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Document 62015CJ0518

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 21. Februar 2018.
Ville de Nivelles gegen Rudy Matzak.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour du travail de Bruxelles.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2003/88/EG – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Arbeitszeitgestaltung – Art. 2 – Begriffe ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ – Art. 17 – Abweichungen – Feuerwehrleute – Bereitschaftszeit – Bereitschaftsdienst zu Hause.
Rechtssache C-518/15.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:82

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

21. Februar 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2003/88/EG – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Arbeitszeitgestaltung – Art. 2 – Begriffe ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ – Art. 17 – Abweichungen – Feuerwehrleute – Bereitschaftszeit – Bereitschaftsdienst zu Hause“

In der Rechtssache C‑518/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour du travail de Bruxelles (Arbeitsgerichtshof Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 14. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 28. September 2015, in dem Verfahren

Ville de Nivelles

gegen

Rudy Matzak

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits (Berichterstatter) und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Stadt Nivelles, vertreten durch L. Markey, avocate,

von Herrn Matzak, vertreten durch P. Joassart, A. Percy und P. Knaepen, avocats,

der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von F. Baert und J. Clesse, avocats,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, M. Noort und J. Langer als Bevollmächtigte,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Brown, S. Simmons und D. Robertson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill und B. Lask, Barristers,

der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. Juli 2017

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 und Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stadt Nivelles und Herrn Rudy Matzak über das Arbeitsentgelt für Leistungen, die im Feuerwehrdienst der Stadt erbracht wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In Art. 1 der Richtlinie 2003/88 heißt es:

„(1)   Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

(2)   Gegenstand dieser Richtlinie sind

a)

die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie

b)

bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus.

(3)   Diese Richtlinie gilt unbeschadet ihrer Artikel 14, 17, 18 und 19 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie 89/391/EWG [des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1)].

(4)   Die Bestimmungen der Richtlinie 89/391 … finden unbeschadet strengerer und/oder spezifischer Vorschriften in der vorliegenden Richtlinie auf die in Absatz 2 genannten Bereiche voll Anwendung.“

4

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2003/88 sieht in den Nrn. 1 und 2 vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

1.

Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;

2.

Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“.

5

Art. 15 („Günstigere Vorschriften“) dieser Richtlinie lautet:

„Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten, bleibt unberührt.“

6

In Art. 17 („Abweichungen“) der Richtlinie 2003/88 heißt es:

„(1)   Unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer können die Mitgliedstaaten von den Artikeln 3 bis 6, 8 und 16 abweichen …

(3)   Gemäß Absatz 2 dieses Artikels sind Abweichungen von den Artikeln 3, 4, 5, 8 und 16 zulässig:

b)

für den Wach- und Schließdienst sowie die Dienstbereitschaft, die durch die Notwendigkeit gekennzeichnet sind, den Schutz von Sachen und Personen zu gewährleisten, und zwar insbesondere in Bezug auf Wachpersonal oder Hausmeister oder Wach- und Schließunternehmen;

c)

bei Tätigkeiten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet sein muss, und zwar insbesondere bei

iii)

Presse-, Rundfunk-, Fernsehdiensten oder kinematografischer Produktion, Post oder Telekommunikation, Ambulanz-, Feuerwehr- oder Katastrophenschutzdiensten,

…“

Belgisches Recht

7

Die Loi du 14 décembre 2000 fixant certains aspects de l’aménagement du temps de travail dans le secteur public (Gesetz vom 14. Dezember 2000 zur Festlegung bestimmter Aspekte der Arbeitszeitgestaltung im öffentlichen Sektor, Belgisches Staatsblatt vom 5. Januar 2001, S. 212) setzt die Richtlinie 2003/88 im öffentlichen Dienst um.

8

Art. 3 des Gesetzes bestimmt:

„Für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes versteht man unter:

1.

Arbeitnehmern: Personen, die im Rahmen eines statutarischen oder vertraglichen Arbeitsverhältnisses unter der Autorität einer anderen Person Arbeitsleistungen erbringen, einschließlich der Personalmitglieder auf Probe und der zeitweiligen Personalmitglieder,

2.

Arbeitgebern: Personen, die die in Nr. 1 erwähnten Personen beschäftigen.“

9

Nach Art. 8 des Gesetzes ist unter „Arbeitszeit“„die Zeit zu verstehen, während deren der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht“.

10

Art. 186 der Loi du 30 décembre 2009 portant des dispositions diverses (Gesetz vom 30. Dezember 2009 über verschiedene Bestimmungen, Belgisches Staatsblatt vom 31. Dezember 2009, S. 82925) bestimmt:

„Artikel 3 des Gesetzes vom 14. Dezember 2000 zur Festlegung bestimmter Aspekte der Arbeitszeitgestaltung im öffentlichen Sektor ist dahingehend auszulegen, dass die Freiwilligen der öffentlichen Feuerwehrdienste und der im Gesetz vom 15. Mai 2007 über die zivile Sicherheit vorgesehenen Hilfeleistungszonen und die Freiwilligen der Einsatzeinheiten des Zivilschutzes nicht unter die Definition der Arbeitnehmer fallen.“

11

Das Règlement organique du service d’incendie de la ville de Nivelles (Verordnung über die Organisation des Feuerwehrdienstes von Nivelles), das zur Durchführung des Arrêté royal du 6 mai 1971 fixant les types de règlements communaux relatifs à l’organisation des services communaux d’incendie (Königlicher Erlass vom 6. Mai 1971 zur Bestimmung der Muster von Gemeindeverordnungen über die Organisation der kommunalen Feuerwehrdienste, Belgisches Staatsblatt vom 19. Juni 1971, S. 7891) erlassen wurde, enthält Regelungen betreffend die Mitglieder der Feuerwehrdienste.

12

Diese Verordnung enthält eigene Bestimmungen für Berufsmitglieder und für freiwillige Mitglieder. Hinsichtlich der Anwerbung, deren Voraussetzungen für beide Kategorien gleich sind, bestimmt ihr Art. 11a Nr. 1:

„Nach Ablauf des ersten Jahrs der Probezeit muss das freiwillige Mitglied auf Probe … hinsichtlich seines Wohnsitzes folgendes Erfordernis erfüllen:

1.

Das Personal, das zur Kaserne von Nivelles gehört

Muss seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt an einem Ort haben, von dem aus die Kaserne von Nivelles bei normalem Verkehrsfluss und unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung in höchstens acht Minuten erreicht werden kann.

Während der Zeiten der Rufbereitschaft muss jedes für die Feuerwehrkaserne von Nivelles tätige freiwillige Mitglied:

sich jederzeit in einer Entfernung von der Feuerwehrkaserne aufhalten, die es ihm erlaubt, sie bei normalem Verkehrsfluss in höchstens acht Minuten zu erreichen;

besonders darauf achten, für die verschiedenen technischen Mittel empfangsbereit zu sein, die für die Einberufung des Personals verwendet werden, und bei der Einberufung des Personals im Rufbereitschaftsdienst sofort mit dem geeignetsten Mittel aufzubrechen“.

13

In Bezug auf das Arbeitsentgelt und die Entschädigung des Personals bestimmt Art. 39 der Verordnung über die Organisation des Feuerwehrdienstes von Nivelles, dass die Berufsmitglieder des Feuerwehrdienstes nach den Bedingungen bezahlt werden, die im Finanzstatut für das Personal der Stadt Nivelles festgelegt sind.

14

Die freiwilligen Mitglieder des Feuerwehrdienstes erhalten die in Art. 40 der Verordnung näher bestimmten Bezüge. Diese werden anteilig zu den geleisteten Stunden berechnet. Für ihren „Bereitschaftsdienst zu Hause“ wird eine jährliche Entschädigung festgesetzt. Sie entspricht der der Berufsmitglieder.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15

Der Feuerwehrdienst von Nivelles umfasst Berufsfeuerwehrleute und freiwillige Feuerwehrleute.

16

Die freiwilligen Feuerwehrleute nehmen an den Einsätzen teil. Zu den weiteren ihnen übertragenen Aufgaben gehören u. a. die Wahrnehmung der Wach- und Bereitschaftsdienste in der Kaserne, deren Zeitplan zu Jahresbeginn festgelegt wird.

17

Herr Matzak trat am 1. August 1980 in den Dienst der Stadt Nivelles ein und wurde ein Jahr später freiwilliger Feuerwehrmann. Außerdem ist er Angestellter eines Privatunternehmens.

18

Am 16. Dezember 2009 strengte Herr Matzak ein Gerichtsverfahren mit dem Ziel an, die Verurteilung der Stadt Nivelles zu erreichen, ihm einen vorläufigen Betrag von einem Euro als Schadensersatz dafür zu zahlen, dass ihm in seinen Dienstjahren kein Arbeitsentgelt für seine Leistungen als freiwilliger Feuerwehrmann, insbesondere seinen Bereitschaftsdienst zu Hause, gezahlt worden sei.

19

Mit Urteil vom 22. März 2012 gab das Tribunal du travail de Nivelles (Arbeitsgericht Nivelles, Belgien) der Klage von Herrn Matzak weitgehend statt.

20

Die Stadt Nivelles legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel bei der Cour du travail de Bruxelles (Arbeitsgerichtshof Brüssel, Belgien) ein.

21

Das vorlegende Gericht gab dem Rechtsmittel mit Urteil vom 14. September 2015 teilweise statt. Es fragt sich im Hinblick auf das Arbeitsentgelt, das für die Bereitschaftsdienste zu Hause gefordert wird, die Herrn Matzak zufolge als Arbeitszeit einzuordnen sind, ob solche Bereitschaftsdienste unter die Definition der Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88 fallen.

22

Unter diesen Umständen hat die Cour du travail de Bruxelles (Arbeitsgerichtshof Brüssel) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Kategorien von Feuerwehrleuten, die bei öffentlichen Feuerwehrdiensten beschäftigt sind, vollständig von den Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie, einschließlich der Vorschrift, in der die Arbeitszeit und die Ruhezeit definiert werden, ausnehmen dürfen?

2.

Ist die Richtlinie 2003/88, da sie nur Mindeststandards regelt, dahin auszulegen, dass sie den nationalen Gesetzgeber nicht daran hindert, eine weniger restriktive Definition der Arbeitszeit beizubehalten oder einzuführen?

3.

Ist Art. 2 der Richtlinie 2003/88 unter Berücksichtigung des Art. 153 Abs. 5 AEUV und der Zielsetzungen dieser Richtlinie, soweit er die Grundbegriffe der Richtlinie, insbesondere die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ definiert, dahin auszulegen, dass er nicht für den Arbeitszeitbegriff gilt, der für die Bestimmung des für den Bereitschaftsdienst zu Hause geschuldeten Arbeitsentgelts maßgeblich ist?

4.

Verbietet es die Richtlinie 2003/88, die Bereitschaftszeit zu Hause als Arbeitszeit zu werten, wenn die Beschränkungen, denen der Arbeitnehmer, obwohl der Bereitschaftsdienst bei ihm zu Hause stattfindet, während dieser Zeit unterliegt (wie etwa die Verpflichtung, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb einer Frist von acht Minuten Folge zu leisten), die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich einschränken?

Zu den Vorlagefragen

Einleitung

23

Einleitend ist erstens darauf hinzuweisen, dass sowohl die Stadt Nivelles als auch die Europäische Kommission geltend machen, dass die Vorlagefragen, soweit sie sich auf den Begriff des Arbeitsentgelts beziehen, unzulässig seien. Die auf Art. 153 Abs. 2 AEUV beruhende Richtlinie 2003/88 sei nämlich nach Abs. 5 dieses Artikels nicht auf das Arbeitsentgelt der von ihrem Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer anwendbar. Gegenstand des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren sei jedoch die Entscheidung über die Frage des Arbeitsentgelts von Herrn Matzak für die als freiwilliger Feuerwehrmann der Stadt Nivelles erbrachten Bereitschaftsdienste zu Hause.

24

Insoweit ist festzustellen, dass sich die Richtlinie 2003/88 mit Ausnahme des in ihrem Art. 7 Abs. 1 geregelten besonderen Falles des bezahlten Jahresurlaubs darauf beschränkt, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, so dass sie grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer findet (Urteil vom 26. Juli 2017, Hälvä u. a., C‑175/16, EU:C:2017:617, Rn. 25 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Diese Feststellung bedeutet jedoch nicht, dass die Fragen, die dem Gerichtshof hier zur Vorabentscheidung vorliegen, nicht zu beantworten wären.

26

Wie die Generalanwältin in Nr. 20 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, geht aus der Vorlageentscheidung nämlich hervor, dass das nationale Gericht wissen möchte, wie Art. 2 und Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii der Richtlinie 2003/88 auszulegen sind, was seiner Auffassung nach erforderlich ist, um den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden. Darauf, dass es in diesem Rechtsstreit letztlich um eine Frage des Arbeitsentgelts geht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da es Sache des nationalen Gerichts und nicht des Gerichtshofs ist, diese Frage im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits zu entscheiden.

27

Zweitens hat der Gerichtshof entschieden, dass die Richtlinie 2003/88 auf die Tätigkeiten der Feuerwehr auch dann anwendbar ist, wenn diese Tätigkeiten – unabhängig davon, ob sie der Brandbekämpfung oder einer anderen Hilfeleistung dienen – von Kräften im Einsatzdienst ausgeübt werden, sofern sie nur unter gewöhnlichen Umständen gemäß der dem betreffenden Dienst übertragenen Aufgabe ausgeübt werden, und zwar selbst dann, wenn die Einsätze, die mit diesen Tätigkeiten verbunden sein können, ihrer Natur nach nicht vorhersehbar sind und die eingesetzten Arbeitnehmer hierbei bestimmten Gefahren für ihre Sicherheit und/oder Gesundheit ausgesetzt sein können (Beschluss vom 14. Juli 2005, Personalrat der Feuerwehr Hamburg, C‑52/04, EU:C:2005:467, Rn. 52).

28

Drittens ist im Hinblick auf die Einordnung von Herrn Matzak als „Arbeitnehmer“ darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmerbegriff für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88 nicht nach Maßgabe der nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt werden kann, sondern eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung hat (Urteil vom 14. Oktober 2010, Union syndicale Solidaires Isère, C‑428/09, EU:C:2010:612, Rn. 28). Nach einschlägiger ständiger Rechtsprechung ist als „Arbeitnehmer“ jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal, das ein Arbeitsverhältnis definiert, bleibt, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (Urteil vom 26. März 2015, Fenoll, C‑316/13, EU:C:2015:200, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

Ferner hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Rechtsnatur eines Arbeitsverhältnisses nach nationalem Recht keine Bedeutung für die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts haben kann (Urteil vom 20. September 2007, Kiiski, C‑116/06, EU:C:2007:536, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Somit ist es in Bezug auf das Ausgangsverfahren für die Einordnung von Herrn Matzak als „Arbeitnehmer“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 ohne Bedeutung, dass er nach nationalem Recht nicht den Status eines Berufsfeuerwehrmanns, sondern eines freiwilligen Feuerwehrmanns hat.

31

Vor diesem Hintergrund ist eine Person, die sich in der Lage von Herrn Matzak befindet, als „Arbeitnehmer“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 einzuordnen, da aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Informationen hervorgeht, dass Herr Matzak in den Feuerwehrdienst der Stadt Nivelles aufgenommen wurde und für diesen bestimmte tatsächliche und echte Tätigkeiten, die vergütet wurden, auf Weisung einer anderen Person ausgeübt hat. Ob dies zutrifft, hat das vorlegende Gericht zu prüfen.

32

Viertens ist die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Art. 1 bis 8 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 1993, L 307, S. 18) in der Fassung der Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 (ABl. 2000, L 195, S. 41) auf die Art. 1 bis 8 der Richtlinie 2003/88 übertragbar, da deren Wortlaut im Wesentlichen identisch ist (Beschluss vom 4. März 2011, Grigore, C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zur ersten Frage

33

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf bestimmte Kategorien von bei öffentlichen Feuerwehrdiensten beschäftigten Feuerwehrleuten von allen Verpflichtungen aus der Richtlinie, einschließlich deren Art. 2, in dem insbesondere die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ definiert sind, abweichen dürfen.

34

Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 2 der Richtlinie 2003/88 nicht zu den Bestimmungen der Richtlinie gehört, von denen abgewichen werden darf (Beschluss vom 4. März 2011, Grigore, C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 45).

35

Nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 können die Mitgliedstaaten nämlich von den Art. 3 bis 6, 8 und 16 der Richtlinie abweichen, und Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie stellt klar, dass für die darin genannten Dienste, darunter die der Feuerwehr, Abweichungen von den Art. 3, 4, 5, 8 und 16 der Richtlinie zulässig sind.

36

Der Wortlaut von Art. 17 der Richtlinie 2003/88 selbst gestattet somit keine Abweichung von deren Art. 2, der die zentralen Begriffe dieser Richtlinie definiert.

37

Zudem gibt es, wie die Generalanwältin in Nr. 27 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, keinen Raum für eine weite Auslegung von Art. 17 der Richtlinie, die über den ausdrücklichen Wortlaut der darin gestatteten Ausnahmen hinausgehen könnte.

38

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den in der Richtlinie 2003/88, insbesondere ihrem Art. 17, vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten müssen nämlich diese Abweichungen als Ausnahmen von der Unionsregelung über die Arbeitszeitgestaltung so ausgelegt werden, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Union syndicale Solidaires Isère, C‑428/09, EU:C:2010:612, Rn. 39 und 40).

39

Nach den vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf bestimmte Kategorien von bei öffentlichen Feuerwehrdiensten beschäftigten Feuerwehrleuten nicht von allen Verpflichtungen aus der Richtlinie, einschließlich deren Art. 2, in dem insbesondere die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ definiert sind, abweichen dürfen.

Zur zweiten Frage

40

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 15 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er es den Mitgliedstaaten gestattet, eine weniger restriktive Definition des Begriffs „Arbeitszeit“ beizubehalten oder einzuführen als die in Art. 2 der Richtlinie.

41

Zur Beantwortung dieser Frage ist der Wortlaut von Art. 15 der Richtlinie 2003/88 mit Blick auf das von der Richtlinie geschaffene System und deren Zielsetzung zu prüfen.

42

Nach dem Wortlaut von Art. 15 der Richtlinie 2003/88 bleibt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Aus diesem Artikel folgt, dass es sich bei den nationalen Bestimmungen, auf die er Bezug nimmt, um solche handelt, die mit denen der Richtlinie 2003/88 über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer vergleichbar sind.

43

Dabei kann es sich nur um Bestimmungen handeln, die durch ihre Funktion und Zielsetzung dazu bestimmt sind, ein Mindestniveau für den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer festzulegen. Bei den Bestimmungen der Kapitel 2 und 3 der Richtlinie ist dies der Fall. Die Bestimmungen von Kapitel 1 der Richtlinie, das ihre Art. 1 und 2 umfasst, sind hingegen anderer Art. Sie legen nämlich weder Mindestruhezeiten fest, noch betreffen sie andere Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, sondern sie enthalten die Definitionen, die erforderlich sind, um den Gegenstand und den Geltungsbereich der Richtlinie 2003/88 abzugrenzen.

44

Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 15 der Richtlinie 2003/88 im Licht des durch diese Richtlinie geschaffenen Systems, dass sich das in dieser Vorschrift vorgesehene Recht nicht auf die Definition des Begriffs „Arbeitszeit“ in Art. 2 der Richtlinie erstreckt.

45

Diese Feststellung wird durch die Zielsetzung der Richtlinie 2003/88 bestätigt. Wie die Generalanwältin in Nr. 33 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, soll die Richtlinie nämlich auf den Gebieten, die ihrem Geltungsbereich unterfallen, einen Mindestschutz sicherstellen, der für alle Arbeitnehmer in der Union gilt. Zu diesem Zweck und um die volle Wirksamkeit der Richtlinie sicherzustellen, dürfen die Definitionen in ihrem Art. 2 nicht abhängig vom nationalen Recht unterschiedlich ausgelegt werden, sondern haben, wie in Rn. 28 des vorliegenden Urteils für den Begriff „Arbeitnehmer“ klargestellt, eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2005, Dellas u. a., C‑14/04, EU:C:2005:728, Rn. 44 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

46

In diesem Kontext ist jedoch klarzustellen, dass die Mitgliedstaaten zwar nicht das Recht haben, die Definition der „Arbeitszeit“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2003/88 zu ändern, ihnen aber, wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt, freisteht, in ihrem jeweiligen nationalen Recht Regelungen zu treffen, die günstigere Arbeits- und Ruhezeiten für Arbeitnehmer vorsehen als die in der Richtlinie festgelegten.

47

Demnach ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 15 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er es den Mitgliedstaaten nicht gestattet, eine weniger restriktive Definition des Begriffs „Arbeitszeit“ beizubehalten oder einzuführen als die in Art. 2 der Richtlinie.

Zur dritten Frage

48

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Arbeitsentgelt für Bereitschaftszeiten zu Hause wie die im Ausgangsverfahren fraglichen in Abhängigkeit davon festzulegen, ob diese Zeiten als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ eingestuft werden.

49

Hierzu ist übereinstimmend mit dem vorlegenden Gericht darauf hinzuweisen, dass feststeht, dass die Richtlinie 2003/88 nicht die Frage des Arbeitsentgelts für Arbeitnehmer regelt, da dieser Aspekt nach Art. 153 Abs. 5 AEUV außerhalb der Zuständigkeit der Union liegt.

50

Somit haben die Mitgliedstaaten zwar das Recht, das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer im Geltungsbereich der Richtlinie 2003/88 entsprechend den Definitionen der Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ in Art. 2 der Richtlinie festzulegen, verpflichtet sind sie dazu aber nicht.

51

Die Mitgliedstaaten können somit in ihrem nationalen Recht bestimmen, dass das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers für die „Arbeitszeit“ von dem für die „Ruhezeit“ abweicht, und dies sogar so weit, dass für letztere Zeiten gar kein Arbeitsentgelt gewährt wird.

52

In Anbetracht dessen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, das Arbeitsentgelt für Bereitschaftszeiten zu Hause wie die im Ausgangsverfahren fraglichen in Abhängigkeit davon festzulegen, ob diese Zeiten als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ eingestuft werden.

Zur vierten Frage

53

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, wodurch die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich eingeschränkt ist, als „Arbeitszeit“ anzusehen ist.

54

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits Gelegenheit hatte, sich zu der Frage zu äußern, ob Bereitschaftszeiten, die Arbeitnehmer leisten, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2003/88 fallen, als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ einzuordnen sind.

55

In diesem Kontext hat der Gerichtshof zunächst klargestellt, dass die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ einander ausschließen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2000, Simap, C‑303/98, EU:C:2000:528, Rn. 47, sowie vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras, C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ist festzustellen, dass beim derzeitigen Stand des Unionsrechts die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner für seinen Arbeitgeber erbrachten Tätigkeiten verbringt, entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ einzuordnen ist.

56

Außerdem gehören zu den wesentlichen Merkmalen des Begriffs „Arbeitszeit“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2003/88 nicht die Intensität der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit oder dessen Leistung (Urteil vom 1. Dezember 2005, Dellas u. a., C‑14/04, EU:C:2005:728, Rn. 43).

57

Des Weiteren wurde entschieden, dass die persönliche Anwesenheit und die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz während des Bereitschaftsdienstes zur Erbringung seiner beruflichen Leistungen als Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben anzusehen ist, auch wenn die tatsächlich geleistete Arbeit von den Umständen abhängt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2000, Simap, C‑303/98, EU:C:2000:528, Rn. 48).

58

Fiele nämlich der Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht unter den Begriff „Arbeitszeit“, würde das Ziel der Richtlinie 2003/88 gefährdet, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, indem ihnen Mindestruhezeiten sowie angemessene Ruhepausen zugestanden werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2000, Simap, C‑303/98, EU:C:2000:528, Rn. 49).

59

Außerdem ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Einordnung als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 entscheidend, dass sich der Arbeitnehmer an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Diese Verpflichtungen, aufgrund deren der betroffene Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Bereitschaftszeiten nicht frei bestimmen kann, sind als Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2003, Jaeger, C‑151/02, EU:C:2003:437, Rn. 63, sowie Beschluss vom 4. März 2011, Grigore, C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer einen Bereitschaftsdienst nach dem System der Rufbereitschaft erbringt, die seine ständige Erreichbarkeit, nicht jedoch zugleich seine Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordert. Selbst wenn er seinem Arbeitgeber in dem Sinne zur Verfügung steht, dass er erreichbar sein muss, kann er in dieser Situation freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen. Unter diesen Umständen ist nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2003, Jaeger, C‑151/02, EU:C:2003:437, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Im Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens musste Herr Matzak nach den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Informationen, deren Überprüfung Sache des vorlegenden Gerichts ist, während seines Bereitschaftsdienstes nicht nur erreichbar sein. Zum einen war er verpflichtet, einem Ruf seines Arbeitgebers zum Einsatzort innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, und zum anderen musste er an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort persönlich anwesend sein. Jedoch handelte es sich bei diesem Ort um seinen Wohnsitz und nicht, wie in den Rechtssachen, die zu der oben in den Rn. 57 bis 59 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung geführt haben, um seinen Arbeitsplatz.

62

Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 unionsrechtliche Begriffe darstellen, die anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der Richtlinie zu bestimmen sind, der darin besteht, Mindestvorschriften zur Verbesserung der Lebens‑ und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer aufzustellen (Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras, C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 27).

63

Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Einschränkung, die sich aus geografischer und zeitlicher Sicht aus dem Erfordernis ergibt, sich innerhalb von acht Minuten am Arbeitsplatz einzufinden, können objektiv die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers in Herrn Matzaks Lage einschränken, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen.

64

Angesichts dieser Einschränkungen unterscheidet sich die Situation von Herrn Matzak von der eines Arbeitnehmers, der während seines Bereitschaftsdienstes einfach nur für seinen Arbeitgeber erreichbar sein muss.

65

Unter diesen Umständen ist der Begriff „Arbeitszeit“ in Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass eine Situation darunter fällt, in der ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Zeit des Bereitschaftsdienstes zu Hause zu verbringen, für seinen Arbeitgeber verfügbar zu sein und sich innerhalb von acht Minuten an seinem Arbeitsplatz einfinden zu können.

66

Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, wodurch die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich eingeschränkt ist, als „Arbeitszeit“ anzusehen ist.

Kosten

67

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf bestimmte Kategorien von bei öffentlichen Feuerwehrdiensten beschäftigten Feuerwehrleuten nicht von allen Verpflichtungen aus der Richtlinie, einschließlich deren Art. 2, in dem insbesondere die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ definiert sind, abweichen dürfen.

 

2.

Art. 15 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten nicht gestattet, eine weniger restriktive Definition des Begriffs „Arbeitszeit“ beizubehalten oder einzuführen als die in Art. 2 der Richtlinie.

 

3.

Art. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, das Arbeitsentgelt für Bereitschaftszeiten zu Hause wie die im Ausgangsverfahren fraglichen in Abhängigkeit davon festzulegen, ob diese Zeiten zuvor als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ eingestuft wurden.

 

4.

Art. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, wodurch die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich eingeschränkt ist, als „Arbeitszeit“ anzusehen ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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