EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52003DC0016

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Auf dem Weg zu einem rechtsverbindlichen Instrument der Vereinten Nationen zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen

/* KOM/2003/0016 endg. */

52003DC0016

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Auf dem Weg zu einem rechtsverbindlichen Instrument der Vereinten Nationen zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen /* KOM/2003/0016 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Auf dem Weg zu einem rechtsverbindlichen Instrument der Vereinten Nationen zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen

ZUSAMMENFASSUNG

Der Zweck dieser Mitteilung besteht darin, die Unterstützung der Europäischen Kommission für ein rechtsverbindliches Instrument der Vereinten Nationen (UN) darzulegen, um die Rechte und die Würde von behinderten Personen zu schützen und zu fördern und um zu erklären, warum eine aktive Teilnahme der Europäischen Gemeinschaft an der Entwicklung solch eines Instruments unentbehrlich ist.

Diskussionen haben im Rahmen eines UNO-Ad-hoc-Ausschusses begonnen, der von UNO-Entschließung 56/168 eingesetzt wurde, um ,Vorschläge für ein umfassendes und integratives internationales Übereinkommen über die Förderung und den Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen zu prüfen".

Selbst wenn es keinen Zweifel gibt, daß allgemeine Menschenrechtsnormen für Menschen mit Behinderungen anzuwenden sind, gibt es weitverbreitete Belege dafür, daß es große Hindernisse für die Ausübung dieser Rechte gibt. Dies ist ausdrücklich auf internationaler Ebene anerkannt worden. Die Beachtung des Gleichheitsprinzips, das Kern jedes Menschenrechtsinstruments ist, erfordert anzuerkennen, daß behinderte Personen berechtigt sind, alle international garantierten Rechte und Freiheiten zu genießen und dies ohne Diskriminierung auf Grund der Behinderung. Der Mehrwert eines neuen rechtsverbindlichen Instruments der UNO würde darin bestehen, dieses Problem anzusprechen und dadurch den bestehenden Menschenrechtsrahmen zu ergänzen. Thematische Konventionen auf anderen Gebieten (Frauen, Kinder, Rennen) haben einen Mehrwert und Komplementarität mit bestehenden Menschenrechtsinstrumenten demonstriert.

Die Betonung von Diskriminierung stimmt vollständig mit dem rechtbasierten Konzept der Europäischen Gemeinschaft zur Behinderung überein, das impliziert, daß behinderte Personen die Gelegenheit haben sollten, ihre Rechte auf gleicher Grundlage wie der Rest der Bevölkerung zu genießen. Er stimmt auch mit Politikentwicklungen überein, die auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags stattgefunden haben, der die Gemeinschaft Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung auf Grund von Behinderung zu ergreifen . Die Gemeinschaft hat von diesen neuen Bestimmungen insbesondere im Bereich der Beschäftigung bereits Gebrauch gemacht.

Die aktive Beteiligung der Gemeinschaft an den Bemühungen, auf internationaler Ebene effektive Mechanismen zur Bekämpfung von Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln, wäre auch eine natürliche Ergänzung zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen. Sie würde ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft bezüglich des hohen Stellenwertes sein, den die Europäische Gemeinschaft den Rechten von Menschen mit Behinderungen beimißt.

In diesem Zusammenhang wird die Kommission in Kürze dem Rat eine Empfehlung vorschlagen, die um eine Genehmigung für die Kommission ersucht, im Rahmen bevorstehender Sitzungen des UNO-Ad-hoc-Ausschusses zu verhandeln und diese Verhandlungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft zu führen.

1. Einführung

Es sind Diskussionen im Rahmen eines Ad-hoc-Ausschusses der Vereinten Nationen (UN) eingeleitet worden, der durch die UN-Resolution 56/168 eingesetzt worden ist, um ,Vorschläge für ein umfassendes und integratives internationales Übereinkommen über die Förderung und den Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen zu prüfen" [1]. Die Kommission begrüßt diese Debatte auf internationaler Ebene. Sie entspricht ganz und gar der Politik der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen, die gemäß Artikel 13 EG-Vertrag umgesetzt wird und den Schlüsselzielsetzungen, auf die sich die Mitgliedstaaten für das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 geeinigt haben.

[1] http://www.un.org/esa/socdev/enable/ disA56168e1.htm

Mit der vorliegenden Mitteilung soll der Standpunkt der Europäischen Kommission in Bezug auf ein denkbares rechtsverbindliches internationales Instrument dargestellt werden.

In der Mitteilung wird die Behindertenthematik im UN-Kontext erklärt. Man erwägt einen menschenrechtsorientierten Ansatz und legt den möglichen zusätzlichen Nutzen eines rechtsverbindlichen UN-Instruments dar. Die Kommission ist der Meinung, der Zweck eines derartigen Rechtsinstruments sollte vornehmlich sein, die Anwendung allgemeiner Menschenrechtsnormen im Zusammenhang mit Behinderungen herauszustellen und ihre Relevanz und Öffentlichkeitswirkung deutlicher herauszuarbeiten. Anstatt neues Recht zu schaffen sollte man mit diesem Rechtsinstrument die bestehenden Standards der Menschenrechtsumsetzung auf die spezifischen Besonderheiten von Menschen mit Behinderungen zuschneiden und damit den Zugang behinderter Menschen zu ihren Rechten verbessern.

Die Mitteilung, die sich die Erfahrungen der Gemeinschaft zu Nutze macht, was die Bekämpfung von Diskriminierungen und die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG zur Frage der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf betrifft, die auch spezifische Bestimmungen für Menschen mit Behinderungen enthält, skizziert die Grundprinzipien, an denen sich das in Aussicht genommene Rechtsinstrument ausrichten sollte. Schließlich ist diese Mitteilung ein Zeichen für die Absicht der Kommission, einen aktiven Beitrag zur Ausarbeitung eines derartigen Rechtsinstruments zu leisten, da die Gemeinschaft über Kompetenz im Bereich der Bekämpfung von Diskriminierungen verfügt.

2. Hintergrund

Die UN-Debatte über eine thematische Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist nicht neu. Behindertenfragen sind bereits bei verschiedenen Gelegenheiten in den Vereinten Nationen erörtert worden. In den siebziger Jahren waren zwei Erklärungen, die Erklärung über die Rechte der geistig Zurückgebliebenen [2] und die Erklärung über die Rechte der Behinderten [3] die ersten Rechtsinstrumente, in denen die Menschenrechte von Personen mit Behinderungen ausdrücklich anerkannt wurden. Obwohl diese Erklärungen wichtige Ausgangspunkte für eine Sensibilisierung für die Rechte Behinderter darstellten, übte man Kritik, weil sie auf veralteten medizinischen und wohlfahrtsstaatlichen Behinderungsmodellen gegründet waren.

[2] In der Resolution der Generalversammlung 2856 (XXVI) vom 20. Dezember 1971 abgegeben, http://www.unhchr.ch/html/menu3/b/ m_mental.htm.

[3] In der Resolution der Generalversammlung 3447 (XXX) vom 9. Dezember 1975 abgegeben, http://www.unhchr.ch/html/menu3/b/ 72.htm.

In zwei weiteren Rechtsinstrumenten in den späten 80er Jahren - den Grundsätzen für den Schutz von psychisch Kranken und die Verbesserung der psychiatrischen Versorgung [4] und den Rahmenbestimmungen der Vereinten Nationen für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte [5] - wurde insbesondere das Thema Chancengleichheit betont. Alle diese Rechtsinstrumente sind dadurch von Nutzen gewesen, dass sie das Recht behinderter Menschen auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung expressis verbis klarstellten und sie haben das Verständnis für die allgemeinen Menschenrechtskonventionen verbessert, was Menschen mit Behinderungen anbelangt. Dessen ungeachtet sind diese Rechtsinstrumente sämtlich für die UN-Mitgliedstaaten nicht verbindlich und sie enthalten keine Bestimmungen für eine Überwachung der Rechte behinderter Menschen.

[4] GV Res. 46/119, 46 UN. GVOP Beilage (Nr. 49) 189, UN-Dok. A/46/49 (1991).

[5] Von der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf der achtundvierzigsten Sitzung angenommen, Resolution 48/96, Anhang, vom 20. Dezember 1993,

In diesem Zusammenhang brachte die mexikanische Regierung im Dezember 2001 die UN-Resolution 56/168 ein, die dazu aufforderte, eine Konvention über die Menschenrechte von Personen mit Behinderungen in Betracht zu ziehen und unverzüglich einen Ad-hoc-Ausschuss zu bilden. Dessen Aufgabe würde darin bestehen, ,Vorschläge für ein umfassendes und integratives internationales Übereinkommen über die Förderung und den Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen zu prüfen". Diese Resolution wurde mit der Unterstützung des Dritten Ausschusses (soziale Fragen) von der UN-Generalversammlung ohne Abstimmung verabschiedet.

Darauf hin nahm die UN-Kommission für soziale Entwicklung am 21. Februar 2002 eine Resolution an, in der die UN-Resolution 56/168 für ein umfassendes und integratives internationales Übereinkommen über die Förderung und den Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen begrüßt wird. Auf diese Resolution folgte Resolution 2002/61 [6], die am 25. April 2002 von der UN-Menschenrechtskommission angenommen wurde.

[6] http://www.unhchr.ch/huridocda/ huridoca.nsf/(symbol)/E.CN.4.RES.2002.61.EN?opendocument

Im Folgenden hielt der Ad-hoc-Ausschuss vom 29. Juli bis 9. August 2002 seine erste Sitzung ab. In seinen Empfehlungen für die UN-Generalversammlung hat der Ad-hoc-Ausschuss unter anderem ,(invited) regional commissions and inter-governmental organisations, as well as non-governmental organisations to make available to the Ad Hoc Committee suggestions and possible elements, to be considered in proposals for a Convention (Regionalkommissionen und zwischenstaatliche sowie Nichtregierungsorganisationen (aufgefordert), dem Ad-hoc-Ausschuss Anregungen und Denkanstöße zugänglich zu machen, die in Vorschlägen für eine Konvention in Erwägung gezogen werden können)".

3. Die Gewährleistung der Menschenrechte im Zusammenhang mit Behinderungen

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind über 500 Millionen Menschen als Folge einer Beeinträchtigung ihrer geistigen, körperlichen oder Wahrnehmungsfähigkeiten behindert und ihre Lebensführung ist, ungeachtet der Frage, in welchem Teil der Welt sie leben, häufig durch physische, technische oder soziale Barrieren eingeschränkt. Die meisten behinderten Menschen leben in Entwicklungsländern, in denen Armut und das Fehlen von sozialer Grundversorgung und Bildung auch zu den Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen gehören. Menschen mit Behinderungen bilden keine homogene Gruppe; es besteht ein breites Spektrum von Behinderungen und entsprechenden Problemstellungen. Behinderungen können offen oder versteckt sein, schwer oder geringfügig, einfach oder mehrfach, chronisch oder intermittierend. Zu den Behinderungen gehören Beeinträchtigungen von Mobilität/Beweglichkeit, geistige/kognitive Beeinträchtigungen sowie Beeinträchtigungen der Hör-, Sprach- und Sehfähigkeit. Befinden sich Behinderte in einer Umgebung, die die Folgen ihrer Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt, sehen sie sich mit Barrieren konfrontiert, die sie daran hindern, ihre Rechte und Chancen auf der gleichen Grundlage wie andere Menschen wahrzunehmen.

Der bestehende rechtliche Rahmen

Die wichtigsten Menschenrechtsabkommen - einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN und die internationalen Konventionen für zivile und politische Rechte und wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte - berufen sich darauf, daß Menschenrechte allen Menschen zustehen, und daß jedermann zum Genuß jener Rechte ohne die Unterscheidung jeder Art berechtigt ist. Die Berechtigung zum vollständigen Genuß aller Menschenrechte ohne Diskriminierung gilt auch für Menschen mit Behinderungen - es geht jetzt um die Aufgabe sicherzustellen, daß diese Berechtigung vollständig anerkannt und realisiert wird.

Die Achtung des Gleichheitsgrundsatzes, des Kernstücks jedes Instruments zur Wahrung der Menschenrechte, setzt voraus, dass sichergestellt wird, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechte auf der gleichen Grundlage wahrnehmen können wie andere Menschen. Zwar sind in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte erreicht worden, es bleibt jedoch eine Reihe von Problemen bestehen, die es Menschen mit Behinderungen nicht erlauben, in vollem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Daher lautet eine Schlüsselfrage, ob der durch die bestehenden internationalen Instrumente zur Wahrung der Menschenrechte gewährte Schutz für Personen mit Behinderungen angemessen ist oder nicht.

Der politische Wille, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu sichern

Die internationale Gemeinschaft hat unterstrichen, dass sie dem Prinzip verpflichtet ist, daß Menschenrechte gleichermaßen für Menschen mit Behinderungen gelten. Zum Beispiel heißt esin Paragraf 63 der Wiener Erklärung und des Aktionsprogramms der Menschenrechtsweltkonferenz in Wien [7]:

[7] Menschenrechtsweltkonferenz - Wien - 14./25. Juni 1993-

,Die Menschenrechtsweltkonferenz bekräftigt, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig sind und daher uneingeschränkt auch für Behinderte gelten. Alle Menschen sind gleich geboren, und jeder hat die gleichen Rechte auf Leben und Wohlergehen, Bildung und Arbeit, darauf, ein unabhängiges Leben zu führen und an allen Bereichen der Gesellschaft aktiv teilzunehmen. Jede direkte Diskriminierung oder sonstige negativ diskriminierende Behandlung einer behinderten Person stellt daher eine Verletzung ihrer Rechte dar. Die Menschenrechtsweltkonferenz ruft die Regierungen auf, erforderlichenfalls Rechtsvorschriften einzuführen oder entsprechend anzupassen, um den Behinderten den Zugang zu diesen und anderen Rechten zu gewährleisten."

Der Beweis für Diskriminierung.

Während im Hinblick auf den internationalen gesetzlichen Rahmen die Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen genauso gültig sind wie für alle anderen, ist es doch Realität, daß ihnen der gleichberechtigte und effektive Zugang zu ihren Rechten fehlt. Dafür gibt es auf internationaler Ebene reichlich Nachweise.

Der Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen [8] merkte in seinem Bericht über Menschenrechte und Behinderungen an:

[8] Bericht über Menschenrechte und Behinderungen von Leandro Despouy

,In most countries, human rights violations against disabled people take the form of unconscious discrimination, including the creation and maintenance of man-made (sic) barriers preventing disabled people from enjoying full social, economic and political participation in their communities. Most governments appear to have a narrow understanding of human rights vis-à-vis disabled people and believe they need only abstain from taking measures, which have a negative impact on them. As a consequence, disabled people are neglected in the area of human rights policy and legislation (In den meisten Ländern nehmen Verstöße gegen die Menschenrechte von Behinderten die Form einer unbewussten Diskriminierung an, wozu auch gehört, dass Menschen Barrieren errichten und aufrecht erhalten, die Behinderten eine uneingeschränkte soziale, wirtschaftliche und politische Beteiligung an Leben ihrer Gemeinschaften verwehren. Die meisten Regierungen haben offenbar ein eng gefasstes Verständnis der Menschenrechte in Bezug auf Behinderte und sind der Auffassung, sie bräuchten lediglich darauf zu verzichten, Maßnahmen mit negativen Auswirkungen auf diese zu ergreifen. Als Folge davon werden Behinderte im Bereich der Menschenrechtspolitik und -gesetzgebung vernachlässigt.)".

Das Büro des Sonderberichterstatters für Behinderungen der Kommission für soziale Entwicklung der Vereinten Nationen [9] hat ein Seminar über Menschenrechte und Behinderungen organisiert, dass zum Ziel hatte, Leitlinien für eine wirksamere Ermittlung von Verstößen gegen die Menschenrechte von Behinderten und entsprechendem Missbrauch sowie eine effizientere Berichterstattung darüber auszuarbeiten. Bei dieser Gelegenheit wurde über Beispiele von Missbrauch und Verstößen gegen die Menschenrechte von Behinderten berichtet.

[9] ,Let the World Know" - Seminar über Menschenrechte und Behinderungen, Stockholm, 5.-9.

Inclusion International, eine Nichtregierungsorganisation, legte bei der UN-Menschenrechtskommission eine schriftliche Erklärung vor [10], in der sie Folgendes hervorhob:

[10] Menschenrechtskommission - siebenundfünfzigste Sitzung -

,In practice, people with disabilities continue to be marginalised. People with intellectual disability, in particular, are the most likely of all to be incarcerated in inhumane institutions. They are commonly deprived of an education, refused ordinary social relationships, blocked from meaningful and gainful employment, reduced to irrevocable poverty... their civil and political rights are frequently abused, as are their physical persons. (In der Praxis werden Menschen mit Behinderungen weiterhin marginalisiert. Insbesondere Menschen mit einer geistigen Behinderung laufend am meisten Gefahr, in unmenschlichen Einrichtungen eingesperrt zu werden. Sie werden gemeinhin von Bildungsmaßnahmen fern gehalten, man verweigert ihnen normale soziale Beziehungen, sie werden von einer sinnvollen Erwerbstätigkeit ausgeschlossen und zu unwiderruflicher Armut verdammt ... ihre bürgerlichen und politischen Rechte werden häufig missbraucht, wie auch ihre Körper.)".

Diesen Erfahrungen auf internationaler Ebene stehen gleichartige Erfahrungen in Europa gegenüber. In Zuge des von der Europäischen Gemeinschaft finanziell geförderten jährlichen Europäischen Tages der behinderten Menschen berichteten Behindertenorganisationen über Fälle, in denen behinderten Menschen eine Gleichbehandlung wegen ihrer Behinderung verweigert wurde. So wurde insbesondere in einem Bericht im Zusammenhang des ,Europäischen Tages der behinderten Menschen 1995" von ,Invisible Citizens" der Status von Behinderten in Europa aus juristischer Sicht untersucht und die von Behinderten täglich erfahrenen Diskriminierungen wurden konkret beschrieben [11].

[11] In dem Dokument hat man über Fälle berichtet, in denen ein Gericht eines Mitgliedstaats ein Reisebüro anwies, einer Gruppe nichtbehinderter Touristen eine Entschädigung zu zahlen, weil sie in ihrem Urlaubshotel mit behinderten Touristen zusammenwohnen mussten. Zu sonstigen typischen Beispielen für Diskriminierungen gehört, dass Behinderte nicht in Restaurants zugelassen werden, weil sie ,nicht dem Image entsprechen".

Das Europäische Behindertenforum, die größte Behindertenorganisation in Europa, veröffentlichte 1999 die Ergebnisse einer Erhebung bei allen ihren nationalen Mitgliedsorganisationen zum Thema ,Gewalt gegen und Diskriminierung von behinderten Menschen" [12]. Der Bericht bezieht sich auf Erhebungen, aus denen hervorging, dass Behinderte in zahlreichen Fällen zu Opfern werden und unter Gewalt und Diskriminierungen in vielen Formen zu leiden haben.

[12] Europäisches Behindertenforum - Positionspapier 99/5 - ,Report on violence and discrimination against disabled people (Bericht über Gewalt gegen und Diskriminierung von behinderten Menschen)" - http://www.edf-feph.org/en/publications/ publi/publi.htm

Das Europäische Parlament hat bei verschiedenen Gelegenheiten auf die ungünstige Lage von Menschen mit Behinderungen und die Diskriminierungen hingewiesen, denen sie in der gesamten Union ausgesetzt sind [13], dabei wurde insbesondere die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung von Politikbereichen wie Bildung und Beschäftigung unterstrichen. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat von der ernsten Situationen gesprochen, in der sich behinderte Menschen befinden. Auch der Europäische Ausschuss der Regionen hat auf die Ausgrenzung und Diskriminierung aufmerksam gemacht, mit denen Behinderte in den Mitgliedstaaten konfrontiert sind. Diese Probleme sind auch in den Beitrittskandidatenländern beobachtet worden;

[13] Siehe insbesondere ,Bericht über die Rechte behinderter Menschen", A40391-96 (Berichterstatterin Mary Banotti).

Der Europarat hat kürzlich einen Bericht zum Thema ,Safeguarding adults and children with disabilities against abuse (Schutz von behinderten Erwachsenen und Kindern gegen Missbrauch)" veröffentlicht [14]. In dem Bericht wird hervorgehoben, dass ,their fundamental human rights may still be compromised including the fulfilment of basic needs such as nutrition, warmth, hygiene and privacy (möglicherweise immer noch ihre grundlegenden Menschenrechte beeinträchtigt werden, einschließlich der Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wärme, Hygiene und Anspruch auf Privatsphäre)".

[14] Veröffentlichungen des Europarats - ISBN 92-871-4919-4 - Europarat, Juli 2002.

4. Auf den Rechten der behinderten basierendes Konzept

Die Europäische Union hat große Fortschritte dabei gemacht, die Notwendigkeit einer gleichberechtigten effektiven Inanspruchnahme sämtlicher Menschenrechte durch Behinderte anzuerkennen. So hat die Kommission in ihrer 1996er Mitteilung zur Chancengleichheit für behinderte Menschen [15] darauf hingewiesen, dass der alte medizinisch bezogene Ansatz nunmehr einem sozialen Konzept Platz macht, das ein sehr viel stärkeres Gewicht auf die Identifizierung und Beseitigung der verschiedenen Beschränkungen der Chancengleichheit und auf die volle Teilhabe der Menschen mit Behinderungen an allen Aspekten des Lebens legt.

[15] KOM(96) 406 endg. vom 30. Juli 1996.

Dieser soziale Ansatz strebt die uneingeschränkte Mitwirkung der Behinderten am gesellschaftlichen Leben durch den Abbau der Hindernisse an, die die Herstellung der Chancengleichheit, die uneingeschränkte Teilhabe und die Achtung der Unterschiede beeinträchtigen. Eine Veränderung der Art und Weise, in der unsere Gesellschaften organisiert sind, kann Hindernisse, mit denen behinderte Menschen konfrontiert sind, beträchtlich reduzieren oder abbauen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Europäische Gemeinschaft ihre Gesamtstrategie klären und bekräftigen muss, deren Kernsubstanz im gemeinsamen Bekenntnis aller Mitgliedstaaten zur Förderung der Chancengleichheit, zur Beseitigung der Diskriminierung auf diesem Gebiet und zur Anerkennung der Rechte Behinderter bestehen sollte.

Diese Analyse bestätigt, dass die Lebensumstände von Menschen mit Behinderungen und die Diskriminierung, mit der sie konfrontiert werden, gesellschaftlich geschaffene Phänomene sind, die nicht direkt mit ihrer Behinderung an sich zusammenhängen. Während der medizinische Ansatz vielfach das ,Problem" der Behinderung an der Person festmacht, lokalisiert der soziale Ansatz dieses Problem im Umfeld des Behinderten, das somit seinen Anforderungen nicht gerecht wird. So käme der soziale Ansatz etwa zu dem Schluss, dass der Grund, warum Gehörlose keine Fernsehsendungen verfolgen oder an Konferenzen teilnehmen können, nicht in der Taubheit lokalisiert ist, sondern in der Tatsache, dass Fernsehsendungen nicht untertitelt sind oder auf Konferenzen kein Gebärdendolmetscher vorhanden ist [16].

[16] Technologischer Fortschritt kann zur Integration von behinderten Menschen beitragen. Es ist essentiell sicherzustellen, dass diese durch diese Entwicklungen nicht neue Barrieren entstehen.

Dies ist eine kritische Neuorientierung der Perspektive, die sich erheblich auf die Art und Weise auswirkt, in der Politik und Recht im Zusammenhang mit der Behinderung betrieben und ausgelegt werden, sowie auf deren wesentlichen Inhalt. Sie konzentriert sich auf die vielen Barrieren in dem bestehenden sozialen Umfeld, mit denen Behinderte konfrontiert sind, die die normalen Aktivitäten des Alltagslebens ausführen und am gesamten Spektrum des gesellschaftlichen Lebens teilhaben wollen. Danach liegt das Problem nicht in der Behinderung selbst, sondern resultiert vielmehr aus den Strukturen, Praktiken und Einstellungen, die den Betreffenden daran hindern, seine Fähigkeiten zu entfalten.

Im Zuge dieser 1996er Mitteilung haben der Rat der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtung auf den Grundsatz der Chancengleichheit [17] durch Entwicklung umfassender Strategien im Behindertenbereich und die grundsätzliche Vermeidung bzw. Abschaffung jeglicher Art der Diskriminierung aufgrund von Behinderungen bekräftigt.

[17] Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten zur Chancengleichheit für behinderte Menschen - 20. Dezember 1996.

Die zunehmende Beachtung der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung sowie auch aus anderen Gründen spielte auch bei den Vorarbeiten zum Amsterdamer Vertrag eine Rolle. Dies führte zur Aufnahme eines generellen Antidiskriminierungsartikels in den EG-Vertrag [18], der der Kommission die Handhabe bietet, die Diskriminierung u. a. aufgrund einer Behinderung zu bekämpfen. Damit wird die Behinderung erstmals ausdrücklich in einem europäischen Vertrag erwähnt und die Notwendigkeit der Bekämpfung dieser Diskriminierung öffentlich bekräftigt.

[18] Artikel 13: Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

Aufgrund dieses neuen Vertragartikels hat der Rat am 27. November 2000 die Richtlinie 2000/78/EG [19] zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verabschiedet. Die Richtlinie verbietet jegliche - direkte oder indirekte - Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung [20]. Zum Thema Behinderung räumt die Richtlinie ein, dass es als Diskriminierung gelten kann, wenn der Arbeitgeber es unterlässt, angemessene Vorkehrungen am Arbeitsplatz zu treffen. Praktisch gesehen können solche Vorkehrungen die behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes etwa durch Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten und Ausrüstung, durch entsprechende Arbeitszeitgestaltung usw. umfassen, um den Zugang Behinderter zur Beschäftigung zu erleichtern.

[19] Amtsblatt L 303 vom 2.12.2000, S. 16

[20] Die Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts und der ethnischen Herkunft oder der Rasse wird in anderen Richtlinien behandelt.

Die Pflicht zur behindertengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes zielt ab auf die Beseitigung von Hindernissen beim Zugang zur Beschäftigung, soweit dies nicht unverhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmassnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Es kommt dabei weniger darauf an, dass Behinderte die gleichen Ergebnisse wie Nichtbehinderte erzielen, sondern es soll in erster Linie gewährleistet sein, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen zur Erzielung dieser Ergebnisse eingeräumt wird [21].

[21] "The Framework Directive for equal treatment in employment and occupation: an analysis from a disability rights perspective" by Richard Whittle - European Law Review - June 2002

Die auf dem Europäischen Rat von Nizza am 7. Dezember 2000 von den Präsidenten des Rats, des Europäischen Parlaments und der Kommission verkündete Grundrechtecharta enthält auch das Verbot jeglicher Diskriminierung aufgrund einer Behinderung (Artikel 21). Sie erkennt auch den "Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und berufliche Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" als Grundrecht an (Artikel 26).

Bekräftigt wurde dieses Konzept, wonach Menschen mit Behinderungen die uneingeschränkte und gleichberechtigte Ausübung ihrer Rechte zusteht, durch den Rat der Europäischen Union und seinen Beschluss, das Jahr 2003 zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen auszurufen [22]. Mit dem Jahr der behinderten Menschen erhält die Europäische Union die einzigartige Gelegenheit zur Förderung der Gleichberechtigung und vollen Mitwirkung der Behinderten am gesellschaftlichen Leben. Es wird sowohl das Wissen als auch die Sichtbarkeit von Behindertenfragen verbessern [23]. Das Jahr soll Katalysator für einen neuen politischen Antrieb zur Umsetzung des Gleichberechtigungsgebots auf europäischer und internationaler Ebene sein, der noch lange nach Abschluss des Jahrs nachwirken soll.

[22] Beschluss Nr. 2001/903/EG des Rats vom 3. Dezember 2001

[23] Zur Unterstützung dieser Aktivität werden die Ergebnisse des Ad-hoc-Moduls zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Rahmen des European Union Labour Force Survey 2002 von EUROSTAT Ende 2003 veröffentlicht.

Nach Ansicht der Kommission sollte diese Schwerpunktsetzung auf einem rechtsbasierten Ansatz in der Behindertenthematik auch bei der Entwicklung internationaler Menschenrechtsstandards speziell in bezug auf die Behinderung zum Ausdruck kommen. Die Erreichung diese Ziels auf internationaler Ebene würde wiederum die Kohärenz zwischen interner und internationaler Aktion der EU stärken.

In diesem Zusammenhang weist die Kommission auf die Erklärung der dänischen Präsidentschaft im Namen der Europäischen Union beim Zusammentreten des Dritten UN-Ausschusses vom 3. Oktober 2002 [24] hin, wo sie die Schwerpunktsetzung auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen begrüßte und den Wert und Nutzen eines international rechtsverbindlichen Instruments zur Förderung und zum Schutz der Rechte behinderter Menschen anerkannte.

[24] http://www.eu2002.dk/news/ news_read.asp?iInformationID=23164

5. Mehrwert eines rechtsverbindlichen Instruments der UN

Im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen wurden sechs spezielle Menschenrechtsabkommen erarbeitet und umgesetzt:

* Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (CCPR);

* Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR);

* Übereinkommen gegen Folter (CAT);

* Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW);

* Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) und

* Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD).

In einer von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Auftrag gegebenen Studie haben zwei namhafte Behinderten- und Menschenrechtsexperten [25] versucht, diese sechs UN-Menschenrechtskonventionen auf ihre Relevanz für die Behindertenthematik zu überprüfen. Dabei wurde durch Auswertung der Berichterstattung der Vertragsstaaten an die Überwachungsgremien zum Thema Menschenrechte und Behinderung und der entsprechenden Reaktion der Überwachungsgremien auch untersucht, wie sich das System im Behindertenkontext in der Praxis bewährt. Zwar stellt die Studie eine positive Entwicklung bei der Wertung der Behinderung als Menschenrechtsproblem fest, verlangt aber eine entsprechende themenspezifische Konvention als ,Hilfsmittel zum Mainstreaming der Behindertenthematik in den Menschenrechtsinstrumenten der Vereinten Nationen".

[25] Prof. Gerard Quinn and Mrs Theresa Degener , "Human Rights and Disability- the current use and future potential of United Nations human rights instruments in the context of disability" - February 2002- UN Human Rights Commission, http://www.unhchr.ch/html/menu6/2/ disability.doc

In den 1970er und 1980er Jahren setzte bei den Vereinten Nationen die Anerkennung bestimmter Bevölkerungsgruppen als besonders anfällig für Menschenrechtsverletzungen ein. Um deren völkerrechtlichen Schutz zu gewährleisten, haben die Vereinten Nationen themenspezifische rechtsverbindliche Instrumente verabschiedet, etwa das Übereinkommen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW), das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD). Diese Konventionen begründeten Schutzrechte für die sozialen, politischen und kulturellen Belange dieser Zielgruppen. Sie boten Mehrwert und Komplementarität gegenüber den bestehenden Menschenrechtsinstrumenten und es ist nicht einzusehen, warum mit einem rechtsverbindlichen Instrument für Behinderte nicht der gleiche Weg beschritten werden sollte.

Es sollte ausdrücklich auf internationaler Ebene anerkannt und bekräftigt werden, dass Menschen mit Behinderungen Anspruch auf sämtliche international garantierten Rechte und Freiheiten haben sollen, und zwar ohne Diskriminierung auf Grund der Behinderung. Dadurch erhielte nicht nur die Forderung nach der Universalität der Menschenrechte ihre konkrete Signifikanz, sondern es würde auch deutlich gemacht, dass behinderte Menschen gleichberechtigte Mitglieder der Völkergemeinschaft sind, denen die gleiche Würde und die gleichen Menschenrechte und Freiheiten wie anderen Mitmenschen ohne jegliche Diskriminierung zustehen.

Eine wichtige Handhabe bei der Umsetzung des Gleichbehandlungsgebots bietet das Nichtdiskriminierungsprinzip. Der gleichberechtigte Zugang zu den Menschenrechten kann dadurch garantiert werden, dass sichergestellt wird, dass behinderte Menschen nicht wegen ihrer Behinderung diskriminiert werden. Das rechtsverbindliche Instrument soll Behinderte beim Zugang zu und der Inanspruchnahme von Menschenrechten vor Diskriminierung schützen.

Nichtdiskriminierung und gleichberechtigte Nutzung aller Menschenrechte durch behinderte Menschen sind derzeit das beherrschende, ja entscheidende Thema bei der Aufgabe, die Einstellung zu Behinderung und Behinderten weltweit zu verändern. Die Nichtdiskriminierung ist untrennbar mit dem Gleichbehandlungsprinzip verbunden und umfaßt sowohl die direkte als auch die indirekte Diskriminierung.

Dabei ist der Begriff der indirekten Diskriminierung besonders wichtig. Sie liegt dann vor, wenn bestimmte Menschen durch scheinbar neutrale Bestimmungen, Kriterien oder Praktiken gegenüber anderen besonders benachteiligt werden. Die Anerkennung der indirekten Diskriminierung als Erscheinungsform der Diskriminierung soll eine konkretere Auslegung des Gleichbehandlungsbegriffs zum Ausdruck bringen. Wie beim Begriff der realen Gleichberechtigung kommt es auch bei der indirekten Diskriminierung in erster Linie auf das Resultat einer bestimmten Behandlungsform an. Das Verbot der indirekten Diskriminierung aufgrund von Behinderung erlaubt damit die Berücksichtigung individueller bzw. umweltbedingter Unterschiede, die in einer bestimmten Situation Menschen, die zu einer geschützten Gruppe gehören, die Chancengleichheit verwehren [26].

[26] "The Expanding Concept of Employment Discrimination in Europe: From Direct and Indirect Discrimination to Reasonable Accommodation Discrimination" -Lisa Waddington & Aart Hendriks International Journal of Comparative Labour Law and Industrial Relations

Das rechtsverbindliche UN-Instrument würde zur maßgerechten Anwendung der Menschenrechte auf behinderte Menschen beitragen, würde nicht in erster Linie neue Rechte begründen, sondern bestehende internationale Verpflichtungen auf diesem Gebiet klarstellen und sichtbar machen, könnte bei Reformbedarf eine positive Dynamik auslösen und auch sonst positive Entwicklungen fördern; es könnte eine Informationsbasis und Einsichten zum weiteren ,Mainstreaming" der Behindertenthematik entwickeln, einen Fokussierungspunkt zur Förderung der Behinderteninteressen bilden, die Umsetzung politischer und legislativer Änderungen mit beeinflussen und sollte auch die Schaffung eines institutionellen Rahmens zur Überwachung der gesamten Menschenrechtssituation von behinderten Menschen anstreben. Kurz - das Instrument sollte konkrete Standards für das Verhalten von Regierungen setzen, auf deren Grundlage die Staaten die gleichberechtigte effektive Inanspruchnahme der Menschenrechte durch Behinderte garantieren und sich für den geltenden Menschenrechtsstandards entsprechende innerstaatliche Rechtsvorschriften und Strategien einsetzen.

Diese Vorgaben zeigen, dass es wichtig und nützlich ist, ein neues rechtsverbindliches UN-Instrument zu erarbeiten, das die Relevanz und Anwendung allgemeiner Menschenrechtsstandards auf Menschen mit Behinderungen konkret umsetzt. Es würde als deutliches Signal von der und an die internationale Gemeinschaft gewertet und als politischer Katalysator und erzieherisches Instrument bei der Herbeiführung einer Änderung der Art und Weise dienen, wie behinderte Menschen von ihren Rechten Gebrauch machen.

6. Grundsätze für ein künftiges rechtsverbindliches Instrument

Die Kommission setzt sich für ein effektives und realistisches rechtsverbindliches Instrument zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen ein. Dabei sollten folgende Hauptgrundsätze als Leitlinie dienen:

* Rechtliche Bekräftigung des Grundsatzes, wonach Menschen mit Behinderungen die gleichen Grundrechte wie ihren Mitmenschen zustehen,

* Rechtliche Bekräftigung der Grundwerte Gleichbehandlung, Würde, Freiheit und Solidarität,

* Sicherung der gleichen effektiven Inanspruchnahme aller Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen durch Bekämpfung sämtlicher auf der Behinderung beruhenden Formen der Diskriminierung unter Förderung der Gleichbehandlung und der Berücksichtigung der Unterschiede.

Das Rechtsinstrument sollte für das gesamte Spektrum der Menschenrechte gelten und dieses ermitteln, einschließlich der politischen und staatsbürgerlichen Grundrechte sowie der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Entsprechend dem oben genannten Menschenrechtsansatz soll das Instrument deutlich machen, dass die Staaten durch entsprechende Maßnahmen dafür zu sorgen haben, dass Menschen mit Behinderungen konkret in der Lage sein müssen, ihre Rechte auch in Anspruch zu nehmen. Die Einrichtung eines leistungsfähigen Überwachungsmechanismus und entsprechende Vollzugsbestimmungen sind für die erfolgreiche Umsetzung dieses neuen internationalen Rechtsinstruments eine entscheidende Voraussetzung.

Die Kommission ist der Auffassung, dass die derzeitigen Mechanismen, wie sie durch das Übereinkommen zur Beseitigung der Rassendiskriminierung bzw. der Diskriminierung der Frau oder durch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes eingerichtet worden sind, nützliche Hinweise darauf liefern können, wie die Frage im Kontext der Behindertenthematik in Angriff genommen werden könnte.

Beim Thema Diskriminierung gilt es, die Verschiedenartigkeit der Menschen mit Behinderungen ebenso zu berücksichtigen wie ihre gemeinsamen Erfahrungen mit der Diskriminierung. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass Erfahrungen mit der Diskriminierung aus Gründen der Behinderung durchaus gemeinsame Merkmale mit der Erfahrung der Diskriminierung aus anderen Gründen aufweisen, und in der Tat können ja Menschen mit Behinderungen das Opfer vielfältiger Diskriminierung sein (aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder des ethnischen Ursprungs, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung).

Die Mitwirkung von Menschen mit Behinderungen an den sie selbst betreffenden Entscheidungen ist ein grundlegendes Prinzip, das auch im internationalen Recht und in der Politik ihren Niederschlag finden muss. Alle Akteure und in allererster Linie Behinderten- und Menschenrechtsorganisationen und ihre Vertreter sollten voll in die Erarbeitung des rechtsverbindlichen UN-Instruments eingebunden werden. Die Kommission begrüßt die Entschließung über die ,Akkreditierung und Beteiligung von Nicht-Regierungsorganisationen" in der Eröffnungssitzung des Ad-hoc-Ausschusses, die von der dänischen EU-Präsidentschaft vorgelegt wurde und empfiehlt, diese Arbeitsmethoden für die kommenden Sitzungen beizubehalten. Die Kommission vertritt die Ansicht, dass die Einbindung von Nicht-Regierungsorganisationen in diesen Prozess u. a. unter voller Beteiligung sämtlicher Akteure einschließlich der Menschen mit Behinderungen selbst erfolgen muss.

7. Schlussfolgerungen

Im Hinblick auf das oben Gesagte und ohne einer Sachdiskussion vorzugreifen, geht es bei der derzeitigen Debatte darum, sicherzustellen, dass behinderte Menschen beim Zugang zum gesamten Spektrum der bestehenden Menschenrechte oder bei der Ausübung dieser Rechte keine Diskriminierung erfahren.

Artikel 13 EG-Vertrag ermöglicht der Gemeinschaft die Bekämpfung von Diskriminierung - sei es auf Grund des Geschlechts, der Rasse oder des ethnischen Ursprungs, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Ausrichtung - in den Bereichen, für die die Gemeinschaft zuständig ist.Und die Gemeinschaft hat von diesen neuen Bestimmungen - insbesondere im Bereich der Beschäftigung - bereits Gebrauch gemacht. Die Kommission hält es für wichtig, dass die Europäische Gemeinschaft auf internationaler Ebene ihre Gesamtstrategie zur Behindertenthematik bekräftigt, deren Kern die gemeinsame Verpflichtung aller Mitgliedstaaten ist, Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu bekämpfen .

Die Kommission hat daher die Absicht, im Namen der Europäischen Gemeinschaft aktiv an einem künftigen rechtsverbindlichen UN-Instrument zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde der Menschen mit Behinderungen mitzuwirken. Sie will dabei auch dafür sorgen, dass die Konsistenz zwischen den internen und den internationalen europäischen Maßnahmen für behinderte Menschen gewährleistet ist.

Die Kommission wird daher demnächst eine Empfehlung an den Rat vorschlagen, in der sie ermächtigt wird, im Zusammenhang mit künftigen Sitzungen des UN-Ad-hoc-Ausschusses, der ,Vorschläge für ein umfassendes internationales Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen prüfen soll", Verhandlungen aufzunehmen und diese Verhandlungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft zu führen, wobei der Rat einen Sonderausschuss einsetzt, um sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen.

Top