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Document 52021IE2748

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die nächste Generation von Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung — Überprüfung des 15-Punkte-Aktionsplans“ (Initiativstellungnahme)

EESC 2021/02748

ABl. C 105 vom 4.3.2022, p. 40–48 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

4.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 105/40


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die nächste Generation von Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung — Überprüfung des 15-Punkte-Aktionsplans“

(Initiativstellungnahme)

(2022/C 105/07)

Berichterstatterin:

Tanja BUZEK

Beschluss des Plenums

25.3.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Außenbeziehungen

Annahme in der Fachgruppe

28.9.2021

Verabschiedung im Plenum

20.10.2021

Plenartagung Nr.

564

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

236/2/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Handel benötigt einen geeigneten politischen Rahmen, um Wachstum, die Entstehung guter Arbeitsplätze und eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung nach der COVID-19-Krise zu fördern und Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre gestörten Liefer- und Wertschöpfungsketten wiederaufzubauen und neu zu ordnen. 2021 ist ein Wendepunkt, um die handelspolitische Steuerung der EU zu überdenken. Der EWSA unterstützt den eingeschlagenen offenen, nachhaltigen und selbstbewussten neuen Pfad.

1.2.

In den Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung (TSD) manifestiert sich das Eintreten der EU für eine „wertebasierte Handelsagenda“, die gleichermaßen eine wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung fördert. Das Vorgehen gegen eine Nichteinhaltung und eine verbesserte Umsetzung der Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung sind wichtig dafür, hohe Arbeits- und Nachhaltigkeitsstandards durch Handelsinstrumente zu erreichen. Sowohl bilateral als auch global sollte die EU mit gleichgesinnten Handelspartnern, die bereit sind, richtungsweisende Schritte zu unternehmen, ehrgeizige Messlatten für den Handel und die nachhaltige Entwicklung festlegen.

1.3.

Der EWSA begrüßt die frühzeitige Überprüfung des 15-Punkte-Aktionsplans und geht davon aus, dass er über seinen 2018 umrissenen begrenzten und „abgeschotteten“ Rahmen hinauskommt. Angesichts dessen, dass den rechtsverbindlichen Verpflichtungen in den Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung nicht in vollem Umfang nachgekommen wird, schlägt der EWSA eine ehrgeizige Überprüfung vor, die einen umgestalteten sanktionsbewehrten Ansatz zur Durchsetzung umfasst. Dazu gehören eine stärkere Überwachung durch die Zivilgesellschaft, der Einsatz innovativer Instrumente und mehr Druckmittel im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung. Die Handels- und Nachhaltigkeitskapitel der nächsten Generation müssen ein integraler Bestandteil der Handelsstrategie der EU sein und sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Verhandlungsmandate gelten.

1.4.

Ein neuer Anfang ist nur möglich, wenn Mauern in den Köpfen niedergerissen werden. Eine erfolgreiche Um- und Durchsetzung der Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung erfordert ein lebhaftes, strukturiertes und kooperativeres Zusammenwirken der einzelnen Akteure, einen Austausch zwischen den Institutionen und internationalen Gremien, vor allem einen Austausch sowohl mit den Internen Beratungsgruppen (IBG) als auch einen Austausch der einzelnen IBG untereinander. Als international anerkannte Organisation sollte die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) in die Überwachung der Umsetzung der IAO-Übereinkommen im Rahmen von Freihandelsabkommen einbezogen werden.

1.5.

Große Probleme haben ihre Ursache häufig in den ersten Schritten. Der EWSA unterstreicht, wie wichtig es ist, im Vorfeld der Ratifizierung innerhalb des Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung verbindliche Zusagen zu zentralen internationalen Übereinkommen oder verbindliche und durchsetzbare Fahrpläne mit klaren Fristen für die Ratifizierung einzufordern. Im ersten Durchsetzungsverfahren im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung, das im Rahmen des aktuellen Ansatzes stattfindet, hat sich bereits gezeigt, dass die vagen Formulierungen unzureichend waren.

1.6.

Alle drei Dimensionen von Handel und nachhaltiger Entwicklung sind miteinander verflochten und dürfen nicht getrennt voneinander behandelt werden. Der EWSA begrüßt die aktive Rolle der Unternehmen bei den Bemühungen um einen nachhaltigen Handel und sieht für sie eine positive Rolle beim Klimaschutz, bspw. mit Blick auf saubere Technologien, wobei den KMU besondere Aufmerksamkeit gelten sollte. Die Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung müssen enger mit den Leitsätzen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für multinationale Unternehmen und mit der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung der IAO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (MNE-Erklärung) verknüpft sein und zur Ratifizierung ihrer Übereinkommen beitragen, insbesondere im weiteren Verlauf der Lieferkette.

1.7.

Wirksame Veränderungen vor Ort erfordern es, über die klassischen Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung hinauszugehen und die große Hebelwirkung zusätzlicher politischer Instrumente zu berücksichtigen. Der EWSA fordert, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Zuschläge an Unternehmen aus Ländern vergeben werden, die sich an die Kernnormen der IAO und das Übereinkommen von Paris halten. Darüber hinaus fordert er als weitere wichtige flankierende Maßnahme ehrgeizige EU-Rechtsvorschriften über verbindliche Sorgfaltspflichten. Ausländische Investoren sollten dazu verpflichtet sein, der Sorgfaltspflicht nachzukommen, bevor sie von einem internationalen Investitionsabkommen profitieren können. Um einen nachhaltigen Handel zu erreichen, sollten die Maßnahmen durch Schritte zur Bekämpfung von Geldwäsche, Steuerstraftaten und Steuervermeidung sowie durch die Bekämpfung der Korruption ergänzt werden.

1.8.

Die nachhaltige Entwicklung muss aktuelle Entwicklungstrends aufgreifen und vorantreiben, wobei Arbeits- und Umweltnormen gleichrangig in ihrem Fokus bleiben müssen. Der Grüne Deal, die Initiativen zur Kreislaufwirtschaft und das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) ergänzen die einschlägigen Themen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung, wie es bei der Biodiversität bereits geschehen ist. Um konkrete Pflichten festzulegen, müssen umweltpolitische Zusagen in internationale Normen umgesetzt werden.

1.9.

Es gibt keine einfache Lösung für die Durchsetzung, aber ein Anfang muss damit gemacht werden, dass die effektive Durchsetzbarkeit verbessert wird. Der EWSA hat schon seit Langem einen Mechanismus mit einer neu gestalteten Sachverständigengruppe gefordert, in dessen Rahmen Geldstrafen oder Sanktionen verhängt werden können und der unter aktiver Beteiligung Interner Beratungsgruppen aktiviert wird. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich könnte als Modell für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen und Nachhaltigkeit zugunsten von Unternehmen und Arbeitnehmern dienen.

1.10.

Die Handelspartner der EU haben innovative Ideen für neue Handelsinstrumente. Die EU sollte bei der Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten ebenfalls einen innovativen Ansatz verfolgen und die Aussetzung von Präferenzzöllen für Unternehmen erwägen, die gegen vereinbarte internationale Standards verstoßen. Im Hinblick auf schrittweise intensivierte Wirtschaftsverbindungen befürwortet der EWSA eine stufenweise Senkung der Zölle für Partnerländer, die Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung umsetzen; im Fall von Verstößen muss die Möglichkeit der Rücknahme bestehen.

1.11.

Ohne Zivilgesellschaft gibt es keine Nachhaltigkeit. Die Schaffung der IBG ist kein Selbstzweck. Sie können nur ernst genommen werden und die Parteien bei der Umsetzung und Durchsetzung beraten, wenn sie Informationen, Ressourcen und Zugang erhalten und ein soliderer institutionalisierter Rahmen geschaffen wird. Über die IBG hinaus fordert der EWSA die Wiedereinsetzung der Sachverständigengruppe für Freihandelsabkommen.

1.12.

Der EWSA ist einer der stärksten Befürworter der IBG und wird ihre Arbeit weiterhin unterstützen. Die Debatten über die Stärkung der IBG haben in letzter Zeit an Intensität zugenommen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission und andere Interessenträger (1) auf, in Absprache mit den IBG ihre Zusammensetzung, die Organisation ihrer Arbeit, ihren Umfang und ihre Rolle in den Durchsetzungsmechanismen sowie ihre institutionellen Kanäle zu verbessern, wie in Kapitel 5 dieser Stellungnahme ausführlicher dargelegt wird.

2.   Einleitung

2.1.

Eine aktive Handelspolitik muss die nachhaltige Entwicklung voranbringen und kommt Unternehmen, Arbeitnehmern, Verbrauchern und Menschen im Allgemeinen zugute, sofern sie neue Marktchancen, gute Arbeitsplätze und gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft. Sie birgt allerdings auch inhärente Risiken, die nur durch eine inklusive Handelspolitik in den Griff zu bekommen sind, sprich eine Politik, die es der Zivilgesellschaft, den Interessenträgern und der breiten Öffentlichkeit ermöglicht, ihre Anliegen zur Sprache zu bringen.

2.2.

Der EWSA vertritt seit Langem die Auffassung, dass Nachhaltigkeit ein Leitfaden der Handelspolitik sein sollte, weil der Handel maßgeblich zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) beitragen muss. Die dieses Jahr vorgestellte neue Handelsstrategie der EU gibt den Rahmen für die kommenden Jahre vor. In einer gesonderten Stellungnahme (2) legte der EWSA zu handelsbezogenen Aspekten Empfehlungen vor, begrüßte den Fokus auf der Nachhaltigkeit und forderte eine entschiedene Stärkung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung (TSD) und deren effektive Durchsetzbarkeit.

2.3.

Die vorliegende Stellungnahme baut auf früheren Arbeiten des EWSA auf und bewertet vom Standpunkt der Zivilgesellschaft den gegenwärtigen Ansatz, mit dem ein Beitrag zur laufenden Überprüfung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung geleistet werden soll. Es werden innovative Ideen dargelegt, damit der Handel zu den Werten der EU für eine nachhaltige Entwicklung beiträgt: die nächste Generation von Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung.

3.   Handel und nachhaltige Entwicklung: eine wertebasierte EU-Handelsagenda

3.1.

Durch die systematische Aufnahme von Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung in Freihandelsabkommen unterstreicht die EU ihr Eintreten für eine „wertebasierte Handelsagenda“, die die Entwicklung unter wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten gleichermaßen fördert. Das Vorgehen gegen eine Nichteinhaltung und eine verbesserte Umsetzung der Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung sind wichtig dafür, hohe Arbeits- und Nachhaltigkeitsstandards durch Handelsinstrumente zu erreichen.

3.2.

Ausgehend von dem ersten, noch unausgereiften Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung in dem 2011 geschlossenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea haben Nachhaltigkeitskapitel in weiterentwickelter Form in alle späteren Freihandelsabkommen der EU Eingang gefunden. Sie haben einen rein dialogorientierten Streitbeilegungsmechanismus und sehen als institutionellen Überwachungsmechanismus der Zivilgesellschaft Interne Beratungsgruppen vor. Sie enthalten Verpflichtungen, multilaterale Arbeits- und Umweltübereinkommen einzuhalten, und hindern die Vertragsparteien daran, das Arbeits- und Umweltschutzniveau zu lockern oder zu senken, um Handel und Investitionen anzuziehen. Als bilaterale Dialog- und Kooperationsforen können sie auch als Plattformen dienen, um die multilaterale Agenda für nachhaltigen Handel voranzubringen.

3.3.

Die EU hat zwar Schritte unternommen, um die Nachhaltigkeit ins Zentrum ihrer handelspolitischen Ambitionen zu rücken, doch werden die laufenden Verhandlungen diesem Ziel nicht gerecht. Um der Überprüfung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung neue Impulse und mehr Durchsetzungskraft zu verleihen, braucht sie eine Frischzellenkur. Ihre ausgetretenen „Non-Paper“-Pfade müssen verlassen werden und die Überprüfung muss als integraler Bestandteil der EU-Handelsstrategie auch für Abkommen gelten, die gerade verhandelt werden, und in überarbeitete Verhandlungsmandate aufgenommen werden.

4.   Der 15-Punkte-Aktionsplan — eine Bewertung

4.1.

Die Wirksamkeit des EU-Konzepts für Handel und nachhaltige Entwicklung wurde vom EP, dem EWSA und einer großen Gruppe von Interessenträgern unter ständig wachsendem Interesse der Öffentlichkeit diskutiert, als die Europäische Kommission der Diskussion Anfang 2018 mit einem neuen 15-Punkte-Aktionsplan ein abruptes Ende bereitete. Dort wird, unterteilt in vier Hauptbereiche, der begrenzte und „abgeschottete“ Rahmen festgelegt, in dem sich Handel und nachhaltige Entwicklung in den letzten Jahren entwickelt haben. Dies wird vor dem Hintergrund erreichter Ziele und bestehender Mängel bewertet.

Miteinander arbeiten

4.2.

Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten und dem EP: Die Sachverständigengruppe der Europäischen Kommission für den Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung sorgte für eine engere Verbindung zu den Mitgliedstaaten. Aufgrund der Art, wie sie aufgebaut ist, gehen dabei jedoch Expertise und Information verloren. Ihre Arbeit sollte in Bezug auf die Ergebnisse und Empfehlungen besser kommuniziert werden und erfordert engere, regelmäßige Verbindungen zu den Internen Beratungsgruppen und dem EWSA. Das Engagement der GD Handel muss als beständiger Teil des Informations- und Feedback-Flusses auf die für Handel und nachhaltige Entwicklung zuständigen Dienststellen in den Mitgliedstaaten ausgeweitet werden, eventuell unter Einbeziehung anderer zuständiger Generaldirektionen wie GD Beschäftigung und GD Klimapolitik mit ihren jeweiligen Netzwerken, sowie auf die Arbeit mit internationalen Organisationen. In die Unterrichtung des EP über Fragen, die für Handel und nachhaltige Entwicklung relevant sind, sollten die Internen Beratungsgruppen auf Augenhöhe eingebunden werden. Dies darf nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehen. Das EP muss an der Überwachung und Umsetzung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung mitwirken, umfassend über die Tätigkeiten des Unterausschusses für Handel und nachhaltige Entwicklung und anderer einschlägiger gemeinsamer Lenkungsgremien informiert und in deren Beschlüsse einbezogen werden. Besonders wichtig ist dies im Zusammenhang mit dem Mechanismus für gleiche Wettbewerbsbedingungen im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens der EU mit dem Vereinigten Königreich.

4.3.

Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen: Der EWSA spricht sich für einen proaktiveren und systematischeren Ansatz aus und fordert die Einbeziehung internationaler Gremien wie der IAO auch während der Verhandlungen und der Umsetzung von Freihandelsabkommen sowie in sämtlichen Phasen der Fahrpläne. Wie der Ratifizierungsfall Vietnams zeigt, könnte die IAO im Vorfeld sowie in der frühen Umsetzungsphase eine wesentliche Rolle übernehmen. Die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission, der IAO und dem EWSA ist ein zentraler Punkt bei der Herausbildung der technischen Unterstützung der IAO und beim Kapazitätsaufbau in Partnerländern. Die Maßnahmen müssen Hand in Hand mit einer stärkeren Integration der IAO in die Überwachungsaufgaben der IBG gehen, und jährliche hochrangige Sitzungen der GD Beschäftigung könnten dem EWSA und möglicherweise auch den Vorsitzen der IBG offenstehen. Der Ansatz für multilaterale Umweltübereinkommen (MEA) wurde bisher offenbar zu wenig verfolgt. Er könnte auf andere einschlägige internationale Organisationen wie die OECD und — angesichts der zunehmenden Bedeutung der Finanzierung der Nachhaltigkeitsziele — auf die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds ausgeweitet werden.

Befähigung der Zivilgesellschaft einschließlich der Sozialpartner zur aktiven Mitwirkung an der Durchführung

4.4.

Ermöglichung der Überwachungsaufgabe der Zivilgesellschaft einschließlich der Sozialpartner: Der EWSA begrüßt das Projekt des Partnerschaftsinstruments der EU, mit dem die Teilnahme von Mitgliedern der Internen Beratungsgruppen der EU an Sitzungen finanziert wird, was die politische Unabhängigkeit der Internen Beratungsgruppen wahrt. Er ruft die Europäische Kommission auf, die Finanzierung fortzusetzen und sich über deren Gestalt mit den Internen Beratungsgruppen ins Benehmen zu setzen. Er empfiehlt mehr Flexibilität bei der künftigen logistischen und technischen Unterstützung. Videokonferenzen können Präsenzsitzungen ergänzen, aber nicht ersetzen. Die künftige Finanzierung sollte jährliche Sitzungen vorsehen, in denen alle Mitglieder der Internen Beratungsgruppen zusammenkommen, um übergreifende Fragen des Handels und der nachhaltigen Entwicklung zu erörtern. Über die Bereitstellung von Finanzmitteln hinaus müssen auch strukturelle und organisatorische Probleme angegangen werden, um die Internen Beratungsgruppen umfassend zu befähigen, wie in Abschnitt 5 dargelegt.

4.5.

Ausdehnung der Mitwirkung der Zivilgesellschaft einschließlich der Sozialpartner auf das gesamte Freihandelsabkommen: Der EWSA empfiehlt seit langem nachdrücklich, dass die Internen Beratungsgruppen sich zu allen Aspekten von EU-Handelsvereinbarungen äußern können sollten. Ein besonderer Schwerpunkt sollte dabei auf der Umsetzung der Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung und im weiteren Sinne auf dem Einfluss des Handels auf die nachhaltige Entwicklung liegen. Diese neue Zuständigkeit wird das erste Mal im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens der EU mit dem Vereinigten Königreich getestet. Der EWSA schlägt vor, den Aufgabenbereich der IBG in allen bestehenden Freihandelsabkommen durch überarbeitete Fassungen der Abkommen oder über eine harmonisierte Vorgehensweise im Rahmen ihrer Geschäftsordnungen zu erweitern.

4.6.

Maßnahmen in Bezug auf verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln: Der EWSA begrüßt die aktive Rolle der Wirtschaft bei den Bemühungen zur Gewährleistung eines nachhaltigen Handels und den Einsatz der Europäischen Kommission zur Förderung verantwortungsvollen Geschäftsgebarens. Er bedauert jedoch, dass weder der EWSA noch die zuständigen Internen Beratungsgruppen an der Betreuung der Projekte mit der OECD und der IAO beteiligt waren. Die Europäische Kommission sollte Indikatoren zur Bewertung konkreter Projektergebnisse entwickeln, die über Sensibilisierungsmaßnahmen hinausgehen und eine gezieltere, tiefgreifendere Überprüfung entlang der Lieferketten umfassen.

Zielerreichung

4.7.

Länderprioritäten: Der EWSA unterstützt einen strategischen und gezielteren Ansatz, wobei jedoch zu bedenken ist, dass sich die Partnerländer erheblich voneinander unterscheiden, selbst innerhalb eines Regionalabkommens wie z. B. des Abkommens EU-Zentralamerika. Bei der Prioritätensetzung und Bewertung muss die Zivilgesellschaft, insbesondere unter Einbeziehung der IBG proaktiv und zu unterschiedlichen Zeitpunkten konsultiert werden. Die geografischen Referate der GD Handel und der EU-Delegationen sollten stärker mit den IBG zusammenarbeiten, um Beiträge zu erhalten und systematische Rückmeldungen zu geben. Dies erfordert eine regelmäßige Bewertung der Fortschritte oder Rückschritte der Europäischen Kommission bei der Umsetzung dieser Prioritäten.

4.8.

Konsequente Durchsetzung: Aus dem Verfahren mit Südkorea zu den Arbeitsrechten ergeben sich wichtige Lehren. Erstens sollte die Europäische Kommission, wenn sie Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten über Handel und nachhaltige Entwicklung in Gang setzt, vorausschauender und schneller handeln und Internen Beratungsgruppen eine aktive Rolle einräumen. Zweitens ist es wichtig, Experten für internationales Arbeitsrecht in den Gremien zu haben, die die IAO zu ihrer Rechtsprechung und verbindlichen Auslegungen konsultieren. Drittens bestätigt der Panel-Bericht die Notwendigkeit verbindlicher und sanktionsfähiger Fahrpläne mit klaren Fristen für die Ratifizierung von IAO-Übereinkommen. Die unbestimmte Formulierung „kontinuierliche und nachhaltige Anstrengungen“ lässt den Parteien zu viel Spielraum. Obwohl Korea drei von vier fehlenden IAO-Übereinkommen (nicht jedoch C105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit) ratifiziert hat, bleibt die Frage offen, ob mit den Änderungen der koreanischen Rechtsvorschriften die Bestimmungen der Übereinkommen C29, C87 und C98 auch vollständig umgesetzt werden. Dementsprechend ist der Fall immer noch offen, und der EWSA bekräftigt seine Forderung nach Folgemaßnahmen. Probleme bei der Einhaltung der Vorschriften bestehen jedoch nicht nur in den Partnerländern. Der EWSA stellt beunruhigt fest, dass es offenbar an Instrumenten für eine konsequente Durchsetzung in der EU und ihren Mitgliedstaaten mangelt.

4.9.

Förderung einer frühzeitigen Ratifizierung zentraler internationaler Abkommen: Der EWSA setzt sich im Sinne einer größtmöglichen Verhandlungsstärke und diplomatischen Wirksamkeit dafür ein, dass vor dem Abschluss und der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens grundlegende internationale Übereinkommen ratifiziert werden müssen. Diese positiven Effekte zeigten sich im Fall Vietnams, als das Land die IAO-Übereinkommen C98 und C105 ratifizierte. Bei der Ratifizierung des Übereinkommens C87 gibt es jedoch keine Fortschritte. Daher ist es aus Sicht des EWSA besonders wichtig, im Vorfeld der Ratifizierung innerhalb des Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung verbindliche Zusagen zu zentralen internationalen Übereinkommen oder verbindliche und durchsetzbare Fahrpläne mit klaren Fristen für die Ratifizierung einzufordern.

4.10.

Überprüfung der wirksamen Umsetzung des Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung: Der EWSA hält ebenfalls regelmäßige Überprüfungen und Bewertungen der Umsetzung des Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung für erforderlich. Er bedauert jedoch die geringe Sichtbarkeit der Arbeit der Internen Beratungsgruppen und die Nichtbeachtung ihrer Empfehlungen in diesen Prozessen, insbesondere in den jährlichen Umsetzungsberichten. Künftige Berichte sollten die Arbeitsprogramme der Internen Beratungsgruppen und die gemeinsamen Erklärungen mit den IBG der Partnerländer besser widerspiegeln. Insbesondere bedauert der EWSA, dass bislang kaum Fortschritte dahingehend erzielt wurden, die derzeitigen Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung tatsächlich durchsetzbar zu machen. Im Falle des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens mit Kanada (CETA) haben der EWSA, die Interne Beratungsgruppe der EU und die Internen Beratungsgruppen Kanadas wiederholt zu deutlichen Fortschritten bei der frühzeitigen Überprüfung aufgerufen, zu der sich die Parteien im Gemeinsamen Auslegungsinstrument verpflichtet hatten, um eine wirksamere Durchsetzbarkeit der Arbeits- und Umweltvorschriften zu erreichen. In diese Überprüfung sollten die Internen Beratungsgruppen beider Seiten eng einbezogen werden.

4.11.

Handbuch zur Umsetzung: Der EWSA begrüßt die Entwicklung von Handbüchern zur Umsetzung, mit deren Hilfe die Abkommenspartner die Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung besser verstehen können und von denen sie sich bei der Umsetzung leiten lassen können. In Bezug auf die Arbeitnehmerrechte müssen die Sozialpartner als wichtige Partner vor Ort betrachtet werden. Formelle Vergleichsdatenbanken müssen weit über die Fortschritte bei den Formulierungen der Vereinbarung hinausgehen und den tatsächlichen Grad der Umsetzung der Bestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung erfassen.

4.12.

Aufstockung der Ressourcen: Die EU sollte einen Teil ihrer Mittel für Handelshilfe („Aid for Trade“) im Rahmen nachhaltiger Handels- und Investitionsbemühungen für die Unterstützung der Beteiligung interner Beratungsgruppen und zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Nicht-EU-Ländern und den Aufbau von Kapazitäten bereitstellen.

4.13.

Klimaschutz: Wenn der Handel auch keine Triebkraft der Klimapolitik ist, sollte er einen Beitrag zur globalen Klimaschutzagenda leisten. Die Wirtschaft kann dabei eine positive Rolle spielen, indem sie Chancen für saubere Technologien fördert, wobei eine besondere Aufmerksamkeit den KMU gelten sollte. Wenn das Übereinkommen von Paris zu einem „wesentlichen Bestandteil“ aller künftigen umfassenden Handelsabkommen gemacht wird, diese also im Fall der Nichteinhaltung ausgesetzt werden, ist dies ein positiver Schritt, der auf die grundlegenden und neueren IAO-Übereinkommen ausgeweitet werden sollte.

4.14.

Handel und Arbeitnehmerrechte: Der EWSA begrüßt den größeren Umfang dieser Fragen in den Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung und ruft zur Weiterentwicklung der Zusagen auf. Die Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung müssen enger mit der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung der IAO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (MNE-Erklärung) und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen verknüpft sein. Die Europäische Kommission sollte sich für die Ratifizierung der in der Grundsatzerklärung enthaltenen IAO-Übereinkommen starkmachen. Ein modernes EU-Recht, insbesondere für nachhaltige Unternehmensführung und verbindliche Sorgfaltspflichten, sollte einen ständigen Rahmen für die Weiterentwicklung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung bilden. Um jedoch vor Ort etwas zu bewirken, müssen diese Verpflichtungen mit einer proaktiveren Durchsetzung und einer verbesserten Durchsetzbarkeit einhergehen.

Transparenz und Kommunikation

4.15.

Mehr Transparenz und bessere Kommunikation: Der EWSA stimmt mit allen Institutionen und Interessenträgern in der Bedeutung von Transparenz und Kommunikation überein. Die Veröffentlichung umfassender Protokolle ist ein sinnvoller Ausgangspunkt für die Einbindung der Zivilgesellschaft. Zusammenkünfte im Rahmen des zivilgesellschaftlichen Dialogs der Europäischen Kommission sind eine wichtige Form der Begegnung, doch sollten sie strukturierter nachbereitet werden. Aus diesem Grund empfiehlt der EWSA, endlich das Eigenbrötlertum hinter sich zu lassen und sicherzustellen, dass die Kommunikationskanäle — mit dem EP, den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft — sich gegenseitig stärken.

4.16.

Termingebundene Antwort auf Beschwerden im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung: Der EWSA begrüßt die Einführung eines Beschwerdesystems im Jahr 2020 durch Schaffung der zentralen Anlaufstelle und insbesondere die Einrichtung einer eigenen, dem Leitenden Handelsbeauftragten unterstellten Dienststelle, die sich ausschließlich mit Beschwerden im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung befasst. Zur Beurteilung der Wirksamkeit ist es noch zu früh, doch erwartet der EWSA, dass die Zivilgesellschaft an der kontinuierlichen Gestaltung dieses Mechanismus mitwirkt und ihre Empfehlungen beachtet werden.

5.   Die nächste Generation der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung

5.1.

Seit dem Aktionsplan von 2018 hat sich die Welt des Handels und auch die Debatte über Handel und nachhaltige Entwicklung weiterentwickelt. Der Grüne Deal ist nun das übergeordnete politische Ziel, auch für die Handelspolitik der EU. Bei institutionellen Akteuren wie dem EP und den Mitgliedstaaten wird der Ruf nach einer weitreichenden Reform der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung immer lauter. Die COVID-19-Pandemie hat die Handelsströme in beispielloser Weise durcheinandergebracht. Dies hat größere Probleme in den globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten bloßgelegt, die häufig mit der Nichteinhaltung von Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung zusammenhängen. Das erste Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Handel und nachhaltiger Entwicklung hat das gegenwärtige System einem institutionellen Lackmustest unterzogen. Die Erwartungen an den neuen Leitenden Handelsbeauftragten der EU sind hoch, was eine stärkere Fokussierung, die Ressourcen und neue Rechtsinstrumente für eine bessere Um- und Durchsetzung der Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung anbelangt. Gleichzeitig haben Handelspartner der EU wie Kanada und die USA in ihren eigenen Freihandelsabkommen starke Durchsetzungsinstrumente vorgesehen oder — wie bspw. Neuseeland — in den Handelsgesprächen mit der EU ehrgeizige Vorschläge vorgelegt, um sicherzustellen, dass der Handel für alle funktioniert.

5.2.

Die Diskussion über Handel und nachhaltige Entwicklung dreht sich nicht nur um Werte, sondern es ist eine Frage des Überlebens sowohl für die EU als auch für die übrige Welt. Der EWSA befürwortet einen ganzheitlichen Ansatz und unterstützt die Bemühungen der EU, die Nachhaltigkeitsagenda auf multilateraler Ebene voranzutreiben, und fordert strategische Allianzen mit wichtigen Handelspartnern in vorrangigen Fragen wie der Verlagerung von CO2-Emissionen oder der Sorgfaltspflicht. Er bekräftigt, dass die EU bei einer ehrgeizigen Reform der Welthandelsorganisation (WTO) eine Führungsrolle übernehmen und in Bezug auf die sozialen Aspekte des Handels Tabus durchbrechen muss. Als positiven Neuansatz begrüßte der EWSA den jüngsten Vorschlag der USA, das globale Problem der Zwangsarbeit auf Fischereifahrzeugen in den laufenden WTO-Verhandlungen über Fischereisubventionen (3) anzugehen.

5.3.

Der EWSA hat immer wieder die Aufnahme effektiverer Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung gefordert, denn er hatte den Eindruck, dass der 15-Punkte-Aktionsplan nicht fruchtet. In gleicher Weise werden in der Überprüfung der Handelspolitik 2021 weitere Maßnahmen zur wirksamen Umsetzung und Durchsetzung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung angemahnt, unter anderem „die Möglichkeit von Sanktionen bei Nichteinhaltung“.

5.4.

Es liegen nun genügend Erfahrungen und Erkenntnisse vor, um den derzeitigen Ansatz zu überdenken. Der EWSA schlägt eine Reihe neuartiger Initiativen vor, wie die rechtsverbindlichen Vorsätze in den Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung voll und ganz durchgesetzt werden können. Der gleiche hohe Stellenwert bei der Um- und Durchsetzung muss in dieser Debatte den Umwelt- und Arbeitsnormen zukommen.

Politische Instrumente für eine entschiedenere Durchsetzung der Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung

5.5.

Im Mai 2020 veröffentlichten Frankreich und die Niederlande ein Non-Paper, in dem die EU aufgerufen wird, ihre Analyse der sozioökonomischen Wirkungen des Handels zu verbessern und hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Handel und nachhaltiger Entwicklung in all ihren Dimensionen höhere Ansprüche zu verfolgen (4), natürlich im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal. Der EWSA begrüßt einen stärker analytisch geprägten Ansatz in Bezug auf die Wirkungen des Handels und unterstützt nachdrücklich die Empfehlung von Anreizen für eine wirksame Umsetzung der Verpflichtungen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung mittels stufenweiser Zollermäßigungen, einschließlich der Möglichkeit, bestimmte Zolltarifpositionen bei einem späteren Verstoß zurückzunehmen, sowie die Klarstellung der Bedingungen, die die Länder für diese Zollermäßigungen erfüllen müssen.

5.6.

Der EWSA ruft ferner dazu auf, über das klassische Handelsinstrumentarium hinaus nach flankierenden Maßnahmen zu suchen, die einem wirksamen Wandel vor Ort sicherstellen. Die EU sollte eine weitreichende EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht erlassen, in der die Haftung basierend auf aktuellen Standards geregelt wird und die EU-Unternehmen und in der EU tätigen Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten einen klaren, festen Rechtsrahmen bietet. Der EWSA hat sich in Bezug auf globale Liefer- und Wertschöpfungsketten nachdrücklich für Sorgfaltspflichten in Handelsabkommen eingesetzt, die wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Unternehmen als Richtschnur für Managemententscheidungen dienen (5).

5.7.

Um ihre Agenda für nachhaltige Entwicklung voranzubringen, sollte sich die Europäische Kommission neben den traditionellen Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung auch andere Kapitel und Bereiche vornehmen, z. B. Kapitel über Investitionen, und hier synergetische Verknüpfungen anstreben. Ausländische Investoren sollten dazu verpflichtet sein, der Sorgfaltspflicht nachzukommen, bevor sie von einem internationalen Investitionsabkommen profitieren können. Gleichermaßen sollten die Parteien eines Freihandelsabkommens zusichern, dass Unternehmen, die in ihrem Hoheitsgebiet ansässig sind, die Sorgfaltspflichtanforderungen erfüllen (6).

5.8.

Im Interesse eines nachhaltigen Handels ist es unerlässlich, dass die EU bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Steuerstraftaten und Steuervermeidung Bestimmungen über die Zusammenarbeit zwischen den Parteien einbringt. Korruption untergräbt ebenfalls die Bemühungen um nachhaltige Entwicklung und erfordert die Aufnahme vergleichbarer hoher Standards zu ihrer Überwindung.

5.9.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge sollte an Bedingungen geknüpft sein und der Zuschlag an Unternehmen aus Ländern vergeben werden, die sich an die Kernnormen der IAO und das Übereinkommen von Paris halten. Außerdem muss die EU in ihren Freihandelsabkommen bewährte Verfahren für die Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Kriterien in der öffentlichen Auftragsvergabe fördern (7).

5.10.

Im umweltbezogenen Teil der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung waren zwar in den letzten zehn Jahren beträchtliche Fortschritte zu verzeichnen, doch bestehen nach wie vor zwei wesentliche Herausforderungen: Erstens kommt es bei den Klimaschutzverpflichtungen des Übereinkommens von Paris letztlich auf eine national festgelegte Umsetzung an, was es schwer macht, Verstöße zu ahnden. Zweitens lassen sich aufgrund der fehlenden internationalen Umweltnormen, d. h. für saubere Luft oder sauberes Wasser, kaum Verpflichtungen ableiten. Es ist wichtig, eine praktikable Form für Umweltzusagen zu finden, um Normen zu setzen, die auch mit der Sorgfaltspflicht verknüpft sind. Angesichts der COVID-19-Pandemie ist das Thema Biodiversität dringlicher denn je geworden. Relevanz erhalten im Zusammenhang mit Handel und nachhaltiger Entwicklung der Grüne Deal, die Gesetzgebungsinitiativen der EU zur Kreislaufwirtschaft bzw. das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) (8).

5.11.

Eine umfassendere Betrachtung zeigt, dass Freihandelsabkommen mit ernsten Nachhaltigkeitsproblemen behaftet sind, die mit Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung nicht lösbar sind. Beispielsweise hat die Landwirtschaft, einer der größten Verhandlungstrümpfe der EU, eindeutige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit. Der EWSA legt besonderen Wert darauf, Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit in der EU in den Mittelpunkt der Analyse zu rücken (9). Mit Blick auf eine effizientere und gerechtere Lebensmittelversorgungskette fordert der EWSA eine reibungslose Umsetzung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette.

Verbesserung der effektiven Durchsetzbarkeit

5.12.

Der EWSA hat schon seit Langem eine neu gestaltete Sachverständigengruppe gefordert, die die Möglichkeit hat, einen vertraglich festgelegten Mechanismus zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Staaten auszulösen, in dessen Rahmen Geldstrafen oder Sanktionen verhängt und Abhilfemaßnahmen für die geschädigte Partei festgelegt werden können (10). Die Internen Beratungsgruppen sollten in der Streitbeilegung eine aktive Rolle bekommen. Das Team des Leitenden Handelsbeauftragten sollte Fälle untersuchen, die von einer IBG vorgebracht wurden, und über Durchsetzungsmaßnahmen und Berichte der Sachverständigengruppe informieren und die Weiterverfolgung sicherstellen.

5.13.

Der EWSA begrüßt, dass mit Blick auf Handels- und Kooperationsabkommen ein neuer Weg für gleiche Wettbewerbsbedingungen und Nachhaltigkeit eingeschlagen wird, denen im Abkommen ein maßgeblicher Platz eingeräumt wird, sowie dass bei Verstößen die Anwendung eines Streitbeilegungsmechanismus mit Zugang zu Rechtsbehelfen vorgesehen ist. Dieses „hybride“ Modell kombiniert den Ansatz des Expertenpanels mit einer durchsetzbaren Komponente bei anhaltender Nichteinhaltung des Regressionsverbots oder der innerstaatlichen Durchsetzung von Arbeits-, Sozial-, Umwelt- oder Klimabestimmungen. Dazu gehören zwischen den Vertragsparteien vereinbarte vorübergehende Ausgleichsleistungen oder unter bestimmten Bedingungen die einseitige Aussetzung von Verpflichtungen durch die beschwerdeführende Partei in allen Bereichen (z. B. Zölle, Luftverkehrsrechte, Zugang zu Fischereigewässern).

5.14.

Die Durchsetzung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung sollte durch ein unabhängiges Sekretariat für Arbeitsfragen, das sich mit transnationalen arbeitsrechtlichen Fragen im Rahmen von Freihandelsabkommen (einschließlich der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt) befasst und die Einhaltung der Arbeitskapitel überwacht und untersucht, sowie durch einen Mechanismus für Kollektivbeschwerden ergänzt werden (11). Als international anerkannte Organisation sollte die IAO in die Überwachung der Umsetzung der IAO-Übereinkommen im Rahmen von Freihandelsabkommen einbezogen werden. Auch im Hinblick auf die richtige Auslegung der IAO-Instrumente im Falle eines Streits über internationale Arbeitsnormen sollte die Rolle der IAO gestärkt und institutionalisiert werden. Die IAO sollte systematisch hinzugezogen werden, um das Expertenpanel in diesen Fragen zu beraten.

5.15.

Der EWSA schlägt vor, innovative Konzepte für die Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten zu suchen, die es internationalen Ad-hoc-Ausschüssen erlauben würden, gegen Unternehmen, die gegen vereinbarte internationale Arbeitsnormen verstoßen, Abhilfemaßnahmen zu verhängen. Die Internen Beratungsgruppen der EU und Kanadas im Rahmen des CETA (12) verwiesen auf das Beispiel des USMCA-Krisenreaktionsmechanismus (13), bei dem als mögliche Sanktionen die Aussetzung von Präferenzzöllen vorgesehen ist, die in ansteigender Intensität je nach dem Schweregrad und der Wiederholungshäufigkeit verhängt werden. Das Ziel bleibt aber nach wie vor, wo immer möglich, durch bilaterale Zusammenarbeit und den Dialog zwischen den Parteien zu einem Ausgleich zu gelangen. Drohen jedoch Konsequenzen, werden Unternehmen davon abgeschreckt, den Pfad der Einhaltung zu verlassen.

5.16.

Die Bewertung der Durchsetzung auf der Grundlage erfolgreich verhandelter Fälle vermittelt nur ein unvollständiges Bild, insbesondere da Rechtsstreitigkeiten immer nur ein letztes Mittel sind. Die Möglichkeit von Sanktionen stellt, unabhängig davon, ob sie genutzt werden oder nicht, auch eine starke Veranlassung für die Einhaltung der Vorschriften dar. Eigentlich sind also die verhinderten Fälle („non-cases“) und ihre Entwicklung viel aufschlussreicher, was die Europäische Kommission auch bei der Durchführung ihrer vergleichenden Studie über die unterschiedlichen Ansätze der Länder berücksichtigen sollte. Ein reiner Vergleich des Wortlauts des Abkommens und der Fortschritte in den sprachlichen Formulierungen allein sind zu wenig, um aussagekräftige Schlüsse ziehen zu können. Es muss auch eine qualitative Bewertung der Umsetzungsergebnisse erfolgen, z. B. indem man sich bei der Beratung in den Verhandlungen und der Überwachung der Umsetzung auf die Erfahrungen der Zivilgesellschaft stützt.

Ein stärkerer Rahmen für die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Internen Beratungsgruppen

5.17.

Die Internen Beratungsgruppen sind eine wichtige Errungenschaft der Freihandelsabkommen der neuen Generation. Damit sie ihre Überwachungsaufgaben — sei es mit Blick auf den Handel und die nachhaltige Entwicklung oder auf die gesamten Freihandelsabkommen — angemessen wahrnehmen können, bedürfen sie eines stärker institutionalisierten Rahmens.

5.18.

Es bestehen nach wie vor erhebliche Bedenken, da einige der Gremien Interner Beratungsgruppen in den Partnerländern nicht aktiv, nicht repräsentativ oder sogar nicht frei von staatlicher Einflussnahme waren. Das Problem ergibt sich häufig aus den Verfahren für die Einsetzung dieser Gremien, die in den Abkommen nicht festgelegt werden, der Möglichkeit der Parteien, bestehende Gremien zu wählen, und der Folgenlosigkeit bei ungenügender Umsetzung der jeweiligen Verpflichtungen. Der EWSA befürchtet insbesondere, dass die Streichung des Merkmals der Ausgewogenheit hinsichtlich der Zusammensetzung der IBG aus dem Text von Handels- und Kooperationsabkommen schwerwiegende Folgen für ihre Arbeitsweise nach sich zieht.

5.19.

Im Rahmen regionaler Handelsabkommen, wie etwa EU-Zentralamerika und EU-Kolumbien/Peru/Ecuador, oder der künftigen Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur bestehen nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Einrichtung einzelner Interner Beratungsgruppen in jedem Partnerland. Dieser streng „innerstaatliche“ Ansatz ist eine ernste Hürde für ein vernünftiges Zusammenwirken sowohl dieser innerstaatlichen Internen Beratungsgruppen der Partnerländer untereinander als auch zwischen ihnen und den entsprechenden IBG der EU.

5.20.

Daher müssen in den Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung speziell beauftragte Gremien der Internen Beratungsgruppen mit klaren Vorgaben zur Unabhängigkeit, Repräsentativität und einer ausgewogenen Zusammensetzung geschaffen werden. Die Parteien müssen für deren Einrichtung und Funktionsweise rechenschaftspflichtig sein. In regionalen Abkommen sollten gemeinsame regionale Gremien mit angemessener Sekretariatsunterstützung eingerichtet werden. Die EU-Delegationen und der EWSA sollten die Einrichtung und den laufenden Prozess, einschließlich der Leitlinien und bewährten Verfahren, unterstützen. Ebenso schlägt der EWSA vor, in den IBG der EU und der Drittländer für eine bessere Ausgewogenheit zwischen den repräsentativen Organisationen zu sorgen, insbesondere zwischen den Interessenträgern der Bereiche Umwelt und Wirtschaft.

5.21.

Zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den IBG der EU und ihren zivilgesellschaftlichen Ansprechpartnern in den Partnerländern sind jährliche gemeinsame Sitzungen der Internen Beratungsgruppen unerlässlich und sollten auch in die Freihandelsabkommen aufgenommen werden. Der EWSA sieht einen Mehrwert in der Schaffung gemeinsamer zivilgesellschaftlicher Gremien und leistet einen erheblichen Beitrag, insbesondere zur Unterstützung der Zivilgesellschaft in den Partnerländern. Seine besondere Rolle soll in den Gemischten Beratenden Ausschüssen (GBA) als wesentlicher Raum für den Dialog der Zivilgesellschaft der beiden Seiten von Assoziierungsabkommen, wie zwischen der EU und Chile, beibehalten werden (14).

5.22.

Die Rolle des EWSA bei der Gestaltung und Sicherstellung der effektiven Arbeit Interner Beratungsgruppen ist von entscheidender Bedeutung und sollte gestärkt werden. Im Juli 2021 legte der EWSA das weitere Vorgehen fest, indem er unter dem Hashtag #AllDAGs die allererste Sitzung aller IBG organisierte, in der alle Mitglieder der aktuell elf Internen Beratungsgruppen zusammenkamen, um konkrete Verbesserungsmaßnahmen zu erörtern. Als Mitglied in allen IBG ist der EWSA ein wichtiger Teil ihrer Vorsitze, die sich aus einem Vorsitzenden und zwei stellvertretenden Vorsitzenden zusammensetzen, die aus den drei Gruppen und allen Mitgliedern einer Internen Beratungsgruppe ausgewählt werden. Dank der Zusammenarbeit in den gemeinsamen Vorsitzen der Internen Beratungsgruppen profitiert die Arbeit der IBG von der Expertise des EWSA ebenso wie von der anderer Akteure. Diese Praxis sollte beibehalten werden. Insbesondere bei den IBG Ukraine, Moldau und Georgien hat sich die Mitwirkung von EWSA-Mitgliedern aus benachbarten EU-Ländern als sehr wertvoll erwiesen. Über die Rolle seiner Mitglieder hinaus unterstützt der EWSA die IBG auch dadurch, dass er ihnen wertvolle Sekretariatsunterstützung bietet.

5.23.

Ohne eine bessere Sichtbarkeit und strukturierte institutionelle Kanäle können keine Ergebnisse erzielt werden. Die Vorsitze der IBG sollten grundsätzlich zu den Sitzungen des Unterausschusses für Handel und nachhaltige Entwicklung der Vertragsparteien und der Monitoring-Gruppen des EP für die jeweiligen Abkommen eingeladen werden. Bei der Arbeit der IBG sollte über Berichterstattungs- und Austauschstrukturen ein enger Kontakt zu der Expertengruppe für Handel und nachhaltige Entwicklung mit den Mitgliedstaaten und dem Leitenden Handelsbeauftragten bestehen. Ergänzt werden sollte dies durch einen Informationsaustausch mit der IAO über die Umsetzung arbeitsbezogener Maßnahmen im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung und mit den Sekretariaten der multilateralen Umweltübereinkommen für Umwelt und Klima. Der Auswärtige Dienst der EU (EAD) und die EU-Delegationen in den Partnerländern sollten regelmäßige Briefings mit den IBG abhalten und in den Zielländern von speziellen Attachés für Arbeits- und Umweltfragen unterstützt werden.

5.24.

Der EWSA betont, dass von der Gestaltung bis zur Überwachung der Handelsinstrumente und -abkommen eine engere Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft nötig ist. Er spricht sich für die Wiedereinsetzung der Sachverständigengruppe für Freihandelsabkommen aus, deren notwendiges und kontinuierliches Engagement bei der Beschäftigung mit Handelsfragen seinesgleichen sucht. Die Internen Beratungsgruppen verfügen auch über ein unerschlossenes Know-how in bereichsübergreifenden Fragen von Handel und nachhaltiger Entwicklung, von dem intensiv Gebrauch gemacht werden sollte.

5.25.

Die wachsenden Herausforderungen für die IBG erfordern systemische Lösungen mit angemessenen personellen und finanziellen Ressourcen. Die IBG selbst sollten stärker in diesbezügliche Entscheidungen einbezogen werden.

5.26.

Die Rationalisierung der IBG ist kein Selbstzweck. Bei einem etwaigen neuen Ansatz, wie etwa einer stärkeren strukturellen Konzentration auf einzelne Themen, muss ihr wirksames Funktionieren gewährleistet sein, damit Reibungspunkte bei der Umsetzung des jeweiligen Abkommens angegangen werden, und müssen die IBG selbst in die Gestaltung einbezogen werden. Regelmäßige Sitzungen der Mitglieder aller Internen Beratungsgruppe der EU würden dazu beitragen, gemeinsame Lösungen für übergreifende Fragen zu finden, und böten eine Plattform für die Erörterung pragmatischer und praktischer Wege vor der nächsten Neubesetzung der IBG im Frühjahr 2023.

Brüssel, den 20. Oktober 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  Im Jahr 2020 wurden in einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung Mängel der Internen Beratungsgruppen analysiert, und eine Gruppe von Mitgliederorganisationen der IBG erstellt derzeit unter Koordination des niederländischen Gewerkschaftsbundes CNV Internationaal ein Non-Paper mit Empfehlungen, wie die IBG gestärkt werden können.

(2)  ABl. C 374 vom 16.9.2021, S. 73.

(3)  ABl. C 374 vom 16.9.2021, S. 73.

(4)  Non-paper on trade, social economic effects and sustainable development [Non-Paper über Handel, sozioökonomische Auswirkungen und nachhaltige Entwicklung], 2020.

(5)  Siehe ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 136, und ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 197.

(6)  Ebd.

(7)  ABl. C 374 vom 16.9.2021, S. 73.

(8)  In Vorbereitung befindliche Stellungnahme NAT/834 zum CBAM.

(9)  In Vorbereitung befindliche Stellungnahme NAT/822 zum Thema Strategische Autonomie sowie Sicherheit und Nachhaltigkeit der Lebensmittelversorgung.

(10)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 53.

(11)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 27

(12)  Gemeinsame Erklärung der Internen Beratungsgruppen der EU und Kanadas, September 2020.

(13)  Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada.

(14)  In der im Frühjahr 2022 zur Verabschiedung anstehenden Stellungnahme REX/536 wird der Rahmen für die Beteiligung der Zivilgesellschaft während des gesamten Lebenszyklus von Handels- und politischen Abkommen untersucht werden.


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