EUROPÄISCHE KOMMISSION
Straßburg, den13.3.2018
COM(2018) 130 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS
Überwachung der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte
{SWD(2018) 67 final}
1. Einführung
In seiner Rede zur Lage der Union am 9. September 2015 schlug Präsident Juncker die Schaffung einer europäischen Säule sozialer Rechte vor, welche die sich verändernden Realitäten in den europäischen Gesellschaften und die Entwicklungen in der Arbeitswelt widerspiegeln sollte.
Nach einer breit angelegten öffentlichen Konsultation im Jahr 2016, an der die Bürgerinnen und Bürger, die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft, die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen beteiligt waren, wurde am 17. November 2017 auf dem Sozialgipfel von Göteborg für faire Arbeitsplätze und Wachstum die europäische Säule sozialer Rechte gemeinsam von Europäischem Parlament, Rat und Kommission proklamiert.
Die europäische Säule sozialer Rechte ist als Kompass für eine erneuerte Aufwärtskonvergenz in Richtung besserer Arbeits- und Lebensbedingungen in der Europäischen Union angelegt.
Sie legt zwanzig Grundsätze und Rechte in den Bereichen Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz und Inklusion vor.
Der Europäische Rat vom 14. Dezember 2017 billigte die Schlussfolgerungen des Gipfeltreffens und unterstrich, dass die europäische Säule sozialer Rechte sowohl auf Unionsebene als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten unter gebührender Berücksichtigung der jeweiligen Zuständigkeiten umgesetzt werden sollte. Die Kommission wurde zudem ersucht, eine angemessene Überwachung vorzuschlagen. Mit der vorliegenden Mitteilung wird diesem Anliegen entsprochen und ein Weg für die Zukunft aufgezeigt.
2. Die europäische Säule sozialer Rechte voranbringen
Die Schaffung der europäischen Säule sozialer Rechte ist Teil der breiteren Debatte über die Zukunft Europas, die mit dem Weißbuch der Kommission vom 1. März 2017 eingeleitet wurde. die Frage, wie das europäische Sozialmodell angesichts grundlegender Veränderungen – etwa durch neue Technologien, die Globalisierung und die Alterung der Bevölkerung – gestärkt und modernisiert werden kann, zählt zu den zentralen Fragen, die im Weißbuch der Kommission, aber auch in den Reflexionspapieren der Kommission zu den Themen „Die sozialen Dimension Europas“ und „Die Globalisierung meistern“ vorgestellt wurden.
Auf ihrem Gipfeltreffen in Rom anlässlich des 60. Jahrestags der EU bekräftigten die Staats- und Regierungschefs ihr Bekenntnis zu einem sozialen Europa. In dieser breiteren Debatte ist die europäische Säule sozialer Rechte sowohl ein Meilenstein beim Aufbau und bei der Konsolidierung des sozialen Europas als auch ein Bezugspunkt auf dem Weg nach Sibiu, wo die Staats- und Regierungschefs der EU im Mai 2019 zusammentreffen, um vor den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament zu Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Zukunft der EU zu gelangen.
Die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte ist immer eine gemeinsame politische Verpflichtung und Verantwortung. Im Einklang mit ihren jeweiligen Zuständigkeiten müssen die EU-Institutionen, die Mitgliedstaaten, die Behörden, die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen eine zentrale Rolle spielen.
Auf EU-Ebene setzt sich die Kommission nachdrücklich für die durchgängige Berücksichtigung der Prioritäten der europäischen Säule sozialer Rechte in allen Politikbereichen der EU ein. Sie hat bereits damit begonnen, bestehende Instrumente und Verfahren dafür einzusetzen; zudem hat sie mehrere gezielte Initiativen im Rahmen der Zuständigkeiten der EU vorgelegt, von denen einige noch von den gesetzgebenden Organen der EU verabschiedet werden müssen.
Die Kommission ist außerdem entschlossen, die Mitgliedstaaten, die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene zu unterstützen. In einer Arbeitsunterlage, die mit dieser Mitteilung veröffentlicht wurde, wird auf den Rechtsrahmen verwiesen, aber auch auf die jeweilige Rolle der nationalen Ebenen und der EU sowie auf die bereits in Bezug auf die Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte ergriffenen Maßnahmen.
Damit spürbare Fortschritte erzielt werden können, ist eine Überwachung der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte von wesentlicher Bedeutung. In dieser Mitteilung legt die Kommission eine Ergänzung zu den Initiativen vor, die auf EU-Ebene bereits ergriffen wurden oder noch bevorstehen, um die Überwachung der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte im Rahmen des Europäischen Semesters für die politische Koordinierung zu stärken. Dies kann erfolgen durch:
‣Berücksichtigung der Prioritäten der europäischen Säule sozialer Rechte in der Analyse der ergriffenen Maßnahmen und der auf nationaler Ebene erzielten Fortschritte,
‣Bereitstellung technischer Hilfe, Unterstützung von Leistungsvergleichen, Förderung des Austauschs bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten und den Interessengruppen,
‣Leistungsscreening im Beschäftigungs- und Sozialbereich auf der Grundlage des neuen sozialpolitischen Scoreboards und damit Unterstützung der weiter gefassten erneuerten Aufwärtskonvergenz.
3. Die Säule auf EU-Ebene umsetzen
Seit dem Amtsantritt dieser Kommission im Jahr 2014 stehen soziale Prioritäten im Zentrum ihrer Agenda. Inhalt und Ziele der europäischen Säule sozialer Rechte stützen sich auf eine Vielzahl von Initiativen im Bereich Beschäftigung und Soziales, die von dieser Kommission in den vergangenen Jahren angestoßen wurden, insbesondere:
‣die Förderung eines Neubeginns für den sozialen Dialog, als Ausdruck des Willens der Kommission, mit den Sozialpartnern auf allen Ebenen eng zusammenzuarbeiten;
‣den Vorschlag für einen europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit, mit dem das Funktionieren des Binnenmarkts für barrierefreie Produkte und Dienstleistungen verbessert werden soll, indem aufgrund abweichender Rechtsvorschriften bestehende Hindernisse ausgeräumt werden, die Arbeit von Unternehmen erleichtert wird und Menschen mit Behinderung sowie älteren Menschen in der EU Vorteile erwachsen;
‣einen Vorschlag für eine Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen, dadurch werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser über ihre Rechte informiert und gleichzeitig werden neue Mindestanforderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen eingeführt;
‣die Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern, in der der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ verankert wird und somit bei gleichzeitiger Verhinderung unlauteren Wettbewerbs im Binnenmarkt gleiche Ausgangsbedingungen geschaffen werden;
‣neue Vorschläge für Rechtsvorschriften zur Modernisierung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, was insbesondere dazu beiträgt, sicherzustellen, dass Arbeitnehmer, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen, nicht ihre Ansprüche im Bereich der sozialen Sicherheit verlieren;
‣einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige zur Modernisierung des bestehenden Rechtsrahmens durch die Einführung von Vaterschaftsurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige, Verlängerung und Stärkung des Rechts auf Elternurlaub und flexible Arbeitsregelungen;
‣den Aktionsplan zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles für den Zeitraum 2017-2019, der eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen enthält; die Überprüfung der verschiedenen Rechtsvorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zur Aktualisierung und Ergänzung der Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer gegen arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken, darunter die Exposition gegenüber Karzinogenen;
‣eine Reihe von Maßnahmen, mit denen ein zeitnaher Zugang zu rechtzeitiger, hochwertiger und bezahlbarer Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung sichergestellt werden soll, etwa über die Europäischen Referenznetze, die seit vergangenem November Menschen mit seltenen Erkrankungen in der ganzen EU Zugang zu Diagnose und Behandlung gewähren;
‣die Stärkung und Einführung der Jugendgarantie zur Unterstützung junger Menschen, damit sie rasch in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung gelangen;
‣die Einleitung einer breiten Palette von Initiativen im Rahmen der neuen Agenda für Kompetenzen mit dem Ziel, mehr Menschen bessere Kompetenzen zu vermitteln;
‣verschiedene Initiativen zur Förderung des Zugangs zu hochwertiger und inklusiver Bildung, Ausbildung und lebenslangem Lernen als Schritt hin zu einem europäischen Bildungsraum;
‣im Bereich allgemeine und berufliche Bildung strebt die Kommission ehrgeizigere Ziele bezüglich der Senkung des Anteils der Schülerinnen und Schüler mit schwachen Leistungen und der frühzeitigen Schul- und Ausbildungsabgänger an und erwägt neue Zielsetzungen für digitale Kompetenzen und Unternehmertum.
Von den 22 seit November 2014 vorgeschlagenen Rechtsakten im Bereich Beschäftigung und Soziales wurden 10 angenommen, bei 12 Rechtsakten fehlt noch die Zustimmung des Rates und/oder des Europäischen Parlaments. Wie aus der gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission hervorgeht, wird in den kommenden Monaten der Schwerpunkt auf dem Abschluss anhängiger Gesetzgebungsvorschläge sowie auf der Fertigstellung und konkreten Umsetzung der neuen Initiativen liegen.
Darüber hinaus hat die Kommission soziale Prioritäten in allen Bereichen durchgängig berücksichtigt und in ihrem gesamten Handeln die soziale Dimension uneingeschränkt anerkannt. Dies umfasst:
‣das Europäische Semester für die politische Koordinierung, bei dem die Kommission einen stärkeren Schwerpunkt auf soziale Prioritäten gesetzt und diese auf die gleiche Ebene wie die wirtschaftlichen Ziele gestellt hat, die das Kernstück des jährlichen Zyklus der wirtschaftspolitischen Steuerung bilden, wobei der diesjährige Zyklus auch erstmals die Prioritäten der europäischen Säule sozialer Rechte widerspiegelt;
‣im Rahmen der Kohäsionspolitik erhalten soziale Prioritäten breite Unterstützung durch die europäischen Struktur- und Investitionsfonds in Bereichen wie Arbeitsmarktzugang, soziale Inklusion und Bildung. Sonstige Finanzierungsprogramme und Instrumente wie der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung und der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen unterstützen Menschen, die von der Umstrukturierung von Unternehmen betroffen sind oder von erheblicher materieller Entbehrung bedroht sind;
‣die Investitionsoffensive für Europa („Juncker-Plan“): Soziale Infrastruktur und Ausstattung sowie strategische Investitionen in sozialwirtschaftliche Unternehmen können durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) finanziell unterstützt werden;
‣im Rahmen der Energieunion setzt das von der Kommission vorgeschlagene Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ einen stärkeren Schwerpunkt auf die Verbraucher, außerdem werden größere Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass die Umstellung auf saubere Energie sozial gerecht erfolgt und niemand zurückgelassen wird. Dieses Paket enthält zudem ein neues Konzept für den Schutz wirtschaftlich schwacher Verbraucher, wozu auch die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Senkung der Energiekosten der Verbraucher durch die Förderung von Investitionen in die Energieeffizienz gehört. Dies hat auch zur Schaffung einer europäischen Beobachtungsstelle für Energiearmut geführt;
‣im Rahmen des digitalen Binnenmarkts legte die Kommission Konnektivitätsziele für 2025 vor, die dazu beitragen sollen, Hochleistungsbreitband-Anschlüsse für die Gesellschaft insgesamt zur Verfügung zu stellen, wobei Gebieten, die Aufholbedarf haben, wie ländliche und abgelegene Gebiete, besonders berücksichtigt werden, gleichzeitig wird ein ausgeprägter Schwerpunkt auf die Entwicklung digitaler Kompetenzen gelegt. Außerdem soll der kostenlose Internetzugang für Anwohner und Besucher im öffentlichen Raum mit der WiFi4EU-Initiative gefördert werden.
Schließlich enthält der vorgeschlagene Europäische Kodex für die elektronische Kommunikation Bestimmungen, die gewährleisten sollen, dass elektronische Kommunikation (einschließlich Breitbandtechnik) als Teil eines Universaldienstes erschwinglich ist;
‣auf dem Gebiet der Verkehrspolitik umfasst das Paket „Europa in Bewegung“ eine breit angelegte Reihe von Initiativen, die unter anderem angemessene Arbeitsbedingungen gewährleisten sollen. Darüber hinaus überarbeitet die EU derzeit die Fahrgastrechte, die gewährleisten sollen, dass Personen mit eingeschränkter Mobilität den gleichen Zugang zum Verkehrsdienstleistungen haben wie alle anderen Fahrgäste;
‣die Kommission hat eine Überarbeitung der Richtlinie über die Trinkwasserqualität vorgeschlagen, wodurch der Zugang zu Trinkwasser für alle, insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen und Randgruppen, verbessert wird;
‣im Rahmen der Steueragenda hat die Kommission eine Reihe von Initiativen vorgelegt, mit denen die Gerechtigkeit des Steuersystems in der EU wiederhergestellt und sichergestellt werden soll, dass alle Unternehmen gerecht besteuert werden und dort Steuern zahlen, wo die Gewinne erzielt werden;
‣über ihre Handelspolitik fördert die EU zentrale grundlegende Arbeitsnormen, die auf internationaler Ebene vereinbart wurden: die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Tarifverhandlungen, die Nichtdiskriminierung, die Bekämpfung der Kinderarbeit und der Zwangsarbeit, Arbeitsaufsicht, Gesundheit und Sicherheit sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Neben den Auswirkungen auf Menschenrechte, Wirtschaft und Umweltschutz sind auch soziale Fragen wichtige Aspekte der Nachhaltigkeitsprüfungen, die für alle Handelsabkommen durchgeführt werden;
‣mit besonderem Schwerpunkt auf benachteiligten Jugendlichen ermöglicht das neue Europäische Solidaritätskorps jungen Menschen, an solidarischen Aktivitäten teilzunehmen und so einen gesellschaftlichen Beitrag in Europa zu leisten, wobei sie gleichzeitig ihre Kompetenzen und Fertigkeiten weiterentwickeln können;
‣im Fall von Stabilitätshilfeprogrammen wird seit der Erfahrung mit Griechenland im Jahr 2015 üblicherweise eine Abschätzung der sozialen Folgen durchgeführt.
Darüber hinaus ist eine Konvergenz hin zu besseren sozioökonomischen Ergebnissen sowie zu sozialer Widerstandsfähigkeit und Fairness, wie im Rahmen der europäischen Säule sozialer Rechte befürwortet, wesentlicher Bestandteil der Bemühungen zur Stärkung und Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion, wie im Bericht der fünf Präsidenten vom Juni 2015 betont und danach in den Vorschlägen der Kommission aufgegriffen wurde.
Abbildung 1 gibt einen Überblick darüber, wie die Kommission soziale Prioritäten in allen Bereichen durchgängig berücksichtigt:
Abbildung 1: Wichtige Initiativen dieser Kommission im Bereich Beschäftigung und Soziales
In diesem Zusammenhang hat sich die Schaffung der Säule bei Bedarf stets als treibende Kraft bei der Aktualisierung und Ergänzung der Rechtsvorschriften der EU erwiesen. Außerdem legt die Kommission zusätzlich zu dem, was bisher erreicht wurde, neben der heutigen Mitteilung eine Reihe weiterer Initiativen vor, die in Kasten 1 zusammengefasst sind.
Kasten 1. Das am 13. März 2018 vorgelegte neue „Paket zur sozialen Gerechtigkeit“
Neben dieser Mitteilung wird ein neues Paket zur sozialen Gerechtigkeit vorgelegt, das am 13. März 2018 von der Kommission angenommen wurde.
Die Kommission schlägt die Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde vor, um frühere Initiativen zur Verbesserung der Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern und die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu ergänzen. Die Freizügigkeit gehört zu den meistgeschätzten Freiheiten des Binnenmarkts, da sie Einzelpersonen, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt Vorteile bietet. Bereits jetzt soll ein umfassender Korpus an geltenden Rechtsvorschriften der Union eine faire Mobilität sicherstellen, doch entscheidend ist, dass diese Vorschriften in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang werden die Aufgaben und der zusätzliche Nutzen der Behörde Folgendes betreffen:
a) Erleichterung des Zugangs von Einzelpersonen und Arbeitgebern zu Informationen über ihre Rechte und Pflichten sowie zu den einschlägigen Diensten;
b) Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Union, einschließlich der Erleichterung gemeinsamer Kontrollen;
c)
Vermittlung und Erleichterung von Lösungen bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten zwischen nationalen Behörden oder bei Störungen des Arbeitsmarkts.
Zur Unterstützung der Vorbereitung und der Einrichtung der Behörde setzt die Kommission zudem eine beratende Gruppe ein, in der wichtige Interessenträger zusammenkommen.
Des Weiteren schlägt die Kommission eine Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige vor, die auf einer Konsultation der Sozialpartner in der EU aufbaut und mit der die Mitgliedstaaten ermutigt werden sollen, sicherzustellen, dass alle Arbeitenden zu sozialem Schutz – etwa Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit – beitragen und angemessenen Zugang dazu haben können. Gegenwärtig gehen rund 60 % der Menschen einer unbefristeten Vollzeitbeschäftigung nach. Der Anteil der Menschen, die im Rahmen anderer Arten von Verträgen – unter anderem Teilzeit- oder befristete Verträge – oder als Selbstständige arbeiten, nimmt jedoch zu. Dieser Trend kann zu Ungleichheiten und sozialen Risiken führen, wenn diese Arbeitnehmer keinen ausreichenden Zugang zu sozialem Schutz erhalten. Die Kommission hat die Möglichkeit geprüft, eine Richtlinie zur Regelung dieser Frage vorzuschlagen, doch angesichts der Vielfalt der Situationen und der Beschränkungen des Rechtsrahmens für ein Handeln auf EU-Ebene ist sie der Auffassung, dass eine Empfehlung des Rates der geeignete Weg ist, um Fortschritte auf nationaler Ebene zu steuern, gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen und die Aufwärtskonvergenz zu fördern.
Außerdem arbeitet die Kommission an der Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer, die als digitaler Identifikator für die Interoperabilität bestehender Systeme sorgen soll. Dadurch könnten Millionen von Touristen und Personen, die in anderen EU-Ländern reisen, leben und arbeiten, leicht nachweisen, dass sie in ihrem Heimatland versichert sind, und schneller und einfacher Zugang zu den ihnen zustehenden Leistungen erhalten, wobei ein umfassender Schutz ihrer personenbezogenen Daten garantiert ist. Das würde die grenzüberschreitende Übertragbarkeit von Ansprüchen erleichtern, eine Identifizierung und Überprüfung der Absicherung in Echtzeit ermöglichen und das bei der Verwendung von Papierdokumenten bestehende Risiko von Fehlern und Betrug verringern. Die Arbeit der Verwaltungen auf allen Ebenen würde vereinfacht. Diese Initiative ist Teil des Arbeitsprogramms der Kommission für 2018: im Einklang mit den Grundsätzen der besseren Rechtssetzung arbeitet die Kommission mit den Mitgliedstaaten und Interessenträgern zusammen und wird im Laufe dieses Jahres eine Initiative vorstellen.
Bei der weiteren Umsetzung der Säule auf EU-Ebene wird die Kommission auch in Zukunft alle ihr zur Verfügung stehenden Werkzeuge umfassend einsetzen. Die Nutzung dieser Werkzeuge wird je nach Politikbereich und Grundsätzen der Säule variieren und die Art und den Umfang der Zuständigkeiten auf EU-Ebene widerspiegeln. Dazu gehören auch die bereits erwähnte Aktualisierung und Ergänzung bestehender Rechtsvorschriften, die Verbesserung der Durchsetzung der Rechtsvorschriften der EU in den Mitgliedstaaten und die Förderung des sozialen Dialogs in der gesamten EU, ergänzend zur Überwachung von Fortschritten im Rahmen des Europäischen Semesters.
Das gilt auch für diesbezügliche finanzielle Unterstützung aus EU-Fonds, insbesondere den europäischen Struktur- und Investitionsfonds, Erasmus+ und anderen einschlägigen Programmen. In ihrer vor Kurzem herausgegebenen Mitteilung mit dem Titel „Ein neuer, moderner mehrjähriger Finanzrahmen für eine Europäische Union, die ihre Prioritäten nach 2020 effizient erfüllt“ fordert die Kommission, dass der Haushalt der Union die von den Staats- und Regierungschefs auf dem Göteborger Sozialgipfel eingegangenen Versprechen erfüllen und die soziale Dimension der Union ausbauen muss – unter anderem mittels der vollständigen Verwirklichung der europäischen Säule der sozialen Rechte. Die Kommission betonte, dass angemessene Ressourcen erforderlich sein werden, um Beschäftigungsmöglichkeiten zu verbessern und kompetenzbezogene Herausforderungen, auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung, zu meistern. Detaillierte Vorschläge für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Zeit nach 2020 sollen im Frühjahr 2018 vorgelegt werden.
4. Die Säule auf nationaler Ebene umsetzen
Die Zuständigkeiten und Instrumente, die erforderlich sind, um die europäische Säule sozialer Rechte umzusetzen, liegen überwiegend bei lokalen, regionalen und nationalen Behörden, Sozialpartnern sowie der Zivilgesellschaft. Die Union spielt zwar eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten, für die Umsetzung der Säule sind jedoch überwiegend die Mitgliedstaaten auf unterschiedlichen Regierungs- und Verwaltungsebenen verantwortlich. Außerdem kommt den Sozialpartnern je nach ihrer Autonomie beim Aushandeln und Abschließen von Übereinkommen auf allen Ebenen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Säule zu. Im AEUV werden die Achtung der Unterschiedlichkeit der nationalen Systeme der Industriebeziehungen sowie die Autonomie der Sozialpartner explizit anerkannt. Im Laufe der Zeit hat die Kommission die Mitgliedstaaten aufgefordert, den Sozialpartnern eine größere Rolle im Bereich Beschäftigung und Soziales einzuräumen, da ihre Einbeziehung für die Identifikation mit den Reformen unerlässlich ist. Nichtregierungsorganisationen, insbesondere diejenigen, die soziale Dienstleistungen erbringen, sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung für die Mobilisierung und Umsetzung im Zusammenhang mit der Säule.
Mit der Formulierung von Grundsätzen und Rechten dient die europäische Säule sozialer Rechte als Richtschnur hin zu wirksamen Ergebnissen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales. Es gibt keine pauschalen Lösungen, und die Säule spiegelt die Vielfalt der nationalen Gegebenheiten wider. Obwohl die Mitgliedstaaten häufig mit gemeinsamen Herausforderungen und ähnlichen Problemen konfrontiert sind, entwickeln sie unterschiedliche Lösungen. Das ist auf die Vielfalt ihrer nationalen Systeme, Traditionen, unterschiedlichen Ausgangssituationen und ihre jeweilige sozioökonomische Lage zurückzuführen.
Der gegenwärtige wirtschaftliche Kontext eröffnet eine Chance zur Förderung integrativen Wachstums, zur Modernisierung der sozialen Marktwirtschaft der EU und zur Investition in Menschen im Einklang mit der europäischen Säule sozialer Rechte. Die Wirtschaft der Union verzeichnet weiterhin ein robustes Wachstum. Seit Amtsantritt dieser Kommission im Frühherbst 2014 wurden über 9 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Die Arbeitslosenquote sinkt stetig und ist so niedrig wie seit 2008 nicht mehr. Die Zahl der Beschäftigten in der EU hat mit 236,3 Millionen den höchsten je verzeichneten Wert erreicht. Dennoch sind in der Union noch immer 18 Millionen Menschen ohne Arbeit, das Haushaltseinkommen liegt in einigen Mitgliedstaaten unter dem Niveau von 2008 und es verbleiben zahlreiche soziale Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Rhythmus und den Umfang der laufenden Entwicklungen, von der Digitalisierung bis zur Bevölkerungsalterung. Zudem bestehen weiterhin große Unterschiede zwischen und innerhalb von Mitgliedstaaten.
Bei den Prioritäten wird es unweigerlich Abweichungen geben, und das Europäische Semester ist eine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, Fortschritte bei der Umsetzung der Säule zu machen und darüber zu berichten. In den vor Kurzem im Rahmen des Zyklus des Europäischen Semesters 2018 veröffentlichten Länderberichten werden die Art und das Ausmaß der Herausforderungen auf nationaler Ebene hervorgehoben, die mit dem Hinarbeiten auf bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, gerechtere und besser funktionierende Arbeitsmärkte sowie verbesserte Schul- und Berufsbildungssysteme, mit denen Menschen angemessene und wichtige Kompetenzen vermittelt werden, sowie gleichzeitig nachhaltige und angemessene Sozialsysteme in Zusammenhang stehen. In den nationalen Reformprogrammen, die von den Mitgliedstaaten im April erwartet werden, werden aktualisierte Prioritäten und weitere konkrete Maßnahmen auf nationaler Ebene festgelegt. Auf der Grundlage dieser Programme werden die länderspezifischen Empfehlungen erstellt, die die Kommission später im Frühjahr 2018 herausgeben wird. Die Kommission wird gleichzeitig weiter mit den Mitgliedstaaten daran arbeiten, sicherzustellen, dass die verfügbaren EU-Finanzmittel sinnvoll zur Unterstützung von Strukturreformen oder für Investitionen in Menschen eingesetzt werden; dabei werden die in den Länderberichten und den länderspezifischen Empfehlungen ermittelten Prioritäten berücksichtigt.
5. Die Umsetzung der Säule überwachen
Das Europäische Semester für die Koordinierung der Politik bietet ein angemessenes Instrument für die Überwachung der Fortschritte in zentralen Bereichen, die von der europäischen Säule sozialer Rechte abgedeckt werden.
Das Europäische Semester baut auf einer eingehenden Analyse unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Situation der einzelnen Länder auf: dabei werden die Vielfalt der Herausforderungen und die Notwendigkeit der Priorisierung angesichts der Unterschiede bei der Ausgangslage und den verfügbaren Mitteln in den verschiedenen Ländern anerkannt. Das Europäische Semester bietet ferner die Möglichkeit, kollektive Anstrengungen über die Zeit zu strukturieren: es baut auf einem eingehenden Dialog und Berichterstattung über das ganze Jahr hinweg auf, die für alle Beteiligten transparent und offen ablaufen, und wird insbesondere für die Strukturierung von Peer-Reviews und Leistungsvergleichen zwischen den Mitgliedstaaten genutzt. Seit der Proklamation der europäischen Säule der sozialen Rechte baut die Kommission auf den in den letzten Jahren erzielten Fortschritten bei der Stärkung der sozialen Dimension des Europäischen Semesters auf, um bestehende Werkzeuge und Arbeitsmethoden im Einzelnen so anzupassen, dass sie die Säule berücksichtigen. Das erfordert keine grundlegenden Änderungen oder neuen Instrumente und stellt auch keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten dar.
Zudem wird eine stärkere thematische Weiterverfolgung erforderlich sein, um die unterschiedlichen Grundsätze der Säule intensiv auszuarbeiten und eine wirksame Fortführung und Umsetzung in der Praxis zu ermöglichen. Regelmäßige Veröffentlichungen der Union – etwa der jährliche gemeinsame Beschäftigungsbericht und der Bericht zur Beschäftigung und zur sozialen Lage – werden als Grundlage für eine tief greifende Untersuchung bestimmter Themen herangezogen. Zudem werden in diesem Bereich tätige EU-Agenturen mit der Ausarbeitung detaillierter Berichte zu den Grundsätzen beauftragt, die mehrheitlich in ihrer Zuständigkeit liegen. Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft, die auf EU-Ebene tätig sind, können sich wiederum dafür entscheiden, sich intensiver auf bestimmte Grundsätze zu konzentrieren, die für sie von besonderem Interesse sind.
Im Rahmen des Europäischen Semesters werden drei neue Elemente hinzugefügt, um die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte zu unterstützen:
‣Durchgängige Berücksichtigung der Prioritäten der Säule im Rahmen des Europäischen Semesters und ausführliche jährliche Berichterstattung zu ausgewählten Themen: die in der Säule verankerten Grundsätze und Rechte werden im Rahmen des Europäischen Semesters bei der Überwachung, dem Vergleich und der Bewertung der erzielten Fortschritte berücksichtigt. Gleichzeitig werden jedes Jahr einige spezifische Themen der Säule für eine ausführliche Bewertung ausgewählt. Das gilt insbesondere für den (im November herausgegebenen) Jahreswachstumsbericht, in dem die wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten auf EU‑Ebene festgelegt werden, und für die (im Februar/März herausgegebenen) Länderberichte, die die Grundlage für weitere länderspezifische Handlungsempfehlungen bilden. Die Auswahl der Themen erfolgt in Abstimmung mit allen Beteiligten, insbesondere mit den zuständigen Ausschüssen, die die Mitgliedstaaten vertreten.
‣Bereitstellung technischer Hilfe, Förderung von Leistungsvergleichen und Austausch bewährter Verfahren: das Europäische Semester bietet ein Forum für den Dialog mit Interessenträgern, den Erfahrungsaustausch und die Vertiefung des Voneinanderlernens unter den Mitgliedstaaten
mit Blick auf die Unterstützung der Aufwärtskonvergenz hin zu den Leistungsstärksten. Die im Rahmen des Europäischen Semesters für Fragen im Zusammenhang mit Beschäftigung und Sozialpolitik zuständigen Stellen, unter anderem der Beschäftigungsausschuss und der Ausschuss für Sozialschutz, haben ihre Arbeiten im Hinblick auf die Zielvorgaben der Politikkonvergenz bereits aufgenommen. Des Weiteren empfahl die Kommission in ihrer Mitteilung mit dem Titel „Weitere Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion Europas: ein Fahrplan“, dass die laufenden Arbeiten im Rat und in der Eurogruppe im Hinblick auf Zielvorgaben für bestimmte Politikfelder und zur Festlegung von Konvergenzstandards verstärkt werden sollten. Ferner hat der Dienst zur Unterstützung von Strukturreformen (SRSS) der Kommission seine Angebote für die maßgeschneiderte Unterstützung für institutionelle, administrative und politische Reformen aufgestockt, die die finanzielle Unterstützung im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds ergänzen.
‣Bewertung und Überwachung von Leistungen mithilfe des neuen sozialpolitischen Scoreboards: begleitend zu ihrem Vorschlag für die Säule hatte die Kommission ein neues sozialpolitisches Scoreboard vorgestellt. Es soll die Überwachung der Leistungen der Mitgliedstaaten in den Bereichen Beschäftigung und Soziales anhand der verschiedenen Dimensionen der Säule unterstützen. Es wurde erstmals zur Mitteilung und Vertiefung der Analyse im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018 eingesetzt, und die Indikatoren wurden zur Untermauerung der Analysen der Länderberichte 2018 genutzt. Sie decken zwar nicht die gesamte Diskussion über die Kontrolle über die Säule ab, doch sie liefern nützliche Informationen über die tatsächliche Lage und ermöglichen Vergleiche über die Zeit und zwischen Ländern. Das Scoreboard und seine statistischen Grundlagen werden mit der Unterstützung der Mitgliedstaaten weiter ausgebaut.
Kasten 2 Das neue sozialpolitische Scoreboard der EU
6. Schlussfolgerungen
Jahrzehntelang hat die Europäische Union zu mehr Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit beigetragen. Heute gehört Europa zu den lebenswertesten Orten auf der Welt. Dennoch hatte die Wirtschafts- und Gesellschaftskrise des vergangenen Jahrzehnts weitreichende Auswirkungen auf unser soziales Gefüge und stellte damit die Grundlagen unserer sozialen Marktwirtschaft infrage.
Da Europa die Krise überwunden hat, ist es nun an der Zeit, in die Zukunft zu blicken, um mit den sich rasch wandelnden Realitäten Schritt zu halten und die großen sozioökonomischen Herausforderungen anzugehen, mit denen Europa konfrontiert ist, unter anderem die Modernisierung und Erhaltung unseres Wirtschafts- und Sozialmodells.
Die europäische Säule sozialer Rechte bringt klar zum Ausdruck, wofür Europa steht, legt Grundsätze und Rechte fest, die für sozialen Fortschritt zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Gesellschaften unerlässlich sind, und bietet eine Richtschnur für weitere Maßnahmen.
Die von den Staats- und Regierungschefs aus der EU auf dem Göteborger Sozialgipfel eingegangenen Verpflichtungen sind Teil einer breiter angelegten Agenda zum Aufbau der Zukunft der Europäischen Union mit 27 Mitgliedern. Die Verantwortung für die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte sowie ihre Verwirklichung für alle Europäerinnen und Europäer ruht auf mehreren Schultern. Regierungen, Sozialpartner und Nichtregierungsorganisationen sowie lokale, regionale und europäische Institutionen sind bereit und entschlossen, ihren Beitrag zu leisten.