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Document 52008DC0699

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Rohstoffinitiative : Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern {SEK(2008) 2741}

/* KOM/2008/0699 endg. */

52008DC0699

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Rohstoffinitiative : Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern {SEK(2008) 2741} /* KOM/2008/0699 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 4.11.2008

KOM(2008) 699 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Die Rohstoffinitiative — Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern

{SEK(2008) 2741}

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Die Rohstoffinitiative — Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern

Einführung

Moderne Gesellschaften können ohne sichere Rohstoffversorgung nicht dauerhaft funktionieren. Branchen wie die Bauindustrie, die chemische Industrie, die Automobilindustrie, die Luftfahrtindustrie und der Maschinen- und Anlagenbau sind auf ausreichende Versorgung mit mineralischen Rohstoffen zu akzeptablen Preisen angewiesen. Diese Branchen erzielen zusammen eine jährliche Wertschöpfung von 1 324 Mrd. Euro und beschäftigen ca. 30 Mio. Arbeitnehmer (siehe Anhang 1).

Während steigende Energiepreise und die große Abhängigkeit Europas von Energieimporten auf der politischen Tagesordnung ganz oben stehen, erhalten vergleichbare Probleme bei den nichtenergetischen Rohstoffen noch nicht die volle Aufmerksamkeit der Politik. Einerseits verfügt die EU selbst über zahlreiche Rohstoffvorkommen. Doch steht ihre Erschließung zunehmend in Konkurrenz mit anderen Landnutzungen und unterliegt Beschränkungen durch das Umweltrecht und die technischen Möglichkeiten. Andererseits ist die EU stark abhängig von Einfuhren strategisch wichtiger Rohstoffe, die zunehmend von Marktverwerfungen betroffen sind. Die Importabhängigkeit bei Hochtechnologiemetallen kann in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und der Versorgungsrisiken sogar als kritisch betrachtet werden. Es ist aber möglich, die Sicherheit der Rohstoffversorgung durch Steigerung der Ressourceneffizienz und durch Recycling von Altstoffen zu verbessern.

Ein verlässlicher, von Marktverzerrungen unbeeinträchtigter Zugang zu Rohstoffen ist eine zunehmend wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der EU und damit für den Erfolg der Lissaboner Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung. Die kritische Abhängigkeit der EU von bestimmten Rohstoffen macht den Übergang zu einer ressourceneffizienteren Wirtschaft und zu einer nachhaltigen Entwicklung[1] dringlich. Es ist an der Zeit, eine schlüssigere EU-Politik in diesem Bereich zu entwickeln, wie es der Rat im Mai 2007 vorgeschlagen hat.[2] Diese Mitteilung ist ein erster Schritt in diese Richtung. Sie beruht auf einer eingehenden Analyse durch die Kommission[3] und den Ergebnissen einer 2008 veranstalteten öffentlichen Anhörung[4]. Sie dürfte der EU auch helfen, in der von den Vereinten Nationen[5] und der G8[6] angestoßenen internationalen Debatte über Rohstoffe eine gemeinsame Haltung zu finden.

Zwar geht es in dieser Mitteilung in erster Linie um mineralische nichtenergetische Rohstoffe, doch sind die ihr zugrunde liegende Analyse und die in ihr vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere soweit sie Marktverzerrungen in Drittländern betreffen, weitgehend auf andere nichtenergetische Rohstoffe wie Holz übertragbar, bei denen es ähnliche Versorgungsprobleme gibt und bei denen Marktverwerfungen die Wettbewerbsfähigkeit Europas gefährden.

1. ANALYSE VON ANGEBOT UND NACHFRAGE AUF DEM MARKT FÜR NICHTENERGETISCHE ROHSTOFFE

1.1. Die Versorgungssituation in Europa: von vollständiger Selbstversorgung bis zu hoher Importabhängigkeit

Die EU ist Selbstversorger bei mineralischen Baustoffen , insbesondere bei Zuschlagstoffen, und ist einer der weltweit bedeutendsten Erzeuger von Gips und Naturstein. Wo Zuschlagstoffe aus lokalen und regionalen Quellen erhältlich sind, wird die Wirtschaftsentwicklung begünstigt, weil das die Logistik vereinfacht und die Transportkosten in Grenzen hält. Die EU ist auch weltweit der größte oder zweitgrößte Erzeuger bestimmter industrieller Mineralien , wenn auch Nettoimporteur der meisten von ihnen (siehe Anhang 2, Tabelle 1). Hochgradig importabhängig ist die EU dagegen bei Metallerzen, denn ihre eigene Erzproduktion macht nur 3 % der Weltproduktion aus (siehe Anhang 2, Schaubild 1 und Tabelle 2).

Neben Primärrohstoffen benötigt die EU auch Sekundärrohstoffe in erheblichen Mengen. Ihr Schrottverbrauch ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Schrott macht in der EU heute zwischen 40 und 60 % der Ausgangsstoffe für die Metallerzeugung aus. Die Versorgung mit Schrott wird in Europa aber zunehmend schwierig. In den vergangenen 8 Jahren sind die Importe von Bunt- und Edelmetallschrott in die EU um fast 40 % zurückgegangen, während die Exporte dieser Güter um mehr als 125 % gestiegen sind. Die Folgen sind Verknappung und Verteuerung. Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Exporten von Eisenschrott zu beobachten. Einer der Gründe hierfür ist, dass Altmaterial in erheblichen Mengen nicht dem ordnungsgemäßen Recycling zugeführt, sondern illegal in Drittländer exportiert wird. So gehen der EU wertvolle Sekundärrohstoffe verloren, und die Umwelt leidet.

Die EU ist bei Hochtechnologiemetallen wie Kobalt, Platin, seltene Erden und Titan hochgradig importabhängig. Diese Metalle werden zwar oft nur in kleinen Mengen benötigt, sie sind aber aufgrund ihrer vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten für die Herstellung technisch anspruchsvoller Produkte zunehmend wichtig. Ohne diese Metalle wird der EU die Umstellung auf nachhaltige Produktion und umweltfreundliche Produkte nicht gelingen. Sie sind unerlässlich für innovative Umwelttechnologien zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Wasserstoffbetriebene Autos brauchen Platinkatalysatoren, Elektrohybridfahrzeuge brauchen Lithiumbatterien, und rheniumhaltige Superlegierungen sind in modernen Flugtriebwerken unentbehrlich (siehe Anhang 2 Tabelle 3).

Bei einigen dieser Materialien wie Platin und Indium ist die Versorgungssituation aus drei Hauptgründen kritisch: Erstens: diese Materialien sind in Schlüsselbereichen der Industrie von großer Bedeutung. Zweitens: die EU trägt ein hohes Versorgungsrisiko, u. a. weil ihre Importabhängigkeit hoch und die Zahl der Lieferländer klein ist. Drittens: Ersatzstoffe stehen derzeit nicht zur Verfügung. Zu Versorgungsschwierigkeiten kam es beispielsweise im Jahr 2000, als der Mobilfunkboom die Nachfrage nach Tantal hochschnellen ließ. Solche Schwierigkeiten sind wegen der vielfältigen Anwendungen dieser Materialien in Zukunft häufiger zu erwarten, und zeitweilige Versorgungsengpässe sind nicht mehr auszuschließen.

Die führenden Lieferländer für solche Hochtechnologiematerialien sind China, Afrika, Südamerika, Russland und Australien (siehe Anhang 3). Ein besonderes Risiko liegt darin, dass bedeutende Rohstoffvorkommen in Teilen der Welt liegen, in denen es keine Marktwirtschaft gibt oder die wirtschaftlich oder politisch instabil sind.

Da die langfristige Preisentwicklung weltweit Anreize für die Erschließung neuer Rohstoffvorkommen und verstärktes Recycling von Altstoffen schafft, darf die EU nicht die Chance verpassen, ihre heimischen Ressourcen stärker zu nutzen oder Ersatzstoffe zu entwickeln. Zwar werden in Schweden, Finnland und einigen der neuen Mitgliedstaaten neue Vorkommen erschlossen, doch unterliegt die mineralgewinnende Industrie immer noch Beschränkungen durch das geltende EU-Recht und durch das nationale Recht, die ihre Zukunft gefährden. Da die nichtenergetische mineralgewinnende Industrie sich nur dort ansiedeln kann, wo wirtschaftlich abbaubare Lagerstätten vorhanden sind, müssen Strategien entwickelt werden, die ihr den Zugang zu solchen Lagestätten für die Zukunft sichern.

In Zeiten eingeschränkten Zugangs zu Ressourcen und hoher Importabhängigkeit müssen Strategien entwickelt werden, um die Ressourceneffizienz zu steigern und das Recycling und die Wiederverwendung von Altstoffen zu verstärken. Recycling verbessert die Energieeffizienz, vor allem in der Metallherstellung, wo bei Verarbeitung von Sekundärrohstoffen (Schrott) deutlich weniger Energie verbraucht wird als bei der Verarbeitung von Primärrohstoffen.

Große wirtschaftliche Chancen eröffnen sich, wenn es gelingt, eine Reihe von Hemmnissen für die Weiterentwicklung des Recyclingmarktes zu beseitigen[7]. Hemmnisse sind u. a. mangelnde Information über die Qualität von Recyclingmaterial und hohe Such- und Transaktionskosten, weil Käufer und Verkäufer einander schwer finden und oft überhaupt nichts voneinander wissen. Ein weiteres Hemmnis ist die schlechte Organisation der Abfallwirtschaft und der Altstofferfassung in den Mitgliedstaaten. So variiert bei Aluminiumverpackungen die Recyclingquote zwischen 30 % und 80 %. Das lässt erkennen, wie hoch das ungenutzte Potenzial für die Steigerung der Rohstoffeffizienz ist.

1.2. Die EU muss sich auf grundlegende Veränderungen der Weltmärkte einstellen

Aus globaler geologischer Sicht ist für die meisten auf der Welt verwendeten Rohstoffe kurzfristig keine Verknappung zu befürchten. Doch dass diese Stoffe geologisch vorhanden sind, heißt noch nicht, dass sie für Unternehmen in der EU auch zugänglich sind. Vielmehr gefährden grundlegende Veränderungen der Weltmärkte die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.

1.2.1. Verfügbarkeit von Rohstoffen und Entwicklung der Rohstoffpreise

Die internationalen Metall- und Erzmärkte folgen einem von Angebot und Nachfrage bestimmten Zyklus (siehe Anhang 4, Schaubild 1). Zwischen 2002 und 2008 haben sich infolge eines plötzlichen starken Anstiegs der Nachfrage, vor allem aus den Schwellenländern, die Metallpreise verdreifacht. Von der Zunahme des Weltverbrauchs von Industriemetallen im Zeitraum 2002-2005 entfallen über 50 % allein auf China. Zwar verlangsamt sich augenblicklich das Wachstum der weltweiten Nachfrage nach Rohstoffen infolge der Finanzkrise, doch dürfte wegen der zu erwartenden Wachstumsraten der Schwellenländer der Nachfragedruck hoch bleiben. Auch wenn die Ausgaben für die Erschließung von Rohstoffvorkommen in jüngster Zeit gestiegen sind (siehe Anhang 4, Schaubild 2), wächst die Nachfrage nach Rohstoffen so schnell und stark, dass mit einem dauerhaften Nachfrageüberhang gerechnet wird, ein Phänomen, das Ökonomen als Superzyklus bezeichnen.

1.2.2. Neue Wirtschaftsstrategien und Risken in gestörten Weltmärkten

Schwellenländer verfolgen zunehmend Wirtschaftsstrategien, die auf den Schutz ihrer Rohstoffbasis gerichtet sind, um ihren eigenen nachgelagerten Industriezweigen Vorteile zu verschaffen. Erkennbar ist das an der Vielzahl staatlicher Maßnahmen, die den Wettbewerb im internationalen Rohstoffhandel verzerren. Das sind u. a. Exportabgaben und –quoten, Subventionen, Festsetzung von Preisen, Preisdifferenzierung und einschränkende Vorschriften für Investitionen. Mehr als 450 Exportbeschränkungen für mehr als 400 verschiedene Rohstoffe (z. B. Metalle, Holz, Chemikalien, Felle und Häute) wurden ermittelt (siehe Anhang 4, Tabelle 1). China, Russland, die Ukraine, Argentinien, Südafrika und Indien gehören zu den wichtigsten Ländern, in denen solche Maßnahmen getroffen wurden. Zugleich können Fertigprodukte, die in diesen Ländern unter Verwendung der von den Maßnahmen betroffenen Rohstoffe hergestellt werden, oft zu ermäßigten Zollsätzen oder zollfrei in die EU eingeführt werden, wodurch in der EU vielen Industriezweigen Wettbewerbsnachteile entstehen.

Schwellenländer verfolgen gegenüber rohstoffreichen Ländern auch Strategien, mit denen sie offensichtlich darauf abzielen, privilegierten Zugang zu deren Rohstoffvorkommen zu erhalten. So haben China und Indien ihr wirtschaftliches Engagement in Afrika in den letzten Jahren erheblich verstärkt. Dabei beteiligt sich China an großen Infrastrukturprojekten und an der Exploration und Förderung von Rohstoffen in Ländern wie Sambia (Kupfer), der Demokratischen Republik Kongo (Kupfer, Kobalt), Südafrika (Eisenerz), Zimbabwe (Platin) und Gabun, Äquatorialguinea und Kamerun (Holz).

Die Versorgungssituation wird außerdem beeinflusst durch die zunehmende Konzentration der Erzeugung auf wenige Länder und durch die fortschreitende Konzentration und vertikale Integration der Unternehmen. Das kann den Zugang zu Rohstoffen erschweren (siehe Anhang 4, Schaubild 3, und Anhang 5). So teilen sich nur drei Untenehmen 75 % des weltweiten Seehandels mit Eisenerz. Solche Verhältnisse können den freien Wettbewerb gefährden und zu höheren Preisen für die nachgelagerten Industriezweige führen. Die Rohstoffverarbeiter begegnen dem durch Anlegen von Vorräten, durch langfristige Lieferverträge oder durch vertikale Integration mit Bergbauunternehmen.

Über 50 % der bedeutenden Mineralienvorkommen liegen in Ländern mit einem Bruttonationaleinkommen von weniger als 10 USD pro Kopf und Tag. Das eröffnet rohstoffreichen Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika (siehe Anhang 6), die Möglichkeit, ihr Nationaleinkommen erheblich zu steigern, denn viele von ihnen leiden immer noch unter Armut oder langsamem Wirtschaftswachstum. In einigen dieser Länder werden aber gewaltsame Konflikte ausgetragen, weil u. a. um die Herrschaft über die natürlichen Ressourcen gestritten wird und die staatliche Führung schwach ist, insbesondere zu schwach, um über die Verwendung der Erträge aus diesen Ressourcen zu bestimmen. Zudem haben diese Länder oft Schwierigkeiten in Verhandlungen mit ausländischen Bergbauunternehmen, weil sie den Wert ihrer Rohstoffvorkommen schlecht einschätzen können und es ihnen an administrativer Unterstützung fehlt. In einigen Fällen wird die Haltung der Unternehmen zum Umweltschutz und zu den Arbeitnehmerrechten kritisiert, in anderen wird Besorgnis geäußert über die Auswirkungen mancher Verträge zwischen Staat und Unternehmen auf die Staatsverschuldung.

2. DIE POLITISCHE ANTWORT: EINE UMFASSENDE STRATEGIE

Industrieländer wie Japan und die USA haben erkannt, wie stark sie von bestimmten Rohstoffen abhängig sind, und haben eine Politik eigens zur Sicherung ihrer Rohstoffversorgung entwickelt. So haben die USA eine Reihe strategisch wichtiger Rohstoffe bestimmt und halten Vorräte von Rohstoffen, die für Verteidigungszwecke benötigt werden. Japan hat ebenfalls begonnen, seinen Zugang zu kritischen Rohstoffen zu sichern (siehe Anhang 7). Einige EU-Mitgliedstaaten verfolgen zwar eine spezifische Politik in diesem Bereich, doch gibt es bisher keine umfassende EU-Strategie mit dem Ziel, den Zugang der EU zu Rohstoffen in ausreichenden Mengen und zu akzeptablen Preisen zu sichern. Eine solche Strategie sollte drei Ziele haben:

1. Die EU muss auf dem Weltmarkt Rohstoffe zu den gleichen Bedingungen beziehen können wie ihre Konkurrenten.

2. In der EU müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass eine dauerhafte Versorgung mit Rohstoffen aus europäischen Quellen begünstigt wird.

3. Die Ressourceneffizienz muss allgemein erhöht werden, und es muss mehr recycelt werden, um den Rohstoffverbrauch der EU zu senken und ihre Importabhängigkeit zu mindern.

Die Kommission empfiehlt, im Rahmen einer umfassenden europäischen Strategie zunächst festzulegen, welche Rohstoffe für die EU kritisch sind. Sie schlägt vor, in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und den Interessengruppen eine gemeinsame Liste kritischer Rohstoffe aufzustellen. Eine erste Prüfung hat ergeben, dass die Versorgung der EU mit einer Reihe von Rohstoffen hohen Risiken ausgesetzt ist (siehe Anhang 8).

2.1. Erstes Ziel: Diskriminierungsfreier Zugang zu Rohstoffen auf dem Weltmarkt

Die EU sollte eine aktive Rohstoffdiplomatie verfolgen, um ihren Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Dazu gehört auch eine bessere Koordinierung der verschiedenen Bereiche der EU-Außenpolitik (Außenbeziehungen, Handel, Entwicklung, Sicherheit usw.). Außerdem muss das Management der strategischen Partnerschaften der EU[8] koordiniert werden, und mit Drittländern, Schwellenländern und ihren regionalen Zusammenschlüssen müssen nach den Grundsätzen des beiderseitigen Interesses politische Gespräche geführt werden, und zwar insbesondere

- mit Afrika zur Intensivierung des Dialogs über den Zugang zu Rohstoffen, die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und die Verkehrsinfrastruktur im Rahmen der Umsetzung der gemeinsamen Strategie und des Aktionsplans 2008-2010;

- mit rohstoffreichen Schwellenländern wie China und Russland zur Intensivierung des Dialogs, u. a. mit dem Ziel, die Aufhebung marktverzerrender Maßnahmen zu erwirken;

- mit von Rohstoffimporten abhängigen Ländern wie den USA und Japan zur Ermittlung gemeinsamer Interessen, zur Planung gemeinsamer Aktionen und zur Erarbeitung von in internationalen Foren zu vertretenden gemeinsamen Standpunkten, z. B: gemeinsame Projekte mit dem US Geological Survey in Bereichen, die für internationale Kooperation in Frage kommen.

Außerdem sollte die EU die verstärkte internationale Zusammenarbeit fördern. Die Kommission will Sensibilisierungsmaßnahmen in Foren wie G8, OECD, UNCTAD und UNEP[9] unterstützen und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie der Weltbank und der Internationalen Meeresbodenbehörde prüfen. Dazu gehören Dialoge über den Tiefseebergbau, die Arktis[10] und die Sicherheit der internationalen Handelswege für Rohstoffe[11]. Die Kommission hat sich auch verpflichtet, die Anwendung des Instrumentariums der sozialen Verantwortung der Unternehmen[12] zu fördern und fördert weiterhin internationale Initiativen für Transparenz in der mineralgewinnenden Industrie wie den Kimberley-Zertifizierungsprozess und die Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (EITI). Die Kommission erwägt auch einen Beitrag zur Initiative EITI++[13].

Wegen seiner erheblichen Relevanz für die Sicherheit im Allgemeinen sollte das Ziel eines sicheren Zugangs zu nichtenergetischen Rohstoffen in der Europäischen Sicherheitsstrategie, die zurzeit vom Rat überarbeitet wird, angemessen berücksichtigt werden.

Der Zugang zu Primär- und Sekundärrohstoffen sollte ein vorrangiges Ziel der EU-Handels- und Regulierungspolitik werden. Mit dem Instrumentarium der Handels- und Regulierungspolitik sollte die EU

- wo erforderlich neue Regelungen und Übereinkommen für einen dauerhaften Zugang zu Rohstoffen initiieren und auf bilateraler und multilateraler Ebene für die Einhaltung internationaler Verpflichtungen sorgen, das u. a in Verhandlungen über WTO-Beitritte, in Freihandelsübereinkommen, im Dialog in Regulierungsfragen und in nichtpräferenziellen Abkommen. Die Kommission will sich auf WTO-Ebene verstärkt für weniger Exportbeschränkungen und für verbesserte Regelungen gegen staatliche Subventionen einsetzen.

- sich dafür einsetzen, dass in allen für den Zugang zu Rohstoffen bedeutsamen Bereichen die von Drittländern getroffenen wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen aufgehoben werden. Die EU will energisch gegen Maßnahmen vorgehen, die gegen die WTO-Regeln oder die Regeln bilateraler Abkommen verstoßen, und dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, u. a. das WTO-Streitbeilegungsverfahren. Die EU will allgemein gegen protektionistische Exportbeschränkungen in Drittländern vorgehen, vorrangig gegen diejenigen, die der europäischen Industrie die größten Schwierigkeiten bereiten oder die den nachgelagerten Industriezweigen in Drittländern einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil auf dem Weltmarkt verschaffen.

- dafür sorgen, dass alle von den Exportländern praktizierten Formen der Preisdiskriminierung bei Rohstoffen im Rahmen von Antidumpingverfahren behandelt und abgestellt werden. Außerdem stehen die Verordnung gegen Handelshemmnisse und Instrumente wie Schutz- und Antisubventionsmaßnahmen zur Verfügung, um gegen Wettbewerbsverzerrungen im Rohstoffhandel oder ihre Folgen wie Export von nachgelagerten Produkten zu Dumpingpreisen vorzugehen.

- dafür sorgen, dass die Anwendung der verschiedenen handelspolitischen Instrumente wie präferenzielle Handelsabkommen und die EU-Partnerschaft zur Öffnung der Märkte mit dem Ziel konsistent ist, offene und gut funktionierende Rohstoffmärkte zu schaffen. Dabei sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass Drittländern der EU-Markt nur in dem Maße geöffnet wird (etwa durch ermäßigte Zolltarife), wie sie ihre restriktiven Maßnahmen zurücknehmen.

- neben den externen Behinderungen der Rohstoffversorgung auch das EU-Zolltarifsystem im Auge behalten, dafür sorgen, dass es der Entwicklung des Rohstoffbedarfs der EU Rechnung trägt und insbesondere prüfen, ob und wie Importbeschränkungen für Rohstoffe gelockert werden können, etwa für nachwachsende Rohstoffe, die zur Herstellung anderer Produkte wie Chemikalien benötigt werden. Für nachwachsende Rohstoffe sollten parallel dazu Nachhaltigkeits- und Zertifizierungsstandards ausgearbeitet werden.

- in Fällen von wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und Marktkonzentration die EU-Wettbewerbsregeln uneingeschränkt anwenden.

Die Kommission wird die Fortschritte bei den Handelsbeziehungen überwachen, darüber jährlich Bericht erstatten und dazu gegebenenfalls Beiträge interessierter Kreise heranziehen.

Viele bedeutende Rohstoffvorkommen befinden sich in den Entwicklungsländern Afrikas und anderen Entwicklungsländern. Es empfiehlt sich, die EU-Entwicklungspolitik auf diskriminierungsfreien Zugang der EU zu Rohstoffen auszurichten, damit EU und Entwicklungsländer gleichermaßen gewinnen. Verantwortungsvolle Staatsführung, Transparenz bei der Vergabe von Abbaulizenzen und der Verwendung der Einnahmen aus der Rohstoffförderung, gleiche Bedingungen für alle Unternehmen, Zugang zu Finanzmitteln, gerechte Besteuerung und eine solide Entwicklung sind für die Entwicklungsländer und die EU gleichermaßen von Nutzen. Der Entwicklungspolitik kommt dabei eine dreifache Aufgabe zu:

A. Stärkung der Staatsführung: Eine verantwortungsvolle Staatsführung ist die Voraussetzung dafür, dass die Entwicklungsländer ihre Vorkommen an mineralischen Rohstoffen für die nachhaltige Entwicklung ihrer Wirtschaft und die Bekämpfung der Armut nutzen können. Im 10. Europäischen Entwicklungsfonds ist eine Anreiztranche in Höhe von 2,7 Mrd. Euro vorgesehen, die an die Entwicklungsländer entsprechend ihren Governance-Plänen vergeben wird.[14] Viele Governance-Pläne enthalten entweder allgemeine Verpflichtungen für die Bereiche Wirtschaft, Finanzen, Steuern und Justiz oder spezifische Verpflichtungen für die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und die Transparenz bei der Vergabe von Abbaulizenzen und der Verwendung der Einnahmen aus der Rohstoffförderung.[15] Ein Teil unserer Hilfe für diese Länder ist gerichtet auf ihre Befähigung zur Verwaltung der öffentlichen Finanzen, zur nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und zu Verhandlungen mit Bergbauunternehmen. Einen weiteren bedeutenden Teil unserer Hilfe vergeben wir für Verkehrsinfrastrukturprojekte in AKP-Ländern. Eine genügend leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung für nachhaltigen Bergbau.[16]

Ein Instrument zur Stärkung der Staatsführung in den Entwicklungsländern ist die Budgethilfe . Sie trägt zur Entwicklung solider öffentlicher Finanzen in den Entwicklungsländern bei. Die Einhaltung der Grundsätze solider öffentlicher Finanzen, auch bei der Bewirtschaftung ihrer Einnahmen aus der Rohstoffförderung, bleibt eine wichtige Bedingung für die Vergabe von Budgethilfe durch die EU. auf die verpflichten.

Die EU sollte den Dialog mit ihren Partnerländern und den internationalen Finanzorganisationen über den weiteren Schuldenabbau fortsetzen.

B. Förderung eines günstigen Investitionsklimas zur Erhöhung des Rohstoffangebots:

Die Entwicklungspolitik sollte auch zur Entwicklung eines klaren rechtlichen und administrativen Rahmens beitragen, indem sie hinwirkt auf

- Zugang zu Rohstoffen für alle Unternehmen und Länder zu gleichen Bedingungen;

- mehr Transparenz bei der Vergabe von Abbaulizenzen und der Verwendung der Einnahmen aus der Rohstoffförderung;

- gerechte Besteuerung – alle Wirtschaftszweige, auch der Bergbau, tragen ihren Teil zur Finanzierung des Staates bei.[17]

Einen weiteren Beitrag zur Sicherung einer dauerhaften Rohstoffversorgung leistet die Europäische Investitionsbank mit ihrer Kreditvergabe für Bergbauprojekte. Die Bank will ihr entsprechendes Kreditvolumen über den bisherigen durchschnittlichen Jahresbetrag (seit Inkrafttreten des Partnerschaftsabkommens von Cotonou im Jahre 2000) von 140 Mio. € hinaus steigern, vor allem in Ländern, die sich verpflichtet haben, die in den Governance-Aktionsplänen vorgesehenen Reformen zur Verbesserung von Governance und Transparenz in der mineralgewinnenden Industrie durchzuführen. Die Kommission unterstützt dieses Vorhaben nachdrücklich.

C. Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung von Rohstoffen

Unsere Entwicklungspolitik hilft unseren Partnerländern auch, ihre sozialen Standards anzuheben, ihren Umweltschutz zu verbessern, die Menschenrechtssituation zu verbessern und die Kinderarbeit zu bekämpfen und das besonders in handwerklichen und kleinen industriellen Bergbaubetrieben, die ca. 100 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen.

2.2. Zweites Ziel: Dauerhafte Versorgung mit Rohstoffen aus europäischen Quellen

Damit eine dauerhafte Versorgung mit Rohstoffen aus europäischen Quellen möglich ist, müssen die richtigen Rahmenbedingungen herrschen. Die mineralgewinnende Industrie braucht für ihre Tätigkeit in erster Linie Land, doch hat sie wegen konkurrierender Nutzungen zunehmend Schwierigkeiten, es zu bekommen. Es ist in der EU nicht ungewöhnlich, dass von der Entdeckung eines Rohstoffvorkommens bis zu seinem Abbau 8 bis 10 Jahre vergehen. Die Erfahrung lässt es geboten erscheinen, die administrativen Vorschriften zu vereinfachen und die Genehmigungsverfahren für Exploration und Abbau zu beschleunigen. Das erkennen inzwischen auch die Mitgliedstaaten. So hat Schweden sein Bergrecht modernisiert und für die Genehmigungsverfahren Fristen festgesetzt.

Die dauerhafte Versorgung mit Rohstoffen aus europäischen Quellen setzt mehr Wissen über die in der EU vorhandenen Lagerstätten voraus. Die Möglichkeit des Zugangs zu ihnen sollte bei der Raumplanung offen gehalten werden. Die Kommission empfiehlt deshalb, die staatlichen geologischen Anstalten stärker an der Raumplanung der Mitgliedstaaten zu beteiligen. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip schlägt die Kommission die Einrichtung einer Plattform vor, auf der die Mitgliedstaaten sich über die am besten geeigneten Methoden der Raumplanung (wie etwa den österreichischen Rohstoffplan) und die Rahmenbedingungen für die mineralgewinnende Industrie austauschen können.

Außerdem empfiehlt die Kommission eine bessere Vernetzung der staatlichen geologischen Anstalten , um den Informationsaustausch, die Verbreitung von Daten und ihre gemeinsame Nutzung zu fördern. Dabei sollte den Belangen kleinerer und mittlerer Unternehmen besonders Rechnung getragen werden. Die Kommission will gemeinsam mit den Mitgliedstaaten auch prüfen, wie der Landüberwachungsdienst des Erdbeobachtungssystem Kopernikus[18] mittel- bis langfristig auch unter der Erdoberfläche liegende Merkmale erfassen kann, die dann zur Verbesserung der Raumplanung genutzt werden könnten.

Die meisten für die Gewinnung nichtenergetischer Rohstoffe bedeutsamen EU-Rechtsvorschriften gelten bereichsübergreifend. Kopfzerbrechen bereiten der mineralgewinnenden Industrie die Natura 2000-Richtlinien. Bei der öffentlichen Anhörung äußerte sich die Industrie besorgt über die möglichen Konflikte zwischen den Natura 2000-Zielen und der Entwicklung des Bergbaus in Europa. Die Kommission weist darauf hin, dass die Rohstoffgewinnung in Natura 2000-Gebieten keineswegs zwingend ausgeschlossen ist. Sie will aber gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Leitlinien für Industrie und Behörden ausarbeiten, um klarzustellen, wie der Abbau von mit den Schutzzielen von Natura 2000 vereinbar ist. Diese Leitlinien sollen Ende 2008 vorliegen und beruhen auf der besten derzeitigen Praxis.

Zur Lösung der technischen Probleme nachhaltiger Mineralgewinnung fördert die Kommission in ihrem 7. Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung Forschungsprojekte zum Thema „Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen“ (FP7). Die Europäische Technologieplattform für nachhaltige Gewinnung mineralischer Rohstoffe soll neue Methoden zur Exploration tief liegender Rohstoffvorkommen an Land und unter dem Meeresboden (einschließlich Tiefsee) und neue, wirtschaftlich und ökologisch optimale Fördertechniken hervorbringen. Die Plattform für Meerestechnik soll Techniken für eine nachhaltige Nutzung des Meersbodens entwickeln.

Die mineralgewinnende Industrie ist in einigen abgelegenen Regionen Europas ein Motor des Wirtschaftswachstums. Im Rahmen der Kohäsionspolitik stehen Mittel zur Verfügung, insbesondere aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, mit denen Forschung und Innovation zur Exploration und Gewinnung von Rohstoffen und entsprechend tätige Unternehmen gefördert werden können.

Wie in anderen Industriezweigen werden in Europas mineralgewinnender Industrie Fachkräfte knapp , was Auswirkungen auf die Zukunft der Branche hat[19]. Zudem ist die Bedeutung der heimischen Rohstoffquellen für die europäische Wirtschaft der Öffentlichkeit wenig bewusst . Um das zu ändern, sollten mehr und besser funktionierende Partnerschaften zwischen Hochschulen, geologischen Anstalten und der Industrie angeregt werden. Die Kommission will dazu ihrerseits Initiativen wie den Europäischen Mineralientag 2009 unterstützen und, um dem Fachkräftemangel abzuhelfen, den Erwerb hoher Qualifikationen in Geologie, Erdbeobachtung und Umweltwisenschaften fördern, insbesondere über die gemeinsamen Master- und Promotionsprogramme des Erasmus Mundus-Mineralien- und Umweltprogramms (2009-2013). Da man qualifizierte Arbeitskräfte nur gewinnen kann, wenn man eine sichere Arbeitsumwelt bietet, will die Kommission auch Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsschutzes fördern.

2.3. Drittes Ziel: Senkung des Primärrohstoffverbrauchs in der EU

Ressourceneffizienz, Recycling, Substitution und der verstärkte Einsatz erneuerbarer Rohstoffe sollten gefördert werden, um die kritische Abhängigkeit der EU von Primärrohstoffen und Rohstoffimporten zu mindern, die Umweltbilanz zu verbessern und zugleich die Industrie mit den von ihr benötigten Rohstoffen zu versorgen. Das ist als Teil des Übergangs zu Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch und zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft zu sehen.

Die Thematische Strategie der EU für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen[20] ist langfristig und verfolgt das Ziel, Ressourcenverbrauch und Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. In einem vor kurzem veröffentlichten Aktionsplan für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch und für eine nachhaltige Industriepolitik[21] bekundet die Kommission ihre Absicht, auf Steigerung der Ressourceneffizienz , Einführung umweltfreundlicher Produktionsprozesse, optimale Nutzung von Ressourcen und verstärktes Recycling hinzuwirken und die Abhängigkeit Europas von Rohstoffimporten zu mindern.

Die Kommission fördert in ihrem 7. Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung Forschungsprojekte zum Thema „ressourcenschonende Produkte“ . Außerdem enthält die Ökodesign-Richtlinie[22] Bestimmungen für die ressourceneffiziente Gestaltung von Produkten. Die Forschung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Ersatzstoffen, die Europa weniger abhängig von Importen machen sollen. Vor kurzem hat die OECD ihren Mitgliedern empfohlen[23], leistungsfähigere Methoden der Analyse von Materialströmen zu entwickeln und so die Ressourcenproduktivität zu steigern. In der EU sollen die Datenzentren für natürliche Ressourcen, Produkte und Abfall die Beiträge der Mitgliedstaaten koordinieren.

Der zunehmende Einsatz von Sekundärrohstoffen verbessert die Versorgungssicherheit und die Energieeffizienz. Allerdings werden zahlreiche Altprodukte keinem ordnungsgemäßen Recycling zugeführt. So gehen wertvolle Sekundärrohstoffe unwiederbringlich verloren. Es gibt Anzeichen dafür, dass in der EU ein erheblicher Teil der Abfallverbringungen nicht den Vorschriften entspricht, wenn auch die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist.[24] Das betrifft überwiegend die Entsorgung von Altfahrzeugen und Elektronik-Altgeräten, die die EU als wiederverwendbare Produkte verlassen und in Drittländern dann zerlegt werden. Dazu kommt, dass die Mitgliedstaaten die Klassifizierung von Abfällen für die Zwecke der Verbringung unterschiedlich auslegen. So entstehen im Binnenmarkt Hemmnisse für den Handel mit Altstoffen. Das ist umso bedauerlicher, als durch den Export von Altprodukten zum Recycling in Drittländern (mit weniger strengen Umweltschutzvorschriften) und den Import der daraus gewonnenen Sekundärrohstoffe erhebliche Schadstoffmengen in die Umwelt gelangen.

Gegenüber Drittländern sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten darauf dringen, dass in diese Länder exportierte Abfälle umweltschonend behandelt werden. Die Kommission will im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten eine Aufklärungskampagne durchführen[25] und für den ordnungsgemäßen und einheitlichen Vollzug der Abfallverbringungsverordnung sorgen (Umsetzung des Basler Übereinkommens), etwa indem sie genauer angibt, wann eine Exportgenehmigung für Altprodukte versagt werden kann. In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten will sie wirksamere Verfahren zur Überwachung von Abfallverbringungen vorschlagen und Informationen über illegale Verbringungen veröffentlichen.

Das Recycling von Altstoffen wird dadurch gefördert, dass die einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften[26] in vollem Umfang angewandt und vollzogen werden, ebenso durch neue Bestimmungen in der Abfall-Rahmenrichtlinie, die festlegen, wann aus Abfall Sekundärrohstoff wird. Die Richtlinie verpflichtet auch die Mitgliedstaaten, bestimmte Mindestanteile von Altmetall, Altpapier, Altglas und von ungefährlichem Bauschutt der Wiederverwendung und dem Recycling zuzuführen.

Wenn die Wiederverwendung und das Recycling von Produkten und Stoffen in der EU auf ein wirtschaftlich bedeutendes Niveau steigen sollen, müssen auf dem Altstoffmarkt durch einen angemessenen Rechtsrahmen, allgemein anerkannte Mindeststandards und gegebenenfalls ein Zertifizierungssystem Transparenz und fairer Wettbewerb gewährleistet sein. Im Aktionsplan (2008-2011) für die Leitmarktinitiative Recycling sind zur Entwicklung des Marktes für Recyclingstoffe Maßnahmen in den Bereichen Gesetzgebung, Normung und Kennzeichnung, öffentliches Auftragswesen, finanzielle Unterstützung, Wissensaustausch sowie internationale Aktionen geplant[27].

Nachwachsende Rohstoffe stehen der europäischen Industrie nur in begrenztem Umfang zur Verfügung, weil die Anbaufläche begrenzt ist und bisweilen andere Landnutzungen mit dem Anbau konkurrieren. Die nationale und die europäische Politik zur Förderung der Nutzung nachwachsender Rohstoffe hat mögliche Auswirkungen auf deren industrielle Anwender. Die Kommission wird deshalb die Auswirkungen erhöhter Nachfrage nach Biomasse auf die Biomasse verarbeitenden Industriezweige verfolgen und über sie Bericht erstatten.[28]

3. DIE NÄCHSTEN SCHRITTE

Die Sicherung einer dauerhaften Versorgung der EU mit nichtenergetischen Rohstoffen ist eine komplexe Aufgabe, bei der zahlreiche miteinander zusammenhängende Probleme zu lösen sind. Europa muss diese Aufgabe entschlossen angehen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Das erfordert Handeln auf höchster politischer Ebene im Rahmen einer umfassenden EU-Strategie, die die Tätigkeit in den verschiedenen Politikbereichen bündelt und wo nötig die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten intensiviert. Die drei Ziele der vorgeschlagenen Strategie sind Zugang zu Rohstoffvorkommen in Drittländern zu gleichen Bedingungen für alle, bessere Rahmenbedingungen für die Rohstoffgewinnung in der EU und Senkung des Verbrauchs von Primärrohstoffen durch Steigerung der Ressourceneffizienz und mehr Recycling.

Die Kommission schlägt vor, eine Europäische Rohstoffinitiative zu starten, deren Konzept in folgender Tabelle wiedergegeben ist. Sie wird dem Rat in 2 Jahren über die Durchführung der Initiative Bericht erstatten.

Die Rohstoffinitiative

Beteiligte |

EG | Mitglied-staaten | Industrie |

1 | Bestimmung der kritischen Rohstoffe | X | X | X |

2 | Beginn der Rohstoffdiplomatie mit bedeutenden Industrieländern und mit rohstoffreichen Ländern | X | X |

3 | Aufnahme von Bestimmungen über Zugang zu und nachhaltige Bewirtschaftung von Rohstoffen in alle bilateralen und multilateralen Handelsabkommen und gegebenenfalls Erörterung solcher Bestimmungen im Dialog über Regulierungsfragen | X | X |

4 | Ermittlung marktverzerrender Maßnahmen von Drittländern und Vorgehen gegen diese Maßnahmen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, u. a. durch WTO-Verhandlungen, WTO-Streitbeilegungsverfahren und Partnerschaften zur Öffnung der Märkte, wobei vorrangig gegen die Maßnahmen vorzugehen ist, die für die EU am nachteiligsten sind. Überwachung der Fortschritte bei den Handelsbeziehungen und Abfassung jährlicher Fortschrittsberichte, gegebenenfalls unter Heranziehung von Beiträgen interessierter Kreise | X | X | X |

5 | Ausrichtung der Entwicklungspolitik auf dauerhaften Zugang zu Rohstoffquellen durch die Gestaltung der Budgethilfe, der Kooperationsstrategien und anderer Instrumente | X | X |

6 | Verbesserung des Rechtsrahmens für den Zugang zu Land durch: - Förderung des Austauschs der am besten geeigneten Raumplanungs- und Verwaltungsverfahren für die Exploration und den Abbau von Rohstoffvorkommen, | X |

- Ausarbeitung von Leitlinien, die eindeutig Auskunft darüber geben, wie in oder nahe Natura 2000-Gebieten die Belange der Rohstoffgewinnung mit denen des Umweltschutzes in Einklang gebracht werden können | X |

7 | Bessere Vernetzung der staatlichen geologischen Anstalten, um die Wissensbasis der EU zu vergrößern | X |

8 | Förderung der Ausbildung von Fachkräften und der Forschung zu innovativen Explorations- und Fördertechniken, zum Recycling, zu Ersatzstoffen und zur Steigerung der Ressourceneffizienz | X | X | X |

9 | Steigerung der Ressourceneffizienz und Förderung der Verwendung von Ersatzstoffen | X | X | X |

10 | Förderung des Recycling und Erleichterung der Verwendung von Sekundärrohstoffen in der EU | X | X | X |

[1] Nachhaltige Entwicklung umfasst wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Aspekte, KOM(2005) 658.

[2] 10032/07.

[3] Commission Staff Working Document on extraction within the EU - SEC(2007) 771.

[4] http://ec.europa.eu/enterprise/non_energy_extractive_industries/raw_materials.htm

[5] Weltinvestitionsbericht 2007.

[6] Die G 8 hat Empfehlungen ausgesprochen, mit denen die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit und Transparenz in der Exploration und Förderung von Rohstoffen bekräftigt wird.

[7] Improving Recycling Markets, OECD (2006).

[8] Die strategischen Partner der EU sind Brasilien, Kanada, China, Indien, Japan, Russland und die USA.

[9] Mit dem Internationalen Ausschuss für nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung.

[10] Die Kommission wird einen Vorschlag für eine Politik in der Arktis vorlegen.

[11] Die EU-Meerespolitik umfasst ein Rahmenprogramm zur Stärkung der Führungsrolle Europas in internationalen maritimen Angelegenheiten und beschäftigt sich in integrativer und umfassender Weise mit dieser Frage.

[12] KOM(2006) 136.

[13] Die Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft Plus Plus (EITI++) ist eine die EITI ergänzende Initiative der Weltbank. Sie soll die Länder befähigen, den Anstieg der Rohstoffpreise sinnvoll zu nutzen und die wachsenden Einnahmen aus dem Rohstoffhandel für die Bekämpfung von Hunger, Unterernährung, Analphabetismus und Krankheit einzusetzen.

[14] KOM(2006) 421, vom Rat gebilligt am 16. Oktober 2006, Dok. 14024/06.

[15] So hat Kamerun im Rahmen von EITI und FLEGT eingegangene Verpflichtungen in sein Governance-Profil aufgenommen.

[16] Verkehrsinfrastrukturprojekte sind nicht fest mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen verknüpft, können dafür aber von Bedeutung sein, so etwa das Infrastrukturprojekt im westlichen Korridor in Ghana, wo die Eisenbahn- und Hafeninfrastruktur ausgebaut wird, damit Bauxit und Manganerz aus dem Landesinnern an die Küste transportiert werden können.

[17] So hat Sambia (wie Mosambik) mit EU-Hilfe ein zentrales Konto des Finanzministeriums eingerichtet, auf dem alle Einnahmen, auch die aus dem Bergbau, verbucht werden, und die Transparenz und Progressivität des Steuersystems für den Bergbau verbessert.

[18] Frühere Bezeichnung: Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES – Global Monitoring for Environment and Security).

[19] Zum allgemeinen Thema Antizipation des künftigen Arbeitskräftebedarfs und Deckung von Angebot an und Nachfrage nach Qualifikationen wird die Kommission im Dezember 2008 die Initiative „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ vorstellen.

[20] KOM(2005) 670.

[21] KOM(2008) 397.

[22] Richtlinie 2005/32/EG.

[23] OECD Council on Resource Productivity, 10. April 2008 - C(2008)40.

[24] Eine 2006 durchgeführte Untersuchung von Abfallverbringungen ergab, dass in über 50 % der Fälle gegen geltendes Recht verstoßen wurde. In weiteren 43 % der Fälle wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt.

[25] IMPEL-TFS-Durchführungsmaßnahmen I (2008).

[26] Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge, Richtlinie 2006/66/EG über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren, Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle, Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle (wird zurzeit überarbeitet).

[27] KOM(2007) 860.

[28] KOM(2008) 19 endg.

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