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Document 52001DC0071

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Beziehungen zwischen der EU und der Islamischen Republik Iran

/* KOM/2001/0071 endg. */

52001DC0071

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Beziehungen zwischen der EU und der Islamischen Republik Iran /* KOM/2001/0071 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DER EU UND DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN

1. Überblick

Beziehungen zur EU und den Mitgliedstaaten

Gegenwärtig bestehen keine vertraglichen Beziehungen zu Iran und auch die finanzielle Zusammenarbeit ist bedeutungslos. Zu Zeiten des Schahs gab es ein Abkommen, das indessen 1977 noch vor der Islamischen Revolution abgelaufen ist. 1995 wurde ein Dialog EU-Iran eingeleitet. Nach der Wahl von Präsident Khatami im Jahr 1997 wurde dieser Dialog auf neue Bereiche ausgedehnt und somit 1998 zu dem heutigen umfassenden Dialog. Alle sechs Monate findet im Rahmen dieses Dialogs ein Treffen in Form einer Troika statt.

Der umfassende Dialog ermöglicht einen vielfältigen Gedankenaustausch über :

-globale Fragen (Terrorismus, Menschenrechte und Verbreitung von Kernwaffen),

-regionale Fragen (Irak, Golf, Zentralasien, Friedensprozess in Nahost)

-Kooperationsbereiche (Drogen, Flüchtlinge, Energie, Handel und Investitionen).

Der umfassende Dialog hat zur Verbesserung der Beziehungen beigetragen, doch ist die Zahl der erfassten Bereiche eindeutig begrenzt. Ergänzend sind eine Reihe technischer Arbeitsgruppen Kommission-Iran hinzugekommen, die dazu dienen, Bereiche gegenseitigen Interesses, in denen eine Zusammenarbeit möglich ist, aufzuzeigen (siehe Abschnitt 4). Indessen wirkt sich das Fehlen eines vertraglichen Rahmenwerks natürlich hemmend auf den Ausbau dieser Zusammenarbeit aus.

Seit der Wahl von Präsident Khatami im Jahr 1997 haben sich die Beziehungen zu den Mitgliedstaaten verbessert. Der Ministerpräsident Italiens stattete 1997 Teheran einen Besuch ab. 1999 besuchte Präsident Khatami Italien und Frankreich, während die Präsidenten Österreichs und Griechenlands im gleichen Jahr nach Iran reisten. Und vor kurzem kam Präsident Khatami zu einem Staatsbesuch nach Deutschland. Außerdem fanden verschiedene Besuche von Außenministern und anderen Fachministern statt. In die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Iran kam 1998 durch die Aufhebung des Fatwa gegen den Schriftsteller Rushdie wieder Bewegung und Mitte 1999 wurden erneut Botschafter ausgetauscht.

Iran hat großes Interesse an einer Vertiefung der Beziehungen zu der EU bekundet und auch Interesse an der Aushandlung eines Abkommens über Handel und Zusammenarbeit gezeigt; intensivere Beziehungen zur EU sind eindeutig auch eines der von Präsident Khatami verfolgten politischen Hauptziele.

Beziehungen zu anderen Ländern

Seit der Geiselhaft von Angehörigen der US-Botschaft in Teheran im Jahr 1980/81 haben die Vereinigten Staaten gegenüber Iran eine Blockadepolitik verfolgt. Sie verhängten eine Reihe von Sanktionen - die jüngsten im Februar 2000 mit dem Erlass des Gesetzes über die Nichtverbreitung von Kernwaffen in Iran (Iran Non-Proliferation Act). Die weitgehend vom Kongress bestimmte Politik der USA gegenüber Iran durchläuft einen allmählichen Wandel. Trotz der jüngsten Erklärungen der ehemaligen US-Außenministerin, Madeleine Albright, werden jedoch neue Ereignisse und die neue US-Regierung abzuwarten sein, bis es zu einer weiteren Annäherung zwischen den USA und Iran kommen kann. In der Zwischenzeit wünschen die USA, dass die EU weiterhin auf Iran Druck ausübt, und zwar vor allem in Fragen wie Menschenrechte, Massenvernichtungswaffen und dem angeblich staatlich geförderten Terrorismus. Im Rahmen der Dreiergespräche, an denen die Troika der EU, Kanada und die USA teilnehmen, findet zweimal jährlich ein Meinungsaustausch über Iran statt.

2. Gegenwärtige Lage in Iran

Demokratische Kommunalwahlen wurden im Februar 1999 in Iran abgehalten, und Parlamentswahlen fanden zwischen Februar und April 2000 statt, bei denen beide Male die Reformer den Sieg davontrugen. Die nächsten Präsidentschaftswahlen sind für Juni 2001 angesetzt.

Kennzeichnend für die iranische Politik ist der ständige Machtkampf zwischen den Reformern und zwei großen Blöcken:

-Die konservativen Machtzentren (Wächterrat, Vereinigung der Sachverständigen, Verband der militanten Geistlichen u.s.w.), in denen Ayatollah Khamenei die letztendliche Entscheidungsgewalt innehat, kontrollieren weitgehend das Gerichtswesen, die revolutionären Streitkräfte und die Sicherheitskräfte; sie können somit die Reformen verzögern und tun dies auch nach wie vor. Sie antworteten auf den Ausgang der Parlamentswahlen mit einem weitgehenden Verbot der reformerischen Presse und der Verhaftung zahlreicher der Reformbewegung angehörender Persönlichkeiten.

-Die in der Minderheit befindliche "Islamische Rechte", die lediglich 50 bis 60 der 290 Parlamentssitze innehat, wird weitgehend von den Bazar-Händlern und -Ladenbesitzern, den Wächtern der Revolution und den Milizen, einigen Stiftungen und dem Justizapparat unterstützt. Sie befindet sich nun in der Defensive.

Präsident Khatami hat erreicht, dass die Mehrheit der iranischen Wählerschaft ihrem Wunsch nach Veränderung auf demokratische Weise Ausdruck verleihen konnte. Diese Wahlen verdeutlichen, dass die große Mehrheit der Wähler (insbesondere Frauen, Studenten sowie die säkulare städtische und ländliche Bevölkerung) in Iran die Zivilreform sowie politische und wirtschaftliche Reformen wünschen. Präsident Khatami beabsichtigt zwar in keiner Weise, die Grundlagen der Islamischen Republik anzutasten oder die theokratische Stellung des nicht gewählten Obersten Führers in Frage zu stellen, doch räumt er ein, dass im Grunde eine allgemeine Unzufriedenheit mit der drakonischen Politik der Konservativen besteht. Präsident Khatami und die Reformbewegung werden auch weiterhin eine friedliche Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft innerhalb des bestehenden politischen Rahmens in Iran anstreben. Den Reformern wird hierbei zudem eine gewisse stillschweigende Unterstützung seitens der pragmatischeren Verfechter einer harten Linie, einschließlich des Obersten Führers, zuteil, die erkannt haben, wo sie ihre längerfristigen Interessen anzusiedeln haben. Dieser Wandel wird sich allerdings nur zögerlich und mühsam vollziehen.

Aufgrund des von Präsident Khatami eingeleiteten Demokratisierungsprozesses war es den Reformern möglich, Schlüsselpositionen in Gesetzgebung und Exekutive (das vorige Parlament wurde von den Verfechtern der harten Linie beherrscht) einzunehmen, doch nun müssen sie beweisen, dass sie Präsident Khatamis Programm der Wirtschafts-, Rechts- und Zivilreform auch umzusetzen verstehen. Die Anweisung des Ayatollah Khamenei an das Parlament ("Madschlis"), das vorgeschlagene Pressereformgesetz nicht zu erörtern, ist zwar als der größte Rückschlag zu werten, doch gibt es immerhin positive Anzeichen in anderen Reformbereichen.

Was die Menschenrechte anbelangt, so wird in der UNCHR-Resolution festgestellt und bekräftigt, dass in Iran beträchtliche Verbesserungen im Hinblick auf die Menschenrechte zu verzeichnen sind, aber noch mehr Fortschritte vonnöten sind.

Der Prozess gegen 13 Juden in Schiras und der Prozess gegen die Intellektuellen, die an der Berliner Konferenz teilnahmen, sind für Präsident Khatami und die Reformer äußerst belastende Peinlichkeiten. Die Urteile in beiden Prozessen fielen härter als erwartet aus. Im Falle des Prozesses von Schiras gab die EU förmlich ihrem Bedauern Ausdruck, äußerte zugleich aber die Hoffnung, dass die Verurteilten begnadigt werden mögen. In einer ähnlichen Erklärung äußerte die EU ihre ernste Besorgnis über die harten Urteile im Falle des Prozesses gegen die Teilnehmer an der Konferenz von Berlin und gab der Hoffnung Ausdruck, dass das Berufungsverfahren zum Freispruch führen möge.

In anderen Bereichen gab die EU ebenfalls ihrer Besorgnis Ausdruck, so über die Todesurteile gegen Teilnehmer an den Studentenkrawallen (Aufstände im Juli 1999) und über die Freisprechung der für die Auslösung der Studentenunruhen verantwortlichen Polizeibeamten bzw. die gegen sie verhängten äußerst milden Urteile.

Im Bereich der Pressefreiheit hat sich die Lage in den letzten Monaten verschlechtert; das vorausgegangene (konservative) Parlament erreichte die Verabschiedung eines restriktiveren Pressegesetzes noch vor den Wahlen im Februar, und seitdem wurden über 20 reformerische Zeitungen und Zeitschriften verboten sowie die Verleger vor Gericht gestellt oder angeklagt. Der letzte Eingriff Ayatollah Khameneis, mit dem er dem Parlament untersagte, über das Pressegesetz zu beraten, war ein unerwarteter Rückschlag für die Reformbewegung, doch dessen ungeachtet beginnen neue, die Reform unterstützende Zeitungen zu erscheinen.

Präsident Khatami hat angedeutet, dass die Pressereform und die Justizreform zu den obersten Prioritäten seiner Regierung gehören und sobald wie möglich auf den Weg gebracht werden sollen. In beiden Fällen sieht er sich einer beträchtlichen Herausforderung gegenüber, denn der Ayatollah Al-Hashini Shahrudi unterstehende Justizapparat ist immer noch ein ausgezeichnetes Instrument in den Händen des konservativen Lagers.

Trotz der oben beschriebenen uneinheitlichen Verhältnisse sind die Aussichten auf eine sich schrittweise vollziehende positive politische Entwicklung in Iran besser als je zuvor seit 1979. Trotz der jüngsten Rückschläge werden die Reformer mit der breiten und einhelligen Unterstützung, die sie in den Wahlen vom Februar erhielten, ihre Position voraussichtlich festigen können.

3. Handel und Wirtschaft

Iran hat eine rasch zunehmende Bevölkerung von derzeit ungefähr 65 Millionen Einwohnern. Das BIP beläuft sich auf rund 180 Milliarden EUR. Die Wirtschaft des Landes ist ineffizient, wurde keinerlei Reform unterzogen und ist zentralisiert. Um seine wirtschaftliche Leistung auf lange Sicht zu steigern, muss Iran marktwirtschaftlich orientierte Schritte unternehmen und sich dem Rest der Welt öffnen. Ende 1999 wurde ein fünfjähriger Reformplan eingeleitet und trotz seiner Verwässerung durch die früheren Parlamente ist er das wichtigste Instrument zur Reform der Wirtschaft. Iran sieht sich trotz der gegenwärtig hohen Ölpreise einer schwierigen Wirtschaftslage gegenüber und muss unbedingt das Tempo seiner Reformen beschleunigen.

Iran besitzt die zweitgrößten Gasvorkommen in der Welt (16 % der gesamten Vorkommen weltweit) sowie die drittgrößten Erdölvorkommen (10 %), und die geostrategische Lage des Landes ist von größter Bedeutung.

Die EU ist der größte Handelspartner Irans (+ 40% der Gesamteinfuhren des Landes). Die Ausfuhren der EU nach Iran lagen von 1995 an bei 3,5 bis 5,0 Milliarden EUR und umfassen vorwiegend Fertigungsgüter, Fahrzeuge, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse.

Die Ausfuhren Irans in die EU (+ 36% der Gesamtausfuhren Irans) bewegten sich wertmäßig in der Größenordnung von 3,7 bis 5,7 Milliarden EUR (Iran kontrollierte die Einfuhren anhand von Lizenzen, so dass die Zahlungsbilanz zu seinen Gunsten ausfällt). Die Ausfuhren in die EU umfassen in erster Linie Erdöl (+ 80% der Gesamtausfuhren), gefolgt von Teppichen, Pistazien und Kaviar.

Irans Auslandsverschuldung, einschließlich der von 1996-1999 erfolgten Umschuldung, beläuft sich heute auf 10 Milliarden $ und hat sich in den letzten Jahren verringert.

Die Weltbank stellte vor kurzem zwei Darlehen in Höhe von 230 Millionen $ für Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsprojekte bereit. Der IWF unterhält zu dem Land normale Beziehungen und ist bereit, Programme zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung zu unterstützen.

Das Volumen des Handels der EU mit Iran entspricht bei weitem nicht den von seiner Bevölkerung und seinen natürlichen Ressourcen her gegebenen Möglichkeiten des Landes. Die Einführer und Investoren sehen sich nach wie vor mit zahlreichen Schwierigkeiten konfrontiert - Verbesserungen wurden zwar angekündigt, sind bisher jedoch noch nicht erfolgt. Die verwaltungsmäßigen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen sind den Vertretungen der Mitgliedstaaten in Teheran zufolge nicht transparent und äußerst willkürlich und daher für die Einführer und potentiellen Investoren entmutigend. Schwierigkeiten wurden beispielsweise in Verbindung mit der Behandlung der in Iran tätigen Mitarbeiter ausländischer Firmen, der Erteilung von Einfuhrlizenzen, bei Fremdbeteiligungen und der Gewinnrückführung gemeldet.

4. Zusammenarbeit EK-Iran

Im Oktober 1998 forderte der Rat die Kommission auf, Kontakt mit Iran aufzunehmen, um die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zu untersuchen. Im Dezember 1998 fand daraufhin ein technisches Treffen Kommission-Iran statt, und es wurde vereinbart, eine Reihe möglicher Bereiche für eine Zusammenarbeit - Energie, Umwelt, Verkehr, Landwirtschaft, Drogenbekämpfung, Flüchtlinge und Menschenrechte - zu ermitteln. Mit Ausnahme einiger humanitärer Hilfeleistungen und begrenzter Hilfe für die Drogenbekämpfung existiert gegenwärtig keinerlei finanzielle und technische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und Iran. Für einige Bereiche wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, an denen die Kommission und die iranische Verwaltung teilnehmen.

*Gegenwärtige Vorkehrungen

Arbeitsgruppe für Energie - // Trat im Mai 1999 in Teheran zusammen. Ein Synergie-Projekt kommt im Februar zum Abschluss und ein zweites Treffen der Arbeitsgruppe soll im März 2001 in Brüssel stattfinden.

Zusammenkunft von Sachverständigen für Drogenfragen - // Erstes Treffen im Dezember 1999; kleines Projekt finanziert; zwei weitere Projekte werden zur Zeit geprüft (Ratsverordnung 2046/97)

Zusammenkunft von Sachverständigen für Flüchtlingsfragen - // Treffen im April über Fragen in Verbindung mit Flüchtlingen aus Afghanistan und Irak; die laufenden Projekte mit dem UNHCR und NRO eingehender geprüft (Ratsverordnung 443/97), auch durch ECHO

Arbeitsgruppe für Handel und Investitionen - // Erste Tagung in Teheran am 28. und 29. November 2000

Nach der Tagung der Arbeitsgruppe für Energie im Jahr 1999 wurde Iran als Beobachter zu dem von der Kommission finanzierten Programm INOGATE zugelassen und hat die Möglichkeit, Vollmitglied zu werden. Außerdem hat Iran Beobachterstatus bei dem im Rahmen von TACIS finanzierten TRACECA-Programm für den Ausbau der Ost-West-Landverbindungen. In ihrem jüngst verabschiedeten Grünbuch über die Energieversorgungssicherheit (KOM (2000)769) weist die Kommission mit Nachdruck darauf hin, dass ein fortlaufender Dialog mit den erdölproduzierenden Ländern eingerichtet werden muss, um die Transparenz der Märkte und die Stabilität der Preise zu erhöhen. Die Erörterung von Energiefragen zwischen der EU und Iran erfolgt im Rahmen des Dialogs zwischen Verbrauchern und Produzenten.

Bisher war es nicht möglich, Gespräche in den übrigen oben aufgezählten Bereichen aufzunehmen, wennschon es einige Maßnahmen im Bereich der Menschenrechte gibt, die künftig ausgebaut werden könnten.

5. Interessen der EU

Die EU hat sowohl politische als auch wirtschaftliche Gründe für die Herstellung engerer Beziehungen zu Iran. Mehr Demokratie und eine größere Achtung der Menschenrechte würden dazu beitragen, Iran zu einem stabileren Partner in der Region werden zu lassen. Iran ist ein wichtiger Erdöl- und Gaslieferant; die strategische Lage des Landes ist von Bedeutung und Iran hat selbst große Interessen in den benachbarten Gebieten, beispielsweise in Zentralasien. Iran könnte in der Zukunft ein beachtliches Potential als regionaler Wirtschaftspartner besitzen, der wesentliche Möglichkeiten für Handel und Investitionen bietet. Dieses Potential wird sich indessen nur entwickeln lassen, wenn Iran eine umfassende Überarbeitung seiner Handels- und Wirtschaftspolitik vornimmt.

Der von Afghanistan und noch entfernteren Ländern ausgehende und durch Iran verlaufende Drogenhandel hat nicht nur für Iran, sondern auch für Europa unmittelbare Folgen, und Iran hat in der Bekämpfung des Drogenhandels eine schwere Last zu tragen. Außerdem nimmt Iran eine unverhältnismäßig große Zahl von Flüchtlingen (1,9 Millionen), vor allem aus Afghanistan und Irak, auf. Durch die zunehmende "Flüchtlingsmüdigkeit" in Iran zusammen mit der fortdauernden Instabilität in den Nachbarländern könnten unter Umständen in Iran weitere negative Entwicklungen ausgelöst werden.

Unter den richtigen Voraussetzungen könnte der Aufbau engerer Beziehungen zwischen der EU und Iran zur Förderung des Reformprozesses in Iran und einer größeren Stabilität in der Region beitragen. Iran hat seine Bereitschaft, Menschenrechtsfragen zu erörtern, angedeutet, und dies ist bereits ein positives Zeichen, denn jedwede vertragliche Beziehung in der Zukunft müsste unweigerlich die Erörterung von Menschenrechtsfragen beinhalten. Darüber hinaus ist Iran auch bereit, Sicherheitsfragen, einschließlich der regionalen Sicherheit, zu erörtern; dies ist bereits mit einigen Mitgliedstaaten geschehen.

6. Herausforderungen für die Zusammenarbeit

Eine Reihe von Fragen sind bilateral von der EU und Iran und unilateral von Iran anzugehen, wenn die Zusammenarbeit vertieft und auf neue Bereiche ausgedehnt werden soll. Hierbei handelt es sich sowohl um politische als auch um wirtschaftliche Fragen. Im politischen Bereich sind u.a. folgende Fragen zu behandeln:

Menschenrechte

Iran hat in den letzten Jahren zwar positive Veränderungen bewirkt, die Zahl der Menschenrechtsverletzungen ist jedoch immer noch besorgniserregend (Stellung der Frau, angeblicher Einsatz der Folter, Verfolgung bestimmter Minderheiten, Unterdrückung der Pressefreiheit u.s.w.). Im Zuge des Aufbaus engerer Beziehungen sollten die EU und Iran einen regelmäßigen Dialog über diese Fragen führen.

Unterstützung radikaler Gruppierungen

Die Vereinigten Staaten und Israel beschuldigen Iran regelmäßig, dem Nahost-Friedensprozess feindselig gegenüberzustehen und extremistische Gruppierungen zu unterstützen, und zwar insbesondere bestimmte palästinensische Gruppen wie die Hamas und die Dschihad Islami (Islamischer Heiliger Krieg); seine Unterstützung für die Hisbollah in Libanon hat das Land nie verhüllt. Einige dieser verbalen Beschuldigungen sind in der Tat nicht sehr hilfreich und Iran hat klar zum Ausdruck gebracht, dass es kein Vertrauen in den Friedensprozess setzt.

Anfang der 90er Jahre erklärten sowohl der ehemalige Präsident Rafsandschani und der Oberste Revolutionsführer Khamenei, Iran habe aufgehört, seine Revolution zu exportieren; Präsident Khatami hat eine versöhnlichere Außenpolitik eingeschlagen, und der von Iran geförderte Terrorismus in der EU scheint seit 1995 aufgehört zu haben.

Hier sei angemerkt, dass Iran behauptet, selbst ein Opfer des Terrorismus zu sein. Dies bezieht sich namentlich auf die sich in Irak aufhaltenden Volksmudschahedin, die von dort aus regelmäßig Angriffe auf iranische Ziele lancieren, doch wurde auch Kritik an europäischen Ländern geübt, die radikale Oppositionsgruppen aufnehmen.

Sicherheitsfragen

Die Absicht Irans, Massenvernichtungswaffen und insbesondere Langstreckenraketen zu entwickeln, ist für die EU äußerst beunruhigend. Die EU ermutigt Iran, ein verstärktes Sicherheitsüberwachungssystem mit der IAEO zu vereinbaren. Iran hat wiederholt erklärt, dass die Vereinbarung eines solchen Systems wie auch seine mögliche Bereitschaft zur Ratifizierung des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) von der vorherigen Aufhebung der gegen sein ziviles Atomprogramm verhängten internationalen Ausfuhrkontrollen abhängig gemacht würde. Die EU akzeptiert eine solche Vorbedingung nicht.

Alle obengenannten Themenkreise werden in dem umfassenden Dialog angeschnitten.

Fragen in Verbindung mit der Wirtschaftsreform

In wirtschaftlicher Hinsicht wird eine Vertiefung der handelspolitischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der EU und Iran davon abhängen, ob Iran eine Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung einschlägt, die eine unerlässliche Voraussetzung ist, wenn das Land Investitionsströme in bedeutendem Umfang anlocken will.

7. Bewertung und Empfehlungen

Vorausgesetzt, der Reformprozess dauert fort, dann geht aus der obigen Analyse hervor, dass der Aufbau engerer Beziehungen im politischen wie im wirtschaftlichen Bereich, aber auch in anderen Bereichen wie Umwelt, Drogen und Migration, im beiderseitigen Interesse der EU und Irans liegt. Da unvorhersehbare Kehrtwendungen in der innenpolitischen Entwicklung des Landes möglich sind und in Anbetracht der Vielzahl von Bereichen, die Anlass zu Besorgnis geben, sollten engere Beziehungen schrittweise und nach Maßgabe der von Iran in diesen Bereichen erzielten Fortschritte aufgebaut werden. Die Kommission und der Rat sollten diesen Fortschritt regelmäßig anhand von Indikatoren oder Kriterien wie Rechtsstaatlichkeit, Rechte von Minderheiten, Pressefreiheit, ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und der von Iran in den auswärtigen Beziehungen und in Sicherheitsfragen verfolgte Ansatz überprüfen.

Im Lichte der obigen Analyse und der Schlussfolgerungen des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" vom 20. November 2000 empfiehlt die Kommission dem Rat den Aufbau engerer Beziehungen zu Iran nach nachstehendem Konzept. Selbstverständlich hängt das Ausmaß der Förderung der bilateralen Beziehungen davon ab, inwieweit die politischen, wirtschaftlichen und legislativen Reformen in Iran vorankommen.

*Förderung der politischen und wirtschaftlichen Reformen durch

-häufigere offizielle und inoffizielle bilaterale Kontakte

-den Ausbau des Gedankenaustausches/der Zusammenarbeit in Bereichen beiderseitigen Interesses (wie Drogen, Rechtsstaatlichkeit, Flüchtlinge u.s.w.)

-die Bereitschaft zur Einleitung eines Dialogs über Menschenrechtsfragen

-die Stärkung des GASP-Dialogs durch eine Intensivierung des Gedankenaustauschs über Fragen wie regionale Sicherheit, Massenvernichtungswaffen, Verbreitung von Kernwaffen

-die Suche nach geeigneten Mitteln und Wegen zur Förderung direkter menschlicher Kontakte

*Förderung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen durch

-die Aushandlung eines Abkommens über Handel und Zusammenarbeit

-die Fortführung der Arbeitsgruppen Kommission-Iran für Energie, Handel und Investitionen

Die Kommission empfiehlt, den Dialog über Iran mit anderen Partnern fortzuführen.

Falls diese Empfehlungen vom Rat angenommen werden, wird die Kommission in Erwägung ziehen, dem Rat nach Artikel 300 Absatz 1 des Vertrags eine Empfehlung dahingehend vorzulegen, sie zur Einleitung der erforderlichen Verhandlungen zu ermächtigen.

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