2.   Begründung

    2.1   Die SVU in Europa seit dem Lissabon-Gipfel

    2.1.1

    Auf den Tagungen des Europäischen Rates (Lissabon 2000 und Göteborg 2001) wurde ein EU-Konzept für die soziale Verantwortung der Unternehmen herausgearbeitet, das drei Gesichtspunkte umfasst. Auf europäischer Ebene handelt es sich bei der SVU um ein freiwilliges Konzept, das über den gemeinschaftlichen Besitzstand hinaus anwendbar ist; der Besitzstand mit seinen sozialen (Arbeitsrecht), unternehmensbezogenen (Verbraucherschutzrecht) und umweltrelevanten (Umweltrecht) Gesichtspunkten enthält nach wie vor zwingende Mindestanforderungen. Europäische Instrumente zum Schutz der Umwelt auf freiwilliger Basis (EMAS, Ecolabel) standen zu dem Zeitpunkt bereits zur Verfügung.

    2.1.2

    Die Europäische Kommission veröffentlichte im Juli 2001 (2) ein Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen (SVU)“, in dem die SVU definiert wird. Der EWSA nahm im März 2002 zu dem Grünbuch Stellung (3). In dem Grünbuch wurden alle Mitgliedstaaten aufgefordert, einen Beitrag zu diesem Thema zu liefern. Auf Grundlage der erhaltenen Beiträge nahm die Kommission im Juli 2002 eine erste Mitteilung zur sozialen Verantwortung der Unternehmen mit dem Titel „Ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung“ an. Durch diesen Titel wird hervorgehoben, dass es sich bei der SVU um den mikroökonomischen Aspekt im makroökonomischen Konzept nachhaltiger Entwicklung handelt.

    2.1.3

    Die Kommission hat ein Multi-Stakeholder-Forum zur SVU in der Union veranstaltet. Auf diesem Forum sollten gemeinsame Leitlinien für den Bereich SVU definiert werden. Es handelte sich um einen völlig neuen Dialog- und Abstimmungsprozess, bei dem die Sozialpartner, Forschungseinrichtungen und die sonstigen interessierten Kreise zusammenkamen. Dies war ein einzigartiger Versuch, einen zivilen Dialog einzurichten, zu dem die Kommission aufgerufen hatte. Nach langen Arbeiten in Arbeitsgruppen und vier Plenarsitzungen legte das Forum am 29. Juni 2004 seinen Abschlussbericht vor. Auf dem Forum wurde die Erkenntnis gewonnen, dass verschiedene Stakeholder und nicht allein die Unternehmen in die nachhaltige Entwicklung eingebunden sind. Der Bericht enthält neun Gruppen von an die Unternehmen, die Stakeholder, die öffentlichen Behörden und EU-Institutionen gerichteten Empfehlungen. Diese Empfehlungen betreffen die Sensibilisierung für SVU und Schulungen in diesem Bereich, die Integration der SVU in das Handeln des Einzelnen und die Gewährleistung eines SVU-freundlichen Umfeldes. Die UNICE zeigte sich mit den erreichten Ergebnissen zufrieden, der EGB nahm den Schlussbericht mit einigen Vorbehalten an und andere Stakeholder signalisierten, dass sie nicht zufrieden seien. In der Mitteilung vom 22. März 2006 heißt es: „Dem Forum gelang es, zwischen Teilnehmern mit sehr abweichenden Ansichten einen gewissen Konsens herbeizuführen, es machte jedoch auch die erheblichen Meinungsunterschiede zwischen Vertretern der Wirtschaft und anderen Stakeholdern deutlich.“

    2.1.4

    Im Juni 2003 wurde durch die Richtlinie 2003/51/EG zur Änderung zweier Richtlinien über Jahresabschlüsse bzw. konsolidierte Abschlüsse die Möglichkeit eingeführt, andere als finanzielle Leistungsindikatoren — insbesondere in Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange — zu veröffentlichen. Um einen Beitrag zur Förderung der SVU zu leisten, verabschiedete der EWSA im Juni 2005 eine Stellungnahme zu den Mess- und Informationsinstrumenten der SVU (4).

    2.1.5

    Unter dem Titel „Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung — Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden“ wurde am 22. März 2006 eine zweite Mitteilung (5) veröffentlicht. Die Mitteilung ist Gegenstand dieser Stellungnahme. Sie enthält einen Anhang mit dem Titel „Das Europäische Bündnis für SVU“.

    2.1.6

    In der Mitteilung vom Mai 2006 „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern“  (6) heißt es: „Die soziale Verantwortung der Unternehmen ist nach Auffassung der Kommission ein entscheidender Faktor, der komplementär ist zu Rechtsvorschriften, Kollektivverhandlungen und Überwachung der Arbeitsbedingungen. Die Kommission ist der Auffassung, dass Verhaltenskodizes und andere SVU-Instrumente sich auf die auf internationaler Ebene (OECD, IAO) vereinbarten Instrumente stützen müssen. Sie fordert die Unternehmen, das Europäische Bündnis für SVU und die übrigen Akteure auf, Initiativen in Gang zu setzen, die einen Beitrag zur Förderung menschenwürdiger Arbeit für alle leisten.“ Andererseits hat der Europäische Rat auf seiner Tagung im Juni 2006 den Mitgliedstaaten in den Integrierten Leitlinien (IL) für die Umsetzung der Lissabon-Strategie empfohlen, ihre Unternehmen zum Ausbau ihrer sozialen Verantwortung zu ermutigen.

    2.1.7

    Der Rat sieht in den Leitprinzipien der Politik seiner neuen Strategie für nachhaltige Entwicklung (7) vom Juni 2006 eine „Beteiligung der Unternehmen und Sozialpartner“ wie folgt vor: „Intensivierung des sozialen Dialogs, Stärkung der sozialen Verantwortung der Unternehmen und Ausbau der öffentlich-privaten Partnerschaften, damit Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung zur Erreichung nachhaltiger Produktions- und Konsummuster gefördert werden.“ In Ziffer 31 dieses Dokuments wird präzisiert: „Unternehmensleiter und andere wichtige Akteure, einschließlich Arbeitgeberorganisationen und Nichtregierungsorganisationen, sollten sich dringend an einem Reflexionsprozess mit Politiken über die mittel- und langfristigen Maßnahmen im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung beteiligen und umfassende unternehmerische Antworten präsentieren, die über die bestehenden gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen. Die Kommission wird 2007 einen Vorschlag zur Förderung dieses Prozesses vorlegen. Im Einklang mit dem europäischen Bündnis für soziale Verantwortung von Unternehmen sollten die Sensibilisierung und Kenntnis der sozialen und ökologischen Verantwortung und der Rechenschaftspflicht von Unternehmen gesteigert werden.“

    2.2   Zusammenfassung der Mitteilung

    2.2.1

    Die Mitteilung vom März 2006 (8), ist Teil einer Reihe von Fortschritten, mit der die politische Ausstrahlung der SVU erneut gestärkt wird. Die Kommission „erklärt daher ihre Unterstützung für die Schaffung eines Europäischen Bündnisses für SVU, ein Konzept, das auf Beiträgen von Unternehmen basiert, die aktiv die Förderung von SVU betreiben.“ Und sie ruft zu neuen Sitzungen des Multi-Stakeholder-Forums auf: „Die Kommission misst dem Dialog mit und zwischen allen Stakeholdern nach wie vor allergrößte Bedeutung bei und schlägt vor, erneut in regelmäßigen Abständen Sitzungen des Stakeholder-Forums einzuberufen, um die Fortschritte im Bereich der SVU in der EU laufend zu überprüfen.“

    2.2.2

    Die Kommission unterstreicht, dass sie selbst in dem Bündnis keine aktive Rolle spielen werde. Insbesondere beinhalte das Bündnis „keine neuen finanziellen Verpflichtungen für die Kommission“. Die Kommission stellt weiter klar, dass es sich „nicht um ein Rechtsinstrument (handele), das von den Unternehmen, der Kommission oder einer Behörde unterzeichnet werden müsste“, sondern um ein politisches Verfahren für „neue oder bereits bestehende SVU-Initiativen von Großunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen und ihren Stakeholdern“.

    2.2.3

    In einem Anhang, der nicht dieselbe Tragweite wie die Mitteilung selbst hat, wird das Bündnis als eine Initiative von Wirtschaftsvertretern dargestellt, die auf der Partnerschaft fußt: Die Europäische Kommission unterstütze „Angehörige der Wirtschaft, die den Grundstein für ein Europäisches Bündnis für SVU legen. Diesem Bündnis können alle Unternehmen angehören, die das gleiche ehrgeizige Ziel haben, das Ziel nämlich, dass Europa im Interesse wettbewerbs- und zukunftsfähiger Unternehmen und einer nachhaltigen Marktwirtschaft auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden soll. Bei dem Bündnis für SVU geht es in erster Linie um Partnerschaft.“ Das Bündnis sollte allen Unternehmen in Europa auf freiwilliger Basis offen stehen; auf die Unternehmensgröße komme es hierbei nicht an. Im Herbst 2006 sind etwa 100 Unternehmen im Internetportal UNICE aufgeführt.

    2.2.4

    Die Kommission ist folgender Auffassung: „Da es bei der SVU im Wesentlichen um ein freiwilliges Tätigwerden der Unternehmen geht, könnte sich ein Konzept, das zusätzliche Verpflichtungen und administrative Anforderungen an die Unternehmen beinhaltet, als kontraproduktiv erweisen und würde den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung entgegenlaufen.“ Mit dem freiwilligen Charakter der SVU ist es sicherlich kaum vereinbar, neue zwingende Vorschriften aufzuerlegen; allerdings liegt es auf der Hand, dass ein Unternehmen, dass sich der SVU verschrieben hat, zunächst die Rechtsvorschriften — ihrem Wortlaut und dem Gesetzeszweck gemäß — strikt einhält, was durch die zuständigen Behörden ordnungsgemäß zu überwachen ist.

    2.2.5

    Die Kommission setzt darauf, dass die SVU mithilfe des Bündnisses in den europäischen Unternehmen generell Verbreitung findet. Vertrauen — der entscheidende Aspekt dieses Prozesses — lässt sich nicht verordnen; allein die Qualität der Unternehmensführung kann Garant für die SVU sein.

    2.2.6

    Die Teilnahme von Unternehmen an dem Bündnis ist rein deklaratorischer Natur und bedeutet keinerlei formale Verpflichtung. Dieses einfache Verfahren dürfte zu einem raschen Anstieg der Zahl der Unternehmen führen, die sich auf dieses Bündnis beziehen.

    2.2.7

    „Die Kommission ist sich bewusst, dass die SVU ohne die aktive Unterstützung und konstruktive Kritik seitens der externen Stakeholder keinen Erfolg haben kann.“ Somit können die aktive Unterstützung und konstruktive Kritik unternehmensexterner Stakeholder zu einer Bereicherung des Prozesses beitragen.

    2.2.8

    Das Bestehen des Bündnisses ersetzt jedoch nicht den Dialog zwischen allen Stakeholdern. Zur Förderung dieses Dialogs schlägt die Kommission vor, „erneut in regelmäßigen Abständen Sitzungen des Stakeholder-Forums einzuberufen, um die Fortschritte im Bereich SVU in der EU laufend zu überprüfen.“ In diesen Sitzungen kann dann eine Bilanz der Situation gezogen werden. „Die Kommission wird die Entwicklung der SVU in Europa in einem Jahr im Anschluss an die Erörterungen im Multi-Stakeholder-Forum neu bewerten.“ Mit dieser Stellungnahme wird der Versuch unternommen, einen Fahrplan für die Vorbereitung der nächsten Bewertung aufzustellen, wobei die Aspekte herausgehoben werden, zu denen ggf. Empfehlungen abgegeben werden.

    2.3   Im Brennpunkt: einige zentrale Aspekte der Mitteilung

    2.3.1   Die Unternehmen in der Lissabon-Strategie

    2.3.1.1

    Die Kommission ist der Auffassung, Europa brauche Unternehmen, die Wohlstand und Beschäftigung schaffen sowie Produkte und Dienstleistungen mit einem gesellschaftlichen Mehrwert liefern. Sie fordert die europäischen Unternehmen auf, sich entschiedener für die SVU zu engagieren. Der EWSA befürwortet den Standpunkt der Kommission, wonach die Unternehmen, die sich der SVU verschrieben haben, einen Beitrag zur überarbeiteten Lissabon-Strategie leisten. Insbesondere könnten die freiwilligen SVU-Praktiken staatliche Behörden dabei unterstützen, einige der Integrierten Leitlinien zu folgenden Bereichen umzusetzen: Lebenslanges Lernen, Innovation und Entwicklung des Unternehmergeistes — beispielsweise durch den Kampf gegen Diskriminierung und Engagement für Vielfalt, insbesondere was Menschen mit Behinderungen betrifft, die Vorwegnahme von Entwicklungen im Bildungsbereich, die Einstellung von Arbeitnehmern in benachteiligten Gebieten sowie die Förderung junger — auch weiblicher und erst kürzlich immigrierter — Führungskräfte in Unternehmen durch die Industrie- und Handelskammern.

    2.3.1.2

    Der EWSA hat in einer kürzlich verabschiedeten Stellungnahme (9) bekräftigt: „Das europäische Sozialmodell zeichnet ein Bild eines für alle seine Bürger demokratischen, umweltfreundlichen, wettbewerbsfähigen, solidarischen, sozial inklusiven und wohlfahrtsstaatlichen Europas.“ Die Kommission ermutigt die europäischen Unternehmen, auch solche SVU-Maßnahmen zu ergreifen, die sich nicht unmittelbar für ihr Unternehmen auszahlen, sondern die die Wettbewerbsfähigkeit Europas insgesamt verbessern und einen Beitrag zur Verwirklichung der Milleniums-Entwicklungsziele leisten — beispielsweise die Einstellung von Mitarbeitern aus benachteiligten Bevölkerungskreisen, weniger Umweltverschmutzung und eine bessere Einhaltung der Grundrechte in den Entwicklungsländern. Der EWSA begrüßt diese Ermutigung.

    2.3.1.3

    Der EWSA begrüßt den zwischen der Lissabon-Strategie, der nachhaltigen Entwicklung und der SVU hergestellten Zusammenhang. In einer kürzlich verabschiedeten Stellungnahme (10) hat sich der EWSA dafür ausgesprochen, die Wechselbeziehungen zwischen der Lissabon-Strategie und der Strategie für nachhaltige Entwicklung zu präzisieren und klarzustellen. Zur Umsetzung dieser beiden Strategien komme der Tätigkeit der Behörden nach wie vor entscheidende Bedeutung zu; diese müssten einen optimalen Rahmen für Wachstum und Innovation auf makroökonomischer Ebene (nationale Reformpläne, nationale Strategien für nachhaltige Entwicklung) definieren und die verantwortungsvoll agierenden Unternehmen sind in diesem Zusammenhang auf mikroökonomischer Ebene tätig. Dergestalt nimmt die in den Unternehmen praktizierte SVU — durch die Entwicklung innovativer Verfahren und Strategien für verantwortungsvolles Management — an der nachhaltigen Entwicklung auf europäischer und globaler Ebene teil.

    2.3.2   Verallgemeinerung: SVU für alle Unternehmen auf freiwilliger Basis

    2.3.2.1

    In der Mitteilung vom März 2006 werden die europäischen Unternehmen aufgefordert, sich — unabhängig von der Unternehmensgröße — für die SVU zu engagieren. Der EWSA ist überzeugt, dass die Förderung der SVU bei KMU bei dieser allgemeinen Verbreitung eine große Herausforderung ist. Spezifische und in den letzten beiden Jahren erprobte Instrumente sind ein Grundstock an Erfahrungen, für die eine Wirkungsanalyse erstellt werden sollte, sodass die weitere Entwicklung dieser Praktiken verfolgt werden kann.

    2.3.2.2

    In den Schlussfolgerungen des Multi-Stakeholder-Forums wurde klargestellt, dass sich die Empfehlungen an alle Unternehmensarten unter Wahrung ihrer Vielfalt richten (einschließlich KMU und Unternehmen der Sozialwirtschaft). Der EWSA unterstützt den Gedanken, die KMU und Kleinstunternehmen in die SVU-Strategie mit geeigneten Instrumenten einzuschließen. Er hebt darüber hinaus hervor, dass auch alle anderen Unternehmensarten betroffen sind: Einzelunternehmen, Kapitalgesellschaften, öffentliche Unternehmen, Versicherungen auf Gegenseitigkeit, Innungen, Industrieverbände und landwirtschaftliche Genossenschaften, paritätische Einrichtungen, Verbände der Sozialwirtschaft usw. Er fordert alle Unternehmen dieser Art auf, sich für das Bündnis zu engagieren. Bereits ab dem Zeitpunkt der Gründung eines Unternehmens ist ein Vorgehen gestützt auf die SVU wünschenswert.

    2.3.3   Die Rolle interner Stakeholder

    2.3.3.1

    In der Mitteilung werden die Wirksamkeit des sozialen Dialogs über die SVU und die konstruktive Rolle der Europäischen Betriebsräte bei der Definition vorbildlicher Verfahren erwähnt. Daher bedauert der EWSA, dass die den sozialen Dialog — sowohl branchenübergreifend als auch branchenspezifisch — vertretenden Organisationen nicht zu dem Zeitpunkt einbezogen wurden, als das Bündnis ins Leben gerufen wurde.

    2.3.3.2

    Nach Ansicht des EWSA (11) wird „im europäischen Modell der sozialen Marktwirtschaft […] ein Unternehmen nicht als eine schlichte Kapitalgesellschaft, oder Punkt, in dem Verträge zusammenlaufen, sondern eher als eine Gemeinschaft angesehen, in der der soziale Dialog stattfinden sollte“. Es kommt häufig vor, dass die Initiative, sich für SVU-Praktiken zu engagieren, von der Unternehmensleitung ausgeht. Indes kann es keine vorbildlichen Verfahren geben, die allein durch die Unternehmensleitung in die Wege geleitet wurden. Nach Auffassung des EWSA ist die SVU nach europäischem Verständnis nicht eine philanthropische Entscheidung, sondern das Ergebnis des Dialogs aller engagierten Kräfte des Unternehmens auf allen Hierarchieebenen. Die SVU ist — insbesondere über den Dialog mit den externen Stakeholdern — Sache des Geschäftsführers wie auch der Führungskräfte und aller Arbeitnehmer. Der Ausschuss betont, dass von wirklich praktizierter SVU dann die Rede sein kann, wenn sie Teil der Unternehmensstrategie ist und von allen Akteuren des Unternehmens verwirklicht wird. Bei SVU handelt es sich definitionsgemäß um eine freiwillige Vorgehensweise jenseits des Rechts; sie schließt das zwingende Recht mit ein und geht über dieses hinaus.

    2.3.3.3

    Aus diesem Grund sind die internationalen Rahmenvereinbarungen über die SVU von großem Interesse. Diese Vereinbarungen werden auf der einen Seite von der Leitung des Unternehmens oder den Direktionen des Konzerns und auf der anderen Seite von Arbeitnehmervertretern ausgehandelt und unterzeichnet. Letztere sind internationale oder europäische Arbeitnehmerverbände der jeweiligen Branche oder einzelstaatliche Gewerkschaften und der Europäische Betriebsrat. Durch die Unterzeichnung werden beide Sozialpartner verpflichtet, die SVU-Grundsätze auch in ihren Beziehungen mit externen Stakeholdern — insbesondere Zulieferern und Gebietskörperschaften — zu beachten.

    2.3.3.4

    Der EWSA befürwortet die Formulierung der SVU-Grundsätze in der Mitteilung: „Die Rolle der Arbeitnehmer, ihrer Vertreter und ihrer Gewerkschaften bei der Entwicklung und Umsetzung von SVU-Praktiken sollte weiter gestärkt werden.“ Er ruft die Unternehmen, die das Bündnis fördern wollen, auf, sich umfassend hieran zu beteiligen, und auch die Arbeitnehmervertreter, die dies wünschen, einzubeziehen. Hat ein Unternehmen einen Europäischen Betriebsrat, muss auch er eingebunden werden.

    2.3.3.4.1

    In einer kürzlich (12) verabschiedeten Stellungnahme führte der EWSA wie folgt aus: „Der Ausschuss unterstreicht die soziale Dimension der Unternehmen in der Europäischen Union sowie die von den EBR ausgeübte Rolle. Die nachhaltige Entwicklung und das europäische Sozialmodell wurden in der europäischen Debatte als besondere Merkmale der Union ausgemacht. Soziale Unternehmensverantwortung in einer globalen Wirtschaft ist eine europäische Antwort auf die Probleme der Globalisierung, deren negative Auswirkungen durch die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der ILO durch alle WTO-Mitgliedstaaten abgeschwächt werden könnten.“ Und weiter: „Das europäische Gesellschaftsmodell steht nicht nur für den Schutz der Schwächeren, für soziale Solidarität, sondern auch für die Einhaltung der Rechte bezüglich der Wahrung der Menschenwürde an jedem Ort und unter allen Umständen. Die Unionsbürgerrechte müssen in einem modernen Europa überall ausgeübt werden können, also auch am Arbeitsplatz und insbesondere in den transnationalen Unternehmensbereichen.“

    2.3.3.5

    Der EWSA ermutigt die Unternehmen und Einrichtungen der beruflichen Bildung, in ihre Lehrpläne die Erziehung zur nachhaltigen Entwicklung und zur SVU aufzunehmen.

    2.3.4   Branchenspezifische Ansätze

    2.3.4.1

    Die Kommission wird die von den Stakeholdern — insbesondere von den Sozialpartnern und den NRO — ergriffenen branchenspezifischen Maßnahmen auch in Zukunft unterstützen. Sie hebt die bedeutende Rolle der Ausschüsse für den sektoralen Dialog hervor. Der EWSA unterstützt diese Initiativen. Er ruft die Akteure in den einzelnen Branchen auf sicherzustellen, dass Teilnehmer aus allen Mitgliedstaaten daran beteiligt werden.

    2.3.5   Im Bereich der SVU soll Europa führend werden.

    2.3.5.1

    In der Mitteilung wird die Absicht bekundet, „Europa auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend zu machen“, es wird jedoch nicht erwähnt, wie das bereits erreichte Qualitätsniveau gemessen werden soll. Denn immerhin muss das Niveau bereits erreichter SVU auf eine bestimmte Weise gewürdigt werden können, um behaupten zu können, man habe eine Führungsposition erreicht. Über die Erstellung von Berichten durch die einzelnen Unternehmen hinaus sollte sich Europa in Bezug auf die SVU mit den anderen führenden Regionen in der Welt vergleichen können. In einer ersten Phase könnten die verfügbaren Daten in einem Portal zusammengetragen und so eine Übersicht über die Zahl der Unternehmen und die Unternehmensarten, die angeschnittenen Themen und mitwirkende Partner aufgestellt werden.

    2.3.5.2

    Damit Europa im Bereich der SVU führend werden kann, sollten die Arbeiten des europäischen Bündnisses geeignete Instrumente einschließen. Die Produkte und Dienstleistungen, für die qualitativ hochwertige Informationen über das Unternehmen geliefert werden können und die eine Rückverfolgung ermöglichen, haben bereits heute bei Investoren, Verbrauchern und Verbraucherverbänden einen echten Wettbewerbsvorteil. Diese Tendenz gewinnt in der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung zunehmend an Bedeutung.

    2.3.5.3

    Der EWSA wünscht, dass tiefer gehende Überlegungen zur Bewertung des bereits erreichten SVU-Niveaus angestellt werden. Dies sollte so rasch wie möglich geschehen, um die Glaubwürdigkeit des neuen Ansatzes zu gewährleisten, der ausdrücklich auf die Führungsposition zielt. Diese Frage sollte auf der Tagesordnung der ersten Sitzungen (Ende 2006) des Multi-Stakeholder-Forums stehen. Auf dem Multi-Stakeholder-Forum am 7. Dezember 2006 in Brüssel legte die Kommission ein „Kompendium“ — eine Art Bestandsaufnahme — der bislang durchgeführten Initiativen im Bereich der sozialen Verantwortung der Unternehmen vor. Der EWSA erklärt sich bereit, die Fortschritte in einigen spezifischen Themenbereichen zu analysieren und eine institutionelle Zusammenarbeit mit der Kommission aufzunehmen, auch im Hinblick auf die Verwaltung des SVU-Portals.

    2.3.5.4

    Die Konzepte haben noch keine festen Konturen erlangt und es besteht kein allgemeiner Konsens bezüglich der Instrumente. Dennoch wird in einigen Mitgliedstaaten daran gearbeitet, eine größere Transparenz der Unternehmen im Bereich der SVU zu erreichen. Durch eine Vertiefung der Kenntnisse der von den Mitgliedstaaten geführten nationalen Politiken würden alle Beteiligten voneinander profitieren. Die in der Mitteilung angeregte Wiederaufnahme der Arbeiten der SVU-Gruppe hochrangiger Vertreter ist ein Schritt in die richtige Richtung, zumal die neuen und künftigen Mitgliedstaaten an dieser Gruppe aktiv teilnehmen werden. Eine Bilanz der öffentlichen Politiken zur Förderung der SVU wird in die Bilanz der europäischen Strategie (der Union und der Mitgliedstaaten) für nachhaltige Entwicklung, die für das Jahr 2007 geplant ist, einfließen.

    2.3.6   Information und Transparenz

    2.3.6.1

    Der EWSA nimmt mit Interesse die Absicht der Kommission zur Kenntnis, die Transparenz zu erhöhen und die Verbraucher besser zu informieren. Er unterstreicht indes, dass sich diese Transparenz und diese Information im Bereich der SVU bei den Verbrauchsgütern nicht auf die Anforderungen an die öffentliche Gesundheit beschränken dürfen. Die Verbraucher können als Impulsgeber dafür dienen, dass in verantwortungsvoller Weise Güter hergestellt und Dienstleistungen erbracht werden. Die Verbraucher müssen zu diesem Zweck wissen, ob die von ihnen zu konsumierenden Güter im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit einwandfrei sind; darüber hinaus jedoch auch, ob sie unter Einhaltung der sozialen und ökologischen Normen hergestellt wurden. Ferner sollte das Bemühen um Transparenz auf alle Wirtschaftszweige ausgedehnt werden. Es wäre wünschenswert, dass die Verbraucher Kenntnis darüber haben, ob die von ihnen verbrauchten Güter sozial verantwortlich hergestellt wurden; Investoren bzw. Privatanleger sollten das Recht haben zu erfahren, ob die Unternehmen, in die sie ihr Geld stecken, sozial verantwortlich handeln; die Bürgerinnen und Bürger sollten das Recht haben zu erfahren, ob Anlagen, Infrastruktur usw. in sozial verantwortlicher Weise gebaut wurden und insbesondere, ob die Umweltbelange beachtet wurden. Bereits heute interessieren sich Finanzakteure — über Investmentfonds sozial verantwortlich handelnder Unternehmen — für Angaben über Unternehmen, die über die reinen Geschäftszahlen hinausgehen. Sie sind — neben den Agenturen, die ein finanzexternes Rating durchführen — privilegierte Akteure für die Förderung der SVU. Industriezweige haben sich zusammengeschlossen, um branchenspezifische Standards zu definieren, beispielsweise die Bauwirtschaft mit dem Umweltlabel für Hohe Umweltqualität, und mit Umweltfragen erheblich konfrontierte Bereiche wie die Aluminium-, die Erdöl- und die Papierindustrie machen sich Gedanken über Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Umwelt. Der EWSA ist der Ansicht, dass eine Ausdehnung solcher Initiativen der Selbstregulierung hilfreich sein würde.

    2.3.6.2

    Die Unternehmen setzen zur Bewertung ihrer nachhaltigen finanziellen Leistungsfähigkeit (Art und Transparenz der Investitionen, Konten und der Prüfungen) sowie ihrer sozialen und ökologischen Leistungsfähigkeit (Arbeitsbedingungen, Natur- und Landschaftsschutz in der Wertschöpfungskette) verschiedene Verfahren ein. Diese unterschiedlichen, sich ergänzenden Verfahren müssen Synergien bewirken.

    2.3.6.3

    Zur Gewährleistung ihrer Legitimität und Zuverlässigkeit der Bewertungs- und Zertifizierungsagenturen ist es unverzichtbar, dass die Grundsätze transparent sind. Die Unternehmen müssen wissen, nach welchen Kriterien sie bewertet werden. In diesem Sinne begrüßt der EWSA die Veröffentlichung der Grundsätze für sozial verantwortliches Investieren (13). Der EWSA erachtet es als wichtig, dass diese Agenturen ihre Bewertung anhand von Kriterien vornehmen, die auf die grundlegenden Texte gestützt sind, die in dem vom Multistakeholder-Forum 2004 erstellten Verzeichnis aufgeführt sind. Die Agenturen müssen ein Höchstmaß an Transparenz erkennen lassen. Bei der CSRR-QS-Norm handelte es sich um eine Initiative zur Selbstregulierung der Berufssparten. Der EWSA ruft dazu auf, diesen Weg weiter zu beschreiten. In einer kürzlich verabschiedeten Stellungnahme (14) hat der EWSA an die europäischen Unternehmen appelliert, sich für die Konzipierung und Überarbeitung verschiedener Informations- und Messinstrumente wie EMAS, GRI oder ISO 26000 zu engagieren. Nach Ansicht des EWSA muss vermieden werden, dass in den internationalen Normen das Konzept der sozialen Verantwortung der Unternehmen neu definiert und somit auf eine bloße Übereinstimmung mit rechtlichen Verpflichtungen reduziert wird, während die SVU — ihrer Natur nach — aus freiwilligen Initiativen der Unternehmen besteht, die über das Recht hinausgehen. Er empfiehlt den nationalen Stellen, die die ISO-26000-Leitlinien erarbeiten, sich für die europäische SVU-Definition zu engagieren, die das Recht umfasst, zugleich aber darüber hinausgeht. Welche Bedeutung den von den Bewertungsagenturen durchgeführten Tätigkeiten auch zukommt — die Unternehmen dürfen nicht verpflichtet werden, sich privaten Normen zu unterwerfen, deren Überprüfung für die KMU kostspielig ist. Eignen sich die Instrumente für die Zertifizierung, wird diese von den Unternehmen freiwillig vorgenommen und darf keinesfalls zu einer Verpflichtung gemacht werden.

    2.3.6.4

    In der Mitteilung wird hervorgehoben: „Externe Stakeholder, einschließlich Nichtregierungsorganisationen, Verbraucher und Investoren, sollten verstärkt aktiv werden, indem sie zu verantwortungsvollem unternehmerischen Handeln auffordern“ bzw. dieses Verhalten belohnen, oder eine Frühwarnfunktion übernehmen. Dies impliziert, dass die Informationen der externen Stakeholder zuverlässig sein müssen. In der Mitteilung werden die das Bündnis unterstützenden Unternehmen dazu aufgefordert, allen Stakeholdern und insbesondere Verbrauchern, Kapitalanlegern sowie der breiten Öffentlichkeit Informationen über die SVU zur Verfügung zu stellen. Die Großunternehmen werden ermuntert, ihre SVU-Strategien und -Initiativen sowie deren Ergebnisse oder vorbildliche Lösungen in einer der Öffentlichkeit leicht verständlichen Weise zu präsentieren. Im Hinblick auf Informationen zu SVU erinnert der EWSA an seinen Vorschlag (15), ein europäisches Informationsportal zu den SVU-Praktiken großer Unternehmen einzurichten. In der Erwägung, dass die Analyse der von den Unternehmen selbst gelieferten Angaben durch einen Dritten zur Verbesserung der Information beiträgt und die Transparenz gewährleistet, schlug der EWSA vor, dass diese Angaben durch einen vertrauenswürdigen Dritten, z.B. einen institutionellen Beobachter, analysiert werden. Diese Analyse könnte — anhand der Angaben des europäischen Portals — zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden.

    2.3.6.5

    Auf der anderen Seite wird in der Mitteilung klargestellt, dass die Unternehmen, die das Bündnis unterstützen wollen, nicht an formale Anforderungen gebunden seien und dass die Kommission keine Liste der Unternehmen führen werde, die es unterstützen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt — sieben Monate nach Gründung des Bündnisses — wird es lediglich auf den Internetseiten der UNICE, von CSR Europe und einiger nationaler Arbeitgeberverbände erläutert. Der EWSA bedauert, dass die Informationen nicht zugänglich sind und den interessierten Personen nicht in gegliederter Form präsentiert werden.

    2.3.7   Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung

    2.3.7.1

    Ein verantwortlich handelndes Unternehmen kann in Bezug auf seine Reputation einen Wettbewerbsvorteil erlangen, was besonders die Unternehmen im Bereich der Verbrauchsgüter interessiert.

    2.3.7.2

    Sozial verantwortlich handelnde Unternehmen schaffen ein Innovation und Kreativität begünstigendes Umfeld. Ihre Produkte und Dienstleistungen sind aus Sicht des Kunden qualitativ besser und höherwertig. Auch dies kann ein Wettbewerbsvorteil sein.

    2.3.7.3

    Indem Risiken vorweggenommen werden, führt die Umsetzung eines integrierten SVU-Prozesses dazu, dass die Krisen besser bewältigt werden, ja sogar dass insbesondere die folgenden Risiken vermieden werden: Risiken durch Veruntreuung, sowie industrielle und technische Risiken. Beispielsweise gibt es weniger Betriebsunfälle, wenn die Sicherheit der Mitarbeiter dadurch gewährleistet wird, dass sie gut ausgebildet wurden und zweckmäßige Investitionen getätigt worden sind. Somit können die SVU-Praktiken zu einer messbaren Verringerung der auftretenden oder sich abzeichnenden Risiken führen. Der EWSA nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass einige Versicherungsgesellschaften dies in ihren Tarifen berücksichtigen, und er ruft die Finanzwirtschaft insgesamt auf, diesem Beispiel zu folgen.

    2.3.7.4

    Die Umsetzung der SVU-Grundsätze führt zu einem besseren Beschlussfassungsprozess und zu einer besseren Governance im Unternehmen, wobei sich auf lange Sicht so auch die Leistungsfähigkeit erhöht. Das Personalmanagement umfasst auch das lebenslange Lernen. Verbleiben ältere Arbeitnehmer im Erwerbsleben, so kann das Humankapital im Unternehmen optimaler eingesetzt und ein Beitrag zu einem aktiven Älterwerden geleistet werden. Der EWSA verfolgt mit Interesse die Initiativen aus Kreisen der Wirtschaftsprüfer in der EU, verantwortungsvolles Management über die Qualität von Informationen über Umwelt- und Personalfragen als Teile der strategischen Analyse des Unternehmens zu fördern.

    2.3.7.5

    Der EWSA ruft in Erinnerung, dass eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit häufig durch Maßnahmen entsteht, die kurzfristig Kosten verursachen. Er erinnert die Unternehmen daran, nicht allein eine sofortige Rentabilität im Blick zu haben.

    2.3.7.6

    Er ruft die Mitgliedstaaten und die EU auf, Impulse zu einer verantwortungsvollen Haltung im öffentlichen Beschaffungswesen zu geben (Politik des in sozialer und ökologischer Hinsicht günstigsten Gebots).

    2.3.7.7

    Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene führt die Lösung sozialer und ökologischer Probleme zur Entstehung oder Entwicklung neuer Wirtschaftszweige und bereitet den Weg für Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dabei geht es beispielsweise um Ökoeffizienz, personenorientierte Dienstleistungen und das Verhältnis von Stadtplanung und Verkehr. Der EWSA ruft die Behörden der Mitgliedstaaten und der EU auf, die rasche Entstehung neuer Branchen und deren Entwicklung zu fördern.

    2.3.8   Die neuen Mitgliedstaaten

    2.3.8.1

    Auch wenn in einigen neuen Mitgliedstaaten bereits Anstrengungen unternommen worden sind, stammen die Unternehmen, die von sich behaupten, in der SVU führend zu sein, überwiegend aus den alten Mitgliedstaaten.

    2.3.8.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass es unerlässlich ist, vorbildliche Verfahren, die von den Unternehmen der neuen Mitgliedstaaten — und insbesondere den KMU — eingeführt wurden, publik zu machen und herauszustellen.

    2.3.8.3

    Angesichts der wirtschaftlichen und kulturellen Unterschiede haben die Unternehmen der neuen Mitgliedstaaten ohne Zweifel viel von den Erfahrungen von Unternehmen aus Regionen zu lernen, die ihren eigenen Regionen gleichen. Werden Initiativen der sozialen Verantwortung in Ländern ergriffen, die noch keine längeren Erfahrungen mit der sozialen Marktwirtschaft haben, so können diese die Akteure in Ländern mit derselben Vergangenheit besser inspirieren.

    2.3.8.4

    Es ist daher von besonderer Bedeutung, die Informationen über vorbildliche Praktiken der Unternehmen aus den neuen Mitgliedstaaten allen vergleichbaren Unternehmen in allen Mitgliedstaaten und den künftig beitretenden Ländern zur Kenntnis zu bringen.

    2.3.8.5

    Ebenso muss die Unterrichtung der Öffentlichkeit bzw. verschiedener Interessengruppen über Fragen des verantwortlichen Unternehmertums gefördert werden, denn von der Aktivität und Einbindung der verschiedenen Akteure hängt zum großen Teil das Tempo und die Qualität der Umsetzung der Grundsätze der SVU ab.

    2.3.9   Die internationale Dimension der SVU

    2.3.9.1

    Der EWSA befürwortet den Standpunkt der Kommission, die auch eine künftige weltweite Förderung der SVU beabsichtigt, damit die Unternehmen einen möglichst großen Beitrag zur Erreichung der Milleniumsziele der Vereinten Nationen leisten. Er unterstützt ebenfalls die Absichten der Kommission im Hinblick auf: internationale Benchmarks für das verantwortungsvolle Handeln von Unternehmen, d.h. die Förderung der Umsetzung der Trilateralen Grundsatzerklärung der ILO zu multinationalen Unternehmen und zur Sozialpolitik, der Umsetzung der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und des Global Compact und der Grundsätze für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen ebenso wie die Förderung der Umsetzung der weiteren Referenzinstrumente und -initiativen; Impulse für die Förderung strenger Umweltnormen; Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung in bilateralen Handels- und Kooperationsabkommen; Gewährung von Handelsvergünstigungen als Anreiz zur Einhaltung der wichtigsten internationalen Grundsätze bezüglich Menschen- und Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz und Governance; Intensivierung der Zusammenarbeit mit der ILO zur Förderung menschenwürdiger Arbeit; Förderung der SVU im Rahmen der Neuen Afrika-Strategie und Beobachtung der relevanten internationalen Initiativen (Arbeiten des UNO-Sonderbeauftragten, ISO-Leitfaden sowie Zertifizierung im Rahmen des Kimberley-Prozesses). Diese Initiativen sind umso bedeutender, als sie für bestimmte Länder eine Etappe in Richtung wirksamer sozialrechtlicher Bestimmungen sein können.

    2.3.9.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Akteure in den Freihandelszonen, die zur Schaffung eines günstigen Investitionsklimas eingerichtet wurden, in keinem Fall außerhalb der Grenzen der nationalen arbeitsrechtlichen Bestimmungen tätig sein dürfen. Die Erklärung des Bemühens um SVU darf nicht an die Stelle der Einhaltung aller grundlegenden ILO-Übereinkommen treten.

    Brüssel, den 14. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Der (aus dem Griechischen stammende) Begriff ‚Praxis‘ bedeutet Tätigwerden und bezeichnet die Gesamtheit der Tätigkeiten des Menschen, durch die das natürliche Umfeld oder die sozialen Beziehungen verändert werden können.

    (2)  KOM(2001) 366 endg.

    (3)  EWSA-Stellungnahme vom 20.3.2002 zum Thema „Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“; Berichterstatterin: Frau HORNUNG-DRAUS; Mitberichterstatterin: Frau ENGELEN-KEFER, Mitberichterstatter: Herr HOFFELT; (ABl. C 125 vom 27.5.2002).

    (4)  EWSA-Stellungnahme vom 8. Juni 2005 zum Thema „Informations- und Messinstrumente für die soziale Verantwortung der Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft“; Berichterstatterin: Frau PICHENOT (ABl. C 286 vom 17.11.2005).

    (5)  KOM(2006) 136 endg.

    (6)  KOM(2006) 249 endg.

    (7)  Vermerk 10117/06.

    (8)  KOM(2006) 136 endg.

    (9)  EWSA-Stellungnahme vom 4./5. Juli 2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“; Berichterstatter: Herr EHNMARK (CESE 493/2006).

    (10)  EWSA-Stellungnahme vom 22. Mai 2006 zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den RatÜberprüfung der Strategie für nachhaltige EntwicklungEin Aktionsprogramm“; Berichterstatter: Herr RIBBE (CESE 736/2006).

    (11)  EWSA-Stellungnahme vom 8. Juni 2005 zum Thema „Informations- und Messinstrumente für die soziale Verantwortung der Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft;“ Berichterstatterin: Frau PICHENOT (ABl. C 286 vom 17.11.2005).

    (12)  EWSA-Stellungnahme vom 13. September 2006 zum Thema „Europäische Betriebsräte: Eine neue Rolle zur Förderung der europäischen Integration“, Berichterstatter: Herr IOZA (ABl. C 318 vom 23.12.2006), Ziffern 1.11 und 1.13.

    (13)  Siehe das Internetportal zu den Grundsätzen sozial verantwortlichen Investierens: http://www.unpri.org/principles/french.html (nicht in deutscher Sprache).

    (14)  EWSA-Stellungnahme vom 8. Juni 2005 zum Thema „Informations- und Messinstrumente für die soziale Verantwortung der Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft“ (Berichterstatterin: Frau PICHENOT (ABl. C 286 vom 17.11.2005), Ziffern 4.4.1. und 4.4.2.

    (15)  EWSA-Stellungnahme vom 8. Juni 2005 zum Thema „Informations- und Messinstrumente für die soziale Verantwortung der Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft“; Berichterstatterin: Frau PICHENOT (ABl. C 286 vom 17.11.2005) (Ziffer 4.4.3).


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/60


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“

    (2006/C 325/15)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 21. April 2006 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2006 an. Berichterstatterin war Frau HEINISCH.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember 2006) mit 105 gegen 4 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Diese ergänzende Stellungnahme bezieht sich auf die Definitionen und Analysen der vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss am 16. März 2006 verabschiedeten Stellungnahme „Häusliche Gewalt gegen Frauen“, die ausschließlich die von Männern gegenüber Frauen ausgeübte Partnergewalt behandelte (1). Die vorliegende Stellungnahme befasst sich ebenfalls nur mit diesem Teilbereich der Gewalt in der Familie, nämlich mit den Auswirkungen der Partnergewalt auf Kinder, die Zeugen dieser Gewalt sind. Die direkte Gewalt gegen Kinder in der Familie, die sehr häufig auch von Frauenden Mütternausgeübt wird, ist nicht Gegenstand dieser Stellungnahme. Obwohl das Aufwachsen in einem Klima körperlicher und psychischer Gewalt für Kinder gravierende Folgen haben kann, stehen Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt immer noch am Rande der Wahrnehmung. Auch vor dem Hintergrund der Rechte von Kindern auf ein Leben ohne Gewalt, insbesondere auch auf eine gewaltfreie Erziehung, sowie auf Fürsorge und Schutz, darf diese Situation nicht mehr hingenommen werden.

    1.2

    Daher bittet der EWSA die EU-Ratspräsidentschaften nachdrücklich, sich im Rahmen des Themas „Häusliche Gewalt gegen Frauen“ auch des Themas „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“ anzunehmen.

    Adressaten: EU-Ratspräsidentschaften; Kommission

    1.3

    Am 4. und 5. April 2006 wurde mit einer Konferenz in Monaco das Dreijahres-Programm (2006-2008) des Europarates gestartet „Ein Europa für und mit Kindern schaffen“ (Building a Europe for and with Children). Neben der „Werbung“ für den Schutz der Rechte von Kindern wird sich dieses Programm mit dem Bereich „Schutz von Kindern vor Gewalt“ befassen. Um diesem wichtigen Vorhaben noch mehr Nachdruck zu verschaffen, auch und gerade bei den Medien, schlägt der EWSA eine gemeinsame Aktion vor: zusammen mit dem Europarat, dem Europäischen Parlament, dem Ausschuss der Regionen und UNICEF.

    Adressaten: Europarat, Europäisches Parlament, Ausschuss der Regionen, UNICEF

    1.4

    Zwar liegt die Hauptverantwortung für die Bekämpfung der häuslichen Gewalt bei den Mitgliedstaaten. Wegen der Bedeutung der Rechte von Kindern und wegen der Unterschiedlichkeit der jeweiligen nationalen Reaktionen, hält der EWSA jedoch eine gesamteuropäische Strategie für erforderlich.

    Grundlage dieser gesamteuropäischen Strategie muss die Durchführung einer ersten EU-weiten Studie zur Prävalenz und den Folgen des Aufwachsens im Kontext häuslicher Gewalt sein sowie zu den Möglichkeiten und Angeboten von Schutz und Unterstützung für die von dieser Gewalt indirekt betroffenen Kinder.

    Adressaten: Kommission, Generaldirektion Recht, Freiheit und Sicherheit

    1.5

    Gewalt gegen Kinder im Kontext häuslicher Gewalt kann nur auf der entsprechenden nationalen Ebene wirksam bekämpft werden. Deshalb sollte jeder Mitgliedstaat in die Entwicklung und Umsetzung des jeweiligen Nationalen Aktionsplanes für die Bekämpfung der häuslichen Gewalt auch die Thematik „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“ ausdrücklich aufnehmen. Dabei sollten folgende Bereiche besonders berücksichtigt werden:

    Erhebungen zur Prävalenz und den Folgen des Aufwachsens im Kontext häuslicher Gewalt;

    Erhebungen zu den Möglichkeiten und Angeboten von Schutz und Unterstützung für die von dieser Gewalt indirekt betroffenen Kinder;

    Sicherstellung der Wahrnehmung der von häuslicher Gewalt indirekt betroffenen Kinder als eigenständige Gruppe, für die spezielle Unterstützungsangebote entwickelt werden müssen;

    Vernetzung und Kooperation aller Maßnahmen in allen Handlungsfeldern, insbesondere jedoch zwischen Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen einerseits und Jugendämtern, Familiengerichten, Kinderschutzzentren und Familienberatungsstellen andererseits;

    Berücksichtigung der Dynamik häuslicher Gewalt bei den Regelungen des Umgangs- und Sorgerechtes;

    Berücksichtigung der besonderen Situation der Kinder misshandelter Migrantinnen;

    Sicherstellung der Aus- und Fortbildung aller zuständigen Berufsgruppen und Handlungsfelder — wie Kinder- und Jugendhilfe, Beratungs- und Schutzeinrichtungen, Interventionsstellen, Schule, Kindergarten und Freizeiteinrichtungen, Gesundheitswesen, Polizei und Justiz -, deren Aufgabe es ist, die spezifische Gefährdung von Kindern im Kontext häuslicher Gewalt zu erkennen und den Betroffenen wirkungsvoll zu helfen;

    Entwicklung und Einsatz spezieller Präventionsangebote zur Thematik „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“;

    Durchführung von Sensibilisierungskampagnen, die sich an potenzielle unmittelbare Zeugen von Gewalt gegen Kinder richten (Nachbarn, Bekannte der Eltern oder Verwandte), mit dem Ziel, dem passiven Verhalten dieser Personen Kindesmisshandlungen gegenüber entgegenzuwirken;

    Schaffung von Ansprechpartnern für Kinder und Unterstützung durch staatliche und nicht-staatliche Einrichtungen im Sinne des in mehreren Ländern bereits eingerichteten Kinderombudsmannes (2).

    Mit Aufklärungskampagnen sollten die Nationalen Aktionspläne und die in ihnen enthaltenen Maßnahmen und Konzepte bekannt gemacht werden.

    Adressaten: Mitgliedsstaaten

    2.   Begründung

    2.1   Warum eine ergänzende Stellungnahme?

    2.1.1

    Diese ergänzende Stellungnahme bezieht sich auf die Definitionen und Analysen der vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss am 16. März 2006 verabschiedeten Stellungnahme „Häusliche Gewalt gegen Frauen“, die ausschließlich die von Männern gegenüber Frauen ausgeübte Partnergewalt behandelte. Die vorliegende Stellungnahme befasst sich ebenfalls nur mit diesem Teilbereich der Gewalt in der Familie, nämlich mit den Auswirkungen der Partnergewalt auf Kinder, die Zeugen dieser Gewalt sind. Die direkte, unmittelbare Gewalt gegen Kinder in der Familie, die sehr häufig auch von Frauenden Mütternausgeübt wird, ist nicht Gegenstand dieser Stellungnahme. Empirische Befunde belegen für mehrere europäische Länder, dass in mindestens der Hälfte aller Fälle häuslicher Gewalt Kinder anwesend sind und ca. drei Viertel der Frauen, die in ein Frauenhaus flüchten, Kinder dabeihaben (3). Durch empirische Befunde und statistische Daten ist ebenfalls eindeutig belegt, dass die Gewalt gegen die Mutter durch den Vater den Kindern immer schadet, auch wenn häusliche Gewalt keine direkte, unmittelbare Gewalt gegen Kinder ist. Dennoch stehen Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt immer noch am Rande der Wahrnehmung und ihnen kommt bei weitem nicht die Aufmerksamkeit, die Hilfe und die Unterstützung zu, der sie bedürfen. Das will diese ergänzende Stellungnahme ändern, indem sie „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“ in den Blick nimmt, ihre spezifische Situation beschreibt, die Probleme benennt und Empfehlungen für eine Verbesserung der Lage und der Rechte dieser Kinder ausspricht.

    2.2   Gewalt gegen Kinder im Kontext häuslicher Gewalt

    2.2.1

    Gewalt gegen Kinder ereignet sich vor allem im sozialen Nahraum, insbesondere in der Familie. Hier können Kinder noch am ehesten Opfer und Zeugen von Gewalt werden: Opfer von Gewalt durch Erwachsene, Zeugen von Gewalt zwischen Erwachsenen.

    2.2.2

    Während die direkte, unmittelbare Gewalt an Kindern in der Familie bzw. im sozialen Nahraum der Familie — körperliche, sexuelle und seelische Misshandlung sowie Vernachlässigung — schon seit etlichen Jahren auch und gerade auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten als Problem erkannt, als eine der schwerwiegendsten Verletzungen der Rechte von Kindern bewertet und entsprechende Konsequenzen hinsichtlich der Verhinderung und Verfolgung dieser Gewalt gezogen worden sind, stehen Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt immer noch am Rande der Wahrnehmung (4).

    2.2.3

    Häusliche Gewalt wird als Partnergewalt verstanden, als psychische oder physische (einschließlich sexueller) Gewalt innerhalb von ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften (5). Sie wird überwiegend von Männern gegen Frauen ausgeübt. Ein Großteil der betroffenen Frauen sind Mütter. Wenn diese Gewalt durch ihren Partner erfahren, dann sind in der Mehrzahl der Fälle die Kinder entweder direkt anwesend oder in „Hörweite“ (6).

    2.2.4

    Gewalt gegen die Mutter ist eine Form der Gewalt gegen das Kind. Kinder, die Zeugen häuslicher Gewalt sind, die miterleben und beobachten müssen, wie ihr Vater oder Stiefvater bzw. der Lebensgefährte ihrer Mutter diese schlägt und misshandelt, sind immer auch Opfer psychischer Gewalt. Auch wenn häusliche Gewalt keine direkte, unmittelbare Gewalt gegen Kinder ist, schadet die Gewalt gegen die Mutter den Kindern immer (7).

    2.2.5

    Außerdem ist durch mehrere wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen worden, dass häusliche Gewalt gegen Frauen und Kindesmisshandlungen häufig in denselben Familien auftreten (8). Männer, die ihre Partnerinnen misshandeln, üben nicht selten auch Gewalt gegen die Kinder aus. Frauen, die Gewalt erfahren, üben bisweilen ihrerseits auch wieder Gewalt gegen ihre Kinder aus, da sie in einem Umfeld leben, in dem Gewalt gang und gäbe ist.

    2.2.6

    Hinzu kommt, dass misshandelte Frauen häufig so belastet sind, dass sie ihre Kinder nicht angemessen betreuen und versorgen können. Dauerhaft der Misshandlung durch den Partner ausgesetzt zu sein, beraubt viele Frauen der Möglichkeit, etwas zum Schutz der Kinder zu unternehmen.

    2.2.7

    Häusliche Gewalt stellt also nicht nur eine Bedrohung und Beschädigung des Lebens von Frauen dar, sondern auch eine Beeinträchtigung und Gefährdung des Wohls der Kinder.

    2.3   Die Auswirkungen häuslicher Gewalt auf Kinder

    2.3.1

    Das Aufwachsen in einem Klima körperlicher und psychischer Gewalt kann für Kinder gravierende Folgen haben. Kinder — selbst kleine Kinder — fühlen sich angesichts der Gewalt ihres Vaters oder Stiefvaters bzw. des Lebensgefährten ihrer Mutter und der Ohnmacht der Mutter sehr hilflos und ausgeliefert, aber zum Teil auch verantwortlich für das, was passiert. Oftmals glauben sie, dass sie selbst Schuld an der Gewalt haben. Oder sie versuchen einzugreifen und die Mütter zu schützen und werden dabei selbst misshandelt.

    2.3.2

    Verschiedene Studien, vor allem im angloamerikanischen Raum, haben sich mit dieser Problematik beschäftigt (9). Auch wenn die Folgen für das einzelne Kind unterschiedlich sind und nicht alle Kinder in Folge der Gewalt Verhaltensauffälligkeiten entwickeln, und es an empirisch gesicherten Kriterien fehlt, um darüber zu entscheiden, ob und wie groß das Risiko im Einzelfall ist, lassen sich doch deutliche Zusammenhänge aufzeigen.

    2.3.3

    Als Belastungsfaktoren sind vor allem zu nennen: Das Leben in einer bedrohlichen Atmosphäre, die Unvorhersehbarkeit erneuter Übergriffe, die existentielle Angst um die Mutter, das Erleben von Hilflosigkeit in den betreffenden Situationen, das Gefühl der Isolation durch das häufig gegenüber Außenstehenden auferlegte Schweigegebot, Loyalitätskonflikte gegenüber den Eltern, Beeinträchtigung der Eltern-Kind-Beziehung.

    2.3.4

    Dadurch können Kinder massive Probleme und Verhaltensstörungen entwickeln: psychosomatische Symptome und psychische Störungen wie geringes Selbstwertgefühl, Ruhelosigkeit, Schlafstörungen, Schulschwierigkeiten, Ängstlichkeit und Aggression bis hin zu Suizidgedanken.

    2.3.5

    Wenn die Täter nicht nur ihre Partnerin misshandeln, sondern auch die Kinder, können die entsprechenden Symptome gestörter Entwicklung und psychischer Auffälligkeiten noch gravierender sein.

    2.3.6

    Das Aufwachsen in einem Kontext häuslicher Gewalt kann auch Auswirkungen auf deren Einstellung zur Gewalt und zu eigenem gewalttätigen Verhalten haben. Kinder können durch das Beobachten des elterlichen Verhaltens oder eigene Gewalterfahrungen die problematischen Verhaltensmuster der Erwachsenen übernehmen. Der so genannte „Kreislauf der Gewalt“ kann dazu führen, dass Jungen die Täterrolle und Mädchen die Opferrolle lernen und als Erwachsene selber zu Tätern oder Opfern häuslicher Gewalt werden.

    2.3.7

    Besonders gravierend scheinen die Auswirkungen auf die Kinder zu sein, die (mit)erleben mussten, dass die Mutter durch den Partner getötet wurde.

    2.4   Analyse und Vorschläge des EWSA

    2.4.1

    Wenn Kinder im Kontext häuslicher Gewalt aufwachsen, werden sie dadurch immer direkt oder indirekt mitbetroffen. Sie sind zahlreichen Belastungsfaktoren ausgesetzt, die sich erheblich und nachhaltig auf ihr Wohlergehen und ihr Verhalten auswirken können.

    2.4.2

    Diese Auswirkungen sind in ihrer Bedeutung lange unterschätzt worden. Trotz einer in den letzten Jahren beginnenden Diskussion der Problematik stehen Kinder als Opfer häuslicher Gewalt immer noch am Rande der Wahrnehmung.

    2.4.3

    Auch vor dem Hintergrund der Rechte von Kindern auf ein Leben ohne Gewalt, insbesondere auch auf eine gewaltfreie Erziehung, sowie auf Fürsorge und Schutz, darf diese Situation nicht mehr hingenommen werden (10).

    2.4.4

    Die Vorschläge des EWSA richten sich vor allem auf folgende Bereiche:

    2.4.5

    Erhebungen zur Situation von Kindern im Kontext häuslicher Gewalt in den EU-Mitgliedstaaten

    2.4.5.1

    Ob und in welchem Ausmaß die Situation von Kindern im Kontext häuslicher Gewalt in den EU-Mitgliedsstaaten als Problem erkannt worden ist und zu Maßnahmen der Intervention und Prävention geführt hat, ist durchaus unterschiedlich (11). Das entspricht der in der Stellungnahme des EWSA zur „Häuslichen Gewalt gegen Frauen“ beschriebenen Situation auf EU-Ebene (12).

    2.4.5.2

    Für die fachliche und politische Diskussion innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wäre ein genauer, aktueller Kenntnisstand über den gesellschaftlichen Umgang mit diesem Phänomen der häuslichen Gewalt, über gesetzliche Grundlagen und Herangehensweisen hinsichtlich des Schutzes und der Unterstützung der Kinder und über Intervention und Prävention wichtig.

    2.4.6   Durchführung von Forschungsprojekten zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der häuslichen Gewalt auf Kinder

    2.4.6.1

    Das Forschungsfeld „Kinder im Kontext häuslicher Gewalt“ muss in den meisten EU-Mitgliedstaaten als „terra incognita“ bezeichnet werden (13). Es liegen nur vereinzelte Studien zur Situation von Kindern vor, die im Kontext von häuslicher Gewalt aufwachsen. Auch die Möglichkeiten und Barrieren im Zugang zu Hilfe und Unterstützung sind kaum erforscht.

    2.4.6.2

    In allen EU-Mitgliedstaaten sollten Erhebungen und Forschungsprojekte zu Kindern im Kontext häuslicher Gewalt durchgeführt werden. Um die Vergleichbarkeit von Methoden und Befunden sicherzustellen, wäre ein koordiniertes Vorgehen sinnvoll und erforderlich (14).

    2.4.7   Förderung der Unterstützung von Kindern als indirekte Opfer häuslicher Gewalt

    2.4.7.1

    Während die Schutz- und Unterstützungsangebote für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, in den letzten Jahren deutlich verbessert worden sind, gibt es bislang kaum Unterstützungsangebote für die Kinder dieser Frauen.

    2.4.7.2

    Für eine wirksame Unterstützung dieser Kinder ist es wichtig, zwischen indirekten Gewalterfahrungen als Zeugen und direkten Gewalterfahrungen durch elterliche Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch zu unterscheiden. Auch wenn es häufig zu Überschneidungen kommt, sollten durch häusliche Gewalt indirekt betroffene Kinder als „eigenständige“ Opfer wahrgenommen werden, für die spezielle Unterstützungsangebote entwickelt werden müssen.

    2.4.7.3

    In Fällen häuslicher Gewalt sind weder der misshandelnde Mann noch die misshandelte Frau in der Lage, die Situation der Kinder angemessen im Blick zu behalten. Die Kinder brauchen deshalb ein eigenständiges Beratungsangebot und Unterstützung durch staatliche und nicht-staatliche Einrichtungen. Beispielhaft dafür sind die Regelungen in Schweden: Die schwedischen Kinder und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr haben einen eigenen Ombudsmann („Barnombudsmannen“), der unter anderem regelmäßige Kontakte zu Kindern und Jugendlichen unterhält, um deren Ansichten und Standpunkte einzuholen (15).

    2.4.7.4

    Vielfach sind Nachbarn, Bekannte der Eltern oder Verwandte Zeugen von Gewalt gegen Kinder. Durch deren aktive Haltung könnten viele Tragödien verhindert werden. In der Praxis bemühen sich diese jedoch nur sehr selten, einem misshandelten Kind zu helfen. Dieser Gleichgültigkeit entgegenzuwirken, erfordert Konsequenz und entsprechende Informationskampagnen, die bei den potenziellen Zeugen von Gewalt auch positive Emotionen auslösen.

    2.4.8   Verbesserung der Kooperation zwischen Kinderschutz und Frauenschutz

    2.4.8.1

    Der Schutz von Frauen und ihrer Kinder vor häuslicher Gewalt scheinen sehr verwandt. Tatsächlich gibt es aber nicht unerhebliche Interessenskonflikte zwischen dem Schutz und der Unterstützung von Frauen und dem Schutz und der Unterstützung von Kindern.

    2.4.8.2

    Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen auf der einen und Kinderschutzeinrichtungen und Jugendämter auf der anderen Seite stehen sich oft in einer misstrauischen Distanz gegenüber.

    2.4.8.3

    Empirische Ergebnisse weisen jedoch eindeutig auf die Notwendigkeit von Kooperation hin: Wenn die Bedrohung und Misshandlung der Mütter ausgeblendet wird, können getroffene Umgangs- und Sorgerechtsregelungen Frauen auch nach einer Trennung von dem gewalttätigen Partner immer wieder in den Kontakt zu ihm zwingen und dadurch zur Gefährdung und Verletzung von Frauen und Kindern führen (16).

    2.4.8.4

    Ziel zukünftiger Strategien und Regelungen muss es sein, eine gute Kooperation zwischen Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen einerseits und Jugendämtern, Familiengerichten, Kinderschutzzentren, Familienberatungsstellen andererseits aufzubauen.

    2.4.9   Stärkere Berücksichtigung der Dynamik häuslicher Gewalt bei den Regelungen des Umgangs- und Sorgerechtes

    2.4.9.1

    Die kindschaftsrechtlichen Regelungen der EU-Mitgliedstaaten orientieren sich vielfach an dem Leitbild der gemeinsamen, kooperativen Elternschaft und der gemeinsamen Verantwortung von Mutter und Vater für das Kind auch nach einer Trennung sowie an der damit korrespondierenden Perspektive des Kindes auf ein eigenständiges Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen.

    2.4.9.2

    Bei häuslicher Gewalt, bei der sich ein gewalttätiger Elternteil meist über einen längeren Zeitraum ständig über die Rechte und Grenzen von Partnerin und Kind hinweggesetzt und ihnen körperliche und seelische Verletzungen zugefügt hat, fehlen jedoch die Voraussetzungen, die ein so orientiertes Kindschaftsrecht von beiden Elternteilen einfordert. Nämlich eine verantwortungs- und respektvolle Partnerschaft und die damit verbundene Fähigkeit, Konflikte auf der Paarebene von der Elternebene zu trennen.

    2.4.9.3

    In kindschaftsrechtlichen Verfahren müssen deshalb stärker als bisher die für häusliche Gewalt typischen Gefährdungsaspekte mitbedacht werden, insbesondere die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Gefahr der Gewaltausübung mit der Trennung nicht beendet ist. Der Schutz und die Sicherheit von Frauen und Kindern müssen wesentliche Aspekte der Entscheidung sein.

    2.4.9.4

    Beim Abwägen zwischen den Rechtsgütern Schutz und Unterstützung von Frauen, Schutz und Wohl von Kindern und Rechte der Männer muss der Schutz vor Gewalt immer Vorrang vor dem Recht auf Kontakt haben.

    2.4.10   Besondere Anforderungen: Kinder misshandelter Migrantinnen

    2.4.10.1

    In einem Teil der Fälle häuslicher Gewalt handelt es sich um Frauen und Kinder mit Migrationshintergrund, die aufgrund der Trennung von Familienangehörigen und dem Ausscheiden aus der gewohnten sozialen Umgebung, die keine Gewalt zulassen würde, einem irregulären Aufenthaltsstatus, geringen Sprachkenntnissen und schwierigen Lebensbedingungen in ihrem sozialen Umfeld usw. leichter gefährdet sein können.

    2.4.10.2

    Zwar kommt häusliche Gewalt ausnahmslos in allen Ländern, allen Kulturen und auf allen sozialen Ebenen vor, doch sind Frauen und Kinder besonders in den Gesellschaften und Kulturen gefährdet, in denen die Gleichstellung von Männern und Frauen am wenigsten gegeben ist, die geschlechterspezifischen Rollen am starrsten sind und kulturelle Normen bestehen, durch die die Rechte der Männer gegenüber den Frauen gestützt werden.

    2.4.10.3

    Je nach Aufenthaltsstatus begrenzt konkret die rechtliche Situation die Handlungsoptionen. Das gilt insbesondere für irregulär aufhältliche Migrantinnen und deren Kinder.

    2.4.10.4

    Daher muss bei allen Interventionen, Hilfs- und Unterstützungsangeboten die Situation von Migrantinnen und ihrer Kinder besonders beachtet werden. Außerdem müssen gemeinsam mit den sozialen Akteuren und den Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft spezifische Kampagnen zur Information und Verbesserung der Sicherheit dieser Personengruppen durchgeführt werden.

    2.4.11   Verbesserung der Aus- und Fortbildung aller im Kontext häuslicher Gewalt tätigen Professionen

    2.4.11.1

    Die Wahrnehmung der Interessen der Kinder verlangt von allen zuständigen Berufsgruppen und Handlungsfeldern — wie Kinder- und Jugendhilfe, Beratungs- und Schutzeinrichtungen, Interventionsstellen, Schule, Kindergarten und Freizeiteinrichtungen, Gesundheitswesen, Polizei und Justiz — eine hohe Professionalität.

    2.4.12   Betonung der Bedeutung der Prävention von häuslicher Gewalt

    2.4.12.1

    Alle Konzepte und Maßnahmen, die geeignet sind, häusliche Gewalt gegen Frauen zu verhindern, wirken sich auch entsprechend auf die Situation von Kindern im Kontext häuslicher Gewalt aus (17).

    2.4.12.2

    Darüber hinaus müssen spezielle Präventionsangebote zum Thema „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“ eingesetzt werden. Dazu zählen auch Informationsmaterialien für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Handlungsfeldern.

    Brüssel, den 14. Dezember 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Initiativstellungnahme des EWSA vom 16.3.2006 zum Thema „Häusliche Gewalt gegen Frauen“, Berichterstatterin: Frau HEINISCH (ABl. C 110 vom 9.5.2006, S. 89-94), Punkt 2.3.4 und 2.3.5.

    URL: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ: C:2006:110:0089:0094:DE:PDF.

    (2)  European Network of Ombudspersons for Children (ENOC):

    http://www.ombudsnet.org/

    (3)  Entsprechende Nachweise bei B. Kavemann/U. Kreyssig (Hrsg.): Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. Wiesbaden 2006.

    (4)  Beispielhaft dafür sind die zahlreichen Projekte, die im Rahmen des DAPHNE-Programms gefördert worden sind und gefördert werden. Einen aktuellen Überblick über die Aktivitäten des Europarates zur Förderung der Rechte von Kindern auf Schutz vor allen Formen der Gewalt gibt der vom UNICEF Innocenti Research Centre 2005 veröffentlichte Bericht „Council of Europe Actions to Promote Children's Rights to Protection from all Forms of Violence“.

    (5)  Zu Definition, Ausmaß, Ursachen und Auswirkungen siehe die EWSA-Stellungnahme zum Thema „Häusliche Gewalt gegen Frauen“ (Fußnote 1).

    (6)  Siehe dazu.: A. Mullender/R. Morley: Children living with domestic violence. Putting men's abuse of women on the Child Care Agenda. London 1994.

    (7)  Siehe dazu: E. Peled e.a. (eds.): Ending the cycle of violence. Community response to children of battered women. Thousand Oaks, CA 1995.

    (8)  Siehe dazu: A. Mullender/R. Morley: Children living with domestic violence. Putting men's abuse of women on the Child Care Agenda. London 1994.

    (9)  Ein zusammenfassend dargestellter und bewerteter Vergleich einer Vielzahl dieser Untersuchungen findet sich bei Jeffrey L. Edleson: Should childhood exposure to adult domestic violence be defined as child maltreatment under the law?

    http://www.mincava.umn.edu/link/documents/shouldch/shouldch.shtml.

    (10)  So die UN-Kinderrechtskonvention (Konvention über die Rechte des Kindes), die 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen und inzwischen mit Ausnahme von zwei Ländern weltweit ratifiziert worden ist. Zur Situation der „Kinderrechte“ auf EU-Ebene wurde im Juli 2006 eine Mitteilung der Kommission veröffentlicht (KOM(2006) 367 endg.). Stellungnahme des EWSA vom 12./13.12.2006 zu dem Thema „Mitteilung der Kommission im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie“, Berichterstatterin: Frau VAN TURNHOUT (CESE 1296/2006 fin).

    (11)  Das zeigen die für Irland, Großbritannien, Dänemark, Schweden und Deutschland vorliegenden Berichte und Informationen. Einen guten Überblick über die aktuelle Situation in Deutschland und in einigen anderen Mitgliedsstaaten gibt das von Barbara Kavemann und Ulrike Kreyssig herausgegebene „Handbuch Kinder und häusliche Gewalt“, Wiesbaden 2006.

    (12)  Siehe dazu Ziffer 2.3.2 der EWSA-Stellungnahme zum Thema „Häusliche Gewalt gegen Frauen“ (Fußnote 1).

    (13)  Selbst in dem kürzlich — Februar 2006 — veröffentlichten Bericht „State of European research on the prevalence of interpersonal violence and its impact on health and human rights“ kommt diese Problematik in dem Kapitel „Violence against children and youth“ nicht vor (

    http://www.cahrv.uni-osnabrueck.de/reddot/CAHRVreportPrevalence(1).pdf).

    (14)  Etwa im Rahmen des DAPHNE-Programmes oder durch eine Einrichtung wie das EU Forschungsnetzwerk „Co-ordination Action on Human Rights Violations (CAHRV)“, das Forschung zu allen Formen der interpersonellen Gewalt im Verhältnis zwischen den Geschlechtern und Generationen zusammenführen soll und aus dem 6. Rahmenprogramm der Europäischen Kommission finanziert wird

    (siehe www.cahrv.uni-osnabrueck.de).

    (15)  Siehe dazu auch die Rede des derzeitigen Ombudsmannes „Corporal Punishment of Children“, in der auch auf die Situation von Kindern eingegangen wird, die Zeugen häuslicher Gewalt geworden sind (nur in Englisch)

    ( http://www.bo.se/files/in %20english, %20publikationer, %20pdf/corporal %20punishment %20of %20children060501.pdf)

    Inzwischen gibt es auch in anderen Ländern diese Einrichtung; siehe dazu das European Network of Ombudspersons for Children (ENOC):

    http://www.ombudsnet.org/

    (16)  Siehe dazu etwa M. Hester/l. Radford: Domestic violence and child contact arrangements in England and Denmark. Bristol 1994. 70 % der Frauen, deren Kinder Kontakt zum Vater hatten, wurden während der Besuche oder während der Übergabe der Kinder erneut misshandelt und/oder bedroht, auch noch nach mehr als einem Jahr Trennung; 55 % der Kinder wurden während der Besuche misshandelt.

    (17)  Siehe dazu die Stellungnahme des EWSA „Häusliche Gewalt gegen Frauen“.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/65


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie“

    KOM(2006) 367 endg.

    (2006/C 325/16)

    Die Europäische Kommission beschloss am 13. Juli 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2006 an. Berichterstatterin war Frau van TURNHOUT.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) stimmt der Mitteilung der Kommission im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie zu. Insbesondere begrüßt der Ausschuss den Vorschlag, eine umfassende Strategie zur wirksamen Förderung und zum Schutz der Rechte des Kindes im Rahmen der innergemeinschaftlichen Politik und der Außenbeziehungen der EU zu entwickeln und die diesbezüglichen Anstrengungen der Mitgliedstaaten zu unterstützen.

    1.2

    Der EWSA bedauert jedoch, dass die Mitteilung nicht aussagt, dass die Strategie zu Mindeststandards verpflichten und umfassende Zielsetzungen mit konkreten Zielvorgaben und Fristen enthalten soll.

    1.3

    Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Strukturen, die zur Unterstützung dieser Strategie aufgebaut werden sollen: ein Referat für Kinderrechte innerhalb der Kommission und ein Koordinator für Kinderrechte, eine dienststellenübergreifende Gruppe in der Kommission, ein europäisches Forum für die Rechte des Kindes, eine webgestützte Diskussions- und Arbeitsplattform, Aktivitäten zur unmittelbaren Einbeziehung von Kindern in den Prozess und eine Kommunikationsstrategie zu den Rechten des Kindes. Der EWSA bietet seine aktive Mitwirkung in diesen wichtigen Foren an.

    1.4

    Der Ausschuss bedauert indes, dass der Situation von Mädchen, Kindern mit Behinderungen sowie Kindern von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen sowohl in der EU als auch weltweit nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.

    1.5

    Der EWSA hält die Feststellung für angebracht, dass die Mitgliedstaaten zur Einhaltung internationaler Verträge verpflichtet sind, und ruft dazu auf, in der Strategie noch eindringlicher zu betonen, dass die Mitgliedstaaten ihre auf europäischer und internationaler Ebene bestehenden Verpflichtungen bezüglich der Rechte des Kindes — insbesondere gemäß dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes — unverzüglich umsetzen müssen.

    1.6

    Bei der Entwicklung der Strategie sollten nach Auffassung des Ausschusses die Verschiedenheit der Kinder und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse berücksichtigt und dabei ein besonderer Schwerpunkt auf Kinder betreffende Armut und Diskriminierung gelegt werden. Der EWSA empfiehlt, vorrangig eine Reihe vergleichbarer Indikatoren zu erarbeiten und eine einheitliche Datenerhebung auf Ebene der Mitgliedstaaten zu entwickeln. Er dringt insbesondere auf eine gebührende Berücksichtigung der Frage einer hochwertigen Früherziehung für Kinder unter sechs Jahren und auf die Festlegung von ergänzenden qualitativen Zielmarken für Kinderbetreuungsdienste und die Tagesbetreuung.

    1.7

    Der EWSA dringt darauf, dem Koordinator für Kinderrechte den nötigen Rang und ausreichend politisches Gewicht zu verleihen, damit die Ziele der Kinderrechtsstelle erreicht werden können, und den nötigen politischen Willen einzusetzen, um im Sinne der Mitteilung voranzuschreiten und das Grünbuch und die Strategie zu entwickeln. Das Europäische Parlament sollte nach Ansicht des Ausschusses eine spezifische Maßnahme zur Finanzierung der Strategie und der darin vorgeschlagenen Aktionen in Betracht ziehen.

    2.   Hintergrund

    2.1

    Die Rechte des Kindes sind Bestandteil der Menschenrechte, zu deren Einhaltung sich die EU und die Mitgliedstaaten durch europäische und internationale Verträge, insbesondere das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes und die dazugehörigen Fakultativprotokolle (1) sowie die Millennium-Entwicklungsziele (2) und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (3) (EMRK) verpflichtet haben. Die EU hat die Rechte des Kindes ausdrücklich in der Europäischen Charta der Grundrechte (4), insbesondere in Artikel 24, anerkannt.

    2.2

    In ihrer Mitteilung „Strategische Ziele 2005-2009“ bezeichnet die Kommission die Rechte des Kindes als ein vorrangiges Anliegen: „Besondere Priorität muss dem wirksamen Schutz der Rechte der Kinder gelten, sowohl gegen wirtschaftliche Ausbeutung als auch gegen jede Form des Missbrauchs, wobei die Union für den Rest der Welt Vorbild sein sollte“ (5). Vor diesem Hintergrund beschloss die Gruppe der für Grundrechte, Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit zuständigen Kommissionsmitglieder im April 2005 eine besondere Initiative mit Blick auf die weitere Förderung, den Schutz und die Berücksichtigung der Rechte des Kindes in den internen und externen Maßnahmen der EU.

    2.3

    Im März 2006 ersuchte der Europäische Rat die Mitgliedstaaten, „die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Kinder betreffende Armut rasch in erheblichem Maße zu verringern und damit allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die gleichen Chancen zu bieten“.

    2.4

    Die vorliegende Mitteilung setzt diese Beschlüsse in die Tat um.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die „Mitteilung der Kommission im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie“, deren Schwerpunkt auf allen Kindern unter 18 Jahren liegt. Der Ausschuss unterstützt diese bedeutsame Initiative der Kommission, mit der das Fundament für die Entwicklung der Politik im Bereich „Rechte des Kindes“ gelegt wird. Insbesondere stellt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission heraus, eine umfassende Strategie der EU zur Förderung und zum wirkungsvollen Schutz der Rechte von Kindern in der innergemeinschaftlichen Politik und den Außenbeziehungen der Europäischen Union sowie zur Unterstützung der diesbezüglichen Anstrengungen der Mitgliedstaaten aufzustellen.

    3.2

    Wie sich die Zukunft Europas gestaltet, hängt zunehmend von der Fähigkeit ab, eine Gesellschaft zu schaffen, die Kinder annimmt und trägt. In dieser Mitteilung wird anerkannt, dass die Förderung und Wahrung der Rechte von Kindern für die Zukunft der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung ist und dass die Schaffung einer kinderfreundlichen Gesellschaft in der EU nicht von der Notwendigkeit losgelöst werden kann, die europäische Integration zu vertiefen und zu festigen. Kinder dürfen nicht nur als künftige Erwachsene und Arbeitskräfte wichtig sein, sondern es ist auch notwendig, die Kindheit als einen eigenständigen, wichtigen und wertvollen Lebensabschnitt anzuerkennen.

    3.3

    Der EWSA bedauert das Stocken des Verfassungsgebungsprozesses der Union, denn die Rechte des Kindes werden im Verfassungsvertrag und in der Charta der Grundrechte ausdrücklich anerkannt. Die Folge ist, dass die derzeit nur begrenzt bestehenden Rechtsgrundlagen, auf die sich die Rechte des Kindes in den EU-Verträgen stützen, mögliche Finanzierungsquellen aus dem Haushalt einengen.

    3.4

    In dem Wissen um die vielfältigen Herausforderungen, die sich Kindern und jungen Menschen in der heutigen Gesellschaft stellen, leistet der EWSA seit über zehn Jahren (6) regelmäßig einen Beitrag zur Entwicklung der Jugendpolitik auf Gemeinschaftsebene. Er hat grundlegende Debatten über zentrale Themen wie Jugendarbeitslosigkeit, soziale Integration, Bildung, Mobilität, Mitsprache und die Rolle nichtstaatlicher Organisationen in Gang gesetzt.

    3.5

    Der EWSA begrüßt die Bekräftigung, dass es von ganz entscheidender Bedeutung ist, die Rechte der Kinder als eigenständige Belange gelten zu lassen, d.h. sie sollten nicht lediglich Teil der umfassenden Anstrengungen zur Berücksichtigung der Menschenrechte in allen Bereichen sein. Der EWSA ist der Überzeugung, dass Kinder angesichts ihrer Verletzbarkeit und besonderen Bedürfnisse besonderen Schutzes und besonderer Betreuung bedürfen, und zwar einschließlich eines angemessenen Schutzes durch die Rechtsordnung.

    3.6

    Der EWSA dringt darauf, in der Strategie die wichtige Rolle der Familie, insbesondere der Eltern, und die Verantwortung der Mitgliedstaaten anzuerkennen, die Eltern in vielfältiger Form und nicht nur mit finanziellen Mitteln bei ihren Erziehungsaufgaben zu unterstützen.

    3.7

    Der EWSA begrüßt die Annahme einer Definition, nach der ein Kind jeder Mensch ist, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die dem „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ der Vereinten Nationen (UNKRK) entspricht. Es wird erforderlich sein, Maßnahmen der EU, die sich an Kinder im Alter von 15 bis 18 Jahren richten, aufeinander abzustimmen und zu koordinieren, da diese Altersgruppe gleichzeitig auch unter die EU-Definition für Jugendliche fällt. Die Strategie sollte einschlägige Zielsetzungen des Europäischen Jugendpaktes und der Methode der offenen Koordinierung im Jugendbereich aufgreifen.

    3.8

    Der EWSA drängt die Kommission, Mindeststandards zu erarbeiten und umfassende Zielsetzungen mit eindeutigen Zielen und Fristen für die Umsetzung der Mitteilung aufzunehmen.

    3.9

    Europa braucht das kontinuierliche Sicheinbringen von Kindern, mit dem sich ein integriertes, wettbewerbsfähiges, sicheres und integrationsfähiges Europa leichter aufbauen lässt. Wenn die Europäische Union für Kinder von Bedeutung sein soll, muss sie sich mit deren Lebenswirklichkeit befassen, deutliches Interesse für ihre Anliegen zeigen und diese auf kreative und wahrnehmbare Weise aufgreifen.

    3.10

    Der EWSA begrüßt die Bekräftigung der Kommission, dass Kinder ihre Meinung in Angelegenheiten und Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, äußern können müssen, wie in Artikel 12 UNKRK festgeschrieben. Jede Politik für Kinder muss den fundamentalen Grundsatz der Beteiligung der Kinder beachten: ein Grundsatz, der auf europäischer und internationaler Ebene aufgegriffen wird (7).

    3.11

    Der EWSA begrüßt darüber hinaus die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen, Kinder in den Prozess unmittelbar einzubeziehen. Die Mitgliedstaaten und die Institutionen müssen die nötigen Mittel und Verfahren sowie die erforderliche Unterstützung bereit stellen, um die Beteiligung von Kindern an der Entwicklung und Umsetzung der Strategie zu erleichtern. Kinder sollten bereits ab einem frühen Stadium und durch eine ganze Bandbreite altersgerechter Methoden, beispielsweise künstlerische Betätigung, einfach gemachte Diskussionen usw. in den Prozess eingebunden werden. Darüber hinaus sollte besonders betont werden, dass eine zentrale Herausforderung dieser Arbeiten in der Beteiligung von Kindern aus sozial benachteiligten Milieus, ethnischen Minderheiten oder von Kindern mit Behinderungen sowie der Gewährleistung der Chancengleichheit für sie besteht.

    3.12

    Ein horizontaler Ansatz bei der Politikgestaltung kann eine in sich stimmigere, wirkungsvollere Strategie gewährleisten. Arbeitgeber und Gewerkschaften werden von den Mitgliedstaaten regelmäßig gehört, wenn Politikinstrumente, wie z.B. die Leitlinien für die Beschäftigungspolitik, entwickelt werden. Ebenso hängt auch der Erfolg dieser Initiative von der Mitwirkung aller Beteiligten ab, insbesondere der Kinder, der Kinderorganisationen wie auch der Eltern, der Sozialpartner sowie der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der Mitgliedstaaten.

    3.13

    Daher hegt der EWSA die Hoffnung, dass diese Mitteilung sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf europäischer Ebene die Grundlage für eine wirksamere Partnerschaft zwischen den Entscheidungsträgern, den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, nichtstaatlichen Organisationen und den Kindern selbst legt. Eine echte und beständige Einbeziehung von Kindern und Kinderorganisationen in die Politikgestaltung und -umsetzung wird gewährleisten, dass den eigentlichen Bedürfnissen von Kindern Rechnung getragen und ihnen das Gefühl vermittelt wird, an der Verwirklichung der künftigen Strategie teilzuhaben.

    3.14

    Kinder bilden keine homogene Gruppe. Der Ausschuss empfiehlt daher, in den Politiken auf EU- und einzelstaatlicher Ebene die Verschiedenheit der Kinder und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen, z.B. Kinder, die aufgrund der Lage ihres Wohnorts, ihres Alters, Geschlechts, ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Kultur, Sprache, Behinderung oder Familienstruktur benachteiligt sind. Besondere Aufmerksamkeit muss — sowohl innerhalb der EU als auch weltweit — den Auswirkungen von Armut, sozialer Ausgrenzung, Behinderung, Diskriminierung und Rassismus sowie der Situation von Kindern aus ethnischen Minderheiten und von Flüchtlingen gewidmet werden.

    3.15

    Der EWSA begrüßt die Aussage, dass „auch der Ort, an dem Kinder leben, eine Rolle“ spielt. Kinder können aufgrund eines ungleichen Zugangs zum Leistungsangebot in ihrem Wohnumfeld, z.B. Zugang zu guten Schulen, Gesundheitsfürsorge, Wohnraum und Unterkunft, Sozialdienstleistungen, öffentlichem Verkehr, Spiel- und Freizeitmöglichkeiten, Information und Möglichkeiten der Mitwirkung in der Zivilgesellschaft benachteiligt sein. Der EWSA schlägt vor, dass die Strategie spezifische Zielsetzungen beinhaltet, durch die sichergestellt wird, dass Kinder an jedem Ort die gleichen Chancen haben; dazu gehört auch ein stärkerer Einsatz zur Bekämpfung der Kinder betreffenden Armut.

    3.16

    Der Ausschuss bedauert, dass der Situation von Mädchen, Kindern mit Behinderungen sowie Kindern von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen sowohl in der EU als auch weltweit nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.

    3.17

    In Übereinstimmung mit der Zusage der Kommission, das Thema Behinderung in alle Bereiche der Gemeinschaftspolitik einzubeziehen, was in der Mitteilung „Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen: Ein europäischer Aktionsplan“ (8) von 2003 ausdrücklich bekräftigt wird, sollte die Behindertenproblematik auch ein fester Bestandteil der Kinderrechtsstrategie sein, um eine umfassende und gleichberechtigte Beteiligung und Einbeziehung von Kindern mit Behinderungen sicherzustellen.

    3.18

    Der EWSA unterstützt die Auffassung der „Kommission für die Rechtsstellung der Frau 2007“, die zwar Fortschritte in der Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen der Beschlussfassung sieht, aber angesichts der ernsthaften und beständigen zahlreichen und vielfältigen Hindernisse, die der Förderung von Frauen und ihrer Beteiligung an der Beschlussfassung nach wie vor im Wege stehen, wie der stärkeren Verbreitung der Armut unter Frauen, des ungleichen Zugangs zu Gesundheitsfürsorge, allgemeiner und beruflicher Bildung und Beschäftigung sowie bewaffneter Konflikte und mangelnder Sicherheit ihre Besorgnis zum Ausdruck bringt (9).

    3.19

    Der EWSA bekundet seine Enttäuschung darüber, dass nicht auf eine anspruchsvolle „Früherziehung und -entwicklung“ von Kindern unter sechs Jahren Bezug genommen wird, obwohl Kinderbetreuung und die Tagesbetreuung ein langfristiges und vorrangiges politisches Ziel der EU ist und die EU quantitative Ziele dafür gesetzt hat. Der Ausschuss dringt darauf, dass dieser Bereich einen eigenen Platz in der vorgeschlagenen Strategie erhält, da er einen maßgeblichen Einfluss auf das Leben der Kinder und deren Wohlergehen hat und eindeutig in den Rahmen der Mitteilung gehört (10). Insbesondere betont der Ausschuss die Notwendigkeit, ergänzende qualitative Zielmarken für Kinderbetreuungsdienste zu entwickeln, bei denen die Rechte und das Wohl des Kindes berücksichtigt werden und die auf früheren Arbeiten des Ministerrates und des „Netzwerks Kinderbetreuung“ der Europäischen Kommission aufbauen (11).

    3.20

    Der EWSA begrüßt die bereits eingeleiteten Maßnahmen der Europäischen Union zum Abbau der Kinder betreffenden Armut. Allerdings müssen sich die Mitgliedstaaten der Aufgabe, die Kinderarmut zu beseitigen, energisch stellen und dafür Nahziele festlegen. Die Bewältigung dieser Aufgabe erfordert ein umfassendes, nachhaltiges und mit allen erforderlichen Mitteln ausgestattetes Aktionsprogramm, das die vielen unterschiedlichen Dimensionen der Kinderarmut berücksichtigt. Dies sollte einen Schwerpunkt auf der Unterstützung von Niedriglohnbeziehern mit Kindern sowie von Personen umfassen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Kinderarmut hat für die betroffenen Kinder schwerwiegende Folgen in einer ganzen Reihe von Bereichen, wie z.B. Gesundheit und Bildung, und auch für seine künftigen „Lebenschancen“, überhaupt aus der Armutsspirale auszubrechen. Die Mitgliedstaaten müssen umgehend Maßnahmen ergreifen, die der Problematik in ihrer gesamten Bandbreite Rechnung tragen.

    3.21

    Ein anderes gravierendes Problem ist die Betreuung von Kindern, die ohne den Schutz der Familie aufwachsen oder ihre Familie zu verlieren drohen. Die Gründe, die dazu führen, sind von Land zu Land unterschiedlich, doch sind darunter u.a. das Zerbrechen von Familien, Armut, HIV/AIDS, Verhaltens- und Suchtprobleme sowie Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung der Elternrolle zu nennen. Eines der Ziele der Strategie sollte daher die Aufstellung klarer Präventionsstrategien und Familienhilfsprogramme sein.

    3.22

    Andere Bereiche für ein Tätigwerden der Mitgliedstaaten, die als ein sinnvolles Ziel der Strategie benannt werden sollten und bei denen sie von bewährten Praktiken anderer Länder lernen können, sind die Bereiche Jugendgerichtsbarkeit und Familienrecht, die Förderung einer gesunden Ernährung und Lebensweise zur Bekämpfung von Übergewicht im Kindesalter sowie eine familienfreundlichere Arbeitswelt.

    3.23

    Werden Kinder in Betreuungseinrichtungen untergebracht, sind Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung ihrer Rechte erforderlich. Die Strategie sollte dazu verpflichten, EU-Leitlinien und Qualitätsstandards für betreute Kinder zu erarbeiten (12) und dabei die Standards, Empfehlungen und Protokolle von internationalen Organisationen — wie UNICEF, WHO oder Europarat — zu berücksichtigen.

    3.24

    Der EWSA begrüßt den kürzlich veröffentlichten Bericht des unabhängigen Experten Paulo Sérgio Pinheiro für die Studie der Vereinten Nationen über Gewalt gegen Kinder (13). Darin werden die Staaten aufgefordert, alle Formen von Gewalt gegen Kinder in jedwedem Rahmen zu verbieten, und zwar alle Arten körperlicher Züchtigung, nachteilige überkommene Verhaltensweisen (wie Heirat im Kindesalter und Zwangsheirat, Genitalverstümmelung von Frauen und so genannte Ehrenverbrechen), sexuelle Gewalt und Folter sowie andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Bestrafungen (14). Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Ernennung eines Sonderbeauftragten für Gewalt gegen Kinder in Erwägung zu ziehen, um die Umsetzung der in dem Bericht abgegebenen Empfehlungen zu fördern und zu unterstützen.

    4.   Rechte des Kindes auf EU-Ebene

    4.1

    Der EWSA begrüßt die Feststellung, dass die Mitgliedstaaten zur Einhaltung internationaler Verträge verpflichtet sind, insbesondere des „Übereinkommens über die Rechte des Kindes“ der Vereinten Nationen (UNKRK), das von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. In der Weltgemeinschaft haben lediglich die Vereinigten Staaten von Amerika und Somalia das Übereinkommen nicht ratifiziert. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch den grundlegenden Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Verbot der Kinderarbeit zu.

    4.2

    Der EWSA bedauert, dass in der Mitteilung keine deutlichere Aussage dahin gehend getroffen wird, dass die Mitgliedstaaten ihre auf europäischer und internationaler Ebene bestehenden Verpflichtungen bezüglich der Rechte des Kindes, insbesondere aus dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes, dringlich umsetzen müssen. Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass auf der mitgliedstaatlichen Ebene in der EU noch viel getan werden muss, um in der Gesetzgebung und in der Praxis die Einhaltung der bestehenden Verpflichtungen zu gewährleisten, die sich u.a. aus dem UNKRK, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte sowie den Übereinkommen des Europarates ergeben. Diese Arbeit sollte Teil der vorgeschlagenen Wirkungsanalyse derzeitiger EU-Maßnahmen zum Schutz der Rechte des Kindes sein. In diesem Bereich lassen sich die von den Regierungen und nichtstaatlichen Organisationen alle fünf Jahre zur Situation des Kindes und zur Umsetzung des UNKRK verfassten Stellungnahmen, die in jedem EU-Mitgliedstaat vorgelegt werden, gut nutzen. Zudem bestünde die Möglichkeit einer zweiten Analyse.

    4.3

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission zu analysieren, wodurch und in welchem Maße Kinder daran gehindert werden, ihre Rechte voll auszuüben. Es wird von Bedeutung sein, nicht lediglich die „Wirkung der bisherigen EU-Maßnahmen“ zu bewerten, sondern eine Bewertung der Fortschritte der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Befolgung des UNKRK durch vergleichende Datenanalysen — wie in der Wirkungsanalyse hervorgehoben — zu erleichtern.

    4.4

    Der EWSA empfiehlt, vorrangig eine Reihe vergleichbarer Indikatoren zu erarbeiten und eine einheitliche Datenerhebung auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu entwickeln. Im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung wird derzeit an der Entwicklung eines Indikators (oder einer Reihe von Indikatoren) für das Wohl des Kindes sowie statistischer Daten über einkommensbezogene Armut, materielle Deprivation und Wohnverhältnisse (15) gearbeitet. Auf der Ebene der Mitgliedstaaten gibt es darüber hinaus bereits eine Reihe unterschiedlicher Daten (16). Damit die entwickelten Indikatoren die Erfahrungen und Interessen von Kindern widerspiegeln, sollten Kinder an der Definition der Indikatoren mitwirken können.

    4.5

    Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Kommission, die Rechte des Kindes bei der Ausarbeitung legislativer und nicht-legislativer Maßnahmen der EU, die Auswirkungen auf Kinder haben können, zu berücksichtigen. Hierbei müssen die wichtigsten Bereiche ausgewiesen werden, die in erheblichem Maße kinderrelevant sind, einschließlich solcher, die üblicherweise nicht direkt mit Kindern in Zusammenhang gebracht werden, wie z.B. der öffentliche Verkehr, die jedoch einen beträchtlichen Einfluss auf ihr Leben haben.

    4.6

    Der Ausschuss empfiehlt die Methode der offenen Koordinierung als Mechanismus für das gemeinsame Vorgehen der Mitgliedstaaten und die Übernahme bewährter Verfahrensweisen bei der Umsetzung der UNKRK.

    4.7

    Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Kommission, ein Europäisches Forum für die Rechte des Kindes auszurichten und eine webgestützte Diskussions- und Arbeitsplattform einzurichten. Der Ausschuss bietet seine aktive Mitwirkung daran an.

    4.8

    Der EWSA begrüßt die in der Mitteilung vorgeschlagenen kurzfristigen Maßnahmen für das, was dringend geschehen muss. Neben den genannten Maßnahmen macht der Ausschuss allerdings nachdrücklich auf das dringende Erfordernis aufmerksam, die länderübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit bei der Überprüfung von Vorstrafen von Menschen, die hauptberuflich oder als Freiwillige mit Kindern arbeiten, zu intensivieren. Nach Ansicht des Ausschusses sollte in der Strategie unbedingt in Erwägung gezogen werden, auf Unionsebene ein Register von Personen, die wegen an Kindern verübten Sexualstraftaten verurteilt wurden, einzurichten, auf das die Polizeibehörden Zugriff haben.

    4.9

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, eine Kommunikationsstrategie zum Thema Rechte des Kindes zu entwerfen und Informationen über Kinderrechte in kindgerechter Form bereitzustellen. Der Ausschuss dringt darauf, dass dieses Info-Material auf dem UNKRK beruht und dass alle Informationskampagnen altersgerecht, in mehreren Sprachen verfügbar und auch Kindern mit Behinderungen zugänglich sind.

    4.10

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, eine dienststellenübergreifende Gruppe bei sich einzusetzen. Er wird Schritte unternehmen, um in dieser Gruppe vertreten zu sein. Des Weiteren begrüßt er den Vorschlag der Kommission, eine Kommissionsdienststelle für Kinderrechte einzurichten und einen Koordinator für Kinderrechte zu benennen. Der EWSA misst dem Koordinator für Kinderrechte eine wichtige Rolle für den Erfolg der Strategie bei.

    4.11

    Der EWSA betont, dass diese neuen Foren und Strukturen mit den nötigen Finanz- und Personalmitteln ausgestattet und dem Koordinator der nötige Rang und ausreichend politisches Gewicht verliehen werden muss, damit die Ziele der Kinderrechtsstelle erreicht werden können; es bedarf des nötigen politischen Willens, um im Sinne der Mitteilung voranzuschreiten und das Grünbuch und die Strategie zu entwickeln. Das Europäische Parlament sollte eine spezifische Maßnahme zur Finanzierung der Strategie und der darin vorgeschlagenen Aktionen in Betracht ziehen.

    4.12

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, jedes Jahr einen Zwischenbericht vorzulegen, in dessen Ausarbeitung er eingeschaltet werden sollte. Außerdem sollte der Bericht veröffentlicht werden.

    5.   Rechte des Kindes auf internationaler Ebene

    5.1

    Der EWSA begrüßt, dass sich die Mitteilung sowohl mit Kindern in der EU als auch mit Kindern in anderen Teilen der Welt beschäftigt. Allerdings bedauert er, dass die Reihenfolge in der Mitteilung den Eindruck vermitteln kann, dass der „weltweiten Situation“ gegenüber derjenigen „in der EU“ sowie dem internationalen gegenüber dem innerstaatlichen Dialog der Vorrang eingeräumt wird. Der Ausschuss empfiehlt eine bessere Austarierung der Strategie zwischen der globalen Situation und den internen Aktionen und Dialogen in der EU und den Mitgliedstaaten.

    5.2

    Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sollten die Empfehlungen (Schlussbemerkungen) des Übereinkommens über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen in ihren bilateralen Abkommen und Beziehungen zu Drittstaaten systematisch berücksichtigen.

    5.3

    Der EWSA begrüßt die Feststellung, dass das in nahezu allen Staaten der Welt ratifizierte UNKRK eine besonders tragfähige Grundlage für ein Zusammenwirken von Europäischer Kommission und Drittländern darstellt; er bedauert indes, dass die Mitteilung nicht stärker darauf baut, die Ratifizierung des UNKRK durch alle Mitgliedstaaten als Rahmen für ein Engagement der Mitgliedstaaten und die Übernahme bewährter Verfahrensweisen voneinander zu nutzen.

    5.4

    Der EWSA empfiehlt, dass ein bestimmter Prozentsatz der EU-Entwicklungshilfemittel in Vorhaben fließen sollte, die Kindern zugute kommen.

    6.   Danksagung

    6.1

    Im Zuge der Erarbeitung dieser Stellungnahme konsultierte der EWSA verschiedene Kindernetzwerke und Kinderhilfsorganisationen und dankt ihnen an dieser Stelle für ihre Mitarbeit (17).

    7.   Besondere Anmerkungen zu einzelnen Ausdrücken  (18)

    7.1

    Der Ausdruck „sexueller Missbrauch“ sollte durch „sexuelle Ausbeutung“ ersetzt werden.

    7.2

    Der Ausdruck „beeinträchtigen“ sollte durch „benachteiligen“ ersetzt werden.

    7.3

    Der Ausdruck „an der Schwelle ihrer Jugend“ sollte durch „am Beginn der Adoleszenz“ ersetzt werden.

    7.4

    Die Bedeutung des Ausdrucks „schlechte Wohnverhältnisse“ bedarf der Klarstellung.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  UN-Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels; UN-Protokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie; UN-Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten.

    (2)  UN-Generalversammlung, Millenniums-Erklärung der Vereinten Nationen, Fünfundfünfzigste Tagung, 18. September 2000.

    (3)  Vollständiger Wortlaut abrufbar unter:

    http://www.echr.coe.int/ECHR/EN/Header/Basic+Texts/Basic+Texts/The+European+Convention+on+Human+Rights+and+its+Protocols/.

    (4)  Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364 vom 18.12.2000), abrufbar unter

    http://europa.eu.int/comm/justice_home/unit/charte/index_de.html.

    (5)  Strategische Ziele 2005-2009. Europa 2010 — Eine Partnerschaft für die Erneuerung Europas: Wohlstand, Solidarität und Sicherheit — KOM(2005) 12 vom 26.1.2005.

    (6)  EWSA-Stellungnahme vom 28.2.1996 zum Thema „Europäische Kulturpolitik für Kinder“, Berichterstatter: Herr Sklavounos (ABl. C 153 vom 28.5.1996);

    EWSA-Stellungnahme vom 2.7.1998 zum Thema „Kindesmissbrauch und Sextourismus“, Berichterstatter: Herr Sklavounos (ABl. C 284 vom 14.9.1998);

    EWSA-Stellungnahme vom 29.11.2000 zu dem „Weißbuch Jugendpolitik“, Berichterstatterin: Frau Hassett-van Turnhout (ABl. C 116 vom 20.4.2001);

    EWSA-Stellungnahme vom 24.4.2002 zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport 2004“, Berichterstatter: Herr Koryfidis (ABl. C 149 vom 21.6.2002);

    EWSA-Stellungnahme vom 25.4.2002 zu dem „Weißbuch der Europäischen Kommission: Neuer Schwung für die Jugend Europas“, Berichterstatterin: Frau Hassett-van Turnhout (ABl. C 149 vom 21.6.2002);

    EWSA-Stellungnahme vom 24.9.2003 zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Unterstützung europaweit tätiger Jugendorganisationen“, Berichterstatterin: Frau Hassett-van Turnhout (ABl. C 10 vom 14.1.2004);

    EWSA-Stellungnahme vom 16.12.2004 zum Thema „Beziehungen zwischen den Generationen“, Berichterstatter: Herr Bloch-Lainé (ABl. C 157 vom 28.6.2005);

    EWSA-Stellungnahme vom 10.3.2005 zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung des Programms Jugend in Aktion im Zeitraum 2007-2013“, Berichterstatter: Herr Rodríguez García-Caro (ABl. C 234 vom 22.9.2005);

    EWSA-Stellungnahme vom 11.5.2005 zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004“, Berichterstatter: Herr Braghin (ABl. C 267 vom 27.10.2005);

    EWSA-Stellungnahme vom 14.12.2006 zum Thema „Kinder als indirekte Opfer häuslicher Gewalt“ (Initiativstellungnahme), Berichterstatterin: Frau Heinisch.

    (7)  Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1989); Erklärung der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Jugend 1985: „Partizipation, Entwicklung und Frieden“; Europäische Charta über die Beteiligung der Jugendlichen am Leben der Gemeinden und Regionen des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas (1992); Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates zur Beteiligung der Jugend und Zukunft der Zivilgesellschaft; Empfehlung Nr. R(97) 3 vom 4. Februar 1997; Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Jugendminister vom 8. Februar 1999 (ABl. C 42 vom 17.2.1999, S. 1).

    (8)  KOM(2003) 650 endg., Brüssel, 30.10.2003.

    (9)  Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, Kommission für die Rechtsstellung der Frau 2007: Focus on discrinination and violence against the girl child.

    (10)  Die Mitteilung zielt „auf die Einführung einer umfassenden Strategie der EU zur Förderung und zum effektiven Schutz der Rechte von Kindern bei den internen und externen Maßnahmen der Europäischen Union“, und in Artikel 24 der Charta der Grundrechte der EU heißt es: „Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein“.

    (11)  Empfehlung des Rates (92/241/EWG) vom 31. März 1992 zur Kinderbetreuung; von dem Netzwerk Kinderbetreuung der Europäischen Kommission erarbeitete und von der Europäischen Kommission 1996 veröffentlichte qualitative Zielsetzungen für Leistungen der Kleinkindbetreuung.

    (12)  Dies könnte möglicherweise in Zusammenarbeit mit dem Europarat geschehen. Die Parlamentarische Versammlung und das Ministerkomitee des Europarates nahmen 2005 Empfehlungen zu in Betreuungseinrichtungen lebenden Kindern an. Siehe Empfehlung Nr. 5 (2005) des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Rechte in Betreuungseinrichtungen lebender Kinder.

    (13)  www.violencestudy.org

    (14)  61. Sitzung der Vereinten Nationen, „Förderung und Schutz der Rechte des Kindes“, A\61\299.

    (15)  „Portfolio of overarching indicators and streamlined social inclusion, pensions and health portfolios“, Europäische Kommission, Juni 2006.

    (16)  So enthält beispielsweise der Bericht „Chancen für alle: Siebenter Jahresbericht 2005“ des britischen Arbeits- und Rentenministeriums eine ganze Reihe von Indikatoren bezüglich Kinder und Jugendliche.

    (17)  Eurochild, SOS Kinderdorf, Weltverband der Pfadfinderinnen und Gruppenleiterinnen (WAGGGS); Europäisches Informationsbüro, Jaap Doek, Vorsitzender des Ausschusses für die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen; Thomas-Coram-Forschungszentrum.

    (18)  Die genannten Ausdrücke finden sich in Abschnitt I.4.1 der Mitteilung KOM(2006) 367 endg.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/71


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich“

    KOM(2006) 399 endg.

    (2006/C 325/17)

    Der Rat beschloss am 20. September 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2006 an. Alleinberichterstatter war Herr RETUREAU.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember 2006) mit 108 gegen 2. Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung der Stellungnahme

    1.1

    Der Ausschuss, der zu der ersten Initiative konsultiert wurde, billigt im Prinzip die durch Änderungen erfolgte Ausweitung der Fragen der Zuständigkeit und des in Bezug auf die Verordnung 2201/2003 anwendbaren Rechts. Damit wird in diesen Punkten eine Verordnung vervollständigt, in der die Anerkennung richterlicher Entscheidungen in Ehesachen und in Fragen des Sorgerechts für Kinder behandelt wurde. Der Ausschuss äußerte sich bereits anlässlich des Grünbuchs „Scheidungsrecht“ zu der gerichtlichen Zuständigkeit sowie dem anwendbaren Recht und verweist auf diese sehr ausführliche Stellungnahme (1).

    1.2

    Der Ausschuss fragt sich indes, ob es sinnvoll ist, das Problem der Aufteilung gemeinsamer Güter (Immobilien, Möbel und anderer Vermögensrechte) getrennt zu behandeln und den Anwendungsbereich des von dieser Aufteilung erfassten Personenkreises auf unverheiratete Paare (die ebenfalls gemeinsame Kinder haben können) auszudehnen.

    1.3

    Möglicherweise wäre es logischer gewesen, einerseits die Verordnung 2201/2003 dahingehend zu vervollständigen, dass alle Konsequenzen der Auflösung einer ehelichen Verbindung und des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder behandelt werden, und andererseits in einer neuen Verordnung alle Konsequenzen der Trennung nicht verheirateter, mit oder ohne vertragliche Vereinbarung lebender Paare zu behandeln. Hierdurch würde zweifellos das anwendbare Recht klarer und verständlicher sowie die Anerkennung richterlicher Entscheidungen, die häufig alle Bedingungen und Konsequenzen einer Scheidung oder Trennung in einem einzigen endgültigen Urteil regeln, einfacher werden.

    2.   Vorschläge der Kommission

    2.1

    Zwei Initiativen der Kommission, die vor kurzem im Rat vorgelegt wurden, betreffen das in Ehesachen anwendbare Recht. Während in der einen die Trennung verheirateter Paare behandelt wird und Änderungen zu der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Verordnung 2201/2003 vorgeschlagen werden, befasst sich die andere mit der Trennung gemeinsamer Güter im Falle der Auflösung eines ehelichen Güterstandes oder im Falle einer Trennung mit oder ohne vertragliche Vereinbarung zusammenlebender Paare.

    2.2

    Rechtsgrundlage des Vorschlags ist Artikel 61 Buchstabe c) des EG-Vertrages, in dem der Gemeinschaft Zuständigkeiten übertragen werden, um „Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Artikel 65“ zu ergreifen.

    2.3

    Nach Meinung von Kommissionsmitglied Franco Frattini, der sich zu den beiden Initiativen äußerte, werden „diese Initiativen […] den Ehepaaren in der EU das Leben erleichtern. Sie werden die Rechtssicherheit erhöhen und die Paare in die Lage versetzen, herauszufinden, welches Recht auf ihren ehelichen Güterstand und ihre Scheidung anwendbar ist. Unser Ziel ist nicht die Harmonisierung der äußerst vielfältigen nationalen Scheidungsgesetze, sondern die Herstellung von Rechtssicherheit und Flexibilität und die Gewährleistung des Zugangs zu den Gerichten“.

    2.4

    Aufgrund der hohen Scheidungsrate in der Europäischen Union ist eine beträchtliche Anzahl von Personen jedes Jahr von dem in Ehesachen anwendbaren Recht sowie der Zuständigkeit in Ehesachen betroffen.

    2.5

    Das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates, mit der die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates mit Wirkung vom 1. März 2005 aufgehoben und ersetzt wurde, brachte jedoch keine Regelung bezüglich des anwendbaren Rechts mit sich. Die Verordnung (EG) 2201/2003 ermöglicht es Ehegatten, zwischen mehreren möglichen Gerichtsständen zu wählen. Wurden die Gerichte eines Mitgliedstaates mit einer Ehesache befasst, bestimmt sich das anwendbare Recht nach den innerstaatlichen Kollisionsnormen dieses Mitgliedstaates, die jedoch ganz unterschiedliche Anknüpfungspunkte aufweisen. In den meisten Mitgliedstaaten bestimmt sich das anwendbare Recht nach einer Reihe von Faktoren, die die größtmögliche Gewähr dafür bieten sollen, dass sich das Verfahren nach der Rechtsordnung richtet, mit der es den engsten Bezug aufweist. Andere Mitgliedstaaten wiederum wenden auf Ehesachen systematisch ihr eigenes Recht („lex fori“) an. In Belgien besteht für die Rechtsparteien die Möglichkeit, zwischen dem ausländischen Eherecht und dem belgischen Recht zu wählen.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Die in dieser Stellungnahme untersuchte Initiative betrifft das bei Ehescheidung, bei Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Auflösung einer „internationalen“ Ehe (Ehepartner verschiedener Nationalität oder der gleichen Nationalität, die aber in einem Mitgliedstaat leben, dessen Staatsbürgerschaft sie nicht besitzen) anwendbare Recht sowie das Sorgerecht für gemeinsame minderjährige Kinder. Sie behandelt also Fragen der Auflösung einer durch die Institution der Ehe zustande gekommenen ehelichen Verbindung zwischen zwei Ehegatten, bei der eine internationale Komponente vorhanden ist, ohne dass der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2201/2003 überschritten wird.

    3.2

    Der Ausschuss erkennt an, dass der Vorschlag in Bezug auf Rechtssicherheit, Berechenbarkeit, Flexibilität und Zugang zu den Gerichten den Bürgern bedarfsgerechte Lösungen anbietet. Er ist mit der rechtlichen Grundlage, die bei Fragen des Zivil- und Handelsrechts häufig angewandt wird, einverstanden.

    3.3

    Entgegen der Mehrheit der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, schreibt das nationale Recht einiger Mitgliedstaaten nicht vor, dass die Ehepartner unterschiedlichen Geschlechts sein müssen. Der Ausschuss weist aber darauf hin, dass das Ziel der geänderten Verordnung nicht in der Harmonisierung der nationalen Gesetze besteht, sondern darin, das anwendbare Recht in allen konkreten Fällen, die eine internationale Komponente enthalten, festzulegen sowie den Verkehr von Urteilen ohne Exequaturverfahren zu ermöglichen. Die Anwendung der geänderten Verordnung, wie von der Kommission vorgeschlagen, ist somit prinzipiell auch bei grundlegenden Unterschieden zwischen den nationalen Rechtsvorschriften möglich.

    3.4

    Der Ausschuss hat bereits anlässlich des kürzlich vorgelegten Grünbuchs Scheidungsrecht eine Stellungnahme über das in Scheidungssachen anzuwendende Recht erarbeitet und bezieht sich bei der Darlegung seiner Haltung zu dem jetzigen Vorschlag im Wesentlichen auf diese Stellungnahme. Er hebt abermals die Bedeutung der genannten Verordnung für Paare unterschiedlicher Staatsangehörigkeit hervor, da hiermit die Bedingungen für die Beschreitung des Rechtswegs und der freie Verkehr von richterlichen Urteilen im Binnenmarkt geklärt und vereinfacht werden.

    3.5

    Der Ausschuss hält fest, dass der Vorschlag einräumt, dass sich zwei verschiedene Situationen ergeben können, je nachdem, ob die Ehegatten sich hinsichtlich der Zuständigkeit und des anwendbaren Recht einig sind oder nicht. Im ersteren Falle würden sich aus der geänderten Verordnung deutliche Vorteile sowie eine größere Flexibilität ergeben, in letzterem Falle hingegen würde ein recht mechanisches Modell angewandt. Hierdurch unterscheidet sich der Vorschlag von den anvisierten Konstellationen des Grünbuchs zum Scheidungsrecht, das im Falle der Uneinigkeit zwischen den Ehegatten flexiblere Lösungen vorschlug. Der Ausschuss hätte sich gewünscht, dass diese Flexibilität beibehalten würde, erkennt aber an, dass der Vorschlag der Kommission einfacher ist und eine Ausdehnung der Verfahren verhindert.

    3.6

    Der Vorschlag ermöglicht eine Gerichtsstandsvereinbarung für den Fall, dass sich die Parteien in diesem Punkt einig sind. Während der Kommissionsvorschlag die Möglichkeit des Verweisungsverfahrens völlig ausschließt, könnte der Ausschuss — wie bereits in seiner Stellungnahme zum Grünbuch Scheidungsrecht dargelegt — eine solche Möglichkeit unter bestimmten Bedingungen (Zuständigkeit des ersten angerufenen Gerichts für die Verweisung, Eilverfahren) gutheißen.

    3.7

    Hinsichtlich der Ausnahmeregelung des „ordre public“, gibt der Vorschlag dem Gericht die Möglichkeit, in Ausnahmefällen die Anerkennung eines ausländischen Gerichtsurteils zu verweigern, wenn dieses offenkundig mit der öffentlichen Ordnung („ordre public“) am Ort des angerufenen Gerichts unvereinbar ist. Dennoch könnten Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten auftreten, und ein in einem Land anerkanntes Gerichtsurteil könnte in einem anderen Land nicht anerkannt werden, der freie Verkehr der richterlichen Entscheidungen würde dadurch behindert und somit ein unangebrachtes Hindernis geschaffen.

    3.8

    Zumal was die Anerkennung von Gerichtsurteilen aus Drittländern angeht, sollte nach Auffassung des Ausschusses ausdrücklich festgelegt werden, dass Urteile, um anerkannt zu werden, mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie mit der 2000 vom Rat von Nizza angenommenen Charta und dem Prinzip der strikten rechtlichen Gleichstellung der Ehepartner in Einklang stehen müssen. Jeder Staat, der mit einem Antrag auf Anerkennung befasst ist und dabei deutliche Abweichungen von den grundlegenden Rechten der Europäischen Union feststellt, sollte einen freien Verkehr der Entscheidung unter Berufung auf den „ordre public der Gemeinschaft“ ablehnen.

    3.9

    Um eine einheitliche Anerkennung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sollte ein Staat keinen nationalen Vorbehalt der öffentlichen Ordnung gegenüber einem anderen Staat geltend machen können, sondern nur einen Vorbehalt der öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft. Hierdurch würde jeder Eindruck von Willkürlichkeit, der durch die Verweigerung der Anerkennung durch ein bestimmtes Gericht entstehen könnte, vermieden werden.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Die Tatsache, dass die Kommission zwei verschiedene Initiativen vorlegt, ergibt sich natürlich aus dem unterschiedlich großen Personenkreis, der von den jeweiligen Rechtsvorschlägen erfasst wird. Der Vorschlag zur Vermögensauseinandersetzung betrifft verheiratete wie unverheiratete Paare gleichermaßen.

    4.2

    Es stellt sich jedoch die Frage, welches Interesse der vorgeschlagenen Unterscheidung zugrunde liegt, da die Auflösung des Güterstands spezifische Lösungen erfordert, je nach Art des Güterstandes (gesetzlicher Güterstand ohne Ehevertrag oder gesetzlicher Güterstand mit vertraglicher Regelung) und unter Berücksichtigung eventueller Schenkungen zwischen Ehegatten, die im Vergleich zu anderen Schenkungen, insbesondere erbrechtlicher Art, besonderen Bestimmungen unterliegen können.

    4.3

    Möglicherweise wäre es logischer gewesen, einerseits die Verordnung 2201/2003 dahingehend zu vervollständigen, dass alle, einschließlich der finanziellen Konsequenzen der Auflösung einer ehelichen Verbindung und des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder behandelt werden und andererseits in einer neuen Verordnung alle Konsequenzen der Trennung nicht-verheirateter, auch gleichgeschlechtlicher, mit vertraglicher Vereinbarung (wie den zivilen Solidaritätspakt PACS in Frankreich) oder ohne vertragliche Vereinbarung (freie Lebensgemeinschaft) lebender Paare zu behandeln.

    4.4

    Hierdurch wäre zweifellos das anwendbare Recht klarer und verständlicher sowie die Anerkennung richterlicher Entscheidungen, die häufig alle Bedingungen und Konsequenzen einer Scheidung oder Trennung in einem einzigen endgültigen Urteil regeln, einfacher geworden, zumal auch die Situation der Kinder von „atypischen“ Paaren, und nicht nur die ihrer Güter geregelt werden muss.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Stellungnahme des EWSA vom 29.9.2005 zu dem „Grünbuch über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen“, Berichterstatter: Herr RETUREAU (ABl. C 24 vom 31.1.2006).


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/73


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette“

    KOM(2006) 79 endg. — 2006/0025 (COD)

    (2006/C 325/18)

    Der Rat beschloss am 4. April 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 80 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. November 2006 an. Berichterstatter war Herr SIMONS.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) mit 115 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    In Anknüpfung an die im Luft- und Seeverkehrssektor ergriffenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr hat die Kommission einen Verordnungsentwurf zur besseren Sicherung der Lieferkette des Landverkehrs erstellt, der für die Mitgliedstaaten verbindlich ist und für die Wirtschaft auf freiwilliger Basis eingeführt wird.

    1.2

    Die „Lieferkette“ wird von der Kommission definiert als „sämtliche Beförderungsvorgänge und Begleitprozesse zwischen dem Herstellungs- und dem Bestimmungsort einer Ware“. Die Kommission gibt ferner an, dass der Verordnungsvorschlag ausschließlich den Güterverkehr betrifft und der Personenverkehr möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden kann.

    1.3

    Ziel des Vorschlags ist es, neben einer besseren Sicherung der Lieferkette einen gemeinsamen Rahmen für ein systematisches Vorgehen auf europäischer Ebene zu schaffen, ohne den Verkehrsbinnenmarkt und die Wirksamkeit bestehender Sicherheitsmaßnahmen zu gefährden. Gleichzeitig sollen unnötige Verfahren und Belastungen auf europäischer und innerstaatlicher Verwaltungsebene vermieden werden.

    1.4

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) vertritt die Auffassung, dass im Bereich der Gefahrenabwehr beim Güterverkehr über Landverkehrsträger (Binnenschifffahrt, Schiene und selbstverständlich auch Rohrleitungen) aufgrund der großen wechselseitigen Abhängigkeit zwischen diesen Verkehrsträgern ein koordiniertes Vorgehen erforderlich ist, da die Stärke der gesamten Lieferkette durch ihr schwächstes Glied bestimmt wird.

    1.5

    Die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen allerdings im Hinblick auf die Lissabon-Strategie wirksam und effizient sein und dürfen nicht zu einem höheren Verwaltungsaufwand und/oder Wettbewerbsverzerrungen in und zwischen den Verkehrsträgern führen. Der Ausschuss hat große Zweifel, ob dieses Ziel mit dem vorliegenden Vorschlag erreicht wird, da dieser doch sehr bürokratisch erscheint. Außerdem hat der Ausschuss den Eindruck, dass die mit der Einführung der vorgeschlagenen Maßnahmen einhergehenden Belastungen auf die Arbeitnehmer und Arbeitgeber der betroffenen Branche abgewälzt werden sollen. Aus diesem Grund sollten die mit dem Status „zuverlässiges Unternehmen“ einhergehenden Vorteile sowie die Auswirkungen dieses Status auf die Lieferkette genauer definiert werden, damit es nicht zu beträchtlichen Störungen der Lieferkette und gesamtwirtschaftlichen Mehrkosten ohne entsprechende Vorteile kommt.

    1.6

    In diesem Zusammenhang vermisst der Ausschuss auch Maßnahmen, um die bauliche Infrastruktur angemessen gegen terroristische Anschläge zu sichern. Gerade auch aufgrund des Umstands, dass die Landverkehrsträger Infrastrukturen wie Tunnels, Viadukte und das Rohrleitungsnetz nutzen, sollten Vorschläge zur Gefahrenabwehr in der Lieferkette mit Vorschlägen zur besseren Sicherung der baulichen Infrastruktur kombiniert werden.

    1.7

    Der Vorschlag der Kommission, die Verantwortung für das Ergreifen von Maßnahmen zum Schutz der Lieferkette den Mitgliedstaaten aufzuerlegen, geht nach Ansicht des Ausschuss in die richtige Richtung. Dies gilt an sich auch für die Einsetzung einer speziellen Behörde, die die in der Verordnung vorgeschlagenen Maßnahmen für die Sicherung der Lieferkette in den einzelnen Mitgliedstaaten koordiniert, umsetzt und überwacht. Angesichts der entscheidenden Rolle dieser Behörde vertritt der Ausschuss jedoch die Auffassung, dass der Kommissionsvorschlag diesbezüglich viel zu dürftig ausgefallen ist.

    1.8

    Der Ausschuss hätte es begrüßt, wenn bei der Formulierung neuer Vorschläge im Bereich der Gefahrenabwehr die Wesensmerkmale der einzelnen Verkehrssektoren inventarisiert, die für die einzelnen Verkehrsträger getroffenen Maßnahmen berücksichtigt und die bereits ausgesprochenen Empfehlungen auf diesem Gebiet mit einbezogen worden wären. Aufgrund der unterschiedlichen Wesenscharakteristik der Verkehrsträger — so sind im Straßengüterverkehr 500.000 zumeist kleine Unternehmen tätig — sind jeweils auf die einzelnen Unternehmen abgestimmte Maßnahmen erforderlich.

    1.9

    Wegen der Auswirkungen, die die vorgeschlagenen Maßnahmen auf die einzelnen Verkehrssektoren haben werden, hätte es nach dem Dafürhalten des Ausschusses mehr überzeugt, wenn die Vorteile der Maßnahmen für die jeweiligen Unternehmen in dem Kommissionsvorschlag prägnanter zum Ausdruck gekommen wären. Aus heutiger Sicht ist es auch aufgrund der Tatsache, dass im internationalen Verkehr keine systematischen Grenzkontrollen mehr stattfinden, fraglich, ob die Unternehmen auch wirklich in den Genuss dieser Vorteile kommen.

    1.10

    Die Mindestnormen in Bezug auf die Gefahrenabwehr, die die Unternehmen zu erfüllen haben, müssen von den Mitgliedstaaten in einer Regelung für „zuverlässige Unternehmen“ festgelegt werden. Nach Auffassung des Ausschusses gibt es keine Garantie, dass dies zu einem harmonisierten System von Mindestnormen führt und dann gleiche Wettbewerbsbedingungen entstehen.

    1.11

    Die Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen soll zu Lasten der einzelnen Mitgliedstaaten gehen. Der Ausschuss hält dies unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität für richtig. Die Investitionskosten für die Gefahrenabwehr sowie die damit verbundenen laufenden Kosten sollten den Unternehmen in Rechnung gestellt und nach Auffassung des Ausschusses auf die von ihnen berechneten Preise oder Tarife umgelegt werden. Darüber hinaus ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Kommission in ihrem Vorschlag den mit dem Status „zuverlässiges Unternehmen“ verbundenen Vorteilen mehr Aufmerksamkeit schenken sollte.

    1.12

    In Bezug auf die Rolle der Europäischen Kommission vertritt der Ausschuss die Meinung, dass die EU ausreichende Mittel zur Verfügung stellen sollte, um Länder außerhalb der Europäischen Union in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ergreifen, durch die dasselbe Sicherheitsniveau wie in der EU gewährleistet wird. Der Ausschuss hält dies aufgrund des internationalen Charakters des Güterverkehrs über Landverkehrsträger für einen wichtigen Gesichtspunkt.

    2.   Einleitung

    2.1

    In ihrer Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen (KOM(2006) 79 endg.) vom 27. Februar 2006 über die Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette stellt die Kommission fest, dass der Terrorismus einer der größten Bedrohungen für Demokratie und Freiheit ist.

    2.2

    Nach dem Dafürhalten der Kommission ist die Gefahr eines Terroranschlags auf den Güterverkehr trotz der verschärften Sicherheitsmaßnahmen nach wie vor hoch. So wurden in Europa insbesondere die Sicherung des Luftverkehrs und der Flughäfen sowie des Seeverkehrs und der Seehäfen verbessert.

    2.3

    In der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 wird ein europäischer Gesetzesrahmen für die Sicherheit des Luftverkehrs und der Flughäfen festgelegt. Die Verordnung (EG) Nr. 725/2004 enthält Bestimmungen zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen, und in Richtlinie 2005/65/EG sind Maßnahmen zur Erhöhung der Gefahrenabwehr im gesamten Hafenbereich verankert.

    2.4

    Auch der Ausschuss hat zu dieser Thematik seinen Beitrag geleistet. Er hat verschiedene Stellungnahmen verabschiedet, insbesondere auf dem Gebiet des Luft- und Seeverkehrs, wobei sich insbesondere Frau BREDIMA-SAVOPOULOU mit ihrer Stellungnahme zur Verbesserung der Gefahrenabwehr in Häfen, auf Schiffen und in Hafenanlagen und Herr McDONOGH mit seiner Stellungnahme zur Sicherheit in der (Zivil-)Luftfahrt hervorgetan haben. In Bezug auf das Thema Landverkehr wird auf die Stellungnahme „Sicherheit der Verkehrsträger“ vom 14. Dezember 2005 verwiesen (Berichterstatter: Herr SIMONS).

    3.   Kommissionsvorschlag

    3.1

    Die Kommission weist darauf hin, dass Güterbeförderungen im Landverkehr besser geschützt werden müssen und dass es derzeit keinerlei Vorschriften gibt, die sich auf die gesamte Lieferkette des Landverkehrs in der Gemeinschaft erstrecken. Die Lieferkette umfasst definitionsgemäß in diesem Zusammenhang sämtliche Beförderungsvorgänge und Begleitprozesse zwischen dem Herstellungs- und dem Bestimmungsort einer Ware.

    3.2

    Die Kommission schlägt daher als Ergänzung bereits bestehender Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Verkehr eine Gemeinschaftsmaßnahme zur besseren Sicherung der Lieferkette im Landverkehr vor. Diese ist für die Mitgliedstaaten verbindlich, beruht für das „Unternehmen der Lieferkette“ jedoch auf Freiwilligkeit. Die Kommission macht allerdings deutlich, dass die Gefahrenabwehr im Personenverkehr, insbesondere im Massenverkehr, nicht Gegenstand des Vorschlags ist und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden kann.

    3.3

    Der Verordnungsentwurf bezieht sich somit auf die folgenden Träger des Güterverkehrs: Binnenschifffahrt, Schiene und Straße.

    3.4

    Die Kommission legt neben diesem Verordnungsentwurf eine Mitteilung vor, in der die wesentlichen Aspekte zur Sicherheit der Lieferkette erläutert und die Gründe dargelegt werden, aus denen der vorgeschlagene Verordnungsentwurf am ehesten geeignet ist, die Gefahrenabwehr im europäischen Güterverkehr gezielt zu verbessern.

    3.5

    Der „Mitteilung über die Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette“ zufolge hat die Kommission folgende Ziele:

    besseren Schutz der Lieferkette ohne Beeinträchtigung des freien Handelsflusses;

    Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für ein systematisches Vorgehen auf europäischer Ebene, ohne den Verkehrsbinnenmarkt und die Wirksamkeit bestehender Sicherheitsmaßnahmen zu gefährden;

    Vermeidung unnötiger Verfahren und Belastungen auf europäischer und innerstaatlicher Verwaltungsebene.

    3.6

    Zur Erreichung dieser Ziele vorgeschlagene Maßnahmen

    die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines Qualitätskennzeichens für die Sicherheit („zuverlässiges Unternehmen“) zu verpflichten, das Unternehmen der Lieferkette, die europäische Mindestsicherheitsanforderungen erfüllen, verliehen und somit innerhalb des Binnenmarkts anerkannt werden kann;

    im Rahmen der verbindlichen Vorschriften für die Mitgliedstaaten eine freiwillige Regelung einzuführen, nach der Unternehmen der Lieferkette ihr Sicherheitsniveau verbessern können und dafür Vergünstigungen erhalten;

    überträgt die Verantwortung den Unternehmen ausdrücklich für ihr Sicherheitsniveau im europäischen Güterverkehr;

    lässt „zuverlässige Unternehmen“ von vereinfachten Sicherheitskontrollen profitieren und gibt ihnen die Möglichkeit, sich im Bereich der Sicherheit von Konkurrenzunternehmen positiv abzugrenzen und sich so unternehmerische und wettbewerbliche Vorteile zu verschaffen;

    ermöglicht im Rahmen des Ausschussverfahrens die regelmäßige Aktualisierung und Verbesserung von Sicherheitsanforderungen, einschließlich anerkannter internationaler Vorschriften und Normen.

    3.7

    In der vorliegenden Stellungnahme soll die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme analysiert und auf der Grundlage dieser Analyse beurteilt werden, inwieweit die Ziele, die sich die Kommission gesetzt hat, erreicht werden können.

    4.   Allgemeine Bemerkungen

    4.1

    Bevor inhaltlich auf die Mitteilung und den Verordnungsentwurf eingegangen wird, muss Klarheit über die zu verwendenden Begriffe bestehen. So ist in der englischen Fassung die Rede von „security“, in der niederländischen von „beveiliging“ und in der deutschen von „Sicherheit“. In den Sprachen einiger EU-Mitgliedstaaten wird zwar keine Unterscheidung zwischen den Begriffen „beveiliging“ (Sicherung, Schutz, Gefahrenabwehr) und „veiligheid“ (Sicherheit) gemacht, im Deutschen jedoch durchaus. Im Text muss daher der Begriff „Sicherheit“ durch den Begriff „Sicherung“ ersetzt werden, denn es geht hier um den Vorgang der Sicherung und nicht die Sicherheit an sich.

    4.2

    Die Kommission vertritt die Auffassung, dass nachdem auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr im Luftverkehr und in Flughäfen sowie im Seeverkehr und in Seehäfen ein europäischer Rechtsrahmen geschaffen worden ist, als nächster Schritt eine Regelung für die Landverkehrsträger getroffen werden müsste.

    4.3

    Nach Auffassung des Ausschusses geht die Kommission hier an der — auch von ihr selbst festgestellten — Tatsache vorbei, dass die Verkehrsträger Luft- und Seeverkehr völlig andere Wesensmerkmale aufweisen als die Verkehrsträger Binnenschiffverkehr, Schiene und Straße. Während es im Luft- und Seeverkehr eine begrenzte Anzahl von Unternehmen gibt, ist der Binnenschiffverkehr und der Güterverkehr auf der Straße durch sehr viele (ca. 500 000) Kleinunternehmen — häufig Einmannbetriebe — gekennzeichnet, die in einem Markt tätig sind, in dem die Gewinnmargen sehr gering oder häufig sogar negativ ausfallen. Werden die Produzenten, die am Anfang der Lieferkette stehen, mitgerechnet, beträgt die Gesamtzahl der Unternehmen in der Lieferkette rund 4,7 Millionen. Nach Ansicht des Ausschusses ist dies ein zusätzliches Erschwernis bei Maßnahmen, wie sie die Kommission vorschlägt.

    4.4

    Nach Ansicht des Ausschusses stellt die Kommission zu Recht fest, dass es in der Praxis quasi unmöglich ist, mit einer einzigen umfassenden Aktion Sicherungsvorschriften und -maßnahmen für die Lieferkette des Landverkehrs zu erlassen. Sie hält es daher für realistischer, einen Rahmen mit Mindestsicherheitsanforderungen festzulegen, die schrittweise an den technischen Fortschritt und neu auftretenden Risiken angepasst werden können, um in einem gegebenen Betriebsumfeld für ausreichende Sicherheit zu sorgen.

    4.5

    Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Dies gilt auch für den Schutz der Lieferkette. Die Kommission ist der Auffassung, dass jedes Unternehmen bzw. jedes Glied der Lieferkette — ausschließlich — die Verantwortung für die Sicherheit seines eigenen Tätigkeitsbereichs trägt und die Lieferkette in ihrer Gesamtheit durch die Bündelung der einzelnen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geschützt wird. Der Ausschuss vertritt ebenfalls die Ansicht, dass jedes Unternehmen für seinen Teil der Lieferkette die Verantwortung übernehmen sollte. Er weist darauf hin, dass die Gefahr möglicher Terroranschläge nicht nur bei den einzelnen Unternehmen, sondern auch bzw. vor allem an den Umschlagplätzen oder in der Infrastruktur gegeben ist.

    4.6

    Nach Ansicht des Ausschusses werden gerade die von der baulichen Infrastruktur ausgehenden Gefahren, für die die Behörden der Mitgliedstaaten Abwehrmaßnahmen vorsehen müssen, gewaltig unterschätzt. Es hat nach Auffassung des Ausschusses wenig Sinn, in die Sicherung der einzelnen Glieder der Lieferkette zu investieren, wenn von der öffentlichen Hand nicht gleichzeitig auch Investitionen getätigt werden, um die bauliche Infrastruktur auf ein hohes Sicherheitsniveau zu bringen.

    4.7

    Angesichts der Zahl der potenziell von der vorgeschlagenen Maßnahme betroffenen Unternehmen ist die Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen der Kommission zufolge nur erreichen, indem jeweils eine einzige Behörde je Mitgliedstaat benannt wird, die die Anwendung der im Verordnungsvorschlag festgelegten Maßnahmen für die Sicherheit der Lieferkette koordiniert, umsetzt und überwacht. Davon ausgehend, dass der vorliegende Kommissionsvorschlag ein Schritt in die richtige Richtung ist, vertritt der Ausschuss angesichts der entscheidenden Rolle dieser zuständigen Behörde die Meinung, dass der Verordnungsentwurf in diesem Punkt viel zu dürftig ausgefallen ist.

    4.8

    Um Bedingungsgleichheit in der EU zu schaffen, ist es nach Auffassung des Ausschusses wichtig, dass der Status „zuverlässiges Unternehmen“ in jedem Mitgliedstaat anhand derselben Beurteilungskriterien verliehen wird. So wird z.B. ein Spediteur aus Polen dieselben Anforderungen erfüllen müssen, um für den Status „zuverlässiges Unternehmen“ in Frage zu kommen, wie ein Spediteur aus Portugal oder Griechenland. Erst dann kann eine gegenseitige Anerkennung des Status „zuverlässiges Unternehmen“ erfolgen. Der Kommissionsvorschlag in seiner jetzigen Form enthält keine hinreichenden Garantien für die Schaffung von Bedingungsgleichheit. Die Kommission hat in die Anhänge zwar ein Verzeichnis der Mindestanforderungen aufgenommen, die erfüllt werden müssen; nach Auffassung des Ausschusses bieten diese jedoch keine ausreichende Garantie für die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen.

    4.9

    Der Kommissionsvorschlag kommt zu einer — mit der Lissabon-Strategie zusammenfallenden — Zeit, in der die Mitgliedstaaten alles daran setzen, den Verwaltungsaufwand für Verlade- und Transportunternehmen drastisch zu reduzieren. Wie nachvollziehbar der Kontext des Vorschlags auch sein mag: Der mit der Einführung der Verordnung verbundene Verwaltungsaufwand geht zu Lasten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im betroffenen Sektor. Der Ausschuss vertritt daher die Meinung, dass sich die einzelstaatlichen und internationalen Behörden auch finanziell beteiligen sollten.

    4.10

    Zudem werden die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahme zur Verleihung des Qualitätskennzeichens „zuverlässiges Unternehmen“ auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Landverkehrssektor in dem Vorschlag nur gestreift. Die Arbeitnehmer werden entsprechende Schulungen bekommen, wie sie sich in den verschiedenen Situationen zu verhalten haben, und die Unternehmen müssen diverse Gefahrenabwehrmaßnahmen ergreifen, die die Kosten stark in die Höhe treiben und bei denen es fraglich ist, ob sie an die Auftraggeber oder die Kunden weitergegeben werden können.

    4.11

    Nach Meinung des Ausschusses wird in dem Kommissionsvorschlag nicht konkret genug darauf eingegangen, welche Vorteile aus dem Erwerb des Status „zuverlässiges Unternehmen“ erwachsen. Dies gilt sowohl für den Umfang dieser Vorteile als auch für die Art und Weise, wie diese erzielt werden können.

    4.12

    Der Ausschuss fragt sich, ob sich die Kommission bei der Meinungsbildung über den Verordnungsentwurf der in den verschiedenen Sektoren bereits ergriffenen Maßnahmen genügend bewusst war. So gilt für den Güterverkehr auf der Straße — wenn auch nur für einen (und zwar den verwundbarsten) Teilbereich — das ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße), während für den Binnenschiffverkehr das ADNR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein) Anwendung findet, in dessen Artikel 1 Absatz 10 das Gefahrgut in der Binnenschifffahrt geregelt wird. Ähnliche Vereinbarungen gibt es auch für den Güterverkehr auf der Schiene. Nach Auffassung des Ausschusses wäre es sinnvoll, zunächst zu prüfen, ob eine Anpassung der bestehenden Maßnahmen nicht ebenso wirksam wäre wie die Einführung eines neuen Verordnungsvorschlags. Es ist nicht ganz klar, ob die Kommission dies bedacht hat. Mit Blick auf die Verringerung des Verwaltungsaufwands wäre dies zu empfehlen.

    4.13

    Des Weiteren vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Erlangung des Status „zuverlässiges Unternehmen“ für ein Unternehmen eine beträchtliche Verringerung der Frachtkontrollen in Häfen und an Grenzen bedeutet. Garantien dafür, dass dies auch tatsächlich geschieht, oder diesbezügliche Vereinbarungen sind dem Kommissionsvorschlag jedoch nicht zu entnehmen. Der Ausschuss vertritt die Meinung, dass angesichts der von den Unternehmen und Einzelbetrieben verlangten Anstrengungen Garantien in Bezug auf die voraussichtlichen Vorteile für die Teilnehmer geboten werden müssen, zumal die Vorteile bezüglich der Grenzaufenthalte aufgrund der Tatsache, dass es keine systematischen Kontrollen an den Binnengrenzen mehr gibt, ohnehin nicht mehr gegeben sind.

    4.14

    Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr so beschaffen sein müssen, dass sie für bestimmte Grundrechte wie das Recht auf Unternehmensvertretung oder gewerkschaftlichen Zusammenschluss oder für bestimmte unternehmensfremde Personen, die zeitweilig — wie etwa beim Be- und Entladen — von den Aktivitäten des Unternehmens betroffen sind, kein Hemmnis darstellen.

    4.15

    Darüber hinaus möchte der Ausschuss auf eine Problematik verweisen, die sich insbesondere im internationalen Straßengüterverkehr auftut. Die Rastplätze für Lkw-Fahrer werden von den Fahrern häufig als so unsicher erachtet, dass sie sich nicht mehr trauen, dort Halt zu machen, um zu übernachten. Die Folge davon ist, dass die Fahrt- und Ruhezeitenregelung schwer einzuhalten ist und die Verkehrsunsicherheit zunimmt. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass wesentlich mehr in die Sicherung dieser Rastplätze investiert werden muss, gerade auch, weil sie als Übernachtungsmöglichkeiten für den internationalen Straßengüterverkehr genutzt werden. Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, dieser Problematik Aufmerksamkeit zu schenken und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, die zu einer verbesserten Sicherheit führen.

    5.   Besondere Bemerkungen

    5.1

    Bevor auf die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme zur Erhöhung des Sicherungsniveaus eingegangen wird, scheint es ratsam zu prüfen, welche Gefahrenabwehrmaßnahmen bei den einzelnen Landverkehrsträgern bereits getroffen wurden.

    5.2

    Im Binnenschiffverkehr werden zur Ladung und/oder Löschung häufig Seehäfen genutzt. In diesen Fällen findet bereits der ISPS(International Ship and Port Facility Security)-Code Anwendung.

    5.3

    Im Schienenverkehr steht die Sicherheit von Personen und Gütern von jeher hoch im Kurs. In diesem Zusammenhang sollte das Prinzip einer flexiblen und praxisorientierten Risikobewertung gestärkt werden. Beim Ergreifen von Gefahrenabwehrmaßnahmen muss verwundbaren Orten wie Bahnhofs- und Rangierbereichen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. In Bezug auf die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im internationalen Güterverkehr auf der Schiene muss der UIC (Internationaler Eisenbahnverband) Empfehlungen unterbreiten.

    5.4

    Der Güterkraftverkehrssektor — sowohl Berufsspediteure als auch Unternehmen, die Werkverkehr betreiben — setzt sich aus einer sehr großen Zahl vorwiegend kleiner bis sehr kleiner Betriebe zusammen und ist dadurch sehr verwundbar. Die internationale Dachorganisation, der Internationale Straßentransport-Verband (IRU), hat so genannte Security Guidelines (Leitlinien für die Gefahrenabwehr) für Unternehmensmanagement, Kraftfahrer und Verlader aufgestellt. Ferner wurde ein Regulierungsrahmen für Verträge über freiwillige Zusammenarbeit mit den Zollbehörden ausgearbeitet.

    5.5

    Bei der Aufstellung der in Ziffer 4.4 genannten Leitlinien wurden folgende Ausgangspunkte zugrunde gelegt:

    Gefahrenabwehrmaßnahmen dürfen nicht so streng sein, dass dadurch der normale Betriebsablauf unmöglich wird.

    Neu zu beschließende Gefahrenabwehrmaßnahmen müssen zu dem damit verfolgten Zweck, den damit verbundenen Kosten und Auswirkungen für den Verkehr in einem angemessenen Verhältnis stehen.

    Einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten können nicht gutgeheißen werden.

    Gefahrenabwehrmaßnahmen müssen nachvollziehbar und akzeptabel sein.

    Wegen des internationalen Charakters des Verkehrs sollten die zu treffenden Maßnahmen einheitlich, verhältnismäßig und nicht diskriminierend angewandt werden und die effizientesten Handelsströme wenn überhaupt so wenig wie möglich behindern.

    5.6

    Der Ausschuss möchte nachdrücklich auf die — unter dem Blickwinkel der Gefahrenabwehr — Verwundbarkeit von Rohrleitungen hinweisen. In ihrem Dokument lässt die Kommission diesen Verkehrsträger, der zwar vom Sicherheitsstandpunkt aus komplex, aufgrund der geringen Zahl von Unternehmen jedoch sehr gut überschaubar ist, völlig außer Acht. Der Ausschuss empfiehlt daher, der Gefahrenabwehr bei Rohrleitungen, die neben Verkehrsträgern auch Infrastruktur sind, besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

    5.7

    Im Lichte der in Ziffer 3.7 vorgetragenen Bemerkungen macht es nach Meinung des Ausschusses gewiss Sinn, dass jeder Mitgliedstaat eine zuständige Behörde benennt, die die Sicherheit der Lieferkette koordiniert, umsetzt und überwacht, sofern diese Behörde nicht nur die Verantwortung trägt, sondern auch über die entsprechende Handlungskompetenz verfügt. Letzteres wurde nicht ausdrücklich in den Text des Verordnungsentwurfs aufgenommen. Der Ausschuss empfiehlt, die Verabschiedung eines gewichtigen Rechtsinstruments wie der Verordnung zum Anlass zu nehmen, detailliertere Vorschriften hierüber aufzunehmen, damit ein einheitliches Vorgehen in den Mitgliedstaaten gewährleistet ist.

    5.8

    Der Verordnungsentwurf sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften über die Vergabe des Status „zuverlässiges Unternehmen“ durch die zentrale zuständige Behörde an Unternehmen der Lieferkette erlassen, wenn diese von einer Reihe näher definierter Aktivitäten im Rahmen der Lieferkette betroffen sind. Dieser Status wird für drei Jahre gewährt, wobei die Möglichkeit einer Verlängerung besteht, wenn das „zuverlässige Unternehmen“ die Mindestanforderungen dieses Verordnungsvorschlags weiterhin erfüllt. Sobald das betreffende Unternehmen im Besitz des Status „zuverlässiges Unternehmen“ ist, sollten weniger strenge Sicherheitskontrollen für dieses Unternehmen gelten.

    5.9

    Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Kommission die Dinge zu optimistisch schildert. Aus dem Text des Verordnungsentwurfs gehen weder die Einsetzung einer Struktur mit jeweils einer zuständigen Behörde je Mitgliedstaat noch das Verfahren und die Kriterien hervor, aufgrund derer Antragstellern der Status „zuverlässiges Unternehmen“ zuerkannt wird.

    5.10

    Nur in der dem Verordnungsentwurf beigefügten Mitteilung ist davon die Rede, dass die Unternehmen in puncto Sicherheit bestimmten Mindestnormen erfüllen müssen. Die Mitgliedstaaten sollen diese Mindestnormen im Rahmen einer Regelung für „zuverlässige Unternehmen“ selbst ausarbeiten. Wenn jeder Mitgliedstaat seine eigenen Mindestnormen anwendet, gibt es keinerlei Gewähr, dass ein harmonisiertes EU-weites System von Mindestnormen entstehen wird. Im Gegenteil: Der Ausschuss befürchtet, dass sich — wenn keine Auflagen hinsichtlich Form und Inhalt von Mindestnormen gemacht werden — ein Nebeneinander miteinander nicht vergleichbarer Regeln herausbilden wird. Wie in Ziffer 3.8 bereits erwähnt, äußert der Ausschuss die Besorgnis, ob die anzustrebenden fairen Wettbewerbsbedingungen auf diese Weise auch wirklich erreicht werden können. Der Kommission wird geraten, der Frage, wie dafür gesorgt werden kann, dass der Status „zuverlässiges Unternehmen“ in den einzelnen Mitgliedstaaten gleichen Inhalt und gleiche Bedeutung hat, besonderes Augenmerk zu schenken.

    5.11

    Aufgrund der Systematik der beiderseitigen Anerkennung des Status „zuverlässiges Unternehmen“ wird es auch in der EU zu ungleicher Behandlung und somit zu einer gewissen Form von Wettbewerbsverzerrung kommen.

    5.12

    Der Ausschuss möchte darauf hinweisen, dass der Begriff „zuverlässiges Unternehmen“ je nach Verkehrsträger eine andere Bedeutung annehmen kann. So besteht der Schienenverkehrssektor aus einigen Großunternehmen, während im Straßengüterverkehr ca. 500.000 zumeist kleine Unternehmen tätig sind.

    5.13

    Der Ausschuss ist von den in Artikel 6 des Verordnungsentwurfs angeführten Vorteilen für „zuverlässige Unternehmen“ nicht überzeugt. Die Mitgliedstaaten sollen laut dem Kommissionsvorschlag dafür zu sorgen haben, dass „zuverlässige Unternehmen“ von Erleichterungen und vereinfachten Verfahren zur Sicherheitskontrolle — so genannten „beschleunigten Verfahren“ — profitieren. Dadurch soll nach den Worten der Kommission gewährleistet werden, dass in diesem Fall weniger strenge Sicherheitskontrollen zur Anwendung kommen. Dem Ausschuss muten die betreffenden Passagen vage und wenig konkret an, und er hält die Durchführbarkeit daher für sehr fraglich.

    5.14

    Aus dem Kontext geht hervor, dass die — wie auch immer geartete — Finanzierung der sich aus der Durchführung der vorgeschlagenen Regelung ergebenden Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten erfolgen soll. Nach Einschätzung des Ausschusses bedeutet dies eine schwere Belastung für die Mitgliedstaaten. Es erscheint unerlässlich, den Umfang der Verantwortung und der Mitarbeit der einzelnen Mitgliedstaaten sowie der „zuverlässigen Unternehmen“ genau festzulegen. Die Kosten, die mit der Einsetzung und Instandhaltung eines Systems, wie es die Kommission vorschlägt, verbunden sind, werden angesichts der fragmentierten Zielgruppen hoch sein.

    5.15

    Es liegt auf der Hand, dass die Behörden der Mitgliedstaaten die Kosten im Zusammenhang mit der Festlegung von Bestimmungen und der Kontrolle ihrer Anwendung selbst übernehmen. Daneben wird die Europäische Union Mittel zu der wie auch immer gearteten Unterstützung von Ländern außerhalb der EU bereitstellen müssen, um diese Länder in die Lage zu versetzen, dasselbe Sicherheitsniveau wie die EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Der Ausschuss hält dies aufgrund des internationalen Charakters des Güterverkehrs über Landverkehrsträger für einen wichtigen Gesichtspunkt.

    5.16

    Die Investitionskosten für die Gefahrenabwehr sowie die damit verbundenen laufenden Kosten wie Personal-, Versicherungs- und Auskunftskosten sollten von den Unternehmen getragen werden, die die Gefahrenabwehrmaßnahmen treffen, und auf die Preise/Tarife, die sie berechnen, umgelegt werden. Dabei muss bedacht werden, dass die Versicherungsprämie von Unternehmen, die den Status „zuverlässiges Unternehmen“ erlangt haben, gesenkt werden muss. Bei genauer Betrachtung stellt sich eine Situation dar, in der auf dem Verkehrsmarkt 'zuverlässige Unternehmen' und solche, die diesen Status nicht besitzen, nebeneinander tätig sein werden. Dies kann zur Entstehung zweier Gruppen von Unternehmen führen: zum einen Unternehmen, die sichere, aber teurere Dienstleistungen erbringen, und zum anderen Unternehmen, die die mit höheren Sicherheitsstandards verbundenen Kosten nicht tragen und ihre Dienste daher billiger anbieten können.

    5.17

    In Erwägungsgrund 11 des Verordnungsvorschlags wird im niederländischen Text zu Recht das Wort „gevestigd“ (im deutschen Text: „niedergelassen“) verwendet. Der Ausschuss weist darauf hin, dass dieses Wort in einigen anderen Sprachfassungen (wie beispielsweise der polnischen) im Sinne von „eine Tätigkeit ausüben“ wiedergegeben wird, was jedoch etwas völlig Anderes ist.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/78


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — E-Government-Aktionsplan im Rahmen der i2010-Initiative: Beschleunigte Einführung elektronischer Behördendienste in Europa zum Nutzen aller“

    KOM(2006) 173 endg.

    (2006/C 325/19)

    Die Kommission beschloss am 25. April 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. November 2006 an. Berichterstatter war Herr HERNÁNDEZ BATALLER.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 114 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt den von der Kommission vorgelegten Aktionsplan, denn damit fördern die Behörden in der Europäischen Union die Ziele einer wissensbasierten Wirtschaft und eines dauerhaften Wirtschaftswachstums mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt.

    1.2

    Der Ausschuss vertritt die Ansicht, dass die Durchführung des Aktionsplans dazu beitragen kann, die Ausgrenzung einzelner sozialer Gruppen in der Gesellschaft bzw. der Arbeitswelt zu verhindern, die Qualität und Sicherheit der Beschäftigung zu verbessern, eine „digitale Kluft“ zu vermeiden, den universalen Zugang zu lokalen Dienstleistungen zu fördern und hilfsbedürftige Personengruppen umfassend zu betreuen, mit einem Wort: den Zusammenhalt der Gesellschaft angesichts ganz neuer drohender Formen von Ungleichheit zu stärken. Es müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, damit es keine „Bürger zweiter Klasse“ gibt.

    1.3

    Die Umstellung der Behörden auf digitale Dienstleistungen geht einher mit ihrer Modernisierung im Sinne einer besseren Qualität, Flexibilität und Leistungsfähigkeit der Dienste für die Bürger, eines wirksamen Einsatzes öffentlicher Mittel, Kostensenkungen, Benutzerzufriedenheit, einer stärkeren Verzahnung der Behörden untereinander und einer Vereinfachung der Verwaltungsverfahren.

    1.4

    Der EWSA empfiehlt nachdrücklich die Festlegung von Zielen, die einen flächendeckenden Breitbandzugang zur Verbreitung des Internets als Instrument zur Information und Kommunikation sichern. Das Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger diesem Instrument entgegenbringen, hängt davon ab, wie sicher seine Benutzung wahrgenommen wird. Dieser Aspekt ist für die digitale Verwaltung und die Dienste, die den Bürgern angeboten werden können, von großer Bedeutung.

    1.5

    Der EWSA bedauert, dass in dem Aktionsplan in keiner Weise auf die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft bei der Verwirklichung des Ziels der Bürgerbeteiligung an den demokratischen Entscheidungsprozessen eingegangen wird. Als Hauptpfeiler der partizipativen Demokratie kommt der organisierten Zivilgesellschaft eine grundlegende Rolle in der künftigen „digitalen Demokratie“ zu.

    2.   Der Vorschlag der Kommission

    2.1

    Die Kommission stellt in diesem Dokument ihren Aktionsplan für elektronische Behördendienste (E-Government) vor. Er ist ein fester Bestandteil der i2010-Initiative für Wachstum und Beschäftigung in der Informationsgesellschaft und soll einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Lissabon-Agenda und anderer politischer Ziele der Europäischen Gemeinschaft leisten.

    2.2

    Die Kommission hält die beschleunigte Einführung elektronischer Behördendienste im Hinblick auf Modernisierung und Innovation für wichtig, da neue Bedürfnisse und Anforderungen, beispielsweise nach öffentlichen Diensten, die auch grenzübergreifend nahtlos funktionieren, entstehen und dies die Voraussetzung für eine größere Mobilität der Bürger und Unternehmen in Europa ist.

    2.3

    Mit diesem Aktionsplan möchte die Kommission:

    die Realisierung greifbarer Vorteile für alle Bürger und Unternehmen beschleunigen;

    dafür sorgen, dass einzelstaatliche elektronische Behördendienste nicht zum Aufbau neuer Hindernisse innerhalb des Binnenmarktes führen, z.B. durch Fragmentierung oder mangelnde Interoperabilität;

    die Vorteile elektronischer Behördendienste auch auf EU-Ebene nutzbar machen, indem sie Größeneinsparungen in den Initiativen der Mitgliedstaaten erleichtert und an der Lösung der gemeinsamen europäischen Herausforderungen mitwirkt;

    die EU-weite Zusammenarbeit aller Beteiligten bei der Gestaltung und Erbringung elektronischer Behördendienste gewährleisten.

    2.4

    Der Aktionsplan enthält fünf Hauptziele im Bereich E-Government und konkrete Zielsetzungen für 2010:

    Vorantreibung der digitalen Integration durch elektronische Behördendienste, damit bis 2010 allen Bürgern vertrauenswürdige, innovative Dienste mit einfachem Zugang für alle zur Verfügung stehen.

    Das beinhaltet die Bekämpfung der digitalen Kluft und Chancen zur Verwirklichung IKT-gestützter Integrationsmaßnahmen, damit alle Bürger, auch sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen, diese Dienste nutzen können.

    Echte Effizienz und Effektivität — Leistung eines wesentlichen Beitrags, damit bis 2010 eine hohe Nutzerzufriedenheit, Transparenz und Verantwortlichkeit sowie ein geringerer Verwaltungsaufwand und Effizienzgewinne erreicht werden.

    Dazu soll einerseits ein gemeinsamer Rahmen für Wirkungs-Nutzen-Messungen erstellt werden, der auch den Leistungsvergleich anhand gemeinsamer Indikatoren und das fallorientierte Lernen anhand messbarer Indikatoren umfasst.

    Andererseits gilt es, die entsprechenden Erfahrungen stärker zu verbreiten und auszutauschen, um die langfristige Tragfähigkeit zu sichern.

    Einführung wichtiger, für Bürger und Unternehmen besonders relevanter Dienste — bis 2010 soll das öffentliche Auftragswesen zu 100 % elektronisch möglich sein und zu 50 % auch tatsächlich elektronisch abgewickelt werden, außerdem soll Einigung über die Zusammenarbeit bei weiteren, für die Bürger wichtigen Online-Diensten erzielt werden, so z.B. bei Diensten, die die Mobilität der Bürger erleichtern (z.B. verbesserte europaweite Stellensuchdienste, aber auch Sozialversicherungsdienste im Zusammenhang mit Patientenakten und elektronischen Verschreibungen) und Mehrwertsteuererstattung.

    Schaffung wichtiger Grundlagen: Den Bürgern und Unternehmen soll bis 2010 europaweit ein bequemer, sicherer, interoperabler und authentifizierter Zugang zu öffentlichen Diensten zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel nationale Personalausweise nach einheitlichem Muster, oder Festlegung der Lenkungsmaßnahmen zur Entwicklung der elektronischen Identifikation und Authentifizierung für öffentliche Dienste.

    Erprobung von Instrumenten einer effektiven öffentlichen Diskussion und Beteiligung an der demokratischen Entscheidungsfindung bis 2010, wobei viele Fragen zu klären und Probleme zu lösen sind, von der Einbeziehung aller Menschen bis hin zu der Qualität der Entscheidungsprozesse.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Insgesamt gesehen befürwortet der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss den Aktionsplan der Kommission und die darin festgelegten ehrgeizigen Ziele, die man damit erreichen will. Der Ausschuss teilt die Auffassung der Kommission im Hinblick auf die Zielsetzungen und die politische Zweckmäßigkeit dieser Initiative, da damit die Vorgabe der Lissabon-Strategie, Europa zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, gefördert wird.

    3.2

    Der EWSA bekräftigt seine Auffassung (1), dass die EU ein schlüssiges, dynamisches und fortschrittliches Konzept für die Ziele der Union und die institutionelle Dynamik vorlegen muss, wenn sie will, dass die Lissabon-Ziele realistisch erreichbar sind. Die Förderung von E-Government ist jedenfalls ein geeignetes Instrument, um diese Ziele zu erreichen.

    3.3

    Eine vorrangige Aufgabe besteht darin, einen vollständigen flächendeckenden Zugang zu Breitbanddiensten zu erreichen, weshalb in nicht abgedeckten Gebieten die entsprechenden Infrastrukturen ausgebaut werden müssen, um den Zugang zu diesen Diensten zu gewährleisten und Breitband- und Mobilfunknetze und -Dienstleistungen zu fördern.

    3.4

    Die Durchführung der in dem Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen auf den verschiedenen territorialen Ebenen und der diesbezügliche Erfahrungsaustausch werden sich deutlich auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken, insbesondere auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und in Bezug auf die täglichen Belange der Unionsbürger; die Lebensqualität und der Wohlstand der Bürger werden dadurch steigen.

    3.4.1

    Der Aktionsplan betrifft Grundrechte, die in der Grundrechtscharta anerkannt sind, wie zum Beispiel das „Recht auf eine gute Verwaltung“, den „Schutz personenbezogener Daten“, das „Recht auf Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst“, den „Gesundheitsschutz“ und den „Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“.

    3.4.2

    Der Ausschuss bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass bei der Verwirklichung der Ziele des Aktionsplans das derzeitige Schutzniveau beibehalten und verhindert wird, dass die zunehmende technische Entwicklung mit einer Schwächung des Schutzes dieser Rechte einhergeht.

    3.5

    Zur Stärkung des Vertrauens der Bürger in die Behörden sind richtig proportionierte, ausreichende Sicherheitsmaßnahmen erforderlich, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten, der Art und Bedeutung der Daten und der geschützten Prozesse stehen.

    3.6

    Der EWSA hat sich bereits zu der Notwendigkeit einer europäischen Rahmenpolitik für die Sicherheit der Netze und der Information geäußert (2) und dabei festgestellt, dass die Investitionen in eine größere Sicherheit der Netze soziale Kosten und Nutzeffekte mit sich bringen, die sich in den Marktpreisen nicht richtig widerspiegeln.

    3.7

    Der EWSA wird sich demnächst eingehender zu der Frage der Netzsicherheit im Aktionsplan i2010 äußern (3).

    3.8

    Um die erfolgreiche Umsetzung des Aktionsplans sicherzustellen, muss die Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den Behörden der Mitgliedstaaten gestärkt und dazu geeignete Kanäle festgelegt werden, die zugleich eine wirksame Beurteilung der Ergebnisse ermöglichen.

    3.9

    Dabei sollten Strukturen für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen öffentlichen Verwaltungen geschaffen werden, damit die Bürgerinnen und Bürger die neuen Dienste unabhängig von der jeweils bereitstellenden Behörde in Anspruch nehmen können. Dies würde zudem die gemeinsame Entwicklung von Anwendungen und eine stärkere Integration bestehender Lösungen ermöglichen.

    3.10

    Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit, europaweite öffentliche Dienste auf Gemeinschaftsebene zu fördern (4) (Zoll, Galileo, europäische Krankenversicherungskarte, gerichtliche Zusammenarbeit z.B. bei der Beweisaufnahme, Bekanntmachung und Zustellung von Schriftstücken in Zivilsachen sowie in neuen Bereichen, wie europäisches Kfz-Kennzeichen und europäischer Führerschein) und dabei eine Verknüpfung zwischen den einzelnen Behörden in diesen Bereichen herzustellen.

    3.11

    An dem Aktionsplan zu bemängeln gibt es unter anderem die Tatsache, dass die supranationalen Instrumente zur wirtschaftlichen Unterstützung (IST, IDA) nicht ausreichen, um den angestrebten Wandel bei den Humanressourcen und auf technischer Ebene zu unterstützen. Nötig wäre dies insbesondere im Hinblick auf die neuen Mitgliedstaaten und die Länder bevorstehender EU-Erweiterungen.

    3.12

    Wenn verhindert werden soll, dass die einzelnen Mitgliedstaaten im Bereich E-Government mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voranschreiten, muss zunächst als Ad-hoc-Gemeinschaftsmaßnahme ein Fonds für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen bereitgestellt und eine differenzierte rechtliche Behandlung mit längeren Umsetzungsfristen ermöglicht werden, damit die Verwaltungen die in dem Plan vorgesehenen Ziele erreichen können.

    3.13

    Zudem sollten sowohl die EIB als auch die Kommission ebenfalls Finanzinstrumente vorsehen, um der europäischen Wirtschaft im Anwendungsbereich dieses Aktionsplans Anschubhilfe zu geben.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Die Informationsgesellschaft stellt im Hinblick auf die Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit, aber auch in Bezug auf den sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Chancengleichheit eine Herausforderung dar. Eine der für die Zukunft der Menschen und der Regionen bedeutsamsten Formen von Ungleichheit ist der Platz auf der einen oder der anderen Seite der „digitalen Kluft.

    4.2

    Hier muss das vorrangige Ziel darin bestehen, das Aufbrechen einer digitalen Kluft zu verhindern, sie zu verringern oder sie ganz zuzuschütten. Dazu bedarf es einer aktiven und unmittelbar wirkenden Politik zur Förderung und Bereitstellung der entsprechenden Dienste vor allem in den Gebieten, die nicht ausreichend an die neuen Technologien angepasst sind. Daneben müssen intensive Computerschulungsprogramme für spezifische Bevölkerungssegmente aufgelegt werden, die auch die berufliche Bildung umfassen sollten.

    4.3

    Der EWSA hält die Einführung, Verwaltung, Entwicklung und Pflege von Infrastrukturen und Ressourcen aller Art — einschließlich Humanressourcen — für erforderlich, damit die einzelnen öffentlichen Verwaltungen auf dem Gebiet der Bildung und Schulung im IKT-Bereich tätig werden können. Dies würde einer effizienten Organisation auf dem gesamten Gebiet der Europäischen Union mit dem Ziel dienen, die digitale Kompetenz und den Internetanschluss zu fördern und zu stärken.

    4.3.1

    Zur Förderung der digitalen Kompetenz müssten bestimmte Maßnahmen unterstützt werden, wie z.B. Einrichtung und Betrieb voll ausgestatteter, praxisbezogener Schulungsräume für Computerkurse, die Ausbildung von Ausbildern, Beihilfen für einen Internetanschluss, „Internet-Schecks“ für Schulungsteilnehmer, die ihren Kurs optimal genutzt haben und mit denen sie teilweise den Erwerb und den Zugang zu IKT-Technik und Dienstleistungen (vor allem Internet) finanzieren können.

    4.3.2

    Die Inhalte und der Leistungsumfang dieser Maßnahmen zur Förderung der digitalen Kompetenz sollten auf der Konzipierung, Einleitung, Begleitung und Kontrolle der Ausbildung und der Unterstützung der Durchführung von Internetkursen basieren.

    4.3.3

    Gefördert werden könnten zum Beispiel die Entwicklung von „virtuellen Campus“ zur Betreuung von Internetnutzern mittleren Niveaus, wobei diesen Nutzern zugleich entsprechend bescheinigte fremdsprachliche Bildungsinhalte vermittelt werden sollten. Im Rahmen der digitalen Behördendienste könnten die Sprachenvielfalt, der Erwerb von Sprachkenntnissen und die Mehrsprachigkeit in der EU gefördert werden.

    4.4

    Die Portale der einzelnen öffentlichen Verwaltungen sollten den höchsten, international anerkannten Standards für die e-Accessibility entsprechen, was vor allem für eine optimale Konformität mit den Richtlinien der WAI (Web Accessibility Initiative) gilt. Angezeigt sind ebenso Maßnahmen aller Art, seien es normsetzende, technische oder organisatorische, mit denen zugängliche IKT und EU-weit interoperable Behörden gefördert werden.

    4.5

    Mit dem Abbau physischer Barrieren muss die Beseitigung der „Barrieren im Kopf“ einhergehen, die die Menschen bisweilen trennen. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass ein barrierefreier Zugang sowohl zu den eigentlichen Räumlichkeiten als auch zu den Kommunikationssystemen und -mitteln sowie die rechtliche Anerkennung der Zeichensprache entscheidende Schritte sind, die man derzeit auf dem Weg zur vollen Entfaltung der Unionsbürgerschaft geht.

    4.6

    Transparenz impliziert die Förderung der Informationsfreiheit, die Gewährleistung der Objektivität und ein wahrheitsgetreues, aktuelles Informationsangebot, womit sich die Undurchschaubarkeit der Behördentätigkeit verhindern lässt.

    4.7

    Die Versorgung der Öffentlichkeit mit relevanten, aktuellen Informationen ist ein Kernstück des demokratischen Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. Nur so erhalten die Menschen Zugang zu öffentlichen Angelegenheiten, können an den Entscheidungen teilhaben und die Tätigkeit und das Verhalten der Verwaltung beurteilen.

    4.8

    Kurz, es geht darum, das gesamte IKT-Potenzial für eine bessere, effizientere und den Bürgern näher stehende Verwaltung zu nutzen, die nützliche und hochwertige digitale Behördendienste erbringt und so zur Entfaltung der Bürger und Unternehmen in der Informationsgesellschaft beiträgt.

    4.9

    In dieser Hinsicht sollten innerhalb eines angemessenen Zeitraums in allen Mitgliedstaaten mindestens folgende Maßnahmen durchgeführt werden:

    Gewährleistung des Rechts der Bürger und Unternehmen, auf elektronischem Weg mit den Behörden zu verkehren;

    Einrichtung von Mechanismen, die sicherstellen, dass das Angebot an Online-Diensten den bestehenden Bedürfnissen entspricht, und Aufstellen eines klar definierten Katalogs elektronischer Dienstleistungen;

    Sicherstellung geeigneter Kanäle, über die alle Bürger und Unternehmen die von der Verwaltung angebotenen Dienste in Anspruch nehmen können.

    4.10

    In vielen Fällen wird ein Heranführen der Unternehmen der Europäischen Union und insbesondere der KMU an die nötige Technik erforderlich sein. Für die einzelnen Unternehmenssektoren in der EU und insbesondere dort, wo es große IKT-Defizite gibt, müssen technische Maßnahmen und fachliche und individuell abgestimmte Beratung geleistet werden, u.a. durch „Technologieberater“ und die Einrichtung von „Beratungsstellen für technische Entwicklung“ auf staatlicher, regionaler und kommunaler Ebene.

    4.11

    Diese Maßnahmen müssen durch weitere Aktionen zur Verbreitung und Propagierung, durch Bildungs- und Schulungsinitiativen auf dem Gebiet der IKT sowie durch Anreize für leistungsfähige Internetanschlüsse und allgemein den Einsatz von IKT in KMU ergänzt werden.

    4.12

    Durch Aktionen zur IKT-Förderung können die KMU in der EU in die wissensbasierte Wirtschaft integriert werden, u.a. durch die Förderung eines innovativen Produktionsumfeldes, die Dynamisierung von Unternehmensnetzen sowie die Schaffung, gemeinsame Nutzung und den wirksamen Transfer von Technologie und Wissen.

    4.13

    Konkrete Maßnahmen, die gefördert werden können, sind z.B. technologische und Managementlösungen zur Anwendung im produzierenden Gewerbe in der EU; vergleichende Untersuchungen (Benchmarking) zum IKT-Entwicklungsgrad in den verschiedenen produzierenden Sektoren; die Einrichtung gemeinsamer Zentren für Technologiemanagement und Prozessentwicklung (sektorspezifische Parks für IKT-Lösungen); die Einrichtung von Dienstleistungszentren für KMU in den einzelnen produzierenden Sektoren und deren Verzahnung mit den Zentren für Forschung, Entwicklung und Innovation (sektorspezifische IKT-Werkstätten); die Förderung von B2B- und B2C-Unternehmensnetzen; der Ausbau der Finanzierungsmechanismen für Risikokapital im IKT-Sektor und ähnlichen Bereichen; die Einrichtung von Websites mit Dienstleistungskatalogen für Branchen und Unternehmen, die sich als Nutzer der Website anmelden; die Einrichtung von digitalen Foren und Online-Verzeichnissen von und für KMU.

    4.14

    Im Hinblick auf die Sicherheit sollte die Einrichtung von Zentren gefördert werden, die auf die Prävention, Lösung, frühzeitige Erkennung und proaktive Behandlung von Sicherheitsproblemen und auf Forschung, Entwicklung und Innovation im Bereich Computersicherheit und IKT spezialisiert sind und vor allem Unternehmen und Behörden in der EU spezifische technologische Lösungen anbieten, um so das Vertrauen in das Internet, den elektronischen Handel und die digitalen Behördendienste zu stärken.

    4.15

    Sowohl die politischen Parteien als auch die Organisationen der Zivilgesellschaft können heute schneller und wirksamer mit den Bürgern kommunizieren und fordern deshalb von ihren Regierungen Maßnahmen, damit die neuen Kommunikationsmittel und insbesondere Internet zu einem normalen Verbindungskanal werden, über den sich die Bürger an die Behörden wenden, mit diesen verkehren, direkt an der Ausarbeitung kollektiver Entscheidungen mitwirken und ihre politischen Rechte ausüben, was je nach Lage auch die Ausübung des Wahlrechts einschließt.

    4.16

    Der EWSA bedauert, dass in dem Aktionsplan nicht auf die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft bei der Verwirklichung der Ziele dieses Plans eingegangen wird, was insbesondere für eine stärkere Bürgerbeteiligung an den demokratischen Entscheidungsprozessen in Europa gilt.

    4.17

    Der EWSA beabsichtigt, die Initiative zur Einbeziehung aller in diese Dienste auf europäischer Ebene zu fördern, zu begleiten und zu überwachen, damit die digitale Kluft und der technologische Rückstand, die sich für bestimmte Gruppen der Gesellschaft aus der Einführung elektronischer Behördendienste ergeben könnten, überwunden werden.

    4.18

    Dieses Ziel lässt sich nur mit Reformen erreichen, welche den Informationsfluss, die Kommunikation über das Netz und den direkten Dialog zwischen Bürger und Verwaltung verbessern und das soziale und demokratische Kapital sowie die öffentlichen digitalen Strukturen stärken.

    4.19

    Die Qualität einer Demokratie hängt zu einem großen Maße vom Funktionieren der öffentlichen Verwaltung ab. Gebraucht werden moderne und flexible Behörden, die ihre Organisation an den Problemen der Bürger ausrichten und so in der Lage sind, diese Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Die Behörden müssen ihre Tätigkeit transparent gestalten, damit die Bürger ihnen vertrauen und sie als bürgernah wahrnehmen.

    4.19.1

    Als Verfechter der partizipativen Demokratie vertritt der EWSA die Ansicht, dass diese Mitwirkung aufgeklärte Bürger hervorbringt, das Regieren erleichtert und zu gesunden politischen Strukturen beiträgt.

    4.19.2

    Es sollte eine Untersuchung und Überwachung der Situation und Entwicklung der Technologie- und Wissensgesellschaft in der Europäischen Union durchgeführt werden. Diese Untersuchung sollte sich auf streng wissenschaftliche und statistische Methoden und Verfahren stützen und schwerpunktmäßig die technologische Durchdringung von Zielgruppen mit besonderen Bedürfnissen analysieren, um genau die Maßnahmen zu ermitteln, mit denen die „digitale Kluft“ wirksam überbrückt und ein Beitrag zur intensiven Nutzung und Verwendung der IKT in der europäischen Gesellschaft und insbesondere in diesen Zielgruppen geleistet werden kann.

    Brüssel, den 14. Dezember 2006.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Durchführung der Lissabon-Strategie verbessern“; ABl. C 120 vom 20.5.2005, S. 79 bis 88, verabschiedet am 27.10.2004. Berichterstatter: Herr VEVER; Mitberichterstatter: Herr EHNMARK und Herr SIMPSON.

    (2)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Sicherheit der Netze und Informationen: Vorschlag für einen europäischen Politikansatz“; ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 33-41, verabschiedet am 28.11.2001. Berichterstatter: Herr RETUREAU, Ziffer 3.2.1, 3.11.

    (3)  Stellungnahmeentwurf ABl. C 318, 23.12.2006.Berichterstatter: Herr PEZZINI.

    (4)  StellungnahmeABl. C 318, 23.12.2006, verabschiedet am 14.9.2006. Berichterstatter: Herr VEVER.


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/82


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/…/EWG über die technischen Vorschriften für Binnenschiffe“

    KOM(2006) 646 endg. — 2006/0210 (COD)

    (2006/C 325/20)

    Der Rat beschloss am 16. November 2006 gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Das Präsidium des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses beschloss am 25. Oktober 2006, die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft mit den Vorarbeiten zu dieser Stellungnahme zu beauftragen.

    In Anbetracht der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) Herrn RUSCHE zum Hauptberichterstatter und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Fazit und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss misst — wie er bereits bekräftigt hat — der Harmonisierung der technischen Vorschriften für Binnenschiffe größte Bedeutung bei.

    1.2

    Wie er schon in seiner Stellungnahme zu der zu ändernden Richtlinie 2006/.../EWG über technische Vorschriften für Binnenschiffe ausgeführt hat, ist der Rhein die meist befahrene Wasserstraße der Welt. Die Bedingungen und technischen Vorschriften für diese Wasserstraße werden gemäß Artikel 22 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte regelmäßig von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) aktualisiert. Die ZKR bezieht dabei durch die Anhörung internationaler Nicht-Regierungsorganisationen die Vertreter der Zivilgesellschaft, namentlich die Schiffseigner, die Gewerkschaften, die Werften und die Zulieferer in die Fortentwicklung ihrer Vorschriften ein.

    1.3

    Die so fortentwickelten Vorschriften sollten zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur Gewährleistung des erforderlichen Sicherheitsniveaus grundsätzlich in die Bestimmungen der Richtlinie 2006/.../EWG über technische Vorschriften für Binnenschiffe einfließen.

    1.4

    Damit dies zeitnah geschehen kann, ist es wie von der Kommission vorgeschlagen erforderlich, die Änderungen der Richtlinie 2006/.../EWG über technische Vorschriften für Binnenschiffe anzunehmen.

    1.5

    Zusätzlich empfiehlt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, dass der durch die Änderung der Richtlinie 2006/.../EWG geschaffene Ausschuss der ZKR einen Beobachterstatus einräumt, um eine kohärente Fortentwicklung der technischen Vorschriften zu gewährleisten.

    2.   Vorschlag der Kommission

    2.1

    Mit dem Verordnungsvorschlag soll die Arbeit anderer internationaler Organisationen, insbesondere der ZKR, im Wege eines Ausschussverfahrens bei der Fortentwicklung der technischen Anforderungen an Binnenschiffe beschleunigt und vereinfacht berücksichtigt werden.

    2.2

    Um dies zu ermöglichen, wird vorgeschlagen, verfahrenstechnische Artikel der Richtlinie und des Anhangs II der Richtlinie zu ändern, die eine flexible Anpassung des Gemeinschaftsrechts an die Anforderungen ermöglichen, die zur Erlangung eines Schiffsattests nach Artikel 22 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte erforderlich sind.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Das Europäische Parlament hat verschiedentlich klargestellt, dass es eine enge Zusammenarbeit aller für die Binnenschifffahrt zuständigen internationalen Organisationen für wichtig hält. Dies gilt insbesondere für die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und der ZKR.

    3.2

    Die Mitgliedstaaten und die Kommission sind der Auffassung, dass die Kooperation zwischen der Gemeinschaft und der ZKR möglichst effektiv und eng sein sollte. Dem förderlich wäre der Beobachterstatus der ZKR in dem Ausschuss der EU. Der Ausschuss kann autonom entscheiden, wie er die ZKR in geeigneter Weise an seinen Arbeiten beteiligt.

    3.3

    Die Erwägungsgründe des Vorschlags für eine Richtlinie und Artikel 20 Absatz 1 der Richtlinie 2006/.../EWG über technische Vorschriften für Binnenschiffe betonen die wichtige Rolle der ZKR und die Notwendigkeit einer Harmonisierung der Vorschriften der Gemeinschaft und der ZKR.

    3.4

    Von daher empfiehlt es sich, einen Beobachterstatus der ZKR im Ausschuss zu schaffen. Es ist zu bemerken, dass die Europäische Kommission bereits den Beobachterstatus bei der ZKR innehat und ihr die Teilnahme an den technischen Ausschüssen der ZKR offen steht.

    Brüssel, den 13. Dezember 2006.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 325/83


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) 3922/91 des Rates zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt“

    KOM(2006) 645 endg. — 2006/0209 (COD)

    (2006/C 325/21)

    Der Rat beschloss am 15. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft am 21. November 2006 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) Herrn SIMONS zum Hauptberichterstatter und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der EWSA stimmt dem Vorschlag für eine Verordnung der Kommission zu, da die Legislativorgane durch die Einführung des „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“ stärker an der Kontrolle über die Durchführungsvorschriften beteiligt werden.

    1.2

    Da die EU-OPS-Verordnung (geänderte Verordnung 3922/91) dringend in Kraft treten soll, empfiehlt der Ausschuss eine rasche Annahme des Kommissionsvorschlags.

    2.   Einleitung

    2.1

    Ziel dieses Vorschlags der Kommission ist die Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt (1), um diese in Übereinstimmung mit dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2) in seiner letzten Änderungsfassung gemäß dem Beschluss 2006/512/EG des Rates vom 17. Juli 2006 (3) zu bringen.

    2.2

    Mit dem Beschluss 2006/512/EG wurde eine neue Form der Modalitäten für die Ausübung von Durchführungsbefugnissen eingeführt, nämlich das Regelungsverfahren mit Kontrolle.

    2.3

    Auf das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle sollte bei Maßnahmen von allgemeiner Tragweite zur Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen eines nach dem Verfahren des Artikels 251 des EG-Vertrags erlassenen Basisrechtsakts zurückgegriffen werden, auch wenn dies durch Streichung einiger dieser Bestimmungen oder Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen erfolgt.

    2.4

    Dieses neue Regelungsverfahren ist insbesondere anzuwenden, wenn Anhänge des Basisrechtsaktes gestrichen, geändert, ersetzt oder an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden müssen. Hingegen findet weiterhin das normale Regelungsverfahren Anwendung, wenn die Kommission einem Mitgliedstaat eine Ausnahme von der Anwendung der Bestimmungen eines Basisrechtsaktes oder seiner Anhänge gewährt.

    2.5

    Aufgrund von Artikel 8 Absätze 1, 3 und 4 sowie Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 3922/91 kann die Kommission im Wege des Regelungsverfahrens die gemeinsamen Vorschriften des Anhangs III streichen, ändern oder anpassen.

    2.6

    Folglich muss diese Verordnung in dem Sinne geändert werden, dass die Verabschiedung dieser Durchführungsbestimmungen im Wege des neuen Regelungsverfahrens mit Kontrolle erfolgt.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    In Beschluss Nr. 2006/512/EG wurden die Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse festgelegt. Mit diesem neuen Beschluss wird ein neues Ausschussverfahren, das „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ eingeführt, das den Rat und das Parlament enger in Maßnahmen und Beschlüsse „quasi-legislativer Art“ der Kommission einbinden soll.

    3.2

    Dieses neue Verfahren ist dann anzuwenden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:

    der Basisrechtsakt wurde nach dem Verfahren des Artikels 251 des EG-Vertrags erlassen,

    der Basisrechtsakt sieht die Annahme von Maßnahmen von allgemeiner Tragweite vor

    und diese Maßnahmen sollen nicht wesentliche Bestimmungen des Basisrechtsakts ändern, auch wenn dies durch Streichung einiger dieser Bestimmungen oder Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen erfolgt.

    3.3

    Der Ausschuss hält den Vorschlag der Kommission für angemessen, da die Legislativorgane durch die Einführung des „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“ stärker an der Kontrolle über die Durchführungsvorschriften beteiligt werden.

    3.4

    Der Beschluss des Rates Nr. 2006/512/EG ist seit dem 23. Juli 2006 in Kraft und gilt auch für laufende Legislativverfahren. Daher schlägt die Kommission vor, die EU-OPS-Verordnung mit diesem Vorschlag zu vervollständigen.

    3.5

    Da die EU-OPS-Verordnung (geänderte Verordnung 3922/91) dringend in Kraft treten soll, empfiehlt der Ausschuss eine rasche Annahme des Kommissionsvorschlags.

    4.   Besondere Bemerkungen

    Keine

    Brüssel, den 13. Dezember 2006.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  ABl. L 373 vom 31.12.1991, S. 4. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung.

    (2)  ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

    (3)  ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11.


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