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Document 52023XX0620(03)

Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum Verhandlungsmandat zum Abschluss eines internationalen Abkommens über den Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und bolivianischen Strafverfolgungsbehörden 2023/C 217/09 (Der vollständige Text dieser Stellungnahme ist in englischer, französischer und deutscher Sprache auf der Internetpräsenz des EDSB unter https://edps.europa.eu erhältlich)

ABl. C 217 vom 20.6.2023, p. 21–24 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.6.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 217/21


Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum Verhandlungsmandat zum Abschluss eines internationalen Abkommens über den Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und bolivianischen Strafverfolgungsbehörden

(2023/C 217/09)

(Der vollständige Text dieser Stellungnahme ist in englischer, französischer und deutscher Sprache auf der Internetpräsenz des EDSB unter https://edps.europa.eu erhältlich)

Die Europäische Kommission hat am 9. März 2023 eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Plurinationalen Staat Bolivien über den Austausch personenbezogener Daten zwischen der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und den für die Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus zuständigen bolivianischen Behörden (1) (im Folgenden „die Empfehlung“) vorgelegt.

Ziel der Empfehlung ist die Aufnahme von Verhandlungen mit Bolivien im Hinblick auf die Unterzeichnung und den Abschluss eines internationalen Abkommens, das den Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und den für die Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus zuständigen bolivianischen Behörden ermöglicht. Im Anhang der Empfehlung sind die Verhandlungsrichtlinien des Rates für die Kommission festgelegt, d. h. die Ziele, die die Kommission im Rahmen dieser Verhandlungen im Namen der EU erreichen sollte.

Werden personenbezogene Daten, die im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen erhoben und von Europol zur polizeilichen Erkenntnisgewinnung weiterverarbeitet werden, übermittelt, so hat dies wahrscheinlich bedeutende Auswirkungen auf das Leben und die Freiheiten der betroffenen Personen. Deshalb muss das internationale Abkommen sicherstellen, dass die Rechte auf Schutz der Privatsphäre und auf Datenschutz nur insoweit eingeschränkt werden, als es zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus unbedingt erforderlich ist.

Der EDSB nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Kommission, auch auf der Grundlage einer Reihe von Empfehlungen aus früheren Stellungnahmen des EDSB zu diesem Thema, inzwischen eine Reihe gut strukturierter Ziele (Verhandlungsrichtlinien) festgelegt hat, die grundlegende Datenschutzgrundsätze enthalten, welche die Kommission im Zuge internationaler Verhandlungen über den Abschluss von Abkommen über den Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und den Strafverfolgungsbehörden von Drittstaaten im Namen der EU erreichen möchte.

Vor diesem Hintergrund zielen die Empfehlungen in dieser Stellungnahme darauf ab, die Garantien und Kontrollen zum Schutz personenbezogener Daten im künftigen Abkommen zwischen der EU und Bolivien klarzustellen und, soweit erforderlich, weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang empfiehlt der EDSB, dass das künftige Abkommen Folgendes vorsieht: die ausdrückliche Festlegung der Liste der Straftaten, zu denen personenbezogene Daten ausgetauscht werden könnten; eine regelmäßige Überprüfung der Notwendigkeit der Speicherung der übermittelten personenbezogenen Daten sowie andere geeignete Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Fristen eingehalten werden; die Einführung zusätzlicher Garantien in Bezug auf die Übermittlung besonderer Datenkategorien; die Gewährleistung, dass keine automatisierte Entscheidung auf der Grundlage der im Rahmen des Abkommens erhaltenen Daten getroffen wird, ohne dass eine Person die Möglichkeit hat, wirksam und sinnvoll einzugreifen; die Festlegung klarer und detaillierter Regeln für die Informationen, die den betroffenen Personen zur Verfügung gestellt werden sollten.

Der EDSB erinnert daran, dass gemäß Artikel 8 Absatz 3 der Charta die Kontrolle durch eine unabhängige Behörde ein wesentliches Element des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten ist. Der EDSB empfiehlt der Kommission daher, während der Verhandlungen besonderes Augenmerk auf die Aufsicht durch unabhängige öffentliche Stellen zu legen, die für den Datenschutz zuständig sind und wirksame Befugnisse gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und anderen zuständigen Behörden Boliviens haben, welche die übermittelten personenbezogenen Daten verwenden werden. Um die ordnungsgemäße Durchführung des Abkommens zu gewährleisten, schlägt der EDSB außerdem vor, dass die Parteien regelmäßig Informationen über die Ausübung der Rechte durch die betroffenen Personen sowie einschlägige Informationen über die Inanspruchnahme der Aufsichts- und Rechtsbehelfsmechanismen im Zusammenhang mit der Anwendung des Abkommens austauschen.

1.   Einleitung

1.

Am 9. März 2023 hat die Europäische Kommission eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Plurinationalen Staat Bolivien über den Austausch personenbezogener Daten zwischen der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und den für die Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus zuständigen bolivianischen Behörden vorgelegt. Der Empfehlung ist der entsprechende Anhang beigefügt.

2.

Ziel der Empfehlung ist die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Plurinationalen Staat Bolivien (im Folgenden „Bolivien“) im Hinblick auf die Unterzeichnung und den Abschluss eines internationalen Abkommens, das den Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und den für die Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus zuständigen bolivianischen Behörden ermöglicht. Im Anhang der Empfehlung sind die Verhandlungsrichtlinien des Rates für die Kommission festgelegt, d. h. die Ziele, die die Kommission im Rahmen dieser Verhandlungen im Namen der EU erreichen sollte.

3.

In der Begründung der Empfehlung der Kommission heißt es, dass die organisierten kriminellen Gruppen in Lateinamerika eine ernsthafte Bedrohung für die innere Sicherheit der EU darstellen, da ihre Handlungen zunehmend mit einer Reihe von Straftaten innerhalb der Union, insbesondere im Bereich des Drogenhandels, in Verbindung stehen (2). In der Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität in der EU (SOCTA) von 2021 wird hervorgehoben, dass beispiellose Mengen illegaler Drogen aus Lateinamerika in die EU verbracht werden. Die damit erzielten Gewinne in Höhe von mehreren Milliarden Euro dienen der Finanzierung einer Vielzahl (internationaler und EU-basierter) krimineller Organisationen und der Schwächung der Rechtsstaatlichkeit in der EU (3).

4.

Der Großteil der in der EU beschlagnahmten Waren wird auf dem Seeweg befördert, hauptsächlich in Seecontainern (4), und direkt aus den Herstellungsländern und ihren lateinamerikanischen Nachbarländern (5), in die EU versandt. Bolivien mit einem Anteil von 12,5 % das drittgrößte Koka-Anbauland weltweit (6).

5.

In seinem Programmplanungsdokument 2022-2024 betont Europol unter anderem, dass die steigende Nachfrage nach Drogen und die wachsende Zahl an Drogenschmuggelrouten in die EU die verstärkte Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Ländern notwendig machen. In diesem Sinne wurde Bolivien im Dezember 2022 von Europol in die Liste der vorrangigen Partner aufgenommen, mit denen die Agentur Arbeitsvereinbarungen schließen kann (7).

6.

Bolivien wird von der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) als wichtiger internationaler Partner für die Reduzierung der weltweiten Verfügbarkeit von Kokain gesehen.

7.

Mit der vorliegenden Stellungnahme des EDSB wird das Konsultationsersuchen der Europäischen Kommission vom 9. März 2023 gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) (EU-DSVO) beantwortet. Der EDSB begrüßt, dass er bezüglich der Empfehlung der Europäischen Kommission konsultiert wurde, und erwartet, dass in der Präambel des Ratsbeschlusses auf die vorliegende Stellungnahme verwiesen wird. Darüber hinaus begrüßt der EDSB den Verweis in Erwägungsgrund 4 des Vorschlags auf Erwägungsgrund 35 der Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) (im Folgenden die „Europol-Verordnung“), wonach die Kommission den EDSB auch während der Verhandlungen über das Abkommen und in jedem Fall vor Abschluss des Abkommens konsultieren kann.

8.

Der EDSB erinnert daran, dass er bereits 2018 und 2020 Gelegenheit hatte, zum Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und den Strafverfolgungsbehörden von Drittstaaten auf Grundlage der Europol-Verordnung Stellung zu nehmen (10).

9.

Der EDSB nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Kommission, auch auf der Grundlage einer Reihe von Empfehlungen aus früheren Stellungnahmen des EDSB zu diesem Thema, inzwischen eine Reihe gut strukturierter Ziele (Verhandlungsrichtlinien) festgelegt hat, die grundlegende Datenschutzgrundsätze enthalten, welche die Kommission im Zuge internationaler Verhandlungen über den Abschluss von Abkommen über den Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und den Strafverfolgungsbehörden von Drittstaaten im Namen der EU erreichen möchte.

10.

Vor diesem Hintergrund zielen die Empfehlungen in dieser Stellungnahme darauf ab, die Garantien und Kontrollen zum Schutz personenbezogener Daten im künftigen Abkommen zwischen der EU und Bolivien klarzustellen und, soweit erforderlich, weiterzuentwickeln. Diese Empfehlungen lassen weitere Empfehlungen, die der EDSB möglicherweise im Verlauf der Verhandlungen auf der Grundlage weiterer Informationen und der Bestimmungen des Entwurfs des Abkommens formulieren wird, unberührt.

11.   Schlussfogerungen

38.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der EDSB,

(1)

dass das geplante Abkommen ausdrücklich die Übermittlung personenbezogener Daten ausschließt, die unter offenkundiger Verletzung der Menschenrechte erlangt wurden,

(2)

dass in dem geplanten Abkommen ausdrücklich die Liste der Straftaten festlegt wird, bei denen personenbezogene Daten ausgetauscht werden könnten, und dass sich die übermittelten personenbezogenen Daten auf Einzelfälle beziehen müssen,

(3)

dass das geplante Abkommen eine regelmäßige Überprüfung der Notwendigkeit der Speicherung der übermittelten personenbezogenen Daten sowie andere geeignete Maßnahmen vorsieht, mit denen sichergestellt wird, dass die Fristen eingehalten werden,

(4)

sicherzustellen, dass das geplante Abkommen die in Artikel 30 der Europol-Verordnung festgelegten Garantien vorsieht,

(5)

sicherzustellen, dass die Sicherheitsmaßnahmen Daten umfassen, die am Bestimmungsort sowie bei der Durchfuhr verarbeitet werden,

(6)

sicherzustellen, dass automatisierte Entscheidungen, die auf gemäß dem Abkommen empfangenen Daten beruhen, nur ergehen, wenn die Möglichkeit besteht, dass eine Person wirksam und sinnvoll eingreifen kann.

(7)

dass das geplante Abkommen klare und detaillierte Vorschriften betreffend die Informationen enthält, die den betroffenen Personen zur Verfügung zu stellen sind

(8)

dass die Kommission bei den Verhandlungen besonderes Augenmerk auf Richtlinie 3 Buchstabe k betreffend die Aufsicht durch unabhängige Datenschutzbehörden legt, die mit wirksamen Befugnissen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und anderen zuständigen Behörden Boliviens , welche die übermittelten personenbezogenen Daten verwenden werden, ausgestattet sein sollten,

(9)

dass die Parteien für die Zwecke dieser Überprüfung des Abkommens regelmäßig Informationen über die Ausübung von Rechten durch betroffene Personen und einschlägige Informationen über die Inanspruchnahme der Aufsichts- und Rechtsbehelfsmechanismen im Zusammenhang mit der Anwendung des Abkommens austauschen.

Brüssel, den 3. Mai 2023.

Wojciech Rafał WIEWIÓROWSKI


(1)  COM(2023) 130 final.

(2)  Siehe Seite 2 der Begründung der Empfehlung.

(3)  European Union Serious and Organised Crime Threat Assessment: A corrupt Influence: The infiltration and undermining of Europe’s economy and society by organised crime („Beurteilung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität in der Europäischen Union: Zerstörerischer Einfluss: Die Unterwanderung und Aushöhlung der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft durch die organisierte Kriminalität“), S. 12.

(4)  „Europol and the global cocaine trade“, abrufbar unter https://www.emcdda.europa.eu/publications/eu-drug-markets/cocaine/europe-and-global-cocaine-trade_en.

(5)  „Europol and the global cocaine trade“, abrufbar unter https://www.emcdda.europa.eu/publications/eu-drug-markets/cocaine/europe-and-global-cocaine-trade_en.

(6)  „EU Drug Market: Cocaine“, S. 10, abrufbar unter „EU Drug Market: Cocaine“ | www.emcdda.europa.eu.

(7)  Begründung, S. 2.

(8)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).

(9)  Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI (ABl. L 135 vom 24.5.2016, S. 53).

(10)  Siehe Stellungnahme 2/2018 des EDSB zu acht Verhandlungsmandaten für den Abschluss internationaler Abkommen über den Datenaustausch zwischen Europol und Drittstaaten, angenommen am 14. März 2018, https://edps.europa.eu/sites/edp/files/publication/18-03-19_opinion_international_agreements_europol_en.pdf und Stellungnahme 1/2020 des EDSB zum Verhandlungsmandat für den Abschluss eines internationalen Abkommens über den Austausch personenbezogener Daten zwischen Europol und den neuseeländischen Strafverfolgungsbehörden, veröffentlicht am 31. Januar 2020 https://edps.europa.eu/sites/default/files/publication/20-01-31_opinion_recommendation_europol_en.docx.pdf


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