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Document 52021AE3583

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die allgemeine Produktsicherheit, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG des Rates und der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (COM(2021) 346 final — 2021/0170 (COD))

    EESC 2021/03583

    ABl. C 105 vom 4.3.2022, p. 99–104 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    4.3.2022   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 105/99


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die allgemeine Produktsicherheit, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG des Rates und der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

    (COM(2021) 346 final — 2021/0170 (COD))

    (2022/C 105/15)

    Berichterstatter:

    Mordechaj Martin SALAMON

    Befassung

    Europäisches Parlament, 13.9.2021

    Rat, 23.8.2021

    Rechtsgrundlage

    Artikel 114 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    30.9.2021

    Verabschiedung im Plenum

    20.10.2021

    Plenartagung Nr.

    564

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    231/0/6

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (im Folgenden „vorgeschlagene Verordnung“), da er die geltende Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (1) über die allgemeine Produktsicherheit (im Folgenden „geltende Richtlinie“) aktualisiert und potenziell verbessert, insbesondere was die Herausforderungen und neuen Entwicklungen im Bereich der Märkte und Technologien angeht.

    1.2.

    Der EWSA stellt fest, dass viele der Lehren, die in letzten 20 Jahren aus den Erfahrungen mit der Umsetzung der geltenden Richtlinie gezogen werden konnten, in der vorgeschlagenen Rahmenregelung berücksichtigt wurden. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Verbraucher einen besseren Schutz genießen werden — vor allem dann, wenn sich Produkte als unsicher erweisen. Gleichzeitig werden Wirtschaftsakteure und Online-Marktplätze höchstwahrscheinlich von klareren und harmonisierten Vorschriften profitieren.

    1.3.

    Der EWSA unterstützt die vorgeschlagene Verordnung, weil darin anerkannt wird, dass im Bereich der Online-Verkäufe gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftsakteuren — insbesondere zwischen europäischen Herstellern/KMU und ausländischen Unternehmen — geschaffen werden müssen.

    1.4.

    Der EWSA stellt fest, dass die Definitionen der Begriffe „Sicherheit“ und „Produkt“ aktualisiert wurden, um dem Wandel der Märkte und Technologien Rechnung zu tragen, sodass jetzt Sicherheitsrisiken verringert werden dürften, die von vernetzten und für Hackerangriffe anfälligen Produkten, fehlenden Softwareaktualisierungen und schädlichen Chemikalien ausgehen. Um die Rechtssicherheit zu erhöhen, sollten nach Auffassung des EWSA der Begriff „sichere Produkte“ und einige der Kriterien für die Sicherheitsbewertung genauer definiert werden.

    1.5.

    Der EWSA unterstützt die neuen Verpflichtungen für Online-Marktplätze, hat aber erhebliche Zweifel, ob der Schutz für die Verbraucher ausreichen wird, falls die Durchsetzungsmaßnahmen weiterhin vornehmlich den nationalen Durchsetzungsbehörden und nicht den Plattformen obliegen.

    1.6.

    Der EWSA betont, dass ein reibungsloses Zusammenspiel mit den anderen wesentlichen Rechtsakten, die dieselben oder verwandte Themen betreffen, beispielsweise mit dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) und dem Gesetz über digitale Märkte (DMA) sowie mit der bevorstehenden Überarbeitung der Produkthaftungsrichtlinie sichergestellt werden muss, insbesondere bezüglich der Haftungsfrage bei Online-Marktplätzen.

    1.7.

    Der EWSA bedauert, dass in der vorgeschlagenen Verordnung nicht klargestellt wird, dass Online-Marktplätze je nach ihrer Tätigkeit und ihrer Rolle in der (digitalen) Lieferkette Einführer oder Vertreiber von Produkten sind, und dass für sie keine ähnlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten wie für den stationären Einzelhandel festgelegt werden. Auch sollte für mehr Klarheit hinsichtlich der Haftungsgrenzen gesorgt werden.

    1.8.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Marktüberwachung auf alle Verbrauchsgüter ausgeweitet werden muss und gemeinsame, koordinierte, finanziell gut ausgestattete und bereichsübergreifende Maßnahmen in ganz Europa umfassen sollte.

    1.9.

    Der EWSA bedauert, dass die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet werden, bessere Daten über Unfälle und Verletzungen zu erheben und bereitzustellen. Ohne eine EU-Verletzungsdatenbank wird es schwierig sein, eine kosteneffiziente Umsetzung sicherzustellen und anschließend korrekte Bewertungen der vorgeschlagenen Verordnung vorzunehmen. In der vorgeschlagenen Verordnung sollten daher die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, auf der Grundlage einer gemeinsamen Methodik Daten über Verletzungen durch Verbraucherprodukte zu erheben und auszutauschen.

    1.10.

    Der EWSA würde Maßnahmen begrüßen, die zum Ziel haben, KMU und vor allem Kleinstunternehmen bei ihren Verpflichtungen zu unterstützen, z. B. die finanzielle Unterstützung innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Dabei sollten klare und zweckdienliche Anleitungen, Beratungen und einschlägige Schulungen angeboten werden, um zu gewährleisten, dass die KMU bei ihren Anstrengungen zur Einhaltung der Vorschriften gegenüber größeren und besser aufgestellten Unternehmen nicht benachteiligt werden.

    2.   Kommissionsvorschlag

    2.1.

    Die vorgeschlagene Verordnung (2) steht im Einklang mit der neuen Verbraucheragenda von 2020 (3) und hat folgende Zielsetzungen:

    Aktualisierung und Modernisierung des allgemeinen Rahmens für die Sicherheit von Non-Food-Produkten für Verbraucher;

    Erhaltung der Rolle dieses Rahmens als Sicherheitsnetz für die Verbraucher;

    Anpassung der Bestimmungen an Herausforderungen durch neue Technologien und den Online-Verkauf und

    Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen.

    2.2.

    Der Vorschlag (4) soll die geltende Richtlinie ersetzen, aber weiterhin auf Non-Food-Verbraucherprodukte Anwendung finden, die aus einem Herstellungsprozess hervorgegangen sind. Die vorgeschlagene Verordnung knüpft zudem an die geltende Richtlinie an, indem:

    vorgeschrieben wird, dass Verbraucherprodukte „sicher“ sind;

    bestimmte Pflichten für Wirtschaftsakteure festgelegt werden und

    darin Bestimmungen für die Entwicklung von Normen zur Unterstützung der allgemeinen Sicherheitsanforderung enthalten sind.

    2.3.

    Mit der vorgeschlagenen Verordnung sollen zum einen die Vorschriften, die aktuell durch Richtlinie 2001/95/EG festgelegt sind, aktualisiert werden, damit für ein Sicherheitsnetz für alle Produkte gesorgt ist; zum anderen soll mehr Kohärenz sichergestellt werden, indem die Marktüberwachungsvorschriften für Produkte, die nicht in den Anwendungsbereich der Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU fallen („nicht harmonisierte Produkte“), an die Vorschriften angeglichen werden, die für Produkte gelten, die in den Anwendungsbereich der Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU gemäß Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) fallen („harmonisierte Produkte“).

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission zur Überarbeitung und Modernisierung der geltenden Richtlinie als Teil der neuen Verbraucheragenda für den Zeitraum 2020-2025. Die geltende Richtlinie war ein wegweisender Rechtsakt für den Verbraucherschutz im Binnenmarkt, der vorschreibt, dass nur sichere Produkte in Verkehr gebracht werden dürfen, und der als Sicherheitsnetz für Verbraucher dient, die nicht von branchenspezifischeren Rechtsvorschriften profitieren. Durch die vorgeschlagene Verordnung bleibt diese maßgebliche Funktion erhalten.

    3.2.

    Angesichts der Erfahrungen mit der Umsetzung der Richtlinie und der grundlegenden Veränderungen, die seit ihrer Annahme im Jahr 2001 bei Produkten und Märkten stattgefunden haben, war eine Überarbeitung längst überfällig. Der EWSA befürwortet die Überarbeitung: Die Richtlinie war zwar ein wichtiges Instrument, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen europäischen Herstellern und KMU einerseits und ausländischen Unternehmen anderseits zu erreichen; jetzt aber müssen die Bemühungen um die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen insbesondere im Bereich der Online-Verkäufe fortgesetzt werden (die vorgeschlagene Verordnung trägt dieser Notwendigkeit Rechnung).

    3.3.

    Die Merkmale von Verbraucherprodukten haben sich derart weiterentwickelt, dass die alten Definitionen der Begriffe „Sicherheit“ und „Produkt“ nicht mehr zutreffen. Die Definition von Sicherheit, die nur die Begriffe „Gesundheit“ und „körperliche Unversehrtheit“ umfasst, entspricht nicht mehr den tatsächlichen Risiken, denen die Verbraucher möglicherweise ausgesetzt sind. Der EWSA begrüßt, dass in Artikel 7 eine Reihe von Aspekten zur Bewertung der Produktsicherheit berücksichtigt wird. Er bedauert jedoch, dass in Artikel 3 Absatz 2 nicht eindeutig auf Artikel 7 verwiesen wird, obwohl dies die Rechtssicherheit erhöhen würde.

    3.4.

    Der EWSA begrüßt die Fokussierung auf das Konzept der „Sicherheit“ und die Berücksichtigung der „Cybersicherheit“ als Voraussetzung für die Einstufung eines Produkts als „sicher“. Um die Rechtssicherheit zu erhöhen, sollte nach Auffassung des EWSA vorgeschrieben werden, dass die Bewertung der Cybersicherheit unter allen Umständen und während der gesamten Lebensdauer des Produkts erfolgt. Im Falle gefährlicher Chemikalien in Alltagsprodukten dürften die Verbraucher mit der derzeit geltenden Richtlinie nur schwerlich geschützt werden. Der EWSA hält es für offensichtlich und unvermeidlich, dass jeder künftige Rechtsrahmen die Verbraucher auch vor Sicherheitsgefahren durch vernetzte und für Hackerangriffe anfällige Produkte, fehlende Softwareaktualisierungen und schädliche Chemikalien schützen muss, und begrüßt die diesbezüglichen Änderungen.

    3.5.

    Obwohl Selbstregulierungsinitiativen ergriffen wurden, um den Schutz vor unsicheren online vertriebenen Produkten zu verbessern, kommt eine aktuelle Studie (2020) (6) zum Ergebnis, dass zwei Drittel der 250 getesteten Kaufprodukte nicht den Sicherheitsvorschriften und Technikstandards der EU entsprechen und damit die Verbraucher gefährden. Dies deutet darauf hin, dass hier keine Selbstregulierung, sondern eine wirksame Regulierung erforderlich ist. Der EWSA unterstützt die Annahme einer einschlägigen Verordnung und begrüßt die neuen Verpflichtungen für Online-Marktplätze, gibt jedoch zu bedenken, dass sie möglicherweise nicht vollumfänglich geeignet sind, die Verbraucher zu schützen, da die Aufdeckung und Durchsetzung weiterhin überwiegend in die Zuständigkeit der Durchsetzungsbehörden und nicht der Plattformen fallen. Der EWSA bedauert, dass in der vorgeschlagenen Verordnung nicht klargestellt wird, dass Online-Marktplätze je nach ihrer Tätigkeit und ihrer Rolle in der (digitalen) Lieferkette Einführer (oder ggf. Händler) von Produkten sind, und dass für sie keine ähnlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten wie für den stationären Einzelhandel festgelegt werden. Der EWSA fordert eine Klärung der Haftung der Plattformen in Fällen, in denen kein anderer Akteur in der Lieferkette gegen ein unsicheres Produkt vorgeht.

    3.6.

    Die Verbraucher tätigen Geschäfte zunehmend über das Internet, vermehrt über Grenzen hinweg und über immer längere und komplexere Lieferketten. Das derzeitige Marktkontrollsystem verfügt lediglich über schwache internationale und grenzüberschreitende Befugnisse sowie geringe Finanzmittel; es ist Stückwerk, das sich nur auf bestimmte Arten von Waren erstreckt. Somit besteht hier eindeutig Handlungsbedarf. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Marktüberwachung auf alle Verbrauchsgüter ausgeweitet werden muss sowie gemeinsame, koordinierte, finanziell gut ausgestattete und bereichsübergreifende Maßnahmen in ganz Europa umfassen sollte. Der EWSA begrüßt die Schaffung eines Streitbeilegungsmechanismus — und die diesbezügliche Rolle der Kommission — mit dem Ziel, zwischen den Ländern fortbestehende Unterschiede bei der Auslegung und/oder Anwendung zu beseitigen. Er unterstützt auch die Entwicklung starker weltweiter Kooperationsbeziehungen und ermuntert zur Beteiligung an internationalen Initiativen.

    3.7.

    Die vorgeschlagene Verordnung wird ihren Zweck, die Verbraucher zu schützen, nur dann erfüllen, wenn für ihr reibungsloses Zusammenspiel mit den anderen wichtigen Rechtsakten, die dieselben oder verwandte Themen betreffen, gesorgt wird. Insbesondere hinsichtlich der Frage der Rechenschaftspflicht verschiedener Arten von Online-Marktplätzen ist es notwendig, im Interesse des Erfolgs jede Fassung der vorgeschlagenen Verordnung mit der Richtlinie über digitale Dienste und der Produkthaftungsrichtlinie abzustimmen und letztere entsprechend anzupassen. Kohärenz sollte auch in Bezug auf den Legislativvorschlag zur künstlichen Intelligenz, die Chemikalienstrategie und den Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft sichergestellt werden. Zwar werden die Berührungspunkte in der vorgeschlagenen Verordnung eindeutig anerkannt, doch würde es der EWSA begrüßen, wenn genauer auf die Interoperabilität der verschiedenen Rechtsakte eingegangen würde, um so einen wirksamen Schutz vor Ort zu gewährleisten. Es wäre nicht hinnehmbar, wenn Lücken gelassen würden. Der EWSA fordert ferner, internationale Initiativen wie die der OECD, der Unctad und der WTO im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit zu berücksichtigen, und befürwortet eine diesbezügliche Führungsrolle der EU.

    3.8.

    Die geltende Richtlinie beruht auf dem Vorsorgeprinzip, das eine tragende Säule der vorgeschlagenen Verordnung bleibt, was der EWSA begrüßt. Dieser Grundsatz ermöglicht es, die höchsten Verbraucherschutzniveaus zu erreichen. Der EWSA hält es für entscheidend, dass das Vorsorgeprinzip verankert wird, um den Verbraucherschutz sicherzustellen und dass gleichzeitig ein flexibles Konzept geboten wird, um die vorgeschlagene Verordnung an neue Herausforderungen anpassen zu können. Daher sollten Vorsorgemaßnahmen immer dann getroffen werden, wenn eine Gefahr für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit zwar nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen ist, aber vieles auf dem Spiel steht. Damit wird das Sicherheitsnetz der geltenden Richtlinie funktionsfähiger, wobei Lösungen bereitgestellt werden, wenn Verbraucher gefährdet sind und branchenspezifische Rechtsvorschriften Schlupflöcher aufweisen. Durch die Anwendung des Vorsorgeprinzips wird auch die Marktüberwachung vervollständigt.

    4.   Besondere Bemerkungen

    Der EWSA:

    4.1.

    unterstützt die Umwandlung der geltenden Richtlinie in eine Verordnung, da diese Entscheidung eine raschere und einheitlichere Umsetzung in der gesamten EU ermöglicht. Der Rückgriff auf eine Richtlinie hätte zwar die Anpassung der Bestimmungen an die vor Ort geltenden Rechtsvorschriften ermöglicht, würde aber auch die Befolgungskosten und die Unsicherheit für Unternehmen erhöhen, die grenzüberschreitend operieren oder für mehrere Märkte produzieren. Bisher haben zwei von fünf Unternehmen über zusätzliche Kosten infolge einer uneinheitlichen Umsetzung der geltenden Richtlinie berichtet (7);

    4.2.

    begrüßt den klareren und umfassenderen Anwendungsbereich der Rechtsvorschriften, insbesondere die Präzisierung und Einführung von Sekundärmärkten (Erwägungsgrund 16), die Klarstellung, dass Umweltrisiken Teil der Bewertung der Produktsicherheit sein müssen (Erwägungsgrund 11), und die Einbeziehung von Fulfilment-Dienstleistern in den Anwendungsbereich der Verordnung, was eine wirksamere Marktüberwachung ermöglicht;

    4.3.

    begrüßt die besonderen Verpflichtungen für Online-Marktplätze in der vorgeschlagenen Verordnung, gibt aber zu bedenken, dass Schlupflöcher geschlossen werden müssen. Die Verpflichtungen müssen genauer definiert werden. Insbesondere sollte erwogen werden, Marktplätze in den Geltungsbereich von Artikel 5 aufzunehmen und ihre Haftung auf die eines Einführers (oder ggf. Händlers) auszuweiten, um zu verhindern, dass Plattformen die vorgeschlagene Verordnung und das derzeit vorgeschlagene Gesetz über digitale Märkte (DSA) umgehen. Der EWSA empfiehlt, Online-Marktplätze auch dazu zu verpflichten, über ihre Vermittler verkaufte Produkte — so wie im DSA eingeführt — nach dem Prinzip notice and stay down (Meldung und Verhinderung des künftigen Hochladens) zu überwachen, damit die nationalen Durchsetzungsbehörden nicht mehr mit Maßnahmen nach dem Prinzip notice and take down (Meldung und Entfernung) belastet werden. Außerdem sollte klargestellt werden, ob die Verpflichtungen im Rahmen des DSA zusätzlich oder ergänzend zur vorgeschlagenen Verordnung gelten werden;

    4.4.

    unterstützt die strengeren Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, wobei die Mitgliedstaaten über die richtigen Instrumente für eine effektive Rückverfolgbarkeit verfügen müssen. Hier stärken die neuen Befugnisse der Kommission zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen und zur Festlegung spezifischer Rückverfolgbarkeitsanforderungen potenziell auch den Verbraucherschutz;

    4.5.

    befürwortet die Stärkung der Rückrufverfahren, ist jedoch der Ansicht, dass die Pflicht bestehen sollte, Rückrufanzeigen immer zu veröffentlichen. In Fällen, in denen Verbraucher eine Ware gekauft und verschenkt oder auf einem Gebrauchtmarkt erworben haben, könnte ein ansonsten gut funktionierendes System der unmittelbar an die Käufer gerichteten Rückrufanzeigen versagen, weil der tatsächliche Nutzer des Produkts die direkte Rückrufanzeige nicht erhält;

    4.6.

    bedauert, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, bessere Daten über Unfälle und Verletzungen zu erheben und bereitzustellen, obschon eine EU-Verletzungsdatenbank eine kostengünstige Umsetzung und anschließende korrekte Bewertungen der vorgeschlagenen Verordnung erleichtern würde. Die Verwendung von RAPEX-Daten zur Bestimmung des Ausmaßes der von Verbrauchern erlittenen Verletzungen ist insofern problematisch, als es keine ausgeprägte Korrelation zwischen den im Zusammenhang mit der höchsten Zahl von Verletzungen stehenden Produktgruppen und den RAPEX-Meldungen gibt. Auf dieses Problem wird in der Hintergrundstudie für die Folgenabschätzung genauer eingegangen, deren Fazit lautet, dass RAPEX-Daten nicht einfach als Indikator für Trends bei der Sicherheit von Verbraucherprodukten herangezogen werden können (8). In der vorgeschlagenen Verordnung sollten daher die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, auf der Grundlage einer gemeinsamen Methodik Daten über Verletzungen durch Verbraucherprodukte zu erheben und auszutauschen, um eine den gesamten Binnenmarkt abdeckende repräsentative Datenbank einzurichten. Das Binnenmarktprogramm könnte eine solide finanzielle Grundlage für die europaweite Überwachung produktbedingter Verletzungen bieten. Die Verlagerung dieser Belastung auf die Wirtschaftsakteure — so wie es im Vorschlag der Fall ist — ohne eine klare gesamteuropäische Durchsetzungsstrategie dürfte sich als nicht zufriedenstellend erweisen;

    4.7.

    ist der Ansicht, dass die vorgeschlagene Verordnung die Festlegung von Kriterien für die Chemikaliensicherheit der unter die Bestimmungen fallenden Produkte ermöglichen sollte. In der aktuellen Richtlinie wird nicht festgelegt, was mit Blick auf Chemikalien als „sicheres“ Produkt gilt. Offen ist, ob die Verordnung in diesem Punkt mehr Klarheit schaffen wird. Beispielsweise verbietet die EU krebserregende Chemikalien in Spielzeugen, aber nicht in Kinderpflegeartikeln — trotz eines oft ähnlichen Expositionsrisikos. Das von der Kommission verfolgte Ziel einer schadstofffreien Umwelt, so wie es in der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit formuliert und vom EWSA unterstützt wird (9), sollte im Zuge der Umsetzung der vorgeschlagenen Verordnung (10) verwirklicht werden;

    4.8.

    begrüßt, dass Cybersicherheitsrisiken, die sich auf die Verbrauchersicherheit auswirken, nun unter den Begriff „Sicherheit“ fallen. Dazu gehört auch die rechtzeitige Einführung des Konzepts der „Konformität während des Gebrauchs“ — da Softwareaktualisierungen das Produkt verändern, muss es im Laufe der Zeit überprüft werden. Dieser Aspekt wird zunehmend wichtiger, da immer mehr Verbraucherprodukte vernetzt und damit anfällig für Hacking und Missbrauch sind, was wiederum Sicherheitsrisiken birgt. Die Definitionen eines sicheren Produkts sollten jedoch einen eindeutigen Verweis auf solche Anforderungen und Kriterien enthalten;

    4.9.

    ist der Auffassung, dass die Marktüberwachung in allen Branchen so weit wie möglich auf dem gleichen Niveau erfolgen sollte. Diesbezügliche Änderungen müssen sorgfältig geprüft werden, um zu gewährleisten, dass die Durchsetzungsbehörden (in allen betreffenden Branchen) über ein angemessenes Instrumentarium verfügen und dass zudem eine enge Verknüpfung mit der Zollunion besteht. Der EWSA begrüßt zwar die Schwerpunktlegung auf eine risikobasierte Marktüberwachung, hält es aber für entscheidend, dass die Behörden auch angemessene Stichprobenkontrollen durchführen, um den Schutz zu optimieren und Schäden für die Verbraucher zu verhindern. Andernfalls werden gefährliche Produkte, von denen nicht bekannt ist, dass sie unsicher sind, erst entdeckt, nachdem sie Verbraucher geschädigt haben;

    4.10.

    ist der Ansicht, dass Definitionen, Begriffe und Systeme in den verschiedenen Instrumenten für Produktsicherheit kohärent gestaltet werden müssen und dass gleichzeitig je nach Produktkategorie (Spielzeuge, Kosmetika, Elektronik usw.) notwendige Variierungen möglich sein müssen;

    4.11.

    begrüßt, dass die Sicherheitsnormen im gesamten Normungsprozess genauer definiert wurden. Das führt dazu, dass die Normen rechtzeitig festgelegt werden und die Mitgliedstaaten Normen ablehnen können, die die Sicherheit der Verbraucher nicht gewährleisten und ihren Zweck nicht erfüllen. Um sicherzustellen, dass die Normung den Bedürfnissen der Verbraucher gerecht wird und nicht dazu dient, kleine Akteure vom Markt zu verdrängen, ist es sehr wichtig, dass die wirksame Vertretung der Verbraucher und der KMU im europäischen Normungsprozess weiterhin unterstützt wird (11);

    4.12.

    begrüßt, dass die in der vorgeschlagenen Verordnung festgelegten Verpflichtungen für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe gelten und der Grundsatz verankert wird, dass die Sicherheit nicht „weniger strengen“ Regelungen unterliegen darf und dass jedes Verbraucherprodukt sicher sein muss. Der EWSA bedauert indes, dass die Standpunkte der KMU in der Konsultationsphase unterrepräsentiert waren, was die bereits vorhandenen Marktverzerrungen noch verschärft hat. Der EWSA stellt ferner fest, dass die Zahlen in Kapitel 3 über die finanziellen Auswirkungen der Folgenabschätzung nur Näherungswerte sind. Um künftige Verzerrungen zu vermeiden, empfiehlt der EWSA, dass die wesentlichen Leistungsindikatoren für die jährliche Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten (gemäß Artikel 22 Absatz 1) die Auswirkungen auf KMU und Kleinstunternehmen quantifizieren sollten;

    4.13.

    stellt fest, dass KMU, insbesondere Kleinstunternehmen, aufgrund ihres geringeren Umsatzes und geringeren Humankapitals, das ihnen zur Erfüllung der Verpflichtungen zur Verfügung steht, von diesen Maßnahmen unverhältnismäßig stark betroffen sein könnten (12). Der EWSA begrüßt, dass im derzeitigen Rechtsrahmen einige ihrer besonderen Erfordernisse berücksichtigt werden, und zwar insbesondere durch eine Sanktionsregelung, die der Größe des Unternehmens bei der Verhängung von Strafen (Artikel 40 Absatz 2 Buchstabe h) Rechnung trägt und in der verhältnismäßige Strafen befürwortet werden, und durch ein risikobasiertes Marktüberwachungssystem, das kleinere Unternehmen nicht benachteiligt (13). Der EWSA würde jedoch Maßnahmen begrüßen, die zum Ziel haben, KMU und vor allem Kleinstunternehmen bei ihren Verpflichtungen zu unterstützen, z. B. die finanzielle Unterstützung innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Dabei sollten klare und zweckdienliche Anleitungen, Beratungen und einschlägige Schulungen angeboten werden, um zu gewährleisten, dass die KMU bei ihren Bemühungen zur Einhaltung der Vorschriften gegenüber größeren und besser aufgestellten Unternehmen nicht benachteiligt werden;

    4.14.

    begrüßt, dass alle Verbraucher Zugang zu Informationen über die Produktidentifizierung, die Art des Risikos und die getroffenen Maßnahmen haben werden (14), indem sie insbesondere das Safety-Gate-Portal (15) nutzen. Der EWSA weist aber darauf hin, dass dies nicht dazu führen sollte, dass sich Verbraucher zwecks Minderung ihrer Risiken vor einem Kauf entsprechend informieren müssen (im Sinne dessen, was als „die Sicherheit, die von den Verbrauchern vernünftigerweise erwartet werden kann“ (Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe i) gedeutet werden kann). Darüber hinaus sollten Datenbanken und Meldungen sowohl für schutzbedürftige Verbraucher als auch für Verbraucher mit Behinderungen leicht zugänglich sein;

    4.15.

    stellt fest, dass die Hersteller gemäß Artikel 8 Absatz 11 das Safety Business Gateway nutzen müssen, um die Verbraucher unverzüglich auf Risiken für ihre Gesundheit und Sicherheit aufmerksam zu machen und die Marktüberwachungsbehörden zu informieren. Der EWSA weist erneut darauf hin, dass mit der Verordnung insbesondere sichergestellt werden sollte, dass die Verbraucher durch die Bereitstellung dieser Informationen weder direkt noch indirekt dazu verpflichtet werden, die Datenbank zu konsultieren, was sich auf die Einschätzung eines Produkts als sicher oder unsicher auswirken könnte. Darüber hinaus sollten Meldungen für schutzbedürftige Verbraucher und Verbraucher mit Behinderungen leicht zugänglich sein;

    4.16.

    würde es begrüßen, wenn das Safety Gate (gemäß Artikel 24 nehmen die Mitgliedstaaten Meldungen vor) und das Safety Business Gateway (gemäß Artikel 25 stellen die Wirtschaftsakteure den Durchsetzungsbehörden und Verbrauchern Informationen über die Sicherheit ihrer Produkte zur Verfügung) deutlicher voneinander abgegrenzt und unterschieden würden und geklärt würde, wie diese Portale miteinander interagieren können;

    4.17.

    begrüßt, dass die Verbraucher die Möglichkeit erhalten, bei den nationalen Behörden Beschwerden einzulegen (16) sowie das Safety-Gate-Portal über Risiken zu informieren (17), für die Folgemaßnahmen ergriffen werden müssen. Der EWSA fordert, angemessene Finanzmittel bereitzustellen, damit all diese Beschwerden ordnungsgemäß untersucht und so die Verbraucher wirksam geschützt werden können. Er begrüßt die Verknüpfung dieses Beschwerdeverfahrens mit der Tatsache, dass die Hersteller die eingegangenen Beschwerden prüfen (Artikel 8 Absatz 2) und Korrekturmaßnahmen ergreifen müssen, wenn sie der Auffassung sind oder Grund zu der Annahme haben, dass ein von ihnen in Verkehr gebrachtes Produkt möglicherweise nicht sicher ist (Artikel 8 Absatz 10).

    Brüssel, den 20. Oktober 2021

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4).

    (2)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die allgemeine Produktsicherheit, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG des Rates und der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, 2021/0170 (COD).

    (3)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Neue Verbraucheragenda — Stärkung der Resilienz der Verbraucher/innen für eine nachhaltige Erholung (COM(2020) 696 final).

    (4)  Erwägungsgrund 2 des Vorschlags.

    (5)  Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 (ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1).

    (6)  https://www.beuc.eu/publications/beuc-x-2021-004_is_it_safe_to_shop_on_online_marketplaces.pdf, S. 15.

    (7)  Vorgeschlagene Verordnung, S. 13.

    (8)  https://ec.europa.eu/info/files/study-support-preparation-evaluation-gpsd-well-impact-assessment-its-revision-part-1-evaluation_en, S. 40.

    (9)  ABl. C 286 vom 16.7.2021, S. 181.

    (10)  https://webapi2016.eesc.europa.eu/v1/documents/eesc-2020-05343-00-00-ac-tra-de.docx/content.

    (11)  ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12, Anhang III.

    (12)  Study to support the preparation of an evaluation of the General Product Safety Directive as well as of an impact assessment on its potential revision [Studie zur Unterstützung der Vorbereitung einer Bewertung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit sowie einer Folgenabschätzung zu ihrer möglichen Überarbeitung], S. 11 und S. 320. Siehe auch den Vorschlag für eine Verordnung (COM(2021) 346 final), S. 13.

    (13)  ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12, Anhang III.

    (14)  Artikel 31.

    (15)  Artikel 32 Absatz 1.

    (16)  Artikel 31 Absatz 4.

    (17)  Artikel 32 Absatz 2.


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