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Document C:2004:112:FULL

    Amtsblatt der Europäischen Union, C 112, 30. April 2004


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    ISSN 1725-2407

    Amtsblatt

    der Europäischen Union

    C 112

    European flag  

    Ausgabe in deutscher Sprache

    Mitteilungen und Bekanntmachungen

    47. Jahrgang
    30. April 2004


    Informationsnummer

    Inhalt

    Seite

     

    II   Vorbereitende Rechtsakte

     

    Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

     

    404. Plenartagung vom 10. und 11. Dezember 2003

    2004/C 112/1

    Entschliessung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Lissabon-Strategie

    1

     

    407. Plenartagung vom 31. März und 1. April 2004

    2004/C 112/2

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis communautaire (KOM(2003) 71 endg.)

    4

    2004/C 112/3

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum WEISSBUCH Die Raumfahrt: Europäische Horizonte einer erweiterten Union — Aktionsplan für die Durchführung der europäischen Raumfahrtpolitik (KOM(2003) 673 endg.)

    9

    2004/C 112/4

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein kohärenter Rahmen für die Luft- und Raum- fahrt — Reaktion auf den Bericht STAR 21 (KOM(2003) 600 endg.)

    14

    2004/C 112/5

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwendung von Frontschutzbügeln an Fahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates (KOM(2003) 586 endg. — 2003/0226 (COD))

    18

    2004/C 112/6

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 85/611/EWG, 91/675/EWG, 93/6/EWG und 94/19/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/12/EG, 2002/83/EG und 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich (KOM(2003) 659 endg. — 2003/0263 (COD))

    21

    2004/C 112/7

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG des Rates (KOM(2003) 453 endg. — 2003/0172 (COD))

    25

    2004/C 112/8

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Informations- und Kommunikationstechnologien für sichere und intelligente Fahrzeuge (KOM(2003) 542 endg.)

    30

    2004/C 112/9

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein (Neufassung) (KOM(2003) 621 endg. — 2003/0252 (COD))

    34

    2004/C 112/0

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten (Kodifizierte Fassung) (KOM(2004) 35 endg. — 2004/0004 (CNS))

    39

    2004/C 112/1

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung (KOM(2003) 550 endg. — 2003/0210 (COD))

    40

    2004/C 112/2

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zusatz von Vitaminen und Mineralien sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (KOM(2003) 671 endg. — 2003/0262 (COD))

    44

    2004/C 112/3

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Abfälle (kodifizierte Fassung) (KOM(2003) 731 endg. — 2003/0283 (COD))

    46

    2004/C 112/4

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über ein Gemeinschaftsprogramm zur Erhaltung, Charakterisierung, Sammlung und Nutzung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft (KOM(2003) 817 endg. — 2003/0321 (CNS))

    47

    2004/C 112/5

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Durchführung der Richtlinie 96/71/EG in den Mitgliedstaaten (KOM(2003) 458 endg.)

    49

    2004/C 112/6

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 337/75 über die Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) (KOM(2003) 854 endg. — 2003/0334 (CNS))

    53

    2004/C 112/7

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die soziale Dimension der Kultur

    57

    2004/C 112/8

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Bilanz und Aktualisierung der Prioritäten der MwSt-Strategie (KOM(2003) 614 endg.)

    60

    2004/C 112/9

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern und zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, bestimmter Verbrauchsteuern und der Steuern auf Versicherungsprämien sowie der Richtlinie 92/12/EWG des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (KOM(2003) 797 endg. — 2003/0309 (COD) und 2003/0310 (COD))

    64

    2004/C 112/0

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Der Antrag Kroatiens auf Beitritt zur EU

    68

    2004/C 112/1

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Errichtung des Gemeinschaftspatentgerichts und betreffend das Rechtsmittel vor dem Gericht erster Instanz (KOM(2003) 828 endg. — 2003/0324 (CNS))

    76

    2004/C 112/2

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Übertragung der Zuständigkeit in Gemeinschaftspatentsachen auf den Gerichtshof (KOM(2003) 827 endg. — 2003/0326 (CNS))

    81

    2004/C 112/3

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema Realitäten und Chancen für angepasste Umwelttechnologien in den Beitrittsländern

    83

    2004/C 112/4

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem
    (KOM(2003) 644 endg. — 2003/0256 COD — 2003/0257 COD)

    92

    2004/C 112/5

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 72/462/EWG (KOM(2004) 71 endg. — 2004/0022 CNS)

    100

    2004/C 112/6

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem

    102

    2004/C 112/7

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die wirtschaftliche Diversifizierung in den Beitrittsstaaten — die Rolle der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen

    105

    2004/C 112/8

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (KOM(2003) 841 endg. — 2003/0331 (CNS))

    113

    2004/C 112/9

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen im Bienenzuchtsektor (KOM(2004) 30 endg. — 2004/0003 (CNS))

    114

    DE

     


    II Vorbereitende Rechtsakte

    Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

    404. Plenartagung vom 10. und 11. Dezember 2003

    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/1


    Entschliessung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Lissabon-Strategie“

    (2004/C 112/01)

    Die Kommission ersuchte in einem Schreiben von Vizepräsidentin Loyola de Palacio den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um eine Sondierungsstellungnahme zu folgendem Thema: „Gesamtauswirkungen der Lissabon-Strategie, langfristige Perspektiven und qualitative Bewertung der Fortschritte bei ihrer Umsetzung“.

    Im Zuge seiner Beratungen veranstaltete der Ausschuss eine große Konferenz zur Erstellung eines Meinungsbildes der organisierten Zivilgesellschaft in Europa bezüglich des bereits erzielten Fortschritts und der künftigen Erfordernisse (Anlage 1).

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 404. Plenartagung am 10./11. Dezember 2003 (Sitzung vom 10. Dezember) mit 116 gegen 37 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Entschließung:

    1.   Entschließung

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss betont, dass die Lissabon-Strategie ihre Ziele internationale Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftlicher, sozialer und umweltspezifischer Fortschritt sowie nachhaltige Entwicklung nur dann erreichen kann, wenn die Methode, der politisch-institutionelle Ansatz und die Instrumente der Zusammenarbeit, von denen diese Ziele abhängen, grundlegend erneuert werden.

    1.1.1

    Der Ausschuss erkennt insbesondere an, dass die Lissabon-Strategie komplexer, vielschichtiger und in ihren Konsequenzen weniger scharf konturiert ist als frühere zielgerichtete Versuche, die Europäische Union voranzubringen.

    1.2

    Der Ausschuss schlägt zur Bewältigung dieser Situation einen dynamischeren Ansatz vor, der sich auf institutioneller Ebene in einer verstärkten Koordinierung niederschlägt und mit dem eine auf der entsprechenden Gewichtung wirtschaftlicher, sozialer und umweltrelevanter Faktoren beruhende Ankurbelung des Wirtschaftswachstums gewährleistet werden kann, wobei die unterschiedlichen Realitäten in ständiger Wechselbeziehung zueinander stehen. Kurzum: ein Wachstum, basierend auf nachhaltiger Entwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Systems.

    1.3

    Der Ausschluss schlägt vor,

    eine makroökonomische Politik zur Durchführung dieser Strategie mittels verstärkter Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen zu betreiben,

    eine wirksamere Konzertierung zwischen den Organen der Union, den Mitgliedstaaten, den Wirtschaftskreisen und den Sozialpartnern durchzuführen und

    die Zuständigkeiten bei der Durchführung der Reformen zwischen den verschiedenen Ebenen — Europa, Mitgliedstaaten und Regionen — einerseits und den Akteuren des öffentlichen und privaten Bereichs und der Verbände andererseits besser zu verteilen.

    1.4

    Diese verstärkte Koordinierung, die keiner Änderung der Verträge bedarf, verlangt eine Zusammenarbeit und ein Wetteifern zwischen den Staaten bezüglich der Lissabon-Strategie, ein verantwortungsbewusstes Innovationsstreben bei den makroökonomischen Wirtschaftspolitiken sowie einen kooperativen Ansatz auch bei den einzelnen Maßnahmen zur Durchführung der Strukturreformen.

    1.5

    Abgesehen von der Notwendigkeit der Einhaltung des Stabilitätspakts und des Eintretens der Staaten für die gemeinsame Währung bleibt die Verwirklichung einer gesamtheitlichen europäischen Wirtschafts- und Wachstumspolitik eine vordringliche Aufgabe. Dies erfordert eine Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts für die Eurozone, die eine bessere Durchführung der Strategie von Lissabon ermöglicht. Ferner ist eine Angleichung der Steuerpolitiken notwendig, damit diese mit den Wettbewerbserfordernissen einer offenen Wirtschaft, die gleichwohl soziale Nachhaltigkeit gewährleistet, kompatibel sind.

    1.6

    Diese ganzheitliche Wirtschaftspolitik sollte vor allem die Voraussetzungen für eine stärkere Konjunkturbelebung schaffen. Der Ausschuss unterstützt das — in letzter Zeit bereits in zahlreichen Vorschlägen zum Ausdruck gebrachte — Ziel, eine europäische Wachstumsinitiative zur Förderung transeuropäischer Investitionen ins Leben zu rufen. Diese sollte insbesondere die Bereiche Infrastrukturen (Energie, Verkehr und Telekommunikation), Forschung und Bildung sowie ein besseres Funktionieren des Arbeitsmarkts und der Sozialschutzsysteme im Rahmen nachhaltiger Entwicklung betreffen.

    1.7

    Der Ausschuss betont erneut, dass die Vollendung des Binnenmarkts parallel zu dessen Erweiterung beschleunigt vorangetrieben werden muss. Dies gilt insbesondere für das öffentliche Auftragswesen, für die verschiedenen Dienstleistungsbereiche und die Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Ziel ist es, die Fähigkeit zu einem wirklich eigenständigen Wirtschaftswachstum zu entwickeln, die Europa bislang fehlt. Dabei soll das Potenzial dieser sowohl ausgedehnten als auch hochtechnologisierten integrierten Wirtschaftszone voll ausgeschöpft werden.

    2.   Die Rolle der Zivilgesellschaft

    2.1

    Der Ausschuss unterstreicht die zentrale Bedeutung des Dialogs mit den Sozialpartnern auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene zur Realisierung der Reformen, die — unter Gewährleistung der Nachhaltigkeit — insbesondere auf den Ausbau von Bildung und Ausbildung, einen besser funktionierenden Arbeitsmarkt und optimierte Sozialschutzsysteme abzielen.

    2.2

    Der vom Europäischen Rat von Lissabon erteilte Auftrag hob seit jeher die vorrangige Rolle von Initiativen des Privatsektors und einer neuen Partnerschaft zwischen dem Staat und der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung dieser mehrjährigen Strategie hervor. An der Methode der offenen Koordinierung im Rahmen dieser Strategie müssen die Organisationen der Zivilgesellschaft in vollem Umfang beteiligt werden.

    2.3

    In der Vorbereitungsphase des EU-Verfassungsvertrags, der nach der Erweiterung im Jahre 2004 in Kraft treten soll, hat der Ausschuss die Bezugnahme des Europäischen Konvents auf die — von den Akteuren der Zivilgesellschaft getragene — partizipative Demokratie als Ergänzung — nicht aber Ersatz — der repräsentativen Demokratie ausdrücklich befürwortet.

    2.4

    Außerdem sollte der vertikalen Dimension der Subsidiarität (die europäische, nationale, regionale und lokale Zuständigkeitsebenen unterscheidet) eine horizontale (sprich funktionale) Dimension beigefügt werden (die unterscheidet zwischen einerseits Fragenkomplexen, die in der Hauptsache in die Zuständigkeit der öffentlichen Hand fallen, und andererseits Fragen, die eher dem — ggf. autonomen — Handlungsbereich der Zivilgesellschaft — Privatsektor, Sozialpartner, Verbände — zuzuordnen sind).

    2.5

    Neben einem echten Engagement der EU-Organe und der Mitgliedstaaten setzt ein Gelingen der Lissabon-Strategie voraus, dass:

    sie von der breiten Öffentlichkeit tatsächlich verstanden und akzeptiert wird, was verstärkte Bemühungen um Verständlich- und Glaubwürdigkeit voraussetzt;

    sie von den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren der partizipativen Demokratie vermittelt wird.

    3.   Empfehlungen des Ausschusses

    3.1   Auf europäischer Ebene:

    eine stärkere Konzertierung zwischen den Gemeinschaftsinstitutionen und den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren sowie den Sozialpartnern, um einen ständigen europäischen Dialog über die einzelnen gemeinsamen Leitlinien und die Aktionspläne der Lissabon-Strategie aufzubauen und die Erfordernisse in den Bereichen wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, sozialer Fortschritt und nachhaltige Entwicklung stärker berücksichtigen und besser in Einklang bringen zu können;

    eine aktive Einbindung der Sozialpartner in die Umsetzung des Mehrjahresprogramms für den von ihnen vereinbarten sozialen Dialog, um diese dazu anzuhalten, insbesondere die europäischen Vereinbarungen in den von der Umsetzung der Lissabon-Strategie betroffenen Bereichen voranzubringen;

    die Hervorhebung dieses Dialogs und des Beitrags der europäischen Sozialpartner im Jahresbericht der Europäischen Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates.

    3.2   Auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene:

    die gleichzeitige Entwicklung der Konzertierung und des Dialogs der wirtschaftlichen und sozialen Akteure im Verbund mit dem Lancieren einer Informationskampagne zur Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit und mit einer tiefergehenden Debatte über die Ziele und Modalitäten der im Rahmen der Lissabon-Strategie eingeleiteten Reformen;

    den Aufbau eines Dialogs und Abschluss vertraglicher Vereinbarungen mit den Sozialpartnern in ihren Zuständigkeitsbereichen unter Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt und des wirtschaftlichen und sozialen Umfelds zur Umsetzung von nationalen Aktionsplänen;

    die Betonung des Beitrags der Zivilgesellschaft, insbesondere der Sozialpartner, in den Jahresberichten der Mitgliedstaaten für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates, wodurch eine umfassendere Verbreitung der bewährten Verfahren in diesen Bereichen erreicht werden kann;

    Einleitung eines echten Dialogs auf regionaler und lokaler Ebene, denn diese Ebenen sind am besten geeignet, um die effektive Mitwirkung der Wirtschafts- und Sozialakteure zu gewährleisten und so die vor Ort in puncto menschliche Ressourcen, Unternehmergeist, kulturelles Erbe und natürliche Ressourcen vorhandenen Potenziale zu nutzen.

    3.2.1

    Die Regierungen und andere staatliche Einrichtungen können durch den Ausbau von Maßnahmen und Leistungen zur Förderung der Leistungsfähigkeit von Unternehmen und sonstigen Organisationen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen.

    3.2.2

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass gezieltere Anstrengungen einschließlich steuerlicher Anreize in folgenden Bereichen erforderlich sind:

    verstärkte Ausbildung junger Menschen im Hinblick auf die für eine wissensbasierte Wirtschaft erforderlichen Fertigkeiten

    Förderung von Weiterbildungsmöglichkeiten für Erwachsene im Hinblick auf neue Fertigkeiten

    Ausbau der FuE-Kapazitäten von Hochschulinstituten und Forschungsabteilungen von Unternehmen

    Anreize, die das Risiko von Innovationen mindern und den Ertrag aus risikobehafteten Innovationen steigern

    Anreize zur Abfallreduzierung und zum Recycling

    Anreize zur Reduzierung gasförmiger Emissionen oder sonstiger Schadstoffe.

    3.3   Zur Rolle des EWSA

    Der Ausschuss für seinen Teil möchte als ständige Beobachtungsstelle für den Fortgang der Umsetzung der Lissabon-Strategie fungieren und insbesondere

    zur Entwicklung des öffentlichen Dialogs beitragen, indem er die Vertreter der Zivilgesellschaft direkt in diese Bewertung einbindet;

    eine direkte Konzertierung bezüglich dieser Umsetzung mit den einzelstaatlichen Wirtschafts- und Sozialräten und vergleichbaren Einrichtungen pflegen; auf ihrer Jahrestagung am 28. November 2003 haben die Präsidenten der Wirtschafts- und Sozialräte der EU-Mitgliedstaaten und des EWSA beschlossen, eine gemeinsame Bewertung dieser Strategie als Beitrag zu der 2005 unter luxemburgischem Vorsitz stattfindenden Frühjahrstagung des Europäischen Rates vorzunehmen;

    die Verbreitung europäischer und einzelstaatlicher Initiativen der wirtschaftlichen und sozialen Akteure und der Sozialpartner fördern, die zum Gelingen der Lissabon-Strategie beitragen;

    auf dieser Grundlage auch weiterhin jedes Jahr einen Bewertungsbericht über den Stand der Umsetzung der Lissabon-Strategie für den Frühjahrsgipfel vorlegen.

    Brüssel, den 10. Dezember 2003

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    407. Plenartagung vom 31. März und 1. April 2004

    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/4


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis communautaire“

    (KOM(2003) 71 endg.)

    (2004/C 112/02)

    Die Kommission beschloss am 11. Februar 2003 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2004 an. Berichterstatter war Herr RETUREAU.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 88 Stimmen gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Die Mitteilung der Kommission, ihr erster Halbjahresbericht und der Bericht des Parlaments

    1.1

    Die Binnenmarktbeobachtungsstelle (BBS) hat den Berichterstatter des Parlaments, Manuel Medina Ortega (1), sowie die Vertreter der Kommission in ihrer Sitzung am 13. November 2003 zu der Mitteilung über den Aktionsrahmen „Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis communautaire“ (2) gehört, zu dem die Kommission dieses Jahr ihren ersten halbjährlichen Zwischenbericht vorgelegt hat (KOM(2003) 623 endg.).

    1.2

    Laut diesem Bericht „sind die Schlüsselaktionen zur Verringerung des Umfangs an Rechtsvorschriften, um diese zu vereinfachen und sie leichter zugänglich und aussagekräftiger zu machen, gut vorangekommen“. Die eingeleiteten bzw. vorgesehenen Aktionen betreffen 4 % des derzeitigen Acquis.

    1.3

    Mit der Mitteilung und dem Aktionsrahmen soll der Acquis in unterschiedlicher Form und mit verschiedenen Mitteln vereinfacht und aktualisiert werden:

    durch Konsolidierung, die darin besteht, in einen Ursprungstext alle vorgenommenen Änderungen aufzunehmen, damit er übersichtlich und aktuell ist; anschließend wird die Konsolidierung bei der Anpassung neuer Bestimmungen oder Rechtsvorschriften systematisch durchgeführt; durch die Konsolidierung wird keine neue Rechtsnorm geschaffen, es geht um einen technischen Vorgang, mit dem das Amt für amtliche Veröffentlichungen betraut wird;

    durch die Neufassung von Rechtstexten, um diese kohärenter und verständlicher zu gestalten, ohne die Rechtslage zu ändern;

    durch Kodifizierung, die darin besteht, einzelne Rechtsakte in einem einzigen Text zusammenzufassen und zu aktualisieren; die Kodifizierung schafft eine neue Norm, die die voraufgehenden Texte ersetzt, und unterliegt einem Rechtsetzungsprozess, der dem auf die zusammengefassten Texte angewandten vergleichbar ist;

    durch die Aufhebung überholter Rechtsvorschriften;

    durch eine zuverlässige und benutzerfreundliche Strukturierung und Darstellung des Gemeinschaftsrechts;

    langfristig durch die Vereinfachung der Rechtsetzung und der politischen Maßnahmen, um sie durch geeignetere und verhältnismäßigere Instrumente zu ersetzen;.

    eventuell durch den Rückgriff auf „alternative Regulierungsverfahren“.

    1.4

    Die Arbeiten zu den jeweiligen Formen der Vereinfachung schreiten unterschiedlich schnell voran; es sind noch nicht alle Direktionen der Kommission eingebunden. Grundlegende Methodik-, Personal- und Budgetprobleme haben die Umsetzung von Phase I (Februar bis September 2003) verzögert. Die Kommission hofft, dass Phase II (Oktober 2003 bis März 2004) raschere Fortschritte erlaubt, damit gewisse Rückstände aufgeholt werden können und das Programm am Ende von Phase III (April 2004 bis September 2004) insgesamt eingehalten wird.

    2.   Bemerkungen: Vereinfachung? Gar nicht so einfach ...

    2.1

    Es ist zu unterscheiden zwischen:

    der Vereinfachung der Rechtsetzung und des Regelwerks sowie ihrer Aktualisierung,

    der Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und –dokumente sowie ihrer Vereinheitlichung innerhalb des Binnenmarkts.

    Der genannte Aktionsrahmen betrifft nur die Vereinfachung des Acquis communautaire. Die Vereinfachung der Verfahren und Dokumente ist jedoch für die Wirtschaftsteilnehmer genauso wichtig.

    Der Ausschuss verweist auf seine früheren Stellungnahmen zu diesem Thema (3).

    3.   Vereinfachung der Rechtsetzung und des Regelwerks, Aktualisierung der Rechtstexte

    3.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die interinstitutionelle Vereinbarung (4) zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission über die Verfahren zur Vereinfachung unter Berücksichtigung der jeweiligen Befugnisse und Zuständigkeiten; durch die wahrscheinliche Weiterentwicklung der Mitentscheidung im künftigen Vertrag dürfte die Rolle des Parlaments bei der Ausarbeitung des Gemeinschaftsrechts und der Überwachung seiner Anwendung gestärkt werden.

    3.1.1

    In der interinstitutionellen Vereinbarung ist vorgesehen, den Rechtsetzungsprozess zwischen dem Parlament und dem Rat auf der Grundlage eines indikativen Zeitplans für die verschiedenen Phasen bis zur endgültigen Annahme jedes Rechtsetzungsvorschlags zu verbessern; die Kommission und der Rat sollten regelmäßig auf höchster Ebene an den Diskussionen der mit einem Vorschlag befassten Parlamentsausschüsse teilnehmen.

    3.1.2

    Bei der Erörterung einer wesentlichen Abänderung sieht die Vereinbarung die Möglichkeit einer Folgenabschätzung für die eventuelle Annahme einer solchen Abänderung vor (was allerdings zu Komplikationen bei den Verfahren und Fristen führen könnte).

    3.1.3

    „Alternative Regulierungsverfahren“, d.h. die Koregulierung zwischen privaten Partnern oder die private Selbstregulierung sind laut der Vereinbarung nicht anwendbar, „wenn es um Grundrechte oder wichtige politische Entscheidungen geht oder in Situationen, in denen die Bestimmungen einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten angewendet werden müssen“. Außerdem müssen sie „eine rasche und flexible Regulierung gewährleisten, die weder die Grundsätze des Wettbewerbs noch die Einheitlichkeit des Binnenmarkts gefährdet“. Damit ist das „alternative Regulierungsverfahren“ stark eingegrenzt.

    3.1.4

    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarungen zwischen europäischen Sozialpartnern (Art. 138-139 EGV) nicht in die allgemeine Kategorie „Koregulierung“ fallen sollten. Diese Kategorie betrifft „auf Freiwilligkeit beruhende Initiativen“ zwischen privaten Partnern, die keine Stellungnahme der Organe implizieren. Die europäischen Tarifverhandlungen stellen eine besondere, dem ursprünglichen Recht unterliegende Regulierungsform dar.

    3.1.4.1

    Die Kommission überprüft die freiwilligen Regulierungsinitiativen auf ihre Übereinstimmung mit dem Vertrag und informiert das Parlament sowohl darüber als auch über die Repräsentativität der beteiligten Parteien. Das erscheint ein wenig widersprüchlich und es ist nicht klar, welche Konsequenzen eine vom Parlament als unbefriedigend angesehene Information derzeit hätte. Das Parlament könnte lediglich die Kommission auffordern, eine Rechtsetzungsinitiative zu ergreifen, die die Selbstregulierung ersetzt. Für die Zukunft wünscht das Parlament ein offizielles, im neuen Verfassungsvertrag verankertes Rückrufverfahren, um Selbstregulierungsinitiativen durch Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zu ersetzen.

    3.1.5

    Schließlich wird in der interinstitutionellen Vereinbarung das wichtige Problem der Umsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien in einzelstaatliches Recht behandelt; die Organe verpflichten sich, eine möglichst kurze Umsetzungsfrist von maximal zwei Jahren vorzusehen (der Vertrag enthält keinerlei Angaben zu den Umsetzungsfristen). Der Ausschuss begrüßt eine solche Verpflichtung, hat jedoch Zweifel an der praktischen, dem Rat obliegenden Durchführung, solange im Vertrag keine obligatorischen Umsetzungsfristen für eine Richtlinie festgelegt sind, deren Nichteinhaltung mit dem Ablaufen der Frist ipso facto ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich zieht.

    3.1.6

    Der Ausschuss hätte sich gewünscht, im Stadium des Entwurfs zu der interinstitutionellen Vereinbarung gehört zu werden, insofern als er von der Thematik betroffen ist und in der Vergangenheit bereits Stellungnahmen zu den behandelten Fragen abgegeben hat; er hätte Anregungen der organisierten Zivilgesellschaft einbringen können, die Hauptadressatin des Acquis und von den Themen Vereinfachung, Umsetzung und „Alternative Regulierungsverfahren“ direkt betroffen ist.

    3.2

    Bezüglich der Zahl und Art der betreffenden im Anzeiger der Kommission aufgeführten Texte ist auf die in der ersten Phase aufgetretenen Verspätungen hinzuweisen, die sich auf die zweite Phase auswirken werden und eine Verwirklichung des Ziels im Jahr 2005 vielleicht etwas optimistisch erscheinen lassen. Außerdem handelt es sich meist um Kommissionstexte, die aus der Anwendung des Ausschussverfahrens (Komitologie) (5) und damit aus „delegierten Regelungsbefugnissen“ (selbst wenn dieser Begriff im derzeitigen Text des EGV nicht vorkommt, in dem von einer durch den Rat übertragenen Durchführungsbefugnis die Rede ist) hervorgegangen sind.

    3.3

    Die Redensart „nemo censitur …“ (Unkenntnis schützt vor Strafe nicht) ist heutzutage reine Utopie, wenn man die trotz willkommener Kodifizierungsmaßnahmen, die für bestimmte Bereiche des europäischen Rechts ein kohärenteres Konzept ermöglichen, bestehende Überfülle und Komplexität von Richtlinien und Verordnungen betrachtet. Trotz dieser Kodifizierung kann die unterschiedliche Umsetzung der Richtlinien auf einzelstaatlicher Ebene zu störenden Abweichungen und unterschiedlichen Verfahren führen. Die Mitgliedstaaten und die einzelstaatlichen Gesetzgeber tragen somit ebenfalls eine große Verantwortung für die logische, verständliche und klare Umsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien in nationales Recht unter Berücksichtigung sowohl des Textes als auch des Konvergenz- und Harmonisierungsziels.

    3.4

    Das aus dem Ausschussverfahren (Komitologie) hervorgehende Regelwerk erscheint oft übergenau und seine Ausarbeitung wenig transparent. Das Parlament wünscht, dass die Komitologie künftig stärker auf die Umsetzung und Anpassung der Rechtsvorschriften (reine Durchführungsbefugnisse) als auf das bestehende Recht selbst ausgerichtet ist; die wesentlichen Änderungen des Regelwerks sollten seiner Ansicht nach über ein normales Rechtsetzungsverfahren erfolgen. Würde dieser Ansatz weiterverfolgt, so müsste der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss zu solchen Änderungen konsultiert werden.

    3.5

    Der Ausschuss hat Initiativen zur nachträglichen Vereinfachung des Acquis communautaire stets unterstützt. Auf Einfachheit und Klarheit der Rechtsvorschriften muss aber bereits bei der Konzipierung hingearbeitet werden, insbesondere durch die Einbeziehung aller Beteiligten anhand von Fragebögen oder Konsultationen in Ad-hoc-Sitzungen oder anderen Ad-hoc-Verfahren, einschließlich der Konsultation des Ausschusses vor der Erarbeitung eines Legislativ- oder Regelungsvorschlags durch die Kommission, um sicherzustellen, dass alle Probleme im Vorfeld hinreichend berücksichtigt werden.

    3.5.1

    Zudem können diese Konsultationen zur möglichst realistischen Einschätzung der Wirkung und der finanziellen und sonstigen Auswirkungen eines Projekts beitragen. Dabei kann es sich u.a. um Konsultationen zu Grünbüchern oder anderen vorbereitenden Arbeitsdokumenten der Kommission mit einem beigefügten Fragebogen handeln. Der Ausschuss erklärt sich bereit, als Vertreter der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der gesamten Zivilgesellschaft an den Konsultationsprozessen mitzuwirken und Anhörungen mit Organisationen zu veranstalten, die die Gesamtheit dieser Interessen vertreten, um so seinen spezifischen Beitrag zur ständigen Verbesserung und Vereinfachung der Rechtsvorschriften zu leisten.

    3.5.2

    Der Ausschuss spricht sich für die Kosten-Nutzen-Analyse sowie für die Bewertung von Legislativvorschlägen bezüglich Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität aus.

    3.5.3

    In den Bereichen Gesundheitsschutz und Sicherheit oder Umweltschutz ist eine rein monetäre Kosten-Nutzen-Analyse allerdings ein relativ komplexes und schwieriges Unterfangen, das sich in bestimmten Fällen als unzureichend erweisen könnte, denn das Ziel der Rechtsvorschriften besteht darin, Krankheiten vorzubeugen oder menschliches Leben zu schützen.

    3.5.4

    Auch die Kosten, die den endgültigen Adressaten der Rechtsvorschriften, insbesondere den Unternehmen, entstehen, müssen bewertet werden. Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht können zweifellos hohe Kosten für Unternehmen und Privatpersonen nach sich ziehen, insbesondere wenn sie juristisch ungenau sind oder ihr Anwendungsbereich und ihre Ziele nicht klar und deutlich erklärt werden (6). Bedarf es zur Auslegung von Rechtsvorschriften oder Regelungen eines Mittlers, so führt dies zu unverhältnismäßigen Kosten für die Adressaten der Rechtsetzung.

    3.5.5

    Deshalb müssen in der Phase der Vorabkonsultationen vorrangig Einrichtungen angesprochen werden, die tatsächlich die Interessen der Hauptadressaten der Rechtsvorschriften vertreten, einschließlich einzelner qualifizierter Fachkräfte und Sachverständiger, aber auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss oder der Ausschuss der Regionen.

    3.6

    Zudem wünscht der Ausschuss nachdrücklich, regelmäßig an der nachträglichen Folgenabschätzung von Rechtsvorschriften der Gemeinschaft sowie an der Prüfung der in den Rechtsvorschriften vorgesehenen regelmäßigen Berichte beteiligt zu werden, um den Standpunkt derer zur Wirksamkeit der Normen zu formulieren, auf die das Recht Anwendung findet bzw. die es selbst anwenden. Denn Rechtsvorschriften erleiden Einbußen, wenn sie nicht sinnvoll bzw. wirksam sind, nicht korrekt angewandt werden oder vor ihrer Anwendung einer Auslegung durch die Gerichte bedürfen.

    3.7

    Die — mitunter schwer durchzuführende — Überwachung besteht in der Bewertung der praktischen Auswirkungen unmittelbar (Verordnung) oder mittelbar geltender (Richtlinie und ihre Umsetzung) Rechtsvorschriften auf einzelstaatlicher Ebene und auf den verschiedenen Verwaltungsebenen.

    3.8

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat die Schaffung einer unabhängigen europäischen Einrichtung zur Begleitung und Förderung der Vereinfachung des Regelwerks und der Verwaltung angeregt, und eine entsprechende Bestimmung sollte so schnell wie möglich ins Auge gefasst werden. In jedem Fall sollte die Vereinfachung soweit möglich auf alle Bereiche des Acquis ausgedehnt werden, was noch längst nicht gegeben ist. Dies ist umso dringlicher, als diese Vereinfachung die tatsächliche Umsetzung des Acquis in den neuen Mitgliedstaaten fördern und beschleunigen wird und diejenigen Länder, die sich im Verzug befinden, dazu anhalten dürfte, ihren Umsetzungsrückstand aufzuholen.

    3.8.1

    Umwelt- und Sicherheitsvorschriften für Unternehmenstätigkeiten könnten für Vereinfachungsmaßnahmen besonders vielversprechend sein. Auf längere Sicht wäre es sinnvoll, die Thematik in einem „europäischen Umweltkodex“ kohärent und besser verständlich zusammenzufassen. Der Ausschuss stellt übrigens fest, dass verschiedene private Verlage regelmäßig nicht amtliche „europäische Kodizes“ herausgeben, die bestimmte Thematiken zusammenfassen und kommentieren, wie beispielsweise einen „europäischen Sozialkodex“ oder einen „Geschäftskodex“, die mit Hilfe der Rechtsprechung und Rechtslehre illustriert und erläutert werden; diese Initiativen zeigen, dass eine Kodifizierung bzw. eine Neufassung des Acquis für diejenigen, auf die das Recht Anwendung findet bzw. die es selbst anwenden, nützlich ist.

    3.9

    Die Vereinfachung ist unmittelbar mit dem Grundsatz des verantwortungsvollen Regierens verbunden (7) — wobei die vorab zu entscheidenden Fragen der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität in den Mittelpunkt rücken; laut den betreffenden Rechtstexten müsste ein den verschiedenen Phasen (Konzeption, Erarbeitung, Verabschiedung und Veröffentlichung) angepasstes Verfahren zur Bewertung und zur Überwachung der Anwendung eingeführt werden. Ein solches Verfahren kann die Rechtssicherheit für die Adressaten und die Wahrung des Rechts durch sie nur fördern.

    3.10

    Die Adressaten des Gemeinschaftsrechts, das heutzutage einen Großteil, wenn nicht die Mehrheit der auf Ebene der Mitgliedstaaten geltenden Rechtstexte darstellt, wünschen nämlich ganz eindeutig einfachere, unmissverständliche und leichter umsetzbare bzw. anwendbare Formulierungen. Die Überfülle an Rechtsvorschriften und Regelungen ist für die Unternehmen ein Kostenfaktor und bereitet kleineren Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung und den Verbrauchern, die Gewissheit über ihre Rechte und die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel haben wollen, die größten Schwierigkeiten.

    3.11

    Der Binnenmarkt erfordert eine Regulierung, die sich selbstverständlich weiterentwickelt, den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren jedoch ausreichende Sicherheit und Rechtssicherheit bieten muss; das Regelwerk muss zweckdienlich und angemessen sein und darf keine unnötigen Hindernisse oder Schwierigkeiten schaffen, doch darf die Vereinfachung auch nicht mit einer Deregulierung verwechselt werden (8). Die Kodifizierung erhöht Kohärenz und Verständlichkeit des anwendbaren Rechts, ändert das Recht jedoch grundsätzlich nicht. Die Maßnahmen zur Vereinfachung und die regelmäßige Bewertung der Wirksamkeit des Acquis könnten ggf. auch zu einer Neufassung des Rechts — durch Änderungen und erforderlichenfalls durch einen neuen Vorschlag — führen.

    3.12

    Die Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene und die Gemeinschaftstexte tragen bereits zur Vereinfachung des Binnenmarkts bei, da so eine Vielzahl einzelstaatlicher Texte vermieden und die Rechtskenntnis aller betreffenden europäischen Wirtschaftsteilnehmer erleichtert wird.

    3.13

    Informationen und ihre Träger sind für die Kenntnis des anwendbaren Rechts und seiner Weiterentwicklung wichtig, sollten aber gezielt eingesetzt werden (Grenzen der ausschließlichen Veröffentlichung im Amtsblatt — Bedeutung der möglichen Schnittstellen bzw. von Alternativen). Auch auf den Websites der Gemeinschaftsinstitutionen wird die Öffentlichkeit bereits ab den Vorarbeiten informiert; außerdem wird die Entwicklung der Rechtsdossiers auf der Website des Parlaments klar dargelegt. Schließlich sind auch Gemeinschaftsbroschüren an die Adresse der Öffentlichkeit ebenso wie normalerweise gut formulierte, aber manchmal von den Journalisten schlecht vermittelte Pressemitteilungen von Nutzen.

    3.13.1

    Zahlreiche Berufsverbände (insbesondere die Berufskammern und die einzelstaatlichen Anwaltskammern) und Vereinigungen veröffentlichen für ihre Mitglieder die sie betreffenden Texte sowie Erklärungen und Ratschläge dazu.

    3.13.2

    Häufig werden die Informationen auch durch die Mitgliedstaaten und das Bildungswesen vermittelt. Die akademischen Lehrbücher, die Rechtslehre und der Studentenaustausch leisten einen Beitrag zur Ausbildung der Juristen und künftigen europäischen Gesetzgeber.

    3.13.3

    Der Ausschuss schlägt der Kommission vor, zu untersuchen, wie diejenigen, auf die das Recht Anwendung findet bzw. die es selbst anwenden, am besten informiert werden, um festzustellen, ob die derzeitigen Informationskanäle gut genutzt werden und ausreichend sind, und um eventuell die Kommunikations- und Ausbildungsstrategie für das Gemeinschaftsrecht zu verbessern.

    4.   Verwaltungsverfahren und -dokumente

    4.1

    Es ist hervorzuheben, dass in vielen Regelungen die entsprechenden Verfahren vorgesehen und Muster der zu verwendenden Dokumente vorgegeben sind. Der Ausschuss spricht sich für diese Methode aus, durch die die Verwaltungsformalitäten im Binnenmarkt vereinfacht und die Transaktionskosten gesenkt werden.

    4.2

    Die Harmonisierung der bestehenden Verwaltungsverfahren und –dokumente wird für die Akteure zu einem großen Problem, wenn jeder Staat andere Anforderungen stellt. Hier besteht viel Raum für eine den Handel wirklich vereinfachende Harmonisierung, den es voll auszuschöpfen gilt.

    4.3

    Wenn das Ausschussverfahren auch der Umsetzung der Rechtsvorschriften dient, so sollte es einen entscheidenden Beitrag zur Vereinfachung und Harmonisierung der Verwaltungsverfahren und -dokumente leisten und dabei die Ansichten derjenigen berücksichtigen, die das Recht anwenden bzw. auf die es Anwendung findet.

    4.4

    Die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der elektronischen Verwaltung ist auch ein Instrument für verantwortungsvolles Handeln, dessen rasche Verbreitung gefördert werden sollte. Seine von der Kommission geplante Anwendung im Zollbereich ist ein wünschenswerter Weg zur Vereinfachung von Verfahren und Dokumenten (zentrale Anlaufstelle, Standarddokumente zur Vermeidung von Blockierungen an den Gemeinschaftsgrenzen). Das setzt natürlich Konsultationen mit den Beteiligten — Industrie, Zollbeamte, Transportunternehmen — voraus, um unnötige Formalitäten zu vermeiden, die Rechtssicherheit der Abläufe zu gewährleisten und eine wirksame Kontrolle auszuüben. Diese darf die Freizügigkeit nicht behindern und muss die Vertraulichkeit von Geschäftsvorgängen wahren, solange der Tatbestand des Betrugs oder ein dringender Betrugsverdacht nicht gegeben ist.

    4.5

    Der Ausschuss spricht sich — unter der Voraussetzung, dass sie mit der Vereinfachung der Verfahren und Verwaltungsvorgänge einhergeht — ausdrücklich für die Entwicklung der elektronischen Verwaltung aus, möchte jedoch noch einmal auf die grundlegenden Prinzipien ihrer Funktionsweise abstellen. Es müssen strikte Regeln zur Vertraulichkeit, Aufbewahrungsdauer bestimmter Dokumente durch die Behörden und Unkenntlichmachung von erhobenen Daten zu statistischen Zwecken gelten.

    5.   Koregulierung und Selbstregulierung (9)

    5.1

    Bisher wurden die Möglichkeiten für ein weniger ausführliches und penibles Regelwerk, das auch Raum für Koregulierung und Selbstregulierung lässt, nicht hinreichend ausgelotet. Der Rolle der Adressaten des Regelwerks muss größere Bedeutung eingeräumt werden, was seine allgemeine Anwendung nur erleichtern kann. Die Datenbank PRISM (Progress Report on Initiatives in the Single Market) des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses bietet konkrete Beispiele für das, was sich als „vertragliche Regelungen“ bzw. als „einseitige Regelungen“ (Gütezeichen, Zertifizierungen, private oder öffentliche unabhängige Kontrollen) bezeichnen ließe, für die ebenfalls geeignete Kontroll- und Bewertungsverfahren erforderlich sind. Die gegenseitige Anerkennung, die Kontakte zu den Verbrauchern usw. eröffnen Möglichkeiten für effiziente private Regulierung.

    5.2

    Für das gemeinschaftliche Sozial- und Arbeitsrecht bieten Tarifverhandlungen über Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sowie der soziale Dialog eine Möglichkeit zur Einbindung der europäischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in die Bereiche Arbeitsbeziehungen und soziale Standards auf Gemeinschaftsebene.

    5.2.1

    Die ausgehandelten Texte müssen jedoch Gegenstand einer Initiative der Kommission und eines Beschlusses des Rates sein, um zu Rechtsvorschriften zu werden. Bei diesem Verfahren wird das Parlament nicht wirklich konsultiert, da eventuelle Änderungen dieser Texte nicht berücksichtigt werden.

    5.2.2

    Sollten die Selbstregulierungsverfahren jedoch nicht zu akzeptablen bzw. hinreichenden Ergebnissen führen, oder sollte es sich anderweitig als notwendig erweisen, so könnte der Gesetzgeber immer noch im Rahmen der bestehenden Verfahren oder neuer Verfahren des neuen Vertrags, wie des Rückrufverfahrens, die Selbstregulierung bzw. Koregulierung in Rechtsvorschriften umwandeln. Allerdings sollte hier nach Ansicht des Ausschusses mit Vorsicht zu Werke gegangen werden, insbesondere was die Tarifverträge zwischen europäischen Sozialpartnern betrifft, deren Willen und Bestimmungen grundsätzlich respektiert werden sollten.

    5.3

    So kann die öffentliche Regulierung (Gesetzesinitiative) zwar u.U. an die Stelle der privaten (vertragliche und einseitige Regelung, regierungsunabhängige Kontrollorgane, außergerichtliche Streitbeilegung...) treten, aber hinter den eventuellen legislativen Eingriffen müssen handfeste politische Gründe oder offensichtliche Erfordernisse der öffentlichen Ordnung stehen. In einem demokratisch geprägten politischen Umfeld muss die private Regulierung im Allgemeinen eine Weiterentwicklung oder Anwendung der öffentlichen Regulierung, einschließlich nicht schriftlich niedergelegter Gewohnheitsregeln oder interner Bestimmungen, darstellen, die der Gesetzgeber und die Behörden explizit oder implizit eingehalten wissen wollen: z.B. Verhaltenskodizes bestimmter Berufe. In manchen Bereichen kann die private die öffentliche Regulierung u.U. auch ersetzen.

    5.4

    Wenn private Regelungen rechtsähnliche Bestimmungen enthalten, muss die Berufung gegen eine — zwangsläufig begründete — Entscheidung des privaten Organs (Disziplinarrat, Organ zur Aufnahme in einen Berufsverband) vor einer öffentlichen Gerichtsbarkeit oder eventuell vor einer von den betroffenen Parteien anerkannten Schiedsgerichtsbarkeit zulässig sein.

    6.   Schlussbemerkungen

    6.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wird die halbjährlichen Zwischenberichte der Kommission aufmerksam verfolgen. Er unterstützt die Initiative und den Aktionsrahmen zur Vereinfachung des Acquis communautaire und wünscht, dass er rasch auf die verschiedenen Bereiche des Acquis Anwendung findet, um dessen wirksame Anwendung sowohl in den Mitgliedstaaten als auch in den Beitrittsstaaten zu erleichtern und zu fördern.

    6.2

    Der Ausschuss möchte durch seine beratenden Stellungnahmen effizienter an der Ausarbeitung des Gemeinschaftsrechts mitwirken, was seine Einbindung in einem wesentlich früheren Stadium voraussetzt, als dies derzeit im Allgemeinen der Fall ist; er möchte auch an den Folgenabschätzungen und Kontrollanalysen sowie an den Bemühungen um Vereinfachung aktiv mitarbeiten, um zu einer besseren Kenntnis und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts in einem erweiterten Europa beizutragen. Diese Forderungen leiten sich selbstverständlich aus den Grundsätzen der Demokratie und des verantwortungsvollen Regierens sowie einer größeren Bürgernähe zu den Institutionen und der Rechtsetzung der Gemeinschaft ab.

    6.3

    Schließlich begrüßt der Ausschuss die am 16. Dezember 2003 vom Parlament, dem Rat und der Kommission angenommene interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“, in der die Bedingungen für eine sinnvollere Vereinfachung des Regelwerks der Gemeinschaft festgelegt werden. Sie umfasst insbesondere eine Definition von Selbst- und Koregulierung sowie einen Rahmen für deren Anwendung durch wirtschaftliche und soziale Akteure, die auch zu einer solchen Anwendung ermutigt werden. Die Vereinbarung entspricht den vom Ausschuss im September 2000 in diesen Bereichen geäußerten Wünschen. Damals hatte der Ausschuss seinen eigenen Verhaltenskodex angenommen und zugleich die anderen Institutionen aufgefordert, dasselbe zu tun. Der Ausschuss wird selbst zum reibungslosen Funktionieren der Vereinbarung beitragen und weiterhin zu Selbst- und Koregulierung, zu denen er derzeit einen Informationsbericht vorbereitet, ermutigen.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Bericht ENDGÜLTIG A5-0443/2002 vom 6.12.2002 und zweiter Bericht ENDGÜLTIG A5-0235/2003 vom 17.6.2003 des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt des EP über die Mitteilungen der Kommission „Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds“. In diesen Berichten werden insbesondere die Forderungen des Parlaments nach konstitutionellen Entwicklungen bei den Rechtsetzungs- und Durchführungsbefugnissen sowie der Kontrollbefugnis dargelegt.

    (2)  SEK(2003) 165 und als Anhang beigefügtes Arbeitsdokument: Methodologie, Verfahren und Prioritäten sowie ausführliche Informationen über Begriffsbestimmungen und die geplanten Arbeiten.

    (3)  ABl. C 14 vom 16.1.2001. Vereinfachung I, Berichterstatter Herr VEVER.

    ABl. C 48 vom 21.2.2002. Vereinfachung II, Berichterstatter Herr WALKER.

    ABl. C 125 vom 27.5.2002. Vereinfachung III, Berichterstatter Herr WALKER.

    ABl. C 133 vom 6.6.2003. Vereinfachung IV, Berichterstatter Herr SIMPSON.

    (4)  Interinstitutionelle Vereinbarung — „Bessere Rechtsetzung“ zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission, ABl. C 321 vom 31.12.2003; die Frage der Verbesserung der redaktionellen Qualität der Rechtsvorschriften war ihrerseits Gegenstand der interinstitutionellen Vereinbarung vom 22.12.1998.

    (5)  Das Ausschussverfahren beruht auf Artikel 202 EGV; das Parlament fordert, dass dieses Verfahren tiefgreifendend reformiert wird, um „eine Ausweitung der Tendenz zu allein von der Exekutive getroffenen Entscheidungen zu vermeiden“.

    (6)  So führte beispielsweise die Erläuterung des Vorschlags für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit „computerimplementierter Erfindungen“ zu völliger Verwirrung bezüglich des genauen Wesens, des Anwendungsbereichs und der Ziele des von der Kommission vorgelegten Vorschlags.

    (7)  Siehe das Weißbuch „Europäisches Regieren“ von 2001 und den von einer Arbeitsgruppe des Rats (Mandelkern Group on better legislation) ausgearbeiteten Aktionsplan „Bessere Rechtssetzung“.

    (8)  Dies wurde in den weiter oben genannten Stellungnahmen des Ausschusses klar dargelegt.

    (9)  Dieses Kapitel ist absichtlich knapp gehalten, da Herr VEVER eine spezifische Stellungnahme zu diesem Thema vorbereitet.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/9


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum WEISSBUCH „Die Raumfahrt: Europäische Horizonte einer erweiterten Union — Aktionsplan für die Durchführung der europäischen Raumfahrtpolitik“

    (KOM(2003) 673 endg.)

    (2004/C 112/03)

    Die Europäische Kommission beschloss am 12. November 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: Weißbuch „Die Raumfahrt: Europäische Horizonte einer erweiterten Union. Aktionsplan für die Durchführung der europäischen Raumfahrtpolitik“

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2004 an. Berichterstatter war Herr BUFFETAUT.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 97 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Das dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss unterbreitete Weißbuch steht im logischen Zusammenhang mit dem Grünbuch zur europäischen Raumfahrtpolitik, zu dem der Ausschuss im Juni 2003 eine Stellungnahme abgegeben hat.

    1.2

    Der Ausschuss hat damals im Wesentlichen folgende Frage gestellt: besteht in Europa ein starker beständiger politischer Wille zu einer Raumfahrtpolitik, die mit den erforderlichen Haushaltsmitteln ausgestattet ist, und verfügt diese Politik über eine angemessene institutionelle Architektur?

    1.3

    Der Ausschuss ist damals zu der Auffassung gelangt, „dass für die Verbesserung der Position Europas im Raumfahrtsektor ein fester politischer Wille und klare Haushaltsbeschlüsse erforderlich sind. Durch die Festlegung eines geteilten und/oder parallelen Zuständigkeitsbereichs im künftigen Verfassungsvertrag würde die Europäische Union über die politischen, gesetzlichen und finanziellen Mittel zur Gestaltung und Umsetzung einer starken Weltraumpolitik verfügen, die vornehmlich abzielen sollte auf:

    die Gewährleistung eines autonomen Zugangs zum Weltraum für Europa,

    die Stärkung der strategischen Unabhängigkeit Europas,

    die Entwicklung eines Programms für wissenschaftliche Spitzenleistungen,

    die Förderung von den Bürgern dienenden Raumfahrtanwendungen und sektorspezifischen Maßnahmen der EU,

    die Koordinierung eines dualen Forschungsprogramms für Raumfahrttechnologien zwecks Sicherstellung der Unabhängigkeit der EU auf ziviler und kommerzieller Ebene sowie im Bereich der Sicherheit und der Verteidigung.“

    1.4

    Im Lichte dieser deutlichen Aussage ist heute das Weißbuch zu betrachten, zu dem der Ausschuss um Stellungnahme ersucht wird.

    2.   Wesentlicher Inhalt des Dokuments

    2.1

    Die Kommission fasst die Bedrohungen zusammen, vor denen die europäische Raumfahrtpolitik steht:

    Niedergang der Kapazitäten Europas als wesentlicher „Raumfahrtakteur“, wenn das Wachstum nicht mit der globalen Entwicklung im Raumfahrtsektor Schritt hält;

    Niedergang seiner führenden Raumfahrtunternehmen aufgrund schwacher Märkte und fehlender öffentlicher Investitionen in neue Programme.

    2.2

    Von dieser Feststellung ausgehend erklärt die Kommission, „Stillstand ist keine Option“ und schlägt eine Reihe von Initiativen vor, um eine Schwächung Europas im Raumfahrtsektor zu verhindern.

    2.3

    Das Dokument ist wie folgt untergliedert:

    politische Herausforderungen

    Raumfahrtaktionen zur Unterstützung der Schlüsselpolitiken der EU

    Herausforderungen zur Erhaltung und Weiterentwicklung der wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten Europas in der Raumfahrt

    Fragen der governance und Ressourcen.

    2.4

    In jedem dieser Kapitel werden die Herausforderungen festgestellt und Vorschläge dazu formuliert.

    a)   Politische Herausforderungen

    Die Kommission hebt hervor, dass die Raumfahrt für die Konkretisierung der Wirtschaftsperspektiven Europas, insbesondere der Lissabon-Ziele, für seine landwirtschaftspolitischen Ziele, den Beschäftigungsstand, seine Umwelt-, Außen- und Sicherheitspolitik eine besonders wichtige horizontale Politik ist.

    b)   Raumfahrtaktionen zur Unterstützung der Schlüsselpolitiken der EU

    Eine Reihe wesentlicher Initiativen werden aufgeführt und Maßnahmen dazu vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um die Umsetzung des Programms GALILEO und die Initiative „Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES)“, die Überbrückung des „digitalen Grabens“ und den Beitrag der Raumfahrt zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und zur Entwicklung internationaler Partnerschaften.

    c)   Erhaltung der wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten

    Hier geht es um wesentliche Elemente, die dazu dienen, Europa als Raumfahrtmacht zu erhalten. Angestrebt sind im Einzelnen die Gewährleistung eines unabhängigen Zugangs zum Weltraum, die Optimierung und Koordinierung der Forschungs- und Entwicklungsressourcen, bemannte Raumflüge und Erforschung des Weltraums, die Notwendigkeit, über eine ausreichende Zahl auch junger Wissenschaftler zu verfügen, die Stärkung der Position Europas in den Raumfahrtwissenschaften und die Stärkung einer innovativen und wettbewerbsfähigen europäischen Raumfahrtindustrie.

    d)   Governance und Ressourcen

    Ziel ist eine bessere Definition und Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche zwischen der EU, der ESA, den Mitgliedstaaten, den Agenturen und Unternehmen, um so effizient wie möglich zu sein und die Raumfahrt so gut wie möglich für Europa und seine Einwohner zu nutzen. Dies kann jedoch nur erreicht werden, wenn die für die Raumfahrt verfügbaren Mittel erhöht werden.

    2.5

    Schlussfolgerung des Weißbuchs ist, dass Europa seinen Raumfahrthaushalt langfristig schrittweise erhöhen muss, um die Effizienz der europäischen Politiken zu steigern und dafür zu sorgen, dass eine wieder dynamischere Raumfahrtindustrie ihren Marktanteil an Raumfahrtdienstleistungen steigern kann.

    2.6

    In Anhang 2 „Ressourcenbewertung“ werden drei Szenarien für die Steigerung der Ausgaben für die Raumfahrt vorgeschlagen, die drei Stufen politischen Willens entsprechen.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Das Weißbuch ist in erster Linie ein politisches Dokument mit dem Hauptziel, eine Raumfahrtpolitik für Europa zu definieren. In dieser Hinsicht stellt das Weißbuch einen großen Fortschritt dar in einem Bereich, in dem Europa äußerst aktiv war und große Erfolge zu verzeichnen hat, ohne jedoch bislang wirklich zusammenfassend einen politischen Willen zum Ausdruck gebracht zu haben. Darüber hinaus gibt das Weißbuch konkrete Aktionslinien in den wesentlichen Bereichen vor, in denen strategische, wirtschaftliche und industrielle Herausforderungen mit der Raumfahrtpolitik einhergehen. Die Gliederung des Dokuments in Herausforderungen, die es anzunehmen gilt, ist interessant, denn sie unterstreicht die Tragweite und Dringlichkeit der Verpflichtungen, die einzugehen sind, wenn Europa sowohl seine Stellung als Weltraummacht als auch seine wissenschaftliche und technologische Stärke, seine Gemeinschaft von Forschern und Ingenieuren, seine Spitzenindustrie und seine Wettbewerbsfähigkeit auf den Märkten erhalten will.

    3.2

    Die angeregten Initiativen, Maßnahmen und Vorschläge scheinen mit den früheren Überlegungen bei den Beratungen zum Grünbuch übereinzustimmen. In seiner derzeitigen Form stellt das Weißbuch einen soliden Ausgangspunkt für die Durchführung einer europäischen Raumfahrtpolitik im Rahmen einer politischen Zukunftsvision dar. Das Wesentliche ist jedoch weiterhin der wirkliche politische Wille der Mitgliedstaaten und der EU, Haushaltsmittel dafür einzusetzen sowie einen unabhängigen europäischen Weltraumsektor zu unterstützen und weiterzuentwickeln.

    3.3

    Und schließlich stellt sich seit dem Scheitern der Regierungskonferenz ein Problem der soliden Rechtsgrundlage der EU in der Raumfahrt. Denn solange der Entwurf des Verfassungsvertrags für Europa nicht ratifiziert ist, gilt Artikel 13 Absatz 3 unverändert. Der Ausschuss befürwortet es daher, dass der zwischen der ESA und der Kommission unterzeichnete Rahmenvertrag voll und sehr gezielt ausgeschöpft wird, denn die Maßnahmen im Raumfahrtbereich können nicht bis zur Ratifizierung des künftigen Vertrags warten, die in weite Ferne rückt. Die daraus resultierenden Schäden für die strategische Autonomie Europas, für die Raumfahrtindustrie und ihre Mitarbeiter, für die in der Raumfahrt Tätigen und für die europäischen Forschungskapazitäten könnten zu einem nicht wieder aufzuholenden Rückstand im Raumfahrtwettbewerb führen.

    3.3.1

    Im Übrigen hatten sich die Mitgliedstaaten einstimmig darauf geeinigt, die Europäische Union im Bereich der Raumfahrtpolitik mit einer geteilten Zuständigkeit auszustatten. Diese Vereinbarung wurde von niemandem in Frage gestellt.

    3.3.2

    Daher muss nach Ansicht des EWSA unbedingt über die Mittel und Wege nachgedacht werden, wie diesem deutlich geäußerten politischen Willen in Erwartung einer stabilen Rechtsgrundlage gedient werden kann.

    Zuerst muss unverzüglich der in dem zwischen der ESA und der Kommission abgeschlossenen Rahmenvertrag vorgesehene Rat für Raumfahrt ESA/EU eingesetzt werden. An zweiter Stelle könnte ins Auge gefasst werden, das Amt eines oder einer Raumfahrbeauftragten (nach dem Vorbild des Hohen Beauftragten der gemeinsamen EU-Außen- und Sicherheitspolitik) zu schaffen oder die Raumfahrtpolitik dem Ressort des Kommissionspräsidenten zuzuordnen, ohne die künftige Schaffung des Amtes eines für Raumfahrt zuständigen Kommissionsmitglieds auszuschließen. In allen drei Fällen würde die Bedeutung der Raumfahrtpolitik deutlich bekräftigt.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   Beiträge der Raumfahrt zu den politischen Herausforderungen

    4.1.1

    Die Raumfahrttechnik ist sowohl wegen der Komplexität der angewandten Techniken als auch aufgrund der Forschungsgebiete ein Instrument für die Grundlagenforschung, insbesondere für die Astrophysik und die Planetologie, aber auch die Seismologie, die Ozeanographie, die Meteorologie und die Epidemiologie. Der Ausschuss bedauert, dass diese wesentliche Rolle im Weißbuch nicht ausdrücklich erwähnt wird, und wünscht, dass dieser Aspekt durch die europäische Raumfahrtpolitik gewissermaßen legitimiert wird, wenngleich das obligatorische Programm der ESA diese Notwendigkeit — in erster Linie im Hinblick auf die Weltallwissenschaften — erfüllt.

    4.1.2

    Im Übrigen ist hervorzuheben, dass im Bereich der Beobachtung und Erforschung der Erde eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen den operativen Maßnahmen (wie sie Eumetsat durchführt) und den reinen Forschungsarbeiten besteht.

    4.1.3

    Schließlich muss unterstrichen werden, dass die Raumfahrttechnik im Forschungs- und Entwicklungsstadium dualer Natur ist. Die Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zwecken erfolgt im Wesentlichen im Stadium der betrieblichen Nutzung der Daten. An den im Vorfeld angestellten Überlegungen und durchgeführten Forschungsarbeiten sollten daher zu Abstimmungszwecken sämtliche zivilen und militärischen Akteure beteiligt sein, um die Nutzung der Systeme zu optimieren und die Kosten zu senken.

    4.2   Raumfahrtmaßnahmen zur Unterstützung der erweiterten Union

    4.2.1   Raumfahrt

    Der Ausschuss schließt sich uneingeschränkt der Vorstellung an, dass das Programm GALILEO das Symbol dafür ist, dass sich die EU der politischen, strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Raumfahrt bewusst wird. Er spricht sich dafür aus, alles daran zu setzen, dieses für die Autonomie und Unabhängigkeit Europas wesentliche Projekt erfolgreich durchzuführen.

    4.2.2   Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES)

    4.2.2.1

    Die Interoperabilität der Raumfahrtsysteme muss prioritär sein, denn sie können unterschiedlichen Ursprungs sein.

    4.2.2.2

    Nach Ansicht des Ausschusses sind zwei spezifische Aspekte nicht ausreichend hervorgehoben und bewusst gemacht worden:

    einerseits ist die Kontinuität der Observation in der Umlaufbahn in bestimmten Bereichen und insbesondere bei der Radar-Observation nicht gewährleistet;

    andererseits ist die Existenz einer operativen europäischen Aktivität vor allem im Bereich von Meteorologie, Klimatologie und Ozeanographie praktisch ignoriert worden. Bezeichnenderweise wird Eumetsat nur unter den „Beteiligten“ erwähnt, und die Existenz einer Strukturierung bestimmter Raumfahrttätigkeiten auf europäischer Ebene scheint übersehen oder ignoriert worden zu sein.

    4.2.2.3

    Der Ausschuss hält dies für einen Mangel des Dokuments, denn die EU-Raumfahrtpolitik muss auf dem Bestehenden aufbauen, wobei es keine Überschneidung der Leistungen der Raumfahrtagenturen geben darf, sondern eine Ergänzung derselben und eine Strukturierung der Nachfrage angestrebt werden muss.

    4.2.2.4

    Der Ausschuss spricht sich daher dafür aus, dass die Kommission gegenüber Eumetsat, einem wichtigen europäischen Partner, eine konstruktive Haltung einnimmt, die mit jener gegenüber der ESA vergleichbar ist. Ebenso hält er es für erforderlich, bei der Strukturierung der Satellitendaten das Satellitenzentrum in Torrejón de Ardoz (Madrid) besser zu nutzen, indem nach dem Vorbild der USA eine echte Datenbank mit Raumfahrtdaten geschaffen wird.

    4.3   Überbrückung des „digitalen Grabens“

    4.3.1

    Der Ausschuss hält diesen Abschnitt sowohl formal als auch inhaltlich für bedauernswert schwach. Dieser Abschnitt steht in einem merkwürdigen Gegensatz zum restlichen Dokument. Es ist zumindest überraschend festzustellen, dass im Abschnitt „Der Weg nach vorn“ die Satellitenkommunikation nur beiläufig in Klammern erwähnt wird, wo es um die erforderliche „Ausschöpfung (...) aller verfügbaren Breitbandtechnologien (...) zur Überbrückung des digitalen Grabens“ geht.

    4.3.2

    Der Ausschuss befürchtet, dass der Text zu dieser Frage auf einigen Sinnwidrigkeiten bzw. Fehleinschätzungen beruht.

    4.3.3

    Erstens kann der Begriff technologische Neutralität nicht bedeuten, dass alle Technologien gleichwertig sind, um ein gegebenes Problem zu lösen. Es ist klar, dass die Entscheidungen durch eine Kosten/Nutzen-Analyse begründet werden müssen, wie die Kommissionsdienststellen selbst erklärt hatten (Arbeitsdokument SEK (2003) 895). In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass die Verwendung der Strukturfonds diesen Grundsätzen nicht widerspricht und dass sich die lokalen Gebietskörperschaften über den ergänzenden Charakter der terrestrischen und Raumfahrtsysteme im Hinblick auf die geografischen Daten und die Daten zur Bevölkerungsdichte im Klaren sind.

    4.3.4

    Zwar kann es nicht darum gehen, Weltraumlösungen zu Lasten wirksamerer terrestrischer Lösungen zu fördern, aber es muss anerkannt werden, dass Weltraumlösungen für schwach besiedelte, geografisch abgelegene oder schwer zugängliche Gegenden besonders geeignet sind. So ergänzen sich Weltraum- und terrestrische Lösungen gegenseitig und haben unterschiedliche Vorzüge.

    4.3.5

    In dem Text wird vernachlässigt, dass die Rolle der Weltraumlösungen bei der Überwindung des „digitalen Grabens“ im Rahmen der natürlichen Komplementarität von Weltraum- und terrestrischen Lösungen zu sehen ist.

    4.3.6

    Was bei der Entwicklung von Weltraumlösungen auf dem Spiel steht, ist der gleichberechtigte Zugang zu den Vorteilen der Breitband-Telekommunikation unabhängig vom Standort.

    4.3.7

    Konkret ausgedrückt sind heute 80 % der Bevölkerung durch terrestrische Lösungen abgedeckt oder werden es demnächst sein, was aber nur 20 % der Fläche entspricht; diese Lage kann sich nur günstig entwickeln, wenn die Komplementarität der Weltraum- und der terrestrischen Technologien genutzt wird.

    4.3.8

    Das Ausmaß des Marktes in Stadtgebieten spricht für terrestrische Lösungen, und die Bedeutung der entsprechenden Betreiber verstärkt das Ungleichgewicht zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Dies führt zu folgender Frage: Kann zugelassen werden, dass der Fortschritt der Informationsgesellschaft die Konzentration auf die Städte und die Landflucht vorantreibt? Dies kann sicher nicht die soziopolitische Wahl der EU und der Mitgliedstaaten sein.

    4.3.9

    Wenn im Weißbuch von einem „regen Wettbewerb der Betreiber und Technologien“ die Rede ist, so werden dabei zwei ganz unterschiedliche Elemente verwechselt: der kommerzielle Wettbewerb zwischen den Betreibern und die Ausgewogenheit zwischen den Technologien, die ja auf ihren jeweiligen Vorzügen beruht.

    4.3.10

    Nach Ansicht des Ausschusses sollten daher die europäischen Institutionen die spezifische Rolle der Raumfahrtlösungen korrekter einschätzen, um die Initiative in diesem wichtigen Bereich der Raumfahrtpolitik nicht zu verlieren. Daher wäre es zweckmäßig, Pilotmaßnahmen zu fördern, die auf zwischen der ESA und der Kommission konzertierten Initiativen beruhen, um das günstigere Kosten/Nutzen-Verhältnis der Satellitenlösung im Vergleich zu den Investitionen nachzuweisen, die für gleichwertige Kabellösungen in den nicht abgedeckten Gebieten erforderlich wären. Ebenso sollten in Gruppen zusammengefasste öffentliche Ausschreibungen gefördert werden, damit die Satellitenlösung mit ihrer europaweiten Abdeckung Größenvorteile erwirtschaften kann, die eine Kostensenkung sowohl bei den Endgeräten als auch beim Dienstleistungsangebot bewirken. Dadurch könnte sich eine europäische Norm herausbilden, durch welche die verschiedenen betroffenen Firmen eine Stellung auf dem Weltmarkt behaupten könnten.

    4.3.11

    Aufgabe einer Raumfahrtpolitik ist es nicht, Raumfahrtaktivitäten um jeden Preis zu fördern, sondern dafür zu sorgen, dass die Entwicklung von Raumfahrtlösungen nicht zu Lasten der Interessen bestimmter Nutzer sowie bestimmter Regionen und ihrer Bevölkerung vernachlässigt wird.

    4.4   „Raumfahrt als Beitrag zu GASP und ESVP“, „Entwicklung internationaler Partnerschaften“ und „Strategische Unabhängigkeit (-) Gemeinsame Kapazitäten für gemeinsame Aktionen“

    4.4.1

    Diese Kapitel geben keinen Anlass zu besonderen Bemerkungen, der Ausschuss hebt jedoch deutlich hervor, dass in dem Maße wie die Raumfahrt von unseren größten Partnern als wichtiges Machtmittel betrachtet wird (NASA-Administrator Sean O'Keefe wird 2004 einen neuen „Fahrplan“ mit dem bezeichnenden Titel „Neue Beherrschung des Weltraums durch die USA“ vorlegen), die internationale Zusammenarbeit auf einer realistischen Sicht der europäischen Interessen beruhen muss.

    4.4.2

    Der Ausschuss bekräftigt daher, dass öffentliche Mittel dafür eingesetzt werden müssen, den freien Zugang Europas zum Weltraum zu erhalten, denn dieser Zugang für die Autonomie Europas ist unerlässlich und lässt sich nicht durch eine kommerzielle Vorgehensweise erreichen.

    4.4.3

    Im Hinblick auf die ESVP verweist er darauf, dass in dem vom Europäischen Rat von Thessaloniki am 19./20. Juni 2003 verabschiedeten Bericht des Vorsitzes über die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik die Bedeutung der Raumfahrtanwendungen und -funktionen in diesem Bereich anerkannt worden ist. In diesem Zusammenhang unterstreicht der Ausschuss, dass die Weltraumwissenschaften und Raumfahrttechnologien einen dualen Charakter besitzen, der in Europa nicht ausreichend ausgenutzt wird.

    4.4.4

    Hinsichtlich Weltraumflügen muss eine etwaige Neuausrichtung der amerikanischen Raumfahrtpolitik in diesem Bereich aufmerksam verfolgt werden.

    4.4.5

    Der Ausschuss hält es für wünschenswert, weiterhin Weltraumflüge durchzuführen, weil einerseits die Abenteuer- und Entdeckungslust in der Natur des Menschen verankert ist und andererseits eigene Symbole erforderlich sind, um das Interesse und die Zustimmung der Öffentlichkeit zu wecken. Daher sollten realistische Programme erstellt werden, welche die europäischen Interessen intelligent verfolgen und gleichzeitig auf weltweiter Zusammenarbeit beruhen.

    4.4.6

    In dieser Hinsicht sollte die Idee einer Mondstation ernsthaft erwogen werden, wobei die Eigeninteressen Europas nachdrücklich wahrgenommen werden sollten.

    4.5   „Stärkung der Führungsposition Europas in den Weltraumwissenschaften“

    4.5.1

    Der Ausschuss erinnert daran, dass es der ESA, den einzelstaatlichen Raumfahrtagenturen, den wissenschaftlichen Instituten und den Unternehmen gelungen ist, Europa auf eine weltweit anerkannte wissenschaftliche Spitzenposition zu heben, und dies, wie die Kommission hervorhebt, unter strengen Haushaltszwängen, die zu Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit verpflichteten, was begrüßenswert ist.

    4.5.2

    Umso stärker unterstützt der Ausschuss den Vorschlag des Weißbuchs, die Mittel, welche die ESA und die Mitgliedstaaten für die Weltraumforschung bereitstellen, schrittweise zu erhöhen, um die Weltraumforschung noch weiterzuentwickeln, aber auch um eine Zersplitterung der europäischen Forschungskapazitäten zu vermeiden und jungen Wissenschaftlern attraktive Karrierechancen zu bieten. Ansonsten bestünde die große Gefahr einer verstärkten Abwanderung der besten Köpfe, insbesondere in die USA.

    4.5.3

    Er hält es für wünschenswert, die Weltraumforschung genauso stark auf die Geowissenschaften wie die Weltraumwissenschaften auszurichten. Besonderes Merkmal der Geowissenschaften im Gegensatz zu den Weltraumwissenschaften ist, dass sie untrennbar mit konkreten Anwendungen zu tun haben (Meteorologie, Überwachung, Umweltmanagement usw.). Diese beiden Wissenschaftszweige sind also zu unterscheiden, ohne dass der eine zu Lasten des anderen bevorzugt werden sollte.

    4.6   „Ein neuer Ansatz für die Leitung von Raumfahrtaktivitäten“

    4.6.1

    In diesem Stadium kann das Weißbuch lediglich Überlegungen skizzieren, insbesondere über die Art und Weise der künftigen Organisation der Zuständigkeiten für die Raumfahrt in der Kommission.

    4.6.2

    Das Einvernehmen darüber, die Europäische Union im Bereich der Raumfahrtpolitik mit einer geteilten Zuständigkeit auszustatten, wurde trotz des Scheiterns der Regierungskonferenz von niemandem in Frage gestellt. Das Fehlen einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die EU-Tätigkeit im Raumfahrtbereich muss jedoch zu einer gewissen Vorsicht Anlass geben.

    4.6.3

    Dennoch möchte der Ausschuss hinsichtlich der internen Organisation der Kommission darauf hinweisen, dass seines Erachtens zwei Fehler vermieden werden müssen:

    erstens eine zu starke Zersplitterung der Zuständigkeiten für die Raumfahrt, welche die Kommission an einer zusammenfassenden Arbeit und Vorgehensweise hindern würde; und

    zweitens eine zu starke Zentralisierung, welche die Raumfahrtpolitik von den verschiedenen betroffenen Direktionen abspalten und einer nachfrageorientierten Politik zuwiderlaufen würde.

    4.6.4

    Nach dem Dafürhalten des Ausschusses könnte eine geeignete Lösung ein übergreifendes Organ geringer Größe sein, das der Kommission auf hoher Ebene — beispielsweise auf Ebene der Präsidentschaft — unterstellt wäre.

    4.6.5

    Selbstverständlich wird die Kommission über Eigenmittel verfügen müssen, die zu jenen hinzukommen, welche die Mitgliedstaaten für die ESA und die einzelstaatlichen Raumfahrtagenturen aufwenden. Wenn die Raumfahrttätigkeit der EU wirklich weiterentwickelt werden soll, kann es sich nicht um ein „Nullsummenspiel“ handeln.

    4.7   „Anhang 2: Ressourcenbewertung“

    4.7.1

    Das Weißbuch fasst drei Finanzierungsszenarien ins Auge:

    ein „ehrgeiziges“ Szenario A, das einen festen politischen Willen und ein starkes Wirtschaftswachstum erfordern würde, um eine große Haushaltsanstrengung zu ermöglichen;

    dem Szenario B liegt ein „politisches Handeln“ zugrunde, der Wille zu einem Neustart in der EU-Raumfahrtpolitik;

    das „natürlich-lineare“ Szenario C gewährleistet keine völlige Unabhängigkeit für die Technologien und den Zugang zum Weltraum.

    4.7.2

    Die Raumfahrtaktivität ist für die EU von großer strategischer Bedeutung. Ihre wissenschaftlichen, technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind erheblich. Die Raumfahrtaktivität steht somit uneingeschränkt im Rahmen der Strategie von Lissabon, und es sollten Mittel dafür eingesetzt werden, deren Höhe den in diesem Rahmen bekräftigten ehrgeizigen Zielen entspricht. Angesichts dessen ist klar, dass der Ausschuss eine etwaige Entscheidung für Szenario C energisch ablehnen muss und Szenario B als minimale Arbeitshypothese betrachtet, in der Hoffnung, dass eine möglichst starke Annäherung an Szenario A möglich sein wird.

    4.7.2.1

    Im Übrigen wird von verschiedener Seite die Frage gestellt, ob wegen der Anforderungen des Stabilitätspakts die Ausgaben für strategische Investitionen, wie diejenigen für die Raumfahrtpolitik, außer acht gelassen werden dürfen, denn die Zukunftschancen sollen nicht durch Mitteleinschränkungen geschmälert werden, die nur allzu häufig die Investitionsausgaben und nicht die laufenden Ausgaben betreffen.

    4.7.3

    Außerdem darf selbstverständlich die Einleitung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Raumfahrt durch nichts behindert werden. Jedoch bietet der Vertrag von Nizza zugegebenermaßen hierfür kaum einen geeigneten Rahmen.

    5.   Schlussbemerkungen

    5.1

    Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses ist das Weißbuch ein fundiertes Dokument, welches das große Verdienst hat, einen politischen Willen zum Ausdruck zu bringen, der deutlich und kompakt formuliert ist.

    5.2

    Er bedauert jedoch die große Schwäche des Kapitels über den „digitalen Graben“ und die Breitbandtechnologien. Er fordert daher, dieses Kapitel zu überdenken und weiterzuentwickeln und dabei die vorhandene Komplementarität zwischen Raumfahrt- und terrestrischen Lösungen zu berücksichtigen.

    5.3

    Er hebt erneut die große strategische Bedeutung der Raumfahrtaktivitäten für die EU hervor. Er fordert, dass der politische Ansatz der EU, vor allem im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, von einer realistischen, nicht naiven Sicht geprägt ist, um so mehr, als die für die Raumfahrt erforderlichen Technologien dualen (zivilen und militärischen) Charakter haben.

    5.4

    Er betont, dass der Raumfahrtsektor, der umstrukturiert worden ist und die erforderlichen Bemühungen um Wettbewerbsfähigkeit unternommen hat, um der internationalen Konkurrenz zu trotzen, unmittelbar 30 000 Personen beschäftigt, die im Allgemeinen hochqualifiziert sind. Dieses wertvolle Humankapital, das für die europäische Spitzenposition in diesem Bereich gesorgt hat, muss erhalten und bereichert werden. Er hebt besonders hervor, dass der Erstausbildung wie auch der ständigen Weiterbildung in diesem Hochtechnologiesektor, der sich mit den Fortschritten der wissenschaftlichen Forschung weiterentwickelt, größte Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

    5.5

    Er empfiehlt, dass sich die EU trotz des Scheiterns der Regierungskonferenz auf das Rahmenabkommen zwischen der Kommission und der ESA stützt und ihre Maßnahmen zur Strukturierung und Förderung der Nachfrage und der Raumfahrtinitiativen entschlossen fortführt. Dabei sollten Überschneidungen mit den Programmen der Mitgliedstaaten, ihrer Raumfahrtagenturen und der ESA vermieden und Formen einer verstärkten Zusammenarbeit oder starke Partnerschaften zwischen bestimmten Mitgliedstaaten nicht behindert werden. Er spricht sich dafür aus, den Bereich der Raumfahrtpolitik auf einer hochrangigen institutionellen Ebene der Europäischen Union anzusiedeln.

    5.6

    Der Ausschuss fordert nachdrücklich, die erforderlichen Haushaltsanstrengungen zu unternehmen, damit die Raumfahrtpolitik zumindest dem Niveau von Szenario B in Anhang 2 entspricht und ein System „kommunizierender Röhren“ vermieden wird, in dem die Mitgliedstaaten ihre Raumfahrtausgaben in dem Maß verringern, in dem die EU in die Raumfahrt investiert.

    5.7

    Die Raumfahrtpolitik mit ihren gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und strategischen Aspekten ist eines der größten Abenteuer der Menschheit. Durch sie kann Europa in einem geopolitischen Kontext, in dem sich andere kontinentale Großmächte behaupten, erneut in die Geschichte eingehen. Wir dürfen diese Gelegenheit nicht verpassen.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/14


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein kohärenter Rahmen für die Luft- und Raum- fahrt — Reaktion auf den Bericht STAR 21“

    (KOM(2003) 600 endg.)

    (2004/C 112/04)

    Die Kommission beschloss am 13. Oktober 2003 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2004 an. Berichterstatter war Herr BUFFETAUT.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) einstimmig (100 Stimmen) folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Das Kommissionsdokument ist vor allem eine Reaktion auf die Schlussfolgerungen des von der Europäischen Beratungsgruppe für die Luft- und Raumfahrt erstellten Berichts „STAR 21: Strategischer Ausblick - Luft- und Raumfahrt im 21. Jahrhundert“ und greift die Schlussfolgerungen dieses Berichts wieder auf.

    1.2

    Die Kommission macht ihre Überlegungen an den Schlussfolgerungen der Europäischen Gipfel von Köln, Lissabon, Barcelona und Thessaloniki fest.

    1.3

    Sie weist darauf hin, dass die Luft- und Raumfahrtindustrie ein Schlüsselsektor für die Verwirklichung der strategischen und wirtschaftlichen Ziele ist, die sich die Europäische Union gesetzt hat. Diese hochqualifizierte Hochtechnologiebranche ist nämlich im zivilen wie im militärischen Bereich tätig.

    1.4

    Wie stellt sich vor diesem Hintergrund die Situation dieses Sektors in der Europäischen Union dar?

    1.4.1

    Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist eine Fluktuationen unterliegende zyklische Branche. Im zivilen Bereich hängt der Markt von den Beschaffungsprogrammen der Fluggesellschaften ab, die durch Ereignisse wie etwa Terroranschläge, die den Luftverkehrssektor erheblich stören, beeinflusst werden können.

    1.4.1.1

    Was den Verteidigungssektor angeht, hängt der Absatzmarkt von den Haushaltsentscheidungen und der Beschaffungspolitik der Mitgliedstaaten ab, in die wiederum geostrategische Faktoren hineinspielen.

    1.4.1.2

    Der Bau von Großraumflugzeugen ist und bleibt auch in Zukunft dank der Wettbewerbsfähigkeit von Airbus das tragende Element für die Entwicklung der Luft- und Raumfahrtindustrie in Europa.

    1.4.1.3

    Der Verteidigungssektor ist als Absatzmarkt unsicherer. Die Anzahl neuer Beschaffungsprogramme ist begrenzt. Trotzdem ist die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie auf dem Hubschraubersektor nach wie vor stark vertreten und sehr präsent.

    1.4.1.4

    Die Ungewissheit des europäischen Marktes, die Schwerfälligkeit und Komplexität des Entscheidungsprozesses im Verteidigungssektor belasten die Luft- und Raumfahrtindustrie und veranlassen die Unternehmen, sich trotz der protektionistischen Bestimmungen der Vereinigten Staaten und ohne hinreichende Garantie einer Umwegrendite im Technologiebereich dem viel größeren und stabileren amerikanischen Verteidigungsgütermarkt zuzuwenden.

    1.4.1.5

    Die Raumfahrtindustrie macht ihrerseits derzeit eine schwierige Phase durch. Weitgehend auf den zivilen Bereich ausgerichtet hat dieser Sektor sehr stark unter dem Abschwung bei der Nachfrage im Telekommunikationsbereich gelitten und ist inzwischen einer starken Konkurrenz an Raumfahrtunternehmen ausgesetzt, einem Markt, der in den Vereinigten Staaten geschützt ist und auf dem weltweit neue Akteure Einzug gehalten haben. Mit dem Aktualitätsbezug der Pläne der USA und der NASA ergibt sich ein Aufschwung für Europa.

    1.4.1.6

    Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist ein Sektor mit doppeltem Verwendungszweck, dessen Know-how und Technik zu zivilen wie zu militärischen Zwecken verwendet werden kann. Eine der Schwächen dieses Sektors sind die unzureichenden Absatzmöglichkeiten und die Fragmentierung des Verteidigungsgütermarktes.

    1.4.2   Die Feststellungen des STAR 21-Berichts

    1.4.2.1

    Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit:

    eines besseren Zugangs zu den Drittlandsmärkten sowie einer lauteren und korrekten Anwendung der Handelsabkommen

    einer größeren Mobilität der Beschäftigten dieses Sektors

    einer besseren Koordinierung der FuE-Anstrengungen

    einer führenden Position der EU in allen Bereichen der Regulierung der Zivilluftfahrt

    einer besseren Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Union sowie einer Lancierung des GALILEO-Programms.

    1.4.2.2

    Und schließlich wird im Bericht hervorgehoben, dass die Bedingungen auf dem Verteidigungsgütermarkt unbedingt überprüft werden müssen.

    1.4.3   Der Ansatz und die Vorschläge der Kommission

    1.4.3.1

    In ihrer Vorlage greift die Kommission Sektor für Sektor die nach ihrer Einschätzung wesentlichen Fragen heraus.

    1.4.4   Verteidigungssektor

    1.4.4.1

    Die Kommission beklagt die Fragmentierung des Verteidigungsgütermarktes, die in der Tatsache, dass der Verteidigungssektor ein zentrales Element der Souveränität der Mitgliedstaaten ist, und in den Wesensmerkmalen dieses Sektors (Vertraulichkeit, Versorgungssicherheit, politische Kriterien bei Beschaffungsentscheidungen usw.) begründet liegt. Sie betont, dass Europa weniger für Verteidigung ausgibt als die USA und außerdem wegen der Fragmentierung des Marktes die getätigten Investitionen nicht optimal genutzt werden können.

    1.4.4.2

    Für die Zukunft sollte nach Ansicht der Kommission etwas gegen die Zersplitterung der Nachfrage getan werden, da die Beschaffungsprogramme eines einzigen Mitgliedstaats nicht umfangreich genug sind, um zu einer rentablen Verteidigungsgüterproduktion zu gelangen.

    Die Kommission plädiert für eine Harmonisierung der Anforderungen im Verteidigungssektor und vertritt die Ansicht, dass die Einrichtung eines „Europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“ im Rahmen einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein nützliches Instrument für die Schaffung eines Rüstungsgütermarktes wäre, der groß und kohärent genug ist, um eine Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie zu ermöglichen. Im Übrigen ist dies auch unverzichtbar, um den Dialog mit den Vereinigten Staaten in glaubwürdiger Weise aufrechtzuerhalten.

    1.4.4.3

    Des Weiteren ist die Kommission der Auffassung, dass die Initiativen der Verteidigungsminister Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Schwedens, Spaniens und des Vereinigten Königreichs sinnvollerweise auf die gesamte Europäische Union ausgedehnt werden sollten.

    1.4.5   Raumfahrt

    1.4.5.1

    Die Kommission stellt fest, dass es keine europäische oder multinationale Struktur gibt, die für sicherheits- und verteidigungsbezogene Raumfahrtprogramme zuständig ist, ein Mangel, der dann in aller Härte spürbar wird, wenn der zivile Absatzmarkt dramatisch und dauerhaft zurückgeht. Diese Sachlage ist vor allem eine Konsequenz der Bestimmungen des ESA-Vertrags, der eine strikte Anwendung des Weltraumabkommens beinhaltet, das die Nutzung des Weltraums zu militärischen Zwecken untersagt. Deswegen stellt Europa im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten ihrer zivilen und gewerblichen Raumfahrt auch keine umfangreiche und institutionalisierte und somit den Unwägbarkeiten des Handels nicht ausgesetzte militärische Raumfahrt an die Seite. Dies ist umso bedauerlicher, als die Raumfahrttechnik einen doppelten Verwendungszweck hat und sich somit für zivile wie für militärische Anwendungen eignet.

    1.4.5.2

    Die Kommission hofft, dass durch ein politisches Gesamtkonzept auf europäischer Ebene und durch eine effizientere Koordinierung in Zukunft dafür gesorgt werden kann, dass die europäische Raumfahrtindustrie ihre derzeitigen Kapazitäten halten kann und ihre technologische Spitzenposition nicht einbüßt.

    1.4.6   Forschung

    1.4.6.1

    Die Notwendigkeit einer besseren Koordination der Luft- und Raumfahrtforschung ist nicht zu verkennen. Im zivilen Bereich wurden interessante Initiativen ergriffen (Beirat für Luftfahrtforschung in Europa), im Verteidigungsbereich ist die diesbezügliche Situation hingegen nicht befriedigend.

    1.4.6.2

    Für die Zukunft ist es nach Einschätzung der Kommission unverzichtbar, die langfristige Stabilität der Strukturen für die Finanzierung der Forschung zu sichern. Außerdem sollte ein Gesamtplan für Forschung und Entwicklung aufgestellt und eine Forschungsprogrammplanung eingeführt werden.

    1.4.7   Europäische Regulierung der Zivilluftfahrt

    1.4.7.1

    Die Kommission fordert, dass die Europäische Agentur für Flugsicherheit umgehend eingerichtet wird und ihren Betrieb aufnehmen kann und transatlantische Verhandlungen vor allem über die Sicherheitsbescheinigungen aufgenommen werden.

    1.4.7.2

    Nach ihrer Vorstellung sollten Fragen der Luftsicherheit auf europäischer Ebene behandelt werden und die Europäische Union in den zuständigen internationalen Organisationen aktiv mitwirken.

    1.4.7.3

    Ferner sollte nach Meinung der Kommission mit Blick auf eine bessere Nutzung des Luftraums auch eine Schnittstelle zwischen Zivil- und Militärluftfahrt geschaffen werden.

    1.4.8   Marktzugang

    1.4.8.1

    Die Kommission geht vor allem auf Fragen im Zusammenhang mit den Handelsschwierigkeiten mit den USA im Bereich der Verteidigungsgüter vor allem wegen der protektionistischen Maßnahmen der Vereinigten Staaten und der amerikanischen Ausfuhrkontrollbestimmungen ein.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Bericht STAR 21 sowie die Vorlage der Kommission enthalten einige Feststellungen, die durchaus zu unterschreiben sind. Es ist augenscheinlich, dass die Luft- und Raumfahrtindustrie einem Spitzensektor angehört, in dem Spitzenkompetenzen gebündelt sind und der Hochtechnologien hervorbringt, deren Errungenschaften auch für andere Sektoren sehr wertvoll sein können. Von daher kommt ihr eine wichtige Rolle zu, damit die Europäische Union die Zielsetzung von Lissabon erreichen kann, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen — einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“.

    2.2

    Was Luft- und Raumfahrtindustrie für den militärischen Bereich angeht, ist die Zersplitterung des Marktes auf die besondere Wesenscharakteristik des Verteidigungssektors zurückzuführen, geht es hier doch um einen Bereich, der unter die nationale Souveränität fällt, und zwar die Verteidigung und somit im Eventualfall gar die Kriegführung. Deshalb ist es nur logisch, dass Staaten sichergehen wollten, dass ihre Versorgung mit Verteidigungsgütern und die Geheimhaltung der betreffenden Technologien gewährleistet sind, und deswegen auf nationale Unternehmen vertrauen, die häufig enge Verbindungen zum Staat haben. Derzeit ist die Geheimhaltung der Technologien mit diversen bilateralen und multilateralen Verträgen sichergestellt.

    2.3

    Diese Einstellung verträgt sich aber nicht mit der Logik eines Bündnisses und der Tatsache, dass die Verteidigungsgüterindustrie ihre enormen Investitionen auf den nationalen Märkten, die ihr wichtigstes Standbein sind, wenn überhaupt, nur mehr schwer wieder hereinholen werden können, vor allem in Zeiten der Sparpolitik. Außerdem hat es die europäische Industrie im internationalen Wettbewerb besonders schwer, gegen die Konkurrenz der amerikanischen Unternehmen zu bestehen, die einen sehr umfangreichen und stabilen heimischen Markt im Rücken haben.

    2.4

    Die Vorschläge der Kommission, um der Zersplitterung des Marktes abzuhelfen, sind durchaus interessant, aber vielleicht setzt die Kommission dabei doch gar zu sehr auf Strukturen wie etwa das Europäische Amt für Rüstung. Im Verteidigungsbereich — der seinem Wesen nach unter die nationale Souveränität fällt — läuft ohne den entsprechenden politischen Willen gar nichts, und dieser politische Wille kann nur im Rahmen einer klaren und von allen geteilten weltpolitischen Vorstellung Europas zum Tragen gebracht werden, wovon aber gar keine Rede sein kann. In einem spitzentechnologischen Bereich, bei dem Sachkompetenz und Know-how von sehr hohem Niveau gefragt sind, muss außerdem dafür Sorge getragen werden, dass die ins Auge gefassten Kooperationsformen darauf hinauslaufen, dass technologische Mehrwerte hervorgebracht werden, und sich nicht etwa ein Verdünnungseffekt der Sachkompetenzen einstellt.

    2.5

    Der EWSA weist darauf hin, dass ein kürzlich zwischen Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich unterzeichneter Verteidigungspakt im Jahre 2005 zu Konkretisierungen im operationellen Bereich führen dürfte. Dies könnte im Industriebereich interessante Perspektiven eröffnen, da der deutsche, der französische und der britische Markt zusammengenommen die für die militärische Luftfahrtindustrie Europas kritische Größenordnung erreichen dürften.

    2.6

    Was die Raumfahrt betrifft, gehen die jüngsten Entwicklungen (Rahmenabkommen mit der Europäischen Raumfahrtbehörde, Bestimmungen des Entwurfs eines Vertrags über eine Verfassung für Europa, die auch nach dem Scheitern der Regierungskonferenz nicht in Frage gestellt sind) in Richtung der Sichtweisen der Kommission und der Vorstellungen des EWSA. Der entscheidende Punkt ist, dass genügend Haushaltsmittel bereitgestellt werden, damit die Europäische Union und die Mitgliedstaaten ihre Ziele, die sie sich im Raumfahrtbereich gesteckt haben, auch verwirklichen können. Dies ist denn auch der zentrale Aspekt des Weißbuchs, das trotz gewisser auffälliger Schwachstellen bezüglich der Breitband-Telekommunikation, durchaus ein Dokument von Qualität ist.

    2.7

    Die Vorschläge der Kommission für eine europäische Regulierung der Zivilluftfahrt erscheinen sowohl unter dem praktischen Aspekt als auch im Sinne der Sicherheit und der Kohärenz gerechtfertigt. Außerdem kann dadurch die Position Europas bei den transatlantischen Verhandlungen gestärkt werden.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1   Militärische Luft- und Raumfahrtindustrie

    3.1.1

    Der EWSA stellt fest, dass eine Kluft besteht zwischen dem, was der Zivilluftfahrtindustrie mit dem Airbus gelungen ist, und der relativen Bedeutungslosigkeit der Militärluftfahrtindustrie, die in der starken Fragmentierung des Marktes ihre Ursache hat. Dies liegt nach Meinung des Ausschusses daran, dass der europäischen Verteidigungspolitik ein Gesamtkonzept fehlt. Dieser Umstand vergrößert nur noch die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten, die ihre Verteidigungsabkommen mit verschiedenen Ländern in der ganzen Welt zugunsten ihrer Rüstungsindustrie zu nutzen wussten, so dass sie auf dem Weltmarkt quasi eine Monopolstellung innehaben. In der Luft- und Raumfahrtindustrie kommen gebündelt die Technologien mit der größten strategischen Bedeutung zum Einsatz, von denen das künftige Wirtschaftswachstum abhängt. Daher passt sie haargenau in die Lissabon-Strategie, die darauf abzielt, die Union in den nächsten zehn Jahren „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen, der fähig ist, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“. Außerdem ist die technologische Unabhängigkeit der europäischen Rüstungsindustrie eine der Voraussetzungen für die Unabhängigkeit der Europäischen Union.

    3.1.2

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Vereinigten Staaten im Bereich der militärischen Luftfahrt (genau wie in der Raumfahrt) mit einer ganzen Reihe von Rechtsinstrumenten bzw. -konzepten operieren, die de facto auf protektionistische Praktiken hinauslaufen. Deswegen sollte die Kommission, die für die Handelspolitik der Europäischen Union zuständig ist, etwas unternehmen, um zumal auf WTO Ebene diesen Praktiken zu begegnen und dadurch die Handelsbilanz der EU in diesem Bereich wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

    3.1.3

    Er nimmt den Verteidigungspakt zwischen Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich zur Kenntnis, der zeigt, dass sich bei dem Konzept für die europäische Verteidigung etwas tut. Wenn einerseits das Entstehen einer Europäischen Union der Alleingänge nicht wünschenswert erscheint, so sollte man andererseits aber auch Initiativen, die einen Übungseffekt haben, keine Steine in den Weg legen.

    3.2   Raumfahrt

    3.2.1

    Die im Weißbuch enthaltenen Vorschläge entsprechen nach Meinung des EWSA den Empfehlungen des STAR 21-Berichts und gehen sogar noch über diese Empfehlungen hinaus. Er unterstreicht erneut die große strategische Bedeutung der Raumfahrt für die Europäische Union und fordert, das politische Konzept der Europäischen Union im Bereich der Zusammenarbeit und der internationalen Beziehungen auf die Basis einer realistischen Vision ihrer Interessen zu stellen.

    3.2.2

    Er macht darauf aufmerksam, dass dieser Wirtschaftszweig 30 000 hochqualifizierte Arbeitskräfte beschäftigt und dieses hervorragende menschliche Potenzial unbedingt erhalten und ausgebaut werden muss.

    3.2.3

    Angesichts der gescheiterten Regierungskonferenz und in Erwartung eines europäischen Vertrags, der der Europäischen Union eine Zuständigkeit im Raumfahrtbereich zuerkennt, sollte die Kommission die Möglichkeiten, die die Rahmenvereinbarung mit der ESA bietet, optimal nutzen.

    3.2.4

    Und schließlich sollten für die Raumfahrtpolitik Haushaltsmittel mindestens in einer Größenordnung vorgesehen werden, wie sie das Szenario B „Politisches Handeln“ im Anhang zum Weißbuch beinhaltet.

    3.3   Europäische Regulierung der Zivilluftfahrt

    3.3.1

    Der EWSA unterstützt voll und ganz die Forderung nach einer umgehenden Schaffung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit sowie das Bestreben, schnellstmöglich zu erreichen, dass die von Regulierungsbehörden beiderseits des Atlantik ausgestellten Bescheinigungen gegenseitig anerkannt werden.

    3.3.2

    Des Weiteren sollten die europäischen Flugsicherheitsnormen als Element der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie in effizienter Weise gefördert werden, und deswegen sollte die Europäische Union in den entsprechenden internationalen Organisationen aktiv mitwirken.

    4.   Schlussfolgerungen

    4.1

    Die Kommissionsmitteilung zum STAR 21-Bericht macht zu Recht auf die Schwächen der militärischen Raumfahrt in Europa aufmerksam. Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass die Kommission dabei dem institutionellen Aspekt der Problematik eindeutig zu viel Bedeutung beimisst und es vielmehr darauf ankommt, dass sich in Europa ein echter politischer Wille zu eigenständigem gemeinschaftlichem Handeln im Verteidigungsbereich einstellt. Nur so kann eine solide Basis für die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie geschaffen werden.

    4.2

    Was den Raumfahrtbereich angeht, findet der EWSA, dass das Weißbuch der Kommission den im STAR 21-Bericht vorgetragenen Forderungen voll und ganz gerecht wird. Die Rahmenvereinbarung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der ESA und die im Weißbuch abgesteckten politischen Aktionslinien müssten es nach Einschätzung des EWSA ermöglichen, die Ambitionen Europas im Raumfahrtbereich neu zu beleben.

    4.3

    Er weist darauf hin, dass die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie Millionen europäischen Bürgern Brot und Arbeit gibt und hochqualifizierte Arbeitskräfte beschäftigt, die die modernsten Spitzentechnologien beherrschen. Deswegen ist es ganz klar, dass wenn das Ziel, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“ nicht nur eine Worthülse bleiben soll, die Mitgliedstaaten die entsprechenden Konsequenzen ziehen und echte und ehrgeizige Politiken im Bereich der Rüstung und der Raumfahrt abstecken müssen, die auf europäischer Ebene koordiniert und zusammengeführt werden müssen, damit Europa wieder den Rang einnehmen kann, der ihm im neuen weltweiten Gefüge zukommt.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/18


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwendung von Frontschutzbügeln an Fahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates“

    (KOM(2003) 586 endg. — 2003/0226 (COD))

    (2004/C 112/05)

    Der Rat beschloss am 22. Oktober 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2004 an. Berichterstatter war Herr RANOCCHIARI.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Damit das vorrangige Ziel der Gemeinschaftsorgane und der einzelstaatlichen Behörden — die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr — verwirklicht werden kann, müssen u.a. schrittweise Regelungen für sämtliche Aspekte der Fahrzeugkonstruktion eingeführt werden, die dazu beitragen, die Zahl und die Schwere der Unfälle zu mindern.

    1.2

    Dem Schutz der schwächeren und bei Kollisionen mit Kraftfahrzeugen stärker gefährdeten Verkehrsteilnehmer wird in diesem Zusammenhang zu Recht besondere Aufmerksamkeit gewidmet. So ist in dem unlängst von der Kommission vorgelegten Europäischen Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit Folgendes festgehalten: „Eine Konstruktion der Fahrzeugfront, von der geringere Gefahren für Fußgänger und Radfahrer ausgehen, ist für die Europäische Union von Vorrang“.

    1.3

    Den Unfallstatistiken für den Straßenverkehr zufolge sind an einem erheblichen Teil der Unfälle Fußgänger und Radfahrer beteiligt, die durch den Zusammenprall mit fahrenden Fahrzeugen, insbesondere der Fahrzeugfront von Personenkraftwagen, Verletzungen erleiden. Nach den neuesten von der CARE (1) veröffentlichten Zahlen für die stärker gefährdeten Kategorien von Verkehrsteilnehmern wurden 4.571 Fußgänger und 1.444 Fahrradfahrer im Straßenverkehr getötet. Diese Daten enthalten jedoch keine Einzelheiten zur Wucht des Aufpralls.

    1.3.1

    An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass bei dieser Art von Kollisionen die Verletzungen auf zwei Ursachen zurückzuführen sind: auf den „primären“ Aufprall des Fußgängers oder Radfahrers gegen die Frontpartie des Fahrzeugs und den „sekundären“ Aufprall auf der Fahrbahn, auf die sie zumeist geschleudert werden. Es ist in jedem Fall illusorisch, eine Verringerung der Gefahr für den Fußgänger für möglich zu halten, wenn die Geschwindigkeit beim ersten Aufprall mehr als 40 km/h beträgt. Unterhalb dieser Geschwindigkeit — und somit im stockenden Stadtverkehr, wo fast die Hälfte aller Unfälle geschieht — können jedoch die durch diesen primären Aufprall verursachten Verletzungen verringert werden.

    1.3.2.

    Der jetzige Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG (2) — d.h. des Rechtsakts zur Regelung und Angleichung der einschlägigen Verfahren und somit der Grundlage für die Erteilung der Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger — geht auf die im Jahr 2001 eingegangenen Selbstverpflichtungen der Dachverbände der europäischen, japanischen und koreanischen Automobilhersteller (ACEA, JAMA und KAMA) zurück, ab 1. Januar 2002 starre Frontschutzbügel (so genannte „rigid bull bars“, normalerweise aus Stahl) weder als Originalausrüstung an Neufahrzeugen anzubringen noch als Nachrüstteile über das eigene Vertriebsnetz anzubieten. Es wird allerdings daran erinnert, dass derartige Vorrichtungen ursprünglich konzipiert wurden, um die Sicherheit von gewerblichen Nutzfahrzeugen (land- und forstwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen usw.) in Umgebungen, wo eine diesbezügliche Gefährdung vorliegt bzw. mit Tierkontakten zu rechnen ist, zu verbessern.

    1.4

    Mit dem Vorschlag werden drei Ziele verfolgt:

    die Vorschriften für die Konstruktion und damit für die Betriebszulassung sowohl von kompletten Fahrzeugen, die mit einem Frontschutzsystem (d.h. Frontschutzbügeln) ausgerüstet sind, als auch des Systems an sich als „selbständige technische Einheit“ sollen vereinheitlicht werden;

    es soll der Forderung des Rates vom 26. November 2001 entsprochen werden, starre Frontschutzbügel für alle Neufahrzeuge der Klassen M1 und N1 zu verbieten;

    es soll dem Ersuchen des Parlaments vom 13. Juni 2002 an die Kommission entsprochen werden, einen Rechtsakt vorzuschlagen, der auch den Vertrieb von starren Frontschutzbügeln als Nachrüstteile verbietet.

    1.5

    In der vorgeschlagenen Richtlinie sollen die technischen und baulichen Normen für Frontschutzsysteme (Frontschutzbügel) für Fahrzeuge der Klassen M1 und N1, d.h. PKW und leichte Nutzfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t, festgelegt werden; es handelt sich somit um eine der Einzelrichtlinien, die im Rahmen des durch die Richtlinie 70/156/EWG eingeführten Typgenehmigungsverfahrens vorgesehen sind.

    1.6

    Der Vorschlag steht überdies im Zusammenhang mit der Richtlinie 2003/102/EG vom 17. November 2003 (3) zum Schutz von Fußgängern und anderen ungeschützten Verkehrsteilnehmern vor und bei Kollisionen mit Kraftfahrzeugen. Er wurde insbesondere deshalb für notwendig erachtet, weil in dieser Richtlinie keine spezifischen Vorschriften betreffend das Frontschutzsystem (d.h. Frontschutzbügel oder „bull bars“, „Kuhfänger“) enthalten sind.

    1.7

    Zu der obengenannten Richtlinie 2003/102/EG hat sich der Ausschuss bereits in seiner Stellungnahme vom 16. Juli 2003 (4) geäußert. In dieser Stellungnahme hat der Ausschuss die Initiative der Kommission zum Schutz von Fußgängern begrüßt und unterstützt, aber auch darauf hingewiesen, dass sie in den weitergefassten Kontext der Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Straßenverkehrssicherheit eingebunden sein muss; darüber hinaus hat er die Notwendigkeit einer Gesamtpolitik zur Unfallverhütung hervorgehoben.

    1.8

    Auch zu den anderen Legislativvorschlägen betreffend die Straßenverkehrssicherheit (wie z.B. zu den Haltesystemen und Sicherheitsgurten oder zur Ausweitung des obligatorischen Einbaus von Geschwindigkeitsbegrenzern auf fast alle Fahrzeuge) (5) sowie zum Europäischen Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit hat sich der Ausschuss in jüngster Zeit bereits geäußert und dabei stets betont, dass bei allen drei für die Sicherheit maßgeblichen Faktoren — Fahrzeuge, Infrastrukturen und Verhalten der Verkehrsteilnehmer — gleichzeitig Verbesserungen erzielt werden müssen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Ausschuss begrüßt diese jüngste Initiative der Kommission, die zur weiteren Vervollständigung des Regelwerks zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit beiträgt und eine Rechtslücke schließt.

    2.2

    Der Ausschuss erkennt an, dass diese Initiative sinnvoll ist, ist jedoch sehr befremdet darüber, wie die Kommission den hier erörterten Richtlinienvorschlag angelegt hat.

    2.2.1

    Angesichts der anerkannten Gefährlichkeit starrer Frontschutzbügel und der daraus resultierenden Notwendigkeit, die Autobauer dazu zu verpflichten, derartige Vorrichtungen weder herzustellen noch zu vertreiben, wählt die Kommission eine technische, über die Typgenehmigung greifende Lösung. Sie definiert nicht, was unter starr bzw. nicht-starr zu verstehen ist, sondern schreibt technische/zulassungsrelevante Merkmale vor, durch deren Einhaltung dann per se das sichere, d.h. nicht-starre, Frontschutzsystem definiert ist.

    2.2.2

    Der Vorschlag in seiner derzeitigen Fassung führt zu unvorhersehbaren und wahrscheinlich auch unlösbaren Problemen für die Hersteller, da die bull bars andere Prüfungsanforderungen erfüllen müssen als denjenigen, die bereits für das Fahrzeug selbst in der ersten Phase der Umsetzung der Richtlinie 2003/102/EG vorgeschrieben sind.

    2.3

    Die bislang zum Thema Fußgängerschutz geleistete Arbeit sollte nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Arbeit hat — zunächst mit der Vereinbarung, die mit den Verbänden der Automobilhersteller ausgehandelt wurde, und dann mit der vorgenannten Richtlinie 2003/102/EG — dazu beigetragen, einige Eckwerte festzulegen, die den „Stand der Technik“ in diesem Bereich darstellen und auf die sich der hier behandelte Vorschlag daher logischerweise stützen sollte.

    2.3.1

    In der Richtlinie 2003/102/EG (Anhang I Nummer 1) wurden diejenigen Prüfungen (Aufprallprüfungen) für die „Frontpartie“ (die auch die Frontschutzbügel einschließt) festgelegt, die Fahrzeuge bestehen müssen, um die Typgenehmigung zu erhalten. In dem jetzigen Vorschlag kündigt die Kommission jedoch (in Artikel 4) spezielle Prüfbestimmungen für die bull bars an, die nicht mit den Bestimmungen für die erste Phase der Umsetzung der vorgenannten Richtlinie neueren Datums übereinstimmen. Für den Ausschuss ist die Notwendigkeit dieser Änderung aus folgenden Gründen nicht nachvollziehbar:

    die bull bars sind im Hinblick auf die Sicherheit der Fußgänger genau so zu behandeln wie andere Teile der Frontpartie von Fahrzeugen (Stoßfänger, Motorhaube, Scheinwerfer usw.);

    um sicherzustellen, dass alle bull bars auch tatsächlich für die Fahrzeuge getestet werden, an denen sie anschließend angebracht werden (bzw. in die sie im Einklang mit der Montageanleitung integriert oder nachträglich eingebaut werden), müssen die bull bars bei der Durchführung der Prüfungen am betreffenden Fahrzeug oder einem entsprechenden Simulator angebracht sein. Die Sicherheit eines Frontschutzbügels hängt sehr stark von der Art der Anbringung und dem Abstand zwischen dem Bügel und der Karosserie ab;

    infolge dessen ist es notwendig, die Aufprallprüfungen für die gesamte Frontpartie des Fahrzeugs, die bereits in Kraft sind, entsprechend anzupassen, da ansonsten der Schluss zu ziehen wäre, dass die Kommission eine gerade erst verabschiedete Richtlinie nicht befolgt.

    2.4

    Der Ausschuss vertritt daher die Auffassung, dass die Bestimmungen des hier erörterten Vorschlags mit den im Folgenden näher behandelten Bestimmungen der Richtlinie 2003/102/EG in Einklang gebracht werden müssen.

    2.5

    Geschieht das nicht, dürfte sich die Befürchtung als begründet erweisen, dass die derzeitigen Hersteller von bull bars ihre Tätigkeit einstellen müssen, da sie nicht in der Lage sind, von heute auf morgen technische Einheiten zu entwickeln, die die im derzeitigen Vorschlag vorgesehenen verbindlichen Prüfungen bestehen können.

    3.   Besondere Bemerkungen

    In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten ersucht der Ausschuss die Kommission:

    3.1

    darüber zu wachen, dass in den Mitgliedstaaten unter allen Umständen sichergestellt wird, dass die Frontschutzbügel auch wirklich an denjenigen Fahrzeugen angebracht werden, für die sie zugelassen wurden, um potenzielle Gefahrenquellen nach Möglichkeit auszuschließen.

    3.2

    in Artikel 3 Absatz 3 des Vorschlags den 1. Juli 2005 durch den 1. Oktober 2005 zu ersetzen. Wie bereits ausgeführt empfiehlt sich eine strikte wechselseitige Abstimmung mit der Richtlinie 2003/102/EG.

    3.3

    Artikel 4 Absatz 1 und Anhang I Nummer 3 (Prüfvorschriften) des Vorschlags zu ändern. Nach Auffassung des Ausschusses ist es weder notwendig noch zweckmäßig, detaillierte technische Bestimmungen und Fristen festzulegen, die nicht mit denjenigen übereinstimmen, die für die erste Phase der Umsetzung der Richtlinie 2003/102/EG vorgesehen sind. Es ist nicht richtig, dass eine andere Prüfordnung vorgesehen wird, sobald nicht der Frontschutzbügel selbst, sondern die Frontpartie des Fahrzeugs (in die dieser Frontschutzbügel oder irgendwelche sonstigen Bauteile integriert sind) der Prüfung unterzogen werden soll. So wird das Bestehen der „Prüfung mit dem Oberteil des Beinform-Schlagkörpers“, die nach der Richtlinie 2003/102/EG lediglich zur Überwachung und zur Sammlung von Daten durchgeführt wird, in der jetzt vorgeschlagenen Richtlinie für die Erteilung der Typgenehmigung zwingend vorgeschrieben.

    4.   Schlussfolgerungen

    4.1

    Der Ausschuss hofft, dass die vorgeschlagene Richtlinie möglichst rasch verabschiedet wird und dabei seine Änderungsvorschläge berücksichtigt werden, durch die sie mit dem bereits durch die Richtlinie über den Schutz von Fußgängern vorgesehenen und eingeführten Konzept zur Verbesserung des Frontschutzsystems von Fahrzeugen in Einklang gebracht wird.

    4.2

    Sollten diese Änderungen nicht berücksichtigt werden, steht nach Ansicht des Ausschusses zu befürchten, dass letztendlich „prohibitive“ Rechtsvorschriften geschaffen würden, die zur Einstellung der Produktion von bull bars und möglicherweise sogar zum Entstehen eines schwer kontrollierbaren Marktes führen könnte.

    4.3

    Der Ausschuss erwartet von der Kommission grundsätzlich eine Strategie, bei der die Prioritäten für Regelungsmaßnahmen klar festgelegt und Widersprüche hinsichtlich der zu erreichenden Ziele vermieden werden. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass die Festlegung der verschiedenen Optionen stets auf der Grundlage einer „Gesamtfolgenabschätzung“ für die neuen Rechtsvorschriften erfolgen sollte, damit u.a. auch die den Herstellern entstehenden Kosten und somit die Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft gebührend berücksichtigt werden können.

    4.4

    Der Ausschuss weist überdies auf die Notwendigkeit der Neuordnung des komplexen Regelwerks für Kraftfahrzeuge hin, das allein für die Typgenehmigung von PKW gut und gerne 170 Richtlinien umfasst und in den Amtsblättern rund 3.500 Seiten einnimmt.

    4.5

    Der Ausschuss unterstreicht außerdem, dass sämtliche Lösungsansätze zur Verbesserung der Sicherheit mit Hilfe einer umfassenden Konsultation der Wirtschaft und aller interessierten Parteien sorgfältig aus technischer Sicht bewertet werden müssen, damit die letztendlich gewählten Lösungen nicht nur die fortschrittlichsten und zuverlässigsten, sondern auch die wirksamsten und wirtschaftlichsten sind.

    4.6

    Wie in Ziffer 1.8 ausgeführt dringt der Ausschuss darauf, dass zwecks Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit auch der Verkehrserziehung und Sensibilisierung von Fußgängern und Radfahrern zunehmend Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Community Road Accident Database: In dieser Datenbank werden die von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten über Verkehrsunfälle erfasst und aufbereitet.

    (2)  ABl. L 42 vom 23.2.1970, S. 1.

    (3)  ABl. L 321 vom 6.12.2003.

    (4)  Berichterstatter: Herr LEVAUX, ABl. C 234 vom 30.9.2003.

    (5)  ABl. C 80 vom 30.3.2004.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/21


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 85/611/EWG, 91/675/EWG, 93/6/EWG und 94/19/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/12/EG, 2002/83/EG und 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich“

    (KOM(2003) 659 endg. — 2003/0263 (COD))

    (2004/C 112/06)

    Der Rat beschloss am 18. November 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau FUSCO.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 95 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

    1.1   Inhalt und Ziele

    1.1.1

    Im Jahr 1999 nahm die Kommission einen Aktionsplan für Finanzdienstleistungen (1) an, in dem eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen sind, die für den Aufbau eines europäischen Finanzbinnenmarkts notwendig sind. Auf seiner Tagung in Lissabon im März 2000 forderte der Europäische Rat die Umsetzung dieses Aktionsplans bis zum Jahr 2005.

    1.1.2

    Am 17. Juli 2000 setzte der Rat den Ausschuss der Weisen ein, der sich mit der Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte befassen sollte. In seinem im Februar 2001 vorgelegten Schlussbericht empfahl dieser die Schaffung eines vierstufigen Regulierungsrahmens für diese Märkte mit dem Ziel, die gemeinschaftliche Rechtsetzung im Wertpapierbereich flexibler, effizienter und transparenter zu gestalten.

    1.1.3

    In der Folge fasste die Kommission die Beschlüsse 2001/527/EG (2) und 2001/528/EG (3) zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) bzw. zur Einsetzung des Europäischen Wertpapierausschusses (ESC).

    1.1.4

    Am 3. Dezember 2002 ersuchte der Rat die Kommission, auf der Grundlage des Schlussberichts des Ausschusses der Weisen Maßnahmen für die übrigen Bereiche des Finanzdienstleistungssektors zu treffen.

    1.1.5

    In diesem Sinne wird in diesem Richtlinienvorschlag der in den genannten Beschlüssen verankerte Komitologieansatz auf den Banksektor, das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung sowie den Investmentfondsbereich übertragen.

    1.2   Wesentliche Elemente

    1.2.1

    Es wird ein neues Komitologiesystem geschaffen, für das sowohl die Einsetzung neuer als auch die Abschaffung bestehender Ausschüsse vorgesehen ist, womit die Regulierungsstruktur der Finanzdienstleistungen in der Europäischen Union neu gestaltet wird.

    1.2.2

    So wird im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbereich der Kreditinstitute der Europäische Bankenausschuss (EBC), der mit dem Beschluss der Kommission vom 5. November 2003 (4) eingesetzt wurde, die meisten Aufgaben des Beratenden Bankenausschusses (BBA) (5) übernehmen, der aufgelöst wird. Der Europäische Bankenausschuss übernimmt somit im Wesentlichen Beratungsfunktionen gegenüber der Kommission auf deren Ersuchen bei der Ausarbeitung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren vom Rat und vom Europäischen Parlament erlassen werden, sowie Regulierungsfunktionen im Rahmen des Komitologie-Verfahrens.

    1.2.3

    Der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden, der mit dem Beschluss der Europäischen Kommission vom 5. November 2003 (6) eingesetzt wurde, wird seinerseits für eine stärkere Zusammenarbeit im Aufsichtsbereich sowie für eine Konvergenz der Aufsichtspraktiken der Mitgliedstaaten und eine kohärente Anwendung des Gemeinschaftsrechts Sorge tragen. Er wird die Kommission auf deren Ersuchen in Fragen bezüglich der Rechtssetzung im Bankwesen unterstützen.

    1.2.4

    Im Versicherungswesen und der betrieblichen Altersversorgung wird der mit der Richtlinie 91/675/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 (7) eingerichtete Versicherungsausschuss in Europäischer Ausschuss für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPC) (8) umbenannt, der auf Ersuchen der Kommission in erster Linie Beratungsfunktionen bei der Ausarbeitung von Rechtsakten sowie Regulierungsfunktionen im Rahmen des Komitologie-Verfahrens übernimmt.

    1.2.5

    Mit der Einsetzung des Ausschusses der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (9) soll die Abstimmung der aufsichtsbehördlichen Praktiken in den Mitgliedstaaten gefördert, der Austausch vertraulicher Informationen über einzelne beaufsichtigte Institute verstärkt und die Kommission in technischen Fragen beraten werden, insbesondere wenn es um die Ausarbeitung von Entwürfen für Durchführungsbestimmungen geht, die die Kommission vorzuschlagen gedenkt.

    1.2.6

    Im Bereich der Wertpapiermärkte und zur Sicherstellung der Konformität mit einer weiteren einschlägigen Rechtsvorschrift, der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Rates und des Parlaments vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (10), werden die Befugnisse des Kontaktausschusses für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-Kontaktausschuss) (11) in Bezug auf dessen Komitologie- und Beratungsfunktionen bei der Ausarbeitung von Rechtsakten auf Ersuchen der Kommission an den Europäischen Wertpapierausschuss (12) übertragen sowie in Bezug auf seine Beratungsfunktionen bei der Ausarbeitung von Entwürfen für Durchführungsbestimmungen in diesem Bereich seitens der Kommission und die Förderung einer intensiveren Zusammenarbeit und Vernetzung der EU-Wertpapierregulierungsbehörden an den Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (13).

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Es ist unbedingt notwendig, rasch und effizient auf die technologischen Änderungen und die Entwicklung der Finanzmärkte in der globalisierten Wirtschaft zu reagieren. Hierfür ist eine Reform des für diesen Bereich geltenden Rechtsrahmens und des Komitologiesystems in der Europäischen Union erforderlich.

    2.2

    Daher begrüßt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss den Richtlinienvorschlag, mit dem das Ziel verfolgt wird, den Rechtsrahmen für die europäische Finanzlandschaft mittels einer Anpassung der Entscheidungsmechanismen unter Wahrung der Grundsätze der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und der ausreichenden Mittelausstattung kohärenter zu gestalten.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1

    Mit dem Richtlinienvorschlag werden Struktur und Aufgabe der beratenden und Regulierungsausschüsse, die für die Wertpapiermärkte bereits bestehen, auf den Banksektor, das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung sowie die Tätigkeit von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) ausgeweitet.

    3.2

    Gemäß den eingangs dargelegten Zielen und inhaltlichen Aspekten dieses Richtlinienvorschlags können vier Hauptelemente bewertet werden: erstens die Einsetzung und Zusammensetzung neuer Ausschüsse; zweitens die unterschiedliche Beratungsfunktion, mit der diese Ausschüsse betraut werden; drittens die Regulierungs- bzw. Komitologiefunktion, die einigen dieser neuen Ausschüsse übertragen wird; und viertens die Aufsichts- und Kontrollfunktion für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich.

    3.3

    Mit der Einsetzung von vier neuen Ausschüssen, und zwar des Europäischen Bankenausschusses, des Ausschusses der europäischen Bankaufsichtsbehörden, des Europäischen Ausschusses für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und des Ausschusses der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Alterversorgung, die die drei bestehenden Ausschüsse, den Beratenden Bankenausschuss, den Versicherungsausschuss und den Kontaktausschuss für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, ersetzen, wird nach Ansicht der Kommission das Risiko einer unnötigen Komplexität und Doppelarbeit vermieden, das aus Überschneidungen zwischen den bestehen Ausschüssen resultiert.

    3.4

    Rein quantitativ gesehen wird sich jedoch die Zahl der Ausschüsse im Vergleich zu der Zahl der bestehenden Ausschüsse verdoppeln und zu einer Komitologieliste führen, die mit der Integration des Finanzdienstleistungsausschusses (14), der einige Monate vor den genannten Ausschüssen eingesetzt wurde und dessen Aufgaben a priori den Aufgaben dieser Ausschüsse ähneln, noch länger wird. Unbeschadet der Tatsache, dass dieser Umstand aus den bereits erwähnten rechtsetzungsbedingten Gründen gerechtfertigt ist, lässt er sich im Prinzip jedoch nur schlecht mit der Forderung nach Transparenz und Vereinfachung in Bezug auf eine drastische Einschränkung des bestehenden Komitologiewesens in der Europäischen Union vereinbaren (15).

    3.5

    In Bezug auf die Zusammensetzung der vier neuen Ausschüsse ist jedoch die Zusammensetzung des Europäischen Bankenausschusses mit einem einzigen hochrangigen Vertreter pro Mitgliedstaat anstelle von höchstens drei Mitgliedern, mit denen die nationalen Delegationen derzeit in dem Beratenden Bankenausschuss vertreten sind, sowie die Tatsache, dass der Vorsitz in diesem Ausschuss von einem Vertreter der Kommission und nicht — wie zum jetzigen Zeitpunkt — der Mitgliedstaaten geführt wird, positiv zu beurteilen. Wenn dieser Aspekt auch in keiner Bestimmung der vorgeschlagenen Richtlinie erwähnt wird, so lässt er sich doch aus der Lektüre der Begründung ableiten.

    3.6

    Andererseits ist die Teilnahme von Vertretern der Wertpapiermärkte in den für die Regulierung dieser Märkte zuständigen Ausschüssen nicht vorgesehen. Da alle europäischen Börsen Privatunternehmen sind, die unter Aufsicht der nationalen Regulierungsbehörden agieren, sollte einzelstaatlichen Vertretern der Wertpapiermärkte die Möglichkeit eingeräumt werden, als Beobachter an diesen Ausschüssen teilzunehmen.

    3.7

    Im Zusammenhang mit den Beratungsfunktionen der neuen Ausschüsse wird in dem Richtlinienvorschlag sowohl eine Neuzuweisung als auch eine Aufgliederung der einzelnen Funktionen nach Vorbild der derzeitigen Ausübung durch die bestehenden Ausschüsse für das Bank- und Versicherungswesen sowie für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren empfohlen.

    3.8

    Im Einklang mit oben stehenden Bemerkungen (Ziffer 1.2.) übernehmen der Europäische Bankenausschuss, der Europäische Ausschuss für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäische Wertpapierausschuss die im Zusammenhang mit der Ausarbeitung und Anwendung von Rechtsvorschriften in diesem Bereich wichtigsten Beratungsfunktionen.

    3.9

    Sie werden somit die Beratungsfunktionen auf Stufe 1 im Rahmen des Vier-Stufen-Konzepts ausüben, das dem derzeitigen Rechtsetzungsverfahren der Gemeinschaft zur Schaffung eines Wertpapierbinnenmarktes zu Grunde liegt.

    3.10

    Der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden, der Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden ihrerseits werden mit den Beratungsfunktionen betraut, die der kohärenten und fristgerechten Umsetzung der in diesem Bereich erlassenen Rechtsakte einschließlich der technischen Durchführungsbestimmungen und der Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten dienen. Sie nehmen somit die Beratungsfunktionen auf Stufe 3 des oben genannten Rechtsetzungsverfahren wahr.

    3.11

    Das bedeutet, dass keine neuen Beratungsfunktionen zusätzlich zu den bereits bestehenden geschaffen werden. Unabhängig von den Ergebnissen, die das Inkrafttreten des neuen Beratungssystems zum gegebenen Zeitpunkt bringen wird, könnte eine Vorabbewertung positiv ausfallen, sofern eine höhere technische Qualität der besagten Rechtsvorschriften erreicht und eine Beeinträchtigung der Flexibilität und Transparenz der Beratung, um die die Kommission gegebenenfalls ersucht, durch die Verdoppelung der Anzahl der Ausschüsse vermieden wird.

    3.12

    Drittens werden die Regulierungs- bzw. Komitologiefunktionen ausschließlich vom Europäischen Bankenausschuss, dem Europäischen Ausschuss für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und dem Europäischen Wertpapierausschuss in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich ausgeübt. Darüber hinaus werden weder neue Ausschussverfahren geschaffen noch neue Funktionen im Vergleich zu den Funktionen der bestehenden Ausschüsse zugewiesen.

    3.13

    Ungeachtet dessen sind angesichts der Tatsache, dass die Komitologie im Finanzdienstleistungsbereich bislang eine mehr oder weniger große Unbekannte geblieben ist, spezifische Überlegungen erforderlich (16). Im Rahmen der Rechtsetzung wird das Komitologie-Verfahren im Finanzdienstleistungsbereich gemäß den in Artikel 5 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (17) festgehaltenen Bestimmungen, das heißt gemäß dem Regelungsverfahren, angewendet. Im Rahmen dieses Verfahrens wird dem Rat bekanntermaßen ein ausschließliches Änderungsrecht (18) und dem Parlament ein Kontrollrecht (19) eingeräumt, das dem besonderen Recht dieser beiden Organe in Fällen, in denen ihre Vorrechte in einem Regelungsverfahren auf Grundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsaktes, der im Mitentscheidungsverfahren erlassen wird (20), beeinträchtigt werden, ähnelt, diesem jedoch nicht genau entspricht.

    3.14

    Dieser Umstand ist unter gewissen Vorbehalten in Bezug auf den vorliegenden Richtlinienvorschlag zu betrachten, da das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 5. Februar 2002 über die Umsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich der Finanzdienstleistungen (21) zwar das im bereits erwähnten Bericht des Ausschusses der Weisen empfohlene Vier-Stufen-Konzept billigt, jedoch unter der Voraussetzung, dass dem Europäischen Parlament auf Stufe 2 (Komitologieverfahren) die gleichen Rechte wie dem Rat eingeräumt werden, die diesem mit der Entschließung des Europäischen Rates von Stockholm (22) übertragen wurden. In diesem Sinne fordert der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss die zuständigen Institutionen auf, diesen Konflikt bezüglich der Kontrolle der Durchführungsbefugnisse umgehend zu lösen.

    3.15

    Im Lichte der vorhergehenden Überlegungen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bei der Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Richtlinienvorschlag in gewissem Maße unberücksichtigt bleibt, dass er sich mit einigen, in dem derzeit erörterten Entwurf für einen Vertrag über eine Verfassung für Europa vorgesehenen Bestimmungen nicht vereinbaren lässt. So ist in Artikel I-35 dieses Verfassungsvertragsentwurfs (23) die Überarbeitung des Regulierungsverfahrens vorgesehen, um dem Europäischen Parlament gleichberechtigt mit dem Ministerrat das Recht einzuräumen, die der Kommission übertragenen Befugnisse abzulehnen.

    3.16

    In Anlage 8 des Dokuments der Klausurtagung der Minister in Neapel zur Regierungskonferenz 2003 (24) ist eine Änderung zu Artikel III-77 Absatz 6 des Verfassungsvertragsentwurfs festgehalten, die in doppeltem Widerspruch zu dem vorliegenden Richtlinienvorschlag steht. Erstens sollen der Europäischen Zentralbank durch ein Europäisches Gesetz des Rates besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen übertragen werden, wodurch die Beratungs- und Komitologiefunktionen des Europäischen Bankenausschusses und die Beratungsfunktionen des Ausschusses der europäischen Bankenaufsichtsbehörden eingeschränkt werden (25).

    3.17

    Und zweitens wird durch die Feststellung, dass der Rat einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments über die Kompetenzübertragung beschließt, ein neuer Konflikt mit dem Europäischen Parlament heraufbeschworen, wo doch in Artikel 105 Absatz 6 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft genau diese Möglichkeit, allerdings nach Zustimmung des Europäischen Parlaments vorgesehen ist. Zwar müssen die Kommissionsvorschläge keinen Verweis auf Vorschläge für Rechtsnormen enthalten, die noch keine Rechtskraft erlangt haben, aber die vorstehenden Erwägungen ergeben sich aus den Sondierungsarbeiten, die der Ausschuss im Rahmen seiner beratenden Tätigkeit zwangsläufig durchführen muss.

    3.18

    Abschließend ist festzuhalten, dass die Aufsichts- und Kontrollfunktionen über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich den Ausschüssen die Möglichkeit an die Hand gibt, den bestehenden Mechanismus zu verbessern, mit dem die Kommission etwaige Hindernisse ausmachen und die geeigneten Mittel zu deren Beseitigung in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen aufzeigen kann (26).

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  KOM(1999) 232 endg.

    (2)  ABl. L 191 vom 13.7.2001.

    (3)  ABl. L 191 vom 13.7.2001.

    (4)  ABl. L 3 vom 7.1.2004. Der Ausschuss setzt sich aus einem hochrangigen Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen; den Vorsitz führt ein Vertreter der Kommission. Ferner nehmen der Vorsitzende des Ausschusses der europäischen Bankenaufsichtsbehörden und ein Vertreter der Europäischen Zentralbank als Beobachter an den Sitzungen teil.

    (5)  Artikel 57 bis 59 der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000, ABl. L 126 vom 26.5.2000.

    (6)  ABl. L 3 vom 7.1.2004. Der Ausschuss setzt sich aus hochrangigen Vertretern der für die Beaufsichtigung der Kreditinstitute zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, der Zentralbanken der Mitgliedstaaten sowie je einem Vertreter der Europäischen Zentralbank und der Kommission zusammen. Der Ausschuss wählt seinen Vorsitzenden aus dem Kreis der Vertreter der einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden.

    (7)  ABl. L 374 vom 31.12.1991.

    (8)  Beschluss der Kommission vom 5. November 2003, ABl. L 3 vom 7.1.2004. Der Ausschuss setzt sich aus hochrangigen Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen; den Vorsitz führt ein Vertreter der Kommission.

    (9)  Beschluss der Kommission vom 5. November 2003, ABl. L 3 vom 7.1.2004. Der Ausschuss setzt sich aus hochrangigen Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden für das Versicherungs- und Rückversicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge zusammen. Die Kommission benennt einen hochrangigen Vertreter, den Ausschussvorsitz führt jedoch ein Vertreter der Mitgliedstaaten.

    (10)  ABl. L 96 vom 12.4.2003.

    (11)  Eingesetzt durch die Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985, ABl. L 375 vom 31.12.1985. Dieser Ausschuss hatte zunächst eine Beratungsfunktion inne, um die Kommission bei der Anwendung der Richtlinie zu unterstützen, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern und die Kommission bei an dieser Richtlinie vorzunehmenden Änderungen zu beraten, wobei der Ausschuss im Falle technischer Änderungen als Komitologieausschuss auftrat. In diesem Sinne wurden seine Komitologiefunktionen mit der Richtlinie 2001/108/EG (ABl. L 41 vom 13.2.2002) auch auf technische Änderungen in Bezug auf Investitionen seitens Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren ausgeweitet.

    (12)  Eingesetzt durch den Beschluss 2001/528/EG der Kommission (ABl. L 191 vom 13.7.2001) geändert durch den Beschluss der Kommission vom 5. November 2003 (ABl. L 3 vom 7.12.2004).

    (13)  Eingesetzt durch den Beschluss 2001/527/EG der Kommission (ABl. L 191 vom 13.7.2001) geändert durch den Beschluss der Kommission vom 5. November 2003 (ABl. L 3 vom 7.1.2004).

    (14)  Siehe Erwägungsgrund 2 des Beschlusses des Rates vom 18. Februar 2003, ABl. L 67 vom 12.3.2003.

    (15)  Siehe die Antwort von Kommissionsmitglied Michaela SCHREYER im Namen der Kommission auf die schriftliche Anfrage E-1070/01 von Herrn FERBER (ABl. L 318 E vom 13.11.2001) sowie den Poos-Bericht über die Reform des Rates (A5-0308/2001 endg.), der vom Europäischen Parlament in Form einer Entschließung am 25. Oktober 2001 verabschiedet wurde (insbesondere Erwägungsgrund M und Ziffer 14).

    (16)  So ist der Beratende Bankenausschuss seit der Übertragung von Komitologiefunktionen im Jahr 1989 (Artikel 9 der Richtlinie 89/647/EWG des Rates, die so genannte Solvabilitätskoeffizienten-Richtlinie) nur vier Mal als Komitologieausschuss aufgetreten; der Versicherungsausschuss und der OGAW-Kontaktausschuss haben diese Funktionen bislang überhaupt nie ausgeübt.

    (17)  ABl. L 184 vom 17.7.1999.

    (18)  Bislang erfolgte bei weniger als 0,25 % aller Rechtsakte, die nach diesem Verfahren erlassen wurden, eine Befassung des Rates durch die Kommission (siehe Ziffer 1.4. des Berichts der Kommission über die Tätigkeit der Ausschüsse im Jahr 2002 (KOM(2003) 530 endg., ABl. C 223 E vom 19.9.2003).

    (19)  Bislang hat das Europäische Parlament dieses Vorrecht noch nie ausgeübt (siehe Ziffer 1.4. des Berichts der Kommission über die Tätigkeit der Ausschüsse im Jahr 2002 (KOM(2003) 530 endg., ABl. C 223 E vom 19.9.2003).

    (20)  Dieser Anachronismus wird sich voraussichtlich durch ein mit dem Vorschlag für eine Richtlinie (KOM(2002) 719 endg. vom 11.12.2002) eingerichtetes gemeinsames Kontrollverfahren von Europäischem Parlament und Rat beheben lassen. Für die Tragweite dieses Vorschlags siehe MOREIRO GONZÁLEZ, Carlos Javier: „Änderungen des normativen Rahmens der Komitologie“ in Zeitschrift für Europarechtliche Studien, 6 (2003), 4, 2003, S. 561-588 (siehe S. 584 ff.).

    (21)  Entschließung A5-0011/2002.

    (22)  Das Europäische Parlament hat außerdem in seiner Entschließung B5-0578/2002 die Dringlichkeit einer Neugestaltung der Ausschussstruktur in Frage gestellt und seine Zustimmung zu dem Vorschlag von einer unmissverständlichen Verpflichtung seitens des Rates abhängig gemacht, dem legislativen Anachronismus im Hinblick auf die Kontrolle der Wahrnehmung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse abzuhelfen.

    (23)  Entwurf für einen Vertrag über eine Verfassung für Europa, dem Präsidenten des Europäischen Rates in Rom überreicht — 18. Juli 2003, CONV 850/2003.

    (24)  Brüssel, den 25. November 2003, CIG 52/03 ADD1, S. 12.

    (25)  Obwohl die Mitgliedstaaten dieser Möglichkeit in verwaltungstechnischer und rechtlicher Hinsicht mehrheitlich positiv gegenüberstehen (siehe DASSESSE, M. & ISAAC, S.: „Financial Services in the Era of the Euro and E-Commerce: Does home country control work?“ — Allgemeiner Vortrag, XX. FIDE-Kongress, BIICL, London, 2003, S. 433-446, insbesondere Ziffern 38 bis 56), hat sich der Rat (ECOFIN) auf seinem informellen Treffen in Oviedo am 12./13. April 2002 sehr verhalten gezeigt, vor allem wegen des heftigen Widerstands vor allem der deutschen und der britischen Delegation.

    (26)  Siehe Achtzehnter und Neunzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM(2001) 309 endg. und KOM(2002) 324 endg.).


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/25


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG des Rates“

    (KOM(2003) 453 endg. — 2003/0172 (COD))

    (2004/C 112/07)

    Der Rat beschloss am 5. September 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. März 2004 an. Berichterstatter war Herr Pezzini.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März 2004 einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Unter „umweltgerechter Gestaltung“ oder „Ökodesign“ ist die systematische Berücksichtigung von Umweltaspekten bei der Gestaltung von Produkten zu verstehen, um ihre etwaigen negativen Auswirkungen auf die Umwelt während ihres gesamten Lebenszyklus zu vermindern. Es geht darum, einen konsistenten Rahmen zu schaffen, der diese Art der Produktgestaltung ermöglicht, wobei jedoch darauf zu achten ist, dass die Produkte hinsichtlich Preisniveau, Leistungs- und Qualitätsstandards konkurrenzfähig bleiben, um ihre Nachhaltigkeit und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Binnenmarkt und auf dem Weltmarkt zu verbessern.

    1.2

    Mit der Berücksichtigung von Umweltbelangen bei den Merkmalen der Produkte schon bei ihrer Konzeption wird zum einen — insbesondere was die Berücksichtigung des „Lebenszyklus“ anbelangt — an die gemeinschaftliche Entwicklung der integrierten Produktpolitik (IPP) angeknüpft, wozu sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (1) bereits, auch im Zusammenhang mit dem Sechsten Umweltaktionsprogramm (2), geäußert hat, und wird andererseits den drei auf den Tagungen des Europäischen Rates in Cardiff und Helsinki herausgestellten Aspekten der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen Nachhaltigkeit der energiebetriebenen Produkte Rechnung getragen.

    1.3

    Der neue Rahmen sollte die bereits vorhandenen Richtlinien betreffend die Mindestanforderungen an die Energieeffizienz verschiedener Arten von Produkten im Zuge einer Harmonisierung neuen Konzepts der technischen Vorschriften (3) und der vorherigen Information (4) berücksichtigen.

    1.4   Diese Richtlinien, deren Vorhandensein im Übrigen von der Kommission hervorgehoben wird, enthalten jeweils Gemeinschaftsregelungen für mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen beschickte Warmwasserheizkessel (5), elektrische Haushaltskühl- und –gefriergeräte (6), die Geräuschemissionen und die Angabe des Energieverbrauchs von Haushaltsgeräten mittels Etiketten (7) sowie für Bürogeräte (8), Vorschaltgeräte für Leuchtstofflampen (9) und Gasverbrauchseinrichtungen (10). Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang ferner die Richtlinie betreffend die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (11).

    1.4.1

    Die Möglichkeit, dass diese Richtlinien als Durchführungsmaßnahmen zur vorgeschlagenen neuen Rahmenrichtlinie hinsichtlich des Energieverbrauchs im Betrieb betrachtet werden könnten, wird von der Kommission bei ihrer Feststellung, dass damit eine Konsolidierung und Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts erreicht wird, ausdrücklich in Betracht gezogen.

    1.5

    Bei der Berücksichtigung des ganzen Lebenszyklus der energiebetriebenen Produkte sollten diese nicht nur der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (12) und der Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe (13), sondern auch weiteren Rechtsvorschriften und Kontrollen unterliegen, denn „mit der vorgeschlagenen Richtlinie wird ein noch stärkerer Anreiz geschaffen, Produkte so zu konzipieren, dass sie leicht wiederverwendet oder rezykliert werden können, weil sie bewirkt, dass die Umweltwirkungen eines Produkts bereits in einer frühen Phase seines Entwurfs berücksichtigt werden ...“ Außerdem kann, sobald es für die im Rahmen des Ökodesign teilweise oder insgesamt erzielte Umweltverträglichkeit eines Produkts obligatorische Mindestanforderungen gibt, „der Energieverbrauch eines Produkts (...) über dessen gesamten Lebenszyklus betrachtet werden und nicht nur während seiner Nutzung, wie es bisher geschieht.“

    1.6

    Neben den Rechtsvorschriften für energiebetriebene Produkte können auch zusätzliche Maßnahmen/Bestimmungen einen Einfluss haben, wie die in dem gemeinschaftlichen System zur Vergabe eines Umweltzeichens (14) und die für die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU) (15) vorgesehenen Maßnahmen, die Bestimmungen über die freiwillige Beteiligung an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS) (16) und die Bestimmungen über die Kennzeichnung des Energieverbrauchs von Elektrogeräten, die den Verbrauchern zugute kommen, die auf einen mäßigeren und sichereren Energieverbrauch achten, zu dem sie durch diese Kennzeichnung angehalten werden.

    1.7

    Nach Ansicht des Ausschusses sollte der vorgeschlagene Rahmen für die Vereinfachung und die Konsolidierung der Gemeinschaftsvorschriften auch zum einen als Schutzschild für die Entwicklung einer wirklich nachhaltigen und auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigen Europäischen Union dienen und zum anderen die Wahrung der Prinzipien der sozialen Verantwortung der Unternehmen und der Freiheit der Bürger/Verbraucher, eine fundierte Entscheidung zu treffen, ermöglichen.

    2.   Der Kommissionsvorschlag

    2.1

    Mit dem Kommissionsvorschlag soll ein konsistenter Rechtsrahmen für die Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten bei der Konzeption und Entwicklung von energiebetriebenen Produkten im Binnenmarkt festgelegt werden (17). Es soll eine Rahmenrichtlinie geschaffen werden, die „einen Rahmen (vorgibt), innerhalb dessen neu auftretende Umweltprobleme rasch angegangen werden können“ und ein kohärentes und vollständiges Bild von den Ökodesign-Anforderungen vermittelt, um

    den freien Verkehr mit energiebetriebenen Produkten in der EU zu gewährleisten,

    die Umweltverträglichkeit dieser Produkte insgesamt zu verbessern,

    die Energieversorgungssicherheit zu erhöhen,

    die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft zu verbessern und

    die Interessen der Industrie und der Verbraucher zu wahren.

    2.2

    Dieser neue Rahmen sollte sich nach Ansicht der Kommission nicht auf die Aspekte der Energieeffizienz beschränken, sondern alle Aspekte der Umweltauswirkungen, vor allem was die verschiedenen Emissionen (Emissionen fester oder gasförmiger Stoffe, Lärmemissionen, elektromagnetische Emissionen usw.) anbelangt, umfassen und sich auf Artikel 95 des EG-Vertrags stützen, der besser als andere Artikel die Beseitigung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt ermöglicht.

    2.3

    Die vorgeschlagene Rahmenrichtlinie hätte demnach einen sehr weit gefassten Geltungsbereich, da sie prinzipiell auf alle Produkte anwendbar wäre, die Energie benötigen, um bestimmungsgemäß zu funktionieren. Aus dem Geltungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie werden Kraftfahrzeuge ausgenommen, da sie bereits Gegenstand zahlreicher Rechtsvorschriften (für die Bauart) oder freiwilliger Vereinbarungen (zur Begrenzung von Emissionen) sind. In ihrem Vorschlag legt die Kommission außerdem Kriterien für die Auswahl der Produkte fest, für die in Zukunft Durchführungsmaßnahmen erlassen werden könnten.

    2.4

    Der Geltungsbereich erstreckt sich außerdem auch auf Bauteile energiebetriebener Produkte und Baugruppen, die zum Einbau in diese bestimmt sind, die als Einzelteile für Endnutzer in Verkehr gebracht werden und für sich auf ihre umweltrelevanten Eigenschaften geprüft werden können.

    2.5

    Der Vorschlag enthält ferner Bestimmungen für die das Produkt betreffende Konformitätserklärung, die CE-Kennzeichnung, die Konformitätsbewertung und die Konformitätsvermutung, die Verfahren für den Erlass und die Veröffentlichung harmonisierter technischer Normen, die Beschränkungen des Inverkehrbringens, den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten sowie die von Letzteren festzulegenden Regeln und Sanktionen für Verstöße.

    2.6

    Nach Ansicht der Kommission dürfte die vorgeschlagene Rahmenrichtlinie, die an sich keine unmittelbaren rechtlichen Verpflichtungen für Hersteller, Importeure und Vertreter vorsieht (hierfür sind Durchführungsmaßnahmen erforderlich) dazu beitragen, dass bei der Gestaltung der Produkte deren „Lebenszyklus“ berücksichtigt wird, indem sie Spielräume für die Beherzigung eines der Leitprinzipien der Integrierten Produktpolitik (IPP) der Gemeinschaft schafft.

    2.7

    Schließlich fördert der Vorschlag freiwillige Initiativen oder Vereinbarungen, die in vielen Bereichen, die potenziell von der Anwendung der vorgeschlagenen Richtlinie betroffen sind, großen und verdienten Erfolg gehabt haben. So sollen entsprechend dem Vorschlag dort, wo die Marktmechanismen oder die vorhandenen Rechtsvorschriften bereits gut funktionieren, keine zusätzlichen Durchführungsmaßnahmen ergriffen werden.

    3.   Die Lage auf europäischer und internationaler Ebene

    3.1

    Der Realisierung der umweltgerechten Gestaltung der Produkte stehen verschiedene Hindernisse im Wege, die auf internationaler Ebene durch Umfragen bei den größten Unternehmen auf der Welt, die auf der „Fortune-500“-Liste (18) stehen, ausfindig gemacht wurden. Diesen Umfragen ist zu entnehmen, dass der Kostenfaktor einen wesentlich höheren Stellenwert als andere Faktoren hat, was den Schluss nahe legt, dass mehr Informationen über die Umwelt und deren Schutz ungemein wichtig sind.

    3.2

    Außerdem wird das Vorhandensein (oder Nichtvorhandensein) von Informationsquellen — auch von den größten amerikanischen, japanischen und europäischen Unternehmen — als sehr wichtiger Faktor genannt, wie auch von der überwiegenden Mehrheit der Befragten (79 %) die inner- und außerbetriebliche Ausbildung in Ökodesign und die Förderung einer regelrechten Ökodesign-Kultur für wichtig erachtet wurden.

    3.3

    Dagegen hat sich keine klare Vorstellung von Ökodesign-Beispielen herauskristallisiert: die wenigen, die etwas von Ökodesign wussten, haben es mit dem Umweltmanagementsystem in Verbindung gebracht. Zwar wurde einerseits der Mangel an entsprechendem Fachpersonal („environmentally literate product designers“) und an einschlägigen Ausbildungsgängen genannt, doch zeigten sich andererseits keine großen Unterschiede gegenüber den Ergebnissen des vorangegangenen Fünfjahreszeitraums noch wesentliche Veränderungen was die Ökodesign-Tätigkeiten anbelangt.

    3.4

    Auf dem Gebiet der internationalen Normierung wurde die ISO-Norm 14000 als erstes Ergebnis der Uruguay-Runde und des Umweltgipfels von 1992 in Rio genannt. Im Übrigen scheinen die Vereinigten Staaten, was das Ökodesign anbelangt, auf ISO-Ebene mehr zum Erlass von Leitlinien statt von zwingenden Vorschriften zu tendieren, gegen die sie sich im Übrigen unlängst ausdrücklich ausgesprochen haben.

    3.5

    Was Europa anbelangt, so deuten die von der Gemeinschaft durchgeführten Studien (19) auf eine offensichtlich ganz andere Lage hin:

    Auf der einen Seite gibt es eine Gruppe nördlicher Länder, die bereits über beachtliche Erfahrungen in einem breiten Spektrum interessierter Sektoren verfügen.

    Auf der anderen Seite gibt es eine andere Gruppe von (vorwiegend Mittelmeer-) Ländern, die anscheinend bis vor kurzem noch nur in begrenztem Umfang Strukturen zur Unterstützung einer umweltgerechten Produktgestaltung entwickelt haben.

    Dann gibt es eine dritte Gruppe von Ländern, die einschlägige, von Branchenverbänden und regionalen Entwicklungsagenturen unterstützte Programme zur finanziellen und informellen Unterstützung der Industrie im Allgemeinen entwickelt haben.

    Schließlich gibt es die beitretenden Länder, die bereits Hilfen benötigen, um ihre Schwierigkeiten mit der vollständigen Umsetzung des bisherigen gemeinschaftlichen Besitzstandes im Umweltbereich bewältigen zu können.

    3.6

    Was die kleinen und mittleren Unternehmen in Europa anbelangt (20), so hat sich folgendes Bild ergeben:

    Auch in Ländern mit den bisher größten Erfahrungen und besten Praktiken auf dem Gebiet des Ökodesign ist der Anteil der KMU, die umweltgerechte Produkte gestalten, sehr gering.

    Die KMU neigen dazu, mit ihrer Ökodesign-Tätigkeit aufzuhören, sobald die Unterstützung von außen eingestellt wird.

    Die KMU sind mit einer Unzahl an Einzelinitiativen zum integrierten Umweltschutz konfrontiert. Die entsprechenden Verpflichtungen, die die Kleinunternehmer stark beanspruchen, verhindern die erforderliche Bündelung der Anstrengungen. Der beste Weg, die derzeit besten Praktiken zur Förderung des Ökodesign noch weiter zu verbessern, besteht darin, sektorspezifische Methoden und Ansätze zu entwickeln.

    4.   Bemerkungen

    4.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat die Bemühungen der Europäischen Union stets begrüßt, eine Umweltdimension im Sinne der Energieeinsparung und Energieeffizienz in die Politik für die Unternehmen und ihre Produkte als integrierenden Bestandteil der Wettbewerbsstrategie aufzunehmen, die einen der Kernpunkte der Entscheidungen darstellt, die 2000 in Lissabon getroffen wurden. Dem Ziel, bei den Produkten von Anfang an eine vernünftigere Nutzung der Energie zu fördern, kann er nur voll und ganz zustimmen.

    4.2

    Der Ausschuss hat übrigens in einer mit großer Mehrheit angenommenen Stellungnahme (21) — unter Bekräftigung seiner bereits mehrfach (22) geäußerten Sorgen und Anliegen — betont, dass „das Herunterspielen der Tatsache, dass Instrumente wie Ökobilanzierung (LCA) oder Öko-Design, die von so zentraler Bedeutung sind, auch umfangreiche Finanzmittel und große Managementanstrengungen“ erforderlich macht und es notwendig ist, „verstärkt KMU-bezogene Maßnahmen zur Forschungs- und Innovationsförderung zu ergreifen, die insbesondere auf die Informationsverbreitung und die Erarbeitung von Innovationsprozessen zur Entwicklung umweltfreundlicherer Produkte abzielen“.

    4.3

    Deshalb heißt der Ausschuss das allgemeine Ziel der Kommission gut, die Kohärenz und Transparenz des einschlägigen Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags eine Aufsplitterung des Binnenmarktes zu verhindern, äußert jedoch einige Bedenken gegenüber dem derzeitigen Vorschlag, sowohl was den Kontext anbelangt, in dem er anzuwenden wäre, als auch hinsichtlich des gewählten Rechtsinstruments (einer Rechtsverordnung) und schließlich des Wortlauts des Vorschlags.

    4.4

    Nach Ansicht des Ausschusses wäre es vielleicht sinnvoll, das breite Spektrum gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften, in das sich der Vorschlag einfügt, dessen ehrgeiziges Ziel darin besteht, aus den zahlreichen vertikalen und sonstigen Richtlinien, die von dieser Initiative berührt werden, ein zusammenhängendes und in sich schlüssiges Regelwerk zu machen, vorher zu konsolidieren. Es gibt bereits Richtlinien mit Mindestanforderungen an die Energieeffizienz, weshalb eine umfassendere ökologische Bewertung den Unternehmen eine bessere Orientierungshilfe sein und ihnen die Konfrontation mit einem Wust von zu beachtenden Rechtsvorschriften und Leitlinien, die sich zu überschneiden drohen, ersparen könnte.

    4.5

    Der Ausschuss hielte es daher für angebracht, eine konsolidierte und vereinfachte Version der für die Hersteller der Produkte bereits verbindlichen Gemeinschaftsregelungen zu erstellen, die auch Folgendes beinhalten sollte: Systeme zur Förderung der Entwicklung einer Ökodesign-Kultur sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebots- und Konstrukteurseite mit Fördermaßnahmen für Datenbanken über vorbildliche Praktiken, für die Verbreitung von Informationen und für Schulungsmaßnahmen, die auf die verschiedenen Zielgruppen und die jeweiligen technischen Niveaus zugeschnitten sind.

    4.6

    Nach Ansicht des Ausschusses sollte man sich sowohl für das Instrument der Ökodesign-Leitlinien als auch für die Schaffung von ständigen Foren für den Dialog und die obligatorische Konzertierung zwischen Kommission, Unternehmen, Verbrauchern, Herstellern und Zivilgesellschaft entscheiden. Zu diesem Zweck wäre es beispielsweise denkbar, in das derzeitige mehrjährige Gemeinschaftsprogramm „Intelligente Energie“ und in die Halbzeitbewertung des Sechsten FTE-Rahmenprogramms der EU entsprechende Förderinstrumente aufzunehmen sowie die im Rahmen der Struktur- und Kohäsionspolitik vorgesehenen Maßnahmen entsprechend anzupassen.

    4.7

    Der Ausschuss hält es beim gegenwärtigen Stand der Technik für sinnvoll, die stärkere Verbreitung freiwilliger Branchenvereinbarungen und andere Instrumente, bei denen die wirtschaftlichen und sozialen Akteure Verantwortung übernehmen, zu unterstützen, damit sich ein Klima des Wandels entwickeln kann. Seines Erachtens ist es wichtig, die soziale Verantwortung der Unternehmen und eine das Umweltbewusstsein stärkende Verbraucherpolitik zu fördern.

    4.8

    Genauer zu prüfen wäre auch die Frage, ob die Vorschläge der Kommission den Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit, der Subsidiarität und der Verwaltungsvereinfachung in vollem Umfang gerecht werden, ob sie eine Senkung oder Erhöhung der Kosten und ob sie eine Verbesserung oder Verschlechterung der technischen Leistung und Wirtschaftlichkeit der Produkte bewirken, damit geeignete kohärente Maßnahmen ergriffen und ggf. steuerliche Erleichterungen und Beihilfen gewährt werden können.

    4.9

    Inhaltlich lässt der Geltungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie den Ausschuss ratlos, zumal dieser, wie die Kommission selbst betont, hinsichtlich der Zahl der erfassten Produkte „größer als der irgendeiner vergleichbaren bestehenden Rechtsvorschrift“ ist. Zur konkreten Umsetzung des vorgeschlagenen Rahmens wären Durchführungsmaßnahmen, die sich auf sichere Kriterien für die Umweltfolgenabschätzung stützen, sowie eine Reihe genau festgelegter Indikatoren für die Umweltverträglichkeit erforderlich, mit deren Hilfe das ökologische Profil einer Unmenge von Produkten zu erstellen wäre. Dies geschähe allerdings im Rahmen einer diesbezüglichen Ermächtigung der Kommission unter alleiniger Zuhilfenahme des Ausschussverfahrens („Komitologie“).

    4.10

    Auch der Rückgriff auf fiktive, auf die jeweiligen Produktkategorien zugeschnittene Referenzmodelle könnte, wie der Ausschuss befürchtet, Anlass zur Sorge geben. Hierzu würde mit dem Begriff „State of the Art“ (Stand der Technik) operiert, der nicht im Sinne von „den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend“ sondern im Sinne eines „gut durchschnittlichen technischen Leistungsniveaus“ unter Wahrung eines „vernünftigen Gleichgewichts“ zwischen industrieller Machbarkeit und aktuellen Vorschriften und Praktiken zu verstehen wäre. Nach Ansicht des Ausschusses müsste ein entsprechendes Gleichgewicht auch beim Kosten-Nutzen-Verhältnis gewahrt sein, damit alle Verbraucherschichten die ihren jeweiligen Entscheidungen und Möglichkeiten entsprechenden Preis-Leistungs-Verhältnisse vorfinden.

    4.11

    Bei der Festlegung der spezifischen Ökodesign-Anforderungen würde entsprechend dem Richtlinienvorschlag auf genaue Messmethoden zurückgegriffen, wobei von einer bestimmungsgemäßen Verwendung des Produkts, sowie von Leistungen/Eigenschaften und Merkmalen des Produkts auszugehen wäre, die für den Benutzer am vorteilhaftesten oder angenehmsten sind. Hinzu müsste nach Ansicht des Ausschusses aber noch eine Untersuchung der technischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit der gestalterischen Lösungen kommen. Da die erforderlichen Indikatoren von vornherein festgelegt werden müssten, besteht die Gefahr, dass der technische Fortschritt zum Stillstand kommt, die Innovationskräfte des Marktes blockiert werden und kein Wettbewerb zwischen den technischen Leistungen/Eigenschaften der neuen Produkte mehr stattfindet.

    4.12

    Neben den Auswirkungen der fraglichen Maßnahmen auf die Unternehmen der betroffenen Industriezweige sollte auch deren vollständige Anwendbarkeit auf alle in der EU oder in Drittländern hergestellten Produkte und der in ihnen enthaltenen Bauteile bedacht werden. Nach Ansicht des Ausschusses könnten sich die von den Zollbehördern der Union vorgenommenen Außenhandelskontrollen ebenso wie die Kontrollen im Binnenmarkt als kostspielig und zeitraubend und angesichts der immer dynamischeren Entwicklung auf den Weltmärkten auch als wenig effizient erweisen.

    4.13

    Der Ausschuss hält es deshalb einerseits für notwendig, die Gleichbehandlung der in der Union hergestellten und der in sie eingeführten Produkte zu gewährleisten und andererseits geeignete Kontrollmechanismen einzuführen, um zu verhindern, dass ein und dieselbe Regelung unterschiedliche Auswirkungen auf unterschiedliche Hersteller hat.

    4.14

    Ebenso sollte nach Ansicht des Ausschusses den auf internationaler Ebene erzielten Fortschritten bei den ISO-Standards und -Leitlinien, was die Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Gestaltung von energiebetriebenen Produkten angeht, gebührend Rechnung getragen werden.

    4.15

    Der Ausschuss möchte in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die Lage bei den KMU hinweisen, die sich durch die großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und die Tatsache noch verschärft, dass in Sektoren mit einem hohen KMU-Anteil die Einigung auf freiwillige Maßnahmen mehr Zeit benötigt.

    4.16

    Seines Erachtens sollte generell und umso mehr noch für die KMU der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der effektiven Sachdienlichkeit im Vordergrund stehen wie auch die vorherige Vergewisserung, dass die vorgesehenen Maßnahmen auch wirklich durchführbar sind. Außerdem bedarf es einer angemessenen finanziellen Unterstützung und/oder entsprechender steuerlicher Anreize. All diese Elemente sind unerlässlich, will man eine der Wettbewerbsfähigkeit nicht abträgliche Anwendung des Ökodesign, die einschlägige Aufklärung und den leichten und rechtzeitigen Zugang zu den Datenbanken, eine entsprechende Schulung der Techniker und der Unternehmen, die Weiterverbreitung der Innovation und die technologische Vermarktung der neukonzipierten Produkte fördern und unterstützen.

    4.17

    Schließlich hält der Ausschuss es für unbedingt erforderlich dafür zu sorgen, dass die notwendigen ökologischen Mindestanforderungen, die Erhaltung der Entwicklungschancen der Unternehmen und der Arbeitsplätze und die Freiheit der Verbraucher, fundierte Entscheidungen zu treffen, in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

    5.   Fazit

    5.1

    Der Ausschuss begrüßt nach wie vor die Aufnahme einer Umweltdimension im Sinne der Energieeinsparung und der Energieeffizienz in die Politik für die Unternehmen und ihre Produkte als integrierenden Bestandteil der Wettbewerbsstrategie Europas. Er hält es für wichtig, eine regelrechte Ökodesign-Kultur zu entwickeln, die an die soziale und ökologische Verpflichtung der Unternehmen und der Verbraucher appelliert und sie zu verantwortungsbewusstem Handeln bewegt.

    5.2

    Der Ausschuss wünscht ferner die Festlegung eines Rahmens, der im Einklang mit dem einschlägigen Recht steht, um einer Zersplitterung des Marktes vorzubeugen und die Transparenz der Behandlung aller Akteure und Benutzer sicherzustellen.

    5.3

    Der Ausschuss empfiehlt daher als vordringliche Maßnahme, diesen konsolidierten Rahmen zu schaffen, um den Unternehmen und insbesondere den mittelständischen unter ihnen eine bessere Orientierungshilfe zu geben.

    5.4

    Die Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung neuer Produkte sollten sich in einem vernünftigen, annehmbaren Rahmen bewegen, der die Entwicklung neuer Konzepte zulässt und es den Verbrauchern ermöglicht, zwischen verschiedenen Angeboten und technischen Lösungen frei zu entscheiden.

    5.5

    Nach Ansicht des Ausschusses sollte das sehr breite Spektrum gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften, die von dieser Initiative berührt werden, gleichzeitig einer Vereinfachung unterzogen werden und mit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes einer erweiterten Europäischen Union einhergehen.

    5.6

    Der Ausschuss empfiehlt dringend eine vorherige Konsolidierung und Vereinfachung der bereits vorhandenen Regelungen (23), die einerseits die Aspekte der Energieeffizienz und Energieeinsparung und andererseits die verschiedenen Aspekte der Auswirkungen der Produkte auf die Umwelt betreffen. Wichtig ist es, einen einfacheren, benutzerfreundlichen Überblick über die derzeit geltenden Gemeinschaftsregelungen für die Gestaltung energiebetriebener Produkte zu gewinnen.

    5.7

    Der Ausschuss plädiert dafür, so bald wie möglich Leitlinien für die umweltgerechte Produktgestaltung und die Schaffung ständiger — sektorspezifischer und auf die jeweiligen sensiblen Produkte zugeschnittener — Foren für den Dialog zwischen Kommission, Unternehmen, Verbrauchern, Herstellern und Zivilgesellschaft zu verabschieden. Erreicht werden sollte hiermit die Bewertung der Entwicklung und die Förderung der Initiativen zur konsequenten und kohärenten Unterstützung der gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Programme und Instrumente, mit denen gemeinsame Ökodesign-Ziele verfolgt werden, um für eine regelrechte Ökodesignkultur sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite zu sensibilisieren und diese zu entwickeln.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Alexander Graf von SCHWERIN


    (1)  Siehe Stellungnahme zum Grünbuch zur integrierten Produktpolitik — ABl. C 260 vom 17.9.2001.

    (2)  Beschluss 1600/2002/EG — ABl. L 242 vom 10.9.2002.

    (3)  Beschluss 93/465/EWG — ABl. L 220 vom 30.8.1993.

    (4)  Richtlinien 98/34/EG und 98/48/EG — ABl. L 217 vom 5.8.1998.

    (5)  Richtlinie 92/42/EWG — ABl. L 167 vom 22.6.1992.

    (6)  Richtlinie 96/57/EG — ABl. L 236 vom 18.9.1996.

    (7)  Richtlinie 92/75/EWG — ABl. L 297 vom 13.10.1992.

    (8)  Verordnung (EG) Nr. 2422/2001 — ABl. L 332 vom 12.12.2001.

    (9)  Richtlinie 2000/55/EG — ABl. L 279 vom 1.11.2000.

    (10)  Richtlinie 90/396/EWG — ABl. L 196 vom 26.7.1990 (geändert durch Richtlinie 93/68/EWG).

    (11)  Richtlinie 2002/91/EG — ABl. L 1 vom 4.1.2003.

    (12)  Richtlinie 2002/96/EG — ABl. L 37 vom 13.2.2003.

    (13)  Richtlinie 2002/95/EG — ABl. L 37 vom 13.2.2003.

    (14)  Verordnung (EG) Nr. 1980/2000 — ABl. L 237 vom 21.9.2000.

    (15)  Richtlinie 96/61/EG — ABl. L 257 vom 10.10.1996.

    (16)  Verordnung (EG) Nr. 761/2001 vom 19.3.2001 — ABl. L 114 vom 24.4.2001.

    (17)  Lobenswert ist in diesem Zusammenhang der Verweis auf Artikel 95 betreffend den freien Warenverkehr.

    (18)  Siehe ESTO-Bericht 2000 der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission.

    (19)  IPTS-Bericht 2000 „Eco-design: Strategies for Dissemination to SMEs/ 15-Länder-Studien“ (Teil 2).

    (20)  Siehe IPTS-Bericht 2000, Teil 1.

    (21)  Stellungnahme ABl. C 80 vom 30.3.2004 zur Integrierten Produktpolitik — KOM(2003) 302 endg.

    (22)  Stellungnahme — ABl. C 260 vom 17.9.2001 und Stellungnahme CES 776/97 — ABl. C 296 vom 29.9.1997.

    (23)  Siehe KOM(2003) 71 und SEK(2003) 165 vom 11.2.2003.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/30


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, „Informations- und Kommunikationstechnologien für sichere und intelligente Fahrzeuge“

    (KOM(2003) 542 endg.)

    (2004/C 112/08)

    Die Kommission beschloss am 14. Oktober 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. März 2004 an. Berichterstatter war Herr RANOCCHIARI.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März 2004 einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Vorgeschichte

    1.1

    Das Verkehrsaufkommen in Europa steigt bekanntlich seit vielen Jahren, v.a. der Personen- und Güterverkehr auf der Straße.

    1.2

    Diese Zunahme führt zu Verkehrsstauungen, schädigt die Umwelt und hat Unfälle mit Toten, Verletzten und Sachschäden zur Folge; all diese Probleme könnten sich in naher Zukunft noch verschärfen.

    1.3

    Bekannt ist auch, dass die Automobilindustrie ständig an der Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit ihrer Produkte arbeitet. So sind Fahrzeuge heute viermal sicherer als 1970, und die Zahl der Verkehrstoten pro Jahr im Europa der 15 ist seither um die Hälfte gesunken, während sich das Verkehrsaufkommen im gleichen Zeitraum mehr als verdreifacht hat.

    1.4

    Dennoch verursacht der Straßenverkehr immer noch zu hohe gesellschaftliche Kosten: bei den etwa 1,3 Millionen Verkehrsunfällen, die sich jährlich in Europa ereignen, sind 40.000 Todesopfer und 1,7 Mio. Verletzte zu beklagen und es entstehen Kosten in Höhe von schätzungsweise 160 Mrd. €, d.h. 2 % des europäischen BIP. Auf persönlicher Ebene ist selbst ein einziger Verkehrstoter immer ein zu hoher Preis.

    1.5

    Die Europäische Kommission ist sich der Bedeutung des Problems bewusst und hat eine Reihe wichtiger Straßenverkehrssicherheitsinitiativen ergriffen, darunter die Verabschiedung des „Europäischen Aktionsprogramms für die Straßenverkehrssicherheit“.

    1.6

    Noch bevor dieses Aktionsprogramm verfasst wurde, waren die in den Fahrzeugen bereits vielfach eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) als wichtige Instrumente der Straßenverkehrssicherheit erkannt worden. Die Entwicklung leistungsfähigerer Prozessoren, Kommunikationssysteme, Sensoren und Aktoren ermöglicht es, immer höherentwickelte integrierte Systeme der aktiven Sicherheit zu konzipieren, die Unfälle zwar nicht gänzlich verhindern, aber doch ihre Zahl verringern und ihre Folgen mildern können.

    1.7

    Aus dieser Sicht hat die Kommission 2002 die Arbeitsgruppe eSafety eingesetzt, in der etwa 40 Fachleute aus der Automobilbranche und sonstigen betroffenen Verbänden und Einrichtungen vertreten sind. Aufgabe der Arbeitsgruppe war es, eine Strategie zur Beschleunigung der Forschung, Entwicklung, Realisierung und Anwendung intelligenter Sicherheitssysteme auf der Grundlage der Informations- und Kommunikationstechnologien vorzuschlagen, um die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern.

    1.8

    Im November 2002 hat die Arbeitsgruppe einen Abschlußbericht veröffentlicht, der 28 Empfehlungen für die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten, die zuständigen Straßen- und Sicherheitsbehörden, die Automobilindustrie, die Diensteanbieter, die Verbraucherverbände, das Versicherungsgewerbe und andere interessierte Parteien enthält. Diese Empfehlungen zielen darauf ab, die Sicherheit durch integrierte Systeme auf der Basis fortschrittlicher Informations- und Kommunikationstechnologien zu verbessern, die neue und intelligente Informationen liefern können, bei denen die Fahrer, die Fahrzeuge und das Verkehrsumfeld einbezogen sowie die Wechselwirkung zwischen ihnen berücksichtigt werden.

    1.9

    Der Abschlußbericht der Arbeitsgruppe eSafety wurde anschließend in der 2. Sitzung der hochrangigen Gruppe eSafety erörtert und angenommen; diese hat das Forum eSafety (1) eingesetzt und gefordert, dass die Kommission programmatische Vorschläge zum Thema vorlegt.

    1.10

    Die Mitteilung, zu welcher der EWSA Stellung beziehen soll, ist die Antwort der Kommission auf die Erwartungen der hochrangigen Gruppe eSafety und der Arbeitsgruppe Verkehrssicherheit wie auch der Mitgliedstaaten.

    2.   Zusammenfassung der in der Mitteilung enthaltenen Vorschläge

    2.1

    In der Mitteilung wird auf den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe eSafety verwiesen, der gebilligt wird, und es werden elf Maßnahmen vorgeschlagen, die in drei Hauptgruppen gegliedert werden können:

    2.1.1

    Maßnahmen zur Entwicklung intelligenter Systeme der Fahrzeugsicherheit

    2.1.2

    Maßnahmen zur Anpassung der Rechtsvorschriften und Normen

    2.1.3

    Maßnahmen zur Beseitigung gesellschaftlicher und unternehmerischer Hindernisse

    2.2   Förderung intelligenter Systeme der Fahrzeugsicherheit

    Die Kommission wird das Forum eSafety weiterhin leiten und unterstützen; es stellt eine gemeinsame Plattform für alle an der Straßenverkehrssicherheit Interessierten dar;

    die Kommission wird sich für eine Verstärkung der Forschung und technologischen Entwicklung einsetzen, auch durch die Beteiligung an der Finanzierung einiger Spitzenprojekte;

    die Kommission wird hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen Fahrer und Fahrzeug („Mensch-Maschine-Interaktion“) die Auswirkungen des Einsatzes „mobiler“ (2) Geräte in den Fahrzeugen und danach die Arbeitsbelastung des Fahrers durch die Einführung der neuen Kontroll- und Informationssysteme untersuchen;

    die Kommission wird eine integrierte Strategie für gesamteuropäische Notrufdienste (eCall) vorschlagen und sich dabei auf die Bestimmungen der sog. E-112-Vorschriften (3) stützen;

    die Kommission wird die bei den Verkehrs- und Reiseinformationen (VRI) in Echtzeit in Europa erzielten Fortschritte analysieren.

    2.3   Anpassung der Rechtsvorschriften und Normen im Hinblick auf den Einsatz intelligenter Sicherheitssysteme

    die Kommission wird vorschlagen, den Einsatz des auf die Ultrabreitband-Funktechnologie (UWB) gestützten Radarsensors für Automobile (Short Range Radar, SRR), der im Frequenzbereich von 24 GHz arbeitet, zu genehmigen und zu regeln;

    die Kommission wird die Vorschriften über die Typgenehmigung (Europäische Betriebserlaubnis) für Fahrzeuge erneut prüfen und Maßnahmen festlegen, um den Einsatz der neuen Systeme zuzulassen und zu regeln;

    die Kommission wird die Normungseinrichtungen (ISO, CEN und ETSI) auffordern, ein Normungsprogramm für die neuen Systeme vorzusehen: Kommunikationsprotokolle, Hardware- und Software-Architektur und genormte Mensch-Maschine-Schnittstellen.

    2.4   Beseitigung gesellschaftlicher und unternehmerischer Hindernisse

    die Kommission wird bewerten, welch sozioökonomischer Nutzen durch die Einführung intelligenter Sicherheitssysteme erzielt werden kann;

    die Kommission wird die Untersuchung einer Methode zur Bewertung der Risiken und des Nutzens der neuen Systeme fördern und finanzieren;

    die Kommission wird die Erarbeitung von Roadmaps der Industrie und des öffentlichen Sektors für die Entwicklung und Einführung der neuen Systeme fördern.

    2.5   Sonstige Maßnahmen

    die Kommission wird die Untersuchung einer Methode zur Bewertung der potenziellen Auswirkungen der Einführung intelligenter kombinierter Sicherheitssysteme mit „Fusion von Sensoren“ (4) fördern und finanzieren;

    die Kommission wird die Untersuchung von Bewertungsverfahren für Fahrzeuge, die mit den neuen Systemen ausgestattet sind, fördern und finanzieren;

    die Industrie wird eine europäische Datenbank digitaler Straßenkarten mit Straßenverkehrssicherheitsmerkmalen konzipieren, einrichten, warten und zertifizieren.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Die Europäische Kommission bringt in ihrer Mitteilung den klaren und beispielhaften Willen zum Ausdruck, in einer Zeit, in der die herkömmlichen Systeme der passiven Sicherheit möglicherweise an ihre Grenzen gestoßen sind, die Entwicklung und Einführung intelligenter Straßenverkehrssicherheitssysteme zu fördern.

    3.2

    Die allgemeinen Leitlinien des Dokuments kommen klar und deutlich zum Ausdruck. Weniger deutlich sind indes die Prioritäten (dies gilt jedoch nicht für das Notrufsystem eCall, dessen Bedeutung der Ausschuss ebenfalls erkennt), und insbesondere ist keine Zeitplanung für den Aktionsplan vorhanden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint nur ein Arbeitsplan für das Jahr 2004 vorgesehen zu sein. Es besteht die Hoffnung, dass die Erstellung des Ablaufplans — eines der vom eSafety-Forum erwarteten Ergebnisse — einen entscheidenden Anstoß für die Aufstellung von Prioritäten und Zeitplan gibt.

    3.3

    Die Automobilindustrie, die bereits an der Arbeitsgruppe eSafety und dem eSafety-Forum beteiligt ist, muss weiterhin die Entwicklung der technischen Aspekte dieser Initiativen anführen und insbesondere an der Erarbeitung des Ablaufplans mitwirken.

    3.4

    Sicherlich werden zur Markteinführung der intelligenten Sicherheitssysteme Leitlinien für die Automobilindustrie erforderlich sein. Die einzelnen Unternehmen müssen aber die Möglichkeit haben, unterschiedliche innovative Lösungen mit geeigneter Zeitplanung anzubieten. Dabei ist indes die unabdingbare Anforderung der Interoperabilität und stabilen Arbeitsweise der neuen Systeme zu berücksichtigen.

    3.5

    Es muss eine Schulungsphase für die Autofahrer vorgesehen werden, damit sie die neuen intelligenten Sicherheitssysteme auch nutzbringend anwenden können. Deshalb wäre eine Beteiligung von Vertretern der Fahrschulen am eSafety-Forum sinnvoll. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Kategorie der Berufskraftfahrer geschenkt werden, die in der Einführungsphase der neuen Systeme als „Pilotgruppe“ fungieren könnten und in jedem Fall ein wichtiges Zielpublikum darstellen.

    3.6

    Einige Sicherheitssysteme, wie z.B. ESP (elektronisches Stabilitätsprogramm für kritische Situationen), könnten unter rein technischen Aspekten schon kurzfristig umfassend eingesetzt werden. Andere Systeme mit detaillierteren und komplexeren Konstruktions- und Nutzungsmerkmalen erfordern erst noch genaue Untersuchungen im Hinblick auf die Arbeitsbelastung des Fahrers, um in möglichst ausgewogener Weise Überforderung und Ablenkungsgefahr auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

    3.7

    Das Dokument behandelt das Thema der zwischen den verschiedenen interessierten Parteien (Europäische Kommission, Mitgliedstaaten, für Straßenverkehr und Sicherheit verantwortliche Stellen, Automobilindustrie, System- und Diensteanbieter) geteilten Verantwortung auf gründliche Art und Weise. Dennoch ist eine exakte Festlegung und Regelung der Verantwortlichkeiten im Falle von Funktionsstörungen der Sicherheitssysteme unabdingbar. Aufgrund der Neuartigkeit der Systeme und Funktionen sind umfangreiche Arbeiten erforderlich. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der Frage der Verantwortlichkeit bereits die drei folgenden Forschungsprojekte finanziert hat: Response, Response 2 und Prevent.

    3.8

    Ferner ist festzustellen, dass die Kommission in dem betreffenden Dokument den Schwerpunkt auf das Erfordernis sichererer Fahrzeuge legt. Die Notwendigkeit, sich mit der Verkehrsinfrastruktur zu befassen (neue und sicherere Verkehrswege, Beseitigung der Verkehrsüberlastung) darf jedoch keinesfalls vernachlässigt werden. Im Übrigen sind die neuen Fahrzeugsicherheitssysteme größtenteils auf spezifische, intelligente Infrastrukturen angewiesen (wie z.B. für Empfang, Entschlüsselung und Weiterleitung automatischer Notrufe ausgelegte Telekommunikationsnetze usw.). Die Kommission sollte ihre Aufmerksamkeit auf solche Aspekte und auf die mit ihnen verbundenen Auswirkungen konzentrieren.

    3.9

    Das Gemeinschaftsprogramm GALILEO, in Einklang mit der Schaffung intelligenter Infrastrukturen, ist sicherlich von ausschlaggebender Bedeutung. Damit wird eine Reihe von Navigations- und Positionsbestimmungsdiensten bereit gestellt, die die Entwicklung zahlreicher innovativer Anwendungen im Bereich eSafety voranbringen können.

    3.10

    Der Erwerb und Unterhalt von Fahrzeugen wird sich aufgrund der Anwendung intelligenter Sicherheitssysteme voraussichtlich spürbar verteuern. Zusätzliche Sicherheitssysteme können zum Einsatz kommen, wenn der Verbraucher bereit ist, dafür Geld auszugeben. Den Verbrauchern muss bewiesen werden, dass die Zusatzkosten mit einer Verringerung des Unfall- und Unfallfolgenrisikos einhergehen. Deshalb ist auch die in der Mitteilung vorgesehene Erhebung und genaue Untersuchung von Unfallursachen durch das eSafety-Forum von so grundlegender Bedeutung. Vor allem muss die CARE-Unfalldatenbank (5) neu organisiert werden und auch die Unfallursachen und ihre jeweilige (wenn möglich um die von Automobilherstellern gesammelten Daten ergänzte) Untersuchung umfassen.

    3.11

    Ein konkretes Beispiel für das Problem des Kostenanstiegs stellt der eCall-Dienst dar: viele Automobilhersteller haben das System als Sonderausstattung angeboten, aber die Nachfrage war bislang verhalten, weil nur wenige Verbraucher für ein Produkt Geld ausgeben möchten, das sie nie zu benötigen hoffen. Das als vorrangig betrachtete System eCall könnte sich als Testfall für das ganze Programm erweisen. Nur ein weit verbreiteter Einsatz des Systems könnte die Kosten für die Systemverwaltung und somit aufgrund der Skaleneffekte, des Wettbewerbs unter verschiedenen Anbietern sowie der Vermeidung von Monopolstellungen die vom Verbraucher zu zahlenden Preise senken.

    3.12

    Des Weiteren könnten die Kosten dadurch ansteigen, dass die Werkstätten besondere Geräte zu Diagnose, Reparatur und Prüfung der Systeme anschaffen müssen. Andererseits könnten sich dadurch auch positive Auswirkungen ergeben, da dies eventuell zu einem Anstieg des Qualitätsniveaus der Reparaturwerkstätten und zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten führt.

    3.13

    Man sollte darüber nachdenken, dieses Problem durch Anreize wie Steuervergünstigungen und/oder niedrigere Versicherungsprämien zu entschärfen. Die verschiedenen Parteien werden sich jedenfalls abstimmen müssen.

    3.14

    Davon auszugehen, dass ein allgemeiner Einsatz intelligenter Sicherheitssysteme ausschließlich aufgrund des Sicherheitsempfindens und/oder der Interessen des Privatsektors — ob Hersteller oder Nutzer — erfolgt, ist problematisch, ja illusorisch. Alternativ oder zusätzlich zur freiwilligen Anwendung dieser Systeme sollte über eine — mittels Steuerregelungen durchzusetzende — gesetzliche Verpflichtung nachgedacht werden. Diese Regelungen könnten nach einer entsprechenden Planung eine schrittweise und zeitlich gestreckte obligatorische Anwendung intelligenter Sicherheitssysteme vorsehen.

    3.15

    Da sich die Kosten der Sicherheitsfunktionen in jedem Fall auf Verbraucher und Steuerzahler auswirken, ist eine zuverlässige und objektive Kosten/Nutzen-Rechnung besonders wichtig.

    4.   Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

    4.1

    In dem Wissen, dass es sich um eine programmatische Mitteilung handelt und nicht um konkrete und bindende Maßnahmen, die die Kommission erst in einem nächsten Schritt zu erarbeiten und vorzuschlagen gedenkt, will der Ausschuss hier einige Punkte betonen, die seiner Auffassung nach bei der Entwicklung des Programms immer berücksichtigt werden sollten.

    4.2

    Das Kommissionsdokument spricht sich eindeutig und beispielgebend für die Entwicklung und die Anwendung intelligenter Straßenverkehrs-Sicherheitssysteme aus. Es müsste folglich von allen interessierten Parteien positiv aufgenommen werden, zumal auch der Hinweis nicht fehlt, dass die Verantwortung für die Straßenverkehrssicherheit von allen Beteiligten gemeinsam getragen wird.

    4.3

    Dennoch ist anzumerken, dass die in dem Dokument enthaltenen Erklärungen gemäß einem — möglichst bald festzulegenden — Aktionsplan umgesetzt werden sollten. Ferner muss deutlicher auf die Notwendigkeit hingewiesen werden, sich mit dem Straßennetz (neue und sicherere Verkehrswege, Beseitigung der Verkehrsüberlastung) und neuen intelligenten Infrastrukturen zu befassen.

    4.4

    Eine genaue Festlegung und Regelung der Verantwortlichkeiten im Falle von Funktionsstörungen der Sicherheitsvorrichtungen ist unabdingbar.

    4.5

    Die Automobilhersteller müssen die Möglichkeit haben, unterschiedliche innovative Lösungen mit geeigneter Zeitplanung anzubieten.

    4.6

    Der Erwerb und Unterhalt von Fahrzeugen wird sich aufgrund des Einsatzes intelligenter Sicherheitssysteme voraussichtlich spürbar verteuern. Dieser Kostenanstieg könnte sich bei den Wagen der niedrigeren Preisklassen besonders stark auswirken und deren Erschwinglichkeit für sozial schwächere Bevölkerungskreise beeinträchtigen. In diesem Falle wäre die rasche Annahme von Sensibilisierungs- und Anreizmaßnahmen entscheidend, mittelfristig könnte jedoch für einige Sicherheitssysteme eine gesetzliche Verpflichtung angestrebt werden.

    4.7

    Schließlich ist die Rolle der Mitgliedstaaten für einen Erfolg des Programms entscheidend. Der bereits zwischen Kommission, Industrie und den sonstigen interessierten Parteien eröffnete Dialog muss weitergeführt werden und die einzelnen Mitgliedstaaten müssen von Anfang an — auf der Grundlage einer eindeutigen politischen Ausrichtung — am Prozess beteiligt werden. Ohne die technische und wirtschaftliche Beteiligung der Mitgliedstaaten wäre das Programm zum Scheitern verurteilt.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Unter dem Vorsitz der GD Informationsgesellschaft der Kommission. In diesem Forum sind ca. 150 Entscheidungsträger aus allen betroffenen Bereichen vertreten. Es ist derzeit in sieben Arbeitsgruppen untergliedert, die von der Automobilindustrie geleitet werden.

    (2)  Geräte, die der Fahrer bei sich trägt und die mit dem Fahrzeug interagieren können: Handy und PDA, die als Fernbedienung für einige Funktionen des Fahrzeugs dienen können.

    (3)  Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste, ABl. L 108 vom 24.4.2002.

    (4)  Technik zur Integration der von Sensoren mit verschiedenen Technologien gelieferten Daten zur Überwindung der Grenzen der Einzeltechnologien. So spricht z. B. der Sensor einer Alarmanlage mit doppelter Technologie (Radar + Infrarot) nur an, wenn beide Komponenten ein Eindringen melden, wodurch Fehlalarm vermieden werden kann, der durch die Grenzen einer der beiden Technologien ausgelöst würde.

    (5)  Community Road Accident Data base: Erfassung und Auswertung der von den Mitgliedstaaten übermittelten Unfalldaten.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/34


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein“ (Neufassung)

    (KOM(2003) 621 endg. — 2003/0252 (COD))

    (2004/C 112/09)

    Der Rat beschloss am 13. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. März 2004 an. Berichterstatter war Herr Simons.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 99 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Mobilität ist für sehr viele europäische Bürger ein wichtiges Thema, und zwar für Menschen aller Altersstufen. Der allergrößte Teil der europäischen Bevölkerung über 18 Jahre ist im Besitz des Führerscheins. Der Führerschein stellt für diesen Teil der Bevölkerung die Eintrittskarte in eine motorisierte Form der Mobilität dar. Besonders in einem Europa, dessen Bevölkerung immer älter wird, ist der Führerschein häufig entscheidend für Kontakte zur Außenwelt und sogar für die Befriedigung grundlegender Lebensbedürfnisse. Jeder Vorschlag für eine europäische Richtlinie über den Führerschein betrifft somit die gesamte europäische Bevölkerung. Die Bedeutung eines solchen Richtlinienvorschlags darf deshalb auch nicht unterschätzt werden.

    1.2

    Die Europäische Kommission beabsichtigt mit den Rechtsvorschriften zum Führerschein im EWR, die Freizügigkeit der Unionsbürger auszubauen, die Betrugsmöglichkeiten zu verringern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Diese Ziele visierte die Europäische Kommission mit früheren Rechtsvorschriften in diesem Bereich an, und sie sind auch das Leitmotiv für künftige Rechtsvorschriften.

    1.3

    Trotz aller Maßnahmen, die in den letzten Jahren getroffen wurden, hat die Rechtsunsicherheit der Unionsbürger eher zu- als abgenommen. (1) Die Europäische Kommission hält es für wesentlich, die Rechtsunsicherheit zu beseitigen, die die Freizügigkeit der Bürger behindert. Dieses Ziel fällt in den Rahmen der wesentlich umfassenderen Zielsetzungen, die der Europäische Rat in der „Lissabon-Agenda“ festgelegt hat, insbesondere die Verwirklichung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes, einschließlich der Wettbewerbsaspekte. Die Beseitigung der letzten Hindernisse für den Führerschein durch den Richtlinienvorschlag sieht die Kommission als den Abschluss eines Prozesses der schrittweisen Harmonisierung an.

    1.4

    Abgesehen von ihren Bemühungen um eine uneingeschränkte gegenseitige Anerkennung des Führerscheins zur Förderung der Freizügigkeit der Unionsbürger schlägt die Kommission in der Richtlinie verschiedene konkrete Rechtsvorschriften vor, die die Verkehrssicherheit positiv beeinflussen sollen. Diese Maßnahmen betreffen die Einführung neuer Fahrzeugklassen für den Führerschein, die Einführung des stufenweisen Zugangs zu diesen Klassen, damit die Fahrer zuerst in kleineren Fahrzeugklassen Erfahrungen sammeln, die Harmonisierung der Abstände für medizinische Untersuchungen der Fahrtüchtigkeit von Fahrern, die besondere Aufmerksamkeit für den Zugang von Fahrern mit Behinderungen zum motorisierten Verkehr sowie Mindestanforderungen an die Ausbildung zum Fahrprüfer.

    1.5

    Als dritter wichtiger Punkt des Vorschlags wird die Verringerung der Betrugsmöglichkeiten mit dem Führerschein genannt. Mit der Abschaffung der Möglichkeit, einen Führerschein auf Papier auszustellen, und der obligatorischen Einführung einerseits einer Plastikkarte und andererseits einer beschränkten Gültigkeitsdauer soll ein fälschungssicheres Dokument geschaffen werden.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt die von der Europäischen Kommission mit dem vorliegenden Vorschlag angestrebten Ziele (Erhöhung der Verkehrssicherheit, Verringerung der Betrugsmöglichkeiten und Förderung der Freizügigkeit der Unionsbürger). Dieser Vorschlag liegt auf der Linie, die die Kommission durch die Annahme des Europäischen Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit „Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2010: eine gemeinsame Aufgabe“ (2) und in dem bereits früher veröffentlichten Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ (3) festgelegt hat.

    2.2

    Der Ausschuss begrüßt insbesondere, dass der Schwerpunkt dieses Vorschlags auf dem menschlichen Faktor im Verkehrsgeschehen liegt und dass konkrete Maßnahmen zur Problematik der Sicherheit von Menschen im Verkehr vorgeschlagen werden. Bereits in seiner Stellungnahme zum Europäischen Aktionsprogramm für Straßenverkehrssicherheit „Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2010: eine gemeinsame Aufgabe“ (4) hat der Ausschuss auf die Bedeutung des Faktors Mensch im Verkehr für die Verkehrssicherheit hingewiesen und ist deshalb sehr erfreut festzustellen, dass im vorliegenden Kommissionsvorschlag gerade diesem Faktor Beachtung geschenkt wird.

    2.3

    Nach Ansicht des Ausschusses haben einige der vorgeschlagenen Maßnahmen weitreichende Folgen für die Bürger der Mitgliedstaaten (begrenzte Gültigkeitsdauer des Führerscheins), für Führerscheinanwärter und -inhaber bezüglich bestimmter Klassen (medizinische Untersuchungen, stufenweiser Zugang zu bestimmten Klassen, höheres Mindestalter) sowie für Fahrschulen (neue Klassen, geänderte Fahrzeuganforderungen an die Klassen C1 und D1). Diese Folgen werden von den Betroffenen nicht immer positiv bewertet werden und bringen in einigen Fällen größeren Verwaltungsdruck und höhere Kosten mit sich. Der Ausschuss fordert die Beachtung der Folgen dieser Richtlinie und weist die Kommission auf die Einhaltung einer ausreichend langen Übergangsfrist hin, bevor die Maßnahmen des Richtlinienvorschlags in Kraft treten. Dieser Standpunkt beruht u.a. auf der Tatsache, dass die obligatorischen Veränderungen auf der Grundlage der Richtlinie 91/439/EWG (5) in einigen Mitgliedstaaten erst vor Kurzem eingeführt wurden. Dies hindert den Ausschuss nicht daran, eine insgesamt positive Stellungnahme zu den in dieser Richtlinie vorgeschlagenen Maßnahmen abzugeben — mit einigen kritischen Bemerkungen.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1

    Der Ausschuss stimmt einer begrenzten Gültigkeitsdauer des Führerscheins zu. Er stimmt der Argumentation zu, dass dies sowohl die Freizügigkeit der Unionsbürger fördert als auch Betrugsmöglichkeiten mit dem Führerschein einschränkt. Laut der Europäischen Kommission ist es nicht erforderlich, für die in Umlauf befindlichen Führerscheine eine begrenzte Gültigkeitsdauer einzuführen. Sie argumentiert, dass die Mitgliedstaaten nach dem Subsidiaritätsprinzip die Möglichkeit haben, die älteren, nicht fälschungssicheren Modelle einzuziehen. Der Ausschuss hat Zweifel an dieser teilweisen Freistellung, da der tatsächliche Übergangszeitraum dadurch in einigen Mitgliedstaaten mehr als 50 Jahre betragen wird. Deshalb schlägt er vor, Artikel 3 Absatz 2 zu verschärfen, um so den Umtausch älterer Führerscheinmodelle, bei denen keine Fälschungssicherheit gegeben ist, sicherer zu gestalten. Dazu könnte in Artikel 3 Absatz 2 der Satz „Sie unterrichten die Kommission hiervon.“ durch den Satz „ Die Kommission muss diesen zustimmen.“ ersetzt werden. Diese Empfehlung wird auch deshalb ausgesprochen, weil der Führerschein in einigen Staaten sogar als Ausweis gebraucht werden kann. Fälschungssicherheit ist deshalb von grundlegender Bedeutung.

    3.2

    Dem Vorschlag der Kommission, den Führerschein auf Papier durch eine Plastikkarte, eventuell mit eingebautem Chip, zu ersetzen, steht der Ausschuss positiv gegenüber. Seiner Ansicht nach fördert dies die Einheit zwischen den Mitgliedstaaten und verringert die Betrugsmöglichkeiten mit dem Dokument erheblich. Gleichzeitig rät der Ausschuss, das Dokument noch fälschungssicherer zu machen und plädiert für optimale Sicherheitsvorkehrungen in und auf dem Dokument, analog zu den Sicherheitsanforderungen, die an den Pass gestellt werden.

    3.3

    Auch der geplanten Harmonisierung der medizinischen Untersuchungen von Führerscheininhabern der Gruppe 2 steht der Ausschuss positiv gegenüber. Sowohl die Abstände als auch der Inhalt dieser medizinischen Untersuchungen müssen gemeinschaftsweit harmonisiert sein, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verhindern. Allerdings tut sich der Ausschuss damit schwer, dass für die „kleinen“ Klassen C1 und D1 die gleichen Verpflichtungen für medizinische Untersuchungen gelten sollen wie für die „großen“ Klassen C und D (LKW und Bus). Für die Klassen C1 und C2 wären nach Ansicht des Ausschusses weniger häufige medizinische Untersuchungen ausreichend. Außerdem hielte es der Ausschuss für sinnvoll, dass diese Verpflichtung auch für andere Berufskraftfahrer, die durch die Definition ihres Fahrzeugs zu Gruppe 1 der Führerscheininhaber zählen, gelten würde. Hier wäre zum Beispiel an Taxifahrer zu denken.

    3.4

    Laut dem vorliegenden Kommissionsvorschlag haben die Mitgliedstaaten nicht länger die Möglichkeit, aus medizinischen Gründen einen Führerschein mit begrenzter Gültigkeitsdauer auszustellen. Gemäß früheren Rechtsvorschriften hatten die Mitgliedstaaten sehr wohl diese Möglichkeit. Nach Ansicht des Ausschusses sollte diese Befugnis erhalten bleiben.

    3.5

    Der Ausschuss stimmt der vorgeschlagenen neuen Fahrzeugklassifizierung für den Führerschein uneingeschränkt zu. Die Einführung einer Führerscheinklasse AM sowie die obligatorische Einführung der Altersgrenze von 16 Jahren für Leichtkrafträder (A1) wird einen großen Teil der Problematik im Zusammenhang mit diesen leichten Zweirädern lösen. Insbesondere die Tatsache, dass sechzehnjährige Fahrzeugführer in den Mitgliedstaaten eine Alternative zum unfallträchtigen Moped erhalten, wobei eine anspruchsvollere Ausbildung sowie eine theoretische und praktische Prüfung verpflichtend sind, wird sich nach Ansicht des Ausschusses direkt positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken. Auch die weiterhin gültige Unterscheidung zwischen den Klassen A2 und A mit der Verpflichtung zu einer zweiten Fahrprüfung und die höheren Altersgrenzen sind vielversprechende Maßnahmen für einen Fahrzeugtyp, der in den Unfallstatistiken unverhältnismäßig stark vertreten ist.

    3.6

    Der Ausschuss befürwortet uneingeschränkt die neue Definition der Fahrzeugklassen C1 und D1, bei der das bisherige zulässige Gesamtgewicht von 7.500 kg durch 6.000 kg ersetzt wird. Vor allem die Tatsache, dass dadurch die technischen Merkmale der Fahrzeuge stärker berücksichtigt werden, ist positiv zu werten. Auch die Gleichstellung von Fahrzeugen der Klassen C1 und D1 hält der Ausschuss für positiv. Diese Gleichstellung beeinträchtigt die Verkehrssicherheit nicht, da die Fahrzeuge dieser zwei Klassen dieselben technischen Spezifikationen haben und z.B. mit gleichartigen Bremsvorrichtungen versehen sind. Gleichzeitig stellt die Obergrenze von 6.000 kg den Übergang zu anderen technischen Spezifikationen dar, die z.B. eine andere Bremsvorrichtung umfassen. Der Lenker eines Fahrzeugs der Klasse C1 ist deshalb genauso gut für das Führen eines Fahrzeugs der Klasse D1 ausgebildet. Gleichzeitig erhöht diese Gleichstellung die Freiheit und die Möglichkeiten von Lenkern dieser Fahrzeuge.

    3.7

    Die obligatorische Einführung der „kleinen“ Klassen C1 und D1, die in der voraufgehenden Richtlinie über den Führerschein (91/439/EWG) noch freiwillig waren, wird sich nach Meinung des Ausschusses ebenfalls positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken, insbesondere in den Städten. Der Ausschuss geht davon aus, dass diese Fahrzeugklassen in zunehmendem Maße für die Lieferung von Waren und den Transport von Personen innerhalb städtischer Grenzen genutzt werden. Das bedeutet, dass die „großen“ Fahrzeuge diese Stadtzentren nicht mehr anfahren müssen, was sich sowohl mit Blick auf die Sicherheit als auch auf den Schadstoffausstoß für die städtische Bevölkerung positiv auswirken wird. Der Ausschuss ist jedoch der Ansicht, dass diese Fahrzeugklassen zu diesem Zweck attraktiver gemacht werden müssen, indem beispielsweise die medizinischen Untersuchungen für sie weniger häufig sind.

    3.8

    Der Ausschuss begrüßt die Verdeutlichung in der Definition für die Fahrzeugklasse B+E. Die neue Definition von B+E ist teilweise klarer, indem sie festlegt, dass jeder Anhänger, dessen zulässiges Gesamtgewicht 750 kg übersteigt, unter die Führerscheinklasse B+E fällt. Diese Verdeutlichung, die eine Erleichterung für die Bürger und die Umsetzung darstellt, wird vom Ausschuss nachdrücklich begrüßt.

    3.9

    Allerdings könnten die Definitionen für die Fahrzeugklassen B+E und C1+E noch klarer formuliert werden. Insbesondere die Definition der Fahrzeugklasse C1+E ist nach Ansicht des Ausschusses problematisch, da das zulässige Gesamtgewicht des Anhängers vom zulässigen Gesamtgewicht des Zugfahrzeugs abhängt. Das bedeutet, dass innerhalb dieser Führerscheinklasse nur mit sehr leichten Anhängern gefahren werden darf, während in der Führerscheinklasse B+E viel schwerere Anhänger benutzt werden dürfen. So ist es beispielsweise laut der derzeitigen und der vorgeschlagenen neuen Definition auf Grund der Gewichtsverteilungen nicht möglich, innerhalb der Klasse C1+E mit einer Fahrzeugkombination aus Zugmaschine und Sattelanhänger zu fahren, während dies innerhalb der Klasse B+E sehr wohl möglich ist. Gerade die Kombination Zugmaschine-Sattelanhänger hält der Ausschuss in der Führerscheinklasse B+E nicht für wünschenswert. Diese Kombination, die nach dem Dafürhalten des Ausschusses nur im gewerblichen Kraftverkehr gebraucht wird, sollte eher unter die Klasse C1+E fallen, was bei der derzeit vorgeschlagenen Definition nicht möglich ist.

    3.10

    Angesichts der voraufgehenden Feststellungen schlägt der Ausschuss vor, die Definitionen der Anhängerklassen noch einmal zu überdenken. Eine Möglichkeit, die sowohl für Klarheit bei den Bürgern und bei den für die Durchsetzung Verantwortlichen als auch für eine größere Verkehrssicherheit sorgen würde, bestünde darin, die Anhängerklassen unabhängig vom Gewicht der Zugmaschine zu definieren und dabei nicht nur eine Untergrenze, sondern auch eine Obergrenze für das zulässige Gewicht festzulegen.

    3.11

    Außerdem stellt der Ausschuss fest, dass die Anforderungen an Wohnwagenbesitzer durch die von der Kommission vorgeschlagene Definition der Fahrzeugklasse B+E vielleicht zu hoch sind. Gemäß der heutigen Definition der Fahrzeugklasse B dürfen die meisten Wohnwagen mit einem Führerschein für diese Fahrzeugklasse gefahren werden. Im Kommissionsvorschlag entfällt dieses Recht für neue Fahrer komplett und werden alle Wohnwagen in die Führerscheinklasse B+E eingeordnet, für die die Verpflichtung besteht, eine Prüfung abzulegen. Der Ausschuss weist auf die möglichen Auswirkungen dieses Vorschlags auf die Industrie hin und schlägt vor, mit Blick auf die Verkehrssicherheit eine eintägige obligatorische Schulung für bestimmte Anhängertypen, darunter auch einen Großteil der Wohnwagen, einzuführen. Die Absolvierung dieser Schulung könnte durch einen Code auf dem Führerschein vermerkt werden. Der Ausschuss schlägt vor, dafür den Code 96 zu benutzen.

    3.12

    Der Ausschuss stellt fest, dass viele Fahrer der Führerscheinklasse B (Kleintransporter) im gewerblichen Kraftverkehr tätig sind und dass in der vorliegenden Richtlinie keine besonderen Maßnahmen vorgeschlagen werden, um der hohen Unfallrate (6) bei dieser Führerscheinklasse entgegenzuwirken. Das heißt, dass für diese Fahrergruppe derzeit keine Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten sowie Fachkompetenzen gelten und dass die Fahrzeuge nicht mit Geschwindigkeitsbegrenzern ausgerüstet sein müssen. Die Gefährdung, die insbesondere vom Kleintransportersektor (white vans) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von weniger als 3.500 kg auf den Straßen der Europäischen Union ausgeht, ist dem Ausschuss ein Dorn im Auge. Der Ausschuss würde es begrüßen, wenn die Kommission Maßnahmen mit Blick auf diesen Sektor ergreift. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die zuverlässigste Möglichkeit bestünde nach Ansicht des Ausschusses darin, die Lenker aller Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht unter 3.500 kg und einer Ladefähigkeit von über 1.000 kg zu verpflichten, einen Führerschein der Klasse C1 zu machen. Damit werden sie automatisch als Berufskraftfahrer eingestuft und behandelt. Diese Definition hätte zur Folge, dass Lenker solcher Fahrzeuge an die Maßnahmen auf der Grundlage der Richtlinie 2003/59/EWG gebunden sind und sich sowohl anfänglich einer Fachausbildung unterziehen als auch in regelmäßigen Abständen weiterbilden müssen. Ebenso hielte es der Ausschuss für einen Fortschritt, Berufskraftfahrer der Gruppe 1, wie z.B. Fahrer von Kleintransportern, Taxis und Krankenwagen, denselben medizinischen Untersuchungen zu unterziehen wie die Berufskraftfahrer der Gruppe 2 (Fahrer von LKW und Bussen).

    3.13

    Angesichts der voraufgehenden Feststellungen schlägt der Ausschuss die folgenden neuen Definitionen für die Führerscheinklassen B, B+E, C1 und C1+E vor:

    Führerscheinklasse

    Zulässiges Gesamt- gewicht Zugmaschine

    Zulässige Ladefähigkeit Zugmaschine

    Zulässiges Gesamtgewicht Anhänger

    B

    < 3.500 kg

    < 1.000 kg

    < 750 kg

    B + Ausbildung + Code auf dem Führerschein

    < 3.500 kg

    < 1.000 kg

    > 750 kg; < 1.400 kg; Gesamtlänge Anhänger 7,0 Meter

    B+E

    < 3.500 kg

    < 1.000 kg

    > 750 kg; < 3.500 kg; Kombination < 7.000 kg; Gesamtlänge Anhänger 7,0 Meter

    C1

    < 3.500 kg

    > 1.000 kg

    < 750 kg

    C1

    > 3.500 kg; < 6.000 kg

    nicht anwendbar

    < 750 kg

    C1+E

    > 3.500 kg; < 6.000 kg

    nicht anwendbar

    > 750 kg; Kombination < 12.000 kg;

    3.14

    Der Ausschuss hat gewisse Bedenken bezüglich der in Artikel 7 Absatz 2 vorgesehenen Möglichkeit der Mitgliedstaaten, das Mindestalter für den Erwerb des Führerscheins herabzusetzen. Weder in der Begründung noch im Artikel selbst wird zwischen den verschiedenen von den Mitgliedstaaten angewandten Verfahrensweisen unterschieden. Bei der Herabsetzung des Lebensalters sind drei verschiedene Ansätze zu unterscheiden:

    a)

    die Ausstellung des Führerscheins selbst betreffend, z.B. in Irland und dem Vereinigten Königreich,

    b)

    nur die Ausbildung für den Führerschein betreffend, z.B. in Frankreich und Schweden,

    c)

    die Ausbildung für den Führerschein betreffend, nach der ein anfänglich allein im Inland gültiger Führerschein ausgestellt wird, z.B. in Österreich und in einigen deutschen Bundesländern.

    3.15

    Die Gleichstellung der Fahrzeugklassen B und A1, wie sie in der Richtlinie 91/439/EWG festgelegt wurde und die die Kommission nicht zu ändern beabsichtigt, wird vom Ausschuss nicht befürwortet. Der Ausschuss vertritt die Meinung, dass dies zwar die Freiheiten und die Möglichkeiten der Lenker von Personenkraftwagen erhöht, der Verkehrssicherheit damit aber nicht gedient ist. Erhebungen in Staaten, in denen eine solche Gleichstellung besteht, zeigen, dass sich dies negativ auf die Unfallzahlen für diese Klasse von Zweirädern auswirkt. Der Ausschuss hält es auch für erforderlich, für jeden Fahrzeugtyp eine gesonderte Ausbildung und eine gesonderte Prüfung einzuführen. Einer Gleichstellung zwischen dem Führerschein B und der Mopedklasse AM kann der Ausschuss zustimmen. Die Prüfung für die Fahrzeugklasse AM besteht nur aus einer theoretischen Prüfung, die zu einem großen Teil die gleichen Kenntnisse abdeckt, die auch für den Erwerb des Führerscheins der Klasse B gefordert werden.

    3.16

    Der Ausschuss begrüßt die von der Kommission vorgeschlagene Harmonisierung minimaler Ausbildungsanforderungen für Fahrprüfer. Von einer tatsächlichen Harmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten der Union kann erst dann die Rede sein, wenn die Führerscheinanwärter dieselben Bedingungen erfüllen müssen. Es ist dann auch nicht mehr als selbstverständlich, dass die Personen, die beurteilen, ob ein Anwärter diese Bedingungen erfüllt, ebenfalls in harmonisierter Form handeln.

    4.   Zusammenfassung und Schlussbemerkungen

    4.1

    Der Ausschuss begrüßt nachdrücklich den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein, hat jedoch einige kritische Bemerkungen zur Auslegung bestimmter Maßnahmen zu machen.

    4.2

    Insbesondere der Schwerpunkt, der in dem Richtlinienvorschlag durch verschiedene Systemänderungen auf die Erhöhung der Sicherheit für den Faktor Mensch im Verkehr gelegt wird, stößt beim Ausschuss auf Zustimmung, ohne dass die übrigen Zielsetzungen dieser Richtlinie (Freizügigkeit der Bürger und Verringerung der Betrugsanfälligkeit) bagatellisiert werden sollen.

    4.3

    Der Ausschuss weist auf die in einigen Mitgliedstaaten und von bestimmten Zielgruppen zu erwartende Reaktion auf die vorgeschlagenen Maßnahmen hin. Insbesondere eine ausreichend lange Umsetzungsfrist kann einen Großteil des Widerstands brechen, ohne dass damit gesagt werden soll, dass die Maßnahmen auf die lange Bank geschoben werden sollen. Angesichts der vorgeschlagenen neuen Maßnahmen für die Fahrzeugklassen C, C1, D, D1 und ihre Anhängerklassen sowie angesichts der kürzlich von der Kommission und dem Rat angenommenen Richtlinie 2003/59/EWG über die Fachkompetenzen von Berufskraftfahrern wäre eine zeitgleiche Umsetzung verschiedener Teile dieser Richtlinie für viele Mitgliedstaaten von Vorteil.

    4.4

    Der Ausschuss weist auf die Problematik der hohen Zahl an Unfällen hin, in die Berufskraftfahrer der Führerscheinklasse B verwickelt sind. Einen Vorschlag der Europäischen Kommission zu Maßnahmen für diese Fahrergruppe würde der Ausschuss am meisten begrüßen.

    4.5

    Der Ausschuss empfiehlt, die Definition der Anhängerklassen B+E und C1+E nochmals zu überdenken. Vor allem die Unsicherheit, die die derzeit vorgeschlagene Definition hervorruft, sowie die Problematik der Gewichtsverteilung in der Führerscheinklasse C1+E und die Unterschiede zwischen den Führerscheinklassen B+E und C1+E geben dem Ausschuss Anlass, zu dem vorliegenden Vorschlag einige Bemerkungen zu machen.

    4.6

    Der Ausschuss begrüßt die Gleichstellung zwischen den Führerscheinklassen C1 und D1. Die zu erwartenden Folgen einer Gleichstellung zwischen den Führerscheinklassen B und A1 sieht er hingegen nicht als positiv an. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass diese Gleichstellung in einigen Mitgliedstaaten bereits gegeben ist, äußert jedoch seine Besorgnis über die Folgen dieser Maßnahme.

    4.7

    Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Befugnis der Mitgliedstaaten, Führerscheine mit einer begrenzten Gültigkeitsdauer auf Grund einer medizinischen Indikation auszustellen, erhalten bleiben muss.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen über den Führerschein in der EG, ABl. C 77, 28.3.2002, S. 5.

    (2)  KOM(2003) 311 endg.

    (3)  KOM(2001) 370 endg. — Stellungnahme des Ausschusses, ABl. C 241 vom 7.10.2002, S. 168.

    (4)  ABl. C 80 vom 30.3.2004.

    (5)  PB l 237 24.8.1991.

    (6)  Siehe für die Situation in den Niederlanden u.a.: C. Schoon, „Ontwikkelingen in parkomvang en onveiligheid bestelauto's. Een verkenning binnen het thema Voertuigveiligheid van het SWOV-jaarprogramma 2000-2001“. Berichtsnummer R-2001-33; A.A. Kampen, „Onveiligheid van Bestel- en Vrachtauto's binnen de bebouwde kom“. Berichtsnummer R 97-53 SWOV. Daraus geht hervor, dass Kleintransporter die einzige Fahrzeugklasse sind, deren Verwicklung in tödliche Unfälle beständig steigt. Bei einem Index von 100 im Jahr 1984 ist der Stand für diese Klasse 2002 auf 138 angestiegen, während er für alle anderen 2002 bereits unter 85 liegt.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/39


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten (Kodifizierte Fassung)“

    (KOM(2004) 35 endg. — 2004/0004 (CNS))

    (2004/C 112/10)

    Der Rat beschloss am 10. März 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 100 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. März 2004 an. Berichterstatter war Herr WILKINSON.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 98 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.

    Da die Verständlichkeit und Transparenz des Gemeinschaftsrechts ein wichtiges Anliegen sind, haben Rat, Europäisches Parlament und Kommission die Notwendigkeit der Kodifizierung häufig geänderter Rechtsakte unterstrichen und sich in diesem Sinn auf ein beschleunigtes Verfahren geeinigt. An den zu kodifizierenden Rechtsakten dürfen dabei keine materiell-inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden (1).

    2.

    Der EWSA befürwortet und unterstützt die Anstrengungen zur Vereinfachung des acquis communautaire und insbesondere die Verfahren für die Konsolidierung und Kodifizierung des geltenden Gemeinschaftsrechts. Diese Bemühungen sind einer guten demokratischen Regierungsführung zuträglich und erleichtern das Verständnis des acquis communautaire und seine richtige Umsetzung.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Erdölerzeugnisse ABl. C 133/4 — 6.6.2003.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/40


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung“

    (KOM(2003) 550 endg. — 2003/0210 (COD))

    (2004/C 112/11)

    Der Rat beschloss am 3. Oktober 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau SÁNCHEZ MIGUEL.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 97 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Angesichts des Inkrafttretens der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) (1) müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die darin enthaltenen Bestimmungen umgesetzt werden können und ihr letztendliches Ziel, der Schutz der aquatischen Umwelt in Europa, umfassend verwirklicht werden kann. Zu diesem Zweck sind bereits mehrere Maßnahmen (2) zu verschiedenen Gewässerschutzaspekten vorgelegt worden, insbesondere die Richtlinie zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik (3), der im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Grundwasserverschmutzung große Bedeutung zukommt.

    1.2

    Der Grundwasserschutz wird derzeit im Wesentlichen durch die Richtlinie 80/68/EWG (4) über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe sowie durch Artikel 17 der WRRL, dem grundlegenden Rechtsrahmen für die Verhinderung und Überwachung der Gewässerverschmutzung, geregelt.

    1.3

    Die wichtige Rolle von Grundwasser ist hinreichend bekannt, sowohl für die Trinkwasserversorgung und zahlreiche weitere menschliche Tätigkeiten als auch als Ausgleichsfaktor für Oberflächengewässer. Der Grundwasserschutz muss erneut überprüft werden, da Grundwasser neben direkter Verschmutzung auch von jahrelanger indirekter Verschmutzung durch diffuse Quellen (Auswaschung, Versickerung von Schadstoffen usw.) betroffen ist, die in zunehmendem und entscheidendem Maße zu einer Verschlechterung der Qualität der Grundwasserleiter führt.

    1.4

    Der Grundwasserschutz muss ein wesentliches Ziel der europäischen Rechtsetzung sein, um die vorhandene Verschmutzung zu beseitigen und einer künftigen Verschmutzung vorzubeugen. Die Wiederherstellung der Grundwasserqualität ist schwierig und kostspielig. Die Grundwasserverschmutzung ist folgenschwer für die Trinkwasserentnahme und aus diesem Grund muss die Verbesserung des Grundwasserschutzes grundlegender Bestandteil sämtlicher Vorschriften zum Schutz der Gewässer sowie der menschlichen Gesundheit und Lebensqualität sein.

    1.5

    Mit dem Inkrafttreten der WRRL wurde ihr Artikel 17 die rechtliche Grundlage für den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung im Rahmen der allgemeinen europäischen Gewässerschutzvorschriften. Da dieser Bereich jedoch auch von anderen Gemeinschaftspolitiken erfasst wird, wie bspw. der GPA, der Industrie-, Gesundheitspolitik usw., gelten auch weitere spezifische Gewässerschutzvorschriften, z.B. im Rahmen der Trinkwasser- (5), der Nitrat (6)-, der Pestizid (7)- und der Biozid (8)-Richtlinie usw.

    2.   Inhalt des Vorschlags

    2.1

    Mit diesem Richtlinienvorschlag stützt sich die Kommission auf Artikel 17 der WRRL, demzufolge spezielle Maßnahmen zur Verhinderung und Begrenzung der Grundwasserverschmutzung im Hinblick auf einen guten chemischen Zustand des Grundwassers spätestens zwei Jahre (2006) nach Inkrafttreten der WRRL umgesetzt sein müssen. Da diese Grundwasserschutzrichtlinie in den allgemeinen Rahmen der WRRL eingebettet ist, ist es überflüssig, erneut auf die Bestimmungen dieser Rahmenrichtlinie, insbesondere die Umweltziele; die koordinierte Verwaltung von Wassereinzugsgebieten einschließlich der Bestimmung und Zuordnung von Grundwässern und der Abgrenzung von Trinkwasserschutzgebieten; die Bestimmungen über die Information und öffentliche Konsultationen der Betroffenen usw. einzugehen.

    2.2

    Allgemeines Ziel des Vorschlags ist es, spezielle Maßnahmen zur Verhinderung und Begrenzung der Grundwasserverschmutzung festzulegen, indem Kriterien für

    die Beurteilung eines guten chemischen Zustand des Grundwassers und

    die Ermittlung signifikanter und anhaltender steigender Trends sowie für die Festlegung eines Ausgangspunkts für die Trendumkehr aufgestellt werden.

    2.3

    Es werden Anforderungen für die Schwellenwerte beschrieben, die die Mitgliedsstaaten für alle in Anhang III aufgeführten Schadstoffe festlegen müssen und die als Ausgangsbasis für die Trendumkehr im Einklang mit der WRRL dienen sollen.

    2.4

    Zusätzlich wird die Anforderung aufgestellt, dass die Mitgliedstaaten in Ergänzung der Bestimmungen der WRRL neue Maßnahmen zur Verhinderung und Begrenzung indirekter Einleitungen von Schadstoffen ins Grundwasser, die den chemischen Zustand des Grundwassers verschlechtern würden, erlassen.

    2.5

    In den Anhängen werden die Qualitätsnormen, das Verfahren zur Bewertung des chemischen Zustands und die Schadstoffschwellenwerte betreffend Grundwasser festgelegt. Besonders hervorzuheben ist Anhang IV betreffend die von den Mitgliedsstaaten vorzunehmende Ermittlung und Umkehr signifikanter und anhaltender steigender Trends der Grundwasserverschmutzung.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der EWSA begrüßt diesen Richtlinienvorschlag als Ergebnis einer Konsultation der Betroffenen und befürwortet im Vergleich zu der Richtlinie 80/68/EWG insbesondere die sich aus dem Vorschlag ableitende Einführung einer neuen Methodologie für die Untersuchung des Zustands der Grundwässer in der EU. Das Kriterium, sämtliche Gewässerschutzvorschriften in den Bewirtschaftungsplänen der Einzugsgebiete zu berücksichtigen und in Verbindung damit die Grundwässer zu bestimmen und zuzuordnen, kann so an die geografischen Voraussetzungen für die jeweiligen Maßnahmen angepasst werden.

    3.2

    Dennoch hält der Ausschuss die Auflistung der Schadstoffe, die die Grundwasserqualität beeinträchtigen, für zu begrenzt; zwar ist der Anteil der Nitrate und Pestizide groß, doch sollten auch die Auswirkungen anderer Prozesse wie bspw. Versickerungen aus Benzintanks, Auswaschung aus Industrieböden und vor allem der Überbeanspruchung der Grundwasserspeicher in Küstengebieten, insbesondere im Mittelmeerraum, und der damit einhergehenden fortschreitenden Grundwasserversalzung berücksichtigt werden.

    3.3

    Positiv zu bewerten ist auch die Einbeziehung aller die Grundwässer betreffenden gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für Pestizide, Biozide usw. Auf diese Weise werden alle die Gewässerqualität beeinflussenden Politiken horizontal miteinander verbunden. In diesen horizontalen Ansatz müssen auf jeden Fall noch andere Rechtsvorschriften miteinbezogen werden, die den Qualitätsbegriff inhaltlich erweitern.

    3.4

    In diesem Sinn sollte in Anhang I des Richtlinienvorschlag der Anwendung der bereits bestehenden europäischen Rechtsvorschriften betreffend Schadstofflisten (9) (auch wenn sie sich auf Oberflächengewässer beziehen) und Schwellenwerte Rechnung getragen werden, denn durch die Berücksichtigung einer größeren Zahl von Substanzen, die eine diffuse Verschmutzung hervorrufen können, könnte eine bessere Qualität der Grundwässer gesichert werden.

    3.5

    Der EWSA befürwortet die Aufstellung von Statistiken über signifikante oder anhaltende steigende Trends bei der Schadstoffkonzentration gemäß Anhang IV, zumal im Einklang mit Anhang V der WRRL bei der Ermittlung der Trends in harmonisierten Zeitreihen durch die Mitgliedsstaaten nicht nur die Bewirtschaftungspläne der Einzugsgebiete, sondern auch die Klima- und Bodenbedingungen jeder europäischen Region berücksichtigt werden.

    3.6

    Die Kommission sollte jedoch konkretere Kriterien in Bezug auf die Parameter, die Indikatoren, Umrechnungsfaktoren usw. vorgeben, um für mehr Präzision zu sorgen, Abweichungen bei der Auslegung von Trends zu vermeiden und einen Vergleich der Ergebnisse der Richtlinie zu ermöglichen.

    3.7

    Im Zusammenhang mit den Informationen, die die Bewirtschaftungspläne bezüglich Grundwasser enthalten müssen, ist das Verfahren wichtig, in dessen Rahmen die Mitgliedstaaten bis zum 22. Juni 2006 die Liste der Schadstoffe, für die sie Schwellenwerte festgesetzt haben, übermitteln müssen.

    3.8

    In diesem Sinn ist das Verfahren der Information und Konsultation der Betroffenen (10), wie Landwirte, NRO, Gewerkschaften, sowie die Möglichkeit der Beteiligung an der Überwachung seiner korrekten Anwendung äußerst wichtig; deshalb muss das Verfahren zur Genehmigung der Bewirtschaftungspläne der Einzugsgebiete über ein öffentliches Verfahren zur Information und Einbeziehung aller Betroffenen untermauert werden. Die Kommission sollte sich über entsprechende Berichte vergewissern, dass diese Konsultierungen ordnungsgemäß durchgeführt werden.

    3.9

    Der EWSA hält eine Begleitung der Umsetzung von Artikel 5 und Anhang II Punkt 2 der WRRL betreffend die Analyse der Merkmale von Einzugsgebieten, die Prüfung der Umweltauswirkungen usw. sowie eine Analyse der Auswirkungen der menschlichen Tätigkeit für erforderlich, damit bei den Bewirtschaftungsplänen der Einzugsgebiete sämtliche sich auf die Grundwässer auswirkenden Einflüsse berücksichtigt werden können. Desgleichen muss die Umsetzung der übrigen Anhänge der WRRL sichergestellt werden, da anderenfalls Artikel 17 Absätze 4 und 5 zur Anwendung kommen, die den Mitgliedsstaaten die Festlegung der Kriterien für die Trendumkehr bezüglich des Grundwasserzustands überlassen.

    3.10

    Es müssen die Voraussetzungen geklärt werden, unter denen indirekte Einleitungen, beispielsweise auch aus diffusen Quellen, im Wege der „grundlegenden Maßnahmen“ unter Artikel 11 Absatz 3 WRRL genehmigt werden können. Das Hauptproblem im Zusammenhang mit indirekten Einleitungen besteht in der Nichtexistenz bzw. Sinnlosigkeit entsprechender Genehmigungen, abgesehen davon, dass ihnen ein Großteil der diffusen Verschmutzung zuzuschreiben ist.

    3.11

    In Bezug auf die notwendigen Forschungsanstrengungen zur Anwendung der neuen Technologien auf die Wasserwirtschaft (11) sollte eine Verbindung zwischen diesem umweltpolitischen Bereich und dem VI. Forschungsrahmenprogramm hergestellt und über eine Forschungszusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen an der Verbesserung der Qualität der aquatischen Umwelt in Europa gearbeitet werden.

    3.12

    Betreffend die Kosten-Nutzen-Analyse im Zusammenhang mit den neuen Bestimmungen ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass eine solche Analyse zwar für sämtliche Gewässer im Zuge der Überwachungs- und Sanierungsmaßnahmen für die Einzugsgebiete bereits durchgeführt worden ist, dass dieser Vorschlag jedoch durch gezielte Maßnahmen eine eindeutigere und einheitlichere Einstufung des Zustands der Grundwässer anstrebt; durch eine Harmonisierung der angelegten Kriterien (12) können Kosten vermieden werden, die dadurch entstehen, dass die auf verschiedenen Parametern beruhenden Beurteilungen des Zustands von Grundwässern nicht vergleichbar sind.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Der EWSA misst dem Vorschlag für eine Grundwasserrichtlinie große Bedeutung bei, da es gegenwärtig keine vergleichbaren Daten über die Grundwasserqualität in der EU gibt. Zwar müssen der WRRL zufolge alle Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete eine Auflistung der Wasserkörper einschließlich der Grundwässer enthalten, doch gibt es immer noch Mitgliedstaaten, die die WRRL noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben. Eventuell könnten die von der GD Umwelt durchgeführten Pilotprojekte für Wassereinzugsgebiete (derzeit ca. 50) auf Grundwasserkörper ausgedehnt werden, um die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zu fördern, wirksam und rasch den Zustand ihrer Grundwässer zu überprüfen und zu beurteilen und entsprechend tätig zu werden.

    4.2

    Im Zusammenhang mit der allgemeinen Beurteilung des Zustands der Grundwässer müssen der WRRL zufolge zur Bewertung der Umweltqualität u.a. die Quellen für diffuse Verschmutzung angegeben werden. In dem Richtlinienvorschlag werden als solche Quellen u.a. „indirekte Einleitungen“ nach Versickerung durch den Boden und Unterboden aufgeführt und somit andere Verschmutzungsquellen, die den chemischen Zustand der Gewässer beeinträchtigen können, ausgeschlossen.

    4.2.1

    Als erstes müsste geklärt werden, inwieweit im geltenden Gemeinschaftsrecht bereits vom vorliegenden Vorschlag abweichende Qualitätsgrenzwerte festgelegt sind, beispielsweise in der Trinkwasserrichtlinie oder der Nitrat- (13) und Pestizid- (14) Richtlinie.

    4.2.1.1

    Auf der Grundlage von Parametern, die in anderen Richtlinien betreffend die Gewässerqualität je nach Verwendungszweck (Haushalte, Landwirtschaft) zur Beurteilung des Zustands der Gewässer festgelegt worden sind, können, gestützt auf die wissenschaftlichen und technischen Informationen, die im Zuge der durch die WRRL vorgeschriebenen Verfahren erteilt werden müssen (Verwendung des Wassers aus dem Einzugsgebiet, Messwerte betreffend den guten chemischen Zustand) für mehr als die in der Mindestliste dieses Vorschlags enthaltenen Substanzen Schwellenwerte festgelegt werden.

    4.2.1.2

    Auf Grund der Anwendung anderer Rechtsinstrumente müssen den zuständigen Behörden außerdem weitere Informationen obligatorisch übermittelt werden, beispielsweise im Zusammenhang mit der IVU-Richtlinie 96/61/EWG (15), in der Schwellenwerte für ca. 26 Gewässerschadstoffe vorgegeben sind.

    4.2.2

    Zweitens wäre es angebracht, die Schadstoffliste in Anhang I und die Mindestlisten in Anhang III des Richtlinienvorschlags an die in Anhang VIII der WRRL aufgeführten Schadstoffe anzupassen, auf die schließlich auch in Artikel 6 des Vorschlags Bezug genommen wird.

    4.2.3

    Davon ausgehend sollte die Kommission von 2007 an alle Parameter zur Beurteilung der Grundwasserqualität harmonisieren.

    4.3

    Schließlich wird die in Artikel 6 des Vorschlags vorgesehene Genehmigung von indirekten Einleitungen mit den Bestimmungen in Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe j der WRRL betreffend das Verbot einer indirekten Einleitung von Schadstoffen in das Grundwasser verknüpft — dies sollte auf unwiderrufliche Weise geschehen.

    4.4

    Der EWSA bekräftigt in diesem Zusammenhang die Relevanz der Information und Einbindung der Betroffenen bei der Umsetzung der Gewässerschutzvorschriften und befürwortet die Anwendung der neuen Bestimmungen (16) zur Durchführung der Århus-Konvention, die die Information, Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten nicht nur auf Ebene der Mitgliedsstaaten, sondern auch auf Ebene der Gemeinschaft erleichtern.

    4.5

    Abschließend sollte die Kommission bedenken, dass eine grundlegende Voraussetzung für die Verwirklichung der im sechsten Programm vorgeschlagenen Umweltziele in der Zusammenarbeit und Koordinierung aller Gemeinschaftsinstitutionen besteht, insbesondere der Generaldirektionen, die Doppelarbeit, Abweichungen und insbesondere Widersprüche bei der Verwendung von öffentlichen Mitteln vermeiden müssen.

    4.5.1

    In diesem Zusammenhang ist es von vorrangiger Bedeutung, alle vorhandenen, derzeit über verschiedene akademische Einrichtungen, Behörden und Institute verstreuten wissenschaftlichen, technischen und sozialen Informationen zusammenzutragen und auszuwerten, um der Kommission die Weiterentwicklung der verschiedenen Richtlinien betreffend die Bewirtschaftung der Wasserressourcen der EU umfassend zu erleichtern.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 72.

    (2)  Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik (KOM(2000) 47 endg.); Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlaments und den Wirtschafts- und Sozialausschuss über „Die Preisgestaltung als politisches Instrument zur Förderung eines nachhaltigen Umgangs mit Wasserressourcen“ (KOM(2000) 477 endg.).

    (3)  KOM(2003) 847 endg. Kodifizierung 7.1.2004 betreffend die Gewässer der Gemeinschaft ohne Grundwässer.

    (4)  ABl. L 20 vom 26.1.1980, S. 43.

    (5)  Geänderte Richtlinie 98/83/EG (ABl. L 330 vom 5.12.1998, S. 32).

    (6)  Richtlinie 91/676/EWG (ABl. L 375 vom 31.12.1991, S. 1).

    (7)  Geänderte Richtlinie 98/47/EG (ABl. L 191 vom 7.7.1998, S. 50).

    (8)  Richtlinie 98/8/EG (ABl. L 123 vom 24.4.1998, S. 1).

    (9)  Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik. 13. März 2000. Stellungnahme des Ausschusses ABl. C 268 vom 19.9.2000.

    (10)  In Artikel 14 der Wasserrahmenrichtlinie wird ein umfassendes Verfahren für die Information und Anhörung der Öffentlichkeit betreffend die Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete festgelegt, das durch die Arhus-Konvention, die Gegenstand eines Vorschlags für eine Verordnung und Richtlinie ist, ergänzt werden kann. EWSA-Berichterstatterin: Frau Maria Candelas Sánchez Miguel.

    (11)  Stellungnahme des Ausschusses zu der „Ausarbeitung eines Aktionsplans für Umwelttechnologie“, ABl C 32 — 5.2.2004.

    (12)  In Anhang III des Vorschlags werden Schwellenwerte für Grundwasserschadstoffe im Hinblick auf eine Harmonisierung aufgestellt, doch handelt es sich nur um Mindestlisten. Neben der Informationen, die die Mitgliedsstaaten über gefährdete Grundwässer erteilen müssen, können dadurch Sanierungsmaßnahmen gezielter und kostengünstiger durchgeführt werden.

    (13)  Richtlinie 91/676/EWG (ABl. L 375 vom 31.12.1991).

    (14)  Richtlinie 91/414/EWG (ABl. L 230 vom 19.8.1991).

    (15)  Vorschlag zur Änderung der IVU-Richtlinie, KOM(2003) 354 endg., EWSA-Stellungnahme (ABl C 80 vom 30.3.2004).

    (16)  Vgl. hierzu den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Århus-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft (KOM(2003) 622 endg.) und den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (KOM(2003) 624 endg.).


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/44


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zusatz von Vitaminen und Mineralien sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln“

    (KOM(2003) 671 endg. — 2003/0262 (COD))

    (2004/C 112/12)

    Der Rat beschloss am 24. November 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau HEINISCH.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 95 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Der Markt an Lebensmitteln, denen Vitamine, Mineralstoffe oder andere Substanzen zugesetzt wurden, ist durch die unterschiedlichen nationalen Bestimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehr uneinheitlich und stellt daher ein Hindernis des freien Warenverkehrs dar. Daher ist eine einheitliche europäische Regelung — auch zum Schutz des Konsumenten — sehr zu begrüßen.

    1.2

    Zwar muss davon ausgegangen werden, dass eine ausgewogene Ernährung alle lebenswichtigen Vitamine, Mineralstoffe oder sonstigen Stoffe liefern kann, jedoch wird aus verschiedenen Gründen eine solche ausgewogene Ernährung nicht von allen Bevölkerungsgruppen der Europäischen Union erreicht (1).

    1.3

    Der Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen oder anderen Substanzen zu Lebensmitteln zum Zwecke der Anreicherung kann nun in diesem Zusammenhang als eine von vielen Maßnahmen gesehen werden, die Versorgung der Bevölkerung mit essenziellen Nährstoffen zu verbessern, ohne jedoch eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung zu ersetzen.

    1.4   Zur Verbesserung der Ernährungssituation der Bevölkerung sind aber sicher weiterführende Schritte, wie zum Beispiel Informationskampagnen oder Gesundheitserziehung an den Schulen notwendig. Berücksichtigt werden müssen hierbei vor allem auch spezielle Zielgruppen — wie zum Beispiel Senioren —, die häufiger als andere eine Unterversorgung mit gewissen Nährstoffen aufweisen. Auch die Bedeutung von Nahrungsergänzungsmitteln sollte nicht außer Acht gelassen werden.

    1.4.1

    In diesem Zusammenhang möchte der EWSA anregen, geeignete Strategien zu entwickeln, um eine ausreichende Aufnahme von Folsäure in der Bevölkerung sicherzustellen. Dies könnte entweder durch eine europaweite verpflichtende Anreicherung von gewissen Lebensmitteln mit Folsäure oder durch geeignete nationale Informationskampagnen erfolgen.

    1.5

    Der Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen oder anderen Substanzen zu Lebensmitteln zum Zwecke der Anreicherung, sollte nicht zum Normalfall werden. Nicht angereicherte Lebensmittel dürfen nicht diskriminiert werden. Auch sollte beim Konsumenten nicht der Eindruck entstehen, dass Lebensmittel, denen Vitamine, Mineralstoffe oder andere Substanzen zum Zecke der Anreicherung zugesetzt werden, generell höherwertiger einzustufen sind als nicht angereicherte.

    2.   Wesentlicher Inhalt des Vorschlags

    2.1

    Der Vorschlag für eine Verordnung über den Zusatz von Vitaminen und Mineralien sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln soll in den EU-Mitgliedstaaten die Vorschriften für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, denen freiwillig Vitamine, Mineralstoffe oder gewisse andere Stoffe zugesetzt worden sind, harmonisieren.

    2.2

    Der Vorschlag dient nicht zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften für den verpflichtenden Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen zu Lebensmitteln. In einigen Mitgliedstaaten existieren bereits Vorschriften für diese obligatorische Anreicherung von bestimmten Lebensmittelgruppen, um gewisse bekannte regionale Nährstoffdefizite auszugleichen. Da diese stark von den regionalen Gegebenheiten abhängen, wäre eine Harmonisierung in diesem Bereich auch nicht angebracht.

    2.3

    Der Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen und deren Verbindungen zu Lebensmitteln beschränkt sich auf jene, die im Anhang I bzw. II der Verordnung angeführt sind. Zugesetzt werden dürfen sie nur mit dem Ziel, das Lebensmittel entweder anzureichern, eine ernährungsphysiologische Gleichwertigkeit mit einem Referenzlebensmittel herzustellen oder den Gehalt an Substanzen, die während der sachgemäßen Herstellung oder der normalen Lagerung oder Handhabung verloren gehen, wieder herzustellen.

    2.4

    Frische, nicht verarbeitete Erzeugnisse (unter anderem Obst, Gemüse, Fleisch) und Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol % dürfen generell nicht mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert werden, wobei die Möglichkeit besteht, das Verbot in Zukunft auf weitere Lebensmittel oder Lebensmittelgruppen auszudehnen.

    2.5

    Spezielle Etikettierungsvorschriften sind für Lebensmittel, denen Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt worden sind, vorgesehen.

    2.6

    Der Zusatz von anderen Stoffen als Vitaminen und Mineralstoffen wird ebenfalls durch vorliegenden Verordnungsentwurf geregelt.

    2.7

    Durch Aufnahme von Substanzen in den Anhang III der Verordnung besteht die Möglichkeit, den Zusatz von gewissen Substanzen zu Lebensmitteln entweder zu untersagen oder zu beschränken. Substanzen können aber auch unter Beobachtung gestellt werden, wenn es Zweifel an deren Sicherheit gibt.

    2.8

    Zur Erleichterung der Überwachung haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ein Meldesystem für angereicherte Lebensmittel einzuführen, bei dem der zuständigen Behörde ein Muster des Etiketts des Lebensmittels übermittelt werden muss.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über den Zusatz von Vitaminen und Mineralien sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln. Dieser Vorschlag ist sowohl im Sinne des freien Warenverkehrs als auch des Verbraucherschutzes sehr ausgeglichen.

    3.2

    Der EWSA bemerkt, dass das im vorläufigen Vorschlag der Kommission enthaltene Prinzip der Erstellung von Nährwertprofilen im gegenwärtigen Vorschlag nicht mehr enthalten ist. Da jedoch angenommen werden kann, dass Substanzen nur dann zugesetzt werden, wenn sie auch ausgelobt werden können, stimmt der EWSA mit der von der Kommission in der Einleitung vertretenen Auffassung überein, dass Vorschriften für die Erstellung von Nährwertprofilen im gegenwärtigen Vorschlag nicht ausdrücklich vorgesehen werden müssen, da diese bereits im Vorschlag der Kommission zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel geregelt sind.

    3.3

    Der EWSA möchte aber außerdem ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine Abstimmung mit den geplanten Regelungen im Vorschlag für eine Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmittel unverzichtbar ist.

    3.4

    Der EWSA begrüßt ausdrücklich das Verbot des Zusatzes von Vitaminen und Mineralstoffen zu Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol % sowie das Verbot des Zusetzens von Vitaminen und Mineralstoffen zu frischen, nicht verarbeiteten Erzeugnissen. Das Suchtpotenzial von Alkohol ist unumstritten. Daher sollte der Alkoholkonsum nicht durch Zusatz von Vitaminen oder Mineralstoffen angeregt werden.

    3.5

    Der EWSA bemerkt, dass, in Abwesenheit harmonisierter Durchführungsbestimmungen, nationale einzelstaatliche Regelungen beibehalten werden können. Hierunter fällt unter anderem auch die Festsetzung der Höchstmengen an Vitaminen und Mineralstoffen, die zu einem Lebensmittel zugesetzt werden dürfen. Der EWSA würde sich jedoch wünschen, dass eine solche Bestimmung präziser formuliert wird. Als Beispiel könnte die Formulierung in Artikel 11 der Richtlinie 2002/46/EG über Nahrungsergänzungsmittel (2) dienen.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   Artikel 8: Der EWSA bemerkt, dass die empfohlene tägliche Verzehrsmenge in Portionen für Lebensmittel nicht ohne weiteres — im Gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln — angegeben werden kann, da die Auffassungen über Portionsgrößen in den einzelnen Staaten der Europäischen Union stark variieren. Trotzdem sollte sichergestellt werden, dass es zu keiner Überdosierung von Vitaminen und Mineralstoffen kommen kann. Der EWSA empfiehlt daher, in diesem Sinne geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

    4.1.1

    Weiters sollte der Konsument auf die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung hingewiesen werden und vor allem darauf, dass der Konsum von Lebensmitteln, denen Vitamine, Mineralstoffe oder andere Substanzen zugesetzt wurden, nur als ein Teil einer ausgewogenen Ernährung gesehen werden kann und nicht eine ausgewogene Ernährung ersetzen kann. Ein entsprechender Hinweis sollte auf dem Etikett angebracht sein.

    4.1.2

    Ähnliche Bestimmungen sind bereits in der Richtlinie 2002/46/EG über Nahrungsergänzungsmittel (3)  (4) festgehalten.

    4.2

    Artikel 8.3: Der EWSA ist der Auffassung, dass die Etikettierung eines Lebensmittels, dem Vitamine oder Mineralstoffe zugesetzt worden sind, in jedem Fall einen Hinweis über diesen Zusatz enthalten soll. Der EWSA schlägt daher vor, die freiwillige Kennzeichnung durch eine obligatorische Kennzeichnungsverpflichtung zu ersetzen. Denn jeder Konsument sollte die Möglichkeit haben, zwischen angereicherten und nicht angereicherten Lebensmitteln rasch und mit einem Blick zu unterscheiden.

    4.3

    Kapitel 3: Der EWSA ist der Ansicht, dass die speziellen Bestimmungen für Etikettierung, Aufmachung und Werbung (Artikel 8) auch für andere Stoffe als Vitamine und Mineralstoffe gelten sollten, insbesondere die obligatorische Kennzeichnung, welche Stoffe zugesetzt wurden und in welcher Menge diese im Lebensmittel enthalten sind.

    5.   Zusammenfassung

    5.1

    Der Ausschuss betrachtet den Vorschlag als insgesamt ausgewogen und harmonisch.

    5.2

    Eine obligatorische Kennzeichnung, dass Nährstoffe dem Lebensmittel zugesetzt wurden, würde dem Recht des Konsumenten auf Information entgegenkommen.

    5.3

    Weiters sollten geeignete Maßnahmen getroffen werden, um zu verhindern, dass es zu einer übermäßigen Aufnahme von Vitaminen, Mineralstoffen oder sonstigen Stoffen kommt. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, auf die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung hinzuweisen.

    5.4

    Die speziellen Kennzeichnungsverpflichtungen, die im gegenwärtigen Vorschlag nur für mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel vorgesehen sind, sollten auch für Lebensmittel gelten, denen andere Stoffe als Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt wurden.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Siehe auch „Sachstandreport über die Arbeit der Europäischen Kommission im Bereich der Ernährung in Europa“, Oktober 2002 http://europa.eu.int/comm/health/ph_determinants/life_style/nutrition/documents/nutrition_report_de.pdf

    und „Euro Diet – Nutrition & Diet for Healthy Lifestyles in Europe“, 1998

    http://europa.eu.int/comm/health/ph_determinants/life_style/nutrition/report01_en.pdf.

    (2)  ABl. L 183, S. 51, 12.7.2002.

    (3)  ABl. L 183, S. 51, 12.7.2002.

    (4)  ABl. C 14, 16.1.2001.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/46


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Abfälle (kodifizierte Fassung)“

    (KOM(2003) 731 endg. — 2003/0283 (COD))

    (2004/C 112/13)

    Der Rat beschloss am 9. Dezember 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatter war Herr Donnelly.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 101 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind. Der Vorschlag behält den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind.

    1.2

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hält es für sehr sinnvoll, sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammenzufassen. Im Zusammenhang mit dem „Europa der Bürger“ ist es ein wichtiges Anliegen des Ausschusses und der Kommission, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und klarer zu gestalten, damit es für die Bürger besser verständlich und zugänglicher wird, ihnen neue Möglichkeiten eröffnet und sie die spezifischen Rechte, die es ihnen zuerkennt, besser in Anspruch nehmen können.

    Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dienen soll, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt angesichts der genannten Gewährleistung den Vorschlag.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/47


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über ein Gemeinschaftsprogramm zur Erhaltung, Charakterisierung, Sammlung und Nutzung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft“

    (KOM(2003) 817 endg. — 2003/0321 (CNS))

    (2004/C 112/14)

    Der Rat beschloss am 13. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatter war Herr VOSS.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März 2004) mit 92 gegen 3 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Mit der Verordnung (EG) Nr. 1467/94 des Rates über die Erhaltung, Beschreibung, Sammlung und Nutzung der genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft wurde 1994 ein fünfjähriges Aktionsprogramm gestartet, das am 31. Dezember 1999 auslief. Mit diesem Aktionsprogramm griff die Kommission Initiativen des Europäischen Parlaments auf, das bereits in den 80er Jahren in verschiedenen Entschließungen auf das Problem der genetischen Erosion hingewiesen und gemeinschaftliche Initiativen vorgeschlagen hatte, um dieser Entwicklung zu begegnen.

    1.2

    Mit dem Aktionsprogramm wurden 21 Projekte finanziert. Die Mehrheit der Vorhaben betraf die Charakterisierung ex-situ verfügbarer genetischer Ressourcen. Projektteilnehmer waren insbesondere Genbanken, Forschungsinstitute und Nutzer. Teilweise waren unter der Federführung wissenschaftlicher Institute auch NRO (Nicht-Regierungs-Organisationen) einbezogen.

    1.3

    Das Aktionsprogramm wurde, wie in der Verordnung vorgesehen, von einer Gruppe unabhängiger Sachverständiger evaluiert. Der von der Gruppe erstellte Bericht bewertet das Aktionsprogramm insgesamt positiv, fordert eine Erhaltung und Verstärkung der Aktionen und enthält unter anderem folgende Vorschläge:

    ein größeres Gleichgewicht zwischen Pflanzen- und Tierprojekten ist anzustreben,

    Integration des Konzeptes der In-situ-Erhaltung und der On-farm-Bewirtschaftung,

    Berücksichtigung der Besonderheiten von Ökoregionen (biogeografische Regionen),

    aktivere Beteiligung der NROs,

    verstärkte Koordinierung zwischen Mitgliedstaaten und Kommission bei Verhandlungen und Aktionen auf FAO-Ebene,

    stärkere Ausrichtung der Maßnahmen auf eine aktivere Beteiligung der Mitgliedstaaten an bestimmten Projektkategorien.

    1.4

    Die Kommission legte im März 2001 einen Vorschlag für ein neues Gemeinschaftsprogramm vor, der jedoch wieder zurückgezogen wurde, weil sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat sich gegen eine Finanzierung nationaler Maßnahmen im Rahmen der EAGFL-Garantien aussprachen. Eine aktivere Rolle der Kommission bei der Koordinierung und Umsetzung des neuen Programms war gewünscht.

    1.5

    Der vorliegende Verordnungsvorschlag sieht ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm mit einer Laufzeit von drei Jahren vor. Vorrang wird solchen Vorhaben gegeben, bei denen es um die Nutzung genetischer Ressourcen zu folgenden Zwecken geht:

    Diversifizierung der landwirtschaftlichen Erzeugung,

    Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse,

    nachhaltige Bewirtschaftung und Nutzung der natürlichen landwirtschaftlichen Ressourcen,

    Verbesserung der Qualität der Umwelt und des ländlichen Lebensraums,

    Ermittlung von Produkten für neue Nutzungs- und Absatzmöglichkeiten.

    1.6

    Die Durchführung des Gemeinschaftsprogramms soll überwiegend gezielte Aktionen aber auch konzertierte Aktionen und flankierende Maßnahmen umfassen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Ausschuss hat bereits in seiner Stellungnahme (1) vom 24. April 2002 zum später zurückgezogenen Vorschlag KOM(2001) 617 endg. den damaligen Vorschlag der Kommission begrüßt und betont: „… dass der Verlust an genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft längst noch nicht gestoppt ist, so dass weitere Anstrengungen einerseits zur Charakterisierung, Inventarisierung und Erhaltung des Genpotenzials und andererseits zur Aufrechterhaltung der Nutzung der genetischen Vielfalt der landwirtschaftlichen Betriebe von Nöten sind.“

    2.2

    Der EWSA stellt fest, dass der Bewahrung genetischer Ressourcen aufgrund der anstehenden Erweiterung der EU um zehn Beitrittsländer eine zusätzliche Bedeutung zukommt. Gerade der zu erwartende Wandel in der Bewirtschaftung der Kulturlandschaften dieser Länder kann die besondere Vielfalt der genetischen Ressourcen in der landwirtschaftlichen Nutzung in diesen Regionen gefährden.

    2.3

    Es ist erst bruchstückhaft bekannt, welches genetische Potenzial in den zum Teil hochgradig gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Arten steckt. Die potenzielle Nutzung vielfältiger, z.T. bisher unbekannter Eigenschaften ist Basis für eine Vielfalt und Standortangepasstheit in der landwirtschaftlichen Erzeugung.

    2.4

    Es existiert ein Defizit bei der Erfassung des Genpotenzials in den Datenbanken und bei der Vernetzung der Datenbanken. Der EWSA weist darauf hin, dass es klarer Regelungen hinsichtlich der Nutzung und der wirtschaftlichen Verwertung der im Rahmen dieses Programms erfassten Daten bedarf.

    2.5

    Der Ausschuss begrüßt, dass der Schwerpunkt in diesem Verordnungsvorschlag auf die In-situ-Erhaltung und On-Farm-Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen gelegt wird. Die Verordnung wird damit im Besonderen dem globalen Aktionsplan (GPA) der FAO (2) von 1996 gerecht. Auch dort wird eine starke Betonung derartiger Maßnahmen gefordert.

    2.6

    Der Ausschuss begrüßt, dass die Arbeiten der NROs im Programm eine stärkere Beachtung finden.

    2.7

    Der Ausschuss hat bereits in seiner Stellungnahme vom 25. April 2002 festgestellt: „Mindestens so wichtig wie der erwähnte wissenschaftliche Ansatz, ist die gleichzeitige Aufrechterhaltung der Nutzung der Vielfalt an genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft durch die Förderung umweltfreundlicher Anbaumethoden wie einer abwechslungsreichen Fruchtfolge im Rahmen der Zweiten Säule der GAP“. Vergleichbare Maßnahmen sollten auch zur Aufrechterhaltung der Nutzung seltener werdender Nutztierrassen durchgeführt werden. Das „Bewahren durch Aufessen“ kann wertvoller Bestandteil einer neuen, bewussten Vielfalt unserer europäischen Ernährungskultur sein.

    2.8

    Der EWSA unterstreicht daher, dass die Möglichkeiten, die die Zweite Säule der GAP mit der Zielsetzung der Erhaltung und Nutzung genetischer Ressourcen bietet, besser aufgezeigt und nutzbar gemacht werden müssen.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1

    Das vorgeschlagene Dreijahresprogramm 2004-2006 soll mit insgesamt 10 Millionen Euro aus der Haushaltsrubrik 3 „interne Politikbereiche“ finanziert werden. Der Ausschuss begrüßt, dass die Kommission damit die gewünschte aktive Rolle bei der Umsetzung des Programms übernehmen wird. Der Ausschuss hält den Finanzrahmen, verglichen mit dem Vorschlag vom 22. November 2001 (10 Mio. € jährlich über 5 Jahre), für begrenzt und erwartet eine Aufstockung der Haushaltsmittel in 2005.

    3.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Kommission längerfristig die notwendigen Aktivitäten in den gegenwärtigen und neuen Mitgliedstaaten unterstützen und koordinieren sollte. Hierzu gehören nicht nur staatlich geförderte Programme und Projekte sondern auch die zahlreichen NRO-Netzwerke, die bei der Erhaltung und verbesserten Nutzung der genetischen Vielfalt im Rahmen der nachhaltigen Landbewirtschaftung eine wichtige Rolle spielen.

    3.3

    Die Europäische Gemeinschaft würde mit dieser Verordnung einen Teil der Verpflichtungen aus den einschlägigen internationalen Verträgen der Vereinten Nationen (globaler Aktionsplan der FAO (GPA) und Übereinkommen über biologische Vielfalt (Rio 1992)) erfüllen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Kommission rechtzeitig vor Ablauf dieses Programms einen Vorschlag für ein Anschlussprogramm vorlegen sollte. Die Kommission sollte weiterhin die entsprechenden personellen Ressourcen zur Abwicklung dieses Programms bereitstellen.

    3.4

    Der Ausschuss weist darauf hin, dass dieses Gemeinschaftsprogramm eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Verhandlungen der Gemeinschaft bei der WTO über den Schutz regionaler Herkunftsbezeichnungen und nicht wettbewerbsverzerrender öffentlicher Förderung hat. Es stellt einen Beitrag zur Verwirklichung der Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft dar.

    3.5

    Der EWSA erkennt die besondere Bedeutung der von der Kommission angekündigten, aber noch nicht vorgelegten Durchführungsverordnung zu den geänderten Richtlinien 2002 / 53-57 und 66 / 401-401 zum Inverkehrbringen von Saatgut an. Diese Richtlinien wirken sich auf den Zugang zu sogenannten „Erhaltungssorten“ und „Amateursorten“ aus. Auf Initiative des Parlaments wurden die Kennzeichnung und Inverkehrbringung von Saaten geregelt, die nicht die einschlägigen Kriterien zertifizierter Sorten erfüllen. Sie dürfen gegenwärtig nicht vermarktet werden, fallen damit potenziell aus der Reproduktion und Produktion und können somit auch nicht erhalten werden. Die Durchführungsverordnung zu diesen Richtlinien ist seit November 2002 in Vorbereitung.

    3.6

    Die Handelsklassenverordnungen sind nach Auffassung des EWSA auf eine verhindernde Wirkung beim Marktzugang seltener Pflanzen- und Tierprodukte zu überprüfen.

    3.7

    In dem nach Artikel 15 dieses Verordnungsvorschlages vorgesehenen Ausschuss zur Erhaltung, Charakterisierung und Nutzung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft ist eine ausreichende Mitwirkung der NROs sicherzustellen.

    3.8

    In Artikel 9, Abs. 2 der Verordnung sollten ausdrücklich auch Landwirte erwähnt werden.

    3.9

    Der EWSA bittet die Kommission, zwei Berichte zu den Auswirkungen der GAP zu erstellen, die folgende Fragen beantworten:

    a)

    Wie kann die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes ausgestaltet werden, um den Anbau von selten gewordenen Pflanzensorten und die Haltung von seltener werdenden Nutztierrassen als Teil der multifunktionalen Landwirtschaft und als Teil eines umfassenden Programms zur Erhaltung und Nutzung genetischer Ressourcen besser zu integrieren?

    b)

    Welche Folgen haben die Maßnahmen der GAP für die genetische Vielfalt und welche Auswirkungen sind von der Entkopplung und der Cross Compliance zu erwarten?

    3.10

    Auch wenn ein Arbeitsprogramm zur Verordnung noch nicht vorliegt, begrüßt der Ausschuss die detaillierten Zielvorgaben des vorgelegten Verordnungsentwurfs.

    4.   Zusammenfassung

    4.1

    In ihrem Verordnungsvorschlag hat die Kommission die Vorschläge der Mitgliedstaaten, des Parlaments und des EWSA zum zurückgezogenen Vorschlag vom 22. November 2001 bereits sehr weitgehend berücksichtigt. Der EWSA begrüßt den neuen Verordnungsvorschlag und erwartet eine schnelle Verabschiedung, Umsetzung, Evaluierung und Fortsetzung des Programms.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  ABl. C 149 vom 21.6.2002, S. 11-13.

    (2)  Global Plan of Action for the Conservation and Sustainable Utilization of Plant Genetic Resources for Food and Agriculture (GPA).


    30.4.2004   

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    C 112/49


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Durchführung der Richtlinie 96/71/EG in den Mitgliedstaaten“

    (KOM(2003) 458 endg.)

    (2004/C 112/15)

    Die Europäische Kommission beschloss am 25. Juli 2003, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau LE NOUAIL MARLIÈRE.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 93 gegen 1 Stimme bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    Kontext

    1.1   Die Richtlinie

    1.1.1

    Die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern (1) wurde 1996 vom Rat und vom Europäischen Parlament verabschiedet.

    1.1.2

    Zweck der Richtlinie ist es, eine Ausweitung der Möglichkeiten für die Unternehmen, Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten zu erbringen, mit dem sozialen Schutz für die Arbeitnehmer in Einklang zu bringen. Daher werden einige Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen aufgestellt, die unabhängig von dem für das Arbeitsverhältnis des entsandten Arbeitnehmers geltenden Recht für die entsandten Arbeitnehmer im Gastland eingehalten werden müssen. Im Sinne der Richtlinie gilt als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet (Artikel 2 Absatz 1).

    1.1.3

    Mit der Verordnung 1408/71 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit in der EU im Rahmen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Dienstleistungsfreiheit wurde die Entsendung als eine Möglichkeit eingeführt, um während einer weniger als zwölf Monate (2) oder unter bestimmten Voraussetzungen 18 Monate dauernden Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat weiterhin an das System der sozialen Sicherheit des Entsendelands angeschlossen zu bleiben.

    1.1.4

    In der Richtlinie 96/71/EG wird die praktische Koordinierung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer geregelt. Ihr wesentlicher Kern ist Artikel 3, in dem es um die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer geht, die festgelegt werden

    durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften;

    durch Erfüllung der sich aus der Richtlinie 96/71/EG ergebenden Verpflichtungen;

    durch bestimmte, in Artikel 3 Absatz 1 aufgeführte Arbeitsbedingungen, die in für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen festgelegt sind, sofern sie die im Anhang der Richtlinie genannten Tätigkeiten betreffen, wobei es sich um Tätigkeiten im Bausektor handelt;

    durch besondere Bestimmungen, die es den Mitgliedstaaten überlassen, die Richtlinie nach ihrem Ermessen anzuwenden, z.B. in Bezug auf Entsendungen von sehr kurzer Dauer, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteigt, auf den Mindestlohn und die Aufnahme anderer Tarifverträge als der für den Bausektor geltenden in den Anwendungsbereich der Richtlinie;

    durch eine Bestimmung der Richtlinie, wonach diese nur die Mindestnorm vorgibt, d.h. dass sie günstigeren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer nicht entgegensteht (Artikel 3 Absatz 7).

    1.1.5

    Neben der Umsetzung in Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten wird die Zusammenarbeit der Behörden (Artikel 4) als ein weiteres wichtiges Instrument für die Durchführung der Richtlinie angesehen, und zwar nicht nur für den Informationsaustausch, sondern auch für die Maßnahmen, die zur Verhinderung von Verstößen gegen die Bestimmungen der Richtlinie erforderlich sind. Eine direkte Verhinderung von Verstößen trägt zum sozialen Schutz und zur Dienstleistungsfreiheit bei.

    1.2   Die Stellungnahme des Ausschusses

    1.2.1

    Bereits 1991 veröffentlichte der Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“ (KOM(91) 230 endg. — SYN 346 und Stellungnahme CES 1512/91).

    1.3   Warum eine Mitteilung der Kommission?

    1.3.1

    Diese Richtlinie hätte von den Mitgliedstaaten bis Ende 1999 umgesetzt werden müssen.

    1.3.2

    Artikel 8 der Richtlinie sieht vor, dass die Kommission spätestens zum 16. Dezember 2001 die Anwendung der Richtlinie überprüft, um dem Rat erforderlichenfalls entsprechende Änderungen vorzuschlagen. Nach Ablauf dieser Frist hat die Kommission mit einer Prüfung der Umsetzung der Richtlinie in die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten begonnen. Die diesbezüglichen Ergebnisse finden ihren Niederschlag in der Mitteilung der Kommission über die Durchführung der Richtlinie. Die Mitteilung enthält eine Analyse der Umsetzung in einzelstaatliches Recht. Die Inhalte und Ziele der überprüften Richtlinie werden aufgeführt und die in den Mitgliedstaaten ergriffenen Legislativmaßnahmen beschrieben. Hierbei wird zwischen drei Gruppen von Mitgliedstaaten unterschieden: den Mitgliedstaaten, die den Wortlaut der Richtlinie übernommen haben, ohne näher auszuführen, welche Bestimmungen des nationalen Rechts den in der Richtlinie genannten Aspekten entsprechen; den Mitgliedstaaten, die sich bemüht haben, die den in der Richtlinie genannten Aspekten entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften zu identifizieren und Verweise auf diese Rechtsvorschriften vorgenommen haben, und schließlich den Mitgliedstaaten, die keine besonderen Umsetzungsvorschriften zu den auf entsandte Arbeitnehmer anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften erlassen haben.

    1.3.3

    Bei der Analyse der Rechtsvorschriften wird auf die vertraglichen Bestimmungen, die Durchführung der Zusammenarbeit im Informationsbereich (Artikel 4) sowie auf die Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Richtlinie (Artikel 5 und 6) eingegangen.

    1.3.4

    In Abschnitt 4 ihrer Mitteilung bewertet die Kommission die Situation der Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten, die Methode sowie die Art der anwendbaren Normen und Tarifverträge.

    1.3.5

    Ferner untersucht sie in Abschnitt 4 die praktischen und administrativen Probleme, die sich den Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung stellen, und widmet drei kleine Unterabschnitte den Problemen, die sich dienstleistenden Unternehmern und den entsandten Arbeitnehmern stellen.

    1.3.6

    Die Kommission kommt zu der Schlussfolgerung, dass kein Mitgliedstaat bei der Umsetzung der Richtlinie auf besondere rechtliche Probleme gestoßen sei und dass die Durchführung der Richtlinie praktische Probleme aufwerfen könne, die jedoch zum größten Teil im Laufe der Zeit gelöst werden dürften.

    1.3.7

    Sie zieht ferner den Schluss, dass es daher verfrüht scheine, Änderungen an der Richtlinie ins Auge zu fassen. Der abschließende Vorschlag der Kommission lautet, eine variabel zusammengesetzte Gruppe von Regierungssachverständigen mit der Prüfung der Frage, wie der Zugang zu Informationen über die geltenden Rechtsvorschriften im Aufnahmeland für entsandte Arbeitnehmer erleichtert werden kann, sowie mit der Kontrolle der Einhaltung zu beauftragen, um die aufgetretenen Probleme zu beseitigen (Mitgliedstaaten, die keine speziellen Umsetzungsmaßnahmen erlassen haben, Vorschriften der öffentlichen Ordnung, Suche nach Informationen, Einhaltung nationaler Umsetzungsvorschriften, Durchsetzung von Sanktionen).

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1   Zu den Schwerpunkten der in der Mitteilung vorgenommenen Analyse:

    2.1.1

    Der Ausschuss hält die Mitteilung für nützlich, aber nicht für ausreichend. Er fordert die Kommission auf, eine gründlichere Analyse vorzunehmen, vor allem im Hinblick auf unlautere Geschäftspraktiken und Sozialdumping, die aus missbräuchlich genutzten Entsendungen entstehen können. Der Ausschuss fordert die Kommission ferner zu Konsultationen der richtigen Zielpersonen für die Durchführung in den einzelnen Sektoren auf, vor allem im Bausektor, in dem die Sozialpartner, die auf die im Zusammenhang mit der Definition von entsandten Arbeitnehmern bestehenden Probleme und die Grauzone in Bezug auf „selbständige“ Arbeitnehmer hingewiesen haben, noch nicht konsultiert wurden. Diese eingehendere Analyse könnte sich verstärkt auf die praktische Anwendung von Artikel 3 der Richtlinie zur Wahrung der grundlegenden Rechte der hier genannten Arbeitnehmer konzentrieren. In diesem Zusammenhang wirft der Ausschuss die Frage auf, ob bei der ersten Analyse der in den Mitgliedstaaten durchgeführten Konsultationen die Probleme bei der praktischen Umsetzung die tatsächliche Lage der Umsetzung und die Anwendungsbestimmungen eingeschätzt werden konnten. Der Ausschuss hält es auf jeden Fall für erforderlich, die günstigsten Bestimmungen eingehender zu untersuchen, um einen Vergleich bewährter Verfahren zu erleichtern und allen Arbeitnehmern sowie den betroffenen Unternehmen bessere Informationen an die Hand zu geben.

    2.1.2

    In Bezug auf die Grundsätze der Richtlinie sind die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gebrauchten Definitionen im Zusammenhang mit den entsandten Arbeitnehmern wichtig. Für die Vollständigkeit der Bewertung müssen präzise Fragen gestellt werden. Wie erkennen die Mitgliedstaaten einen entsandten Arbeitnehmer an und wenden die Richtlinie dementsprechend an? Welche Arten von Maßnahmen werden von den Mitgliedstaaten oder den Sozialpartnern getroffen, um die Einhaltung der Richtlinie zu gewährleisten? In dieser Hinsicht sind einige Aspekte von besonderer Bedeutung:

    eine klare Abgrenzung der in allen betroffenen Sektoren geltenden Rechtsvorschriften und Tarifverträge;

    die Position der entsandten Arbeitnehmer im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und die auf sie angewandte Definition;

    der Grundsatz der Anwendung gemeinschaftlicher Mindestnormen;

    der Grundsatz der Gleichbehandlung mit Blick auf den neuen Artikel 13 des Vertrags und die sich hieraus ergebenden Richtlinien;

    die Einhaltung der Bestimmungen zum Mindestlohn;

    die Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit und diejenigen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen;

    die Situation von entsandten Arbeitnehmern aus Drittstaaten;

    die Vollstreckung von Gerichtsurteilen, wie die Rechtssachen Arblade Leloup über Mindestlöhne (3), Guiot (4) und ULAK (5), namentlich vor der Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Irland und dem Vereinigten Königreich.

    2.2

    Angesichts der Unzulänglichkeiten der Mitteilung fordert der Ausschuss die Kommission auf, einen neuen Bericht vorzulegen, der folgende Feststellungen ermöglicht:

    Besteht eine wirkliche Transparenz der Rechte?

    Sind die Rechte der Arbeitnehmer gewährleistet?

    Wird die Mobilität der Arbeitnehmer durch die Anwendung der sich aus der Umsetzung dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten ergebenden Bestimmungen mit Blick auf die Risiken einer protektionistischen Abschottung des Arbeitsmarkts eingeschränkt oder gefördert?

    Werden Wettbewerbsverzerrungen im Hinblick auf den freien Dienstleistungsverkehr vermieden?

    Haben kleine Unternehmen ordnungsgemäßen und ausreichenden Zugang zu den für die Durchführung der umgesetzten Richtlinie erforderlichen Informationen?

    2.2.1

    Mehrere Mitgliedstaaten haben Flächentarifverträge für den Bausektor. Die wesentliche Frage hier lautet, wie die Bestimmungen dieser Tarifverträge für die Durchführung der Richtlinie genutzt werden. Insbesondere die Auslegung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gemäß Artikel 3 ist von Bedeutung. Was ist im Sinne dieser Tarifverträge ein Mindestlohn, was ein bezahlter Mindesturlaub, was sind Mindestruhezeiten? Die Tarifverträge können hier von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat stark variieren. Als Beispiel könnte die Inanspruchnahme von „Sozialfonds“ für Urlaub in einigen Mitgliedstaaten genannt werden. Eine Beteiligung der entsandten Arbeitnehmer an diesen Fonds könnte diesen günstigere Bedingungen garantieren. Die Frage ist, wie diese günstigen Bedingungen beurteilt und berücksichtigt werden können.

    2.2.2

    Nicht alle Mitgliedstaaten haben den Geltungsbereich der tarifvertraglichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer auf weitere, im Anhang der Richtlinie genannte Sektoren ausgedehnt, obwohl diese Möglichkeit in Artikel 3 Absatz 10 zweiter Gedankenstrich ausdrücklich vorgesehen ist.

    2.2.2.1

    Der Ausschuss fordert die Kommission auf, bei den Mitgliedstaaten und neuen Beitrittsstaaten die verfügbaren Informationen über die Zahl der entsandten Arbeitnehmer und die verschiedenen am stärksten betroffenen Sektoren einzuholen, wobei den unterschiedlichen Systemen der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen Rechnung getragen werden muss.

    2.2.3

    Die Europäische Kommission musste in den letzten Jahren mehrfach erkennen, dass die Erwartungen der 1980er Jahre in Bezug auf die Mobilität nicht bzw. nur in sehr geringem Maße erfüllt wurden. Weniger als 2 % der erwerbstätigen EU-Bürger arbeiten im Ausland. Die jährlichen Mobilitätszahlen fallen noch niedriger aus. Nach Schätzungen der EU arbeiten 600.000 Erwerbstätige im Ausland, von denen nicht alle den Status eines entsandten Arbeitnehmers besitzen und unter die Richtlinie fallen. Diese Mobilität scheint sich einerseits auf Führungskräfte und hochqualifizierte Arbeitskräfte und andererseits auf den Bausektor zu beschränken. Das Vorhandensein von Lohn- und Sozialdumping in einigen EU-Mitgliedstaaten und in einigen Branchen ist mit der Tatsache verbunden, dass in diesen Hochrisikosektoren schon eine relativ geringe Zahl von Arbeitnehmern, die ihre Dienstleistungen auf dem Arbeitsmarkt zu niedrigeren Löhnen anbieten, die bestehende Lohnstruktur durcheinander bringen und eine Abwärtsspirale von Löhnen und Preisen auslösen kann.

    2.3   Zur direkten Verhinderung einer Schwächung des sozialen Schutzes und zur Dienstleistungsfreiheit:

    Die Mitteilung ermöglicht es derzeit nicht, aus den in der Praxis aufgetretenen praktischen Problemen Schlussfolgerungen für die Vereinfachung bzw. Überprüfung der Richtlinie zu ziehen. In dieser Hinsicht stellen die Erfahrungen aus den Mitgliedstaaten (Sozialpartner im Bausektor, Verwaltungsbeamte, Arbeitsinspektoren etc.) mit entsandten Arbeitnehmern eine wertvolle Informationsquelle dar und sind daher von großer Bedeutung.

    3.   Besondere Bemerkungen und Vorschläge

    3.1

    Die Kommission sollte bei ihrer erneuten Analyse vor allem den Auswirkungen der Erweiterung auf die Anwendung der Richtlinie sowohl in den jetzigen als auch in den künftigen Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der für den Beitritt geltenden Übergangsfristen Rechnung tragen. Ferner sollten in dieser Analyse die regionale und grenzüberschreitende bzw. die sektorale Dimension bewertet werden, und zwar vor allem im Bausektor.

    Es sollte sichergestellt werden, dass die Wirtschafts- und Sozialpartner auf einzelstaatlicher und auf europäischer Ebene aktiv eingebunden werden. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass untersucht werden sollte, ob die Richtlinie eine Präzisierung der Rechte der entsandten Arbeitnehmer (soziale Sicherheit, Renten usw.) und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen für die Unternehmen im Gastland zulässt.

    3.2

    Ferner empfiehlt der Ausschuss:

    Eine eingehendere Analyse in Richtung der wirtschaftlichen und sozialen Akteure,

    eine Prüfung, wie die Information der Arbeitnehmer und der Unternehmen verbessert werden kann,

    die Förderung von Netzwerken lokaler, regionaler oder grenzübergreifender Verbindungsbüros,

    eine Bestandsaufnahme bewährter Praktiken beim Austausch von Informationen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber, wie z.B. der Informationsaustausch zwischen Finnland und Estland in Talis in Bezug auf die Rechte der entsandten Arbeitnehmer in Finnland,

    eine juristische Bewertung der Vorschriften, um zu prüfen, ob der Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten sowie die Informationen über die geltenden Tarifverträge vor dem Hintergrund der Erweiterung verständlich und zugänglich genug und aktuell sind.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18 vom 21. Januar 1997.

    (2)  Verordnung Nr. 1408/71.

    (3)  Rechtssachen 369/96 und 376/96, EuGH, 23. November 1999.

    (4)  Rechtssache 272/94, EuGH, 28. März 1996.

    (5)  Rechtssachen C49/98, C50/98, C51/98, C53/98.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/53


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 337/75 über die Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP)“

    (KOM(2003) 854 endg. — 2003/0334 (CNS))

    (2004/C 112/16)

    Der Rat beschloss am 16. Februar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. März 2004 an. Berichterstatter war Herr Greif.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung (Sitzung vom 31. März 2004) mit 99 gegen 1 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

    1.1

    Die Kommission hat am 8. Januar 2004 einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 337/75 über die Errichtung des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) vorgelegt. Dieses Dokument (1) enthält neben der Textvorlage zu einer Änderung der Satzung des Zentrums sowie deren Begründung auch eine Darlegung der Hintergründe zu dieser Vorlage.

    1.2

    Anlass für die vorgeschlagene Verordnungsrevision ist die bevorstehende Erweiterung der EU verbunden mit dem Ziel, die Arbeits- und Funktionsweise des Zentrums und dabei insbesondere die Rollen ihrer Hauptorgane — des Verwaltungsrates, seines Vorstandes und des Direktors — an die künftigen Rahmenbedingungen anzupassen.

    1.3

    In ihrer Begründung der Revisionsvorschläge bezieht sich die Kommission dabei:

    auf die Praxis des Zentrums in den letzten Jahren;

    auf die Ergebnisse einer externen Evaluation hinsichtlich der internen Effizienz und der externen Leistungsfähigkeit des Zentrums, ebenso wie hinsichtlich der Arbeitsmethoden seiner Organe unter besonderer Berücksichtigung der Erweiterung (2);

    auf den vom Verwaltungsrat des Zentrums als Follow-up zu dieser Evaluation erlassenen Aktionsplan, der sich insbesondere auf dessen künftige Arbeitweise (v.a. Größe, Zusammensetzung, Arbeitsmethoden, Kosteneffizienz) bezog;

    auf eine gemeinsame Stellungnahme der Verwaltungsräte jener drei Gemeinschaftsagenturen (CEDEFOP, Eurofound und EU-OSHA) (3), die über eine dreigliedrige Verwaltungsstruktur (Regierungen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer) verfügen, in der in Antwort auf die Evaluationen deren Arbeitsweisen und Managementstrukturen thematisiert wurden;

    auf eine Aufforderung des Europäischen Parlaments an die Kommission, vor dem Hintergrund der Erweiterung geeignete Vorschläge zur Rationalisierung der Verwaltungsräte der Gemeinschaftsagenturen zu unterbreiten (4).

    1.4

    Mit dem vorliegenden Dokument kommt die Kommission dieser Aufforderung des Parlaments nach und macht dabei für das CEDEFOP im Wesentlichen folgende Vorschläge:

    Rationalisierung der Arbeitsmethoden des Verwaltungsrates durch eine stärkere Verlagerung von administrativen zu strategischen Aufgaben (u.a. Entscheidungen über mittelfristige Prioritäten, Festlegung des jährlichen Arbeitsprogramms, Beschluss des Haushalts);

    Eindämmung der — unter Annahme unveränderter Statuten — mit der Erweiterung einhergehend gesehenen Kostensteigerungen, die sich v.a. durch eine Zunahme der Mitglieder im Verwaltungsrat von 48 auf 78 Mitglieder ergeben würde (u.a. Vorschlag zur Verringerung der Zahl der Sitzungen des Verwaltungsrates auf eine pro Jahr);

    Beibehaltung der allgemein (so auch von der externen Evaluation) als wesentlich für die positive Performance des Zentrums angesehenen dreigliedrigen Repräsentanz (Regierungen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer) aller Mitgliedstaaten im Verwaltungsrat bei gleichzeitiger statutarischer Formalisierung der Rolle und Aktivitäten der im Verwaltungsrat vertretenen Gruppen (Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer).

    1.5

    Im Speziellen betreffen die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen darüber hinaus folgende statutarischen Neuerungen für das Zentrum:

    Festschreibung des Verfahrens zur Annahme mittelfristiger Prioritäten;

    Spezifizierungen hinsichtlich der Leitung und der Lenkung des Zentrums, insbesondere hinsichtlich der Rolle und Aufgabe des Direktors;

    Modifikationen hinsichtlich der exekutiven Aufgaben des Verwaltungsrates und seines Vorstandes sowie bezüglich der dreigliedrigen Zusammensetzung dieser Organe und ihrer Beziehungen zum Direktor des Zentrums;

    Formalisierung der Gruppenstruktur und Spezifizierung der Gruppenaktivitäten u.a. durch die Einführung der Funktion eines Koordinators für jede der drei Gruppen im Verwaltungsrat (Regierungs-, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter);

    Formulierung der Zieldefinition einer ausgewogenen Vertretung von Männern und Frauen in den Organen des Zentrums;

    Erteilung des dezidierten Auftrages zur Zusammenarbeit mit der Europäischen Stiftung für Berufsbildung (ETF) in Turin.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Das CEDEFOP teilt mit der Dubliner Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und der Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Bilbao als gemeinsames Merkmal die maßgebliche Einbindung der Sozialpartner in deren Verwaltung, die bis heute knapp Zweidrittel der Verwaltungsratsmitglieder stellen. Darin spiegelt sich die Bedeutung, die den nationalen Sozialpartnern in den entsprechenden Bereichen der Sozial-, Arbeitnehmerschutz- und Berufsbildungspolitik in den meisten Mitgliedstaaten zukommt, was deren starke Einbindung in eine tragfähige und verantwortungsvolle Politikgestaltung in diesen Bereichen auch auf europäischer Ebene notwendig und selbstverständlich macht.

    2.2

    Das CEDEFOP ist die erste dieser drei Gemeinschaftsagenturen, die über eine dreigliedrige Verwaltungsratsstruktur verfügen, bei der die vom Parlament geforderte Anpassung vorgenommen werden soll. Eine gleichlaufende Revision der anderen beiden Agenturen (Eurofound und EU-OSHA) soll in Kürze folgen. Die hinsichtlich der Arbeitsweise und der Managementstrukturen des Zentrums in Thessaloniki vorgeschlagenen Änderungen werden daher auch die Referenz für die anderen beiden Gemeinschaftseinrichtungen abgeben.

    2.3

    Umso sorgfältiger gilt es daher nach Ansicht des EWSA, die vorgelegten Vorschläge zu prüfen, insbesondere hinsichtlich der Beibehaltung der bewährten Partizipations- und Einflussmöglichkeiten der Sozialpartner bei der Arbeit, Leitung und Administration des Zentrums. Denn jede Veränderung in der Rolle und Zusammensetzung der Hauptorgane dieser Gemeinschaftsagenturen kann Einfluss auf die Einbindung und auf die Partizipationsmöglichkeiten der im Verwaltungsrat vertretenen Gruppen haben.

    2.4

    In diesem Zusammenhang darf nach Ansicht des EWSA die Erweiterung der Union nicht zum Anlass genommen werden, unter Gesichtspunkten der Kosteneffizienz und der Straffung der Arbeitsweisen die Rolle der Sozialpartner in den Agenturen zu schwächen. Vielmehr gilt es ein Statut zu gestalten, dass die zu erhaltende besondere Einbindung der Sozialpartner an künftig geänderte Bedingungen anzupassen vermag.

    2.5

    In Übereinstimmung mit der Meinung der Kommission ist es für den EWSA in diesem Sinn bei allen Vorschlägen zu Revisionen der Zusammensetzung und der Leitlinien für die Leitung und das Management des Zentrums von besonderer Bedeutung, dass die uneingeschränkte Beibehaltung der dreigliedrigen Lenkungsstruktur und somit die gleichberechtigte Beteiligung der Sozialpartner aller Mitgliedstaaten als Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Arbeit des Zentrums uneingeschränkt erhalten bleibt. Nur so bleibt gewährleistet, dass alle maßgeblichen Akteure eingebunden werden und die Vielfalt der Systeme und Konzepte im Bereich der Berufsbildung in der Arbeit des Zentrums ihre Berücksichtigung findet.

    2.6

    So wichtig es ist, die künftige Handlungsfähigkeit der Leitungsorgane zu gewährleisten und so nachvollziehbar die Kostenargumente hinsichtlich der prognostizierten Folgen der Erweiterung der Union auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrates erscheinen mögen, so sehr ist nach Auffassung des EWSA in diesem Sinn bei der Revision darauf zu achten, dass hinsichtlich der in den Leitungsorganen des Zentrums vertretenen Interessen, weder die Repräsentativität der Vertretung noch der Grad ihrer Einflussmöglichkeiten aber auch nicht die Breite und Tiefe der Willensbildung und die Kontinuität der Mitwirkung verringert wird.

    2.7

    Diese Prämissen vor Augen begrüßt der EWSA die meisten Änderungsvorschläge der Kommission, hält es jedoch für angebracht, zu einigen Punkten — wie im Folgenden angeführt — einige besondere Anmerkungen und Bedenken zu unterbreiten und hofft, dass diese Eingang in die weiteren Arbeiten zur Revision der CEDEFOP Verordnung finden werden.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1

    Formalisierung bewährter Praktiken: Bei zahlreichen Änderungsvorschlägen der Kommission wird eine Festschreibung dessen vorgeschlagen, was bereits heute der gängigen Praxis des Zentrums entspricht und sich bewährt hat. Das betrifft vor allem die Arbeit des Vorstandes des Verwaltungsrates, Aspekte der Einbindung der Sozialpartner auf nationaler und europäischer Ebene, die Kooperation mit anderen Gemeinschaftseinrichtungen sowie die Koordination der Aktivitäten der in den Leitungsorganen des Zentrums vertretenen Gruppen. Der EWSA begrüßt diese Formalisierung bewährter Praktiken, die bislang weitgehend informellen Charakter hatte, und verknüpft dies mit der Erwartung, dass sich daraus eine Steigerung der Transparenz, Effektivität und auch Verantwortlichkeiten ebenso ergibt, wie die Sicherstellung und Stärkung des dreigliedrigen Charakters des Zentrums.

    3.2

    Rolle der Europäischen Sozialpartner: Der EWSA begrüßt in diesem Zusammenhang auch, dass den europäischen Sozialpartnern im neuen Verordnungsentwurf durch die nun explizit eingeführte Funktion von Gruppenkoordinatoren und deren Teilnahmerecht bei den Sitzungen des Verwaltungsrates und dessen Vorstand eine wichtige Rolle im Management des Zentrums eingeräumt wird (5). In diesem Zusammenhang kommt dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) sowie der Union der Industrie und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE) eine vorrangige Stellung zu. Um diese bedeutende Rolle zu unterstreichen schlägt der EWSA vor, den Koordinatoren durch eine entsprechende Änderung in Artikel 4 Absatz 5 des Verordnungsentwurfes auch das Stimmrecht im Verwaltungsrat und dessen Vorstand zu geben und diese bedeutende Rolle der europäischen Sozialpartner konsequenterweise auch durch ihre Partizipation bei der Bestellung der Leitungsfunktionen des Zentrums (Direktor, stellvertretender Direktor) festzuschreiben.

    3.3

    Kooperation mit Instituten und Behörden: Weiters begrüßt der EWSA vor dem Hintergrund der Lissabonner Strategie und der Bedeutung der Aus- und Weiterbildung sowie dem Konzept des Lebenslangen Lernens darin die Festschreibung des Kooperationsauftrages des Zentrums mit der Europäischen Stiftung für Berufsbildung in Turin (6). Der Ausschuss verknüpft damit die Hoffnung, dass damit nicht bei einer intensiveren Kooperation der beiden mit eigenständigem Auftrag ausgestatteten Berufsbildungsagenturen stehen geblieben wird, sondern davon auch ein Schub zur Kooperation und besseren Abstimmung mit anderen europäischen Instituten und Behörden im Bereich der Aus- und Weiterbildung, wie etwa mit der Kommissionsdienststelle EURYDICE im Bereich der Allgemein- und Hochschulbildung ausgehen wird.

    3.4

    Verringerung der Sitzungen des Verwaltungsrates: Als eine zentrale Maßnahme, um den mit der Erweiterung einhergehenden Anstieg der Verwaltungsratssitze mit dem Gebot der Kostenneutralität zu vereinen, schlägt die Kommission die Verringerung der Sitzungen des Verwaltungsrates von zwei auf in der Regel eine pro Jahr vor (7). Begründet wird dies auch mit der neuen stärker strategischen Ausrichtung des Verwaltungsrates, die auch mit seiner Entlastung administrativer Kompetenzen und entsprechender Übertragung eben dieser auf den Vorstand und die Direktion einhergeht.

    Der EWSA weist in diesem Zusammenhang auf Bedenken hin, dass durch die nun in der Regel nur mehr einmal im Jahr geplanten Verwaltungsratssitzungen die Breite des Meinungsaustausches zwischen den Verwaltungsratsmitgliedern leiden könnte. Weiters ist es evident, dass sich durch eine Verringerung der Sitzungen für die Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder, die nicht im künftig aus acht Mitgliedern bestehenden Vorstand vertreten sein werden, Schwierigkeiten ergeben könnten, in der Zeit zwischen den jährlichen Sitzungen in einem kontinuierlichen Informationsfluss und Kontakt untereinander zu bleiben.

    Um diese Bedenken auszuräumen und die notwendige Breite und Tiefe der Meinungsbildung zu gewährleisten, schlägt der EWSA in diesem Zusammenhang zweierlei vor:

    zum einen, den Wortlaut im ersten Satz in Artikel 4 Absatz 6 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75 durch den Zusatz „mindestens“ wie folgt zu ändern: „Der Vorsitzende beruft den Verwaltungsrat mindestens einmal jährlich ein.“

    zum anderen, in Artikel 4 Absatz 10 einen Passus aufzunehmen, der es ermöglicht, nach Bedarf auch Sitzungen eines erweiterten Vorstandes des Verwaltungsrates einzuberufen.

    3.5

    Sicherstellung der Kontinuität der Partizipation: Damit die Kontinuität der Mitwirkungsmöglichkeiten aller Verwaltungsratsmitglieder an der Arbeit gewährleistet bleibt, bedarf es aus Sicht des EWSA darüber hinaus entsprechender flankierender Maßnahmen, die eine mit der Reduktion der Sitzungsfrequenz einhergehende schwächere Präsenz und den verminderten Informationsfluss auszugleichen und zugleich die notwendige Breite und Tiefe der Meinungsbildung zu garantieren vermögen. Hier gilt es insbesondere die gruppeninterne Abstimmung (Regierungen, Arbeitnehmer, Arbeitgeber) sicherzustellen und die Gruppenkoordinatoren, denen in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle zukommt, mit den ausreichenden Möglichkeiten (etwa die Möglichkeit zur Einberufung gesonderter Gruppensitzungen, Antragsrecht auf Einberufung von Sitzungen eines erweiterten Vorstandes u.a.m.) und entsprechenden Ressourcen auszustatten.

    3.6

    Zusammensetzung des Vorstandes: Hinsichtlich der künftigen achtköpfigen Zusammensetzung des Vorstandes des Verwaltungsrates (je 2 Vertreter der im Zentrum vertretenen Gruppen sowie zwei Vertreter der Kommission) (8) hält der EWSA die verstärkte Rolle der Kommission in diesem Leitungsgremium für bemerkenswert und hätte sich für diese Modifikation in der Gewichtung der Interessen eine entsprechende Begründung der Kommission erwartet. Für die Funktionsweise des Zentrums scheint es dem Ausschuss unerlässlich, auch in der Zusammensetzung des Vorstandes eine effektive tripartite Vertretung sicherzustellen. Der EWSA verknüpft daher mit der gestärkten Rolle der Kommission in der Exekutive des Zentrums die Hoffnung, dass dadurch der verstärkten Einbringung von Expertise Vorschub geleistet wird und erwartet, dass die Stimmbalance dadurch nicht geändert wird.

    In diesem Zusammenhang erinnert der Ausschuss an den Vorschlag im Aktionsprogramm des Verwaltungsrates des Zentrums aus dem Jahr 2001, einen erweiterten Vorstand aus wenigen ständigen und weiteren rotierenden Mitgliedern zu etablieren, um einen Ausgleich zwischen ausgewogener Effizienz und notwendiger Breite der Meinungsbildung unter den Verwaltungsratsmitgliedern zu gewährleisten. Der EWSA regt an, dieses Motiv wieder aufzugreifen und in den Verordnungsentwurf in Artikel 4 Absatz 10 zusätzlich zur vorgeschlagenen Regelung hinsichtlich der Möglichkeit zur Einberufung von zusätzlichen Sitzungen explizit auch eine Bestimmung aufzunehmen, die auf Antrag der Vorstandsmitglieder die Einberufung erweiterter Vorstandssitzungen durch den Vorsitzenden ermöglicht.

    3.7

    Rolle des Direktors und Position eines stellvertretenden Direktors: Die Verordnungsrevision legt die Funktion des Direktors im Wesentlichen damit fest, dass er die rechtliche Vertretung des Zentrums wahrnimmt, ihm das Management des Zentrums obliegt und er die Beschlüsse des Verwaltungsrates und des Vorstandes umzusetzen hat (9). Der EWSA äußert sein Bedenken, ob mit dieser sehr knappen Definition der Rolle und Verantwortlichkeit des Direktors hinsichtlich der angestrengten internen Effizienzsteigerung eine für die künftige Arbeit des Zentrums notwendige präzise und trennscharfe Aufgabenteilung zwischen Direktor, Verwaltungsrat und Vorstand vorgenommen wurde.

    Hinsichtlich der Rolle des Direktoriums hält es der EWSA darüber hinaus für zweckmäßig, im Zuge dieser Verordnungsrevision für das CEDEFOP ernsthaft die Wiedereinführung einer auch statutarisch festgeschriebenen Stelle eines stellvertretenden Direktors in Betracht zu ziehen. Damit wäre ein Zustand wiederhergestellt, wie er gut 20 Jahre bis zur Änderung der Satzung im Zuge der Sitzverlagerung von Berlin nach Thessaloniki 1995 in der Praxis bewährt bestanden hat und zur reibungslosen Partizipation der Sozialpartner bei den wesentlichen Personalentscheidungen beigetragen hat. Darüber hinaus wäre damit auch eine Angleichung an die bewährte Praxis und die entsprechende Regelung in der Satzung von Eurofound in Dublin wiederhergestellt, wofür sich der EWSA dezidiert ausspricht. Der Ausschuss schlägt daher eine entsprechende Änderung des Artikel 6 der Verordnung vor, die der entsprechenden Bestimmung in der Verordnung von Eurofound entspricht (10).

    Weiters hält es der EWSA auch für notwendig, in der Verordnung explizit festzuhalten, dass die Einstellungsverträge des Direktors unbedingt durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrates gezeichnet werden sollen. Dies sollte unbedingt auch für die wieder einzuführende Funktion des stellvertretenden Direktors gelten, hinge andernfalls dessen Einstellung letztlich von der Entscheidung des Direktors ab, was der allgemein geübten Praxis der Berücksichtigung der gesamten Breite der Interessen im Verwaltungsrat kaum entspricht.

    3.8

    Festlegung mittelfristiger Prioritäten: In Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung schlägt die Kommission die statutarische Festschreibung der Kompetenz für die Verabschiedung der strategischen Ausrichtung des Zentrums fest. Diese hat demnach in Form der Festlegung von mittelfristigen Prioritäten und der jährlichen Arbeitsprogramme durch den Verwaltungsrat auf Grundlage eines vom Direktor zu unterbreitenden Entwurfes zu geschehen. Auch dabei handelt es sich um eine Festschreibung einer Praxis, die de facto seit Mitte der 90er Jahre der Fall ist. Der EWSA begrüßt die darin zum Ausdruck gelangende Neuorientierung des Verwaltungsrates auf eine vermehrte strategische Rolle. Er wiederholt jedoch auch die Bedenken, ob angesichts der nunmehr auf einmal im Jahr festgelegten Sitzungen die für diese Rolle notwendig breite Meinungsbildung und tragfähige Entscheidungsfindung im Verwaltungsrat garantiert ist. Die bereits in den Punkten 3.4. und 3.6. angeregte Aufnahme einer Verordnungsbestimmung zur Ermöglichung erweiterter Vorstandssitzungen könnte hier Abhilfe schaffen.

    Bei allem Verständnis dafür, dass die festzulegenden Prioritäten, die „von den Gemeinschaftsorganen gewünschten vordringlichen Arbeiten zu berücksichtigen“ (11) haben, hält es der EWSA jedoch für angebracht darauf hinzuweisen, dass auch in Zukunft gewährleistet sein muss, dass die Produkte des Zentrums nicht nur der Politikberatung für Gemeinschaftsorgane und der Regierungen der Mitgliedstaaten dienen, sondern in erster Linie auch den Akteuren in der nationalen Berufsbildungspraxis und hier vor allem den Sozialpartnern in den Mitgliedstaaten zu Gute kommen müssen.

    3.9

    Chancengleichheit: Der EWSA begrüßt schließlich, dass mit der expliziten statutarischen Festschreibung der Zieldefinition einer ausgewogenen Vertretung von Männern und Frauen in den Organen des Zentrums ein konkreter Schritt zur Erfüllung von Artikel 3 EG-Vertrag gesetzt wurde (12) und versteht dies als Auftrag an die entsendenden Mitgliedstaaten und Organisationen der Sozialpartner, bei ihrer Entsendepraxis entsprechende Gender-Standpunkte zur Geltung kommen zu lassen. Der EWSA erwartet, dass diesem Standpunkt auch in der Personalpolitik des Zentrums selbst und hier insbesondere auch bei Personalentscheidungen auf Leitungsebenen Rechnung getragen wird.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  KOM(2003) 854 endg. — 2003/00334 (CNS).

    (2)  Der vollständige Bericht dieser externen Evaluation des CEDEFOP, die Reaktion der Kommission darauf sowie einen vom Verwaltungsrat des Zentrums im Anschluss an diese Evaluation angenommenen Aktionsplan sind verfügbar unter folgender Adresse http://europa.eu.int/comm/education/programmes/evaluation/evaluation_en.html.

    (3)  Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP; Thessaloniki), Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound; Dublin); Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA; Bilbao).

    (4)  Siehe dazu im Rahmen des Entlastungsverfahrens im Europäischen Parlament: EP-Dok. Nr. A5-0079/2003, Absatz 28.

    (5)  Artikel 4 Absatz 5 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75.

    (6)  Artikel 3 Absatz 2 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75.

    (7)  Artikel 4 Absatz 6 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75.

    (8)  Artikel 4 Absatz 8 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75.

    (9)  Artikel 7 Absatz 1 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75.

    (10)  Vgl. Artikel 8 der Verordnung (EWG) 1365/75 des Rates vom 26.5.1975 über die Einrichtung einer Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen: „1. Der Direktor und der stellvertretende Direktor sind von der Kommission aus einer Liste von Kandidaten zu bestellen, die vom Verwaltungsrat erstellt wird; 2. Der Direktor und der stellvertretende Direktor sind auf Grund ihrer Kompetenzen zu ernennen, wobei ihre Unabhängigkeit außer Zweifel stehen; 3. Der Direktor und der stellvertretende Direktor werden für eine Periode von fünf Jahren ernannt. Ihre Funktionsperiode ist erneuerbar.“

    (11)  Artikel 8 Absatz 1 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75.

    (12)  Artikel 4 Absatz 2 des Vorschlages für eine geänderte Verordnung (EWG) Nr. 337/75.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/57


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die soziale Dimension der Kultur“

    (2004/C 112/17)

    Das Europäische Parlament beschloss am 20. November 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 Absatz 4 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen: „Die soziale Dimension der Kultur“.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. März 2004 an. Berichterstatter war Herr LE SCORNET.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 98 Ja-Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Das Europäische Parlament und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss haben beschlossen, die Thematik „Die soziale Dimension der Kultur“ zu einem gemeinsamen Thema zu machen, weil sie der Auffassung sind, dass Kultur und soziale Entwicklung in enger Wechselbeziehung stehen und dieses Beziehungsfeld zunehmend an Bedeutung für die europäische Integrationspolitik gewinnt.

    1.2

    Der Ausschuss hat bereits 1999 in einer Stellungnahme (1) festgestellt: „folgt man der — sehr weiten — Definition von Kultur als Orientierungssystem von Werten, die für die Mitglieder einer Gesellschaft relevant sind, dann strukturiert Kultur auch das Handlungsfeld der Zivilgesellschaft“. Aus Sicht des Ausschusses räumt Kultur — begriffen als Prozess und gemeinsame Form des Denkens und Handelns —, Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe Schlüsselfunktionen ein. Das Projekt der europäischen Verfassung fußt nicht zuletzt auf dem Fundament gemeinsamer Wertvorstellungen, Ziele, Grundrechte und einem neuen Verständnis demokratischen Handelns. Diese Elemente bilden in ihrer Gesamtheit die Grundlagen eines europäischen Kulturverständnisses, dessen soziale Komponenten wie Solidarität, Toleranz, soziale Kohäsion, Maßnahmen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung sowie soziale Integration grundlegend sind. Basierend auf diesem Ansatz hat sich der Ausschuss daher im Rahmen des Europäischen Konvents dafür ausgesprochen, in Zukunft auch zum Bereich „Kultur“ gehört zu werden. Aus all dem ergibt sich die besondere Verantwortung des Europäischen Parlaments als demokratisches Vertretungsorgan der Bürger Europas und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses als institutioneller Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen für diesen Themenkomplex.

    1.3

    Das Europäische Parlament betont zu Recht die „Verpflichtung“, eine „gemeinsame kulturelle Grundlage“ und eine „europäische Zivilgesellschaft“ zu schaffen (2). Das erweist sich als umso dringlicher, als die Dominanz der nationalen Dimension der Kultur, die durch Jahrhunderte übersteigerten Nationalismus gefördert wurde, bei jeder Zunahme an Komplexität wieder aufzuleben droht und durch die Erweiterung — abgesehen davon, dass sie gerade zu größerer Komplexität führt — Nationen beitreten, deren Geschichte, Traditionen und Kultur innerhalb Europas sehr unterschiedlich sind.

    1.4

    Mit dieser Stellungnahme konzentriert sich der Ausschuss im Hinblick auf die knappe Zeitvorgabe im Folgenden zunächst auf drei Kernbereiche.

    2.   Wie soll die europäische Gesellschaft aussehen? Hin zu einer neuen „Kultur“ der Wechselwirkung zwischen wirtschaftlichem, sozialem und ökologischem Handeln

    2.1

    In diesem Zusammenhang ist die „soziale Dimension der Kultur“ nicht nur innerhalb der Union zur „Schaffung“ europäischer Identität und zur Gestaltung eines Projekts und eines Prozesses für das Zusammenleben der Europäer entscheidend, sondern auch nach außen. Was Europa attraktiv macht, ist nicht nur das Ausmaß und die Leistungsfähigkeit des größten Binnenmarkts weltweit, die Höhe des BIP oder die Stärke des Euro. Es ist auch die Originalität und die Zweckmäßigkeit eines Gesellschafts- und Kulturmodells, durch das Europa dank gemeinsamer Werte gelernt hat und immer noch lernt, mit seiner kulturellen Vielfalt ebenso wie mit seinen sozialen und politischen Widersprüchen friedlich umzugehen und sie positiv zu verbinden.

    2.2

    Die gegenwärtigen Umbrüche in der Gesellschaft, wie Auswirkungen der Globalisierung, die soziodemographischen Veränderungen (Revolutionen), Migration und Immigration, die wachsende Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie, die Durchsetzung und Umsetzung des Prinzips der Gleichberechtigung der Geschlechter und andere tiefgreifende sozioökonomische Veränderungen stellen enorme Herausforderungen an die Politik in ihrer sozialen, kulturellen und symbolischen Dimension. Für unsere Gesellschaften ist es heute unverzichtbar, alle ihre Akteure und alle ihre Rahmenbedingungen anzuerkennen und einzubeziehen. Wie das „Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen“ und die entsprechenden Stellungnahmen und Initiativen des EWSA gezeigt haben, werden sie nach dem Platz und der Rolle beurteilt, die sie den Ärmsten und den am stärksten Ausgegrenzten zuteilen.

    2.3

    Geht es nicht darum, der so klassischen hierarchischen Steuerung von oben und der „fürsorglichen Abhängigkeit“ (vgl. die verschiedenen Formen des Wohlfahrtsstaats) heute ein Paradigma der aktiven Teilnahme aller, der „Befähigung“ aller wirtschaftlichen, sozialen, familiären und kulturellen Akteure entgegenzusetzen?

    2.4

    Stellt diese aktive Teilnahme nicht die unabdingbare Voraussetzung eines erfüllten kreativen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens dar? Ist sie somit nicht gleichzeitig ein ethischer und wirtschaftlicher Imperativ? Denn die Achtung und die Verwirklichung seiner selbst und des anderen, der Primat des Grundsatzes der Zusammenarbeit sind die gemeinsamen Merkmale des zeitgenössischen europäischen Humanismus und der globalen Wettbewerbsfähigkeit dieses integrierten Raums.

    2.5

    Durch die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Praktiken entsteht beständig Kultur. Durch die Feststellung und Hervorhebung der Veränderungen der wichtigsten kulturellen Paradigmen im Rahmen dieser Praktiken ließe sich der Begriff „soziale Dimension der Kultur“ operationalisieren.

    2.6

    Das heißt letztlich, dass die Beziehungs- und Verantwortungsfelder zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft gemeinsam neu überdacht und definiert werden müssen.

    3.   Die Auswirkungen der Veränderungen der Arbeitswelt auf Sozialstruktur und kulturelle Werte

    3.1

    Es ist nicht möglich, die tiefgreifenden Umwälzungen in diesen Bereichen in dieser Stellungnahme wirklich gründlich zu analysieren. Es soll nur darauf hingewiesen werden, dass eine solche Analyse sicherlich dazu beitragen würde, den Begriff „Wissensgesellschaft“, ein dynamisches Kernelement der europäischen Integration, wie sie durch den Lissabon-Prozess definiert ist, weiter zu erhellen.

    3.2

    Die weltweite Tendenz, alle Arbeitswelten, einschließlich die der „Konsumarbeit“, geistig zu erfassen und zu verarbeiten, und die gestiegene Bedeutung von Beziehungs-, Stilistik- und Kreativitätskriterien innerhalb dieser Welten sind in Europa in einzigartiger Weise ausgeprägt. Dies ist sicherlich einer der Hauptgründe für den Unterschied in puncto Wettbewerbsfähigkeit, Attraktivität, Bürgersinn und Unternehmergeist, den Europa gegenüber anderen geokulturellen Räumen auf der Welt hat bzw. entwickeln kann.

    3.3

    Zudem stehen Integrations- und Mediationsberufe in einer Gesellschaft, die sich in einem so tiefgreifenden Wandel befindet, an vorderster Front. Die immensen Spannungen, denen diese Berufe ausgesetzt sind, übersteigen die materiellen und objektiven Schwierigkeiten, mit denen diese Art von Arbeit konfrontiert ist. Sie stellen alle auf Solidarität und sozialer Kontrolle fußenden Handlungskriterien innerhalb unserer Gesellschaften in Frage. Die (Um-)Wandlung des symbolischen Raums, der die geistige Welt und Identität dieser Berufe darstellte, muss entschlüsselt werden.

    3.4

    In einer Gesellschaft, in der sich so tiefgreifende Umwälzungen vollziehen, lassen sich die soziale Dimension der Kultur und der kulturelle Ansatz für soziale Fragen nicht mehr voneinander trennen bzw. hierarchisieren. Deshalb lassen sich das Wirtschaftliche, das Soziale und das Politische auf der einen Seite und Arbeit sowie der künstlerische und wissenschaftliche Akt auf der anderen Seite nicht mehr auseinanderdividieren. Ohne jegliche Instrumentalisierung nimmt die eigentliche Bedeutung der schöpferischen Arbeit von Künstlern und Wissenschaftlern beträchtlich zu. Aus diesem Grund sollten insbesondere Überlegungen zu den neuen Formen einer kulturellen Wirtschaft (solidarische Wirtschaft, Vergemeinschaftung der Finanzmittel) angestellt werden.

    4.   Eine neue Kultur der Demokratie

    4.1

    Die Sozial- und die Kulturpolitik sind nicht nur Politikfelder, sondern eine „Kultur“ des gesamten politischen Geschehens. Die kulturelle Demokratie im Sinne von „kulturelle Sicherheit“, „kulturelle Zuverlässigkeit“ und „soziales und kulturelles Regieren“ muss gefördert werden. Von nun an ist es erforderlich, ausdrücklich Überlegungen zur Einführung von kulturellen Rechten, Freiheiten und Pflichten einzuleiten.

    4.2

    Müssen die wichtigsten Paradigmen der kulturellen und sozialen Demokratie nicht überdacht und weiterentwickelt werden:

    das Bildungsparadigma (insbesondere durch den Ausbau von Bildungsangeboten und Angeboten für lebenslanges Lernen)

    das Paradigma der Ressourcenaufwertung (unter Verstärkung der kreativen und kommunikationsfördernden Interpretationen von Kultur und Sozialem)

    das Paradigma der Mediation (mit der Einführung neuer „kultureller Standards“, die aus Situationen sozialer Ausgrenzung insbesondere mehr Sinn und mehr Menschlichkeit ziehen)?

    4.3

    Die Vielzahl von Kernfragen, die sich bei der Konzipierung einer echten sozialen und kulturellen Demokratie stellen, sollten zusammen mit den sozialen Bewegungen, den kulturellen Netzwerken und den Sozialpartnern und nicht nur zwischen den Institutionen vertieft werden. Die Einführung einer Ethik der Zusammenarbeit zwischen allen Partnern ist zweifellos eine der größten Herausforderungen, die es dabei zu bewältigen gilt.

    5.   Empfehlungen

    Ausgehend von diesen ersten, per Definition unausgereiften Überlegungen zur „sozialen Dimension der Kultur“ unterbreitet der EWSA einige Vorschläge:

    5.1   Der kulturelle Auftrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    5.1.1

    Wie einige nationale Wirtschafts- und Sozialräte oder vergleichbare Einrichtungen dies bereits getan haben, möchte der EWSA deutlicher als bisher seinem kulturellen Auftrag gerecht werden. Und dies umso mehr, als „die Entwicklung der Zivilgesellschaft […] ein kultureller Prozess“ (3) ist, wie der Ausschuss in einer früheren Stellungnahme erklärte. Deshalb beabsichtigt der Ausschuss, mit den nationalen WSR und allen Institutionen der Europäischen Union (Parlament, Rat, Kommission, Ausschuss der Regionen) einen aktiven Dialog zu diesem Thema anzuknüpfen und als pluralistisches, dynamisches und innovatives Forum für die Debatten mit der organisierten Zivilgesellschaft über die kulturelle Entwicklung zu fungieren — als echtes Forum zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung und einer kreativen Kulturindustrie (4).

    5.2   Die schrittweise Einrichtung einer europäischen Beobachtungsstelle für kulturelle Zusammenarbeit

    5.2.1

    Der Ausschuss schlägt vor, die Überlegungen zum Vorschlag des Europäischen Parlaments, eine europäische Beobachtungsstelle für kulturelle Zusammenarbeit einzurichten (5), gemeinsam mit der Kommission und dem Parlament fortzusetzen.

    5.2.2

    Dies tut er umso mehr, als er nicht verkennt, dass die Schlussfolgerungen der von der Kommission zu diesem Vorschlag des Parlaments angeforderten Machbarkeitsstudie nicht nur positiv sind. Zwar hält der Ausschuss die gezogenen Schlussfolgerungen für absolut notwendig, aber nicht für hinreichend: Sie zielen nur darauf ab, derzeit aktive Netzwerke und Einrichtungen zu unterstützen und ihre Finanzierung zu überprüfen sowie ein Internetportal einzurichten und vermehrt kulturelle Statistiken zu erstellen (6).

    5.2.3

    Deshalb schlägt der Ausschuss vor, die Ziele einer europäischen Beobachtungsstelle für kulturelle Zusammenarbeit, für deren Einrichtung er sich zusammen mit dem EP einsetzt, in einer Initiativstellungnahme exakt zu definieren. Es sollte auch dafür gesorgt werden, dass es sich um ein interinstitutionelles und grenzübergreifendes „Netzwerk“ mit regionalen und nationalen Knotenpunkten handeln würde, das alle derzeitigen öffentlichen, sozialwirtschaftlichen und privaten Akteure sowie alle (einschließlich vergangener und verschütteter) Erfahrungen nutzt und zwischen ihnen Synergien schafft. Dass es sich also nicht um „noch eine“ zentrale Einrichtung handeln würde. Diese dynamische Zusammenarbeit würde eine eher offensive Entwicklung des Subsidiaritätskonzepts in der europäischen Kulturpolitik fördern. Sie gäbe den europäischen Bürgern die Möglichkeit, direkt an der Schaffung dieses gemeinsamen Kulturraums mitzuarbeiten, und damit auch, sich darin wiederzuerkennen. Der Ausschuss könnte innerhalb dieses Rahmens als Sekretariat und Sammelstelle fungieren, eine echte Daten- und Wissensbank betreiben oder auch durch die Vorlage spezifischer Aktionspläne eine führende Rolle übernehmen.

    5.2.4

    Hierbei ist die beträchtliche Sondierungsarbeit zu berücksichtigen, die die Europäische Agentur in Bilbao und die Europäische Stiftung in Dublin leisten. Sie registrieren und entwickeln „vorbildliche Verfahrensweisen“, kulturelle Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen, der Beschäftigung, der Prävention und dem sozialen Zusammenhalt. Sie zeigen die schon bestehenden Pluspunkte auf, die sich diese europäische Beobachtungsstelle bei einem weitgefassten Verständnis von Kultur zunutze machen könnte.

    5.2.5

    Zudem bestehen zahlreiche Netzwerke zur Thematik Kultur als soziales Band, insbesondere innerhalb ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen und solcher, die dabei sind, es zu werden (Arbeiterviertel, verlassene Industrieregionen, entvölkerte ländliche Räume) — die von der Kommission angeforderte Studie hat bereits 65 ermittelt. Der Ausschuss, der mehrere dieser Netzwerke befragt hat, hält es ebenso wie sie für erforderlich, sie aus der Isolierung zu holen und sie mit immer noch fehlenden Mitteln auszustatten, die es ihnen ermöglichen, weiterzubestehen und sich zu entwickeln. Deshalb sollte die Beobachtungsstelle für kulturelle Zusammenarbeit nicht nur eine Versuchsstätte sein, die schon erprobtes Wissen und Know-how verbreitet, von einem Bereich auf den anderen überträgt, sondern auch Evaluierungsfunktion hat.

    5.2.6

    Diese Aufgabe besteht in erster Linie darin, zu überprüfen, ob die kulturelle Dimension in den gemeinschaftspolitischen Maßnahmen angemessen berücksichtigt wird und insbesondere zur Stärkung der zur Verlängerung anstehenden Programme „Kultur 2000“ und „MEDIA Plus“ beitragen, damit diese Programme einer aufgrund der Erweiterung grundlegend veränderten Realität gerecht werden und auch neue Aktionsbereiche umfassen. Eine solche Beobachtungsstelle könnte eventuell einen eigenen Jahresbericht erstellen.

    5.3   Ständige Kontakte und gemeinsame einschlägige Projekte zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss im Kulturbereich

    5.3.1

    Im Kulturbereich müssen die beiden Institutionen, die die europäischen Völker jede auf ihre ganz eigene Weise vertreten, erkennbar und öffentlichkeitswirksam zusammenarbeiten, gemeinsame Verfahren anwenden und gemeinsame Veranstaltungen organisieren.

    5.3.2

    Eine gemeinsame Sitzung pro Jahr zur Propagierung eines „Europa der Kultur“ könnte dazu beitragen, die Fortschritte der Union auf dem Weg von einer Rechtsgemeinschaft zu einer Wertegemeinschaft zu ermessen, und ein jährliches Ziel zur Förderung zumindest eines wirklich gemeinsamen kulturellen Wertes festzulegen.

    5.3.3

    Ausgehend von den bereits reichhaltigen Erfahrungen der jährlich wechselnden Kulturhauptstädte Europas könnte in der ersten Sitzung der beiden Institutionen als Ziel ein offener Wettbewerb für Vorschläge festgelegt werden, der alle zwei, drei oder vier Jahre (warum nicht im Rhythmus der Olympischen Spiele) in eine Initiative mündet, an der sich alle europäischen Staaten beteiligen. Dabei würden diese Länder selbst die europäische Kultur in die Welt hinaus tragen, indem sie mindestens einen Partner aus einem anderen Kulturkreis in die europäische Initiative einbinden.

    5.3.4

    Außerdem könnten die beiden Institutionen zur Einrichtung einer europäischen „Task-Force“ zur Förderung des kulturellen und künstlerischen Austauschs in Konfliktgebieten beitragen, sowohl zur Konfliktverhütung als auch zur Konfliktnachsorge.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Stellungnahme des EWSA vom 23.9.1999 zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“ — ABl. C 329 vom 17.11.1999.

    (2)  RUFFOLO-Bericht — EP A5-0281/2001.

    (3)  Stellungnahme des EWSA vom 23.9.1999 zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“ (Berichterstatterin: Anne-Marie SIGMUND) — ABl. C 329 vom 17.11.1999.

    (4)  Stellungnahme des EWSA vom 28.1.2004 zum Thema „Kulturindustrie in Europa“ (CESE 102/2004) (Berichterstatter: Herr RODRIGUEZ GARCÍA-CARO).

    (5)  RUFFOLO-Bericht — EP A5-0281/2001.

    (6)  A Feasibility study concerning the creation of a European observatory of Cultural Co-operation (vgl. Final Report to the European Commission — 18th August 2003) http://europa.eu.int/comm/culture/eac/sources_info/pdf-word/final_report_aout_2003.pdf.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/60


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Bilanz und Aktualisierung der Prioritäten der MwSt-Strategie“

    (KOM(2003) 614 endg.)

    (2004/C 112/18)

    Die Kommission beschloss am 20. Oktober 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 11. März 2004 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März 2004 mit 101 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Mit der Verabschiedung der ersten und zweiten Gemeinschaftsrichtlinie über die Mehrwertsteuer hatte sich die Gemeinschaft u.a. verpflichtet, Initiativen zur Errichtung eines gemeinsamen Systems zu ergreifen, das für den innergemeinschaftlichen Handel mittelfristig die Abschaffung der Importabgaben und die Verringerung der Exportabgaben vorsehen soll. Diese Verpflichtung fand in der Absichtserklärung Niederschlag, ein System zu schaffen, das sowohl innerhalb des Binnenmarktes als auch in jedem einzelnen Mitgliedstaat funktionieren sollte.

    1.2

    Die Kommission hat die Vorschläge für die Errichtung eines solchen Systems im Laufe des Jahres 1987 im Rahmen der für die Vollendung des Binnenmarktes im Jahr 1993 geplanten Initiativen formuliert.

    1.2.1

    Diese Regelung sah insbesondere die Schaffung einer harmonisierten und auf zwei Kategorien von Steuersätzen basierenden Struktur, die Angleichung der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Sätze im Rahmen einer vorgegebenen Bandbreite sowie eine Ausgleichsregelung für die Aufteilung der Steuereinnahmen auf die einzelnen Finanzbehörden vor.

    1.3

    Da es nicht möglich gewesen wäre, die Kommissionsvorschläge vor Januar 1993 zu verabschieden, beschloss der Rat bereits im Jahr 1989, eine Übergangsregelung anzuwenden, die einerseits die Abschaffung jedweder Art von Grenzkontrolle vorsah und andererseits die Erhebung der Steuerabgabe in dem Mitgliedstaat gewährleistete, für den die Ware und/oder Dienstleistung bestimmt war.

    1.3.1

    Gleichzeitig bekräftigte der Rat den Willen, ein endgültiges System nach dem Prinzip der Besteuerung der Waren und Dienstleistungen im Ursprungsland einzuführen und gab als Frist den 31. Dezember 1996 an.

    1.4

    Ganz im Sinne der Willenserklärung des Rates erarbeitete die Kommission folglich ein detailliertes Aktionsprogramm für die Schaffung eines Systems zur Modernisierung und einheitlichen Anwendung des geltenden Systems sowie für die Einführung von schrittweisen Änderungen zur Erleichterung des Übergangsprozesses hin zu einem gemeinsamen und endgültigen Mehrwertsteuersystem.

    1.5

    Gleichwohl fielen die Ergebnisse bescheiden aus, weil in den einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin verschiedene Auffassungen darüber herrschten, ob ein echter Reformprozess für die MwSt-Regelung tatsächlich in Gang gebracht werden sollte oder nicht. Denn zur Gewährleistung der Neutralität der Steuersätze im Rahmen des normalen Wettbewerbsprozesses zwischen Unternehmen wäre es erforderlich gewesen — und die Kommission hat das auch mehrfach vorgeschlagen —, eine gewisse Harmonisierung der Steuersätze und Erhebungsmechanismen herbeizuführen.

    1.6

    Im Juni 2000 legte die Kommission eine Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament vor, in der sie die für die Ausarbeitung einer nachhaltigen Strategie zur Vollendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems erforderlichen Initiativen vorstellte. Die Kernelemente dieses Programms bestanden insbesondere in der Vereinfachung und Modernisierung des Regelwerks sowie in der Verabschiedung von Maßnahmen zur Gewährleistung einer einheitlicheren Anwendung der geltenden Bestimmungen und einer umfassenderen Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Steuerbehörden.

    1.7

    Die Übergangsregelung ist nach verschiedenen Änderungen immer noch in Kraft und dürfte kurzfristig auch nicht ersetzt werden, auch wenn allgemein Einigkeit darüber besteht, dass sie in weiten Teilen unzureichend ist und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes behindert. Drei Jahre nach dem Start des Programms im Jahr 2000 schlägt die Kommission nun in einer Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Überprüfung und Aktualisierung der Prioritäten der MwSt-Strategie auch im Lichte der zwischenzeitlich ergriffenen Initiativen vor.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat im Laufe der Jahre mehrfach seine vorbehaltlose Unterstützung für die Errichtung eines gemeinsamen und endgültigen Mehrwertsteuersystems bekräftigt und die Mitgliedstaaten wiederholt aufgefordert, die zu diesem Zweck geeigneten Strategien anzunehmen. Desgleichen hat er mehrfach die zahlreichen Schwachstellen der derzeitigen Übergangsregelung angeprangert und für die Annahme der erforderlichen Aktualisierungsmaßnahmen plädiert.

    2.2

    Bereits 1988 wies der Ausschuss auf den Anachronismus eines Systems hin, in dem die Handelsgeschäfte zwischen Wirtschaftsbeteiligten innerhalb ein und desselben Marktes — auch wenn sie in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind — als Ein- und Ausfuhren definiert werden. Diese Bezeichnungen sind allenfalls dazu geeignet, Handelsgeschäfte mit Wirtschaftsbeteiligten zu beschreiben, die außerhalb jenes Marktes tätig sind.

    2.3

    Im Übrigen besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die derzeitige Regelung insgesamt unangemessen ist und letztlich sogar das Funktionieren des Binnenmarktes behindert.

    2.3.1

    Der Ausschuss wünscht sich selbstverständlich einen raschen Übergang zu einer endgültigen Regelung. Gleichwohl ist er sich der Tatsache bewusst, dass das einzige realistische Ziel in der derzeitigen Phase, in der sich der Rat mehr zum Sprachrohr der nationalen Regierungen als der gemeinschaftlichen Interessen macht, in einem Aktionsprogramm besteht, das auf die Aktualisierung der geltenden Regelung und auf die Verabschiedung von Maßnahmen zur Förderung des Übergangs zum genannten endgültigen System abzielt.

    2.4

    Der Ausschuss würdigt es, dass die Kommission nicht die Idee eines endgültigen Systems als solches in Frage stellt und befürwortet ihre bedachte Vorgehensweise, erst einmal eine Strategie zur schrittweisen Aktualisierung der geltenden Regelung zu verabschieden. In diesem Sinne begrüßt er die unlängst bei der Vereinfachung und der einheitlicheren Anwendung des Systems erzielten Ergebnisse.

    2.5

    Der Ausschuss begrüßt insbesondere die Verabschiedung der von der Kommission in Anwendung des im Jahr 2000 gestarteten Aktionsprogramms ergriffenen Initiativen.

    2.5.1

    Er befürwortet ganz besonders die Verabschiedung der Richtlinie 2000/65/EG, welche die Abschaffung des Steuervertreters zum 1. Januar 2003 vorsah (1), der Richtlinie 2002/38 über elektronisch erbrachte Dienstleistungen (2), der Richtlinie 2003/92/EG über den Ort der Lieferung von Elektrizität und Gas (3), der Richtlinie 2001/44/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen (4), und die Verabschiedung der Verordnung (EG) 1798/2003 über die Verwaltungszusammenarbeit im Mehrwertsteuerbereich (5). Darüber hinaus möchte er darauf hinweisen, dass die Verabschiedung des Programms „Fiscalis“ im Rahmen der Initiativen zur Förderung einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten bei der Betrugsbekämpfung von großer Bedeutung ist.

    2.6

    Der Ausschuss würdigt erneut die Initiativen der Kommission, gibt jedoch zu bedenken, dass ihr Handeln mitunter von einer gewissen Inkohärenz und einer nicht immer klaren Vision der Prioritätenfolge zeugt. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass sich der Rat weiterhin an der Wahrung einzelstaatlicher Interessen orientiert.

    2.7

    Nach Ansicht des Ausschusses sollte den Maßnahmen zur Gewährleistung einer gemeinschaftsweit einheitlichen Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems im Rahmen der vorgeschlagenen Strategie höchste Bedeutung beigemessen werden. In diesem Zusammenhang hat der EWSA bereits bei anderer Gelegenheit seinen Standpunkt bezüglich der Zweckmäßigkeit kundgetan, den MwSt-Ausschuss in einen Regulierungsausschuss zu verwandeln, der die Kommission bei der Verabschiedung von Durchführungsbestimmungen für die geltenden Regelungen unterstützen sollte — ganz im Sinne des Richtlinienvorschlags aus dem Jahr 1997 und der Mitteilung der Kommission vom Juni 2000 über die Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des MwSt-Systems im Binnenmarkt (6).

    3.   Zur Verabschiedung anstehende Initiativen

    3.1   Vereinfachung des Systems

    3.1.1

    Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass die Vereinfachung der steuerlichen Pflichten, welche den Wirtschaftsbeteiligten im Rahmen der geltenden Steuerregelung auferlegt werden, eine Priorität der Strategie der Kommission darstellen muss, und zwar nicht zuletzt, um den Erfordernissen der Verbraucher gerecht zu werden.

    3.1.2

    In diesem Zusammenhang hält es der Ausschuss für wünschenswert, dass die Arbeiten zu dem Richtlinienvorschlag, der in Ersetzung der Achten MwSt-Richtlinie den grenzüberschreitenden Vorsteuerabzug vorsieht, so schnell wie möglich fortgesetzt werden. Sehr begrüßenswert ist seines Erachtens ferner der Vorschlag des Ratsvorsitzes, zu diesem Zweck ein ähnliches System des Informationsaustauschs und der Umverteilung für die fraglichen Beträge zwischen den Mitgliedstaaten anzuwenden, wie es in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehen ist.

    3.1.3

    Der Ausschuss unterstützt des Weiteren die Initiative der Kommission, eine öffentliche Konsultation über die Vereinfachung und Harmonisierung der steuerlichen Pflichten im Mehrwertsteuerbereich in die Wege zu leiten. In diesem Zusammenhang spricht er sich für die Verabschiedung von Maßnahmen aus, mit denen das Beitragssystem je nach Größe der betroffenen Unternehmen gestaffelt werden kann. Die Kommission hat seit den 90er Jahren eine ganze Reihe beispielhafter Praktiken zusammengetragen, die in den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden, um die sich aus der MwSt-Regelung ergebenden steuerlichen Pflichten für Kleinst- und Kleinunternehmen zu erleichtern (7). Eine Lockerung der gesetzlichen Pflichten würde andererseits auch einen Abbau der Schattenwirtschaft bewirken.

    3.1.4

    Der EWSA begrüßt und unterstützt die Anstrengungen der Kommission zur Einführung des Systems einer „einzigen Anlaufstelle“. Dank dieses Systems können die Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten registriert sind, ihren MwSt-Pflichten auf EU-Ebene in dem Land nachkommen, in dem sie niedergelassen sind (8).

    3.2   Angleichung und Aktualisierung des Systems

    3.2.1

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass unbedingt Maßnahmen zur Verhinderung der Doppelbesteuerung ergriffen werden müssen. So befürwortet er die Absicht der Kommission, zur Lösung der Einzelfälle bei der Doppelbesteuerung Instrumente des Typs einzuführen, wie sie in den internationalen Abkommen im Bereich der direkten Besteuerung gelten.

    3.2.2

    Im Rahmen der künftigen Initiativen zur Gewährleistung einer größeren Harmonisierung des gemeinsamen Systems scheint der Neufassung der Sechsten MwSt-Richtlinie besondere Bedeutung zuzukommen, da sie im Zuge der zahlreichen Änderungen im Laufe der Zeit zu einem komplizierten und schwer lesbaren Rechtsakt geworden ist. Andererseits machen die technologische Entwicklung, die neuen Handelspraktiken und die Privatisierungs- und Liberalisierungstendenzen in vielen Sektoren der EU-Wirtschaft die Überarbeitung mancher Bestimmungen dieser Richtlinie erforderlich, die den wirtschaftlichen Vorgängen nicht mehr angemessen sind.

    3.2.3

    Der Ausschuss pflichtet der Kommission ferner bei, dass eine kurzfristige Straffung der geltenden Ausnahmeregelungen durch Beseitigung derjenigen, die den Wettbewerb verzerren und die allgemeine Einführung jener, die sich als besonders wirksam erwiesen haben, erforderlich ist.

    4.   Leitlinien für die Zukunft

    4.1   Überarbeitung der Regeln über den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen

    4.1.1

    Die Kommission hat eine öffentliche Konsultation gestartet, um in Erfahrung zu bringen, ob eine Änderung der MwSt-Regeln in Bezug auf den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen erforderlich ist oder nicht. Die Konsultation basiert auf einem Dokument, das die Generaldirektion Steuerwesen und Zollunion der Kommission erstellt hat. Darin wird die Zweckmäßigkeit bewertet, vom Prinzip der Besteuerung im Herkunftsland auf das Prinzip der Besteuerung im Empfängerland überzugehen. Mit anderen Worten soll als Ort der Besteuerung der Dienstleistungen nicht mehr der Ort betrachtet werden, wo der Dienstleister ansässig ist, sondern der, an dem der Empfänger der Dienstleistung wohnhaft ist (9).

    4.1.2

    Die Regelung der Besteuerung am Ort des Dienstleisters hat bislang gut funktioniert: gleichwohl können die sich häufenden grenzüberschreitenden Dienstleistungen zu komplizierten Verwaltungssituationen und Wettbewerbsverzerrungen und somit zu einer Doppelbesteuerung oder Nicht-Besteuerung von internationalen Dienstleistungen führen. Die Problematik wurde bei den Dienstleistungen im Rahmen des elektronischen Handels besonders deutlich.

    4.1.3

    Daher sieht die Änderung wie bei der Lieferung von Gegenständen auch für die Erbringungen von Dienstleistungen vor, dass der Empfänger (sofern es sich um ein passives MwSt-Subjekt handelt) und nicht der Erbringer der MwSt-Pflicht unterliegt. Die Änderung würde u.a. den Verwaltungsaufwand für die Wirtschaftsbeteiligten vermindern, da der Erbringer der Dienstleistung nicht mehr wie bislang gezwungen wäre, sich für MwSt-Zwecke registrieren zu lassen, wenn er Leistungen erbringt, die in einem anderen Staat als demjenigen, in dem er ansässig ist, steuerpflichtig sind. Darüber hinaus würde sich in dem Maße, wie die Änderungen an die in Drittländern mit eigenen Verbrauchsteuern geltenden Regeln angepasst würden, eine Verringerung des Risikos der Doppelbesteuerung oder Nicht-Besteuerung internationaler Dienstleistungen ergeben.

    4.1.4

    Der Ausschuss befürwortet die Notwendigkeit, die Bestimmungen über den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen nach den oben genannten Kriterien zu überarbeiten. Gleichzeitig erachtet er es für zweckmäßig, derartige Erwägungen auch für alle Dienstleistungen an Endverbraucher in Betracht zu ziehen. Er pflichtet der Kommission ferner bei, dass es vor diesem Hintergrund sinnvoll ist, das von den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten eingesetzte System zum Informationsaustausch („VIES“) auch auf Dienstleistungen anzuwenden.

    4.2   Betrugsbekämpfung

    4.2.1

    Der Ausschuss teilt die Auffassung, dass die Betrugsbekämpfung im Mehrwertsteuerbereich eine der prioritären Aktionsfelder der Kommission darstellen muss. Denn der MwSt-Betrug hat nicht nur beträchtliche finanzielle Auswirkungen, sondern bewirkt auch Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der unehrlichen Wirtschaftsbeteiligten.

    4.2.2

    Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Regelung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung der Steuerhinterziehung Vorschub leistet. Denn sie bietet die Möglichkeit, mehrwertsteuerpflichtige Geschäfte mit solchen zu kombinieren, für die keine tatsächliche Entrichtung der MwSt vorgesehen ist. Gleichwohl ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Steuerhinterziehung nicht durch Änderungen des derzeitigen Systems, sondern im Rahmen der geltenden Regelung bekämpft werden muss. Denn es ist fraglich, ob eine Strategie auf der Grundlage wesentlicher Änderungen am derzeitigen System die erwünschten Ergebnisse bringt, während die direkten und indirekten Verwaltungskosten mehr als beträchtlich wären.

    4.2.3

    Vor diesem Hintergrund schlägt der EWSA vor, die zur Verfügung stehenden Instrumente der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Staaten auszuschöpfen und weitere vorzusehen. Andererseits sind in diesem Bereich bereits bedeutende Fortschritte erzielt worden: so sieht die Verordnung 1798/2003 für diesen Bereich ausgesprochen stringente Vorschriften vor, welche die Kontaktaufnahme zwischen den einzelstaatlichen Behörden erleichtern. Gleichzeitig wird die Verabschiedung des Programms „Fiscalis“ dank des Einsatzes ausgereifter elektronischer Systeme für den Informationsaustausch eine engere zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Steuerbetrugs ermöglichen. Nach Ansicht des Ausschusses könnten spezifische Strategien, die auf nationaler Ebene ausgearbeitet werden, einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung übermäßiger Formen der Steuerhinterziehung leisten. In diesem Zusammenhang begrüßt er insbesondere die im SCAC vorgeschlagene Initiative, einen Leitfaden über einige von den nationalen Behörden zur Bekämpfung des Steuerbetrugs angewandte Methoden zusammenzustellen.

    5.   Schlussbemerkungen

    5.1

    Der Ausschuss bekräftigt seinen Standpunkt, dass die zahlreichen und gravierenden Schwachstellen der derzeitigen Regelung nur durch die Einführung eines neuen endgültigen Systems zu beseitigen sind. Gleichwohl ist ihm bewusst, dass dieses Ziel unter den gegenwärtigen Umständen kurzfristig nicht realisierbar ist. In diesem Sinne begrüßt er den Realitätssinn der Kommission, die vorschlägt, eine Strategie der schrittweisen Verbesserung des geltenden Systems zu verfolgen.

    5.1.1

    Der EWSA ruft die Mitgliedstaaten und den Rat auf, nicht weiter auf ihren derzeitigen Standpunkten zu verharren, sondern Leitlinien anzunehmen, die eindeutig die Weiterentwicklung des Binnenmarktes zu Gunsten der Unternehmen und vor allem der Verbraucher fördern. Er weist darauf hin, dass die aktuellen Mängel des MwSt-Übergangssystems in einem Europa mit einer einheitlichen Währung nicht weiter toleriert werden können. Er plädiert insbesondere dafür, dass der Kommission im Rahmen der vom Europäischen Konvent vorangetriebenen institutionellen Reform Durchführungsbefugnisse für EU-Rechtsvorschriften übertragen werden und in einem weiteren Schritt im Bereich der MwSt bei denjenigen Steuerarten, die Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation auf dem Binnenmarkt haben, von der Einstimmigkeit zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit übergegangen wird. Im Rahmen der Revision der Rechtvorschriften für den Bereich Steuern sollte auch der MwSt Beachtung geschenkt werden.

    5.2

    Angesichts der Tatsache, dass ein endgültiges gemeinsames MwSt-System derzeit wenig Aussicht auf Erfolg hat, dass aber gleichwohl eine Modernisierung der Übergangsregelung erforderlich ist, befürwortet der EWSA indes, dass die zentralen Aspekte der Verbesserung die Vereinfachung und Aktualisierung der geltenden Bestimmungen, ihre einheitlichere Anwendung und eine engere Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten sein müssen.

    5.2.1

    Er teilt ferner die Auffassung der Kommission, dass die „Modernisierung und Vereinfachung“ und die „Zusammenarbeit und Betrugsprävention“ Teile eines einzigen Pakets sind und somit gleichzeitig vorangetrieben werden müssen.

    In diesem Sinne begrüßt der EWSA die bereits von der Kommission ergriffenen und die übrigen derzeit zur Prüfung vorliegenden Initiativen zur Umsetzung der im Jahr 2000 verabschiedeten Strategie. Der Ausschuss befürwortet insbesondere die Überarbeitung der Bestimmungen über den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen nach Maßgabe der in der zu erörternden Mitteilung skizzierten Leitlinien und ist der Ansicht, dass der Steuerbetrug im Rahmen des geltenden Rechts bekämpft werden muss. Schließlich hält er es für wünschenswert, dass die Arbeiten zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung des Statuts des MwSt-Ausschusses so bald wie möglich wieder aufgenommen werden.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Stellungnahme EWSA: ABl. C 409 vom 30.12.1998, S. 10.

    (2)  Stellungnahme EWSA: ABl. C 116 vom 20.4.2001, S. 59.

    (3)  Stellungnahme EWSA: ABl. C 133 vom 6.6.2003, S. 58.

    (4)  Stellungnahme EWSA: ABl. C 101 vom 12.4.1999, S. 26.

    (5)  Stellungnahme EWSA: ABl. C 80 vom 3.4.2002, S.  76.

    (6)  Stellungnahmen EWSA: ABl. C 19 vom 21.1.1998, S. 56, und ABl. C 32 vom 5.2.2004, S. 120.

    (7)  Vgl. hierzu die Initiativstellungnahme des EWSA zum Thema „Europäische Charta für kleine und mittlere Unternehmen“, (ABl. C 204 vom 18.7.2000, S. 57, Ziffer 1.6 — 12), die Stellungnahme des EWSA zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über ein Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative (2001/2005) (ABl. C 116 vom 20.4.2001) und die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Rolle der Klein- und Kleinstunternehmen im wirtschaftlichen Leben und im europäischen Produktionsgefüge“ (ABl. C 220 vom 16.9.2003, S. 50, Ziffer 3.5).

    (8)  Vgl. Ziffer 3.1.2 in KOM(2003) 614 vom 20.10.2003.

    (9)  In dem Ergebnisbericht über die Konsultation der GD TAXUD zum Thema „MwSt — Ort der Dienstleistung“ (TAXUD/ C3/2357), der dem Richtlinienvorschlag KOM(2003) 822 endg. zugrunde liegt, sprach sich die überwältigende Mehrheit der 57 befragten Organisationen für den vorgeschlagenen Regelungsrahmen aus.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/64


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern“ und zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, bestimmter Verbrauchsteuern und der Steuern auf Versicherungsprämien sowie der Richtlinie 92/12/EWG des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren“

    (KOM(2003) 797 endg. — 2003/0309 (COD) und 2003/0310 (COD))

    (2004/C 112/19)

    Die Kommission beschloss am 13. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgenden Vorlagen zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 11. März 2004 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März 2004 mit 105 Ja-Stimmen bei 1 Gegenstimme und 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    1992 (1) wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie 77/799/EWG auch auf die Verbrauchsteuern ausgedehnt, um die Anwendung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu gewährleisten und wirksam gegen Steuerhinterziehung vorgehen zu können. Diese Ausdehnung war auf das inzwischen alarmierende Ausmaß der Steuerhinterziehungen und ihre Auswirkungen, d.h. erhebliche Einnahmeeinbußen der Mitgliedstaaten sowie Gefährdung des Prinzips der Gleichbehandlung der Wirtschaftsbeteiligten und des Funktionierens des Binnenmarktes, zurückzuführen.

    1.2   Das gegenwärtige Regelwerk wird der Entwicklung des Handels nicht gerecht

    1.2.1

    Das gegenwärtige Regelwerk hat sich zudem als zu starr und als den Erfordernissen des Binnenmarktes im Verbrauchsteuerbereich nicht angemessen erwiesen, vor allem in Anbetracht der zunehmenden Internationalisierung des Handels und des wachsenden grenzüberschreitenden Personen- und Warenverkehrs.

    1.2.2

    Bereits 1997 wurde angesichts der kontinuierlich zunehmenden Betrugsfälle bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren von der Kommission eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Situation im Bereich Tabak und Alkohol prüft und Lösungsvorschläge erarbeitet. In ihrem Abschlussbericht (2) wies diese Arbeitsgruppe auf die unzureichende Koordinierung der Verwaltungen untereinander sowie zwischen den Verwaltungen und der Kommission hin.

    1.2.3

    Insbesondere im Hinblick auf einen rascheren und wirksameren Informationsaustausch ging es bei der wichtigsten Empfehlung der Ad-hoc-Arbeitsgruppe um die Einführung eines EDV-gestützten Systems zur Überwachung der Beförderung (3) und zur Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (also nicht nur Tabak und Alkohol) als Grundvoraussetzung des Ausbaus der Amtshilfe und der Verwaltungszusammenarbeit im Verbrauchsteuerbereich.

    1.2.4

    Die übertriebene Zentralisierung und Unbeweglichkeit der Zusammenarbeit haben bewirkt, dass es zu wenig Kontakte zwischen den örtlichen bzw. den nationalen Betrugsbekämpfungsstellen gab und Maßnahmen weder schnell noch gezielt noch flexibel genug ergriffen wurden.

    1.2.5

    Schließlich waren die Kontrollen wenig effizient, weil es in einigen Bereichen der Zusammenarbeit an klaren Regeln fehlte; dies betraf etwa den spontanen Informationsaustausch, die Anwesenheit ausländischer Beamter bei den Prüfungen oder die Möglichkeit multilateraler Prüfungen oder der Nutzung der von einem anderen Mitgliedstaat übermittelten Informationen.

    1.3   Aktualisierungsbedarf

    1.3.1

    Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen haben sich gegenüber den Verhältnissen, die die Ausarbeitung der Richtlinie über die Verbrauchsteuern, ihren Erlass und die Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs nahegelegt haben, radikal verändert. Eine entsprechend starke Veränderung haben auch die Größe des Binnenmarkts und das innergemeinschaftliche Handelsvolumen erfahren. Die exponentielle Steigerung der innergemeinschaftlichen Umsätze und die bessere Kenntnis der verschiedenen einzelstaatlichen Steuersysteme haben zu einer Zunahme der Steuerhinterziehungen unter Ausnutzung der Lücken im Gemeinschaftsrecht, der erheblichen Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Steuersystemen und ganz allgemein der Ineffizienz der geltenden Kontrollsysteme geführt (4). In diesem Zusammenhang liegt die Notwendigkeit auf der Hand, das Instrument der Verwaltungszusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen Mitgliedstaaten zu modernisieren, zu stärken, zu vereinfachen und effizienter zu gestalten.

    1.3.2

    Angesichts des besonderen Charakters der Prüfungen im Verbrauchsteuerbereich ist es notwendig, die diesbezüglichen spezifischen Bestimmungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 77/799/EWG und der Richtlinie 92/12/EWG herauszunehmen und sie in einem neuen Text in konsolidierter und vereinfachter Form zusammenzufassen, wie dies bereits hinsichtlich der MwSt-Prüfungen (5) geschah.

    2.   Die Vorschläge der Kommission

    2.1

    Zum Ausbau der Verwaltungszusammenarbeit im Verbrauchsteuerbereich schlägt die Kommission einen klareren Rechtsrahmen in Form einer Verordnung vor, d.h. einen in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gültigen Rechtsakt mit eindeutigen und verbindlichen Rechtsvorschriften. Insbesondere sind für den Informationsaustausch unter den Verwaltungen und zwischen diesen und der Kommission effizientere und zügigere Verfahren vorgesehen, so dass wirksamer gegen Steuerhinterziehungen vorgegangen werden kann.

    2.2

    Kapitel I der neuen Verordnung konzentriert sich auf die allgemeinen Bestimmungen und die Verfahren. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist mit der Art der von der Kommission vorgeschlagenen Verfahren völlig einverstanden, da hiermit eine Dezentralisierung der Zusammenarbeit herbeigeführt und der Abbau vieler bürokratischer und rechtlicher Hemmnisse, die die Betrugsbekämpfung allzu oft behindern, ermöglicht wird.

    2.2.1

    Diese Veränderungen sollten folgende Ergebnisse zeitigen: eine Beschleunigung des Informationsaustauschs, eine stärkere Motivierung der Beamten sowie eine effizientere Nutzung der technischen Möglichkeiten, vor allem was das eGovernment anbelangt. Der EWSA nimmt auch die Grenzen zur Kenntnis, an die die gewünschte Zusammenarbeit gegenwärtig bei laufenden Strafverfahren stößt. Diese Grenzen behindern oder verhindern zuweilen geradezu die Identifizierung und strafrechtliche Verfolgung der auf dem Hoheitsgebiet der ersuchenden Behörde operierenden Betrüger. Der Ausschuss wünscht, dass diese Grenzen überwunden werden und schlägt vor, auf die Koordinierung der einzelstaatlichen strafrechtlichen Verfahren hinzuarbeiten, was vorzugsweise mithilfe einer polizeilichen Betrugsbekämpfungsbehörde auf europäischer Ebene, die mit weitergehenden Befugnissen als die derzeitige auszustatten wäre, geschehen sollte.

    2.3

    In Kapitel II, das in fünf Abschnitte unterteilt ist, wird die Zusammenarbeit auf Ersuchen geregelt und werden die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten erneut festgelegt. Außerdem wird hierin ein einziger Rechtsrahmen abgesteckt, der verbindlicher als die bisherige Regelung ist.

    2.3.1

    Was Abschnitt 1 anbelangt, in dem die Vorgehensweise bei Auskunftsersuchen geregelt wird, so weist der EWSA auf den zu großen Ermessensspielraum hin, der der ersuchten Behörde bei der Reaktion auf das Auskunftsersuchen immer noch eingeräumt wird.

    2.3.2

    Abschnitt 2 legt die Frist fest, innerhalb derer dem Auskunftsersuchen nachzukommen ist, und Abschnitt 3 regelt die Anwesenheit von Bediensteten der Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaates in den Amtsräumen der ersuchten Behörde und bei den behördlichen Ermittlungen. Die betreffenden Bediensteten können in gewissen Grenzen intervenieren, allerdings nur bei vorherigem Einvernehmen der beiden beteiligten einzelstaatlichen Behörden.

    2.3.3

    Bezüglich Abschnitt 3 sei darauf hingewiesen, dass auch hier die in dem Mitgliedstaat der ersuchten Behörde geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere strafprozessrechtliche Vorschriften, de facto der Zusammenarbeit einen Riegel vorschieben können, auch wenn diese Zusammenarbeit andererseits durch spezifische Finanzhilfen gefördert wird (6).

    2.3.4

    Abschnitt 4 regelt die Vornahme gleichzeitiger Prüfungen und legt die Rechte und Pflichten der Beteiligten sowie die Verfahren, nach denen vorzugehen ist, genau fest.

    2.3.5

    Auch hier bemängelt der Ausschuss den zu großen Ermessensspielraum, den die ersuchte Behörde hinsichtlich der Vornahme gleichzeitiger Prüfungen hat.

    2.3.6

    Abschnitt 5 legt das Verfahren beim Ersuchen um Zustellung durch die Verwaltung fest.

    2.3.7

    Der EWSA ist mit dem Inhalt von Abschnitt 5 und insbesondere mit der Verpflichtung zur ausschließlichen Verwendung eines Standardformulars für das Zustellungsverfahren einverstanden.

    2.4

    Kapitel III regelt den Informationsaustausch ohne vorheriges Ersuchen.

    2.4.1

    Der Kommissionsvorschlag sieht einen flexiblen und wirksamen Rahmen für einen verstärkten Austausch zwischen den einzelstaatlichen Behörden vor. Dabei beschränkt er sich darauf zu bestimmen, in welchen Fällen dieser Austausch stattfinden soll, verweist jedoch bei anderen wichtigen Gesichtspunkten auf das Regelungsverfahren (7).

    2.5

    In Kapitel IV werden die Modalitäten der Speicherung von Informationen und des Austauschs der gespeicherten Informationen über innergemeinschaftliche Umsätze festgelegt.

    2.5.1

    Der EWSA begrüßt die Einrichtung und/oder Aktualisierung von EDV-Systemen für die Zusammenarbeit. Die Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien stellt einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zu verstärkten und effizienteren Prüfungen dar.

    2.6

    Kapitel V regelt die Beziehungen zwischen den einzelstaatlichen Behörden und der Kommission. Letztere hat dabei keine aktive Rolle zu spielen, sondern lediglich als Wächterin über das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes eine koordinierende und anregende Funktion zu übernehmen.

    2.6.1

    Der EWSA ist sich der grundlegenden Bedeutung und der Vollständigkeit des in der Verordnung vorgesehenen Instrumentariums bewusst, das die einzelstaatlichen Behörden dazu verpflichtet, der Kommission genaue Informationen zur Verfügung zu stellen.

    2.7

    Kapitel VI regelt die Beziehungen zu Drittländern und schafft hierfür eine Rechtsgrundlage, „die die Weiterleitung von gemäß einem bilateralen Abkommen aus einem Drittland übermittelten Informationen an jeden Mitgliedstaat zulässt“.

    2.7.1

    Wie die Kommission hält es auch der EWSA für wichtig, den Informationsaustausch auch auf Drittländer auszudehnen.

    2.8

    Kapitel VII legt die Voraussetzungen für den Informationsaustausch fest.

    2.8.1

    Es sei darauf hingewiesen, dass einige der in Kapitel VII vorgesehenen Einschränkungen auf nationale Verwaltungspraktiken oder nationale Rechtsvorschriften zurückzuführen sind, die leider die Effizienz des Systems so stark beeinträchtigen, dass die Mitgliedstaaten bei einem Betrugsverdacht zuweilen auf die Anwendung der Bestimmungen über die gegenseitige Amtshilfe verzichten.

    2.9

    Kapitel III enthält die Schlussbestimmungen, unter denen insbesondere diejenige hervorzuheben ist, dass zur Durchführung der vorgeschlagenen Verordnung das bereits erwähnte Regelungsverfahren anzuwenden ist.

    2.9.1

    Dieser Teil der Verordnung erfordert keine besonderen Bemerkungen, denn der dort genannte Abstand von fünf Jahren, in dem Berichte über den Stand der Anwendung der Verordnung vorzulegen sind, dürfte auf jeden Fall sinnvoller als der bisherige Abstand von zwei Jahren sein.

    2.10   Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 77/799/EWG und 92/12/EWG

    2.10.1

    Der aktualisierte und nunmehr in dem Verordnungsvorschlag geregelte Teil betreffend die Verbrauchsteuern wird aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 77/799/EWG vollständig herausgenommen. Das gleiche gilt für die die Verbrauchsteuern betreffenden Artikel der Richtlinie 92/12/EWG, die nunmehr in geänderter Form ebenfalls in den Verordnungsvorschlag aufgenommen werden.

    3.   Fazit

    3.1

    Der EWSA begrüßt die von der Kommission vorgeschlagenen neuen Regeln für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und hält es wie sie für notwendig, das Informationsaustauschsystem zu aktualisieren und auszubauen, um die Praxis der Verbrauchsteuerhinterziehung zu bekämpfen. Er nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Vergrößerung des Binnenmarktes und seines Handelsvolumens sowie die steigende Zahl der in mehreren Mitgliedstaaten tätigen Steuerpflichtigen eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Behörden verlangen.

    3.1.1

    Dieses Erfordernis ist äußerst dringlich geworden, nachdem der EWSA immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten angesichts ihres „Versäumnisses (...), die vorhandenen Kooperationsmechanismen zu nutzen“ (8), zu stärken, um dem Betrug vorzubeugen.

    3.2

    Der EWSA erkennt zwar die Eigenheiten und Besonderheiten jedes Steuerbereichs an, hebt jedoch hervor, dass ein wirksames Prüfsystem und die Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einer stärkeren und systematischeren Koordinierung der bestehenden Prüfsysteme in den Bereichen direkte und indirekte Steuern sowie Verbrauchssteuern bedürfen.

    3.3

    Der EWSA bekräftigt die Aussage (9), dass die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede bei den Verwaltungsverfahren die Wirksamkeit der Prüfungen beeinträchtigen, die dafür vorgesehenen Fristen verzögern und ein erhebliches Hindernis für das Funktionieren des Binnenmarkts darstellen.

    3.3.1

    In diesem Zusammenhang muss jede Maßnahme absoluten Vorrang haben, die darauf abzielt, mehr gemeinsame Regeln einzuführen, die für alle Bürger der Gemeinschaft gelten.

    3.3.2

    Hierzu befand der Europäische Rechnungshof in seinem Bericht von 1998 (10), dass bei der Betrugsbekämpfung eine genaue Strategie fehle. Es wurde auf die geradezu paradoxe Situation hingewiesen, dass es zwar einen Binnenmarkt für den Betrug aber keinen Binnenmarkt für den Rechtsvollzug gebe. Außerdem bezifferte der Rechnungshof die Hinterziehungen allein bei der Mehrwertsteuer auf 70 Mrd. Euro, was 21 % der gesamten Einnahmen aller Mitgliedstaaten entsprach (11).

    3.4

    Die Vorteile, die sich aus einem effizienteren Funktionieren des Binnenmarktes und in diesem Fall der Maßnahmen zur Feststellung und Bekämpfung von Steuerumgehung und Steuerhinterziehung ergeben könnten, werden wiederum durch den Willen zum Schutz der nationalen Interessen eingeschränkt. Wie der Ausschuss bereits ausgeführt hat, (12) müssen Verwaltungszusammenarbeit und Betrugsbekämpfung mit Modernisierung und Vereinfachung der Steuersysteme einhergehen. Dies gilt umso mehr in einer erweiterten EU, in der der Harmonisierung noch größere Bedeutung zukommt. Denn zweifellos stehen viele betrügerische Praktiken in unmittelbarem Zusammenhang mit den zuweilen erheblichen Unterschieden zwischen den Verbrauchsteuersätzen der einzelnen Mitgliedstaaten.

    3.5

    Es wäre zweckmäßig, supranationalen Rechtsinstrumenten wie der Europäischen Gesellschaft geeignete Steuerinstrumente und entsprechende Prüf- und Informationsaustauschverfahren zur Seite zu stellen. Mit anderen Worten könnte ein „europäisches“ Austausch- und Prüfsystem ins Auge gefasst werden, das von den derzeitigen einzelstaatlichen Verfahren losgelöst und schrittweise anzuwenden wäre.

    3.6

    Der EWSA weist bei dieser Gelegenheit auf die Einschränkungen hin, die mit dem Einstimmigkeitsprinzip verbunden sind, das derzeit für die meisten steuerrechtlichen Beschlüsse der Gemeinschaft gilt, und bekräftigt die Notwendigkeit, dieses Prinzip durch das Prinzip der (ggf. qualifizierten) Mehrheit abzulösen, wenn es um Steuern geht, die das Funktionieren des Binnenmarktes beeinflussen oder Wettbewerbsverzerrungen verursachen.

    3.7

    Merkwürdigerweise wird häufig, wenn es um mögliche Verzerrungen im europäischen Binnenmarkt geht, auf die Verfassungsgrundsätze der Steuergerechtigkeit im Allgemeinen hingewiesen, doch werden in der Praxis Unterschiede und Privilegien, die sich aus einzelstaatlichen Vorschriften und Verfahren ergeben und die Auswirkungen auf die übrigen Mitgliedstaaten haben, hingenommen.

    3.8

    Angesichts der geltenden einzelstaatlichen Verfahren und des politischen Willens, diese Strukturen nicht umzuwälzen, stimmt der EWSA den vorgeschlagenen Änderungen zu, weil sich die Mitgliedstaaten dadurch aufeinander zu bewegen und einen weiteren, wenn auch noch zu zaghaften Schritt zur Modernisierung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten unternehmen. So begrüßt er beispielsweise, dass auf elektronischem Wege ausgetauschte Informationen mit in Papierform ausgetauschten Informationen hinsichtlich ihrer Rechtswirksamkeit gleichgestellt werden. Der EWSA fordert die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zudem auf, auf Amtshilfeersuchen anderer Behörden unverzüglich zu reagieren und solche Verfahren rein einzelstaatlichen Ermittlungen nicht hintanzustellen. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Prüf- und Informationsaustauschinstrumente technologisch an die ausgeklügeltsten, modernste Technologien nutzenden Formen von Steuerumgehung und -hinterziehung angepasst werden müssen.

    3.9

    Der EWSA hält es für zweckmäßig, der Europäischen Kommission größere Handlungs- und Ermittlungsbefugnisse, etwa durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF, das weitergehende supranationale Prüf-, Ermittlungs- und Interventionsbefugnisse erhalten könnte, zu verleihen.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  ABl. L 76 vom 23.3.1992.

    (2)  Vom Rat „Wirtschaft und Finanzen“ am 19. Mai 1998 genehmigter Bericht.

    (3)  Siehe die EWSA-Stellungnahme zu IDABC (eGovernment-Dienste) — ABl. C 80 vom 30.3.2004.

    (4)  Siehe die EWSA-Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern.

    (5)  Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 (ABl. L 264 vom 15.10.2003, S. 1).

    (6)  Entscheidung Nr. 2235/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2002 über ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Verbesserung der Systeme der indirekten Besteuerung im Binnenmarkt (Programm FISCALIS 2003-2007), ABl. L 341 vom 17.12.2002, S. 1.

    (7)  Siehe Artikel 5, 7 und 8 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse.

    (8)  EWSA-Stellungnahme — ABl. C 80 vom 3.4.2002, S. 76.

    (9)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG — ABl. C 19 vom 21.1.1998, S. 56.

    (10)  ABl. C 349 vom 17.11.1998, S. 15.

    (11)  Ebenda.

    (12)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 des Rates — ABl. C 116 vom 20.4.2001, S. 59.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/68


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der Antrag Kroatiens auf Beitritt zur EU“

    (2004/C 112/20)

    Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 15. Juli 2003, gemäß Artikel 29 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Der Antrag Kroatiens auf Beitritt zur EU“.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 9. März 2004 an. Berichterstatter war Herr Rudolf Strasser.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 98 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    In den Beziehungen zu den westlichen Balkanstaaten ist die Politik der EU darauf ausgerichtet, die Demokratie in diesen Ländern zu stärken sowie die Aussöhnung und die Zusammenarbeit zu fördern. Seit 1991 gewährt die EU finanzielle Unterstützung im Rahmen verschiedener Programme, die bis einschließlich 2002 einen Betrag von rund € 500 Mio. für Kroatien ausgemacht haben. 1999 hat die EU einen Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess mit den westlichen Balkanstaaten vorgeschlagen.

    1.2

    Die Europäische Union stellte beim „Gipfel“ in Zagreb am 24. November 2000 den Balkanstaaten den EU-Beitritt sowie ein entsprechendes Unterstützungsprogramm in Aussicht. Voraussetzung ist, dass die „Kriterien von Kopenhagen“ und die Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Europäische Union erfüllt werden. Die Staaten des westlichen Balkans erklärten, die Verpflichtungen der EU zu akzeptieren und den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP), insbesondere die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) nach deren Unterzeichnung als Instrument für die Vorbereitung auf einen EU-Beitritt einzusetzen.

    1.3

    Am 21. Februar 2003 stellte die kroatische Regierung das Gesuch auf Beitritt zur Europäischen Union. Der Rat beschloss, die Europäische Kommission aufzufordern, gemäß Artikel 49 des EG-Vertrages vorzugehen und ihm ihren Standpunkt zu diesem Beitrittsgesuch vorzulegen.

    2.   Allgemeines

    2.1

    Am 25. Juni 1991 hat sich Kroatien von Jugoslawien unabhängig erklärt. Der Krieg mit Serbien wurde erst 1995 mit dem Dayton Friedens-Abkommen beendet. Die kriegerischen Auseinandersetzungen haben neben großen Verlusten in der Zivilbevölkerung und negativen sozialen Auswirkungen in großen Teilen des Landes schwere Schäden verursacht und zu einem massiven Rückgang im Bruttonationalprodukt geführt.

    2.2

    Das BIP ist zwischen 1990 und 1993 real um 36 % gesunken (1). Vor allem litt die Industrieproduktion unter den Auswirkungen des Krieges. Kroatien muss nicht nur die Transformation von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer funktionierenden Marktwirtschaft bewältigen, sondern auch umfangreiche Umstrukturierungen in vielen Wirtschaftsbereichen als Folge der Trennung von Jugoslawien und vor allem die Folgen des Krieges.

    2.3

    Kroatien verfügt über eine Fläche von 56.542 km2 und hat rund 4,5 Mio. Einwohner. Laut Volkszählungsergebnis im Jahr 2001 gehören 7,47 % der Einwohner einer Minderheit an. Die zahlenmäßige stärkste Gruppe bilden die Serben mit 4,5 %. Der Rest verteilt sich auf Bosnier, Italiener, Ungarn, Albaner, Slowenen, Roma usw.

    2.4

    Die Zeit nach dem Krieg mit Serbien wurde bis zum Tod des Staatspräsidenten Dr. Tudjman (1999) bzw. darüber hinaus bis zu den Parlamentswahlen im Jänner 2000 stark von der nationalistisch ausgerichteten Partei HDZ geprägt. Mit der Bildung einer Koalitionsregierung (Mitte-Links) und der Wahl von Stjepan Mesić zum Staatspräsidenten im Jahr 2000 wurde die politische Basis für notwendige Reformen geschaffen. Bei der Wahl zum Kroatischen Parlament am 23. November 2003 wurde die HDZ, der jetzt die extremen nationalistisch ausgerichteten Kräfte nicht mehr angehören, stimmenstärkste Partei und wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Der EWSA begrüßt, dass die neue Kroatische Regierung ebenfalls ausdrücklich am Integrations- und Reformkurs festhält und sich um einen EU Beitritt mit Nachdruck bemüht, der von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird.

    2.5

    Die makroökonomischen Indikatoren haben sich insbesondere seit 2000 erheblich verbessert. Es gab ein kräftiges Wirtschaftswachstum (2001 + 4,1 %; 2002 + 5,2 % bis zum dritten Quartal 2003 + 3,5 %). Die Inflationsrate konnte von 7,4 % im Jahr 2000 auf 2,3 % im Jahr 2002 gesenkt werden und betrug im Dezember 2003 2,2 %. Diese Entwicklung ist vor allem auf eine hohe Inlandsnachfrage, die Wechselkursstabilität, Liberalisierungsmaßnahmen im Handel, eine moderate Lohnentwicklung, Produktionssteigerungen und mehr Wettbewerb zurückzuführen (2). Dem steht gegenüber, dass die Arbeitslosenrate mit rund 15 % sehr hoch geblieben ist, das Handelsbilanzdefizit 2003 mit $ 7,125 Mrd. einen neuen Höchststand erreicht und sich auch die Staatsverschuldung weiter erhöht hat.

    2.6

    Obwohl die Zahl der Arbeitslosen wieder etwas reduziert werden konnte, ist die hohe Arbeitslosigkeit von rund 15 % (3) eines der großen sozialen und politischen Probleme. Nach Auffassung des EWSA ist besonders kritisch zu sehen, dass in einzelnen Regionen die Arbeitslosigkeit bei bis 40 % liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Kroatien die Beschäftigungsrate mit knapp 50 % im Vergleich zur EU (über 60 %) sehr niedrig ist. In diesem Zusammenhang weist der EWSA darauf hin, dass die Schattenwirtschaft in Kroatien einen großen Umfang hat. Es wird eine der großen Herausforderungen für die Kroatische Regierung sein, unter anderem durch unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen die „Schattenwirtschaft“ wieder zurück zu drängen.

    2.7

    Kritisch wird von der Europäischen Kommission, dem IWF und der Weltbank die öffentliche Gesamtverschuldung gesehen. Die Außenverschuldung in % des BIP hat sich trotz einer sehr hohen Abgabenquote von zuletzt 48,4 % von 44,8 % im Jahr 1998 auf 74,3 % 2003 (4) erhöht. Dieser starke Anstieg hat eine wesentliche Ursache auch im nachkriegsbedingten großen Investitionsbedarf für die Infrastruktur und bei öffentlichen Einrichtungen. Nach Auffassung des EWSA stellt aber auch die hohe Privatverschuldung als Folge einer starken Konsumausweitung ein Problem dar.

    2.8

    In der Weltbankstudie (5) wird u.a. kritisch festgestellt, dass Kroatien etwa im Vergleich zu den Beitrittsländern für die öffentliche Verwaltung mit 11,2 % Anteil am BIP wesentlich mehr aufwendet als die Beitrittsländer (im Durchschnitt 7,2 %). Ähnliches trifft für Transferleistungen zu.

    3.   Demokratie und Rechtstaatlichkeit

    3.1

    Die Europäische Kommission stellt in ihrem Jahresbericht 2003 zum Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess u.a. fest, dass

    die demokratischen Institutionen gut funktionieren; der politische Dialog zwischen Regierung und Opposition aber oft schwierig ist, weil häufig interne Probleme die internationale Agenda überlagern;

    das Parlament seine Befugnisse ungehindert ausübt und die Opposition sich in der parlamentarischen Arbeit voll entfalten kann;

    die legislative Arbeit beschleunigt werden konnte.

    Der EWSA begrüßt diese Fortschritte, weil damit eine entscheidende Voraussetzung für die Teilnahme am europäischen Integrationsprozess geschaffen wird. Es liegt im Interesse Kroatiens, jene Defizite so rasch wie möglich zu beseitigen, die noch eine voll funktionsfähige Demokratie bzw. Rechtsstaatlichkeit behindern.

    3.2

    Im Jahresbericht der Kommission (6) wird festgehalten, in welchen Bereichen noch große Anstrengungen notwendig sind. In der Bewertung der Situation in den Bereichen Justizwesen, Rechtsvollzug und Rechtsstaatlichkeit äußert sich die Kommission kritisch

    zur Arbeitsweise des Justizwesens („Verschleppung der Verfahren gefährdet die Rechtsstaatlichkeit“, „Mangel an qualifizierten Personal“, „Aktenstau“ etc.);

    zur Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln beim Strafvollzug;

    zu Mängeln bei der Bekämpfung der Korruption;

    zur unbefriedigenden Behandlung von Asylansuchen;

    zur Unsicherheit der Rechtsprechung.

    3.3

    Die kroatische Regierung hat Ende des Jahres 2002 ein „Grünbuch“ für eine Reform des Justizwesens vorgelegt. Mit der Einrichtung einer Justizakademie, der Übertragung von Aufgaben an Notare und Rechtspfleger wurden erste wichtige Schritte gesetzt. Der EWSA hofft, dass weitere notwendige Reformmaßnahmen konsequent umgesetzt werden.

    3.4

    Ein großes Problem ist gegenwärtig noch der Mangel an qualifiziertem Personal und die unzureichende technische Ausstattung. Nach Auffassung des EWSA führt die Verzögerung von Gerichtsverfahren mit der Folge eines „Aktenstaus“ zu mangelnder Rechtssicherheit und behindert auch dadurch die notwendigen Strukturreformen.

    3.5

    Ähnlich wie einige Betrittsländer verfügt Kroatien in der Führung eines Grundbuchs über eine lange Tradition. Da über mehrere Jahrzehnte keine Aktualisierung stattgefunden hat, ist häufig die Feststellung der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse sehr schwierig. Das ist ein Hindernis für die erforderlichen Privatisierungen. Die Schaffung eines modernen funktionsfähigen Grundbuches ist vor allem auch in Vorbereitung auf einen möglichen EU-Beitritt nach Auffassung des EWSA unumgänglich. Mit der Schaffung des Katasteramtes wurde ein wichtiger Schritt gesetzt.

    3.6

    Ein sehr ernstes politisches Problem ist die Zusammenarbeit zwischen Kroatien und dem Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien. Die bisher unbefriedigende Zusammenarbeit hat bewirkt, dass EU-Mitgliedstaaten nicht bereit waren, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zu ratifizieren. Nach Meinung des EWSA wäre es für Kroatien sehr nachteilig, wenn Empfehlungen der Kommission in dieser politisch sehr heiklen Frage de facto nicht umgesetzt würden. Er hofft, dass die kroatische Regierung bei Auslieferungsanträgen des Tribunals in Den Haag die notwendige Unterstützung gewährt.

    3.7

    Die Frage der Rückführung von Flüchtlingen und Vertriebenen ist für Kroatien von großer politischer Bedeutung, sicher ein schwierig zu bewältigendes Problem. Es handelt sich um rund 250.000 Menschen. Die Probleme liegen im Wiederaufbau von zerstörtem Eigentum, der Rückübertragung von Eigentum, nicht vorhandenen Wohnungen und Mangel an Erwerbsmöglichkeiten. Kroatien hat im Friedensabkommen von Dayton eine Reihe von Verpflichtungen zur Rückführung von Flüchtlingen übernommen. Dem EWSA ist bewusst, dass die notwendige Einlösung dieser Verpflichtungen eine große Bürde darstellt und erwartet, dass dieses Problem so rasch wie möglich bewältigt wird.

    3.8

    Im Dezember 2002 hat das kroatische Parlament ein Verfassungsgesetz zum Schutz von Minderheiten verabschiedet, das die Rechte der Minderheiten sichern soll. Dieses Gesetz soll den Minderheiten nicht nur die angemessene Vertretung in den gewählten Körperschaften, sondern auch in der Justiz und anderen Einrichtungen der staatlichen Verwaltung sichern. Der EWSA weist darauf hin, dass — so wie in anderen Rechtsbereichen — letztlich die Umsetzung und Handhabung der Gesetze entscheidend ist. Er geht davon aus, dass in Zukunft, beispielsweise bei Wahlen, noch bestehende Diskriminierungen der Roma beseitigt werden und begrüßt die Anstrengungen, die in der letzten Zeit unternommen wurden.

    3.9

    Der EWSA hat in seiner Initiativstellungnahme „Zivilgesellschaft in Südosteuropa“ (7) zum Ausdruck gebracht: „Unabhängige, freie und starke Medien zählen ebenso wie eine Öffentlichkeit, die gut genug informiert ist, um eine aktive und angemessene Rolle in der Regierungsführung und Verwaltung ihres Landes spielen zu können, zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine gesunde und stabile Demokratie.“

    3.10

    Der EWSA anerkennt die bisher in Kroatien gemachten Anstrengungen, die Unabhängigkeit und Freiheit der Medien zu verbessern. Es ist erfreulich, dass es ein großes Spektrum von unabhängigen Printmedien gibt, welches geeignet ist, die Meinungsvielfalt im Land und ihrer kulturellen und sprachlichen Minderheiten wiederzugeben. Der Ausschuss hofft, dass bei der Umsetzung der beschlossenen Reform des staatlichen Rundfunks und des Telekommunikationswesens in vollem Umfang die Unabhängigkeit dieser wichtigen Medien gewährleistet ist und auch dem Erfordernis der Meinungs- und Bevölkerungsvielfalt entsprochen wird.

    4.   Marktwirtschaft und Strukturreformen

    4.1

    Im Jahresbericht der Kommission wird darauf hingewiesen, dass in Kroatien die Transformation in eine Marktwirtschaft bereits weiter gediehen ist als in anderen Ländern des westlichen Balkans. Die Kommission weist jedoch darauf hin, dass der Privatisierungsprozess im Jahre 2002 ins Stocken geraten ist. Die Weltbank stellt in ihrem Bericht fest, dass der Privatisierungsprozess noch nicht annähernd beendet ist, aber auch die Restrukturierung der Wirtschaft nicht zufriedenstellend ist. Im Laufe des Jahres 2003 hat der Kroatische Privatisierungsfonds (HFP) in einigen Bereichen wie dem Bankensektor zwar weitere Privatisierungen durchgeführt, nicht jedoch im erforderlichen Ausmaß. Der Ausschuss erachtet es für wichtig, dass die neue Regierung den notwendigen Privatisierungsprozess mit Augenmaß vorantreibt, insbesondere in der Industrie, im Tourismussektor und in der Landwirtschaft. Es sollten auch die Möglichkeiten der Private-Public-Partnership genutzt werden.

    4.1.1

    Nach Auffassung der EWSA ist es außerdem notwendig, dass bei Privatisierungen auch die Interessen der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Um negative soziale Auswirkungen so weit wie möglich zu vermeiden, sind arbeitsmarktpolitische Begleitmaßnahmen etwa in Form von geförderten Umschulungen notwendig. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei Empfehlungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds mit den Schwerpunkten Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung auch die soziale Dimension berücksichtigt werden muss.

    4.2

    Allgemein kritisch, auch im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung, wird beurteilt, dass der kroatische Staat nach wie vor erhebliche Beihilfen für mit Verlust arbeitende Staatsbetriebe leistet. Zwischen 1996 und 2000 hat die Zahl der Beschäftigten in den Staatsbetrieben um 27 % abgenommen, in den privatisierten um 14 %. Dagegen hat die Beschäftigung in den Privatunternehmen um 50 % zugenommen (8). Von den kroatischen Sozialpartnern wird auch als Problem für die Beschäftigung gesehen, dass zu wenig Produktionsbetriebe, insbesondere KMU, neu gegründet werden. Der Ausschuss teilt ebenfalls die Auffassung, dass die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung und Investitionen in die technische Ausstattung der Bildungseinrichtungen als wichtiger Ansatz zur Bewältigung der Beschäftigungsproblematik zu sehen ist.

    4.3

    Die Industrie erwirtschaftet zur Zeit knapp über 23 % des BIP und beschäftigt rund 300.000 Personen (das sind ca. 25 % der gesamten Arbeitskräfte) (9). Viele Betriebe arbeiten mit Verlust und sind teilweise hoch verschuldet. Als Folge von Kapitalmangel wird vielfach noch mit veralteter Technik gearbeitet, sodass die Produkte im internationalen Vergleich nicht immer ausreichend konkurrenzfähig sind. Daher unterstreicht der Ausschuss die Notwendigkeit, dass Kroatien zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft mehr Mittel für Forschung und Entwicklung einsetzt (2001: 1,09 % des BNP) (10) und Anreize für die Gründung neuer Betriebe, vor allem KME, geschaffen und die administrativen Hemmnisse, die diesem Erfordernis entgegenstehen, beseitigt werden.

    4.4

    Kroatien verfügt über eine leistungsfähige Pharma- und chemische Industrie. Schwierig ist die Situation in der Textilindustrie. Die Schwerindustrie, vor allem der Schiffsbau, ist nach wie vor im Wesentlichen verstaatlicht und schwer defizitär.

    4.5

    Für die kroatische Volkswirtschaft ist der Tourismus von besonderer Bedeutung, da sein Anteil am BIP über 20 % und sein Anteil an den Beschäftigten knapp 6 % beträgt. Mit dem Tourismus werden etwa ein Drittel der gesamten Deviseneinnahmen erwirtschaftet. Als Problem sieht der Ausschuss die Tatsache, dass nach wie vor der Anteil der sich im Staatsbesitz befindlichen Fremdenverkehrsbetriebe sehr hoch ist. Gerade im Bereich des Tourismus könnte die Vorantreibung der Privatisierung das vorhandene Potenzial besser nutzbar machen. Eine Öffnung für ausländische Investitionen in diesem Sektor wäre wünschenswert.

    4.6

    Nach Überwindung der Bankenkrise im Jahr 1998 wurde durch den Verkauf einiger im Staatsbesitz befindlichen Banken an ausländische Investoren im Bankenbereich mehr Sicherheit und Stabilität erreicht. Die Produktivität und das Leistungsangebot wurden stark verbessert. Der Ausschuss sieht darin eine wichtige Voraussetzung für die Bewältigung der notwendigen Strukturmaßnahmen in der kroatischen Wirtschaft. Er weist aber darauf hin, dass die nach wie vor zu teuren Kredite notwendige Investitionen erschweren.

    4.7

    Bei den unumgänglichen notwendigen Strukturreformen und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ist die staatliche Verwaltung gefordert, unterstützend zu wirken. Nach Meinung des Ausschusses ist die derzeitige Struktur der öffentlichen Verwaltung in Kroatien nicht effizient genug, um den gestellten Aufgaben und Anforderungen voll gerecht werden zu können. Er geht davon aus, dass bei den notwendigen Reformen die verschiedenen Unterstützungsprogramme wie z.B. SIGMA (11) hilfreich sind. Es ist entscheidend, dass bei der vorgesehenen Dezentralisierung die Aufgaben zwischen den Zentralstellen und den lokalen Behörden optimiert werden.

    4.8

    Kroatien verfügt über ein vergleichsweise gut ausgebautes System der sozialen Sicherheit. 2001 erfolgte eine Reform des Pensionssystems, womit einerseits eine Entlastung des Staatshaushaltes, andererseits auch eine positive Wirkung für die wirtschaftliche Entwicklung erreicht werden soll. Diese Reform wurde überwiegend von der kroatischen Bevölkerung gut geheißen. Reformen des Arbeitsmarktes auch in Richtung Flexibilisierung müssen mit entsprechenden Maßnahmen der Sicherheit und des sozialen Schutzes einhergehen und sich auf eine funktionierende Arbeitsgerichtsbarkeit stützen.

    4.9

    Ein großer Handlungsbedarf besteht auch im Bereich der Landwirtschaft. Die kroatische Landwirtschaft ist von kleinbäuerlichen Betrieben mit einer durchschnittlichen Flächenausstattung von 5 ha geprägt. In ihrem Bericht stellt die Weltbank fest, dass nach wie vor 30 % der landwirtschaftlichen Flächen im Staatsbesitz sind, bei 40 % der Fläche die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind und dass für deren Klärung noch 15 Jahren notwendig sein werden. Die kroatische Landwirtschaft ist gegenwärtig wenig wettbewerbsfähig. Ihr verhältnismäßig hoher Anteil am BIP von 9 % wird mit rund 8 % der Beschäftigten erwirtschaftet. Die geringe Wettbewerbsfähigkeit führt auch dazu, dass für die relativ leistungsfähige kroatische Lebensmittelindustrie Rohstoffe importiert werden müssen.

    4.10

    Die große Zahl der kleinen, bäuerlichen Betriebe bewirtschaften

    Formula

    der landwirtschaftlichen Nutzfläche, der Rest wird nach wie vor von einigen wenigen bestehenden großen Agrarkombinaten bewirtschaftet. Durch Kriegsschäden (z.B. Verminung) sind viele produktive landwirtschaftliche Flächen nach wie vor nur eingeschränkt nutzbar. Während die privaten bäuerlichen Betriebe schon 1998 das Produktionsniveau von 1990 erreicht haben, kommen die noch immer im Staatsbesitz befindlichen Agrarkombinate mit den neuen wirtschaftlichen Bedingungen nicht zurecht.

    4.11

    Die nach wie vor häufig unklaren Besitzverhältnisse sind ein starkes Hindernis für die notwendigen Strukturreformen in der kroatischen Landwirtschaft. Gleiches gilt für die Beschaffung von Krediten für die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe. Wegen der hohen Risiken zeigen die Banken nur wenig Bereitschaft, für Investitionen in der Landwirtschaft Geld zur Verfügung zu stellen.

    4.12

    Seit 2003 ist ein neues Unterstützungsprogramm für die Landwirtschaft in Kraft. Der EWSA hofft, dass diese Reform einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der kroatischen Landwirtschaft erhöht, andererseits die Heranführung an die EU erleichtert. Wesentlich erscheint dem Ausschuss, dass im Zuge der Modernisierung der kroatischen Landwirtschaft neben der notwendigen Verbesserung der Ausbildung und Beratung auch rasch eine funktionierende politisch unabhängige Interessenvertretung aufgebaut wird.

    5.   Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) und Nutzung der Unterstützungsprogramme

    5.1

    Für die Vorbereitung auf einen Beitritt zur EU hat die Umsetzung de SAA eine entscheidende Funktion. Da die Ratifizierung durch die Gemeinschaft bzw. in den Mitgliedstaaten noch nicht abgeschlossen ist. In der Zwischenzeit gilt als Überbrückung ein Interimsabkommen (siehe 3.6).

    5.2

    Im Oktober 2001 hat die kroatische Regierung für die Umsetzung des Abkommens einen Aktionsplan verabschiedet. Eine Reihe von Maßnahmen wurde bereits umgesetzt. Ziel ist, bis Ende 2006 die für eine EU-Mitgliedschaft erforderliche Beitrittsreife zu erlangen. Damit die ehrgeizigen Ziele erreicht werden können, wurde in allen Regierungsbehörden ein Koordinator für Fragen der europäischen Integration eingesetzt.

    5.3

    Im Dezember 2002 wurde für das Jahr 2003 ein Regierungsprogramm für die Integration Kroatiens in die EU beschlossen. Schwerpunkte dieses Programms sind

    wirtschaftliche Anpassung

    Harmonisierung des kroatischen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht

    Steigerung der Leistungsfähigkeit der Verwaltung

    Strategie zur Information der kroatischen Öffentlichkeit und

    erforderliche Gesetzesanpassungen aus den Verpflichtungen des SAA.

    Bis Ende des Jahres 2003 wurden — nach Informationen durch kroatische Behörden — mehr als 109 diesbezügliche Legislativmaßnahmen gesetzt. Im Jänner 2004 wurde das Zweite Integrationsprogramm zur Heranführung an den Acquis communautaire beschlossen. 2004 werden die entsprechenden Durchführungsverordnungen erlassen, um die Umsetzung zu gewährleisten. Der EWSA anerkennt diese Bemühungen Kroatiens, ist sich aber bewusst, dass die Umsetzung in einzelnen Bereichen auf Grund von unzureichenden Verwaltungskapazitäten mit Schwierigkeiten verbunden ist (z.B. die Harmonisierung mit EUROSTAT).

    5.4

    Eine unverzichtbare Funktion bei der Umsetzung des SAA haben die CARDS Programme zur Unterstützung Kroatiens. Damit wird zweifellos ein wichtiger Beitrag für die Modernisierung und Demokratisierung, aber auch für die Bewältigung von notwendigen Umweltmaßnahmen geleistet. Der EWSA geht davon aus, dass bei einem positiven Avis durch die Europäische Kommission zum Beitrittsantrag die für Beitrittskandidatenländer eingerichteten Unterstützungsprogramme (ISPA SAPARD, PHARE, TAIEX etc.) auch Kroatien zur Verfügung stehen werden.

    5.5

    Eine erfolgreiche Heranführung der kroatischen Wirtschaft an die Bedingungen des Europäischen Binnenmarkts setzt voraus, dass von der Zivilgesellschaft die notwendigen Reformen, Liberalisierungsschritte und Anpassungen an das EU-Recht mitgetragen werden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die kroatische Bevölkerung über die Bedeutung und die Auswirkungen einer Integration mit der EU laufend und ausreichend informiert und die repräsentativen Organisationen der Zivilgesellschaft in die politischen Entscheidungsprozesse eingebunden werden.

    6.   Regionale Probleme

    6.1

    Die Disparitäten in der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wohlstand zwischen einzelnen urbanen Ballungsgebieten und ländlichen Regionen sind teilweise sehr groß. Darüber hinaus ist eine beträchtliche Anzahl kleinerer und größerer Regionen durch den Krieg besonders in Mitleidenschaft gezogen und in seiner wirtschaftlichen Entwicklung massiv behindert worden, was beispielsweise für die Regionen Slavonien und Lika-Senj besonders zutrifft.

    6.2

    Zur Förderung der benachteiligten Regionen wurde im Februar 2002 ein Fonds eingerichtet, der vor allem Gebiete unterstützen soll, die durch den Krieg besonders gelitten haben, die von Entvölkerung betroffen sind, oder die sonst benachteiligt sind wie z.B. einzelne Inseln beziehungsweise Berggebiete.

    6.3

    Im Jahresbericht 2003 hat die Europäische Kommission kritisch festgestellt, dass einerseits noch nicht die Kriterien beschlossen wurden, nach denen die Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, andererseits die Zuständigkeiten für die Abwicklung nicht klar geregelt sind. Der Ausschuss empfiehlt, die ungelösten Problembereiche rasch zu bewältigen. Er sieht darin eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die verschiedenen von der EU angebotenen Programme wie z.B. INTERREG entsprechend genutzt werden können.

    7.   Umwelt

    7.1

    Im Bericht der Weltbank wird die Situation Kroatiens im Vergleich mit anderen Staaten Zentraleuropas als gut dargestellt, was die natürliche Umwelt betrifft. In den Bereichen Versorgung mit Trinkwasser, Abwasser- und Müllentsorgung sind jedoch noch große Investitionen nötig, um die EU Standards zu erreichen.

    7.2

    Die Abwasserreinigung erreicht in den Küstengebieten wegen ihrer Bedeutung für den Tourismus und internationaler Verpflichtungen zur Reinhaltung des Mittelmeers beinahe EU Niveau. In den übrigen Gebieten sind noch große Investitionen bei der Sammlung und Reinigung von Abwasser notwendig. Ähnliches gilt für die Sammlung und Entsorgung von Müll, insbesondere für Sondermüll. Der Ausschuss stellt fest, dass Kroatien sich bei der Verbesserung der diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen an den EU-Richtlinien orientiert und schon entsprechende Fortschritte erzielen konnte.

    7.3

    Die Luftqualität hat sich im letzten Jahrzehnt verbessert, was aber teilweise auf die rückgängige Industrieproduktion im Zusammenhang mit dem Krieg und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zurück zu führen ist. In urbanen Gegenden stellt die mangelnde Luftqualität nach wie vor ein großes Problem dar. Mit dem zu erwartenden Aufschwung der Wirtschaft werden im Transportsektor und bei der Energiegewinnung Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen notwendig.

    7.4

    Die relativ große Fläche an geschützten Gebieten (rund 10 %) wird dem hohen Anteil an Biodiversität, Öko-Systemen und einzigartigen Landschaften gerecht. Einige von ihnen wurden unter den Schutz der UNESCO gestellt. Trotz der genannten Schutzmaßnahmen nimmt der Druck auf die Biodiversität zu; die bestehenden Schutzmaßnahmen und die Naturschutzgebiete können den Anforderungen nicht gerecht werden.

    7.5

    Der EWSA weist darauf hin, dass ähnlich wie in den meisten Beitrittsländern in Kroatien ein großer Investitionsbedarf besteht, um im Umweltbereich die EU Standards zu erreichen. Er erachtet es als notwendig, dass Kroatien in seinen Bemühungen, die Situation zu verbessern, ausreichend unterstützt wird.

    8.   Internationale Zusammenarbeit und Beziehungen zu Nachbarländern

    8.1

    Eine wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Teilnahme am europäischen Integrationsprozess ist die Erfüllung der Verpflichtungen, die Kroatien in den Friedensabkommen von Dayton und Paris eingegangen ist bzw. auch durch seine Mitgliedschaft im Europarat (seit 1996). Der EWSA stellt fest, dass sich die kroatische Regierung ausdrücklich dazu bekennt, es jedoch in einigen Bereichen noch an der notwendigen Konsequenz fehlt.

    8.2

    Für ein friedliches Nebeneinander sind gute nachbarschaftliche Beziehungen eine wesentliche Voraussetzung. Der EWSA stellt fest, dass sich zu den direkten Nachbarstaaten die wirtschaftliche Zusammenarbeit positiver entwickelt hat als die politischen Beziehungen zu einzelnen Nachbarn. Er erachtet es unter anderem als zwingend notwendig, dass rasch für die ungeklärte Seegrenze zwischen Slowenien und Kroatien eine Lösung gefunden wird. Dieses Problem wird durch die Entscheidung des kroatischen Parlaments über die einseitige Ausweitung der Seerechte durch die Schaffung einer „Geschützten Ökologischen und Fischereizone“ (12) in der Adria noch verschärft. Der Ausschuss weist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Verpflichtungen des internationalen Seerechtes hin.

    8.3

    Ein wichtiger Schritt für die Internationalisierung der kroatischen Wirtschaft war der Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2000.

    8.4

    Anfang 2002 ist das Interimsabkommen des SAA (Unterzeichnung 29. Okt. 2001) in Kraft getreten. Damit sind umfassende Handelserleichterungen verbunden. Seit 1.3.2003 ist Kroatien Mitglied der CEFTA (Central European Free Trade Agreement). Ingesamt hat Kroatien 35 Freihandelspartner (inklusive der EU-Mitgliedstaaten). Derzeit werden bereits 90 % des kroatischen Außenhandels präferenziell abgewickelt und nach der Übergangsphase des SAA werden mehr als 2/3 des kroatischen Außenhandels zollfrei gehandelt werden. Im Jahr 2003 exportierte die Kroatische Wirtschaft Güter im Wert von US$ 5,65 Mrd. und importierte Waren im Wert von US$ 12,77 Mrd., woraus sich ein Handelsbilanzdefizit von US$ 7,12 Mrd. ergibt.

    9.   Die organisierte Zivilgesellschaft

    9.1

    Eine wichtige Rolle sowohl in der Transformation zur Marktwirtschaft, als auch im Beitrittsprozess hat die organisierte Zivilgesellschaft. In Kroatien gibt es mehr als 20.000 Nichtregierungsorganisationen. Seit 1. Jänner 2002 ist das Gesetz über die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Kraft. Die Vereinigungsfreiheit und die Aufsicht über die Tätigkeit der NRO wurde damit liberaler gestaltet.

    9.2

    Der EWSA hat in seiner Stellungnahme „Zivilgesellschaft in Südosteuropa“ als wichtige Voraussetzung für Stabilität und Wohlstand die Notwendigkeit hervorgehoben,

    dass die Organisationen der Zivilgesellschaft stark werden und dass die partizipative Demokratie zu einem Bestandteil der Kultur wird;

    dass die Organisationen der Zivilgesellschaft in einer partizipativen Demokratie autonom sein müssen, wofür insgesamt aber noch wenig Verständnis besteht;

    dass eine Verbesserung des sozialen Dialogs notwendig ist;

    dass unter anderem für ein stärkeres Umweltbewusstsein ein breit angelegter ziviler Dialog stattfinden muss.

    Der Ausschuss hat in dieser Stellungnahme die Aussage der kroatischen Behörden ausdrücklich begrüßt, dass die Entwicklung der Zivilgesellschaft für die Regierung höchste Priorität hat.

    9.3

    Die frühere kroatische Regierung hat einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, wodurch ein „Forum“ eingerichtet werden soll, das es den Organisationen der Zivilgesellschaft (NRO) ermöglicht, Themen zu beraten bzw. Stellungnahmen dazu zu erarbeiten, die für diese Organisationen von Interesse sind. Damit soll der zivile Dialog unterstützt werden. Mit 16. Oktober 2003 wurde die „Nationale Stiftung zur Förderung der Zivilgesellschaft“ eingerichtet und erfüllt die Funktionen des geplanten Forums. Die Vertreter der NRO haben die Möglichkeit, im zuständigen Verwaltungsrat entsprechend Einfluss zu nehmen. Der EWSA bewertet diese Maßnahme sowie die finanzielle Unterstützung für die Arbeit der NRO positiv. Er begrüßt ferner, dass die NRO die Möglichkeit zur Mitarbeit in Arbeitsgruppen des Wirtschafts- und Sozialrates haben und hofft, dass diese Mitwirkung noch ausgeweitet wird.

    9.4

    1999 wurde der zweite Kroatische Wirtschafts- und Sozialrat gegründet. Er ist tripartit zusammengesetzt und besteht insgesamt aus 15 Mitgliedern. Neben der Regierung sind Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften vertreten. Institutionell ist die Arbeitgeberseite durch einen einzigen Verband (Kroatische Arbeitsgebervereinigung), die Arbeitnehmerseite durch fünf Gewerkschaftsvereinigungen (mit je einem Delegierten) vertreten. Der Vorsitz wird im Rotationsprinzip regelmäßig gewechselt. Die Arbeit erfolgt in sieben Ausschüssen, die Beschlüsse werden in einer Plenarsitzung gefasst, die normalerweise alle drei Monate stattfindet. Die organisatorischen Aufgaben werden von einem eigens dafür von der Regierung eingerichteten Büro wahrgenommen.

    9.5

    Ähnlich wie in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten mit einem Wirtschafts- und Sozialrat hat dieses Gremium in Kroatien die Aufgabe, sich unter anderem mit grundsätzlichen Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, des Arbeitsmarktes, des Budgets, oder auch der Privatisierung zu befassen.

    9.6

    Der Wirtschafts- und Sozialrat hat zweifellos eine wichtige Funktion für den sozialen Dialog. Der EWSA sieht in einem funktionierendem Wirtschafts- und Sozialrat eine wesentliche Voraussetzung für eine zielkonforme Umsetzung der anstehenden Reformmaßnahmen, die von den jeweils betroffenen Berufsgruppen auch mitgetragen werden können. Eine ebenso große Bedeutung hat die Förderung eines autonomen sozialen Dialoges zwischen den Tarifparteien.

    9.7

    Die Interessenvertretungen in Kroatien befinden sich nach wie vor in einer Phase des Aufbaus. Nicht für alle Berufsgruppen gibt es eine eigene Interessenvertretung.

    9.8

    Vor 1990 war die Mitgliedschaft bei den Gewerkschaften praktisch obligatorisch. Nach dem Systemwechsel haben sich die Gewerkschaften in den einzelnen Nachfolgerepubliken sehr unterschiedlich entwickelt. Die Pflichtmitgliedschaft wurde überall beseitigt, und es kam zu einer völligen Umstrukturierung der Gewerkschaftsorganisationen. In Kroatien gibt es eine Vielzahl von Einzelgewerkschaften und fünf Gewerkschaftsvereinigungen, die auf Grund ihrer Stärke auch im Kroatischen Wirtschafts- und Sozialrat vertreten sind.

    9.9

    Wegen der Zersplitterung der Gewerkschaften in fünf nationale Vereinigungen werden Anliegen der Arbeitnehmer nicht immer zufriedenstellend wahrgenommen, beispielsweise im Wirtschafts- und Sozialrat. Es gibt daher Bemühungen, eine Dachorganisation für die einzelnen Gewerkschaftsvereinigungen zu schaffen. Der EWSA würde es bedauern, wären die kroatischen Gewerkschaften auf Grund dieser Situation nicht in der Lage, im neuen System der Arbeitsbeziehungen die ihnen zustehende Rolle voll wahrzunehmen.

    9.10

    Die Arbeitgeber sind in der Kroatischen Wirtschaftskammer bzw. in der Kroatischen Arbeitgebervereinigung organisiert. Die Wirtschaftskammer hat eine fachliche und eine regionale Untergliederung. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, Geschäfte inner- und außerhalb Kroatiens zu unterstützen, beispielsweise durch Organisation von Messeveranstaltungen und vor allem die Weiterbildung ihrer Mitglieder. Die Mitgliedschaft für alle in Kroatien registrierten Wirtschaftsunternehmungen ist bei der Kammer obligatorisch.

    9.11

    Bis 1996 hatte die Wirtschaftskammer die Arbeitgeberrolle bei den Kollektivvertragsverhandlungen wahrzunehmen. Diese Aufgabe hat nun die Arbeitgebervereinigung, die ein Dachverband von 23 Fachverbänden ist und auf freiwilliger Mitgliedschaft beruht. Festzustellen ist, dass die Arbeitgebervereinigung die Interessen nur eines Teils der kroatischen Unternehmer vertritt. Die KMU sind in einem eigenen Verband organisiert, der jedoch auch nur einen Teil der Betriebe erfasst. Der EWSA erachtet es als notwendig, dass die Arbeitgeberorganisationen Lösungen finden, die eine repräsentative Wahrnehmung der Interessen aller Unternehmen im Wirtschafts- und Sozialrat und gegenüber der Regierung gewährleistet.

    9.12

    Die bestehende gesetzliche Grundlage für eine eigene, unabhängige Interessenvertretung der Land- und Forstwirte wurde bisher nicht umgesetzt. In einer eigenen Abteilung der Wirtschaftskammer sollen die Interessen der Landwirte wahrgenommen werden. Der ESWA teilt die Meinung im Bericht der Weltbank, wo festgehalten wird, dass die Interessen der Landwirte nur unzureichend wahrgenommen werden, was als erheblicher Nachteil bei einer Heranführung an die Gemeinsame Agrarpolitik gesehen wird. Der EWSA hofft, dass der kroatische Bauernbund (Farmers Union), der als Verein seit einigen Jahren tätig ist, als Gesprächspartner herangezogen und auch in Begutachtungsverfahren einbezogen wird, rasch sich als schlagkräftige und unabhängige Interessenvertretung der kroatischen Landwirte etablieren kann.

    10.   Zusammenfassung und Empfehlungen

    10.1

    Am 25. Juni 1991 hat sich Kroatien von Jugoslawien unabhängig erklärt. Der Krieg mit Serbien hat neben großen Opfern in der Zivilbevölkerung, schweren Schäden in weiten Teilen des Landes, vor allem die wirtschaftliche Entwicklung massiv beeinträchtigt.

    10.2

    In den vergangenen Jahren hat sich in Kroatien politisch und wirtschaftlich sehr viel verändert. Es gibt große Fortschritte im Demokratisierungsprozess. Die makroökonomischen Indikatoren haben sich insbesondere seit 2000 erheblich verbessert. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass Kroatien neben der Transformation des alten Systems in eine funktionierende Marktwirtschaft vor allem auch die Folgen des Krieges bewältigen muss.

    10.3

    Die wirtschaftliche Entwicklung ist seit einigen Jahren von einem erfreulich hohen Wachstum und einer Stabilisierung der Preise gekennzeichnet. Dem steht jedoch gegenüber, dass die Arbeitslosigkeit insbesondere in ländlichen Regionen, nach wie vor das große, unbewältigte soziale Problem darstellt, das Handelsbilanzdefizit enorm gestiegen ist, wie auch die Staatsverschuldung.

    10.4

    Der EWSA unterstreicht die Rolle des autonomen sozialen Dialogs für den Reformprozess und weist darauf hin, dass der Wirtschafts- und Sozialrat seiner Aufgabe entsprechend auch in Zukunft von der Regierung ernst genommen werden sollte.

    10.5

    Kroatien hat in einzelnen Bereichen der Wirtschaft, etwa im Bankenbereich, große Erfolge in der Privatisierung erzielt. Insgesamt ist jedoch der Privatisierungsprozess im Vergleich zu den Beitrittsländern weniger konsequent erfolgt. Das wirkt für private Investitionen ebenso erschwerend wie beispielsweise ungeklärte Eigentumsverhältnisse. Der EWSA hofft, dass die neue Regierung nicht nur die Privatisierung mit Nachdruck vorantreibt, sondern auch noch bestehende andere Hemmnisse für private Investitionen beseitigt.

    10.6

    Für die Schaffung der notwendigen neuen Arbeitsplätze in Kroatien ist nicht nur die Unterstützung bei der Gründung neuer Unternehmen, insbesondere von KMU, sondern auch die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung von großer Bedeutung.

    10.7

    Die Europäische Union hat beim „Gipfel“ in Zagreb am 24.11.2000 den westlichen Balkanstaaten den EU-Beitritt und Unterstützungsprogramme in Aussicht gestellt. Die Bedingung ist, dass die „Kriterien von Kopenhagen“ und die Verpflichtungen aus dem EU-Vertrag erfüllt werden. Als erstes Land des westlichen Balkan hat Kroatien am 21.2.2003 den Antrag auf einen EU-Beitritt gestellt. Der EWSA wertet diese Entscheidung positiv, weil sich damit Kroatien für eine Teilnahme am europäischen Integrationsprozess entschieden hat.

    10.8

    Der EWSA anerkennt die großen Anstrengungen Kroatiens, die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt zu schaffen. Das von der kroatischen Regierung beschlossene Aktionsprogramm zur Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens hat dafür eine wichtige Funktion. Das gilt ebenso für das Ende 2002 beschlossene Regierungsprogramm für die Integration Kroatiens in die EU.

    10.9

    Die gesteckten Zielsetzungen sind zweifellos sehr ehrgeizig. Um die Bedingungen für einen EU-Beitritt zu schaffen, ist ein umfassender Reformprozess zwingend vorgegeben. Ganz entscheidend ist dabei, dass neben den notwendigen legislativen Maßnahmen, die 2003 beschlossen wurden, auch rechtzeitig die administrativen Voraussetzungen für eine zielorientierte Umsetzung geschaffen werden.

    10.10

    Nach Auffassung des EWSA ist für den Erfolg aber auch sehr wesentlich, dass von den Bürgern die notwendigen Reformen, Liberalisierungsschritte und Anpassungen an das EU-Recht mitgetragen werden. Das setzt voraus, dass die Bevölkerung ausreichend über die Bedeutung und auch die Auswirkungen eines EU-Beitritts informiert ist. Der EWSA empfiehlt daher, die organisierte Zivilgesellschaft umfassend, und nicht nur einzelne Berufsverbände, in die notwendigen Entscheidungsprozesse einzubinden. Außerdem müssen diese Organisationen in die Lage versetzt werden, ihre Mitglieder sachlich fundiert zu informieren.

    10.11

    Ähnlich wie die Europäische Kommission sieht der EWSA mit Sorge, dass es nach wie vor ungelöste Probleme im Justizwesen, bei der Bekämpfung der Korruption, bei der Behandlung von Asylansuchen, insbesondere aber im Zusammenhang mit dem Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag gibt. Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass die Bewältigung dieser Probleme ganz entscheidend sein wird bei der Beurteilung, ob die „Kopenhagen-Kriterien“ als erfüllt angesehen werden können.

    10.12

    Der EWSA anerkennt den ausdrücklichen Willen der kroatischen Regierung, die Verpflichtungen aus dem Friedensabkommen von Dayton und Paris voll zu erfüllen. Eine große Herausforderung ist dabei die zu bewältigende Aufgabe der Rückführung der vielen Flüchtlinge.

    10.13

    Aus Sicht des EWSA ist in der Vorbereitung auf einen EU-Beitritt auch die Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu den unmittelbaren Nachbarstaaten sehr wesentlich.

    10.14

    Eine wichtige Voraussetzung für Stabilität und Wohlstand sind auch starke Organisationen der Zivilgesellschaft und eine gelebte partizipative Demokratie. Der EWSA bewertet es daher positiv, dass in Kroatien die institutionellen Voraussetzungen geschaffen wurden bzw. werden, den sozialen und zivilen Dialog zu gewährleisten. Entscheidend wird sein, dass alle Berufsgruppen durch repräsentative und organisatorisch starke Interessenvertretungen Einfluss nehmen können.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Bericht der Weltbank Nr. 25435 HR.

    (2)  Zu beachten ist, dass das BIP/Kopf in Kroatien nur etwa ein Drittel von dem Sloweniens beträgt.

    (3)  (Nach ILO-Berechnungsmethode: das Kroatische Staatsamt für Statistik weist jedoch für 2002 eine Arbeitslosenrate von 22,5 % aus).

    (4)  European Economy, Occasional Papers, Nr. 5. Januar 2004.

    (5)  Bericht der Weltbank Nr. 25434-HR.

    (6)  KOM(2003) 139 endg. vom 26.3.2003.

    (7)  REX 123-, ABl. C 208 vom 3.9.2003, Seite 82.

    (8)  Weltbankbericht Seite 87 ff.

    (9)  Kroatisches Staatsamt für Statistik.

    (10)  Beantwortung des Fragebogens der Europäischen Kommission.

    (11)  Support for Improvement in Governance and Management in Central and Eastern European Countries (eingerichtet als Joint Venture zwischen OECD und EU).

    (12)  „Protected Ecological and Fishing Zone (PEFZ)“.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/76


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Errichtung des Gemeinschaftspatentgerichts und betreffend das Rechtsmittel vor dem Gericht erster Instanz“

    (KOM(2003) 828 endg. — 2003/0324 (CNS))

    (2004/C 112/21)

    Der Rat beschloss am 30. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Der Ausschuss beschloss, die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit der Vorbereitung der Arbeiten zu beauftragen.

    Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) Herrn RETUREAU zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 53 gegen 2 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Die Vorschläge der Kommission für Beschlüsse des Rates

    1.1   Überblick über den Vorschlag für einen Beschluss

    1.1.1

    Von den beiden Vorschlägen, die am selben Tag angenommen wurden, sieht der eine die Übertragung der Zuständigkeit in Streitsachen im Zusammenhang mit dem künftigen Gemeinschaftspatent auf den Gerichtshof vor. Ziel des zweiten Vorschlags sind die Errichtung eines dem Gericht erster Instanz (EuGEI) beigeordneten Gemeinschaftspatentgerichts (GPG) und einer Rechtsmittelkammer im EuGEI, die Präzisierung der Zuständigkeiten aufgrund der Natur der Sache, der Person und des Ortes im Zusammenhang mit Gemeinschaftspatentsachen für Klagen vor dem GPG und Rechtsmittel vor dem EuGEI, sowie die Möglichkeit der Befassung des Gerichtshofs als Überprüfungsinstanz, wenn die ernste Gefahr besteht, dass die Einheit und Kohärenz des Rechts oder der Rechtsprechung betreffend Gemeinschaftspatente beeinträchtigt wird.

    1.1.2

    Der Europäische Rat beschloss auf seiner Tagung in Lissabon im März 2000 ein Grundsatzprogramm zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union, um diese zum wettbewerbfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen. Dieses Programm erstreckt sich auf zahlreiche Bereiche, u.a. das gewerbliche Eigentum: hier hat der Rat die Schaffung eines Gemeinschaftspatents auf den Weg gebracht, um durch die Beseitigung der bestehenden Schwächen beim Schutz technologischer Erfindungen die Investitionen in Forschung und Entwicklung in der Union anzukurbeln.

    1.1.3

    Die Kommission erinnert in der Einleitung des Vorschlags an das Scheitern der ersten Versuche zur Einführung eines Gemeinschaftspatents seit Anfang der 70er Jahre. Das Übereinkommen von München aus dem Jahr 1973 (Europäisches Patentübereinkommen) brachte zwar einen ersten Fortschritt, nämlich ein einheitliches Verfahren für die Prüfung und Erteilung von Patenten in mehreren der Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens (derzeit sämtlichen EWR-Mitgliedstaaten, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Monaco, Liechtenstein sowie mehreren Beitrittskandidaten), aber die einzelstaatlichen Systeme wurden nicht verändert, und die nationalen Gerichte blieben auch weiterhin für die Rechtsgültigkeit der Patente und für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang sowohl mit den vom Europäischen Patentamt (EPA) als auch den von den nationalen Patentämtern erteilten Patenten zuständig.

    1.1.4

    Um die Unzulänglichkeiten des Übereinkommens von München zu beseitigen, wurde am 15. Dezember 1975 das Gemeinschaftspatentübereinkommen unterzeichnet und damit ein einheitlicher, gemeinschaftsweiter Schutztitel begründet; dieses Übereinkommen, das ebenso wie das Übereinkommen von München nicht weit genug ging, trat nie in Kraft, da es nicht von genügend Staaten ratifiziert wurde. Auf diesen Versuch folgte indes 1989 die Vereinbarung über Gemeinschaftspatente, die insbesondere auch ein Protokoll über die Regelung von Streitigkeiten über die Verletzung und die Rechtsgültigkeit von Gemeinschaftspatenten beinhaltet, aber auch diese Rechtsakte traten nie in Kraft.

    1.1.5

    Für den Patentschutz bestehen daher gegenwärtig in der Union — bzw. genau genommen im EWR und einigen assoziierten Ländern — zwei Systeme nebeneinander, von denen sich keines auf ein gemeinschaftliches Rechtsinstrument stützt: die nationalen Patente, die von den nationalen Patentämtern nach den Bestimmungen des betreffenden Mitgliedstaats erteilt werden, und die europäischen Patente auf der Grundlage des Übereinkommens von München aus den Jahr 1973, in dem zwar das geltende materielle Patentrecht festgelegt und ein einheitliches Erteilungsverfahren in den vom Rechtsinhaber benannten Vertragsstaaten vorgesehen wurde, jedoch nichts an der Anwendbarkeit des örtlichen Rechts und der Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte geändert wurde.

    1.1.6

    Im Falle einer Rechtsstreitigkeit über ein in mehreren Ländern erteiltes Patent zwingt diese Sachlage den Rechtsinhaber dazu, ebenso viele Verfahren anzustrengen, wie es im Einzelfall zuständige nationale Gerichte gibt, und dies in ebenso vielen Amtssprachen, was ein beträchtliches Hemmnis für die Wahrnehmung gewerblicher Eigentumsrechte mittels der Hinterlegung von Patenten in verschiedenen Ländern darstellt und darüber hinaus sogar zu unterschiedlichen Entscheidungen in Abhängigkeit von dem jeweiligen Recht des betreffenden Landes führen kann.

    1.1.7

    Um die Einführung des — von der Wirtschaft sehnlichst erwarteten und für den Binnenmarkt notwendigen — Gemeinschaftspatents wieder voranzubringen, veröffentlichte die Kommission am 25. Juni 1997 (1) ein Grünbuch zu diesem Thema, auf das Konsultationen, Studien und konkrete Vorschläge folgten.

    1.1.8

    Nach der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon legte die Kommission am 1. August 2000 einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent vor, die sämtliche rechtlichen und gerichtlichen Aspekte dieses einheitlichen Schutztitels regeln und im gesamten Gemeinschaftsgebiet gültig sein soll. Der Ausschuss hat sich bereits für diesen Vorschlag ausgesprochen (2).

    1.1.9

    Nach dem für notwendig erachteten Beitritt der Union zum Übereinkommen von München (3) — und infolgedessen nach demselben materiellen Recht wie die europäischen Patente, die neben dem neuen Gemeinschaftspatent bis zu dessen tatsächlicher Einführung weiterbestehen — sollen diese Patente vom Europäischen Patentamt geprüft und erteilt werden.

    1.1.10

    Der Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2000 für eine Verordnung über das Gemeinschaftspatent (4) war bis zur Vorlage der überarbeiteten Fassung am 4. September 2003 Gegenstand langer und gründlicher Erörterungen im Rat, da er zahlreiche rechtliche, finanzielle und sprachliche Fragen aufwarf. Die Ortsbezogenheit des gewerblichen Schutzrechts wird für das Gemeinschaftspatent teilweise zurückgenommen (es soll jedoch — teils vorübergehend und teils endgültig — weiterhin bestimmte nationale Zuständigkeiten geben).

    1.1.11

    In Erwartung der endgültigen Entscheidung über die Verordnung, für die gemäß den Rechtsgrundlagen für die erörterten Vorschläge der Rat allein zuständig ist, hat die Kommission auf der Grundlage der Gerichtsbarkeitsaspekte der Gemeinsamen Politischen Ausrichtung des Rates (die vom Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ am 3. März 2003 und vom Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ am 6. März 2003 erörtert wurde) (5) diese beiden Vorschläge vorgelegt, von denen der eine die Übertragung der Zuständigkeit auf den EuGH, der andere die Bildung von Fachkammern betrifft — Aufbau, Satzung und Zuständigkeiten, die besonderen Verfahrenselemente für die vor ihnen erhobenen Klagen und eingelegten Rechtsmittel sowie die Änderung der Satzung des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz, die aufgrund dieser neuen Kammern und deren Zuständigkeiten notwendig werden.

    1.1.12

    Durch die Schaffung eines einzigen Gemeinschaftsgerichts, das von natürlichen und juristischen Personen angerufen werden kann und spätestens 2010 seine Arbeit aufnehmen soll, soll eine örtliche und sachliche Aufsplitterung der Zuständigkeit bei Rechtstreitigkeiten über die Rechtsgültigkeit eines Gemeinschaftspatents und die sich unmittelbar daraus ergebenden gewerblichen Schutzrechte sowie über eventuelle ergänzende Schutzzertifikate für das betreffende Patent vermieden werden.

    1.2   Vorschlag für einen Beschluss zur Errichtung des GPG und betreffend das Rechtsmittel vor dem EuGEI

    1.2.1

    Die Rechtsgrundlage für den Vorschlag für einen Beschluss zur Errichtung des GPG und betreffend das Rechtsmittel vor dem EuGEI wird hauptsächlich durch die Artikel 220, 225, 225a und 245 EGV geschaffen, aber es sind auch weitere Artikel des EG-Vertrags (6) sowie des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs (7) relevant. Die Satzungen des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz werden auf Vorschlag des Gerichtshofs oder der Kommission sowie nach Anhörung des Gerichtshofs und der politischen Gemeinschaftsorgane gemäß dem endgültigen Beschluss des Rates geändert, wobei sich diese Änderungen auf das absolut notwendige Minimum beschränken müssen.

    1.2.2

    Die Kommission schlägt vor, bis spätestens 2010 beim Gericht erster Instanz das Gemeinschaftspatentgericht zu errichten; es soll sich aus sieben Richtern zusammensetzen, die aus ihrer Mitte den Präsidenten des GPG für einen Zeitraum von drei Jahren mit der Möglichkeit der Wiederwahl bestimmen; das aus zwei Kammern gebildete GPG wird dem Gericht erster Instanz beigeordnet und wird gemäß den dem Gerichtshof übertragenen Zuständigkeiten für Rechtsstreitigkeiten betreffend die Verletzung oder die Rechtsgültigkeit eines Gemeinschaftspatents zuständig sein. Außerdem wird beim Gericht erster Instanz eine aus drei Richtern bestehende Fachkammer als Instanz für Rechtsmittel gegen Entscheidungen des GPG eingerichtet. Wenn es notwendig ist, die Einheit des Gemeinschaftsrechts und der Rechtssprechung sicherzustellen, kann der Gerichtshof als Überprüfungsinstanz nach Maßgabe der festgelegten Einschränkungen tätig werden. Die Richter werden für einen Zeitraum von sechs Jahren mit der Möglichkeit der Wiederwahl ernannt; alle drei Jahre sollen abwechselnd drei bzw. vier Richter ersetzt werden, um zu gewährleisten, dass eine regelmäßige Erneuerung erfolgen und gleichzeitig der erworbene Sachverstand weitergegeben werden kann.

    1.2.2.1

    Was Patentstreitigkeiten zwischen privaten Parteien angeht, berührt die Patentgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht die Rechtsgültigkeit des Gemeinschaftsrechts; es sollte den privaten Parteien jedoch erlaubt sein, die Rechtsgültigkeit einschlägiger Patentbestimmungen ggf. anzufechten, aber nur im Rahmen ihres Rechtsmittels, ohne die Aufhebung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts verlangen zu können.

    1.2.2.2

    Außerdem sollten Entscheidungen des Gemeinschaftspatentgerichts auch gegenüber Mitgliedstaaten vollstreckbar sein, da diese anderen Parteien insofern gleichgestellt sein sollten, als sie Inhaber von Gemeinschaftspatenten sind oder solche verletzen.

    1.2.3

    Für das GPG sollen Einzelheiten wie die Ernennung der Richter, die Wahl des Präsidenten, die Rechtsmittel vor dem Gericht erster Instanz und andere spezifische Bestimmungen wie z.B. seine Zusammensetzung und Zuständigkeit sowie die besonderen Verfahrenselemente der Kammern, die u.U. hinsichtlich der Satzung des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz eine Abweichung bedeuten oder eine Anpassung erfordern, so weit wie möglich in einem den gerichtlichen Kammern gewidmeten Anhang zur Satzung des Gerichtshofs festgelegt werden.

    1.2.4

    Die Richter werden anhand eines Bewerberverzeichnisses ausgewählt, das von einem beratenden Ausschuss erstellt wird und das doppelt so viele Namen enthält wie Richter zu ernennen sind, und einstimmig vom Rat ernannt; sie müssen über ein optimales Maß an Sachverstand und juristischer Erfahrung in Patentsachen verfügen. Dem siebenköpfigen beratenden Ausschuss, der sich aus höchst kompetenten und unparteiischen Personen zusammensetzen soll, sollen insbesondere ehemalige Mitglieder des Gerichtshofs, des Gerichts erster Instanz, des Gemeinschaftspatentgerichts oder anerkannte Anwälte angehören; über die Ernennung der Mitglieder entscheidet der Rat.

    1.2.5

    Die Richter sollen im Laufe des gesamten Verfahrens von technischen Sachverständigen unterstützt werden. Diese werden auf den wichtigsten wissenschaftlichen und technischen Sachgebieten ausgewählt, die Gegenstand von Patentanträgen sind. Ein Generalanwalt wird an den Verhandlungen nicht beteiligt sein.

    1.2.6

    Verfahrenssprache ist die Amtsprache des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte ansässig ist, oder in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat zwei oder mehr Amtssprachen hat, eine dieser Sprachen nach Wahl des Beklagten. Auf Antrag der Prozessparteien und bei Zustimmung des Gemeinschaftspatentgerichts kann jedoch jede Amtssprache der EU als Verfahrenssprache gewählt werden; bei Rechtsmittelverfahren wird im zweiten Rechtszug für die Rechtsmittelschrift und das Verfahren die gleiche Sprache verwendet wie im ersten Rechtszug. Die anwesenden Parteien und Zeugen können jedoch eine andere als die Verfahrenssprache benutzen; in diesem Fall muss die Übersetzung und Verdolmetschung in die Verfahrenssprache sichergestellt werden.

    1.2.7

    Die unterliegende Partei kann vor der Fachkammer des Gerichts erster Instanz ein Rechtsmittel gegen eine Endentscheidung des Gemeinschaftspatentgerichts einlegen.

    1.2.8

    Die Wiederaufnahme eines letztinstanzlich vom Gerichtshof entschiedenen Verfahrens unterliegt aus Gründen der Rechtssicherheit sehr strengen Einschränkungen; nur wenn neue entscheidungserhebliche Tatsachen aufgrund rechtskräftiger Entscheidungen (res judicata) oder Straftaten bekannt werden, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens u.U. gerechtfertigt sein.

    1.2.9

    Die wichtigsten Abweichungen von den derzeit für den Gerichtshof und sein Gericht erster Instanz geltenden Bestimmungen ergeben sich logischerweise aus der Art der Rechtsstreitigkeiten und der Rechtsuchenden; sie sollen überdies einen reibungslosen Verfahrensablauf ermöglichen und die Rechtssicherheit verbessern. Sie sollen möglichst schnell in der künftigen Verfahrensordnung verankert werden und möglichst wenig Änderungen an der Satzung des Gerichts, die Teil der Verträge ist, nach sich ziehen. Für die Patentgerichtsbarkeit sind im Wesentlichen die folgenden besonderen Bestimmungen vorgesehen:

    Schriftliches und mündliches Verfahren: es soll im Vergleich zum Gerichtshof einfacher und flexibler werden, und es wird die Möglichkeit der Verwendung von IKT wie z.B. Videokonferenzen in Betracht gezogen.

    Vertretung: die Parteien können sich durch Patentanwälte vertreten lassen, die aus dem vom Europäischen Patentamt geführten Verzeichnis der zur rechtlichen Vertretung vor diesem Amt befugten Personen auszuwählen sind. Ein Rechtsbeistand ist vorgesehen, um den Zugang aller zum Recht zu gewährleisten.

    Dringlichkeitsmaßnahmen, einstweilige Anordnungen und Zwangsgelder: derartige Maßnahmen können jederzeit während des Verfahrens ergriffen werden, auch in der Verhandlung; in Frage kommen Handlungs- bzw. Unterlassungsverfügungen, u.U. in Verbindung mit Zwangsgeldern, die Beschlagnahme rechtsverletzender Ware, Maßnahmen zur Beweissicherung sowie jedwede sonstige dringliche oder einstweiligen Maßnahme aufgrund der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zum Schutz geistigen Eigentums und der einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des gewerblichen Eigentums (TRIPS) der WTO, die in diesen Vorschlag für einen Beschluss und andere Rechtsakte der Gemeinschaft aufgenommen wurden (8).

    Bei sämtlichen Entscheidungen in Gemeinschaftspatentsachen werden die Vollstreckungsklauseln unmittelbar von der betreffenden gerichtlichen Kammer beigefügt und gelten unverzüglich für die zuständigen Behörden des Landes bzw. der Länder, die diese Entscheidungen vollstrecken müssen, sobald sie die begünstigte Partei einer einstweiligen oder endgültigen Entscheidung dazu auffordert; es wird das Vollstreckungsverfahren des Landes angewandt, an das die Aufforderung ergeht.

    Wenn durch den Antrag des Klägers auf eine einstweilige Anordnung dem Beklagten vor dem Entscheid zur Sache ein finanzieller Schaden entsteht, sind entsprechende Garantien für den Fall erforderlich, dass seine Klage abgewiesen wird.

    Die Entscheidungen des GPG müssen in das Register für Gemeinschaftspatente aufgenommen werden.

    Den Mitgliedstaaten werden nur die Endentscheidungen übermittelt.

    1.2.10

    Jeder Mitgliedstaat wird eine begrenzte Zahl von nationalen Gerichten bestimmen, die während des Übergangszeitraums für Gemeinschaftspatentsachen zuständig sind. Die Entscheidungen dieser Gerichte unterliegen für die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen, vorbehaltlich besonderer Bestimmungen in der künftigen Verordnung (9).

    1.2.11

    Der Vorschlag geht auf verschiedene weitere Bestimmungen ein, die die Arbeitsweise des Gerichts, seine Kanzlei und sein Personal betreffen. Da diese Bestimmungen logisch und kohärent sind und den normalen Tätigkeiten und Zuständigkeiten eines derartigen Gerichts entsprechen, erscheint es nicht notwendig, sie hier in diesem Überblick über den Vorschlag für einen Beschluss einzeln zu behandeln.

    2.   Bemerkungen des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    2.1

    Der Ausschuss stellt fest, dass dieser Vorschlag im Einklang mit dem EG-Vertrag sowie dem Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs steht und vorbehaltlich der nachstehenden Bemerkungen seine grundsätzliche Billigung findet.

    2.1.1

    Im Unterschied zu den Rechtsstreitigkeiten, für die für gewöhnlich der Gerichtshof zuständig ist, geht es hier um Rechtsstreitigkeiten zwischen privaten Parteien auf einem Gebiet, das spezielle juristische Kenntnisse und technischen Sachverstand erfordert. In Anbetracht der Tatsache, dass für den ersten Rechtszug zwei Kammern mit drei Richtern und einem Präsidenten das dem Gericht erster Instanz beigeordnete Gemeinschaftspatentgericht bilden werden und als Rechtsmittelkammer im Gericht erster Instanz eine aus drei Richtern bestehende Fachkammer geschaffen wird, werden die generellen Regelungen für die Arbeitsweise von Gerichten eingehalten. Der Ausschuss ist auch mit dem Vorschlag einverstanden, dass das Gericht durch qualifizierte Sachverständige unterstützt werden soll statt durch Prüfer oder Generalanwälte, da dies seines Erachtens die Autorität und Qualität der Entscheidungen verbessern wird.

    2.1.2

    Die Schaffung eines dem Gericht erster Instanz beigeordneten Gemeinschaftspatentgerichts sowie einer spezialisierten Rechtsmittelkammer beim Gericht erster Instanz des Gerichtshofs für Gemeinschaftspatentsachen ist eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme, da es sich um einen gemeinschaftlichen und einheitlichen Schutztitel für gewerbliches Eigentum handelt, nämlich das künftige Gemeinschaftspatent. Der Vorteil von Kammern, die einzig und allein für die Prüfung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Gemeinschaftspatenten sowohl in erster als auch in zweiter Instanz zuständig sind, besteht für die Rechtsuchenden darin, dass diese Rechtsstreitigkeiten durch ihre Herausnahme aus den vom Gericht erster Instanz behandelten Rechtsstreitigkeiten schneller und effizienter geregelt werden können. Das Gericht erster Instanz fungiert als Rechtsmittelinstanz und der Gerichtshof in wenigen bestimmten Fällen als Überprüfungsinstanz.

    2.1.3

    Die Inhaber von technischen Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten für das gewerbliche Eigentum haben dadurch alle Verfahrensgarantien. Das Verfahren vermeidet Verweisungen des Gerichts erster Instanz an das Gemeinschaftspatentgericht, und gerichtliche Vergleiche sind möglich, was zur beschleunigten Streitbeilegung beiträgt. Fragen, die nicht die Patentverletzung und die Rechtsgültigkeit des Schutztitels betreffen, fallen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip weiterhin unter die Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte.

    2.1.4

    Zum Schutz der Rechte der Rechtsuchenden hält es der Ausschusses für gerechtfertigt, es privaten Parteien zu erlauben, die Rechtsgültigkeit einschlägiger Gemeinschaftsbestimmungen im Zusammenhang mit ihrem privaten Rechtsstreit (technischer Art, Rechtsverstöße sind davon ausgenommen) mittelbar anzufechten (Einrede der Rechtswidrigkeit), ohne dass jedoch das GPG die Möglichkeit hat, die angefochtenen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für nichtig zu erklären. Nach Auffassung des Ausschusses müssten jedoch die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden, z.B. durch den Gerichtshof, der zwingend durch die Kommission befasst werden könnte, sobald das GPG einer Einrede auf Rechtswidrigkeit stattgibt.

    2.1.5

    Zum Übergangszeitraum ist zu bemerken, dass die Gefahr besteht, dass die von den Mitgliedstaaten in begrenzter Zahl bestimmten nationalen Gerichte unterschiedliche Entscheidungen treffen, insbesondere bei der Auslegung der Artikel 52 bis 57 des Europäischen Patentübereinkommens. Es sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, dass der Gerichtshof — sobald ihm die entsprechende Zuständigkeit übertragen wurde — ggf. auch nachträglich im Rahmen der für ein solches Verfahren vorgesehenen Einschränkungen als Überprüfungsinstanz tätig werden kann.

    2.1.6

    Der Ausschuss hofft, dass das künftige Gemeinschaftspatentgericht bei Klagen betreffend die Gültigkeit von Schutztiteln — insbesondere was die Berücksichtigung von Artikel 52 ff. des Europäischen Patentübereinkommens angeht, in dem die von der Patentfähigkeit ausgenommenen Verfahren und Erzeugnisse ausdrücklich aufgeführt sind — für sein Teil zu einer maßvollen Auslegung im Einklang mit den generellen Grundsätzen der rechtlichen Auslegung tendieren wird. Der Ausschuss hält es für fraglich, ob sich das Gemeinschaftsrecht und das Europäische Patentübereinkommen in der Zukunft parallel oder divergierend entwickeln werden, insbesondere was die Unabhängigkeit des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf eventuelle Änderungen der Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens über die Patentfähigkeit angeht, und appelliert an die Kommission, rasch Verfahren für die Prüfung und Erteilung des Gemeinschaftspatents vorzuschlagen, die den Vorrang des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf das gewerbliche Eigentum gegenüber eventuellen künftigen Änderungen des Europäischen Patentübereinkommens im Bereich der Bedingungen für Erteilung und Gültigkeit des europäischen Patents durch das EPA gewährleistet.

    2.1.7

    Der Ausschuss begrüßt die Bestimmungen zur raschen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten beispielsweise durch Möglichkeit eines Vergleichs vor dem Gericht.

    2.1.8

    Er hält die von der Kommission vorgelegten Vorschläge bezüglich der Zuständigkeit und der Organisation des Gerichts in Sachen Gemeinschaftspatente für wohl überlegt, gut konzipiert und ausgewogen sowie für eine wirksame Regelung der Streitigkeiten geeignet.

    2.1.9

    Daher bedauert der Ausschuss umso mehr, dass der Rat am 11. März d.J. nicht in der Lage war, Fortschritte bezüglich des Gemeinschaftspatents zu erzielen. Der Ausschuss möchte darauf hinweisen, wie wichtig die schnellstmögliche Schaffung eines Gemeinschaftspatents als ein Beitrag zur Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen ist. Der Ausschuss kann keine Verzögerungen akzeptieren, die aus sprachlichen oder sonstigen Gründen angeführt werden und die nicht von grundlegender Bedeutung sind, sondern zu übermäßigen Kosten führen, welche die Vorteile eines gemeinschaftlichen Schutztitels zunichte machen. Alle Mitgliedstaaten sind am Europäischen Patentübereinkommen beteiligt, das nur drei Amtssprachen für die Hinterlegung kennt. Nichts spricht für die Annahme restriktiverer und kostenintensiverer Bestimmungen für einen gemeinschaftlichen Schutztitel.

    2.1.10

    Der Ausschuss hofft inständig, dass sich der Rat rasch und energisch — zum Zwecke der Innovationsförderung und der Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen in Europa — für einen kostengünstigen Schutztitel ohne erschwerte Verfahren und ohne übermäßige Auflagen ausspricht, welche den Reiz und die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Schutztitels zunichte machen würden.

    Besondere Bemerkungen

    2.2

    Das Gericht erster Instanz ist bereits für Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Eigentums im Hinblick auf Marken, Muster und Modelle zuständig, deren Eintragung dem Harmonisierung samt für den Binnenmarkt obliegt. Es wäre vielleicht denkbar gewesen, ein dem Gericht erster Instanz beigeordnetes Gericht für gewerblichen Rechtsschutz zu schaffen, das für sämtliche derzeitigen und künftigen gemeinschaftlichen Schutztitel für gewerbliches Eigentum zuständig ist, und eine speziell für diese Schutztitel zuständige Rechtsmittelkammer beim Gericht erster Instanz zu bilden, um die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem gemeinschaftlichen gewerblichen Rechtsschutz zentral zu bündeln. Diese Frage wäre jedoch möglicherweise in fernerer Zukunft zu prüfen, wenn genügend praktische Erfahrungen mit der Patentgerichtsbarkeit vorliegen, nach 2013. Diese Möglichkeit einer weitergehenden Zuständigkeit steht bereits auf Ebene der Rechtsmittelkammer des Gerichts erster Instanz offen, was die uneingeschränkte Zustimmung des Ausschusses findet.

    2.3

    Die gemeinsame politische Ausrichtung sah vor, dass die Richter nicht nur aufgrund ihrer großen fachlichen Kompetenz in Patentfragen, sondern auch unter dem Aspekt guter Sprachkenntnisse ernannt werden sollen (da nicht jeder Mitgliederstaat einen Richter stellen wird); diese Regelung der gemeinsamen politischen Ausrichtung wurde von der Kommission nicht übernommen, was der Ausschuss bedauert, da die Parteien — Kläger wie auch Beklagte — sich nicht nur in ihrer Sprache äußern können sollten, sondern nach Möglichkeit — obwohl für jede Verhandlung eine fachkundige Verdolmetschung vorzusehen ist — auch die Aussicht bestehen sollte, dass ihre Einlassungen in einer der Amtssprachen von mindestens einem der Richter verstanden werden. Bei gleicher fachlicher Kompetenz sollte Richtern, die mehrere Amtssprachen der Gemeinschaft beherrschen, der Vorzug gegeben werden.

    2.4

    Wenn Fragen der Inhaberschaft von Schutztiteln in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten verbleiben, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Rechte von Erfindern in einem Arbeits- oder Leiharbeitsverhältnis je nach Mitgliedstaat unterschiedlich gelöst wird. Im Interesse der Billigkeit und zur Verhinderung von Knebelungsverträgen über die Inhaberschaft von Titeln und die dem Erfinder zustehende Vergütung bzw. Abfindung müsste eine stärkere Vereinheitlichung des Gemeinschaftspatentrechts hinsichtlich der Ansprüche bestimmter Kategorien von Erfindern gegenüber dem Inhaber des Schutztitels angestrebt werden (Patente werden zumeist von einem Unternehmen hinterlegt, das Rechtsinhaber ist, und sehr viel seltener von dem tatsächlichen Erfinder, der nur hin wieder aufgrund eines Vertrags oder einzelstaatlicher Rechtsvorschriften Anspruch auf eine Vergütung für die Verwertung seiner Erfindung hat, in den meisten Fällen aber keinerlei Ansprüche geltend machen kann).

    2.5

    Der Ausschuss nimmt mit Interesse die Aussage der Kommission zu Kenntnis, dass die Kosten für die Prüfung, Erteilung und Aufrechterhaltung um 50 % unter denen für das europäische Patent liegen. Dennoch müsste schnellstmöglich eine Regelung für die Vermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Gemeinschaftspatenten (Patentberater, Patentanwälte) getroffen werden, um erhebliche Verzerrungen bei den tatsächlichen Kosten für das Schutzrecht zu vermeiden und eine qualifizierte Betreuung der Patentanmelder zu gewährleisten. Das Verzeichnis der zur rechtlichen Vertretung vor dem EPA befugten Personen kann zwar als Referenz dienen, aber es könnte eine unverbindliche oder verbindliche Gebührenregelung für die verschiedenen Dienstleistungen erwogen werden. Desgleichen sollten — ebenfalls mit dem Ziel der Qualität der Leistungen und eines angemessenen Preis-Leistungsverhältnisses vor Augen — auch die Aufgaben und Gebühren der einzelstaatlichen Patentämter bzw. der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörden sowie die eventuelle Zulassung von Fachübersetzern mit patentrechtlichen Spezialkenntnissen berücksichtigt werden.

    2.6

    Nach Prüfung des Finanzbogens ist der Ausschuss der Auffassung, dass in dem Falle, dass die Parteien die Gerichtsgebühren zu tragen haben, der Rat, der die Gebührenordnung mit qualifizierter Mehrheit zu verabschieden hat, der Notwendigkeit eines fairen Zugangs zum Gerichtssystem Rechnung tragen und keine Gebühren festlegen sollte, die für private Parteien oder KMU abschreckende Wirkung haben könnten. In Anbetracht des Haushaltsentwurfs für das GPG und des Grundsatzes, dass die Erwirkung und Aufrechterhaltung des gewerblichen Rechtsschutzes mittels des Gemeinschaftspatents kostengünstiger sein soll als das europäische Patent oder die nationalen Patente der am weitesten entwickelten Drittländer, können die Kosten der für private Parteien erbrachten Dienstleistungen nach Auffassung des Ausschusses jedenfalls nicht allein durch die Gerichtsgebühren gedeckt werden. Der Ausschuss hofft, dass die Gerichtsgebühren in der ersten Instanz und in der Rechtsmittelinstanz gemäßigt sein werden, damit der strategische Vorteil des Gemeinschaftspatents für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Gemeinschaft — und zwar insbesondere der KMU — zum Tragen kommt.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  ABl. C 129 vom 27.4.1998.

    (2)  ABl. C 155 vom 29.5.2001.

    (3)  Dies macht eine Revision des Übereinkommens auf diplomatischen Wege notwendig, an der sämtliche Vertragsstaaten unabhängig von ihrer EU-Mitgliedschaft beteiligt werden müssen.

    (4)  Vgl. Stellungnahme des EWSA zu dem Vorschlag für eine Verordnung über das Gemeinschaftspatent vom 29.3.2001, ABl. C 155 vom 29.5.2001.

    (5)  Vermerk des Generalsekretariats des Rates für die Delegationen, Interinstitutionelles Dossier 2000/0177(CNS), Nr. 7159/03 PI 24 vom 7. März 2003.

    (6)  Artikel 241, 243, 244 und 256 EGV, Art. 14 von Anhang II der Satzung; was Artikel 256 angeht, so wird das Gemeinschaftspatentgericht die Vollstreckungsklausel seiner Entscheidung unmittelbar beifügen, um Verzögerungen und Zeitverluste zu vermeiden.

    (7)  ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 167. Der Rat kann auf Antrag des Gerichtshofs oder der Kommission und des Europäischen Parlaments einstimmig die Satzung des Gerichtshofs ändern (Art. 245 EVG); in Abhängigkeit davon, von wem der Antrag gestellt wurde, werden die Kommission oder der Gerichtshof sowie das Parlament angehört. Eine derartige Änderung darf jedoch nicht Titel I der Satzung des Gerichtshofs betreffen.

    (8)  Stellungnahme CESE 1385/003 vom 29.10.2003, Berichterstatter: Herr Retureau.

    (9)  Zu den Rechtsinstrumenten für Zivil- und Handelssachen, die mit Billigung des Ausschusses bereits verabschiedet wurden, zählen u.a. die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, die in diesem Zusammenhang Anwendung finden dürfte.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/81


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Übertragung der Zuständigkeit in Gemeinschaftspatentsachen auf den Gerichtshof“

    (KOM(2003) 827 endg. — 2003/0326 (CNS))

    (2004/C 112/22)

    Der Rat beschloss am 30. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss, die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit der Vorbereitung der Arbeiten zu beauftragen.

    Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) Herrn RETUREAU zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 56 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Der Vorschlag der Kommission für Beschlüsse des Rates

    1.1

    Der Vorschlag sieht die Übertragung der Zuständigkeit in Streitsachen im Zusammenhang mit dem künftigen Gemeinschaftspatent auf den Gerichtshof vor.

    1.2

    Der Europäische Rat beschloss auf seiner Tagung in Lissabon im März 2000 ein Grundsatzprogramm zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union, um diese zum wettbewerbfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen. Dieses Programm erstreckt sich auf zahlreiche Bereiche, u.a. das gewerbliche Eigentum: hier hat der Rat die Schaffung eines Gemeinschaftspatents auf den Weg gebracht, um durch die Beseitigung der bestehenden Schwächen beim Schutz technologischer Erfindungen die Investitionen in Forschung und Entwicklung in der Union anzukurbeln.

    1.3

    In Erwartung der endgültigen Entscheidung über die Verordnung, für die gemäß den Rechtsgrundlagen für die erörterten Vorschläge der Rat allein zuständig ist, hat die Kommission auf der Grundlage der Gerichtsbarkeitsaspekte der Gemeinsamen Politischen Ausrichtung des Rates (die vom Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ am 3. März 2003 und vom Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ am 6. März 2003 erörtert wurde) (1) diesen ersten Vorschlag vorgelegt, der die Übertragung der Zuständigkeit auf den EuGH betrifft.

    1.4

    Durch die Schaffung eines einzigen Gemeinschaftsgerichts, das von natürlichen und juristischen Personen angerufen werden kann und spätestens 2010 seine Arbeit aufnehmen soll, soll eine örtliche und sachliche Aufsplitterung der Zuständigkeit bei Rechtstreitigkeiten über die Rechtsgültigkeit eines Gemeinschaftspatents und die sich unmittelbar daraus ergebenden gewerblichen Schutzrechte sowie über eventuelle ergänzende Schutzzertifikate für das betreffende Patent vermieden werden.

    1.5

    Die Rechtsgrundlage des Vorschlags zur Übertragung der Zuständigkeit in Gemeinschaftspatentsachen auf den Gerichtshof (2) ist der mit dem Vertrag von Nizza in den EG-Vertrag eingefügte Artikel 229a. Laut EG-Vertrag kann der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments Bestimmungen erlassen, mit denen dem Gerichtshof in dem vom Rat festgelegten Umfang die Zuständigkeit übertragen wird, über Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Titeln für den gewerblichen Rechtsschutz zu entscheiden. Der Rat empfiehlt den Mitgliedstaaten, diese Bestimmungen anzunehmen. Anschließend nehmen die Mitgliedstaaten die Ratifizierung gemäß ihren jeweiligen Verfassungsbestimmungen vor.

    1.6

    Die Zuständigkeit des Gerichts erstreckt sich (bei strikter Auslegung) auf Rechtsstreitigkeiten betreffend die Verletzung oder die Rechtsgültigkeit eines Gemeinschaftspatents oder eines gemeinschaftlichen ergänzenden Schutzzertifikats. Die zulässigen Klagen sind in der überarbeiteten Fassung des Vorschlags für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent aufgeführt (3): hinsichtlich der Patentverletzung handelt es sich um Klagen auf Unterlassung der Patentverletzung und auf Feststellung der Nichtverletzung sowie Sanktionen für die Patentverletzung; was die Gültigkeit angeht, sind Nichtigkeitsklagen und Widerklagen auf Nichtigerklärung vorgesehen. Der Gerichtshof wird auch für die u.U. notwendigen Dringlichkeitsmaßnahmen und Zwangsgelder in Sachen, mit denen er befasst wird, zuständig sein.

    1.7

    Für die Gemeinschaftspatente sind Übergangsbestimmungen vorgesehen, die voraussichtlich bis zur Errichtung des Gemeinschaftspatentgerichts im Jahr 2010 gelten sollen; die von den Mitgliedstaaten bestimmten Gerichte sollen dann für die Anwendung des materiellen Rechts des Übereinkommens von München und des Gemeinschaftsrechts bei Verfahren, die vor der Errichtung des Gemeinschaftspatentgerichts angestrengt wurden, zuständig sein und in jedem Fall die bereits anhängigen Verfahren entscheiden.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss stellt fest, dass der Vorschlag für einen Beschluss des Rates im Einklang mit dem EG-Vertrag sowie dem Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs steht und vorbehaltlich der nachstehenden Bemerkungen seine grundsätzliche Billigung findet.

    2.2

    Er teilt die Auffassung, dass eine einzige Gerichtsbarkeit mit ausschließlicher Zuständigkeit und eine einheitliche Rechtsprechung notwendig sind, um die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftspatentrechts bei Rechtsstreitigkeiten gemeinschaftsweit sicherzustellen. Diese Lösung garantiert den Rechtsuchenden die Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit, die sie erwarten dürfen. Außerdem wird das Recht gewahrt, in der Verhandlung die Muttersprache benutzen zu dürfen.

    2.3

    Zum Schutz der Rechte der Rechtsuchenden hält es der Ausschuss für gerechtfertigt, es privaten Parteien zu erlauben, die Rechtsgültigkeit einschlägiger Gemeinschaftsbestimmungen im Zusammenhang mit ihrem privaten Rechtsstreit (technischer Art, Rechtsverstöße sind davon ausgenommen) mittelbar anzufechten (Einrede der Rechtswidrigkeit), ohne dass jedoch das Gemeinschaftspatentgericht (GPG) die Möglichkeit hat, die angefochtenen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für nichtig zu erklären. Nach Auffassung des Ausschusses müssten jedoch die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden, z.B. durch den Gerichtshof, der zwingend durch die Kommission befasst werden könnte, sobald das GPG einer Einrede auf Rechtswidrigkeit stattgibt.

    2.4

    Zum Übergangszeitraum ist zu bemerken, dass die Gefahr besteht, dass die von den Mitgliedstaaten in begrenzter Zahl bestimmten nationalen Gerichte unterschiedliche Entscheidungen treffen, insbesondere bei der Auslegung der Artikel 52 bis 57 des Europäischen Patentübereinkommens. Es sollte vielleicht die Möglichkeit vorgesehen werden, dass der Gerichtshof — sobald ihm die entsprechende Zuständigkeit übertragen wurde — auch nachträglich als Berufungsinstanz nach Maßgabe der für ein solches Verfahren festgelegten Grenzen tätig werden kann, um ggf. die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der für Gemeinschaftspatentsachen zuständigen nationalen Gerichte zu gewährleisten, da unterschiedliche Entscheidungen in vergleichbaren Fällen unbillig wären; hiervon könnten insbesondere die Bedingungen für die Gültigkeit der vom EPA erteilten Schutztitel betroffen sein, da das EPA für die mitunter anfechtbare Rechtsprechung seiner Einspruchs- und Beschwerdekammer zu den Bedingungen für die Patentfähigkeit (4) bekannt ist, die nationalen Gerichte nicht immer folgen.

    2.5

    Das ergänzende Schutzzertifikat (Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel) besteht noch nicht auf der Ebene des Gemeinschaftspatents und wird Gegenstand eines späteren Vorschlags der Kommission sein. Der Ausschuss hält es für gewagt, in die Zuständigkeiten des Gerichtshofs die Rechtsstreitigkeiten über einen geplanten Schutztitel aufzunehmen, bei dem noch nicht feststeht, ob und in welcher Form es ihn überhaupt geben wird. Es könnte eine andere, weiter gefasste Formulierung bezüglich der Festlegung der Zuständigkeit des Gerichtshofes erwogen werden (z.B. Gemeinschaftspatente und andere Schutztitel oder Zertifikate der Gemeinschaft im Bereich des gewerblichen Eigentums), um künftigen Entwicklungen nicht vorzugreifen. Die Ausweitung oder künftige Änderung des Schutzes auf die verschiedenen Bereiche patentfähiger Erfindungen wird zweifellos Kontroversen aufwerfen, und es ist heikel, bereits heute schon Lösungen und die Art der Rechtstitel, die Gegenstand künftiger Entscheidungen des gemeinschaftlichen Gesetzgebers sein werden, vorherzusehen.

    2.6

    Der Ausschuss billigt den Vorschlag, dem Gerichtshof die Zuständigkeit für eventuelle einstweilige Maßnahmen (Handlungs- oder Unterlassungsverfügungen, Beweissicherung, unverzügliche Unterlassung der Patentverletzung) sowie Sanktionen wie z.B. Zwangsgelder zu übertragen, ohne die der Regelung von Streitigkeiten die Wirksamkeit fehlen würde. Aus praktischen Gründen muss die Umsetzung der rechtskräftigen Endentscheidungen oder einstweiligen Anordnungen des GPG den zuständigen nationalen Behörden mit Zwangsbefugnissen gemäß den jeweiligen Rechtsvorschriften übertragen werden. Für diejenigen Verfahren, die nicht unter die Übertragung der Zuständigkeit auf den Gerichtshof fallen, sind auch weiterhin die einzelstaatlichen Gerichte zuständig; hierzu können insbesondere Verträge über Gemeinschaftspatente oder Streitigkeiten über die Inhaberschaft derartiger Patente gehören. Der Ausschuss billigt auch diese Lösung, auf die er jedoch in seinen besonderen Bemerkungen näher eingehen wird.

    2.7

    Der Ausschuss erachtet die Bedingungen für das Inkrafttreten des hier erörterten Beschlusses für logisch und notwendig, da infolge dieses Beschlusses Änderungen der einzelstaatlichen Vorschriften betreffend die Zuständigkeit und das Gerichtswesen notwendig werden, die die Mitgliedstaaten zuvor der Kommission mitteilen müssen, und außerdem gleichzeitig durch den Beschluss das GPG de facto errichtet werden muss, der in einer gesonderten Stellungnahme erörtert wird.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1

    Das Gericht erster Instanz ist bereits für Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Eigentums im Hinblick auf Marken, Muster und Modelle zuständig, deren Eintragung dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt obliegt. Es wäre vielleicht denkbar gewesen, ein dem Gericht erster Instanz beigeordnetes Gericht für gewerblichen Rechtsschutz zu schaffen, das für sämtliche derzeitigen und künftigen gemeinschaftlichen Schutztitel für gewerbliches Eigentum zuständig ist, und eine speziell für diese Schutztitel zuständige Rechtsmittelkammer beim Gericht erster Instanz zu bilden, um die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem gemeinschaftlichen gewerblichen Rechtsschutz zentral zu bündeln. Diese Frage wäre jedoch möglicherweise in fernerer Zukunft zu prüfen, wenn genügend praktische Erfahrungen mit der Patentgerichtsbarkeit vorliegen, nach 2013. Diese Möglichkeit einer weitergehenden Zuständigkeit steht bereits auf Ebene der Rechtsmittelkammer des Gerichts erster Instanz offen, was die uneingeschränkte Zustimmung des Ausschusses findet.

    Brüssel, der 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Vermerk des Generalsekretariats des Rates für die Delegationen, Interinstitutionelles Dossier 2000/0177 (CNS), Nr. 7159/03 PI 24 vom 7. März 2003.

    (2)  KOM(2003) 827 endg. vom 23.12.2003.

    (3)  Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Geistiges Eigentum“ (Patente), (überarbeiteter) Text des Vorschlags, Nr. 10404/03 PI 53 vom 11. Juni 2003, anschließend von der Gruppe „Patente“ am 4. September 2003 geändert, Dokument Nr.12219/03.

    (4)  Siehe z.B. das für ein genetisch verändertes Tier (Onkomaus) erteilte Patent, obwohl Tierrassen und -arten nicht patentierbar sind.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/83


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Realitäten und Chancen für angepasste Umwelttechnologien in den Beitrittsländern“

    (2004/C 112/23)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Juli 2003, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Realitäten und Chancen für angepasste Umwelttechnologien in den Beitrittsländern“.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatter war Herr RIBBE.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) mit 80 gegen 1 Stimme bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Ausgangslage — Allgemeine Hinweise auf Umwelttechnologien

    1.1

    Viele Untersuchungen und öffentliche Berichte zeigen, dass zwar schon viel getan wird, um beispielsweise Wasser und Luft zu reinigen, dennoch ist klar, dass sowohl in den jetzigen Mitgliedstaaten, als auch in den Beitrittsländer nach wie vor erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen, um die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen und das europäische Naturerbe zu erhalten, die bestehenden Umweltgesetze zu erfüllen und Europa hin zur nachhaltigen Entwicklung zu führen.

    1.2

    Eine wichtige Rolle zur Lösung bestimmter Umweltprobleme spielen dabei bekanntlich Umwelttechnologien. In diesem Wissen hat die Kommission einen „Aktionsplan für Umwelttechnologie in der Europäischen Union“ erarbeitet (1), der derzeit mit den beteiligten Institutionen und der organisierten Zivilgesellschaft diskutiert wird. Der EWSA hat diesen Schritt begrüßt, denn Umwelttechnologien (z.B. Klär- und Filteranlagen) haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten wichtige Fortschritte im Umweltschutz bewirkt. Dies gilt sowohl für stationäre Anlagen, Industrieanlagen oder Kraftwerke etwa, aber auch für mobile technische Einrichtungen.

    1.3

    Die Festlegung und Verschärfung der Abgasgrenzwerte beim Auto ist ein Beispiel für stete technische Fortentwicklung einer umweltentlastenden Technologie. Dieses Beispiel zeigt allerdings auch, dass

    bestimmte Fortschritte bei der Entwicklung und Einführung von Umwelttechnologien wie dem Abgaskatalysator oft erst nach heftigen politischen Auseinandersetzungen umgesetzt werden – man erinnere sich an den seinerzeitigen Widerstand der Automobilindustrie. Diese politische Auseinandersetzung scheint sich derzeit übrigens im Bereich der Dieselpartikelfilter zu wiederholen;

    Umwelttechnologien Grenzen haben: während insbesondere die Stickoxid- und Schwefeldioxidemissionen maßgeblich reduziert werden konnten, gibt es global noch keine praktisch anwendbaren Technologien zur Zurückhaltung von beispielsweise CO2- oder FCKW-Emissionen, die für eine der größten umweltpolitischen Herausforderungen der Zukunft, die Klimaproblematik, entscheidend verantwortlich sind.

    1.4

    Umwelttechnologien sind somit ein wichtiges Element der Umweltpolitik geworden. Jedoch sind dort, wo mit technischen Lösungen allein keine ausreichenden Erfolge erzielt werden können, strukturelle Veränderungen notwendig. Der EWSA beschränkt sich in dieser Stellungnahme allerdings darauf, den Sektor der Umwelttechnologien unter unterschiedlichen Aspekten zu beleuchten.

    1.5

    Umwelttechnologien sind aber nicht nur aus umweltpolitischen Erwägungen wichtig. Die dahinter stehende Wissenschaft und Industrie sind mittlerweile zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und Arbeitsplatzgeber geworden. Mittlerweile werden damit in Europa über 183 Mrd. € umgesetzt (2). Der EWSA hat deshalb auch bereits die von der EU-Kommission herausgegebene Mitteilung über die Ausarbeitung eines Aktionsplans für Umwelttechnologien begrüßt (3).

    1.6

    Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt allerdings, dass — ähnlich wie in vielen anderen Wirtschaftssektoren auch — im Bereich der Umwelttechnologien die Finanzmittel zur Umsetzung aller identifizierten und als notwendig anerkannten Projekte innerhalb des gewünschten Zeitraumes nicht ausreichen. Viele umweltpolitisch notwendigen Maßnahmen können deshalb nicht realisiert werden.

    Die Situation in den Beitrittsstaaten

    1.7

    Es ist im Rahmen dieser Stellungnahme nicht möglich und nicht gewollt, eine generelle Aussage über den Stand und die Entwicklung der Umwelt und des Umweltschutzes in den Beitrittsländern zu machen. Die Situation ist viel zu komplex, als dass man nur Positives oder nur Negatives über die Umweltentwicklung berichten könnte. Eindeutig ist, dass viele der direkt wahrnehmbaren (lokalen) Umweltbelastungen in den Beitrittsländern in den letzten Jahren zum Teil massiv entschärft werden konnten. Hingegen sind andere, weniger direkt wahrnehmbare Umweltprobleme neu entstanden (4). Unverkennbar ist jedoch, dass durch die Schließung besonders umweltbelastender Industrien sowie durch den Einsatz von umweltentlastenden Technologien mittlerweile viele direkte Gesundheitsgefährdungen, die von den Umweltbelastungen ausgingen, reduziert werden konnten.

    1.8

    Dennoch bleibt noch sehr viel zu tun, um die Umweltstandards, die durch das europäische Recht vorgegeben sind, zu erfüllen. Investitionen in die Umweltinfrastruktur von ungefähr 80 bis 110 Mrd. € sind nötig, um in den MOE-Staaten den Acquis zur Anwendung zu bringen (5). Doch Geld ist auch in den Beitrittsländern knapp. Staatliche Umweltinvestitionen stehen dabei durchaus in Konkurrenz zu anderen staatlichen Aufgaben wie der Sozialpolitik, Bildung, Infrastruktur etc. Und auch bei Investitionen der Industrie bzw. von Bürgern gilt der Grundsatz, Fehlallokationen möglichst zu vermeiden. Es wird also darauf ankommen, die zur Verfügung stehenden Mittel höchst effektiv zu verwenden und nach kostengünstigen und effizienten Lösungen zu suchen.

    1.9

    Diese Stellungnahme wird sich daher mit Umwelttechnologien in den MOE-Staaten befassen. Ein Großteil der Beispiele, die in dieser Stellungnahme verwendet werden, stammen aus Polen. Polen ist einerseits das größte Beitrittsland, ein erheblicher Teil der zukünftigen EU-Fördermittel wird dorthin fließen. Polen ist auch wie kaum ein anderes Beitrittsland durch starke Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten geprägt, was, wie diese Stellungnahme zeigen wird, eine erhebliche Relevanz für den Umwelttechnologiebereich hat. Polen steht zudem wie kaum ein anderes Beitrittsland noch vor weiteren extremen Umbrüchen im industriellen Sektor. Und letztlich wurde Polen als Beispiel ausgewählt, weil der EWSA mit Polen auf eine lange Zusammenarbeit im Bereich des Umweltschutzes zurückblicken kann.

    1.10

    Die in dieser Stellungnahme getroffenen Aussagen und Forderungen sind aber auf alle Beitrittsstaaten übertragbar und auch für viele der gegenwärtigen Mitgliedstaaten zutreffend.

    Finanzmittel für den Umweltschutz in den Beitrittsländern

    1.11

    Die Europäische Union hat sich bereits in den letzten Jahren, d.h. im Vorfeld des Beitritts, mit Finanzzuschüssen in Umweltinvestitionen in den Beitrittsländern engagiert. Dies stellt einen wichtigen und begrüßenswerten Unterschied zu bisherigen Erweiterungen der EU dar. Mit ihren Finanzzuweisungen unterstreicht die Kommission die wachsende Bedeutung des Umweltschutzes. Zur Verfügung standen bislang u.a. die Programme PHARE und ISPA und teilweise auch SAPARD, wobei auf die von der Kommission immer wieder festgestellten Schwierigkeiten beim Abruf der Gelder hingewiesen werden muss.

    1.12

    In den Jahren 1995 bis 2000 wurden aus dem PHARE-Programm 398,2 Mio. € und aus ISPA 460,2 Mio. € für den Umweltsektor bereit gestellt, größtenteils für Wasserprojekte (rund 82,3 % aller Mittel), gefolgt von Projekten im Abfallbereich (15,7 % der Mittel) und zur Bekämpfung der Luftverschmutzung (2 %) (6). Polen erhielt in den genannten 6 Jahren insgesamt 233,4 Mio. € (durchschnittlich also rund 40 Mio. €/Jahr).

    1.13

    Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass das ISPA-Programm erst mit dem Jahr 2000 aufgelegt wurde. Seitdem fließen aus ISPA jährlich rund 500 Mio. € in Umweltinvestitionen der MOE-Staaten. Polen erhält davon zwischen 30 und 37 %.

    1.14

    Die von der EU bereitgestellten Finanzhilfen waren in der Vergangenheit für die Beitrittsländer sicherlich wertvolle Hilfen, dennoch muss festgestellt werden, dass der Hauptteil der Finanzaufwendungen aus den Ländern selbst erbracht wurde und auch zukünftig erbracht werden muss. „PHARE- und ISPA-Mittel können nur einen geringen Teil des Finanzierungsbedarfs der Beitrittsländer im Umweltbereich abdecken: 1,1 % des Gesamtbedarfs im Wassersektor, 0,75 % im Abfallsektor und nur 0,03 % im Luftsektor, wie der Europäische Rechnungshof ermittelt hat“ (7).

    1.15

    Die gesamte Auslandshilfe bei der Finanzierung von Umweltmaßnahmen in Polen lag bis zum Jahr 2000 meistens bei „nur“ rund 5 % aller Umweltschutzinvestitionen; die Beiträge der EU machten davon auch nur einen Teil aus.

    1.16

    Dieses wird sich jedoch nach dem Beitritt wesentlich ändern. Von den 7,3 Mrd. € an Strukturfondsmitteln, die Polen in den Jahren 2004 bis 2006 von der EU erhalten soll, werden nach Angaben des polnischen Umweltministeriums 545 Mio. € in Umweltmaßnahmen fließen. An die Stelle des ISPA-Programms tritt dann der Kohäsionsfonds, aus dem in den Jahren 2004 bis 2006 knapp 7,6 Mrd. € bereit gestellt werden. Polen soll hiervon zwischen 45 und 52 %, also zwischen 3,4 und knapp 4 Mrd. €, erhalten. Bekanntlich teilt sich der Kohäsionsfonds zur Hälfte in Umwelt- und zur anderen Hälfte in Verkehrsinvestitionen. Polen werden also zukünftig pro Jahr insgesamt zwischen 1,3 und 1,5 Mrd. € an EU-Geldern für den Umweltbereich zur Verfügung stehen.

    1.17

    Die Verwendung der EU-Mittel für den Umweltschutz in den Beitrittsländern war bislang alles andere als optimal. Wenn nun in Zukunft wesentlich mehr Geld zur Verfügung stehen wird, muss noch genauer als bislang darauf geachtet werden, dass diese beträchtlichen Geldsummen effektiv eingesetzt und nicht in illusorischen Wachstumsplanungen bzw. unangepassten Projekten, z.B. mit überzogenen und überteuerten Techniken, verpulvert werden. Der Europäische Rechnungshof äußerte in seinem Sonderbericht Nr. 5/2003 über „die Finanzierung von Umweltprojekten in den Bewerberländern“ u.a. den Kritikpunkt, dass wiederholt Projekte genehmigt wurden, bei denen das Risiko von Überkapazitäten bestand und damit das Risiko einer unwirtschaftlichen Verwendung der EU-Mittel sowie unnötig hoher Betriebskosten. Als eines von mehreren Beispielen wird in dem Bericht die Abwasseraufbereitungsanlage von Szczecin genannt, die nur zu 40 % ausgelastet ist.

    2.   Was sind angepasste Technologien, warum brauchen wir sie?

    2.1

    Die sogenannten „angepassten“ Umwelttechnologien können aus Sicht des EWSA eine sehr wichtige Rolle spielen wenn es darum geht,

    effektive Projekte zur Lösung lokaler Probleme zu entwickeln,

    Geld vielleicht nicht in der Planungsphase, aber sehr wohl in der Investitionsphase als auch bei den laufenden Kosten zu sparen, und

    lokal und regional Arbeitsplätze zu schaffen.

    2.2

    „Angepasst“ heißt für den EWSA, dass in jedem Einzelfall nach Lösungen gesucht werden muss, die sich nicht allein an der technischen Machbarkeit oder technischen Effektivität orientieren, sondern die die lokale Situation, auch die der dort lebenden Menschen, intensiv einbeziehen.

    2.3

    An einigen Beispielen soll zunächst verdeutlicht werden, was der EWSA hierunter versteht:

    2.3.1   Beispiel Luftreinhaltung/Energieeffizienz:

    2.3.1.1

    Als sich Polen Ende der 80er Jahre endgültig von der kommunistischen Vergangenheit löste, erhielt der Umweltschutz eine äußerst hohe Bedeutung im politischen Geschehen. Dies ist nicht überraschend, waren doch viele Menschen von den extremen Umweltbelastungen, die vornehmlich von Industrieanlagen, aber auch vom kohlegefeuertem Hausbrand ausgingen, massiv betroffen.

    2.3.1.2

    In Krakau wurden Untersuchungen angestellt, wie man die Schwefeldioxidbelastung, die nicht nur die Gesundheit der Menschen beeinträchtigte, sondern auch massiv die kulturell und architektonisch extrem wertvollen Hausfassaden zerstörte, mindern konnte. Als eine der ersten Maßnahmen war die großtechnische Sanierung von zwei Kraftwerken vorgesehen.

    2.3.1.3

    Parallel erarbeitete alternative Berechnungen hatten allerdings auch gezeigt, dass mit dem gleichen Finanzaufwand, den die technische Aufrüstung der Kraftwerke erforderte, ein doppelt so hoher Schwefeldioxideinsparungseffekt hätte erreicht werden können, wenn stattdessen die alten Kohlefeuerungen in den Häusern ausgetauscht und Energiesparmaßnahmen an den Häusern (Isolierungen, Wärmeschutzverglasung etc.) vorgenommen worden wären.

    2.3.1.4

    Diese Maßnahmen hätten zugleich den dort lebenden Menschen bessere Wohnverhältnisse beschert und das lokale Handwerk gefördert und damit wesentlich stärker zur lokalen Konjunkturankurbelung beigetragen. Dennoch wurde die Sanierung der Kraftwerke finanziert, was sicherlich durchaus auch auf die Interessen der ausländischen Großindustrie zurückzuführen war, die letztlich Großteile des Auftrags übernahm.

    2.3.2   Beispiel Abwasserreinigung:

    2.3.2.1

    Polen unternimmt derzeit sehr große und begrüßenswerte Anstrengungen, die Abwasserreinigung zu verbessern. Nachdem zunächst hauptsächlich in den großen Städten mit dem Bau bzw. der Sanierung der Kläranlagen begonnen wurde, kommen nun auch in den kleineren Ortschaften viele Planungen und Baumaßnahmen in Gang bzw. wurden schon abgeschlossen.

    2.3.2.2

    Für die ländlichen, bevölkerungsarmen Gebiete sind allerdings zentrale Lösungen, wie sie für Ballungszentren fraglos sinnvoll sind, häufig sowohl aus technischen wie auch aus finanziellen Gründen weniger geeignet. Dennoch werden fast ausnahmslos solche Lösungen „nach dem Stand der Technik“ geplant.

    2.3.2.3

    Ein Beispiel hierfür ist die Flächengemeinde Sokoly in der Wojwodschaft Podlasie im Nordosten Polens: Ihre Gemeindefläche erstreckt sich über 160 km2, sie verfügt über 29 Ortsteile, die nach Planungsstand alle an die derzeit in der Zentralgemeinde im Bau befindliche Kläranlage angeschlossen werden sollen.

    2.3.2.4

    Neben dem Bau der technischen Anlage selbst sind die Abwasserkanäle immer einer der größten Investitions- wie auch Unterhaltsposten. Das polnische Landesprogramm für Abwasserentsorgung vom Dezember 2003 macht deutlich, dass nur 1/3 der Investitionen in den Bau bzw. die Modernisierung der Kläranlagen fließt, 2/3 der Mittel werden für die Kanalisation benötigt. Im vorliegenden Fall sind Druckleitungen (mit entsprechenden kostenintensiven Pumpstationen) geplant, um das Abwasser in die zentrale Kläranlage zu transportieren. In Ballungszentren liegen die spezifischen Kanallängen bei meist 0,5 bis 2 Meter pro Einwohner, in ländlichen Gebieten sind 5 bis 10 m pro Einwohner unter Umständen gerade noch tolerierbar. Im vorliegenden Fall liegen die Planungen bei zum Teil weit über 20 m, teilweise bis zu 40 m Kanal pro Einwohner, wobei die Anschlusskanäle zu den einzelnen Häusern noch nicht eingerechnet sind.

    2.3.2.5

    Die Vorschläge der Abwasserplaner können keineswegs als eine an die örtlichen Verhältnisse angepasste Lösung betrachtet werden. Die angebotene Lösung erinnert sehr stark an die Fehlplanungen im Abwasserbereich, die nach der Wende in Ostdeutschland vollzogen wurden, dort zu exorbitanten Abwassergebühren geführt haben und mittlerweile einen echten Standortnachteil darstellen. Auch dort entstanden Projekte, die auf illusorische Wachstumserwartungen, aber auch auf eine falsche Übertragung von Großstrukturen auf ländliche Regionen zurückzuführen sind.

    2.3.2.6

    Die aus unangepassten Lösungen resultierenden sehr hohen Abwassergebühren schaden der wirtschaftlichen Entwicklung betroffener Regionen im doppelten Sinn: einerseits könnte das Geld, das für hohe Abwassergebühren verwendet werden muss, für die wirtschaftliche Entwicklung in anderen Bereichen genutzt werden, andererseits können hohe Abwassergebühren besonders Gewerbebetriebe mit hohem Wasserbedarf von der Ansiedlung abschrecken.

    2.3.2.6.1

    Nach Darstellung eines mittlerweile im Bundesland Thüringen gegründeten Dachverbands von Bürgerinitiativen gegen teure Abwasserprojekte explodieren die Kosten bei den Wasser- und Abwasserzweckverbänden, nachdem die Investitionen z.T. aus Strukturfondsmitteln unterstützt wurden. So hat die Gemeinde Friedrichsroda kürzlich ihren Einwohnern Beitragsbescheide für den Anschluss an die Wasserver- und Abwasserentsorgung in Höhe von mehr als 10.000 €, in einem Fall sogar von 99.000 €, zugestellt (8). Die Bürger, denen man einst die Abwasserpläne u.a. mit dem Hinweis auf hohe Investitionszuschüsse schmackhaft gemacht hat, reagieren nun empört auf die Folgekosten, die früher verschwiegen wurden.

    2.3.2.7

    Der EWSA erinnert in diesem Zusammenhang an die Kritik des Europäischen Rechnungshofes, der nicht nur von überdimensionierten Abwasserprojekten berichtet, sondern auch von eher inkompetenten Beratern, die teure Projekte quasi „von der Stange“ verkaufen.

    2.3.2.8

    Das Beispiel Miroslawice (Gemeinde Trzebiatow an der Ostsee) zeigt, dass die vom EWSA befürchtete Wiederholung entsprechender Fehlplanungen real ist und die vom Rechnungshof ermittelten Beispiele keine Einzelfälle darstellen. Daraus können dann schwerwiegende Auswirkungen auch für die Anwendung angepasster Technologien resultieren. In Trzebiatow wurden Fördergelder für eine überdimensionierte Abwasserkläranlage verwendet. Im Ortteil Miroslawice wollte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt ein Demonstrationsprojekt zum Bau einer naturnahen Kläranlage fördern, deren Technologie speziell für kleine Ortschaften an der Ostseeküste entwickelt worden ist. Nach zweijähriger Projektvorbereitungszeit, trotz der Zustimmung seitens der Gemeinde sowie einer inzwischen vorliegenden Baugenehmigung, ist die Gemeinde letztlich aus dem Projekt ausgestiegen, weil festgestellt wurde, dass die kurz zuvor gebaute Zentralkläranlage in Trzebiatow wegen ihrer Überdimensionierung dringend den Anschluss von weiteren Orten braucht, um effektiver zu arbeiten. Das Projekt zum Einsatz und zur Demonstration einer dezentralen, angepassten Abwasserbehandlungslösung wurde fallen gelassen.

    2.3.3   Beispiel Klärschlammaufbereitung:

    2.3.3.1

    Not macht, wie ein Sprichwort sagt, erfinderisch. Dem Klärwärter der nordostpolnischen Gemeinde Zambrow standen (bislang) keine Finanzmittel zur Verfügung, um eine technische Klärschlammaufarbeitung zu installieren. Seine Lösung: teilweise kompostiert er den Klärschlamm und nutzt hierfür die Hilfe von Kompostwürmern, die er als „seine treuesten und effektivsten Mitarbeiter“ bezeichnet. Teilweise wird der Klärschlamm auf Schilfflächen in der Kläranlage aufgebracht, die sich in wahre Naturparadiese entwickelt haben. Der Kompost wird von der Bevölkerung und den Landwirten gern abgenommen, denn seine bodenverbessernden Eigenschaften werden geschätzt (9). Die Klärschlammbearbeitungskosten liegen in Zambrow bei nur 5 % der Kosten jener Kläranlagen, die mit technischen Lösungen den Klärschlamm aufarbeiten und beseitigen. Dabei, aber auch dies gehört zur „Angepasstheit“, ist im Fall Zambrow die Tatsache entscheidend, dass der Klärschlamm nicht durch Schadstoffe belastet ist (was allerdings für viele ländliche Gemeinden in den Beitrittsländern zutrifft). Dies hat zur Folge, dass die Gemeinde Zambrow die geringsten Abwasserkosten der Region hat. Doch obwohl die Gemeinde über eine effektive und kostengünstige Abwasser- und Klärschlammbehandlungsanlage verfügt, wird die vom Klärwärter selbst entwickelte Lösung nur ganz selten als Modell dargestellt.

    2.3.3.2

    Der EWSA weist darauf hin, dass es gerade für ländliche Gebiete durchaus sehr praktikable (angepasste) Klärtechniken gibt, bei denen das Klärschlammproblem gar nicht auftritt, z.B. in Pflanzenkläranlagen.

    Weitere Beispiele

    2.3.4

    Als weitere Beispiele für angepasste Umwelttechnologien können — ohne auch nur ansatzweise den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen — beispielsweise dezentrale Energieerzeugungseinrichtungen betrachtet werden.

    2.3.5

    Deutschland als ein Land, das sich seit einigen Jahren verstärkt der Anwendung regenerativer und somit CO2-neutraler Energien widmet, kann als Beispiel betrachtet werden, wie mit angepassten Umwelttechnologien gleichzeitig Umweltbelange und Arbeitsplatzeffekte positiv gekoppelt werden können.

    2.3.6

    In Deutschland wird mittlerweile mehr Stahl für den Bau von Windrädern verwendet als im Schiffbau. In bestimmten strukturschwachen Gebieten, z.B. Ostfriesland, konnten mehrere Tausend (!) neue Arbeitsplätze durch die Windkraft geschaffen werden.

    2.3.7

    Für Landwirte lohnt sich mittlerweile in Deutschland der Bau und Betrieb von Biogasanlagen als zusätzlich neue Einkommensquelle mehr und mehr. Schulen und andere öffentliche Gebäude werden zunehmend mit lokal anfallenden regenerativen Energien, z.B. Holzhackschnitzeln, beheizt — und nicht mit den traditionellen fossilen Brennstoffen wie Öl oder Gas, die über weite Strecken importiert werden. Allein im „Kohleland“ Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile mehr als 1.000 Holzpelletsverbrennungsanlagen installiert, was nicht nur die Umwelt entlastet, sondern auch neue Arbeitsplätze schafft.

    2.3.8

    Für eine Holzhackschnitzelanlage, mit der in einer kleineren Stadt beispielsweise Rathaus, Schulzentrum, Stadthalle, Altersheim, Krankenhaus geheizt wird, werden schnell 3, 4 oder gar 5 Landwirte benötigt, um im Wald das Schwachholz zu gewinnen, zu häckseln und um den Transport in die Anlage zu besorgen.

    2.3.9

    In Ländern wie z.B. Österreich oder den skandinavischen Ländern ist ebenfalls ein Boom beim Bau und Betrieb von Holzpelletsanlagen zu verzeichnen, während hingegen in den Beitrittsländern bislang kaum Anlagen im Bereich regenerativer Energien vorhanden sind.

    3.   Lehren aus den Beispielen

    3.1

    Der EWSA empfiehlt der Kommission im Rahmen ihrer geplanten Strategie zur Förderung von Umwelttechnologien einmal näher zu untersuchen, welche Gründe für eine so unterschiedliche Anwendung angepasster Umwelttechnologien vorliegen. Natürlich ist dem Ausschuss bewusst, dass ganz besonders die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen müssen. Gerade in Ländern mit einer nach wie vor hoch subventionierten Kohlewirtschaft bei gleichzeitiger mangelnder Unterstützung alternativer Energieformen (wie Polen) sind teilweise sogar noch Energiesparmaßnahmen unwirtschaftlich.

    3.2

    Neben fehlenden rechtlichen Grundlagen sind vor allem auch die vergleichsweise schlechten Finanzierungskonditionen zu nennen. Bei Zinssätzen bis zu 20 % amortisieren sich die Investitionen zum Teil trotz erheblicher Energieeinsparungspotenziale nicht immer in kurzer Zeit. Daher könnten (privat finanzierte, fondsgebundene etc.) Contracting-Modelle große Bedeutung erlangen; sie sollten verstärkt gefördert werden.

    3.3

    Es muss — auch im Sinne der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung — im Interesse der Kommission sein, die Defizite, die den Einsatz angepasster Umwelttechnologien noch behindern, zu ermitteln und dabei zu helfen, diese abzustellen.

    3.4

    Dabei sollte man sich im Übrigen nicht nur auf die Beitrittsländer konzentrieren, sondern durchaus auch einen Blick auf die bisherigen Mitgliedstaaten werfen. Dabei zeigt sich, dass neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch andere Faktoren eine Rolle spielen. So hat der EWSA bei seiner Arbeit mit großem Interesse festgestellt, dass es innerhalb der EU bei nahezu gleicher Ausgangssituation in den diversen Mitgliedstaaten zu einer sehr unterschiedlichen Anwendung von angepassten Umwelttechnologien kommt. In Griechenland beispielsweise hat mittlerweile nahezu jedes Haus eine Solaranlage (zwecks Warmwasserproduktion, verstärkt auch zur Elektrizitätsproduktion) auf dem Dach, während man in Italien oder Spanien solche Anlage wesentlich seltener findet.

    3.5

    Auch wenn beispielsweise in Polen und anderen MOE-Staaten entsprechende Ansätze noch in den Kinderschuhen stecken, profitiert das Land dennoch bereits von der zunehmenden Verwendung angepasster, dezentraler Umwelttechnologien in den Ländern der EU. Denn in Polen wurden mittlerweile einige Holzpelletsproduktionsanlagen in Betrieb genommen, die allerdings fast ausschließlich für den Export nach Schweden, Finnland und Österreich arbeiten.

    3.6

    Der EWSA möchte betonen, dass in diesem Zusammenhang nicht nur klassische Umwelttechnologien, sondern auch angepasste Technologien in scheinbar nicht direkt verwandten Bereichen betrachtet werden sollten, denn auch diese können umwelt- und regionalpolitisch sehr positive Effekte bewirken.

    3.7

    So sind beispielsweise kleine Käseküchen bzw. Hofmolkereien — in vielen Mitgliedstaaten geradezu Inbegriff regionaler Spezialitäten und regionaler Identität — in Polen bislang unbekannt. Von Behördenvertretern wurde gar die These vertreten, die EU-Vorschriften würden den Bau und Betrieb von kleinen Käsereien verbieten. Solche dezentralen Verarbeitungseinrichtungen sind aber nicht nur für die lokale Landwirtschaft und durchaus auch das lokale Handwerk von Bedeutung, indirekt tragen sie zur Stabilisierung regionaler Wirtschaftskreisläufe und zur bäuerlichen Produktion und damit auch zur Erhaltung von Natur und Umwelt bei.

    3.8

    Die hier gewählten Beispiele dürfen nicht dahingehend missverstanden werden, dass sich der EWSA gegen großtechnische Lösungen im Bereich der Umwelttechnologien ausspricht. Es besteht kein Zweifel daran, dass auch großtechnische Lösungen in bestimmten Fällen angepasste Lösungen sein können. Wenn man weiß, dass die Hälfte der Belastung der Donau in Ungarn durch die Stadt Budapest erfolgt, kann und will man sich nicht gegen eine Großkläranlage sperren. Der EWSA will vielmehr darauf aufmerksam machen, dass die jeweils am besten auf die lokalen Verhältnisse angepasste Lösung gesucht werden muss, um

    eine Fehlallokation von Finanzmitteln zu vermeiden;

    Maßnahmen zu realisieren, die für die lokale Bevölkerung und auch für die lokale Wirtschaft am sinnvollsten sind;

    die nachhaltige Entwicklung durch angepasste Umwelttechnologien voran zu bringen, die den Energie- und Rohstoffeinsatz massiv reduzieren können und die zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen.

    3.9

    Der EWSA möchte deshalb ein wenig vor einer teilweise festzustellenden „Faszination“ von Großprojekten warnen, die ggf. in den MOE-Staaten noch einen zusätzlichen Schub erfahren wird, wenn in den kommenden Jahren die o.g. Finanzmittelaufstockungen erfolgen werden. Dem EWSA geht es nicht darum, etwas „zu verhindern“, sondern vielmehr etwas in die richtige Richtung zu lenken.

    3.10

    Der Ausschuss sieht mit Sorge, dass es in den Beitrittsländern an breitem Wissen über angepasste Technologien mangelt und dass die (durchaus wenigen) Ingenieurbüros und die Genehmigungsbehörden eher großtechnische Lösungen bevorzugen — und zwar auch in Fällen, in denen derartige Lösungen nicht sinnvoll sind. Die Folge sind häufig wesentlich teurere Investitionen, was sich für die Ingenieurbüros spürbar positiv auf das Honorar auswirkt. Hinzu kommt, dass man sich mit „etablierter“ Technologie bezüglich der zu erzielenden Umwelteffekte auf der „sicheren Seite“ glaubt.

    3.11

    Dieses Handlungsmotiv leitet häufig auch die Verwaltungen — von der EU-Kommission bis zur kommunalen Gebietskörperschaft. Die Konzentration auf wenige Großprojekte ist zudem mit geringerem Verwaltungsaufwand verbunden — angefangen in Brüssel fehlt vielfach die personelle Kapazität, auf angepasste, häufig technisch kleinere Lösungen überzugehen. Dass die volkswirtschaftlichen Kosten dieser Vorgehensweise ein Mehrfaches über denen für erhöhten Personalaufwand liegen, scheint niemanden zu interessieren. Hinzu kommt, dass die Großanlagen häufig gar keiner hohen Förderung bedürften, da sich im Unterschied zur Situation in mittleren und kleineren Gemeinden leichter private Investoren finden ließen.

    3.12

    In den früher stark zentralistisch geprägten Beitrittsländern komm sicherlich hinzu, dass der Glaube an zentrale, einheitliche Lösungen durchaus noch nicht überall endgültig gebrochen ist.

    3.13

    Die genannten Beispiele zeigen, dass mit angepassten kleinen oder mittleren Technologien zur Beseitigung von lokalen Umweltbelastungen mit weniger Finanzaufwand die gleichen, teilweise sogar bessere Ergebnisse erzielt werden können. Solche angepassten Technologien sind

    In der Planungsphase teilweise durchaus schwieriger und aufwendiger,

    in der Investitionsphase meistens billiger, was den positiven Effekt hat, mit dem gleichen Geld mehr Anlagen bauen und somit höhere Umweltentlastungen erzielen zu können,

    in der Unterhaltung wesentlich billiger, was zu Kosteneinsparungen bei der lokalen Bevölkerung führt; das „eingesparte“ Geld kann für andere, die Wirtschaft fördernde Maßnahmen verwendet werden (10);

    und sie bieten vielfach auch dem lokalen Handwerk Erwerbsmöglichkeiten, während großtechnische Lösungen häufig nur von Fachfirmen ausgeführt werden können; dies ist als ein Gewinn für die lokale und regionale Wirtschaft zu sehen.

    3.14

    Angepassten, kostengünstigen Lösungen haftet dennoch kurioserweise eher ein negatives Image an.

    4.   Die Defizite und Hemmnisse — und wie sie abgebaut werden können

    4.1

    In den kommenden Jahren werden also erhebliche Fördermittel für Umweltinvestitionen in die Beitrittsstaaten fließen. Deren Verwendung wird vornehmlich davon abhängig sein, welche Entscheidungen von den Verantwortlichen in diesen Staaten getroffen werden.

    4.2

    Dem EWSA ist bewusst, dass es keine direkten Behinderungen von Seiten der EU geben wird, wenn in den Beitrittsstaaten der Einsatz von angepassten Umwelttechnologien erwogen wird. Das reicht aber nicht aus. Der Ausschuss hält eine aktive fachliche wie finanzielle Förderung für geboten.

    4.3

    Der EWSA bekräftigt, dass die Chancen eines verstärkten Einsatzes solcher Technologien erst dann wirklich steigen werden, wenn

    das eklatante Wissensdefizit über die Möglichkeiten, die angepasste Umwelttechnologien bieten, durch einen massiv auszubauenden Know-how-Transfer abgebaut wird;

    gute Beispiele bekannt gemacht und Demonstrationsanlagen gebaut wurden;

    die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet werden;

    die Finanzierungsvoraussetzungen und -möglichkeiten verbessert werden, möglicherweise durch den Aufbau eines Sonderfonds;

    die Verantwortlichen auf allen politischen Ebenen die Möglichkeit eingeräumt bekommen, mögliche Alternativplanungen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit und ihrer Kompatibilität mit den einschlägigen europäischen (und nationalen) Gesetzen überprüfen zu lassen, und

    die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft einbezogen werden, um das Bürgerbewusstsein in diesem Bereich zu fördern.

    Förderung des Wissens und des Bewusstseins über angepasste Umwelttechnologien

    4.4

    Mehr und mehr Entscheidungen über Umweltinvestitionen werden zukünftig auf der lokalen Ebene zu treffen sein. Die Entscheidungsträger besonders in kleineren Gemeinden, die über kein Fachpersonal verfügen, sind für die Planung und spätere Investitionsausführung fast immer auf externes Fachwissen angewiesen. Den herangezogenen Ingenieurbüros mangelt es z.T. an Wissen, z.T. aber auch am Willen, angepasstere, billigere, sozial oder umweltpolitisch bessere Lösungen als „den Stand der Technik“ anzubieten. Schließlich werden ihre Leistungen in der Regel nach dem Bauvolumen abgerechnet, und nicht danach, ob es sich um die dauerhaft günstigste und die am besten an lokale Verhältnisse angepasste Lösung handelt.

    4.5

    Nicht selten stehen Planer auch in Verbindung mit Baufirmen oder Anbietern von Techniken. Das Interesse der Planer, der Wirtschaft, aber auch der Politik an größeren „Projekten von der Stange“ sollte nicht unterschätzt werden: die Honorarordnung für die Architekten und Ingenieure spricht ebenso dafür wie das Interesse der Bauindustrie an großen Aufträgen. Aussagen wie die eines Herstellers von Abwasserrohren gegenüber einem jungen Techniker: „Natürlich verdienen sie an jedem Meter mit!“ sind keine Einzelfälle. Und das zu erwartende Spektakel einer repräsentativen Eröffnungsfeier eines Großprojektes mit TV und Presse mag dem einen oder anderen Kommunalpolitiker attraktiver erscheinen als die Realisierung von 20, 50 oder 100 kaum beachteten Kleinprojekten.

    4.6

    Häufiger als man denken mag kommt es vor, dass bewusst oder unbewusst Fehlinformationen geliefert werden. So sind dem EWSA Fälle bekannt geworden, wonach man den politischen Entscheidungsträgern deutlich machte, dass angeblich die EU-Gesetzgebung keine andere Möglichkeit zulasse als den Bau einer zentralen Kläranlage und den Anschluss aller Ortsteile. Auch wenn es sich hierbei natürlich um Fehlinformationen handelt, so ist dies auch ein Hinweis auf das Problem des mangelnden Wissens.

    4.7

    Hinzu kommen weitere, zum Teil praktische, zum Teil psychologische Aspekte: Nach dem „Stand der Technik“ zu bauen ist oft recht einfach, das geht vom Reißbrett im Ingenieurbüro aus. Dezentrale, angepasste Lösungen erfordern planerisch oft mehr Aufwand, viel mehr Detailkenntnisse und oft hohen Durchsetzungswillen — und das bei einer zu erwartenden geringeren Entlohnung. Doch wer will schon einen schwierigeren Weg gehen, wenn der einfache zudem lukrativer sein kann? Mit den angebotenen großtechnischen Lösungen nach dem Stand der Technik wissen sich Planer und politische Entscheidungsträger „auf der sicheren Seite“. Kleinlösungen, die oft als eher „schlecht“, primitiv und unsicher angesehen werden, vertraut man nicht so einfach. Wie kann — siehe das Beispiel von Zambrow (vgl. Ziffer 2.3.3) — ein einfacher Klärwärter etwas entwickeln, was den Ingenieuren nicht einfällt (oder nicht einfallen will)?

    4.8

    Besonders wichtig erscheint dem EWSA, sowohl die politisch Verantwortlichen als auch Ingenieurbüros zu informieren und zu schulen. Die Kommission wäre gut beraten, beispielsweise über die Einrichtung von unabhängigen „Kompetenzzentren für angepasste Technologien“ in den Beitrittsländern nachzudenken. Aufgabe solcher Zentren könnte sein, den notwendigen Know-how-Transfer zu organisieren, die kommunalen Entscheidungsträger, aber auch die Zivilgesellschaft zu beraten, also quasi die Nachfrage nach angepassten Umwelttechnologien zu fördern. Gegebenenfalls könnten sie auch bei der Verwaltung von speziellen Förderfonds eine Rolle spielen (s. Ziffer 4.16ff).

    4.9

    Eine europäische Datenbank, an deren Aufbau und Pflege sich die Europäische Umweltagentur beteiligen könnte, und in der kostengünstige, angepasste Umwelttechnologien aufgelistet sind, die sich nach Meinung der EU bewährt haben und die damit eine Art „Gütesiegel“ bekommen, könnte diese Arbeit der Kompetenzzentren unterstützen. Der „Leitfaden für alternative Abwasserreinigungsverfahren“, den die GD Umwelt herausgegeben hat, kann als Schritt in diese Richtung verstanden werden.

    4.10

    Nichts ist eindrucksvoller und für den Abbau des Misstrauens gegenüber angepassten Umwelttechnologien sinnvoller als die Inaugenscheinnahme von praktizierten Beispielen. Der Bürgermeister der Gemeinde Sokoly (s. Ziffer 2.3.2.3) stoppte seine Abwasserplanungen, die den Anschluss aller Ortsteile an die Zentralanlage vorsahen, nachdem er sich funktionierende Alternativen hatte ansehen können (11).

    4.11

    Der EWSA ist daher der Auffassung, dass das Angebot und der Transfer „angepasster“ Technologien ihrerseits „angepasst“ sein und insbesondere durch Maßnahmen zur Erzielung einer gesellschaftlichen Akzeptanz unterstützt werden müssen, die in der Bevölkerung und in der lokalen Verwaltung nicht immer unmittelbar gegeben ist.

    4.12

    Dazu sollten Informations-, Konsultations- und Partizipationsmaßnahmen eingeführt werden, an denen die wirtschaftlichen und sozialen Akteure und die Bevölkerung beteiligt sind.

    4.13

    Es könnte auch nützlich sein, Partnerschaften zu fördern zwischen EU-Regionen und/oder -Gemeinden, die in der EU interessante Erfahrungen mit der Anwendung angepasster Technologien gesammelt haben, und Regionen und/oder Gemeinden in den neuen Mitgliedstaaten, die sich anschicken, ähnliche (oder auch andere!) Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus sollte Projekten eine gewisse Priorität eingeräumt werden, die im Rahmen von INTERREG oder anderer Gemeinschaftsprogramme angepasste Umwelttechnologien fördern.

    4.14

    Im derzeit in Entwicklung befindlichen Europäischen Aktionsplan für Umwelttechnologien wird überlegt, wie Barrieren zu beseitigen sind, die der Verbreitung der EU-Umwelttechnologien im Weg stehen. Entsprechende Schulungs- und Besichtigungsprogramme sind sicherlich ein Weg, den der EWSA begrüßen würde. Doch auch dabei kommt es auf die Ausgestaltung an. Denn nicht immer müssen entsprechende Besuchsprogramme darauf ausgerichtet sein, nur die sinnvollsten Lösungen zu zeigen. Nicht selten stehen eher reine Verkaufsaspekte im Vordergrund.

    Finanzielle Aspekte

    4.15

    Die Kommission kann zu Recht darauf hinweisen, dass sie generell in ihren Fördermöglichkeiten keinen Ausschluss von angepassten Umwelttechnologien vornimmt. Wohl kann man kritisch sehen, dass beispielsweise Projekte, die aus dem Kohäsionsfonds gefördert werden sollen, ein Mindestinvestitionsvolumen von 10 Mio. € aufweisen müssen, um überhaupt förderwürdig zu sein. Viele äußerst effektive Kleinprojekte können somit nicht in den Genuss der Förderung von bis zu 85 % der Investitionssumme kommen.

    4.16

    Die Analyse der bisherigen Förderpraxis zeigt eindeutig, dass die größeren Städte bislang prioritär behandelt wurden. Dies ist zunächst insofern nachzuvollziehen, als mit entsprechenden Investitionen dort entsprechend hohe, punktuelle Umweltentlastungen erzielt werden konnten und weil beispielsweise die Abwasserrichtlinie zunächst die Aufbereitung von Abwasser in größeren Städten vorsieht. Dennoch müssen parallel Ideen zur Förderung angepasster Technologien vermittelt werden, denn die Weichen für Investitionen in der Zukunft werden heute gestellt.

    4.17

    Dem EWSA ist durchaus bekannt, dass aus dem Kohäsionsfonds nicht nur Großstadtprojekte gefördert werden, sondern z. B. auch die Umsetzung von Abwasserbehandlungskonzepten auf einem Verbandsgebiet. Eine Bündelung von kleineren Projekten ist also denkbar, findet jedoch selten statt. Da die Entscheidung über die Bezuschussung aus Kohäsionsmittel in Brüssel liegt, empfiehlt der Ausschuss, dass den Förderanträgen eine nachvollziehbare Berechnung der Kosten (Investitions- und Folgekosten) von zentralen, semizentralen und dezentralen technischen Konzepten beizufügen ist. Indem man die Antragsteller dadurch anhält, sich zumindest grob mit Alternativkonzepten zu befassen, könnte man zu erheblichen Mitteleinsparung in der Investitionsphase sowie zur Vermeidung hoher Folgekosten beitragen.

    4.18

    In Polen existieren diverse Finanzierungsmöglichkeiten für Umweltmaßnahmen, im Prinzip auch für Kleininvestitionen: der nationale, die regionalen und z.T. lokalen Umweltschutzfonds, der Ekofonds (12) und andere. Zukünftig werden diese Fonds aber verstärkt dazu verwendet werden, die für von der EU kofinanzierte Projekte notwendigen Mittel aufzubringen. D.h. konkret: Es kann vermutet werden, dass es für angepasste Umwelttechnologien finanziell nicht einfacher werden wird, auch wenn sie sich oft schnell amortisieren bzw. langfristig die geringsten Folgekosten verursachen.

    4.19

    Der EWSA schlägt deshalb vor, auch zu überlegen, eine gewisse Mittelbindung speziell für Investitionen in angepasste Technologien vorzunehmen. So könnte ein bestimmter Prozentsatz der Kohäsionsfondsmittel für Projekte unterhalb einer bestimmten Investitionsgröße reserviert werden. Es versteht sich von selbst, dass die daraus finanzierten Projekte zwar dann nicht mehr einzeln von der EU-Kommission bewilligt werden können, für die Verbreitung der Ideen angepasster Technologien wäre ein solcher Spezialfonds allerdings ein Meilenstein.

    4.20

    Im EWSA wurde im Rahmen der Erarbeitung dieser Stellungnahme auch über eine Forderung, die u.a. der frühere Präsident des Europäischen Rechnungshofes, Prof. Dr. Bernhard Friedmann, einst ins Gespräch gebracht hatte, erneut diskutiert, nämlich der Gedanke, aus den EU-Förderprogrammen keine verlorenen Zuschüsse mehr zu gewähren, sondern (zinsverbilligte bzw. gar zinslose) Kredite (13).

    4.20.1

    Die bisherige Förderpraxis führt ja dazu, dass beispielsweise der Bau von Kläranlagen in einigen Gemeinden gefördert, in anderen Gemeinden — aufgrund der begrenzten Mittel — hingegen nicht gefördert wird. Dies führt im Prinzip zu Ungerechtigkeiten. Im Umweltbereich bedeutet dies, dass derzeit gerade (die ärmeren) ländlichen Gemeinden aufgrund der bisherigen Förderpraxis gegenüber den (meist reicheren) Städten weiter ins Hintertreffen geraten.

    4.20.2

    Würden die Mittel hingegen nicht als Zuschüsse, sondern als Kredite aus einem revolvierenden Fonds ausgezahlt, kämen potentiell nicht nur mehr Projekte auf den Weg. Ein zusätzlicher Nutzen könnte darin bestehen, dass mit geliehenem Geld eventuell vorsichtiger und verantwortungsvoller umgegangen wird als mit Zuschüssen.

    4.20.3

    Ein Problem, das beispielsweise in Polen eine entsprechende Neustrukturierung der Förderprogramme schwierig machen könnte, liegt in der bisherigen Verschuldung der Kommunen. Die hohe Verschuldung hindert bereits jetzt oft die Vorbereitung von Investitionen zur Umsetzung der EU-Anforderungen auf lokaler Ebene. Im Jahre 2001 betrug die Verschuldung der Selbstverwaltung in Polen 12,3 Mrd. Zl (3 Mrd. €), in 2002 15,4 Mrd. Zl (ca. 4 Mrd. €) mit wachsender Tendenz. Das bedeutet, dass viele Gemeinden die gesetzlich erlaubte Verschuldungsschwelle erreicht haben und keine Kredite mehr aufnehmen können.

    4.21

    Für Privatinvestitionen in angepasste Technologien (beispielsweise in Energiesparmaßnahmen, in den Ausbau regenerativer Energien, alternative Baustoffe und Baukonstruktionen) könnte allerdings ein solcher revolvierender Sonderfonds für zinslose- bzw. zinsbegünstigte Darlehen eine interessante Variante bedeuten. Eine Anbindung an die vorgeschlagenen „Kompetenzzentren“ sollte erwogen werden.

    4.22

    Eine Möglichkeit zur Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Mittel ist die Beteiligung des Privatsektors an der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (öffentlich-private Partnerschaften — PPP).

    4.23

    Allerdings bergen PPP-Modelle nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Ein nicht ausgewogenes PPP-Modell kann beispielsweise zu erheblichen Preissteigerungen führen. So kam es in der ungarischen Hauptstadt Budapest nach massiven Preiserhöhungen von über 200 % zu erheblichen Verstimmungen zwischen dem privaten Konzessionsunternehmen und der Stadtregierung.

    5.   Zusammenfassung

    5.1

    Umwelttechnologien spielen bei der Reduzierung von Umweltbelastungen und im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung eine wichtige Rolle.

    5.2

    Zur Vermeidung von Fehlallokationen ist es wichtig, sehr genau darauf zu achten, dass jeweils die am besten an die jeweilige Situation angepasste Lösung zum Tragen kommt.

    5.3

    Angepasste Lösungen mögen zwar teilweise einen höheren Planungsaufwand mit sich bringen, sowohl in der Investitions- als auch in der Betriebsphase können jedoch hohe Beträge eingespart und dauerhaft mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese eingesparten Mittel könnten sowohl die öffentlichen als auch die privaten Haushalte entlasten. Angepasste Umwelttechnologien sind somit ein Gebot der Stunde.

    5.4

    Angepasste Technologien sind in den Beitrittsländern ebenso wie in den jetzigen Mitgliedstaaten allerdings oft unbekannt sind und kommen viel zu selten zur Anwendung. Das liegt u.a. an massivem Mangel an Know-how und Unsicherheit darüber, ob mit alternativen Technologien auch wirklich die vorgeschriebenen Standards erreicht werden können.

    5.5

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, sich dieses Problems im Rahmen der Durchführung des Aktionsplans zur Förderung von Umwelttechnologien intensiv anzunehmen. U.a. könnte durch die Schaffung von Kompetenzzentren für angepasste Technologien in der Beitrittsländern damit begonnen werden, die Informationsdefizite abzubauen.

    5.6

    Ein Teil der Fördermittel sollte in einen Fonds fließen, aus dem vornehmlich kleinere Maßnahmen finanziert werden. Der Kohäsionsfonds, der keine Projekte mit weniger als 10 Mio. € fördert, fördert angepasste Lösungen zu wenig. Bei Anträgen auf Förderung aus den Kohäsionsfonds wären Hinweise durch den Antragssteller hilfreich, die Auskunft darüber geben, warum gerade die beantragte Technologie ausgewählt wurde und welche Alternativen verworfen wurden.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  KOM(2004) 38 endg. vom 28. Januar 2004.

    (2)  Bericht der Kommission — Umwelttechnologie für eine nachhaltige Entwicklung, KOM(2002) 122 endg.

    (3)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission „Ausarbeitung eines Aktionsplans für Umwelttechnologie“ (KOM(2003) 131 endg.), CESE 1027/ 2003, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

    (4)  Z.B. durch steigenden Individualverkehr. Zu nennen sind auch Artenschutzprobleme oder Umweltbelastungen, die beispielsweise durch agrarindustrielle Investitionen (z.B. riesige Schweinemastanlagen des US-Investors Smithfield in Polen) ausgelöst werden.

    (5)  KOM(2001) 304 endg. „Die Finanzierung des Umweltschutzes in den Beitrittsländern“, S. 6.

    (6)  Quelle: EU Nachrichten Nr. 20 vom 28.5.2003 nach Berechnungen des Europäischen Rechnungshofes.

    (7)  Ebenda.

    (8)  Thüringische Landeszeitung/Eisenacher Presse vom 24.10.2003.

    (9)  Der EWSA ist sich der Problematik der Klärschlammverwendung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen bewusst. Sehr häufig muss die Verwendung aufgrund der Schadstoffkonzentrationen strikt verboten werden. Hinsichtlich der generellen Klärschlammproblematik siehe Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Änderung der Richtlinie des Rates 86/278/EWG über die Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft“, ABl. C 014 vom 16.1.2001, S. 141–150.

    (10)  So sind in der Flächengemeinde Kamieniec im westpolnischen Kreis Grodzisk Wielkopolski statt einer einzigen zentralen Kläranlage insgesamt 917 Einzelanlagen geplant. Sowohl die Investitions- als auch die Betriebskosten reduzieren sich dabei um vermutlich 60 % gegenüber einer zentralen Kanalisationslösung (W. Halicki, Zielona Gόra, 2003).

    (11)  Im Rahmen eines Projektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, des Bundesumweltministeriums und der Umweltorganisation Euronatur.

    (12)  Der sich aus bilateral gewährtem Schuldenerlass speist und noch bis 2010 bestehen wird.

    (13)  „Finanzkontrolle im Dienste der europäischen Idee“, Ansprache von Herrn Prof. Dr. Bernhard Friedmann anlässlich der Verleihung des Preises „Europäischer Bulle“ 2001 des Europäischen Steuerzahlerbundes.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/92


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem

    „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und der Verordnung (EG) (über persistente organische Schadstoffe)“ und dem

    „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates im Hinblick auf ihre Anpassung an die Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe“

    (KOM(2003) 644 endg. — 2003/0256 COD — 2003/0257 COD)

    (2004/C 112/24)

    Der Rat beschloss am 8. Dezember 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatter war Herr BRAGHIN.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407 Plenartagung am 31. März 2004 mit 129 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    In den letzten dreißig Jahren ist die Kontrolle chemischer Stoffe schrittweise auf die Gemeinschaftsebene übertragen worden; die erste Gemeinschaftsvorschrift im Bereich chemischer Stoffe war die „Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe“ (1), in der zusammen mit diesen Vorschriften bereits die künftige Verpflichtung vorgesehen war, weitere Informationen über im Handel befindliche chemische Stoffe zu liefern. In der sechsten Änderung dieser Richtlinie (enthalten in der Richtlinie 79/831/EWG) wurde ein Meldeverfahren für „neue Stoffe“ eingeführt, worunter Stoffe zu verstehen sind, die erstmals nach dem 18. September 1981 auf den Markt gebracht wurden, und in der siebten Änderung (enthalten in der Richtlinie 92/32/EWG) wurden einheitliche Vorschriften für die Meldeverfahren festgelegt.

    1.2

    Später wurden die Vorschriften auf die Bestimmung, Bewertung und Kontrolle der Gefahren ausgeweitet, sowohl für neue als auch für „Altstoffe“, und zwar nach den in der Verordnung des Rates 793/93 enthaltenen Grundsätzen, die durch die Verordnung 1488/94 (für „Altstoffe“) und die Richtlinie 93/67/EWG (für neue Stoffe) ergänzt wurde.

    1.3

    Die Notwendigkeit, die geltenden Vorschriften zu überarbeiten, um einen neuen, kohärenten und integrierten Ansatz für die Politik im Bereich chemischer Stoffe zu entwickeln, dabei das Vorsorge- und das Nachhaltigkeitsprinzip zu beachten und die Zuständigkeiten der an der Kontrolle chemischer Stoffe beteiligten Parteien angemessen zu verteilen, wurde vom Rat in der Zusammensetzung der Umweltminister im April 1998 in Chester festgestellt und in mehreren nachfolgenden Ratstagungen erörtert. Die Kommission hat daher — auf der Grundlage des inzwischen, d.h. im Dezember 1999, vom Rat in Helsinki aufgestellten umfassenderen Konzepts der „nachhaltigen Entwicklung“ — das Weißbuch über chemische Stoffe mit dem Titel „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ (KOM(2001) 88 endg.) vorgelegt, das gemeinsam von der GD Unternehmen und der GD Umwelt erarbeitet wurde, um auf ausgewogene Weise sowohl die Ziele der Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie als auch die Erfordernisse des Umweltschutzes zu berücksichtigen (2).

    1.4

    Das neue, im Weißbuch vorgeschlagene und als REACH (Registration, Evaluation, Authorisation of CHemicals) bezeichnete System sah einen einheitlichen Rechtsrahmen für Altstoffe wie auch neue Stoffe vor und beruhte auf folgenden drei Elementen: Registrierung, Bewertung und Zulassung gefährlicher Stoffe. Hauptziel war die Gewährleistung eines hohen Gesundheits- und Umweltschutzniveaus; zu diesem Zweck wurde den Herstellern/ Importeuren und in bestimmten Fällen den nachgeschalteten Anwendern die Verpflichtung auferlegt, angemessene Informationen und eine erste Gefahrenbewertung zu liefern. Für die Anwendung des Systems waren genaue Fristen vorgesehen, vorrangig für Stoffe mit besonders problematischen Aspekten und Stoffe, die in größeren Mengen produziert werden.

    2.   Wesentliche Elemente des Kommissionsvorschlags

    2.1

    Der nun vorliegende Verordnungs- und Richtlinienvorschlag soll somit die geltenden Rechtsakte — die von der Kommission mittlerweile als ineffizient betrachtet werden, da sie nicht geeignet sind, Innovationsanreize zu schaffen und einen ausreichenden Gesundheits- und Umweltschutz zu gewährleisten — durch ein System ersetzen, das besser auf die folgenden fünf Grundziele zugeschnitten ist:

    Einführung eines kohärenten Registrierungssystems sowohl für neue Stoffe als auch für Altstoffe nach einem schrittweise zu erfüllenden Zeitplan, der sich über etwa zehn Jahre nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften erstreckt;

    Verlagerung der Risikobewertung von den Behörden auf die Hersteller/Importeure, die gleichzeitig weiterhin dafür verantwortlich sind, vollständige Informationsunterlagen über die Merkmale der Stoffe, für die sie eine Zulassung beantragen, zu liefern;

    sofern erforderlich und zweckmäßig Einbeziehung der nachgeschalteten Anwender (downstream users) in den Kreis, der Angaben verlangen kann, und in die Prüfung der Stoffe;

    Einführung eines Zulassungsverfahrens für gefährliche Stoffe;

    Gewährleistung größerer Transparenz und Öffnung gegenüber der Öffentlichkeit, indem der Zugang zu Informationen über chemische Stoffe erleichtert wird.

    2.2

    Der nun vorliegende Vorschlag soll die komplexen Rechtstexte über die Verwendung chemischer Stoffe vereinfachen und zu einem einzigen Instrument zusammenfassen, indem einige geltende Richtlinien und Verordnungen abgeschafft werden; in seinem Mittelpunkt steht das oben erwähnte System REACH, das von Unternehmen, die von einem chemischen Stoff mehr als eine Tonne pro Jahr herstellen oder importieren, die Registrierung dieses Stoffs in einer einzigen zentralen Datenbank verlangt. Die Hersteller-/Importunternehmen müssen nicht nur wie bereits nach den geltenden Rechtsvorschriften technische Informationen über die Eigenschaften, Verwendungen und sichere Handhabung des Stoffes, sondern auch über dessen Sicherheit und die Beherrschung des Risikos für Mensch und Umwelt liefern. Diese Informationen müssen dann in den nachfolgenden Phasen der Produktionskette weitergegeben werden, so dass die Anwender diese Stoffe verantwortungsvoll und fachmännisch verwenden und vermarkten können, ohne die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer oder der Endverbraucher zu gefährden und ohne die Umwelt zu schädigen.

    2.3

    Der Vorschlag wurde in seiner derzeitigen Form unter Einbeziehung aller betroffenen Parteien verfasst, auch durch eine Internet-Befragung zu einem ersten Verordnungsentwurf, die im Mai 2003 begann, zwei Monate lief und ca. 6.000 Stellungnahmen aus allen betroffenen Kreisen erbrachte. Auf der Grundlage der verschiedenen Gesichtspunkte, die zum Ausdruck gekommen waren, wurde der Entwurf entsprechend geändert, bis die heute vorliegende Fassung entstand, wobei die Anforderungen je nach produzierter bzw. importierter Menge vereinfacht wurden, wodurch der Kommission zufolge die voraussichtlichen direkten und indirekten Kosten der Anwendung des Systems erheblich reduziert werden.

    2.4

    Eine neue Europäische Agentur für chemische Stoffe wird die Datenbank der Stoffe verwalten, die Registrierungsunterlagen entgegennehmen und für die Vermittlung nicht vertraulicher Informationen an die Öffentlichkeit zuständig sein. Sie soll in eine Reihe von Ausschüssen mit verschiedenen Aufgaben gegliedert sein und auch eine Widerspruchskammer umfassen.

    2.5

    Die Registrierung betrifft alle erzeugten/importierten Stoffe, deren Menge eine Tonne pro Jahr übersteigt; der Kommission zufolge sollen für ca. 80 % dieser Stoffe keine weiteren Maßnahmen erforderlich sein.

    2.6

    Mit der Bewertung der Unterlagen durch die zuständigen, von den Mitgliedstaaten geschaffenen Stellen wird bezweckt, die Erfüllung der — sich je nach produzierter/importierter Menge unterscheidenden — Registrierungsvorschriften, die durchgeführten Tierversuche sowie die Qualität und die Vollständigkeit der Untersuchungen zur Bewertung der Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu prüfen. Das Programm zur Bewertung der Stoffe wird auf einem von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erstellten fortlaufenden Plan beruhen, der von der Agentur vorgegebenen Prioritätskriterien folgt.

    2.7

    Besonders besorgniserregende Stoffe wie CMR, PBT, vPvB (3) und andere Stoffe mit schweren, unumkehrbaren Folgen für die Gesundheit oder Umwelt benötigen eine Zulassung der Kommission für spezifische Verwendungszwecke. Diese Zulassung wird nur erteilt, wenn die Verwendung des betreffenden Stoffes angemessen kontrolliert werden kann; sonst wird geprüft, wie hoch die Gefährdung ist, welchen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen der Stoff hat und ob Alternativstoffe existieren, bevor ggf. eine Zulassung erteilt wird. Auf Vorschlag der Kommission oder eines Mitgliedstaates können nach dem in Artikel 130 ausführlich beschriebenen Verfahren Beschränkungen bis zu Verboten der Verwendung eingeführt werden, um nicht hinnehmbare Risiken auszuschließen.

    2.8

    Um die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu gewährleisten, wurden in der derzeitigen Fassung des Vorschlags die Anforderungen für die Tests in Zahl und Umfang gegenüber der ursprünglichen Fassung, die die geltende Rechtslage widerspiegelte, gesenkt, insbesondere für Stoffe in einer Menge zwischen 1 und 10 Tonnen (im Jahr); eine Reihe von Stoffen wie Polymere und einige Zwischenprodukte wurden freigestellt; die Vorschriften für die nachgeschalteten Anwender wurden vereinfacht, und es wurde ein Informationsaustausch über die Sicherheit in Form der bereits in den geltenden Vorschriften vorgesehenen, entsprechend angepassten „Sicherheitsdatenblätter“ (SDS) vorgeschlagen, damit die Unternehmen die erwarteten Ergebnisse möglichst kostengünstig erzielen können.

    2.9

    Die Innovation soll gefördert werden durch Mechanismen wie die Anhebung der derzeitigen Schwelle für neue Stoffe, unterhalb deren keine Tests erforderlich sind, von 10 kg auf 1 Tonne, verschiedene Erleichterungen für die nachgeschalteten Anwender, wenn sie neue innovative Stoffe finden, sowie die Verlängerung der Freistellungsfrist für Stoffe in der Forschungsphase bis zu 10 Jahren (15 im pharmazeutischen Bereich).

    2.10

    Durch diese Maßnahmen haben sich die geschätzten Kosten erheblich verringert, und zwar sowohl die direkten Kosten für die Industrie als auch die indirekten Kosten, die viel geringer sein dürften als der erwartete Nutzen für die menschliche Gesundheit.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der EWSA bekräftigt seine Zustimmung zu den Zielen nachhaltige Entwicklung, Gesundheits- und Umweltschutz, welche die EU prioritär verfolgen muss. In diesem Sinne hatte der Ausschuss schon im vorhergehenden Weißbuch die Einführung des REACH-Systems befürwortet und dessen aufgeführte Ziele — einschließlich verantwortungsvolleres Verhalten der solche Stoffe produzierenden, importierenden bzw. nutzenden Unternehmen bei der Erstellung der Dokumentation über die chemischen Stoffe zum Zwecke der Registrierung und einer ersten Gefahrenbewertung — gutgeheißen; außerdem befürwortete er die Schaffung eines europäischen Registrierungssystems und einer gemeinschaftlichen Stelle zu dessen Verwaltung. Der EWSA erkennt an, dass der Verordnungsvorschlag der Kommission die richtigen Ziele aufzeigt, die Anforderungen für die Registrierung der neuen Stoffe lockert (die als einer der Gründe für die geringe Zahl der in den letzten zwanzig Jahren in Europa registrierten neuen Stoffe betrachtet werden) und somit die Innovation fördert; gleichzeitig stellt dieser Vorschlag aber eine erhebliche Belastung nicht nur für die chemische Industrie, sondern für das gesamte Produktionssystem dar.

    3.1.1

    Die europäische Wirtschaft durchläuft eine Phase mäßigen Wachstums, deshalb müssen Rechtsetzungsinitiativen, welche die Wettbewerbsfähigkeit, das Wirtschaftswachstum oder die Arbeitsplätze gefährden könnten, sehr vorsichtig erwogen werden. Wie viele Betroffene erklären, bietet die verfügbare Folgenabschätzung keine absolute Garantie dafür, dass das REACH-System ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis gewährleistet. Der Ausschuss bekräftigt die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie, die heute führend in der Welt ist und in fast allen Mitgliedstaaten zu den wichtigsten Industriezweigen zählt, im Rahmen des möglichen und unter Einhaltung der Sicherheitserfordernisse nicht zu beeinträchtigen; ebenso große Aufmerksamkeit verdienen die Auswirkungen auf all die Produktionssektoren, die chemische Stoffe und Zubereitungen verwenden, einschließlich scheinbar weniger betroffener Sektoren wie die Stahlindustrie, die Textilindustrie, der Maschinenbau, die Elektronikindustrie und die Sektoren, in denen die KMU besondere Schwierigkeiten haben können, wobei es auch die neue Dimension des Europa der 25 zu berücksichtigen gilt.

    3.1.2

    Der Ausschuss spricht sich dafür aus, Änderungen der Verordnung zu erwägen, die zur Vereinfachung der Verfahren beitragen, wobei der Dialog mit den Betroffenen fortzuführen ist, der schon 2003 mit dem erweiterten Konsultationsprozess erfolgreich aufgenommen wurde. Die gerechtfertigten Anforderungen an den Gesundheitsschutz müssen daher mit ebenso gerechtfertigten Anforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung einher-gehen; zur Erreichung dieses Ziels hält der EWSA eine Reihe wirksamerer konkreter Maßnahmen für erforderlich, mit denen die Entwicklungschancen und die Innovation gefördert werden können; diese Maßnahmen sind insbesondere für die KMU erforderlich, bei denen die durch das REACH-System verursachten Belastungen einen erheblichen Prozentsatz des Umsatzes ausmachen könnten.

    3.1.2.1

    Der EWSA nimmt die Initiativen zur Kenntnis, die die Kommission und das Europäische Büro für chemische Stoffe im Rahmen einer „Interims“strategie bis zum Erlass der Rechtsakte durch das Europäische Parlament und den Rat ergriffen haben. Diese Strategie umfasst die Einbeziehung der Betroffenen zur Erarbeitung einfach anwendbarer technischer Anleitungen (insbesondere der „technischen Leitfäden“), detailliertere Folgenabschätzungen für bestimmte Sektoren und den Aufbau „strategischer Partnerschaften“ zur Erprobung von Pilotprojekten für die Umsetzung. Der EWSA, der sich auf direktem Wege über die in Nordrhein-Westfalen gewonnene Erfahrung informiert hat, begrüßt diese Ausrichtung und hofft, an dem Prozess beteiligt zu werden; er behält sich vor, zu einem späteren Zeitpunkt zu den Ergebnissen dieser Experimentierphase Stellung zu beziehen.

    3.1.3

    Die Vereinfachung der Rechtsvorschriften, die Möglichkeit einer rascheren und auf umfangreicheren Kenntnissen beruhenden Bewertung, umfassendere Information über die Merkmale und Gefahren der Produktion und Verwendung chemischer Stoffe entlang der gesamten Produktionskette können zu einer Produktivitätssteigerung und zu positiven Auswirkungen auf die Gesamtentwicklung der Umweltvorschriften führen (4), aber auch zu einem Wettbewerbsvorteil. In der Abfallwirtschaft und in Sektoren, die Produkte für den Endverbraucher erzeugen, liegt dieser Vorteil auf der Hand, sofern geeignete Mechanismen, wie z.B. ein vom Verbraucher erkennbares Etikett, den Markt veranlassen, die Erfüllung einer Umwelt- und Verbraucherschutzvorschrift anzuerkennen und zu „belohnen“. Diese Ziele müssen jedoch ausdrücklich verfolgt werden und können zu einer praktischen Realität werden, wenn die europäischen Normen durch die gezielte Arbeit der EU-Institutionen auch international anerkannte Normen werden. Um solche Ergebnisse zu erreichen, sind unbedingt auch ein konstruktiver Dialog zwischen den zuständigen Behörden, den Unternehmen und den Arbeitnehmern sowie Informations- und Aufklärungsmaßnahmen für die Endverbraucher erforderlich.

    3.2   Europäische Agentur für chemische Stoffe

    3.2.1

    Der Vorschlag sieht die Einsetzung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe zur technischen, wissenschaftlichen und administrativen Betreuung des Systems REACH und die Gewährleistung eines stimmigen gemeinschaftlichen Bewertungs- und Entscheidungsverfahrens vor. Diese Agentur soll dem Kommissionsvorschlag zufolge den Mitgliedstaaten Leitkriterien zur Auswahl der Stoffe zum Zweck der Bewertung liefern und im Rahmen der Zulassungs- und Beschränkungsverfahren Stellungnahmen und Empfehlungen abgeben sowie Angaben über die Vertraulichkeit der Daten machen.

    3.2.2

    Die Einsetzung einer Agentur anstatt (wie im Weißbuch vorgesehen) einer bloßen Erweiterung der Aufgaben des bereits im Rahmen der Gemeinsamen Forschungsstellen (GFS) bestehenden Europäischen Büros für chemische Stoffe ist zweifellos positiv und wird daher vom EWSA uneingeschränkt befürwortet; der Ausschuss hält allerdings die Zuständigkeitsbereiche und Befugnisse dieser Agentur für zu beschränkt. Denn dem Kommissionsvorschlag zufolge hat diese Agentur nur Aufgaben wissenschaftlicher und/oder technischer Beratung, während die Handhabung des Systems anscheinend im Wesentlichen den Mitgliedstaaten überlassen werden soll, die sich auf Leitlinien, Stellungnahmen und Empfehlungen der Agentur stützen. Der EWSA wirft die Frage auf, ob dieses Modell eine wirklich zielführende und anerkannte Auswahl von Prioritäten für die Bewertung erlaubt und sicherstellt, dass jeder Beschluss Ergebnis der vermutlich umfangreicheren Kompetenzen und Spezialisierungen der Ausschüsse der Agentur selbst ist.

    3.2.3

    Das Vorbild der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, das in dem Vorschlag zu Recht als das ähnlichste betrachtet wird, zeigt, dass durch die Untersuchung der Unterlagen auf zentraler Ebene leichter ein gerechter Ausgleich zwischen verschiedenen Standpunkten erreicht werden kann; während die einzelstaatlichen Agenturen häufig dazu tendieren, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, u.a. wenn ihnen neue Zuständigkeiten übertragen werden. Dem EWSA zufolge ist es möglich und wünschenswert, die einzelstaatlichen Behörden dadurch aufzuwerten, dass sie miteinander vernetzt werden und auf diese Weise weiterhin gut koordinierte und gemeinsam definierte praktische Aufgaben lösen können. Die Erfahrung des Europäischen Büros für chemische Stoffe bestätigt, dass es für die Konsensbildung im Entscheidungsprozess wichtig ist, die lokalen Behörden in ein Netzwerk einzubeziehen und ihnen Verantwortung zu übertragen.

    3.2.4

    Der Ausschuss ist deshalb der Auffassung, dass der Agentur präzise Aufgaben und Zuständigkeiten in folgenden Bereichen zugewiesen werden sollten: Festlegung der Kriterien zur Bestimmung der Prioritäten bei der Bewertung, Erarbeitung von Stellungnahmen zu Zulassungsanträgen, Teilnahme am Verfahren zur Einführung von Beschränkungen für bestimmte gefährliche Stoffe und Zubereitungen sowie Erarbeitung von Vorschlägen zur Harmonisierung der Einstufungen und Kennzeichnungen auf EU-Ebene. Entsprechend dieser veränderten Festlegung von Aufgaben und Zuständigkeiten sollten auch Aufgaben und Zusammensetzung der Organe der Agentur — Verwaltungsrat, Ausschüsse, Forum, Widerspruchskammer — neu festgelegt werden.

    3.2.5

    Der Ausschuss stellt insbesondere fest, dass es zur Schlichtung von Divergenzen und zur Schaffung einer zweiten Instanz für Divergenzen zwischen einzelstaatlichen Behörden nicht zweckmäßig ist, ein Organ einzusetzen, das eine unmittelbare Vertretung der Mitgliedstaaten ist, und dass für Aufgaben wie die Sammlung und Weitergabe geeigneter Informationen, Aktualisierung der Datenbanken, technische Unterstützung der zuständigen Behörden und der Industrie und dabei vor allem der KMU die Einsetzung eines Forums wünschenswert ist, wobei eine große Öffnung gegenüber der Wissenschaft und den von der Agentur selbst auch im Produktionsbereich ausgewählten Fachleuten angestrebt werden sollte.

    3.2.6

    Der EWSA ist prinzipiell dafür, dass die Agentur so strukturiert und finanziert wird, dass sie sofort als für die Bewertung uneingeschränkt zuständige Einrichtung funktionsfähig ist, indem zwar die Kompetenzen und das Personal der zuständigen einzelstaatlichen Behörden, sofern erforderlich oder zweckmäßig, einbezogen und genutzt werden, die Befugnisse und Zuständigkeiten der Agentur jedoch nicht von vornherein eingeschränkt werden. Des Weiteren wünscht der Ausschuss, dass das Europäische Büro für chemische Stoffe in Erwartung der Einsetzung der Agentur und in Verbindung mit den nationalen und lokalen Behörden und den Betroffenen in die Lage versetzt wird, das ordentliche Funktionieren der in Form von Pilotprojekten oder in spezifischen Bereichen ablaufenden Prozesse zu überprüfen.

    3.2.7

    Der EWSA ist allerdings von der Unzulänglichkeit des Mechanismus zur Einbeziehung der Betroffenen überzeugt, der in Artikel 105 vorgesehen ist, wo lediglich von „Kontakten“ zu Vertretern von Industrie, Verbraucherschutz-, Arbeitnehmerschutz- und Umweltschutzorganisationen die Rede ist.

    3.3   Das Registrierungssystem

    3.3.1

    Dem Verordnungsvorschlag zufolge sind die Hersteller und Importeure chemischer Stoffe in einer Menge von über 1 Tonne verpflichtet, den zuständigen Behörden ein technisches Dossier mit Informationen über den Stoff und einen Vorbericht zur Bestimmung und Reduzierung des Risikos vorzulegen sowie — ab einer Menge von 10 Tonnen im Jahr — gestaffelte Anforderungen an die diesem Bericht zugrunde liegenden Tests zu erfüllen.

    3.3.1.1

    Die Unternehmen müssen nach ihrem Produktions- oder Import- und damit auch Registrierungsbedarf glaubhaft neue Tests und Kenntnisse über die Stoffe entwickeln und diese Kenntnisse einsetzen, um eine verantwortungsvolle, auf umfassenden Informationen beruhende Beherrschung der Risiken zu gewährleisten, die diese Stoffe darstellen können. Darüber hinaus müssen sie die nachgeschalteten Anwender über die Risiken des Gebrauchs solcher Stoffe unterrichten, und letztere müssen nur dann eine Sicherheitsbewertung vorweisen, wenn sie eine nicht vorgesehene Verwendungsart planen.

    3.3.1.2

    Dieses Registrierungssystem erfordert zweifellos einen erheblichen Einsatz von Zeit und Mitteln, v.a. für Importeure und nachgeschaltete Anwender, die bisher keine solchen Anforderungen erfüllen mussten; dies ist jedoch eine Notwendigkeit, wenn die Ziele des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie das Ziel eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes erreicht werden sollen. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass dies für die innovativsten Unternehmen, die sich am leichtesten an die neuen Marktbedingungen anzupassen vermögen, auch die Chance der Erweiterung ihres Marktes bieten kann.

    3.3.2

    Der Ansatz, bei größeren Mengen produzierter oder importierter Chemikalien kürzere Fristen und umfassendere Informationen zu fordern, hat eine gewisse Logik, denn er ist einfach und direkt anwendbar; allerdings ist er nicht unbedingt der geeignetste Ansatz, um die tatsächlichen Gefahren festzustellen, sowohl was die inhärente Gefährlichkeit (intrinsic hazard) als auch was die Gefahrenexposition anbelangt. Die Beibehaltung eines — mengenmäßigen — Kriteriums, das der EWSA bereits als approximativ bezeichnet hat, kann den Unternehmen ungerechtfertigte Belastungen verursachen (5).

    3.3.3

    Die bereits verfügbaren (oder den Daten, die bereits im Besitz der Erzeuger und Behörden sind, leicht entnehmbaren) Analysen der inhärenten Gefährlichkeit und der Informationen über den Gebrauch und die Gefahrenexposition könnten zusammen mit den Kenntnissen und Analysen der strukturellen Ähnlichkeiten mit bekanntermaßen problematischen oder gefährlichen Stoffen die praktische Anwendung flexibler machen, sowohl hinsichtlich der Komplexität des Dossiers, das jeder Hersteller bzw. Importeur dem Registrierungsantrag beizufügen hat, als auch bei der Festlegung der Stoffe, die zwar in Mengen unter 10 t hergestellt bzw. importiert werden, aber eine eingehendere Risikobewertung erfordern. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, diesen Ansatz weiterzuverfolgen, der eine bessere Gestaltung der Arbeitsweise des REACH-Systems ermöglichen würde.

    3.3.4

    Es sind etliche Vorschriften über die Zurverfügungstellung der Daten vorgesehen, um eine Einschränkung der Tierversuche und eine Begrenzung der Kosten für die Unternehmen zu ermöglichen; insbesondere können die relevantesten Daten gegen Zahlung eines bestimmten Betrags von verschiedenen Registrierungspflichtigen genutzt werden. Auch ist vorgesehen, Antragstellern für eine Registrierung dabei zu helfen, andere Antragsteller zu finden, mit denen sie Daten austauschen können, aber dieser Mechanismus scheint nicht ausreichend unterstützt zu werden und nicht geeignet zu sein, ein Zusammengehen zu fördern, wenn es nicht um bereits miteinander zusammenarbeitende oder durch Lieferverpflichtungen verbundene Partner geht.

    3.3.5

    Tierversuche zu reduzieren ist ein Anliegen, das der Ausschuss teilt, doch handelt es sich hier um ein komplexeres Problem. Es bedarf wirksamerer Systeme, mit deren Hilfe unnötige wiederholte Einreichungen von Unterlagen und unnötige Wiederholungen von Tests einschließlich analytischer und in-vitro-Tests vermindert wenn nicht gar ganz vermieden werden können, und es sollten sowohl Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Importeuren und nachgeschalteten Anwendern desselben Stoffes zu fördern, als auch ausgewogene, auch für KMU erschwingliche Mechanismen der Kostenverteilung aufgezeigt werden. Der Ausschuss hält es für zweckmäßig, mögliche Formen der Unterstützung bei der Zusammenstellung der Unterlagen sowie Erleichterungen bei der Gründung von Konsortien (v.a. zwischen den nachgeschalteten Nutzern und zwischen KMU) auf freiwilliger Basis zu untersuchen, wobei der Schutz der geistigen und industriellen Urheberrechte gewährleistet sein muss.

    3.3.6

    Während der gesamten Produktionskette sind Informationen sowohl „nach oben“ als auch „nach unten“ vorgesehen, und das in Anhang 1 vorgesehene Dokument ersetzt den derzeit in der Richtlinie 91/155/EWG vorgesehenen Sicherheitsdatenbogen. Die Doppelregelung, die sicherlich einige Jahre fortbestehen wird, kann ein Problem für das ordentliche Funktionieren des Binnenmarktes darstellen.

    3.4   Die Bewertung (Titel VI)

    3.4.1

    Die Bewertung — sowohl der Dossiers als auch der Stoffe — soll auf der Ebene der Mitgliedstaaten erfolgen, während die Agentur lediglich die Aufgabe haben soll, die Leitlinien für die Prioritäten bei der Auswahl der zu bewertenden Stoffe zu entwickeln und bei Uneinigkeit zwischen Mitgliedstaaten über die Bewertung einzuschreiten. Vor allem am Anfang besteht bei diesem Mechanismus der Bewertung durch einen Mitgliedstaat, die von anderen Mitgliedstaaten in einem schriftlichen Verfahren akzeptiert werden soll, die Gefahr erheblicher Zeitverluste und gegenseitiger Vetos.

    3.4.2

    Voraussetzung für einen sicheren Gebrauch der Stoffe und die Minimierung der Gefahren für Mensch und Umwelt ist eine Datenbank mit soliden, wissenschaftlich untermauerten Daten, die nach einem einheitlichen Verfahren gesammelt und validiert, also einem Kontrollverfahren („Bewertung“ laut Titel VI) unterzogen werden und auf einer gründlichen Analyse des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bei bestimmten Anwendungen beruhen. Die Erstellung einer „Stoffsicherheitsbeurteilung“, d.h. die vorherige Gefahreneinschätzung, wird von den Produktions- bzw. Importfirmen verlangt (während diese Pflicht bisher den zuständigen Behörden oblag), zusammen mit der Zurverfügungstellung der Daten über die Stoffe. Da das anschließende Verfahren der Dossier- und Stoffbewertung auf der Grundlage der Angaben des Herstellers bzw. Importeurs kompliziert und heikel ist und die auf dieser Grundlage gefassten Beschlüsse schwerwiegend sind, sollte diese Aufgabe nach Ansicht des EWSA in erster Linie der Agentur obliegen, wenn auch in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen einzelstaatlichen Behörden, da auf diese Weise größere Schnelligkeit, Einheitlichkeit der Vorgehensweisen auch nach einer gewissen Zeit und die Einbeziehung von Fachleuten mit breiteren Kompetenzen gewährleistet werden kann.

    3.4.2.1

    Eine solche Übertragung von Zuständigkeiten auf die Europäische Agentur für chemische Stoffe bedeutet jedoch keine Entmachtung der zuständigen einzelstaatlichen Behörden; wünschenswert ist, dass die Agentur mit ihren technischen und auch politischen Organen die Bewertungsprioritäten definiert und die Durchführung der spezifischen Bewertungsarbeiten den einzelstaatlichen Behörden überlässt. Diese hätten immer noch die Möglichkeit, von sich aus die Bewertung eines Stoffes zu beantragen, die Gründe dafür anzuführen und den Stoff so dem zentralisierten Beschlussverfahren zu unterwerfen.

    3.4.3

    An dem derzeitigen Vorschlag zu bemängeln ist u.a., dass Bewertungen möglicher Wechselwirkungen und Kumulierungsprozesse, welche die Verwendung des Stoffes kritisch machen können, nicht ausdrücklich vorgesehen sind, außer bei bereits ermittelten Stoffen. Nach Ansicht des EWSA sollte dieser Aspekt nicht in die Dokumentation aufgenommen werden, für welche die Unternehmen zuständig sind, sondern in die operativen Programme der Europäischen Agentur für chemische Stoffe in Zusammenarbeit mit den zuständigen einzelstaatlichen Behörden.

    3.4.4

    Stoffe, Zubereitungen, Erzeugnisse und Artikel, die aus Weltregionen importiert werden, in denen vermutlich keine angemessenen Kontrollen durchgeführt werden und die bewährten Laborpraktiken nicht eingehalten werden, die für die Sammlung der Daten für die Zulassung und Gefahrenbewertung vorgeschrieben sind, können eine unvorhergesehene Bedrohung darstellen; daher müssen sie von den zuständigen Behörden besonders aufmerksam überwacht werden, auch um zu vermeiden, dass außereuropäischen Herstellern ein unangemessener Wettbewerbsvorteil entsteht.

    3.4.5

    Der EWSA hielte es für angezeigt, dass die Verantwortung der Hersteller, Importeure und nachgeschalteten Anwender genauer festgelegt wird, erforderlichenfalls auch durch spezifische Vorschriften für den Fall, dass sie den Anforderungen der Verordnung hinsichtlich Dokumentation, Gefahrenbewertung und Maßnahmen für einen kontrollierteren und sichereren Gebrauch nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachkommen.

    3.5   Zulassung

    3.5.1

    Durch das Zulassungsverfahren soll das ordentliche Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet und erreicht werden, dass die besorgniserregendsten Stoffe so eingesetzt werden, dass die Risiken unter angemessener Kontrolle sind, oder durch sicherere Technologien oder Stoffe ersetzt werden. Der EWSA schließt sich diesem Ziel an und hält es daher für gerechtfertigt, vom Hersteller/Importeur zu verlangen, dass er weitere Daten zu den Risiken liefert, um die Beherrschungsmöglichkeiten oder den sozioökonomischen Nutzen zu belegen, der die vorhandenen Risiken aufwiegt. Der Ausschuss befürwortet auch, dass die Zulassung für eine einzige spezifische Verwendungsart erteilt wird, um die Verwendung besser unter Kontrolle zu halten, und dass den nachgeschalteten Anwendern angemessene Informationen zufließen sollen.

    3.5.1.1

    Der EWSA hält es für zweckmäßig, die Zulassung jedenfalls zeitlich zu befristen, und regt an, nach fünf Jahren eine Neubewertung und ggf. Neuzulassung vorzunehmen, wie es auch bei anderen Zulassungsverfahren üblich ist. Dadurch würde ein Anreiz für Innovation zur Entwicklung sicherer Alternativen geschaffen und die Anwendung des Grundsatzes erleichtert, dass gefährliche Chemikalien möglichst durch alternative Stoffe ersetzt werden sollten.

    3.5.2

    Die in der Zulassung enthaltenen Beschränkungen müssen für die gesamte EU gelten, und zwar unabhängig von der jeweils produzierten/importierten Menge, um jegliche schwere Gefahr für Gesundheit oder Umwelt auszuschalten. Der EWSA befürwortet, dass eine konsolidierte Fassung der Richtlinie 76/769/EWG den Ausgangspunkt für das neue Verfahren bezüglich der Beschränkungen bildet, hofft jedoch auf rasches Tätigwerden bei der Aktualisierung der Listen der gefährlichen Stoffe, wenn wissenschaftlich begründete Voraussetzungen dafür bestehen.

    3.5.3

    Der Ausschuss erinnert daran, dass die Rechtsvorschriften über Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit unabhängig von REACH weiterhin gelten und weiterentwickelt werden müssen. Es wäre zweifelsohne zu prüfen, inwieweit entsprechende Bestimmungen in REACH aufgenommen werden könnten, außerdem müsste für eine größere Kompatibilität von REACH mit der Richtlinie 98/24/EG gesorgt werden, die Verpflichtungen bezüglich der Risikobewertung beinhaltet, und zwar unter Konsultierung der interessierten Seiten.

    3.5.4

    Nach Ansicht des Ausschusses sollten auch andere Stoffe berücksichtigt werden, die ähnlich große Risiken wie CMR, PBT und vPvB aufweisen (die bereits durch klare und objektive Kriterien identifizierbar und daher in Anhang XIII aufgenommen sind), und unabhängig von den verwendeten Mengen dem Zulassungsverfahren unterzogen werden.

    3.6   Nachgeschaltete Anwender (downstream users)

    3.6.1

    Der Ausschuss begrüßt die Maßnahme, mit der die nachgeschalteten Anwender verpflichtet werden, sich Gedanken über die Sicherheit bei der Verwendung der Stoffe zu machen, hauptsächlich auf der Grundlage der Informationen seitens des Lieferanten, und geeignete Vorkehrungen zur Risikobeherrschung zu treffen, während sie andererseits verpflichtet sind, einen etwaigen neuen Verwendungszweck zu melden, der vom Lieferanten nicht berücksichtigt und daher auch nicht dokumentiert wurde. Voraussetzung dafür, dass diese Verpflichtung insbesondere für KMU erträglich wird, ist, dass der Lieferant seine Registrierung abgeschlossen hat und dem nachfolgenden Anwender die nicht vertraulichen Angaben über den Stoff zur Verfügung stellt. Eine Schwäche des nun vorliegenden Vorschlags ist die vorhersehbare Unvollständigkeit der Informationen, die vom Hersteller/Importeur zur Verfügung gestellt werden müssen; dadurch besteht die Gefahr, dass die nachgeschalteten Anwender übertrieben aufwendige Dokumentationspflichten aufgebürdet bekommen. Dem EWSA zufolge müssen dieser Aspekt und die Möglichkeiten der Beschwerde bei der Agentur genauer definiert werden, wenn die Anwendungskosten des neuen Systems wirklich in Grenzen gehalten werden sollen.

    3.6.2

    Diesbezüglich ist es wünschenswert, in einer Reihe von Seminaren und Konferenzen mit den Betroffenen die Lage zu prüfen, sowohl in den Produktionssektoren, die von den geplanten Maßnahmen besonders betroffen sein können (insbesondere scheinen Branchen wie die Hersteller von Farben, Lacken, Pigmenten, Gerbmitteln, Holz und Möbeln, Synthetikfasern, elektrischen und elektronischen Geräten von den hohen Kosten der zu liefernden Dokumentation stark betroffen zu sein), als auch in KMU, die oft von einem Liefer-Oligopol abhängen und daher als Vertragspartner oft nicht stark genug sind, sich die geforderten Angaben zu wirtschaftlich akzeptablen Bedingungen zu beschaffen. Ohne eingehendere Prüfung der Schwierigkeiten und ohne eindeutigen Rechtsrahmen besteht in den oben genannten und ähnlichen Fällen die Gefahr der Benachteiligung.

    3.7   Gemeinsame Datennutzung

    3.7.1

    Eine Reihe von Maßnahmen sind vorgesehen, um die gesammelten Daten mehrfach nutzbar zu machen und dadurch unnötige Tierversuche zu vermeiden. Der EWSA befürwortet dieses Ziel wie auch die Tatsache, dass neue Registrierungspflichtige die Möglichkeit erhalten, diese Daten — gegen Bezahlung direkt an den Datenerzeuger oder indirekt über eine Schiedsstelle — zu verwenden. Er hält jedoch die vorgesehenen Maßnahmen noch für zu allgemein und bringt den Wunsch zum Ausdruck, dass die Modalitäten zur gleichberechtigten Nutzung dieser Daten durch alle Beteiligten, insbesondere auch KMU, genauer festgelegt werden.

    3.7.2

    Der EWSA befürwortet den Mechanismus der Vorregistrierung für Unternehmen, die sich auf eine Registrierung vorbereiten, um eine vorgezogene gemeinsame Datennutzung zu ermöglichen, wobei die vertrauliche Behandlung vertraulicher Daten gewährleistet sein muss. Analog dazu befürwortet er die Schaffung eines Forums zum Austausch von Stoffinformationen; dieses Forum könnte noch weitergehende Zielsetzungen haben als die derzeit vorgesehene Vermeidung von Mehrfach-Tierversuchen.

    3.8   Information und Schulung der Arbeitnehmer

    3.8.1

    Nach Auffassung des Ausschusses sind die Informationen aus dem REACH-System die Voraussetzung für die Beurteilung und Reduzierung der Gefahren, nicht nur im Interesse des Gesundheits- und Umweltschutzes, sondern auch der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, und haben folglich erhebliche Bedeutung für die Ausübung jeglicher Berufstätigkeit.

    3.8.2

    Die einschlägigen Erfahrungen, die der Chemiesektor in den letzten Jahren als Ergebnis einer ständigen Auseinandersetzung zwischen den Sozialpartnern gesammelt hat, zeigen, dass es ihm dank der Verfügbarkeit solcher Informationen und ihrer richtigen Nutzung gelungen ist, im Vergleich zu anderen Industriezweigen die niedrigsten Quoten bei den Arbeitsunfällen und den Umweltschäden zu erreichen.

    3.8.3

    Neben diesen noch wenig bekannten positiven Erfahrungen möchte der EWSA den Mehrwert hervorheben, der dadurch entsteht, dass den Arbeitnehmern und ihren Vertretern alle nützlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sich aus der Bewertung der chemischen Sicherheit eines Stoffes oder einer Zubereitung ergeben und die im Sicherheitsdatenbogen enthalten sind. Der Ausschuss hält es jedoch für wünschenswert, die positiven Erfahrungen der Chemieindustrie auf die nachgeschalteten Sektoren auszudehnen, u.a. durch einschlägige Ausbildungsprogramme für die Arbeitnehmer und ihre Vertreter, und dadurch die in den geltenden Vorschriften über gefährliche Stoffe vorgesehenen Schutzinstrumente zu erweitern und eine einheitlichere Anwendung zu fördern.

    3.9   Bewertung der Auswirkungen

    3.9.1

    Die Angaben der Kommission zu den direkten und indirekten Kosten der Anwendung des Systems in den kommenden zehn Jahren wurden von mehreren Seiten als Unterschätzungen kritisiert. Der EWSA nimmt die Neubewertung zur Kenntnis, welche die infolge des Konsultationsverfahrens am Entwurf des Dokuments vorgenommenen Änderungen berücksichtigt; diese durch die Berücksichtigung der genannten Änderungen aktualisierte Bewertung der Auswirkungen dürfte sich als realistischer erweisen, wenngleich noch erhebliche Ungewissheiten v.a. hinsichtlich der indirekten Kosten, der nachgeschalteten Anwender, und der Auswirkung auf die neuen Mitgliedstaaten bestehen.

    3.9.2

    Der EWSA fordert daher die Kommission auf, eine spezifische Debatte mit den verschiedenen Branchenverbänden auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene zu diesem Thema zu eröffnen, insbesondere mit jenen Industriezweigen, die privaten Studien zufolge vom neuen Verordnungsvorschlag am stärksten betroffen sind, um nachzuweisen, dass ihre Analyse zutrifft und ggf. weitere Maßnahmen, die sich als zu starke Belastung erweisen, abzuändern.

    3.9.3

    Besorgt über die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen fordert der EWSA die Kommission auf, eine eingehendere Bewertung der Auswirkungen unter diesem spezifischen Aspekt vorzunehmen und dabei die Bedeutung der Verwendung chemischer Stoffe in allen Wirtschaftszweigen einschließlich Landwirtschaft und Dienstleistungssektor zu berücksichtigen und die potenzielle Auswirkung auf die Beitrittsländer näher zu untersuchen.

    3.9.4

    Innovation wird als positive Auswirkung des neuen Systems betrachtet, und zweifellos begünstigen einige Maßnahmen die Entdeckung und Vermarktung einer größeren Zahl neuer Substanzen als bisher. Der EWSA befürwortet daher diese Änderungen, hält aber im Allgemeinen die — größtenteils automatischen — Mechanismen, die Innovationsanreize schaffen sollen, für noch zu allgemein und — hinsichtlich des Umfangs der zu erwartenden Auswirkungen — für zu schwach.

    3.9.5

    Das scheinbar, v.a. im Gesundheitsbereich, sehr günstige Kosten/Nutzen-Verhältnis verdeckt jedoch das Problem, dass zwar die Kosten direkt von den Wirtschaftsakteuren getragen werden, der Nutzen jedoch größtenteils anderen Subjekten oder der Gesellschaft insgesamt zugute kommt, und zwar phasenverschoben und über einen längeren Zeitraum als die Kosten anfallen. Dieser Sachverhalt ist wohl der Grund dafür, dass vielerorts Befremden gezeigt und negativ reagiert wurde; um diesen Reaktionen zu begegnen, wäre einerseits eine Anstrengung erforderlich, die auf die Herstellung eines größeren Konsenses abzielt, der durch eingehendere, branchenspezifische, auch quantitative Untersuchungen und Analysen untermauert würde, und andererseits eine proaktive Politik zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, indem das europäische Regelwerk zu einer Referenz für alle anderen Weltregionen gemacht würde, wozu die Kommission durch ein spezifisches, gezieltes Vorgehen in jedem internationalen Gremium beitragen müsste.

    4.   Fazit

    4.1

    Der EWSA unterstützt zwar die Ziele und die Verwirklichung des REACH-Systems, hält es jedoch für erforderlich, dessen Durchführungsmodalitäten besondere Aufmerksamkeit zu schenken, um zu vermeiden, dass diese sinnvolle Weiterentwicklung der Rechtsakte die Wettbewerbsfähigkeit oder das Wachstum der Industrie beeinträchtigt und folglich das Beschäftigungsproblem verschärft. Diese Anforderung, die auf dem Streben nach sozial, wirtschaftlich und ökologisch „nachhaltiger Entwicklung“ beruht, muss bei diesem Vorschlag in konkreterer Form gestellt werden, da die verfügbare Folgenabschätzung kein nachweislich ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis gewährleistet.

    4.2

    Um den politischen Willen, durch die Rechtsetzung, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit aller Anwender chemischer Stoffe und der breiten Öffentlichkeit sowie den Umweltschutz zu gewährleisten, mit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie in Einklang zu bringen, fordert der Ausschuss die Kommission, das Europäische Parlament und den Rat auf, jede mögliche Änderung der Verordnung, die zur Vereinfachung und Entlastung von bürokratischen Verfahren und den damit verbundenen Kosten beiträgt, ernsthaft in Erwägung zu ziehen und mit den Anhörungen der Betroffenen fortzufahren, um dieses Ergebnis zu erzielen.

    4.3

    Des Weiteren regt der EWSA an, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Inhalte und die vorgenommenen Änderungen bekannt zu machen und zu verdeutlichen, v.a. gegenüber den KMU und den nachgeschalteten Anwendern, denn es ist wichtig, der heute herrschenden negativen Stimmung entgegenzuwirken, bei der die Vorteile einer Vereinfachung der geltenden Rechtsvorschriften über chemische Stoffe, einer rascheren und wirksameren Bewertung (mit geringeren Risiken und entsprechenden Verantwortlichkeiten) sowie einer einfacheren Anwendung der Umweltvorschriften (für Emissionen, Abfälle, die Sicherheit der Arbeitnehmer usw.) nicht angemessen berücksichtigt werden.

    4.4

    In diesem Sinne muss klargemacht werden, dass die Anhänge Instrumente sind, die „Gebrauchsanweisungen“, allgemeine Leitlinien sowie technische und wissenschaftliche Normen zur Forschungs- und Erprobungsmethode enthalten und keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeuten, sondern die Anwendung der Vorschriften erleichtern und nicht umfänglicher als die Anhänge der bereits geltenden Rechtsakte sind. Nützlich, sofern rechtlich möglich, könnte es deshalb sein, eine Unterscheidung zu treffen zwischen Anhängen, die weiterhin zur Rechtsetzung gehören, und Anhängen, die hingegen als eine Art „Handbuch“ oder Leitfaden für Fachleute verwendet und als solche flexibler an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden können.

    4.5

    Der EWSA begrüßt die von der Kommission bei der Erarbeitung des Vorschlags angewandte Methode der breiten Konsultierung und hofft, dass der Konsultationsprozess und die Einbeziehung der Betroffenen weitere Textverbesserungen erbringen, wobei es ihm insbesondere um Folgendes geht:

    die Vornahme jeder möglichen Änderung, die ohne Beeinträchtigung der zu erreichenden Ziele zur Vereinfachung der Verfahren und dadurch zu einer spürbaren Kostensenkung beitragen kann;

    die Erweiterung und Stärkung der Befugnisse der zu schaffenden Europäischen Agentur für chemische Stoffe (v.a. bei der Dossierbewertung und der Stoffbewertung nach Titel VI), um diese Agentur zum Dreh- und Angelpunkt des neuen Systems zu machen, mit engen und konstruktiven Verbindungen zu den zuständigen einzelstaatlichen Stellen;

    die Änderung der Aufgaben und der Zusammensetzung der Arbeitsorgane dieser Agentur, um eine ausgewogene Vertretung von Verantwortungsträgern und führenden Vertretern der Wissenschaft in Europa zu erreichen;

    die Einführung von Instrumenten und Methoden zur Vermeidung unnötiger Doppel-Dossiers und Doppel-Tests und zur Verringerung von Tierversuchen sowie geeignete Mechanismen für eine gerechte Kostenverteilung;

    die Klärung der Aufgabenverteilung zwischen Herstellern/Importeuren und nachgeschalteten Anwendern, da ein Teil der produzierten und/oder importierten chemischen Stoffe anschließend von Industriebetrieben gekauft wird, die Mischungen für vielfältige Verwendungszwecke vermarkten;

    die Erstellung eines Unterstützungsplans, v.a. für KMU und nachgeschaltete Anwender, der die Anwendung der vom REACH-System vorgesehenen Vorschriften und die Schaffung von Konsortien oder ähnlichen Vereinigungen zu diesem Zweck erleichtern soll;

    die Entwicklung konkreterer, automatischer Instrumente zur Förderung der Innovation und zur Erforschung und Vermarktung neuer Stoffe.

    4.6

    Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit einer eingehenderen Folgenabschätzung, insbesondere was die indirekten Kosten, die Kosten für einige kritische Sektoren nachgeschalteter Anwender und die potenziellen Auswirkungen auf die Beitrittsländer anbelangt, um herauszufinden, ob die vorgebrachte Kritik an der bisherigen Studie berechtigt ist.

    4.7

    Schließlich hält der EWSA es für erforderlich, sich politisch stark dafür einzusetzen, dass alle Weltregionen in die Diskussion über die vom REACH-System festgelegten und vorgesehenen Vorschriften einbezogen werden, damit sie deren Inhalte übernehmen, die ganz wesentlich sind für einen besseren Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer und der Bevölkerung, einen wirksameren Umweltschutz und nicht zuletzt den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit der europäischen Chemieindustrie.

    4.8

    Der EWSA begrüßt die Initiativen zur praktischen Erprobung und die Anwendungs-Pilotprojekte, die schon in einigen Mitgliedstaaten unter Einbeziehung der Regionalbehörden und aller Betroffenen ins Leben gerufen wurden, um eine Vereinfachung und konkretere Folgenabschätzung zu erreichen, sowie die von der Kommission und dem Europäischen Büro für chemische Stoffe zusammen mit den Betroffenen aufgenommene Erstellung branchenspezifischer technischer Leitfäden zur praktischen Umsetzung des REACH-Systems. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass sich alle europäischen Institutionen bei der Erarbeitung der definitiven Rechtsinstrumente die in dieser Zwischenphase gesammelten Erfahrungen zunutze machen sollten, und behält sich vor, eine ergänzende Stellungnahme zur Bewertung der Ergebnisse der laufenden Arbeiten abzugeben.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  ABl. 196 vom 16.8.1967, S. 1.

    (2)  Stellungnahme CES 1327/2001 vom 17. Oktober 2001, ABl. C 36 vom 8.2.2002.

    (3)  Dabei handelt es sich um Stoffe, die krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind (CMR), Stoffe, die persistent, bioakkumulierbar und toxisch sind (PBT), sowie Stoffe, die sehr persistent und sehr bioakkumulierbar sind (vPvB).

    (4)  z.B. die Wasser-Rahmenrichtlinie, die IVU-Richtlinie, die Richtlinien über gefährliche Abfälle usw.

    (5)  Vgl. die vorhergehende Stellungnahme zum Weißbuch, Ziffer 5.1.


    ANLAGE 1

    zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    (Art. 39 der Geschäftsordnung)

    Folgender Änderungsantrag, auf den mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurde im Lauf der Beratungen abgelehnt:

    Neue Ziffer 3.4.4 mit folgendem Wortlaut einfügen:

    „Um die Verlässlichkeit der bereitgestellten Information über die registrierten Chemikalien abzusichern, hält der EWSA ein angemessenes System der Qualitätssicherung für unverzichtbar. Dies kann erfolgen durch interne Qualitätssicherungsmaßnahmen der Wirtschaftsakteure mit externer Zertifizierung oder durch unabhängige Sachverständige. So werden Daten und Unterlagen europaweit qualitativ vergleichbar und nutzbar. Die Behörden können so einen Teil ihrer Kontrollverantwortung an die Unternehmen abgeben.“

    Abstimmungsergebnis:

    Ja-Stimmen 27, Nein-Stimmen 64, Stimmenthaltungen 13


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/100


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 72/462/EWG“

    (KOM(2004) 71 endg. — 2004/0022 CNS)

    (2004/C 112/25)

    Der Rat beschloss am 27. Februar 2004 gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Das Präsidium des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses beauftragte die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz am 24. Februar 2004 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) Herrn Donnelly zum Hauptberichterstatter und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Im Jahr 2000 kündigte die Kommission mit der Veröffentlichung des Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit eine tiefgreifende Änderung der Lebensmittelhygienevorschriften an. Der wichtigste Aspekt dieser Reform war die Vereinfachung der Vorschriften für Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit und für den Bereich der Tiergesundheit, der mit der Lebensmittelsicherheit zusammenhängt.

    1.2

    Die Zielsetzungen des Weißbuchs sollten mit Hilfe eines sehr umfassenden Aktionsprogramms erfüllt werden. Dieses Programm enthielt den Vorschlag für die Einrichtung einer Europäischen Lebensmittelbehörde und einen Vorschlag für eine allgemeine Richtlinie zum Lebensmittelrecht. Diese beiden Ziele wurden mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit verwirklicht.

    1.3

    Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Vorschriften für Lebens- und Futtermittel und die Reformen im Bereich der amtlichen Kontrollen sind bereits weit fortgeschritten. Letztere sind bis zum 1. Januar 2006 von den Mitgliedstaaten formell umzusetzen. Die lückenlose Verflechtung der Hygienevorschriften und der amtlichen Kontrollen vom Erzeuger bis zum Verbraucher stellte ebenfalls ein Hauptziel dar. Dies spiegelt sich in dem Vorschlag wider.

    1.4

    Die Tiergesundheitsvorschriften für die Einfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen wurden mit der Richtlinie Nr. 2002/99/EG des Rates überarbeitet und aktualisiert, die bis zum 1. Januar 2005 von den Mitgliedstaaten formell umgesetzt werden muss.

    1.5

    Die jüngsten Ausbrüche von Maul- und Klauenseuche (MKS) und klassischer Schweinepest haben auch zu einer Überarbeitung der Tiergesundheitsvorschriften in Bezug auf die Einfuhr lebender Tiere geführt. Diese überarbeiteten Vorschriften wurden dem Rat zwecks Übernahme in eine Richtlinie zur Festlegung der Veterinärbedingungen für die Einfuhr bestimmter lebender Huftiere in die Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinien 90/426/EWG und 92/65/EWG (KOM(2003) 570 endg.) übermittelt.

    Da somit die Richtlinie 72/462/EWG nicht mehr relevant ist, wird vorgeschlagen, sie hinsichtlich der Tiergesundheitsvorschriften für die Einfuhr lebender Tiere aufzuheben.

    2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

    2.1

    Mit diesem Vorschlag wird die Richtlinie 72/462/EWG mit Wirkung vom 1. Januar 2005 hinsichtlich der Hygienevorschriften für die Einfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen aufgehoben.

    2.2

    Mit Wirkung vom 1. Januar 2006 hebt der Vorschlag die Richtlinie 72/462/EWG hinsichtlich der Hygienevorschriften und amtlichen Kontrollen für Fleisch und Fleischerzeugnisse auf.

    2.3

    In Abhängigkeit des Zeitpunkts, zu dem der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung der Veterinärbedingungen für die Einfuhr bestimmter lebender Huftiere und zur Änderung der Richtlinien 90/426/EWG und 92/65/EWG formell umgesetzt wird, muss noch ein Datum festgelegt werden. Ab diesem noch zu vereinbarenden Datum wird die Richtlinie 72/462/EWG hinsichtlich der Tiergesundheitsvorschriften für die Einfuhr lebender Tiere aufgehoben.

    2.4

    Die Durchführungsbestimmungen im Rahmen von Entscheidungen, die gemäß der Richtlinie 72/462/EWG für die Einfuhr von lebenden Tieren, Fleisch und Fleischerzeugnissen erlassen wurden und im Anhang des vorliegenden Vorschlags aufgeführt sind, bleiben in Kraft, bis sie durch im Rahmen des neuen Rechtsrahmens erlassene Maßnahmen ersetzt werden.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der EWSA begrüßt diesen Vorschlag als Teil der derzeitigen Überarbeitung der Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Tiergesundheit. Er befürwortet das Konzept der Konsolidierung der Vorschriften für die Einfuhr lebender Tiere.

    3.2

    Der Ausschuss spricht sich außerdem sehr für den zurzeit vollzogenen Prozess der Vereinfachung der Gemeinschaftsvorschriften aus.

    3.3

    Er würdigt die raschen Fortschritte, die dank der Verwirklichung der im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit festgelegten Ziele bei der Durchführung der Aktionspläne für die Lebensmittelsicherheit gemacht werden konnten.

    3.4

    Schließlich befürwortet der EWSA die klare Trennung der Tiergesundheitsvorschriften für die Einfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen, der Vorschriften für die Lebensmittel- und Futtermittelhygiene, der Vorschriften für amtliche Kontrollen von Lebens- und Futtermitteln und der Tiergesundheitsvorschriften für die Einfuhr lebender Tiere.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Der EWSA erkennt die insbesondere infolge der neuen Grenzen der EU nach der Erweiterung entstehenden potenziellen Gefahren im Bereich Tiergesundheit an. Er empfiehlt daher, dass die Kommission genügend Mittel für die Kontrolle und Überprüfung der Durchführung und Umsetzung der einschlägigen Richtlinien zur Verfügung stellt.

    5.   Schlussfolgerungen

    5.1

    Der EWSA unterstützt den Vorschlag im Interesse einer Vollendung des Prozesses der Überarbeitung und Vereinfachung der Gemeinschaftsvorschriften.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/102


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem

    „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch bestimmte Mitgliedstaaten“

    (KOM(2004) 42 endg. — 2004/0016 (CNS))

    und dem

    „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch Zypern“

    (KOM(2004) 185 endg. — 2004/0067 (CNS))

    (2004/C 112/26)

    Der Rat beschloss am 18. Februar 2004 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch bestimmte Mitgliedstaaten“

    (KOM(2004) 42 endg. — 2004/0016 (CNS)).

    Am 31. März 2004 beschloss der Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch Zypern“

    (KOM(2004) 185 endg. — 2004/0067 (CNS)).

    Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 31. März) Herrn Allen zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 33 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Die Richtlinie 2003/96/EG des Rates (angenommen am 27. Oktober 2003) zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Die Richtlinien 92/81/EWG und 92/82/EWG wurden mit Wirkung vom 31. Dezember 2003 aufgehoben.

    1.1.1

    Der Anwendungsbereich der Richtlinien 92/81/EWG und 92/82/EWG umfasste Mindestsätze für Verbrauchsteuern auf Mineralöle. Der Anwendungsbereich der neuen Richtlinie für Energiebesteuerung 2003/96/EG umfasst Mindestsätze für Verbrauchsteuern auf fast alle Energieerzeugnisse, auch für Kohle, Gas und elektrischen Strom. Daneben werden die Mindestsätze für Verbrauchsteuern auf Mineralöle, die seit 1992 nicht geändert wurden, angepasst.

    1.1.2

    Mit der Richtlinie für Energiebesteuerung war beabsichtigt, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten, die auf die unterschiedlichen Steuersätze zurückzuführen sind, abzubauen, Wettbewerbsverzerrungen zwischen Mineralölen und anderen Energieerzeugnissen, die bisher nicht von den steuerlichen Vorschriften der Gemeinschaft erfasst werden, zu beseitigen, stärkere Anreize zur effizienteren Nutzung von Energie (um u.a. die Abhängigkeit von Energieeinfuhren und den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern) zu schaffen und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, den Unternehmen Steueranreize als Gegenleistung für bestimmte Maßnahmen zur Emissionsreduzierung anzubieten.

    1.2

    In vielen beitretenden Staaten sind die Verbrauchsteuersätze erheblich niedriger als in der Europäischen Union. Einige dieser Staaten wenden bereits Sätze an, die mit den in der Richtlinie 92/82/EWG festgelegten Mindestsätzen für Verbrauchsteuern vereinbar sind, andere bereiten sich noch auf die Erfüllung ihrer Verpflichtung vor, die in der Richtlinie festgelegten Mindestsätze bis zum 1. Mai 2004 anzuwenden. Polen und Zypern haben im Beitrittsvertrag einige Ausnahmeregelungen ausgehandelt. Der Mindestverbrauchsteuersatz auf unverbleites Benzin gemäß der Richtlinie 92/82/EWG liegt bei 287 € pro 1.000 Liter, gemäß der neuen Richtlinie für Energiebesteuerung erhöht sich dieser Mindestsatz jedoch auf 359 € pro 1.000 Liter.

    1.3

    Wenn die Richtlinie für Energiebesteuerung nicht geändert wird, müssen die beitretenden Staaten ihre Bestimmungen ab dem 1. Mai 2004 anwenden. Die Auswirkungen dieser Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom auf ihre Volkswirtschaften könnte zu großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen, da ihre gegenwärtigen Steuersätze auf Energieerzeugnisse wesentlich niedriger sind. Der hierdurch verursachte Kostenanstieg könnte ihre KMU erheblich beeinträchtigen und der Wirtschaft und den Verbrauchern eine schwere Last aufbürden. Insbesondere ärmere Haushalte wären stark betroffen. Aus diesem Grund haben sie vorübergehende Ermäßigungen und Befreiungen für Steuern auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, die sie erheben müssen, beantragt.

    2.   Wesentlicher Inhalt des Vorschlags

    2.1

    Im November 2003 legten die beitretenden Staaten, mit Ausnahme von Zypern, der Kommission Anträge auf bestimmte Ausnahmen von den Anforderungen der Richtlinie für Energiebesteuerung vor. Im Beitrittsvertrag vom 16. April 2003 ist vorgesehen, dass den beitretenden Staaten die Möglichkeit gegeben werden muss, in Bezug auf EU-Rechtsvorschriften, die nach dem 16. Mai 2003 verabschiedet wurden, Anträge auf für sie erforderliche Ausnahmen zu diesen Rechtsvorschriften einzureichen. Die Kommission muss diese Anträge prüfen und, wenn sie als begründet befunden werden, dem Rat einen Vorschlag vorlegen. Der Kommission ist für jeden Antrag eine ausführliche Begründung vorzulegen.

    2.1.1

    Die Republik Zypern hat seinerzeit keinerlei Übergangsregelungen beantragt. Die Weiterentwicklung der Lage in Zypern veranlasste die zyprischen Behörden jedoch, Anfang Februar 2004 Anträge auf Gewährung von Übergangsfristen einzureichen. Daher muss die Kommission auf der Grundlage von Artikel 93 EG-Vertrag eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie für Energiebesteuerung (1) vorschlagen.

    2.1.2

    Die Kommission befand die meisten der vorgelegten Anträge für Ausnahmen in Bezug auf die EU-Mindestsätze der Richtlinie für Energiebesteuerung für annehmbar. Sie schlug vor, dass die unbegrenzten bzw. übermäßig langen (Übergangs) Fristen bei einigen wenigen beantragten Ausnahmen auf eine angemessene Frist reduziert werden sollten. Die Kommission lehnte einen Antrag auf Steuerbefreiung für Altöl ab, da dies im Widerspruch zur EU-Umweltpolitik stehen würde.

    2.2

    Die vorgeschlagene Richtlinie des Rates würde sicherstellen, dass dieselben Grundsätze, die bereits bei der Gewährung von Übergangsfristen für die derzeitigen Mitgliedstaaten zugrunde gelegt wurden, auch für die beitretenden Staaten angewandt werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollten daher:

    zeitlich streng begrenzt sein und in der Regel nicht über das Jahr 2012 hinausgehen;

    dem Problem, das durch sie gelöst werden soll, angemessen sein;

    gegebenenfalls eine schrittweise Anpassung an die in der Gemeinschaft geltenden Mindestsätze vorsehen.

    2.3

    Da den jetzigen Mitgliedstaaten vorübergehende Ausnahmeregelungen für die Verpflichtungen der Richtlinien gewährt wurden, akzeptierte die Europäische Kommission, dass die beitretenden Staaten möglicherweise einen längeren Zeitrahmen benötigen, um die Richtlinien umzusetzen. Mit diesem Vorschlag sollen daher der genaue Zeitrahmen und der Anwendungsbereich für vorübergehende Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom in jedem einzelnen der zehn beitretenden Staaten festgelegt werden. Für jedes Land wird eine separate Bewertung auf der Grundlage des jeweiligen Bedarfs vorgenommen.

    2.4

    Das Fazit der Kommission lautet, dass die vorgeschlagene Änderung vernünftige und angemessene Ausnahmeregelungen zugunsten der neuen Mitgliedstaaten vorsieht. Daher fordert sie eine rasche Anwendung der Richtlinie, um eine Rechtslücke zum Zeitpunkt der Erweiterung zu vermeiden.

    3.   Bemerkungen

    3.1

    In seiner Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen“ (CES 1194/1997) bekräftigte der EWSA mit Nachdruck, dass ökologisch orientierte Steuern und Abgaben nicht zu einer Erhöhung der Steuer- und Abgabenlastquote führen dürften. Um die Aufkommensneutralität zu sichern, müsse im gleichen Umfang die Steuer- und Abgabenlast des Faktors Arbeit verringert werden. Die Einführung ökologisch orientierter Steuern und Abgaben dürfe nicht zu einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und zum Abbau von Arbeitsplätzen führen. Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen dürften keinen größeren Härten ausgesetzt werden. Gleiches gilt auch im Hinblick auf die beitretenden Staaten.

    3.2

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission für jeden Antrag der beitretenden Staaten eine ausführliche Begründung angefordert und die Anträge sorgfältig und konsequent bewertet hat.

    3.3

    In den meisten beitretenden Staaten werden auf elektrischen Strom und Energieerzeugnisse, die für Heizzwecke verwendet werden, keine Verbrauchsteuern erhoben. Die abrupte Einführung der EU-Mindestverbrauchsteuersätze könnte zu einer starken Inflation sowie zu einem plötzlichen Anstieg der Haushaltskosten führen. Dies würde eine sehr negative Reaktion der meisten Bürger in den beitretenden Staaten im Hinblick auf das Projekt „EU“ hervorrufen.

    3.4

    Um die Wirtschaft in den beitretenden Staaten auf den Weg zu Entwicklung und Integration in die heutige EU-15 zu bringen, sind umfangreiche Finanzhilfen erforderlich. Die plötzliche Einführung der EU-Mindestverbrauchsteuersätze würde vor allem in den ärmeren Gebieten die wirtschaftliche und soziale Entwicklung beeinträchtigen. Hierdurch würde die Kluft zwischen den entwickelten und weniger entwickelten Gebieten vergrößert, was sich wiederum in größeren sozialen Unruhen auswirken würde.

    3.4.1

    Vor kurzem vorgelegten Zahlen für das Jahr 2001 zufolge liegt das regionale Pro-Kopf-BIP in 90 % der Regionen in den beitretenden Staaten unter 75 % des EU-15-Durchschnitts. In zehn Regionen liegt das regionale Pro-Kopf-BIP unter 35 % des EU-15-Durchschnitts. In fünf Regionen Polens liegt das regionale Pro-Kopf-BIP unter 32 % des EU-15-Durchschnitts.

    3.4.2

    Fünf beitretenden Staaten wurden Übergangsfristen für die Einführung der Mindeststeuersätze gemäß der Richtlinie für Energiebesteuerung für Kraftstoffe gewährt. Dies wird insbesondere in Grenzgebieten zu starken Wettbewerbsverzerrungen auf dem Kraftstoffmarkt führen, wo Kraftstoff auf der Seite des beitretenden Staates sehr viel preiswerter als auf der anderen Seite der Grenze ist. Viele Kraftstoffhändler auf der Seite der Grenze, wo höhere Verbrauchsteuersätze angewandt werden, werden vom Markt verdrängt werden, während auf der anderen Seite der Grenze hierdurch Gewinne gemacht werden.

    4.   Schlussfolgerungen

    4.1

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Lage in Bezug auf Kraftstoffe sehr genau zu beobachten und die Steuerbegünstigungen für Kraftstoffe ggf. zu überprüfen, falls übermäßige Wettbewerbsverzerrungen auftreten.

    4.2

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, bei langfristigen Steuerbegünstigungen regelmäßige Überprüfungen vorzusehen, um sicherzustellen, dass diese Begünstigungen auch weiterhin eine effiziente Energienutzung, die Notwendigkeit der Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes und der Schaffung von Anreizen für diese Schadstoffausstoßreduzierung gewährleisten.

    4.3

    Da den jetzigen EU-Mitgliedstaaten vorübergehende Ausnahmeregelungen gewährt wurden, ist es sowohl grundsätzlich als auch im Hinblick auf diesen Präzedenzfall nur recht und billig, auch den beitretenden Staaten vorübergehende Ausnahmeregelungen, in begründeten Fällen auch über einen etwas längeren Zeitraum, zu gewähren.

    4.4

    Wenn diese Richtlinie vor dem 1. Mai angenommen wird, wird dies den beitretenden Staaten ein wichtiges politisches Signal für das umfassende Engagement der Europäischen Union für ihre Entwicklung geben.

    4.5

    Der EWSA empfiehlt die Annahme dieser Richtlinien.

    Brüssel, den 31. März 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Richtlinienvorschlag KOM(2004) 185 endg.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/105


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die wirtschaftliche Diversifizierung in den Beitrittsstaaten — die Rolle der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen“

    (2004/C 112/27)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Juli 2003 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Die wirtschaftliche Diversifizierung in den Beitrittsstaaten — die Rolle der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen“.

    Die Beratende Kommission für den industriellen Wandel (BKIW), die für die Vorbereitung der diesbezüglichen Arbeiten des Ausschusses zuständig war, nahm ihre Stellungnahme am 15. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau FUSCO, Mitberichterstatter Herr GLORIEUX.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 1. April) einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung und Zielsetzungen

    1.1

    Der Beitritt zehn neuer Länder zur Europäischen Union ist sowohl für die betroffenen Länder als auch in Bezug auf den tief greifenden sozioökonomischen Wandel, den er für diese Länder sowie für Europa insgesamt nach sich zieht, ein noch nie da gewesenes historisches Ereignis. In dieser Perspektive und in Übereinstimmung mit der von Präsident BRIESCH in seiner Rede vom 11.12.2002 bekundeten Priorität, die Präsenz des EWSA in den Debatten über die Zukunft Europas zu verstärken, will diese Initiativstellungnahme im Vorfeld des Beitritts zehn neuer Länder zur Europäischen Union einen Beitrag leisten, indem sie die Mitwirkung der Zivilgesellschaft und ihrer Organisationen am Prozess der politischen Meinungsbildung während der Beitrittsperiode unterstreicht (1).

    1.2

    Zudem möchte diese Stellungnahme zur Debatte über die im Bericht von Wim Kok vom 26. März 2003„Die Erweiterung der Europäischen Union — Ergebnisse und Herausforderungen“ beschriebenen Auswirkungen der Erweiterung beitragen, insbesondere über die Rolle, die die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen bei der wirtschaftlichen Diversifizierung (einschließlich der sozialen Folgen) in den Beitrittsländern spielen sowie über die Herausforderung ihrer vollen Integration in den Binnenmarkt. Der EWSA möchte zu den verschiedenen Gemeinschaftsinitiativen beitragen, die darauf abzielen, den vollen Erfolg ihres Beitritts, einschließlich ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts im sich vollziehenden industriellen Wandel, zu gewährleisten.

    1.3

    Die KMU — ein Begriff, der auch die Kleinstunternehmen mit ihren spezifischen Eigenheiten umfasst — sind Unternehmen, die zahlenmäßigen Kriterien entsprechen, die von der Europäischen Kommission festgelegt wurden (siehe Tabelle 1 in der Anlage) (2).

    1.4

    Die sozialwirtschaftlichen Unternehmen umfassen eine Gruppe von vier Familien, und zwar Genossenschaften, Vereinigungen auf Gegenseitigkeit, gemeinnützige Vereine und Stiftungen. Diese Unternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre soziale Zielstellung über der Gewinnmaximierung steht, was häufig zu einer Verbindung mit dem Gebiet und der lokalen Entwicklung führt, sowie dadurch, dass sie Bedürfnisse erfüllen, die die anderen Wirtschaftszweige allein nicht befriedigen können. Ihre grundlegenden Werte sind: Solidarität, sozialer Zusammenhalt, soziale Verantwortung, demokratische Verwaltung, Mitwirkung, Autonomie (3).

    1.5

    Der Europäische Rat von Lissabon setzte im Jahre 2000 das Ziel, Europa zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen, und unterstrich Folgendes: „Europas Wettbewerbsfähigkeit hängt stark von seinen kleinen Unternehmen ab, die eine der Hauptquellen für Arbeitsplätze, ein Nährboden für Geschäftsideen und ein treibender Faktor für Unternehmertum sind“ (4). Auf dieser Grundlage bestätigte der Europäische Rat von Feira am 19. und 20. Juni 2000 die Europäische Charta für Kleinunternehmen, in der es heißt: „Kleine Unternehmen sind das Rückgrat der europäischen Wirtschaft [sowie] Hauptträger der Beschäftigung und Nährboden für Geschäftsideen“ (5). In der Lissabon-Strategie wird ferner unterstrichen, dass das Wirtschaftswachstum ein Schlüsselfaktor zur Gewährleistung des wirtschaftlichen Zusammenhalts in Europa ist. Die Kommission bringt außerdem zum Ausdruck, dass die Herausforderungen für die Annahme der Agenda von Lissabon im Bedarf nach Steigerung des Arbeitskräfteangebots und der Beschäftigungsquote, in der Sicherstellung eines geregelten Arbeitskräfteflusses von Landwirtschaft und Industrie in das Dienstleistungsgewerbe, ohne dass es dadurch zu einer Verschärfung der regionalen Unterschiede in den Ländern selbst kommt sowie im Bedarf nach Anhebung des Qualifikationsniveaus bestehen (6).

    1.6

    Der EWSA unterstrich in seiner Stellungnahme 242/2000 (7) die Bedeutung der sozialwirtschaftlichen Unternehmen und verwies darauf, dass diese von grundlegender Bedeutung für die unternehmerische Vielfalt und die Diversifizierung der Wirtschaft sind (8). Die meisten sozialwirtschaftlichen Unternehmen fallen unter die EU-Standarddefinition von KMU (9). Diejenigen Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe nicht unter eine solche Definition fallen, haben generell Merkmale mit den KMU gemein, wie eine geringe externe Investitionsrate, eine fehlende Börsennotierung, die Nähe der Inhaber/Aktionäre und eine enge Verbindung mit dem Gefüge vor Ort.

    1.7

    Die Kommission räumte ein, dass die KMU mit 66 % der Gesamtbeschäftigtenzahl und 60 % der Gesamtwertschöpfung der EU — ohne Landwirtschaft — die Grundlage der europäischen Industrie bilden. 1999 lag der Anteil der KMU mit 72 % ohne Landwirtschaft sogar noch höher. Die Beschäftigtenzahl der Kleinstunternehmen (unter 10 Beschäftigte) ist mit 40 % der Gesamtbeschäftigtenzahl am höchsten (10) und verlangt nach einer besonderen Aufmerksamkeit für diese Art von Unternehmen (siehe Tabelle 2 in der Anlage).

    1.8

    In der EU nimmt die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der sozialwirtschaftlichen Unternehmen und Organisationen zu: Mit etwa 9 Millionen Beschäftigten in Vollzeitäquivalent machen sie 7,9 % der zivilen abhängig Beschäftigten aus (11). Darüber hinaus binden sie einen beachtlichen Anteil der Zivilgesellschaft, da ihr schätzungsweise über 25 % der EU-Bürger als Erzeuger, Verbraucher, Sparer, Bewohner einer Wohnung, Versicherte, Studenten, Freiwillige usw. angehören. In den mittel- und osteuropäischen Beitritts- und Bewerberländern wird allein die Gesamtzahl der Genossenschaften auf 15.000 Unternehmen geschätzt, die über 700.000 Arbeitsplätze bieten und an die 15 Millionen Mitglieder umfassen; nach einer Phase des Rückgangs ist auch hier eine neue Wachstumsperiode zu verzeichnen (12). Die sozialwirtschaftlichen Unternehmen entwickeln sich besonders in bestimmten Sektoren wie Gesundheit, Umwelt, soziale Dienstleistungen und Bildung (13). Sie spielen daher eine wichtige Rolle für die Schaffung von Geschäftskapital, die Fähigkeit, Angehörige von benachteiligten Gruppen zu beschäftigen, für den sozialen Wohlstand, die Wiederbelebung lokaler Wirtschaftstätigkeiten und die Modernisierung der lokalen Verwaltungsmodelle. Sie verfügen über Systeme zur sozialen Bilanzierung, mit deren Hilfe ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt bewertet werden.

    1.9

    In mehreren heutigen Mitgliedstaaten der EU findet eine bedeutende Interaktion zwischen den herkömmlichen KMU und den sozialwirtschaftlichen Unternehmen statt. Die Genossenschaftsbanken fördern häufig Start-up- und Entwicklungsprojekte für herkömmliche KMU. Sozialwirtschaftliche Strukturen haben ihren Nutzen zur Stärkung herkömmlicher KMU unter Beweis gestellt, wenn diese sie einsetzen, um untereinander unternehmerische Systeme zu bilden (Netzwerke, Gruppen, gemeinsame Hilfsstrukturen) oder Skalenerträge zu erwirtschaften sowie Mechanismen zur gegenseitigen Garantie für Bankkredite einzurichten.

    1.10

    In der Stellungnahme der CCMI zum Thema „Industrieller Wandel: Bilanz und Perspektiven – Ein Gesamtansatz“ vom 24./25. September 2003 vertritt der EWSA die Ansicht, dass der Begriff Wandel etwas anderes ist als Umstrukturierung: „Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein sehr viel dynamischeres Konzept, das einerseits den ständigen Entwicklungsprozess der Unternehmen (Gründung, Entwicklung, Diversifizierung, Wandlung) umfasst, während die Unternehmen andererseits eng mit dem politischen und sozialen Umfeld in Europa verbunden sind und sich in diesem entwickeln, was sich wiederum auf den Prozess des industriellen Wandels auswirkt“ (14). Außerdem ist es „angesichts der aktuellen Lage […] erforderlich, den Wandel proaktiv anzugehen, d.h. die wirtschaftlichen, sozialen, strukturellen und ökologischen Auswirkungen des industriellen Wandels besser vorherzusehen und zu bewältigen“ (15). Dieses Konzept des Wandels ist angesichts des wachsenden Tempos der Umstrukturierungen in einem Kontext der Globalisierung, der EU-Erweiterung, der Vertiefung des Binnenmarktes sowie der technologischen, industriellen und sozialen Veränderungen von besonderer Bedeutung.

    1.11

    Diese Stellungnahme berücksichtigt insbesondere den Bericht der Kommission zum Thema „Strategie für den industriellen Wandel“ vom 2. November 1998, der von einer Gruppe hochrangiger Sachverständiger unter Vorsitz von Herrn Pehr Gyllenhammar verfasst wurde (16), zu dem der EWSA eine kritische, aber positive Stellungnahme abgegeben hat, in der er die Erkenntnis des Berichts begrüßt, dass der industrielle Wandel neue Chancen eröffnet sowie die Tatsache, dass der Schwerpunkt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen gelegt wird, und in der er folgende Ansicht vertritt: „Der generelle Ansatz, ausgehend von Benchmarking, Innovation und sozialem Zusammenhalt Anreize zu schaffen, ist gutzuheißen.“ Was die KMU anbelangt, so unterstrich der EWSA, dass sie mit den Problemen der rückläufigen Industrien oder aufgrund von plötzlichen schweren Krisen nicht allein fertig werden können. Nach Auffassung des EWSA muss ein grundlegender Wandel durch kollektive Anstrengungen und flexible territoriale Partnerschaften auf freiwilliger Basis bewältigt werden (17).

    1.12

    Angesichts des sich seit den 90er Jahren vollziehenden industriellen Wandels, der wachsenden globalisierten Konkurrenz und Unternehmenskonzentration und ihrer bevorstehenden Eingliederung in den Binnenmarkt sind die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen der meisten Beitrittsländer mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Da sie eine entscheidende Rolle im sozioökonomischen Bereich spielen, muss die EU insgesamt gleichzeitig dringend darüber nachdenken, wie diese Rolle am besten zu nutzen ist, wie ihre Anpassung an diese Herausforderungen am besten unterstützt werden kann und wie ihre Innovationsfähigkeit und ihr Unternehmergeist sowie ihre Wettbewerbsfähigkeit gefördert werden können.

    2.   Bemerkungen zu den spezifischen Merkmalen der Beitrittsländer in Bezug auf die KMU, die sozialwirtschaftlichen Unternehmen und den wirtschaftlichen Wandel

    2.1   Wirtschaftlicher Wandel und wirtschaftliche Diversifizierung in den Beitrittsländern

    2.1.1

    Während ihres Übergangs von einer zentralisierten Wirtschaft zur Marktwirtschaft haben die Beitrittsländer Mittel- und Osteuropas einen grundlegenden industriellen Wandel durchlaufen. Sie erlebten eine abrupte Liberalisierung mit dem damit einhergehenden relativen Verlust der traditionellen Exportmärkte und einem starken Rückgang der Beschäftigten in der Industrie (18).

    2.1.2

    Nach einem Jahrzehnt der Umstrukturierung hat sich die verarbeitende Industrie in den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern dem Produktions- und Beschäftigungsstrukturmodell der EU angeglichen. Die verarbeitende Industrie hat von direkten Auslandsinvestitionen für ihre Modernisierung profitiert, wodurch hinsichtlich der Produktivität und der Profitrate ein Unterschied zwischen Unternehmen in ausländischem und denen in einheimischem Besitz entstanden ist. Obgleich einige Länder Sektoren mit höherer Wertschöpfung entwickelt haben, scheinen die übrigen eine Spezialisierung auf wenig spezialisierte arbeitskräfteintensive Tätigkeiten mit höheren Marktanteilen in bestimmten Industriezweigen beizubehalten (19). Überdies konzentrierte sich der industrielle Aufholprozess vor allem auf die größeren Städte, was künftig die Gefahr in sich birgt, dass die Unterschiede zwischen Regionen noch größer werden (20). Es besteht auch die Gefahr, dass derartige Unternehmen in an die künftige Union angrenzende Länder verlagert werden, wenn die Arbeitskosten in den Beitrittsländern steigen.

    2.1.3

    Der industrielle Wandel im Rahmen der Erweiterung umfasst auch eine Zunahme des intra-industriellen Handels und anderer Arten der Partnerschaft (Jointventures, Unternehmensfusionen, vorübergehende Zusammenschlüsse usw.) zwischen den Beitrittsländern und den EU-Mitgliedstaaten (21) sowie der Untervergabe seitens der Großunternehmen an die KMU. Diese Entwicklung ist ausschlaggebend für eine gerechtere Verteilung des Gewinns der Erweiterung und eine konfliktärmere Integration in den Binnenmarkt. Im Falle hoher Skalenerträge kann sich die Komplementarität zwischen den Großunternehmen und den KMU verstärken, und die KMU können eine grundlegende Rolle als Subunternehmer und Dienstleister spielen.

    2.1.4

    Die Marktdienstleistungen machen mit 54 % im Jahre 2001 einen wachsenden Anteil am BIP der Beitrittsländer aus, dies jedoch im Rahmen von Unteraufträgen und Verbindungen zwischen Industrie und Dienstleistungen. Gleichwohl belief sich der Anteil der Industrie im Jahre 2001 in diesen Ländern auf 33 % des BIP und wird weiterhin hoch sein (22).

    2.1.5

    Neben den oben genannten Marktdienstleistungen wurden zwischen 1994 und 2000 in absoluten Zahlen ausgedrückt die meisten der neuen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich geschaffen, die Beschäftigtenzahl in den Dienstleistungen für Körperschaften ist nur sehr wenig gestiegen und war sogar rückläufig (23). In diesem Sektor von großer sozioökonomischer Bedeutung besteht noch ein beträchtlicher Unterschied zwischen den Beitritts- und den EU-Ländern, und zwar sowohl auf wirtschaftlicher wie beschäftigungsspezifischer Ebene (24).

    2.1.6

    Der EWSA stellt fest, dass die KMU in den Übergangsländern zu mehr Flexibilität und Innovationspotenzial als Großunternehmen tendieren und im Allgemeinen eine höhere Produktivität bei Dienstleistungen und in Nischengewerbesektoren aufweisen. Im Allgemeinen sind sie eher dem Unternehmergeist verbunden. Die Unternehmenssterberate ist jedoch nach wie vor sehr hoch, selbst wenn in einigen Ländern (25) das Verhältnis zwischen der Brutto- und Nettogeburtenrate der KMU günstiger als in mehreren EU-Mitgliedstaaten ist (siehe Tabelle 4 in der Anlage).

    2.2   Soziale Folgen des Wandels

    2.2.1

    Die Analyse des Beschäftigungswachstums nach Größentranchen in den Bewerberländern zwischen 1995 und 1999 zeigt, dass die Beschäftigtenzahl in den KMU spürbar gestiegen ist, während sie in den Großunternehmen zurückging (siehe Tabelle 3 in der Anlage). Nach dem Bericht der europäischen KMU-Beobachtungsstelle könnte dieses Wachstum sowohl auf den Arbeitsstellenverlust in den Großunternehmen als auch auf ihre Ersetzung durch die KMU zurückzuführen sein, glich die Beschäftigungsverluste jedoch nicht aus (26).

    2.2.2

    Die Übergangszeit hat zu wachsender Armut und Ungleichheit geführt (27). Unter anderem zeigen die auf unvollständigen Daten beruhenden Analysen, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt eindeutig benachteiligt sind (28).

    2.2.3

    In den vergangenen Jahren haben die Sozial- und Gesundheitsschutzsysteme in den Beitrittsländern zahlreiche Reformen durchlaufen. Diese Länder sind großenteils zwar mit denselben Problemen konfrontiert wie die derzeitigen EU-Mitgliedstaaten: Anstieg der Ausgaben und Stagnation bzw. Rückgang der Einnahmen. In Bezug auf die Gesundheit liegen sie jedoch generell weit unter dem europäischen Durchschnitt. Die Lebenserwartung ist dort 6 Jahre niedriger als in den Mitgliedstaaten (29).

    2.3   Rolle und Herausforderungen der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den Beitrittsländern

    2.3.1

    Das derzeitige Defizit der laufenden Posten der Beitrittsländer und die Beschränkungen des Stabilitätspakts werden die öffentlichen Ausgaben zusätzlich belasten (30). Es müssen also innovative Formen zur Deckung des gemeinnützigen Bedarfs gefunden werden (31), wobei insbesondere die sozialwirtschaftlichen Unternehmen eine wichtige Rolle spielen können, wie es in mehreren EU-Mitgliedstaaten der Fall ist (32). Dies ist umso wichtiger in den deindustrialisierten Regionen, wo es im Allgemeinen an herkömmlichen Investitionen mangelt sowie in ländlichen Regionen, wo sich ein Verschwinden zahlreicher landwirtschaftlicher KMU beobachten lässt. In einem großen Teil der mittel- und osteuropäischen Beitritts- und Bewerberländer sind die sozialwirtschaftlichen Unternehmen bereits der bei weitem größte Arbeitgeber von Menschen mit Behinderungen.

    2.3.2

    Die Europäische Charta für Kleinunternehmen erkennt an, dass die Kleinunternehmen „das Rückgrat der europäischen Wirtschaft“ sind, dass sie jedoch auch „am empfindlichsten auf Veränderungen des Umfelds, in dem sie tätig sind“, reagieren. Dies ist umso mehr der Fall in den Beitrittsländern, die gemeinsam offiziell die Charta verabschiedet haben (33). Die Herausforderung für die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen in Bezug auf ihre Fähigkeit, sich dem Wettbewerb im Binnenmarkt zu stellen, ist deutlich größer als bei allen vorhergehenden Beitrittswellen. Zu den wichtigsten Sachzwängen gehören der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, der Zugang zur Finanzierung sowie die administrativen Regelungen (siehe Tabelle 5 in der Anlage).

    2.3.3

    Im Grünbuch der Europäischen Kommission zum Unternehmergeist in Europa heißt es: „Die Solidarwirtschaft und die Sozialunternehmen wenden unternehmerische Grundsätze und Effizienz zur Verwirklichung sozialer und gesellschaftlicher Ziele an [und] sehen sich besonderen Herausforderungen beim Zugang zu Finanzmitteln, beim Managementtraining und bei der Beratung gegenüber“ (34). Die sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den Bewerberländern stehen vor noch viel größeren Herausforderungen. Dort werden Genossenschaften nämlich häufig als Überbleibsel der früheren Ordnung angesehen, selbst wenn sie dort schon vor anderthalb Jahrhunderten entstanden und im Allgemeinen gut für die Einführung der Marktwirtschaft geeignet sind. Die Verordnungen oder Vorurteile, denen sie unterliegen, beschränken häufig ihren Markzugang. Dennoch ist in Übergangswirtschaften „die Verbindung von genossenschaftlichen Kleinproduzenten, lokalen Spar- und Kreditgenossenschaften und lokalen Behörden (beim Nachschießen von Kapital, als Garant und manchmal als Teilinhaber von finanziellen Beteiligungen an Produktionseinrichtungen wie auch an Finanzinstituten) vollkommen natürlich“ (35).

    2.3.4

    Die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den Beitrittsländern sind ein wichtiges Instrument für Beschäftigung und Wiederbeschäftigung in dem sich vollziehenden industriellen Wandel von im Niedergang befindlichen und Arbeitsplätze abbauenden Sektoren hin zu den traditionellen Sektoren (Handwerk, Gewerbe) und anderen expandierenden Sektoren wie Dienstleistungen für Unternehmen, NIKT, Hochtechnologiesektoren, Hoch- und Tiefbau, Dienstleistungen im Nahbereich (einschließlich Gesundheitswesen) und Tourismus.

    2.3.5

    Die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen dieser Länder können in diesem Wandel auf unterschiedliche Arten, die in den EU-Ländern bereits mit zahlreichen Fällen guter Praktiken erprobt wurden, eine bedeutende Rolle spielen, so durch Neueinstellung auf dem Arbeitsmarkt, die Unterstützung der innovativen Fähigkeit von Klein- und Kleinstunternehmen, die Wiedereinstellung von Personen, die in die Arbeitslosigkeit entlassen wurden, weil Industrieunternehmen Personal abbauen oder schließen mussten, durch Sozialversicherungen auf Gegenseitigkeit, durch neue Start-up-Unternehmen in Entwicklungssektoren, durch die Entwicklung der Untervergabedienstleistungen, durch die Übertragung von Krisenunternehmen an ihre Arbeitnehmer und durch Qualitätswandel innerhalb eines Sektors. Außerdem können die sozialwirtschaftlichen Unternehmen sowohl durch ihre Fähigkeit zur unternehmerischen Ausbildung, die in den derzeitigen EU-Mitgliedstaaten bereits unter Beweis gestellt wurde, wie auch durch die von ihnen geförderten Werte wie sozial verantwortliches Unternehmertum, Demokratie und bürgerschaftliche Mitwirkung, Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmen, soziale Eingliederung, Interesse für die lokale und die nachhaltige Entwicklung u.a. ganz spezifische Beiträge leisten.

    2.3.6

    Die Regularisierung der informellen Wirtschaft ist eine Herausforderung, die in den Beitrittsländern bewältigt werden muss. Nach einer von der Universität der Vereinten Nationen veröffentlichten Studie von 2003 (36) ist diese Wirtschaft instabil und nicht als Motor für Wachstum und Kapitalakkumulation geeignet, da ihre Grundfunktion im Überleben durch Unterstützung des Konsums besteht. Sie verletzt die Arbeitsnormen und zieht langfristige negative Folgen nach sich, die eine Gefahr für ein effizientes makroökonomisches Management darstellen, wie eine Erosion des Steuersystems und der Grundlage des Währungsmarktes sowie der Sozialversicherungsabgaben. Diese Wirtschaft bewahrt eine irrationale Sektorstruktur mit absolutem Vorherrschen von Kleinstunternehmen und einer niedrigen Kapitalisierung, schwachem Unternehmertum und einer rasch veralteten Technologie. In einem durch den EU-Beitritt verstärkten Wettbewerb muss die Industriepolitik für die Beitrittsländer dieser Besorgnis erregenden Realität, der die Behörden dieser Länder mit aller Entschiedenheit Herr werden müssen, dringend Rechnung tragen.

    3.   Empfehlungen für ein integriertes Programm zur Förderung der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen bei der wirtschaftlichen Diversifizierung der Beitrittsländer

    3.1   Allgemeine Überlegungen

    Die gemeinsamen Merkmale der KMU (einschließlich der Kleinstunternehmen) und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen (siehe Punkt 1.6) und die positive Interaktion zwischen beiden (siehe Punkt 1.9 und 2.3.5) sind starke Argumente für neue gemeinsame Anstrengungen zu deren Förderung und Unterstützung auf EU-Ebene. Die besonders großen Herausforderungen, denen sich die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen in der Beitrittskonjunktur stellen müssen (siehe Abschnitt 2) machen die Einführung von Unterstützungsmaßnahmen, damit diese zwei Unternehmensarten einen wirksamen Beitrag zur Entwicklung der neuen Mitgliedstaaten leisten können, besonders wichtig.

    Der EWSA hat insbesondere die bestehenden Programme zur Unterstützung der KMU berücksichtigt, weist aber auch auf die unbefriedigenden Strukturen zur Unterstützung der sozialwirtschaftlichen Unternehmen und zur Förderung gemeinsamer Initiativen von KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen hin.

    Deshalb schlägt der EWSA die Einführung eines integrierten Programms zur Unterstützung der KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen der Beitrittsländer vor. Ein solches Programm sollte gemeinsam von der Europäischen Kommission, der Europäischen Investitionsbank, dem Europäischen Investmentfonds, den Regierungen der betreffenden Länder und den die KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen auf europäischer und nationale Ebene vertretenden und unterstützenden Organisationen gefördert werden. Die Strukturfonds, zu denen die Beitrittsländer ab Mai 2004 Zugang haben werden, sollten eine herausragende Rolle bei der Finanzierung der Maßnahmen dieses integrierten Programms spielen. Es sollte eine Verbindung mit dem Aktionsplan in Bezug auf die Mitteilung der Kommission über den Unternehmergeist sichergestellt werden.

    3.2   10-Punkte-Programm

    3.2.1   Integration der Daten

    In den meisten Beitrittsländern sind die Statistiken über die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen sowie die Organisationen zu ihrer Vertretung und Unterstützung noch weitgehend unzureichend und nicht einheitlich (37). Bei den sozialwirtschaftlichen Unternehmen ist eine noch größere Ungenauigkeit festzustellen als bei den herkömmlichen KMU: derzeit gibt es keine genauen Daten über diese Unternehmen in diesen Ländern, außer den Daten, die von ihren Verbänden, falls solche bestehen, geliefert wurden. Daher hält der EWSA die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Initiative, gemeinsam mit den nationalen Statistikbehörden ein System von Satellitenkonten zu schaffen, wie sie bereits in einigen Mitgliedstaaten (38) erprobt wurden, für besonders erforderlich. Gleichzeitig sollte ein ausreichend einfaches und klares Datenerhebungssystem eingerichtet werden, damit die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen problemlos Daten bereitstellen können (39).

    3.2.2   Stärkere Anpassung an den gemeinschaftlichen Besitzstand und dessen bessere und wirksame Umsetzung sowie Verbesserung des rechtlichen und administrativen Rahmens

    3.2.2.1

    Obwohl die Beitrittsländer derzeit erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den gemeinschaftlichen Besitzstand in die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Regeln zu übernehmen und anschließend im Rahmen der öffentlichen Politik umzusetzen, sind diese Arbeiten noch sehr unvollständig, was den gemeinschaftlichen Besitzstand in Bezug auf die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen betrifft, insbesondere im Bereich Unternehmenspolitik, Förderung der KMU, Beschäftigung, Sozialpolitik, soziale Integration, soziale Verantwortung der Unternehmen, insbesondere in Bezug auf den Umweltschutz, usw. Dieser Prozess muss stark vorangetrieben werden, insbesondere mit Hilfe der Führung des Verwaltungspersonals und der Unterstützung der KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen bei der allmählichen Anpassung an die Gemeinschaftsregeln mit der Unterstützung der Europäischen Kommission. Die laufenden Arbeiten im Bereich Besitzstand und dessen Umsetzung im Rahmen des PHARE-Business-Support-Programme sollten fortgeführt werden. Darüber hinaus haben die Beitrittsländer zwar ihre Rechtsvorschriften über die KMU (insbesondere im Bereich Konkurs) erheblich verbessert, doch sind die Fortschritte in Bezug auf die Rechtsvorschriften zur Förderung der sozialwirtschaftlichen Unternehmen noch sehr gering. Die jüngsten Änderungen der Genossenschaftsgesetze in einigen Beitrittsländern stellen sogar Rückschritte dar. Daher müssten die Rechtvorschriften in Bezug auf die Genossenschaften und die anderen Arten sozialwirtschaftlicher Unternehmen in mehreren Bewerberländern reformiert und stärker mit dem Statut der Europäischen Genossenschaft (und den künftigen Statuten des Europäischen Vereins und der Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaft) in Übereinstimmung gebracht werden. Es sollten ein Informationsaustausch und vergleichende Studien über die spezifischen Rechtsvorschriften für KMU und sozialwirtschaftliche Unternehmen in Angriff genommen werden. Andererseits müssen in einigen Beitrittsländern die Kosten für die Gründung sozialwirtschaftlicher Unternehmen gesenkt werden, wenn man bedenkt, dass sie keine Fremdinvestitionen in Anspruch nehmen können und im Allgemeinen in der lokalen Struktur verankert bleiben.

    3.2.2.2

    Damit die Bedingungen für den Zugang zum Binnenmarkt wirklich gerecht sind, müssen die Vorschriften, die in mehreren Beitrittsländern den Zugang der sozialwirtschaftlichen Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen einschränken, schnellstmöglich geändert werden. Außerdem müssen bei den öffentlichen Aufträgen und in Steuerfragen auch die Produktivitätskosten bestimmter KMU, insbesondere der sozialwirtschaftlichen Unternehmen (40), berücksichtigt werden, um Schritte wie die Beschäftigung benachteiligter Personen oder die Einhaltung der Sozial- und Umweltvorschriften über das legale Minimum hinaus zu unternehmen (41).

    3.2.3   Aktive Förderung des Unternehmertums durch Information und Bildung

    3.2.3.1

    Während in den Beitrittsländern zahlreiche Fortschritte in Bezug auf die Erleichterung der Verfahren zur Gründung von KMU, insbesondere mit der Schaffung von Informations- und Förderzentren auf lokaler Ebene, erreicht zu sein scheinen, bleibt noch viel zu tun, damit die staatlichen Stellen sich aktiv darum bemühen, dieselben Anstrengungen in Bezug auf Informationen über die sozialwirtschaftlichen Unternehmen zu unternehmen. Darüber hinaus sollten diese Informationszentren die herkömmlichen Gewerbe sowie die aussichtsreichen Sektoren wie Dienstleistungen für Unternehmen, Dienstleistungen im Nahbereich, Gesundheitsdienstleistungen sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit den IKT und dem Tourismus stärker fördern

    3.2.3.2

    Der EWSA begrüßt, dass die Charta für Kleinunternehmen Folgendes vorschlägt: „Spezielle unternehmensrelevante Module sollten zu einem wichtigen Bestandteil der Lehrpläne der Sekundarstufe sowie von Hochschulen und Universitäten werden.“ Ebenso schlägt sie „geeignete Ausbildungsprogramme für Manager von Kleinunternehmen“ vor. Dieses Ziel scheint jedoch in den meisten Beitrittsländern bei weitem nicht erreicht zu sein. Überdies sollten diese Lehrpläne auch einen Teil über die sozialwirtschaftlichen Unternehmen enthalten, was nicht immer der Fall ist. Das in den EU-Mitgliedstaaten überprüfte Potenzial der sozialwirtschaftlichen Unternehmen zur Ausbildung im Unternehmertum sollte aufgewertet werden, und zwar u.a. dadurch, dass die zwischenbetriebliche Ausbildung gefördert wird und den Leitern der sozialwirtschaftlichen Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Erfahrungen in Ausbildungszentren für Unternehmensmanagement für die Leiter von KMU auszutauschen.

    3.2.4   Förderung der Zentren zur Unterstützung von Start-up-Unternehmen und der Unternehmensübertragungen

    3.2.4.1

    Ebenso wie die Start-up-Unternehmen, insbesondere in den aussichtsreichsten Sektoren, weiter energisch gefördert werden müssten, sollte auch die ausschlaggebende Bedeutung der erfolgreichen Übertragung von Unternehmen ohne Erben oder von Krisenunternehmen im sich vollziehenden industriellen Wandel nicht vernachlässigt werden. Erfolgreiche Übertragungen können nicht nur die Unternehmenstätigkeit, sondern auch die damit verbundenen Arbeitsplätze und damit einen wesentlichen Teil des lokalen sozioökonomischen Gefüges retten (42). Außerdem wurde festgestellt, dass die Überlebenschancen von Übertragungen, insbesondere über die sozialwirtschaftlichen Unternehmen, im Durchschnitt höher sind als die von Start-up-Unternehmen. Übertragungen von Unternehmen an ihre Arbeitnehmer haben in den EU-Ländern besonders hohe Erfolgsquoten gezeigt, wenn die Begleitung ausreichend war. Diese Erfahrung kann auf zweckdienliche Weise für alle Arten von KMU-Übertragungen genutzt werden.

    3.2.4.2

    Für die gesamte Entwicklung des Lebens eines Unternehmens einschließlich seiner Schaffung und Übertragung benötigen die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen eine regelrechte Politik der Unterstützung sowie Hilfs-, Beratungs- und Begleitdienstleistungen in Bezug auf Unternehmensstrategie, Design, technologisches Know-how, Forschung und Entwicklung, Qualitätszertifizierung usw., wie es auch mehrere erfolgreiche Versuche von Industriegebieten in der EU zeigen. Der Schwerpunkt sollte unter anderem auf die Zusammenarbeit zwischen diesen Unterstützungszentren und den Universitäten sowie auf die unternehmerische Förderung von Frauen und Jugendlichen gelegt werden. Es gilt ebenfalls, die Unterstützung für die Kommerzialisierung und den Export von Erzeugnissen der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen zu fördern, insbesondere durch die Anerkennung typischer Erzeugnisse, und die Handels- und Gewerbekammern und die Berufsverbände in die Förderung dieser Erzeugnisse mit einzubeziehen.

    3.2.5   Verbesserung der Finanzierungsbedingungen und des Zugangs zu Finanzmitteln

    3.2.5.1

    Die Frage des Kapitals für die Gründung von KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen sowie für Unternehmensübertragungen ist von grundlegender Bedeutung. Die Verbesserung des Finanzrahmens zur Förderung der Gründung und Entwicklung derartiger Unternehmen sowie des Zugangs von Kleinunternehmen zu den Strukturfonds und die Förderung der Initiativen der Europäischen Investitionsbank, wie es die Charta für Kleinunternehmen vorschlägt, sind eine ebenso wichtige Voraussetzung wie die Unterstützungsdienste. Der Ausschuss schlägt die Einrichtung eines Finanzierungsmechanismus in Zusammenarbeit mit der EIB, dem Europäischen Investitionsfonds und den Banken für Sozialwirtschaft vor, der verschiedene Interventionsinstrumente über den gesamten Entwicklungszyklus von KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den Beitrittsländern umfasst, sowie die Finanzierung mit Mitteln aus den Strukturfonds (43). Darüber hinaus sollten auch die Finanzierungssysteme öffentlicher Unterstützung zur Gründung und Entwicklung von KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen sowie Systeme mit Hebelwirkung über den Solidaritätsfonds gefördert werden, die bereits erfolgreich in einigen europäischen Ländern eingeführt wurden (44).

    3.2.5.2

    Ferner sei auf die Rolle der auf ethischen und solidarischen Grundsätzen basierenden Finanzierungsnetze hingewiesen, die diese bei der Bereitstellung von Finanzierungsinstrumenten für KMU und sozialwirtschaftliche Unternehmen in den Beitrittsländern spielen können. So hat das italienische Parlament im Oktober 2003 einstimmig eine Entschließung hierzu verabschiedet, in der insbesondere betont wird, dass unterschiedlichste alternative Finanzierungsorganisationen bereits an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, das als Musterbeispiel für die sich abzeichnenden neuen Gegebenheiten dienen soll (45).

    3.2.5.3

    Gefördert werden sollten auch Kreditgarantiegemeinschaften zwischen KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen, um untereinander für Bankdarlehen bürgen zu können, ein System, das sich in Form von Genossenschaften und Vereinen (auch auf Gegenseitigkeit) (46) bereits in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten bewährt hat.

    3.2.5.4

    Der Ausschuss unterstreicht, dass auch eine solidarische Finanzierung der Krankheits-, Invaliditäts- und Rentenkosten durch spezielle sozialwirtschaftliche Unternehmen wie Vereine auf Gegenseitigkeit gefördert werden muss, die in einigen EU-Mitgliedstaaten bereits bestehen.

    3.2.6   Förderung der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen im Rahmen der lokalen und regionalen Entwicklung

    KMU und sozialwirtschaftliche Unternehmen sind Teil des lokalen Gefüges. Daher haben sie im Rahmen der lokalen Entwicklung eine bedeutende Rolle zu spielen, und die lokalen Behörden sollten hierzu zusammen mit ihnen aktive Partnerschaften bilden (47). Partnerschaften zwischen lokalen Behörden und sozialwirtschaftlichen Akteuren in den EU-Ländern sollten in den Beitrittsländern aktiv gefördert werden (48).

    3.2.7   Unterstützung der Entwicklung von zwischenbetrieblichen Systemen

    In der Charta der Kleinunternehmen wird die Bedeutung der Schaffung von zwischenbetrieblichen Gruppen und Netzen unterstrichen. Die in den EU-Ländern insbesondere von Gruppen und Konsortien von Genossenschaften und Vereinen auf Gegenseitigkeit vor allem in bestimmten Gebieten oder Sektoren gesammelten Erfahrungen zeigen, dass die Entwicklung von zwischenbetrieblichen Systemen von grundlegender Bedeutung für KMU und sozialwirtschaftliche Unternehmen sein kann, um langfristige Unternehmensstrategien festzulegen, die unternehmerischen Maßstäbe im selben Sektor oder derselben Region zu erhöhen, ihre technologische Kapazität zu entwickeln und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, wobei sie jedoch in ihrer Entscheidungsfähigkeit eigenständig bleiben. Darüber hinaus machen die Erweiterung und Vertiefung des Binnenmarktes den Einsatz eines gesamteuropäischen Instruments erforderlich: die Europäische Genossenschaft unter Beteiligung von KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den derzeitigen und künftigen EU-Mitgliedstaaten. Außerdem gilt es, die Schaffung dieser verschiedenen zwischenbetrieblichen Systeme auch in den Beitrittsländern aktiv zu fördern.

    3.2.8   Stärkung der institutionellen Vertretung von KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen

    Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Interessenvertretung der Klein- und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen durch ihre repräsentativen Organisationen, deren Verhandlungsbefugnisse bei öffentlichen Behörden und strategischen Maßnahmen zur Förderung von Unterstützungsdiensten für Unternehmen sowie die Zusammenarbeit zwischen diesen Organisationen auf allen Ebenen in den Beitrittsländern entwickelt, verstärkt und effizienter gestaltet werden müssen. Die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen dieser Länder müssen ihrer eigenen Stimme als bedeutender Akteur des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges Gehör verschaffen. Daher kommt es darauf an, die großen Anstrengungen fortzusetzen, die vom PHARE-Business-Support-Programme eingeleitet wurden, um zur Stärkung der repräsentativen Organisationen der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den mittel- und osteuropäischen Beitritts- und Bewerberländern (49) beizutragen.

    3.2.9   Entwicklung des sozialen Dialogs

    Die KMU und sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den Beitrittsländern müssen auch in ihrer Funktion als Arbeitgeber betrachtet werden, auch wenn in diesen Unternehmen Arbeitnehmer mit tarifvertraglich geregelten Arbeitsverhältnissen neben Selbstständigen und unternehmensbeteiligten Arbeitnehmern tätig sind. Als Arbeitgeber sind diese Unternehmen zur Einhaltung der europäischen und internationalen Arbeitsnormen verpflichtet. Ihre repräsentativen Organisationen müssen sich außerdem als unabhängige Akteure in den sozialen Dialog mit den Gewerkschaften und sonstigen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren auf allen Ebenen nicht nur zu arbeitsvertraglichen Fragen, sondern auch zur Gesamtheit der sozialpolitischen Maßnahmen einbringen. Im Rahmen des hier vorgeschlagenen Programms gilt es, aktiv Tätigkeiten in diesem Sinne zu fördern.

    3.2.10   Vertiefung der Programme zum Austausch bewährter Praktiken zwischen KMU der derzeitigen EU-Länder und der Beitrittsländer

    Die Initiativen der Europäischen Kommission (50) zeigen, wie wichtig es ist, die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen der Beitrittsländer systematisch von den Erfahrungen ähnlicher Unternehmen in den EU-Ländern in den in Ziffer 3.2.1 bis 3.2.9 erörterten Bereichen profitieren zu lassen. So sollten insbesondere die Bemühungen der Europäischen Kommission zur Einrichtung von Netzwerken für den Austausch bewährter Praktiken zur Sicherstellung qualitativ hochwertiger Unterstützungsdienste für KMU gefördert werden. Ein derartiger Erfahrungsaustausch bietet den Unternehmensakteuren der Beitrittsländer die Möglichkeit, ihre Entwicklungsstrategie wesentlich zu verbessern, indem sie zu strategischen Überlegungen zu verschiedenen vorgeschlagenen Exzellenzmodellen angeregt werden, und mehr und mehr als verantwortliche Akteure aufzutreten, denen die staatlichen Stellen in ihren Politiken Rechnung tragen müssen.

    4.   Schlussfolgerungen

    4.1

    Der Ausschuss räumt ein, dass sich Erfolg und Effizienz der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen nicht von selbst einstellen und nicht allein von ihnen abhängen. Die Aussichten für die Entwicklung dieser Unternehmen und für die Ausübung ihrer Rolle in den Übergangswirtschaften wie auch die wirtschaftliche Diversifizierung der Beitrittsländer müssen durch einen günstigen Rahmen unterstützt werden, der ihren besonderen Merkmalen Rechnung trägt. Ein solcher günstiger Rahmen sollte durch ein spezifisches Programm für diese Länder gefördert werden, das aus den vorgenannten zehn Elementen besteht. Der EWSA fordert die Kommission auf, ein derartiges Programm für die KMU und die sozialwirtschaftlichen Unternehmen der Beitrittsländer zu fördern.

    4.2

    Der EWSA beabsichtigt, im Sinne seiner Stellungnahmen und Erklärungen der letzten Jahre bei der Einführung neuer Unterstützungsmaßnahmen sowie deren Folgemaßnahmen mitzuwirken. Insbesondere wird der EWSA im Zusammenhang mit seinen Arbeiten in Bezug auf den Binnenmarkt die Entwicklung der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen in der EU genau mitverfolgen, wobei er ein besonderes Augenmerk auf die neuen Mitgliedstaaten richten wird.

    4.3

    Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Industriepolitik in einem erweiterten Europa dem Bedarf und den Herausforderungen der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen in den Beitrittsländern viel effizienter Rechnung tragen muss. Er verweist auf ihren Bedarf in den Bereichen Managementbildung und -ausbildung, Innovation, Qualität, Design, Finanzierungs- und Kooperationsinstrumente wie Cluster, Strukturen zweiten und dritten Grades, Netzwerke u.a., die immer notwendiger werden, um sich den Herausforderungen der Erweiterung und der Internationalisierung zu stellen.

    4.4

    Abschließend verpflichtet sich der Ausschuss und ruft alle EU-Institutionen, einschließlich der Kommission, auf, einen vertieften Dialog mit allen Vertretungsinstitutionen und allen Leitern der KMU und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen der Beitrittsländer zu entwickeln, um sich — in dem Bewusstsein, dass es um die historische Entwicklung des Europas des 21. Jahrhunderts als Ganzem geht —, gemeinsam den sehr ernsten Herausforderungen zu stellen, denen sich diese Unternehmen im Verlauf des Beitrittsprozesses ihres Landes zur EU gegenübersehen.

    Brüssel, den 1. April 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Schon auf der vom 14. bis 17. November 2000 beim EWSA veranstalteten Konferenz über die Erweiterung zum Thema „Auf dem Wege zu einer Partnerschaft für Wirtschaftswachstum und soziale Rechte“ hatten die Mitglieder der Gemischten Beratenden Ausschüsse (GBA) mit den Bewerberländern die wichtigsten Probleme der Bewerberländer sowie die Notwendigkeit eines Dialogs über bestimmte wesentliche Themen angesprochen, insbesondere den Beitrag der KMU in den verschiedenen Wirtschaften und das Fehlen eines sozialen Dialogs; siehe Stellungnahme des EWSA 1635/2003.

    (2)  Empfehlung 2003/361/EG, die die Empfehlung 96/280/EG (ABl. L 124 vom 20. Mai 2003, S. 36) ersetzt und ab 1. Januar 2005 zur Anwendung kommt. Sowohl in der derzeit geltenden als auch in der neuen Empfehlung sind diese Definitionen gleich. Nur die Umsätze oder die Bilanzsumme ändern sich.

    (3)  B. Roelants (Koord): Vorbereitendes Dossier für die Erste Konferenz für Sozialwirtschaft in den Ländern Mittel- und Osteuropas, 2002, S. 34. Gemeinsame Nenner, erarbeitet auf der Grundlage von Definitionen der Europäischen Kommission, des Ausschusses der Regionen, der CEP-CMAF (Conférence européenne des Coopératives, Mutualités, Associations et Fondations) und der FONDA (steht mit Organisationen in Verbindung, die dem Konzept der Sozialwirtschaft zugrunde liegen).

    (4)  Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes — Lissabon, 23./24. März 2000, Ziffer 14.

    (5)  Europäische Charta für Kleinunternehmen, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2002. Wie die Kommission erklärt, wurde die Charta am 23. April 2002 in Maribor anerkannt

    (s. http://europa.eu.int/comm/enterprise/enterprise_policy/sme-package/index.htm).

    (6)  Der Ausschuss wie auch das Parlament fordern weiterhin nachdrücklich, der Charta Rechtswirkung zu verleihen und sie ausdrücklich in das Industriekapitel des Europäischen Konvents aufzunehmen.

    (7)  „Eine Strategie für Vollbeschäftigung und bessere Arbeitsplätze für alle“ (KOM(2003) 006 endg.).

    (8)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Sozialwirtschaft und Binnenmarkt“, CES 242/2000 vom 3. März 2000.

    (9)  In einer neueren Studie präzisiert die OECD, dass die „Sozialwirtschaft“ ein umfassenderer Begriff als der Non-Profit-Sektor ist, da er weniger strikt an die Non Distribution Constraints gebunden ist, denen zufolge Organisationen ihren Überschuss gesetzlich nicht an ihre Eigentümer umverteilen dürfen (OECD 2003, „The non-profit sector in a changing economy“, Paris, S. 299).

    (10)  McIntyre et al.: Small and medium enterprises in transitional economies, Houndmills: Macmillan, S. 10.

    (11)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Industriepolitik in einem erweiterten Europa, (KOM(2002) 714 endg).

    (12)  CIRIEC 2000: „The enterprises and organisations of the third system: strategic challenge for employment“, Universität Lüttich.

    (13)  Berechnung auf der Grundlage der 1997 vom Internationalen Genossenschaftsbund durchgeführten und von der Europäischen Kommission finanzierten Studie.

    (14)  Siehe Charta der CEP-CMAF (Conférence européenne des Coopératives, Mutualités, Associations et Fondations) 14 Absatz 2.1.1.

    (15)  Punkt 2.1.1

    (16)  Ebenda.

    (17)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Strategie für den industriellen Wandel — Abschlussbericht der Gruppe hochrangiger Sachverständiger für die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen industrieller Wandlungsprozesse“, CES 698/99.

    (18)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 7. Juli 1999, ABl. C 258 vom 10.9.1999, 3.7.2. und 3.7.3.

    (19)  Mit Ausnahme Polens und Ungarns. Siehe Europäische Kommission: Auswirkungen der Erweiterung auf die Industrie, SEK 2003/234, 24.2.2003, S. 7.

    (20)  Insbesondere die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie sowie die Holz-, Textil- und Grundmetallindustrie.

    (21)  Europäische Kommission: Auswirkungen der Erweiterung auf die Industrie, SEK 2003/234, 24.2.2003, S. 8.

    (22)  Insbesondere im Falle der Tschechischen Republik, Sloweniens, Ungarns und in geringerem Maße von Polen.

    (23)  Ebenda.

    (24)  Europäische Kommission: Auswirkungen der Erweiterung auf die Industrie, SEK 2003/234, 24.2.2003, S. 1 und 4-5.

    (25)  Insbesondere in Bulgarien, Ungarn und Polen.

    (26)  Vidovic, H., „The service sectors in Central and Eastern Europe“, Forschungsbericht, September 2002 N. 289, Seite 16.

    (27)  Wie Polen und die Tschechische Republik.

    (28)  Nettoverluste wurden festgestellt, insbesondere in Litauen und der Slowakei.

    (29)  Tang et al., 2002, S. 44: „Winners and losers of EU integration“, Washington: Weltbank, S. 8. Einer der wichtigsten Unterscheidungsfaktoren ist das Alter. Weitere gefährdete Gruppen umfassen Behinderte und Minderheiten wie die Roma.

    (30)  Laut UNICE, Economic Survey of Europe, 1999-1, Tabelle 41, „Gender differences in employment in 1997“, neigen Frauen mehr als Männer dazu, aus dem Arbeitsmarkt endgültig auszuscheiden. Wenn sie wieder in den Arbeitsmarkt eintreten, ist die Gefahr der Arbeitslosigkeit in einigen Beitrittsländern größer als bei Männern.

    (31)  Laut AIM (Association Internationale de la Mutualité). Zu den Hauptproblemen zählen der rasche Anstieg der Ausgaben, lange Wartelisten, ein Mangel an Daten zur Evaluierung und Organisierung der Dienste und Zahlungen „unter dem Tisch“ an die Erbringer von Pflegedienstleistungen usw.

    (32)  Kumar et al., 2002: „Transitional impacts and the EU enlargement complexity“, Ljubljana: Universitär Ljubljana, S. 25-36 Tang et al., 2002, S. 44.

    (33)  Tang et al., 2002, S. 44.

    (34)  Insbesondere die italienischen Sozialgenossenschaften. Siehe auch Bericht über das BEST-Verfahren (SEK 2001/1704 — 29.10.2001). Die in dem BEST-Bericht beschriebenen Maßnahmen stellen nach wie vor eine wichtige Quelle von Erkenntnissen zur Verbesserung der unternehmerischen Umfelds in den Beitrittsländern dar.

    (35)  Maribor 2003.

    Europäische Kommission: Grünbuch — Unternehmergeist in Europa, KOM(2003) 27 endg., Ziffer C ii.

    (36)  McIntyre, R.: The complexe ecology of small enterprises, Kapitel 3, in: McIntyre and Dallago (Hrsg.), 2003, Small and Medium Enterprises in Transitional Economies, Palgrave, Macmillan, in Verbindung mit der Universität der Vereinten Nationen und dem World Institute for Development Economics Research, S. 49-50.

    (37)  Die Schlussfolgerungen der Ersten Konferenz für Sozialwirtschaft in den Ländern Mittel- und Osteuropas gehen in dieselbe Richtung, siehe http://www.cecop.org/praha

    (38)  Glinkina, S.: „Small businesses, survival strategies and the shadow economy“, Kapitel 4, in: McIntyre and Dallago (Hrsg.), 2003, Small and Medium Enterprises in Transitional Economies, Palgrave, Macmillan, in Verbindung mit der Universität der Vereinten Nationen und dem World Institute for Development Economics Research.

    (39)  Europäische Kommission, Konsultationspapier „Genossenschaften im ‚Unternehmen Europa‘“, 7.12.2001, S. 34.

    (40)  Es gilt, auch die Empfehlung 193/2002 der Internationalen Arbeitsorganisation zu berücksichtigen, die nahezu einstimmig (bei zwei Stimmenthaltungen) verabschiedet wurde, unter anderem von den Regierungen der 15 EU-Mitgliedstaaten und der 10 Beitrittsländer, und hier insbesondere Artikel 7 über Steuerpolitiken und öffentliche Aufträge sowie Artikel 4 und 6 über die Zugehörigkeit von Genossenschaften zu einem weiter gefassten Sektor, der auch die Vereine auf Gegenseitigkeit und die gemeinnützigen Vereine umfasst.

    (41)  Ansatz, der sich in das Konzept der sozialen Verantwortung der Unternehmen einfügt. Mithilfe der Entwicklung von Evaluierungsansätzen (Reporting) wäre es möglich, diese für die nachhaltige Entwicklung günstigen Fortschrittsprozesse zu berücksichtigen.

    (42)  Außerdem wurde festgestellt, dass die Überlebenschancen von Übertragungen im Durchschnitt höher sind als die von Start-up-Unternehmen. Siehe Europäische Kommission: „Helping the transfer of businesses“, GD Unternehmen, 2003.

    (43)  Verschiedene europäische Finanzinstitute (Crédit Coopératif, Crédit Mutuel, ESFIN in Frankreich, Coopfond (Legacoop) in Italien und SOFICATRA in Belgien) arbeiten in Verbindung mit der Europäischen Kommission bereits an der Schaffung eines Projekts „Coop-Ost“, das verschiedene Finanzinstrumente umfasst, die den Bedürfnissen der sozialwirtschaftlichen Unternehmen in Bezug auf Finanzierungsstrukturen nachkommen.

    (44)  Für die öffentlichen Mechanismen, insbesondere in Italien und Spanien, mit einmaliger Zahlung von Arbeitslosengeld. Für die Hebelmechanismen haben die Systeme der sozialwirtschaftlichen Unternehmen in vielen beispielhaften Fällen in der EU Solidaritäts- und Risikokapitalfonds zur Finanzierung ihrer Entwicklung ins Leben gerufen. Diese Fonds haben im Allgemeinen eine Hebelwirkung auf andere Finanzierungsarten wie Darlehen von Handelsbanken und haben ihre Fähigkeit zur Schaffung von Unternehmen und Arbeitsplätzen bewiesen. Solche Fonds gibt es bereits in einigen Zusammenschlüssen von Genossenschaften in den Beitrittsländern; es gilt jedoch, derartige Anstrengungen im Rahmen der Strukturfonds kräftig zu unterstützen.

    (45)  Durch Einrichtung einer Europäischen Föderation Ethischer und Alternativer Banken (Febea) und einer Europäischen Gesellschaft für Ethische und Alternative Finanzierung (Sefea).

    (46)  Siehe André Douette (2003): La garantie des prêts aux petites et moyennes entreprises — Les systèmes de garantie membres de l'Association européenne du Cautionnement Mutuel, Association européenne du Cautionnement Mutuel.

    (47)  Wie die Partnerschaften im Rahmen des Europäischen Netzwerks der Städte und Regionen für die Sozialwirtschaft (REVES), die in drei unterschiedliche Modalitäten untergliedert werden können:

    die Schaffung von gemischten öffentlich-privaten Strukturen, beispielsweise das Job Centre der Gemeinde Gènes, die Agentur „Gagner“ in Roubaix, und das Day Care Centre SAKA BYAGARD/SOKOYAN KYATALO in Kokkola, Finnland;

    die öffentliche Unterstützung für die Schaffung von Organismen für Kollektivinteressen, beispielsweise das Dienstleistungszentrum für Einwanderer der Stadt Gènes, das integrierte Netz für lokale Entwicklung ARKESIS in Reggio Calabria;

    die Dienstleistungspartnerschaft, bei der der öffentliche Sektor einen Bezugsrahmen für die Verwaltung und Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse durch die sozialwirtschaftlichen Unternehmen liefert, beispielsweise die Pfefferwerk GmbH im Zentrum Berlins oder Genossenschaften, die unmittelbar die Beschäftigungszentren der Provinzen Forli, Cesena und Ravenna in Italien verwalten.

    Weitere wichtige Beispiele für Mehrfachpartnerschaften auf lokaler Ebene, an denen sozialwirtschaftliche Unternehmen in der EU beteiligt sind, umfassen das System der sozialen Genossenschaften in Italien, die im Konsortium Gino Matarelli für die soziale Zusammenarbeit (CGM) zusammengeschlossen sind, den Sektor der häuslichen Hilfe und den neuen Status der Société coopérative d'intérêt général (SCIC) in Frankreich, das Netzwerk der Solidarité des Alternatives Wallonnes, die Genossenschaft schwedischer Frauen usw. umfasst.

    (48)  Ebenda. Siehe auch Ausschuss der Regionen: „Entwurf einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — Partnerschaften zwischen kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften und Organisationen der Sozialwirtschaft: Beitrag zu Beschäftigung, lokaler Entwicklung und sozialem Zusammenhalt“, CdR 384/2001.

    (49)  Dieser Punkt wird in Ziffer 10 der Europäischen Charta für Kleinunternehmen besonders ausgeführt.

    (50)  Insbesondere das PHARE-Unternehmensförderungsprogramm mit BSP1 und BSP2 der UAPME für KMU und die Programme SCOPE 1 und 2 des CECOP für sozialwirtschaftliche Unternehmen, erwähnt im Konsultationspapier der Europäischen Kommission „Genossenschaften im ‚Unternehmen Europ‘“, 7.12.2001, S. 27, Fußnote 27.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/113


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten“

    (KOM(2003) 841 endg. — 2003/0331 (CNS))

    (2004/C 112/28)

    Die Europäische Kommission beschloss am 2. Februar 2004 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss, die Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt mit der Vorbereitung der Arbeiten zu beauftragen.

    Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 407. Plenartagung am 1. April 2004 Herrn BURANI zum Hauptberichterstatter und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Auf seiner Tagung am 3. Juni 2003 nahm der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ die Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten an, die zu dem so genannten „Steuerpaket“ gehört. Bereits bei der Annahme hielt der Rat in einer Erklärung zum Protokoll fest, dass „Unternehmen, die in Bezug auf Einkünfte, die unter die Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren fallen, steuerbefreit sind, nicht in den Genuss der Rechtsvorteile dieser Richtlinie gelangen sollten“, und erteilte der Kommission das Mandat, geeignete Vorsichtmaßregeln zu treffen.

    1.2

    Die Kommission sah ihrerseits in der Richtlinie bereits vor, dass „gewährleistet sein (muss), dass Einkünfte in Form von Zinsen und Lizenzgebühren einmal in einem Mitgliedstaat besteuert werden“. Durch die Änderungen, die durch den jetzigen Vorschlag an der Richtlinie vorgenommen werden, sollen Schlupflöcher in den Rechtsvorschriften verhindert werden, die eine Umgehung der Steuern auf die zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten gezahlten Zinsen und Lizenzgebühren ermöglichen.

    1.3

    Um den derzeitigen Vorschlag richtig einzuordnen, sei daran erinnert, dass die Kommission bereits zwei Vorschläge mit dem Ziel vorgelegt hat, mögliche Lösungen für die Beschränkungen der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt durch die direkten Steuern aufzuzeigen:

    den ersten zur Änderung der Richtlinie 90/435/EWG über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (1);

    den zweiten zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (2).

    1.4

    In der Einleitung zu dem Richtlinienvorschlag wird (obwohl dies selbstverständlich erscheint) ausdrücklich erwähnt, dass die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea — SE), deren Statut am 8. Oktober 2004 in Kraft treten wird, auch in der Liste der Rechtsformen aufgeführt ist, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie gelten werden.

    1.5

    Auch die europäischen Genossenschaften, für die ab 2006 die neue Rechtsform der Europäischen Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea — SCE) gelten wird, werden unter die Bestimmungen der hier erörterten Richtlinie fallen: die SCE wird genauso behandelt werden wie Genossenschaften in ihrem Sitzmitgliedstaat.

    2.   Bemerkungen

    2.1

    Artikel 1 Nummer 1 dient der Änderung von Artikel 1 Absatz 1 der Basisrichtlinie dahingehend, dass eine Bedingung aufgenommen wird, die zuvor nicht bestand: Zinsen und Lizenzen, die an ein verbundenes Unternehmen gezahlt werden, sind von der Steuer befreit, sofern sie einer Besteuerung desjenigen Mitgliedstaats unterliegen, in dem der Nutzungsberechtigte seinen Sitz hat. Der EWSA ist mit diesem Vorschlag zwar durchaus einverstanden, hat jedoch Bedenken, dass die Überwachung der Einhaltung dieser Bedingung aufwändige Kontrollen für die Steuerbehörden des Quellenstaats bedeuten könnte, die überprüfen müssten, ob der Nutzungsberechtigte tatsächlich der Besteuerung unterliegt und seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.

    2.2

    Gemäß Artikel 1 Nummer 2 wird der Anhang zu der Basisrichtlinie, in dem summarisch die verschiedenen Rechtsformen in der Sprache sämtlicher Mitgliedstaaten aufgeführt waren, durch eine weitaus detailliertere Liste ersetzt, die auch die Europäische Gesellschaft (SE) und die Europäische Genossenschaft (SCE) umfasst. Diese Liste hat den Vorzug, dass sie erheblich klarer ist und auch eventuelle Auslegungszweifel im Zusammenhang mit einigen Ländern ausräumen dürfte: die Neuerungen gehen jedoch nicht über die oben angeführten und im Übrigen notwendigen Änderungen hinaus.

    2.3

    Artikel 2 enthält die Umsetzungsbestimmungen: die Mitgliedstaaten müssen der Richtlinie bis spätestens 31. Dezember 2004 nachkommen, indem sie alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen; außerdem müssen sie der Kommission den Wortlaut dieser Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie eine Entsprechungstabelle zwischen den Vorschriften und dieser Richtlinie übermitteln. Der EWSA merkt hierzu an, dass in Anbetracht der Zeit, die die Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften in nationales Recht besonders in einigen Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen wird, die festgesetzte Frist eher zu knapp erscheint. Da die Richtlinie in allen Mitgliedstaaten gleichzeitig in Kraft treten muss, sollte die Frist möglicherweise um mindestens sechs Monate verlängert werden.

    3.   Schlussfolgerungen

    3.1

    Der EWSA billigt uneingeschränkt die Ziele des Richtlinienvorschlags, der sich in das Gesamtkonzept einer schrittweisen Feinabstimmung der Steuervorschriften einfügt, durch die sowohl Steuerumgehung als auch Doppelbesteuerung verhindert werden soll und die indirekt zu einer künftigen Harmonisierung der Steuersysteme und zum Abbau der heutzutage nur allzu offensichtlichen Wettbewerbsverzerrungen beitragen dürfte.

    Brüssel, den 1. April 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  EWSA-Stellungnahme ABl. C 32 vom 5.2.2004, S. 118.

    (2)  Stellungnahme CESE 312/2004 vom 25. Februar 2004.


    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 112/114


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen im Bienenzuchtsektor“

    (KOM(2004) 30 endg. — 2004/0003 (CNS))

    (2004/C 112/29)

    Der Rat beschloss am 30. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

    Am 24. Februar 2004 beauftragte das Präsidium des Ausschusses die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz mit der Vorbereitung der Arbeiten zu diesem Thema.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 407. Plenartagung am 31. März/1. April 2004 (Sitzung vom 1. April) Herrn CABALL I SUBIRANA zum Hauptberichterstatter und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme.

    1.   Einleitung

    1.1

    Nach der Mitteilung von 1994 über die Lage der Bienenzucht in Europa (1) schlug die Europäische Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1221/97 (2) mit allgemeinen Durchführungsbestimmungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Honig vor, die im Juni 1997 vom Rat angenommen wurde.

    1.2

    Im November 1997 hat die Kommission mit der Verordnung (EG) Nr. 2300/97 (3) dazu die Durchführungsbestimmungen erlassen, und im Juni 2001 hat sie erstmals den gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 1221/97 alle drei Jahre vorgesehenen Bericht über die Anwendung der Verordnung in den Mitgliedstaaten vorgelegt, in dem sie zu dem Schluss gelangte, dass ein zufrieden stellendes Niveau erreicht worden sei, weswegen sie die unveränderte Fortführung der Verordnung empfahl.

    1.3

    Im Januar 2004 hat die Kommission einen zweiten Bewertungsbericht über die einzelstaatlichen Durchführungsmaßnahmen vorgelegt, in dem sie den Erlass einer neuen Verordnung vorschlägt, um die für den Bienenzuchtsektor vorgesehenen Ziele an die aktuelle Lage in der Gemeinschaft anzupassen.

    2.   Wesentlicher Inhalt des Vorschlags

    2.1

    Die Europäische Kommission schlägt vor, nationale Programme für einen Dreijahreszeitraum mit folgenden Schwerpunkten aufzulegen:

    a)

    technische Hilfe für Imker und Imkervereinigungen

    b)

    Bekämpfung der Varroatose

    c)

    Rationalisierung der Wanderimkerei

    d)

    Unterstützung der Wiederauffüllung des gemeinschaftlichen Bienenbestands

    e)

    Zusammenarbeit mit Organisationen, die auf die Durchführung von Programmen der angewandten Forschung auf dem Gebiet der Imkerei und der Imkereierzeugnisse spezialisiert sind.

    2.2

    Mit der neuen Verordnung werden Maßnahmen, die im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 (4) finanziert werden, von den Imkereiprogrammen ausgeschlossen.

    2.3

    Die Mitgliedstaaten sollen eine Untersuchung über die Struktur des Bienenzuchtsektors in ihrem Gebiet durchführen, die sich sowohl auf die Erzeugung als auch die Vermarktung bezieht, und sie der Kommission zusammen mit dem Imkereiprogramm übermitteln.

    2.4

    Die Beteiligung der Gemeinschaft an der Finanzierung der Imkereiprogramme beläuft sich auf bis zu 50 % der Ausgaben der Mitgliedstaaten, die diese bis spätestens 15. Oktober des jeweiligen Jahres getätigt haben müssen. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat alle drei Jahre einen Bericht über die Durchführung der Verordnung vor.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Die Bienenhaltung ist eine landwirtschaftliche Tätigkeit mit besonderen Merkmalen, die sie von anderen tierischen Erzeugungen unterscheiden und deren Hauptfunktionen die ländliche Entwicklung, der Beitrag zum ökologischen Gleichgewicht und die Erzeugung von Honig und anderen Imkereiprodukten als Wirtschaftstätigkeit sind. Zu betonen sind die große Bedeutung der Honigbienen als wichtige Bestäuber und ihr Beitrag zur Erhaltung einer artenreichen Natur. Nach Schätzungen der FAO beträgt der wirtschaftliche Wert der entomophilen Bestäubung durch Bienen das Zwanzigfache des Handelswerts aller Imkereierzeugnisse (5). In einigen Mitgliedstaaten wird die Imkerei in strukturschwachen Gegenden betrieben, in denen die ländliche Wirtschaft und Beschäftigung kaum anderweitig zu erhalten sind.

    3.2

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss weist darauf hin, dass die Verordnung (EG) Nr. 1221/97 das einzige gemeinschaftliche Unterstützungsinstrument für die Bienenzüchter in der Europäischen Union und ihre Fortführung daher unerlässlich ist. Sie stützt sich allerdings auf eine Mitfinanzierungsregelung, die bei weitem nicht mit den gegenwärtig in der GAP ins Auge gefassten Beihilfen vergleichbar und für die Bewältigung der strukturellen Schwierigkeiten der Imkereibetriebe in der EU und die Erhaltung ihrer Einkommen absolut unzureichend ist. Die europäische Imkereiwirtschaft bewegt sich in einem instabilen Markt, der sehr stark vom Weltmarktpreis für Honig abhängig ist, sie hat mit zunehmenden klimatischen Widrigkeiten aufgrund des Klimawandels zu kämpfen und musste in einigen Gegenden ein durch Umweltgifte verursachtes Massensterben von Bienen hinnehmen.

    3.3

    Nach Auffassung des EWSA stehen die komplizierte Verwaltung dieser Verordnung und die zu große Strenge bei der Erfüllung der Kriterien für Ausgaben und Investitionen neben dem zeitversetzten Abschluss des Wirtschaftsjahres von EAGFL (15. Oktober) und Mitgliedstaaten (31. Dezember) und dem jährlichen Fristabschluss für die nationale Programme der Ausführung der jedem Land zugeteilten Ausgaben ganz erheblich im Wege. Der EWSA fordert daher die Kommission und den Rat auf, die Kriterien für die Bestimmung der Ausgaben und Investitionen, die für eine Bezuschussung in Frage kommen, mit dem Ziel zu vereinheitlichen, dass die jedem Land zugewiesene Beihilferegelung allen europäischen Imkern ein möglichst ausgewogenes Beihilfenniveau garantiert.

    3.4

    Die Kommission führt aus, dass die Bekämpfung der Varroatose und assoziierter Krankheiten der Senkung der durch die Behandlung von Bienenstöcken entstehenden Kosten diene. Die Behandlung der Bienenstöcke mit zulässigen Mitteln (von denen keine Rückstände im Honig bleiben) sei daher, so ihre Empfehlung in dem Bericht, der einzige Weg, um die Auswirkungen der Krankheit zu verhindern. Der EWSA betont erneut die Notwendigkeit, Untersuchungen und die Erforschung neuer Substanzen durch die pharmazeutische Industrie zu unterstützen, die die Folgen der Varroatose als einer der wichtigsten Ursachen für das Auftreten assoziierter Krankheiten verringern, denn in fast allen Mitgliedstaaten sind 41 % der veranschlagten Mittel allein für die Varroatosebekämpfung vorgesehen.

    3.5

    Die Bekämpfung der Varroatose und assoziierter Krankheiten muss auch weiterhin eine der vorrangigen Aufgaben des Sektors sein. Dabei muss die Mitfinanzierung dieser Maßnahme durch die Verordnung gewährleistet sein und in den zuständigen Gemeinschaftsinstitutionen eine wirkungsvolle Veterinärpolitik zur Bekämpfung von Bienenkrankheiten auf den Weg gebracht werden.

    3.6

    Der Ausschuss hat sich in mehreren Stellungnahmen (6) zu der Notwendigkeit geäußert, dass Fragen des Inverkehrbringens von Honig im Binnenmarkt und andere Aspekte im Zusammenhang mit dem Weltmarkt im Verordnungsvorschlag berücksichtigt werden müssen. Die Kommission muss Qualitätskriterien für in der Europäischen Union erzeugten Honig aufstellen und den Verzehr europäischen Qualitätshonigs im Rahmen der innergemeinschaftlichen Absatzförderungspolitik sowie mit Hilfe von g.U., g.g.A. und g.t.S. fördern. Außerdem muss, wie die Kommission selbst einräumt, den für den Honigmarkt weit reichenden Folgen Rechnung getragen werden, die der Beitritt Chinas zur WTO und die Revision der gegenwärtigen Präferenzabkommen und gar der Abschluss neuer Abkommen haben werden, weil dies dauerhafte Instrumente der Politik zur Handelsliberalisierung auf dem Weltmarkt sind. Hier besteht die Gefahr eines unlauteren Wettbewerbs und eines für die europäischen Erzeuger fatalen Preis- und Einkommensrückgangs.

    3.7

    Der Ausschuss weist auf den anerkannten Nutzen von Honigqualitätskontrollen hin. Sie müssen daher sowohl im Hinblick auf Importhonige als auch für in der EU erzeugten Honig ausgeweitet werden (Analyse des botanischen Ursprungs und der Rückstände), denn Qualitätskontrollen sind einer der wenigen stabilisierenden Faktoren in diesem Markt. Unerlässlich werden sie gerade auch im Hinblick auf die neue Etikettierungsrichtlinie (7), denn das Etikett ist für den Verbraucher die einzige Möglichkeit, EU-Honig von Importhonigen zu unterscheiden. Nach Ansicht des EWSA sprechen diese Gründe dafür, die Honiganalysen betreffende Maßnahme entgegen der Absicht, die die Kommission in ihrem Vorschlag verfolgt, nicht zu streichen. Der Ausschuss schlägt daher vor, den Titel der Verordnung des Rates in der gegenwärtigen Form beizubehalten oder eventuell wie folgt zu formulieren: „... für Maßnahmen zur Verbesserung von Erzeugung und Vermarktung im Bienenzuchtsektor“.

    3.8

    Der EWSA hält eine engere Zusammenarbeit der zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten mit den repräsentativen Organisationen des Bienenhaltungssektors und Genossenschaften für wünschenswert. Dies würde die Verwaltung und Durchführung der Programme verbessern und die Transparenz ihrer Verwaltungsabläufe sicherstellen.

    3.9

    Angesichts der Bedeutung der Imkerei für die ländliche Entwicklung und die Wahrung des ökologischen Gleichgewichts dringt der Ausschuss auf mehr Unterstützung und Schutz für die Bienenzucht, denn die gegenwärtigen Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der Verordnung Nr. 1221/97 reichen nicht aus, um die Imkerei für die Betriebe lohnenswert zu machen und den Trend zur immer weiteren Verringerung der Zahl der Berufsimker in der EU aufzuhalten.

    3.10

    Die Unterstützungsmechanismen, die die Verordnung Nr. 1221/97 bietet, sind von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung und professionelle Ausrichtung dieses Sektors, der die Anforderungen an die Multifunktionalität der europäischen Landwirtschaft erfüllt. Trotz der Knappheit der Haushaltsmittel, auf die die Kommission selbst hinweist, hält der Ausschuss daher eine Aufstockung der vorgesehenen Gesamtmittel und des Prozentsatzes der Mitfinanzierung im Rahmen dieser Verordnung für nötig.

    3.11

    Nach Ansicht des Ausschusses sollten die Mitgliedstaaten die Struktur der Imkereiwirtschaft zum Gegenstand einer detaillierten Untersuchung machen, die sie der Kommission im Rahmen der nationalen Dreijahresprogramme jährlich übermitteln müssten. Eine solche Untersuchung mit Angaben zu Produktion, Vermarktung und Preisbildung wäre ein wichtiges statistisches Instrument zur Beurteilung der Lage und der Entwicklung der Bienenzucht in der Europäischen Union.

    3.12

    Um insbesondere bei jungen Leuten die Kenntnis über den Bienenzuchtsektor und die dortigen Beschäftigungsmöglichkeiten zu verbessern, sollten unter den vorrangigen Zielen des Verordnungsvorschlags auch Programme zur beruflichen Ausbildung des Imkernachwuchses vorgesehen werden.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, die für den Sektor vorgesehenen Maßnahmen auf alle Imkereierzeugnisse auszuweiten. Er bemängelt jedoch gleichzeitig, dass der Vorschlag kaum Neues bringt, obwohl der Rat der Europäischen Union (8) eine deutliche Verbesserung der von der Kommission dargelegten Vorschläge unterstützt.

    4.2

    Der EWSA spricht sich dafür aus, den gesamten Mittelansatz (gegenwärtig 16,5 Mio. Euro für die EU-15) mindestens zu verdreifachen, um der Bedarfslage des Sektors gerecht zu werden. In Bezug auf die Finanzierung aus dem EAGFL Garantie schlägt er vor, den Prozentsatz mindestens auf 75 % der Ausgaben zu erhöhen. Darüber hinaus hält er eine Aufstockung der Haushaltsmittel im Hinblick auf die bevorstehende EU-Erweiterung für grundlegend. Die Erweiterung am 1. Mai 2004 — die sechste und gemessen an der Zahl der Neumitglieder bisher größte — wird einen 30 %-igen Anstieg des Bienenstockbestands in der Gemeinschaft mit sich bringen, denn in der Landwirtschaft der Beitrittsländer nimmt die Bienenzucht unbestritten einen wichtigen Platz ein. Die bisher vorgesehenen Mittel würden sich angesichts des Bedarfs der EU-25 sehr bescheiden ausnehmen.

    4.3

    Für sinnvoll hält der Ausschuss die Einrichtung einer europäischen Beobachtungsstelle mit 2 % der in der Verordnung vorgesehenen Mittel. Ihre Aufgabe wäre die Durchführung gemeinsamer Tätigkeiten, die im Einvernehmen zwischen der Kommission und den Vertretern der Imkereiwirtschaft nach dem in der Verordnung verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit festgelegt werden.

    4.4

    Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass gemäß dem Gemeinschaftsrecht (9) ab dem 1. Januar 2005 die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln in allen Produktions- und Verarbeitungsstufen sichergestellt sein muss. Daher sollten Unterstützungsmaßnahmen für die diesbezüglichen Ausgaben und die Gewährleistung der Produktqualität vorgesehen werden.

    4.5

    Der EWSA hat ernste Zweifel, ob der von der Kommission vorgeschlagene Dreijahreszeitraum für die nationalen Programme wirklich sinnvoll ist, denn auch wenn er für die Mitgliedstaaten eine Verwaltungsvereinfachung bedeuten könnte, würde er die erforderliche Vorlage und jährliche Revision der nationalen Programme erschweren, voraussichtlich eine nachlassende Motivation zur Inanspruchnahme dieser Hilfen zur Folge haben und dadurch die bürokratischen Schwierigkeiten, die in einigen EU-Mitgliedstaaten festzustellen sind, noch vergrößern. Dies wäre zum Nachteil der europäischen Imker, die sich schon jetzt beklagen, dass sich in manchen Mitgliedstaaten der meiste Aufwand auf Maßnahmen gerichtet hat, die ihnen nicht unmittelbar zugute kommen.

    4.6

    Der Ausschuss weist darauf hin, dass die verfügbaren Mittel jedes Jahr auf der Grundlage der Mitteilungen der Mitgliedstaaten über ihre Ausgabenvorausschätzungen und je nach Bienenbestand verteilt werden. Er hält einen Dreijahreszeitraum für die nationalen Programme nur für zweckmäßig, sofern eine jährliche Revision vorgesehen wird, die der Mittelverteilung in der bisher gehandhabten Weise entsprechen muss, und sofern Mechanismen für die Neuzuweisung der Mittel, die in einigen Mitgliedstaaten voraussichtlich nicht abgerufen werden können, zu anderen Mitgliedstaaten innerhalb jedes EAGFL-Wirtschaftsjahres festgelegt werden.

    4.7

    Der Ausschuss begrüßt in diesem Zusammenhang die am 9. Oktober 2003 verabschiedete Entschließung des Europäischen Parlaments (10), in der die Einleitung von Maßnahmen befürwortet wird, um den Verlust von Bienenbeständen zu stoppen und die Bestände unverzüglich wieder aufzufüllen. Entsprechend begrüßt er auch den Vorschlag der Kommission, die Wiederauffüllung der gemeinschaftlichen Bienenbestände fortzuführen und zu unterstützen, als eine ausdrückliche Anerkennung dieses schwerwiegenden Problems.

    4.8

    Nach Auffassung des EWSA müssen neue Unterstützungsmaßnahmen geschaffen werden, u.a. eine zusätzliche finanzielle Beihilfe für die Bekämpfung der Varroatose und anderer Bienenkrankheiten (auch unter Berücksichtigung neu auftretender Krankheiten), um einen Ausgleich für die hohen Tierarzneimittelkosten zu schaffen.

    4.9

    Für notwendig hält der EWSA darüber hinaus die Schaffung einer Bestäubungsprämie, die den ökologischen Nutzen der Bienen für die Erhaltung von Artenreichtum und Natur honoriert, sowie eine jährliche Ausgleichszahlung für die Einkommensverluste, die durch das Nichtvorhandensein einer Gemeinschaftspräferenz in der europäischen Bienenzucht entstehen.

    4.10

    Richtig ist nach Ansicht des Ausschusses, dass im Verordnungsvorschlag entsprechend dem Titel, den er trägt, die Förderung von Qualitätshonig, eine bessere Vermarktung und der Verbraucherschutz als vordringlich angesehen werden und dazu u.a. Maßnahmen zur Unterstützung der gemeinsamen Vermarktung, zur Förderung von Investitionen in Anlagen in Verpackungs- und Typisierungszentren sowie Maßnahmen zur Absatzförderung der Imkereierzeugnisse vorgesehen sind. In dieser Hinsicht ist auch die Beibehaltung der Maßnahme betreffend Honiganalysen im Rahmen dieser Verordnung sehr angebracht, denn diese sind ein grundlegendes, strategisches Instrument zur Aufwertung der europäischen Imkereierzeugnisse, zur Sicherung ihrer Qualität und zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit für die Verbraucher.

    4.11

    Zur Verbesserung der statistischen Kenntnisse über die Struktur des Bienenzuchtsektors sollte sich die Kommission für die Schaffung nationaler Beobachtungsstellen in den Mitgliedstaaten unter Beteiligung der Erzeugerorganisationen einsetzen, zu deren Hauptaufgaben es gehören sollte, die Erzeuger-, Binnenmarkt- und Einfuhrpreise zu beobachten, aktuelle Angaben über die (festen und variablen) Erzeugungskosten der Imkereibetriebe zu ermitteln und die Entwicklung des Bienenbestands, der Vermarktungsstrukturen und der Verpackungskosten in den Mitgliedstaaten zu dokumentieren.

    Brüssel, den 1. April 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  KOM(94) 256 endg.

    (2)  ABl. L 173 vom 1.7.1997, S. 1. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2070/98 (ABl. L 265 vom 30.9.1998, S. 1).

    (3)  ABl. L 319 vom 21.11.1997.

    (4)  ABl. L 160 vom 26.6.1999, S. 80, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1783/2003 (ABl. L 270 vom 21.10.2003, S. 70).

    (5)  Angaben aus der Veröffentlichung „Frutales y abejas“ von Juan. B. Rallo García, 1986, spanisches Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung (MAPA), Reihe landwirtschaftlicher Veröffentlichungen. NIPO: 253-86-034-2, ISBN: 84-341-0529-2. Seite 13.

    (6)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit allgemeinen Durchführungsbestimmungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Honig“ (ABl. C 206 vom 7.7.1997, S. 60).

    (7)  Richtlinie 2001/110/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 über Honig (ABl. L 010 vom 12.1.2002, S. 47-52).

    (8)  2410. Sitzung des Agrarrates am 18. Februar 2004 in Brüssel.

    (9)  Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1-24).

    (10)  Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Schwierigkeiten der europäischen Bienenzucht. Referenz: RSP/2003/2569.


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