EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52020AE4884

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine Renovierungswelle für Europa: umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen“ (COM(2020) 662 final)

EESC 2020/04884

ABl. C 155 vom 30.4.2021, p. 73–77 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.4.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 155/73


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine Renovierungswelle für Europa: umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen“

(COM(2020) 662 final)

(2021/C 155/11)

Berichterstatter:

Pierre Jean COULON

Mitberichterstatter:

Aurel Laurenţiu PLOSCEANU

Befassung

Europäische Kommission, 11.11.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

11.2.2021

Verabschiedung auf der Plenartagung

24.2.2021

Plenartagung Nr.

558

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

212/0/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine europäische Strategie „Eine Renovierungswelle für Europa: umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen“. Eine solche Strategie ist eine absolute und unabdingbare Notwendigkeit für die Europäische Union und ihre Bürgerinnen und Bürger. Der EWSA wird sie daher unterstützen und sich mit seinen Überlegungen und Vorschlägen aktiv in den Prozess einbringen.

1.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass eine solche von der Europäischen Union vorangetriebene Renovierungswelle Wohn- und Nichtwohngebäuden zugutekommen muss, da auf diese 40 % des Gesamtenergieverbrauchs der Europäischen Union entfallen. Dabei sollte ein umfassender Ansatz für langfristige Investitionen zur Anwendung kommen, der dem Gemeinwohl, der nachhaltigen Entwicklung, dem Gesundheitsschutz, einschließlich der Asbestbeseitigung im Zuge der Renovierungsarbeiten, dem grünen Wandel und der effektiven Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte in Bezug auf nachhaltigen und bezahlbaren Wohnraum Rechnung trägt.

1.3.

Der EWSA befürwortet daher die Strategie der Renovierungswelle, da es sich dabei um einen „Win-win-win-Ansatz“ für die Europäische Union handelt: Dieser wird sich dreifach positiv auswirken — auf das Klima, auf die Konjunkturbelebung dank der vor Ort neu entstehenden Arbeitsplätze und schließlich auf die Bekämpfung der Pandemie und der Energiearmut sowie die Förderung von erschwinglichem Wohnraum für alle, einschließlich schutzbedürftiger Personen.

1.4.

Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Strategie, nicht zuletzt aufgrund ihrer besonderen Dimension und ihres Zeithorizonts bis zum Jahr 2050, einen stabilen, verständlichen und geeigneten rechtlichen und finanziellen Rahmen erfordert, der sowohl einen speziellen europäischen Investitionsfonds, mehrjährige Investitionspläne und ein neues „grünes Semester“ als auch einen eigenen und angepassten rechtlichen Rahmen, etwa in Bezug auf staatliche Beihilfen, geltende MwSt-Sätze, öffentliche Aufträge, „grüne“ Hypotheken oder Energieeffizienzvorschriften, einschließen muss.

1.5.

Der EWSA fordert die Kommission auf, Anreizinstrumente zur lokalen Schaffung von Industrialisierungsstrukturen für die Entwicklung und flächendeckende Einführung von Verfahren der energetischen Renovierung bereitzustellen sowie ein neues „Erasmus-Programm für thermische Renovierung 2050“ einzuführen, mit dem junge Europäer für diese neuen, zukunftsträchtigen Branchen gewonnen werden können.

1.6.

Der EWSA fordert ebenso, die Mitgliedstaaten dazu zu ermutigen, nach dem Vorbild der ELENA-Fazilität der EIB öffentliche Dienste in den Bereichen Prüfung, technische Hilfe und Beratung, insbesondere für private Haushalte, bereitzustellen, um unlauterer Werbung und betrügerischen Praktiken in Verbindung mit den Förderinstrumenten für energetische Renovierungen vorzubeugen.

1.7.

Der EWSA ist insbesondere der Auffassung, dass die Europäische Union diese Strategie nutzen muss, um die Nähe zu den Unionsbürgerinnen und -bürgern sowie den Regionen zu stärken, indem sie in geeigneter Weise über die vorhandenen Instrumente und die Möglichkeiten ihrer Nutzung informiert.

1.8.

Der EWSA fordert eine echte Synergie zwischen der Beobachtungsstelle für den EU-Gebäudebestand und der Beobachtungsstelle für Energiearmut.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Der EWSA begrüßt die Verabschiedung der Mitteilung „Eine Renovierungswelle für Europa: umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen“ durch die Europäische Kommission. Eine breit angelegte Welle von Gebäuderenovierungen in der Europäischen Union — von privatem und sozialem Wohnraum sowie von öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden — ist heute vor dem Hintergrund der strukturell unzureichenden langfristigen Investitionen in diesem Bereich, der klimatischen, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie der Kosten, die durch Untätigkeit entstünden, eine absolute Notwendigkeit.

2.2.

Der EWSA befürwortet diese von der Kommission vorgeschlagene Strategie, mit der das Ziel verfolgt wird, zur Erreichung der Klimaneutralität beizutragen, die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft umzusetzen, zu den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung beizutragen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken, unser kulturelles Erbe zu schützen und vor allem das Recht aller Menschen auf bezahlbaren, lebenswerten, zugänglichen und gesunden Wohnraum gemäß Grundsatz 19 der europäischen Säule sozialer Rechte zu wahren.

2.3.

Wohn- und Nichtwohngebäude müssen Teil einer Renovierungswelle werden, da auf diese 40 % des Gesamtenergieverbrauchs der Europäischen Union entfallen. Dabei sollte ein umfassender Ansatz für langfristige Investitionen zur Anwendung kommen, der dem Gemeinwohl, der nachhaltigen Entwicklung und dem grünen Wandel Rechnung trägt.

2.4.

Durch die Pandemie wurde darüber hinaus deutlich, dass Wohngebäude eine wichtige Rolle beim gesundheitlichen Krisenmanagement spielen und dass es angesichts der Ausgangsbeschränkungen notwendig ist, neue Denkansätze für die Nutzung und somit auch für die Konzeption dieser Gebäude zu entwickeln.

2.5.

Ebenso hat die Pandemie gezeigt, dass zwischen den Hygienebedingungen von Wohngebäuden, der Energiearmut und der Widerstandsfähigkeit gegenüber der Pandemie ein Zusammenhang besteht, der nicht hinnehmbar ist.

2.6.

Die Strategie der Renovierungswelle stellt daher einen „Win-win-win-Ansatz“ für die Europäische Union dar, denn sie leistet einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz, kann zu umfangreichen langfristigen Investitionen und zahlreichen neuen Arbeitsplätzen vor Ort führen, die sich positiv auf die Konjunkturbelebung auswirken können, und sorgt dank eines Angebots bezahlbaren Wohnraums für die EU-Bürgerinnen und -Bürger für die Bekämpfung der Energiearmut sowie einen größeren sozialen Zusammenhalt und eine stärkere soziale Inklusion.

2.7.

Die Welle der Gebäuderenovierung muss deshalb mittels dauerhafter, gemeinsamer Anstrengungen, sowohl durch die Rechtsvorschriften und Beihilfen der Europäischen Union als auch im Rahmen der mehrjährigen Investitionspläne der Mitgliedstaaten, vorangetrieben werden. Diese Pläne müssen zugleich verständlich und zugänglich sein sowie der Vielfalt der einzelnen Akteure und ihrer jeweiligen Investitionspläne Rechnung tragen. Zu diesen Akteuren gehören europäische Haushalte, die ihr Wohneigentum als Alleineigentümer oder Miteigentümer selbst nutzen, Haushalte, die eine oder mehrere Wohnungen auf dem Markt anbieten, Vermieter von Sozialwohnungen, die besondere Aufgaben von allgemeinem Interesse wahrnehmen und entsprechende gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringen, öffentliche Behörden und deren öffentliche Gebäude, geschützte historische Bauten sowie Unternehmen mit ihren Immobilien. Sie alle können von der Renovierungswelle profitieren und müssen davon überzeugt werden, langfristig, also bis zum Jahr 2050, in ihre Wohn- und Nichtwohngebäude zu investieren und dabei die für ihre Gebäude geeigneten Finanzierungsmechanismen zu nutzen: von langfristigen oder „grünen“ Darlehen, über öffentliche Garantien bis hin zu nicht rückzahlbaren Zuschüssen, die insbesondere für die Haushalte unverzichtbar sind.

2.8.

Die Welle der Gebäuderenovierung muss vor allem durch eine europäische Initiative der Industrialisierung und flächendeckenden Einführung der Maßnahmen vor Ort getragen werden, damit die Renovierungskosten und die Ausführungsfristen der Arbeiten für die Haushalte, die die jeweiligen Wohnungen nutzen, reduziert werden können, etwa indem Verfahren ausgelagert und digitalisiert werden. Diese Industrialisierung muss mit neuen baulichen Konzepten einhergehen, die auf geeigneten technischen Verpflichtungen und Baunormen basieren, vor allem jedoch mit einer europäischen Kampagne zur Stärkung der Attraktivität dieser neuen Branche und der potenziellen neuen Arbeitsplätze bei der jungen Generation. In diesem Zusammenhang spricht sich der EWSA dafür aus, ein „Erasmus-Programm für energetische Renovierung 2050“ auf den Weg zu bringen. Besondere Wachsamkeit ist angesichts der Gefahr des Sozialdumpings bei dieser Auslagerung und anderen Formen der Vergabe von Unteraufträgen für Renovierungsarbeiten geboten.

2.9.

Die Kommission muss zugleich die Konvergenz der bestehenden Rechtsvorschriften, der zu überarbeitenden Bestimmungen und der vorzuschlagenden neuen Regelungen, nicht nur gegenüber den Mitgliedstaaten und ihren langfristigen Investitionsstrategien, sondern auch in Bezug auf die Haushalte, Vermieter von Sozialwohnungen, öffentlichen Behörden und Unternehmen, sicherstellen. Denn alle diese Akteure entscheiden letztlich über ihre langfristigen Investitionen und werden bis 2050 mit ihrem individuellen Verhalten Einfluss auf die Welle haben.

2.10.

Diese Konvergenz ist nicht nur bei Überprüfungen vorhandener Vorschriften — wie etwa derjenigen der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden oder für öffentliche Ausschreibungen und staatliche Beihilfen, insbesondere für Sozialwohnungen, spezifische MwSt.-Sätze und „grüne“ Hypothekendarlehen — erforderlich, sondern auch bei Überprüfungen der Vorschriften und Konditionalitäten des europäischen Aufbauinstruments NextGenerationEU und der Kohäsionspolitik 2021-2027, die für die anvisierten europäischen Haushalte verständlich sein müssen. Dieses Instrument muss durch konkrete Vorschläge und Empfehlungen sowie durch die Koordinierung der bestehenden nationalen Beobachtungsstellen eine neue Dynamik erhalten.

2.11.

Der EWSA fordert, dass die Beobachtungsstelle für den EU-Gebäudebestand Hand in Hand mit der Beobachtungsstelle für Energiearmut zusammenarbeitet.

2.12.

Der EWSA fordert, dass in den Mitgliedstaaten öffentliche Dienste zur Förderung der Welle energetischer Renovierungen sowie zur Prüfung, technischen Hilfe und Beratung bei energetischen Renovierungsmaßnahmen, insbesondere für die privaten Haushalte, eingerichtet werden, um zweifelhaften Praktiken einer missbräuchlichen geschäftlichen Ausnutzung der Renovierungsinitiative vorzubeugen.

3.   Bemerkungen — Förderung der Gebäuderenovierung als Beitrag zu Klimaneutralität und wirtschaftlicher Erholung

3.1.

Eine breit angelegte Welle von Gebäuderenovierungen in der Europäischen Union — von privatem und sozialem Wohnraum sowie von öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden — ist heute vor dem Hintergrund der strukturell unzureichenden langfristigen Investitionen in diesem Bereich sowie der klimatischen, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen eine absolute Notwendigkeit.

3.2.

Der EWSA teilt die Einschätzung der Kommission, dass bei der Renovierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden angesichts des Klimawandels dringender Handlungsbedarf besteht und dass die COVID-19-Krise genutzt werden muss, um diese Gebäude nach einem ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen „Win-win-win-Ansatz“ neu zu konzipieren, umzugestalten und zu modernisieren. Hierbei handelt es sich um eine einmalige Chance für die Klimaneutralität, die Belebung der Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt.

Der EWSA möchte auf die Vielfalt der betroffenen Gebäude hinweisen, vor allem auf die Vielfalt der zu renovierenden Wohngebäude, deren Bandbreite sich von Einfamilienhäusern über große Wohnsiedlungen aus der Sowjetzeit bis hin zu Vorstadtbauten erstreckt. Bei dieser großen Vielfalt kann osteuropäischen Plattenbauten, Altbauten in unterbewerteten Stadtzentren, Vorstadtsiedlungen und Immobilien auf dem Land besondere Priorität eingeräumt werden. Angesichts des veralteten Gebäudebestands, der mit Blick auf eine bessere Lebensqualität und technische Fortschritte erneuert werden muss, müssen die Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten erhalten, die bislang fehlen, was die Renovierung erheblich erschwert. Auch der Barrierefreiheit muss Rechnung getragen werden. Die Europäische Union muss diese Gelegenheit für breit angelegte Maßnahmen ebenso nutzen, um durch eine geeignete Kommunikation die Nähe zu den Unionsbürgerinnen und -bürgern sowie den Regionen zu stärken.

3.3.

Der EWSA befürwortet das vorgeschlagene Ziel, die jährliche Quote der energetischen Renovierungen von Wohn- und Nichtwohngebäuden bis 2030 zu verdoppeln und umfassende Renovierungen zu fördern, was 35 Millionen Gebäudeeinheiten bis 2030 entspricht, sowie diese Tendenz auch danach aufrechtzuerhalten, damit die EU ihr Ziel erreichen kann, bis 2050 klimaneutral zu werden. Idealerweise sollte über diese Verdopplung hinaus eine Verdreifachung angestrebt werden.

3.4.

Der EWSA betont, wie ehrgeizig dieses Ziel mit einem Zeithorizont von 30 Jahren ist, und verweist auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abstimmung des bestehenden einschlägigen Rechts- und Regulierungsrahmens auf die Mechanismen zur finanziellen Unterstützung der betroffenen Haushalte, Vermieter von Sozialwohnungen, öffentlichen Behörden und sonstigen Gebäudeeigentümer — alles potenzielle Investoren, die davon zu überzeugen sind, gemäß ihren eigenen Plänen und Möglichkeiten langfristig zu investieren. Hiervon zeugen auch die derzeitigen Bemühungen der Mitgliedstaaten und ihrer regionalen Verwaltungsbehörden um eine Verknüpfung des Aufbauinstruments NextGenerationEU mit der Kohäsionspolitik 2021-2027.

4.   Bemerkungen — Zentrale Grundsätze für die Gebäuderenovierung bis 2030 und 2050

4.1.

Der EWSA stimmt damit überein, dass eine umfassende und kohärente Strategie notwendig ist, die den betroffenen Akteuren Rechnung trägt und auf sieben Grundsätzen beruht: Energieeffizienz an erster Stelle, Bezahlbarkeit, Dekarbonisierung und Integration erneuerbarer Energien, Lebenszyklus und Kreislaufwirtschaft, Erfüllung anspruchsvoller Gesundheits- und Umweltschutznormen, Herausforderungen des ökologischen und des digitalen Wandels sowie schließlich die Berücksichtigung von Ästhetik und architektonischer Qualität.

4.2.

Besondere Beachtung verdienen gemäß dem Grundsatz 19 der europäischen Säule sozialer Rechte nach Ansicht des EWSA die Bezahlbarkeit der Wohngebäude und die Investitionen, die die betroffenen Haushalte — seien diese nun selbst nutzende Eigentümer, Mieter oder Miteigentümer renovierungsbedürftiger Immobilien — insbesondere zur Beseitigung energetischer Mängel und Bekämpfung der Energiearmut tätigen müssen, aber auch Vermieter von Sozialwohnungen, die aufgrund der von den Mitgliedstaaten auferlegten besonderen öffentlichen Aufgaben gemeinwirtschaftlich verpflichtet sind, bezahlbare Mieten anzubieten.

4.3.

Der EWSA weist darauf hin, dass die effizientesten, einfachsten und kostengünstigsten Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen die Hohlwanddämmung und die Bodenisolierung sind. Doch selbst diese relativ preiswerten Maßnahmen sind trotz der daraus resultierenden geringeren Energiekosten für viele Wohnraumeigentümer noch zu teuer. Deshalb plädiert der EWSA dafür, dass die nationalen Regierungen diese Maßnahmen subventionieren. In den Niederlanden angestellten Berechnungen zufolge reicht ein Zuschuss von 2 000 EUR pro Wohneinheit aus, um diese Maßnahmen durchzuführen. Neben der deutlichen Reduzierung der CO2-Emissionen bietet ein solches System auch erhebliche Beschäftigungsmöglichkeiten in der schwer von der COVID-19-Pandemie getroffenen Baubranche. Das Gleiche gilt auch für Frankreich, seitdem dort kürzlich allen Haushalten die Prämie „MaPrimeRenov“ für die energetische Renovierung zugänglich gemacht wurde.

4.4.

Darüber hinaus müssen die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der EWSA-Stellungnahme zum Thema Arbeiten mit Asbest bei der energetischen Gebäudesanierung befolgt werden, um die Asbestbeseitigung, sofern erforderlich und möglich, im Zuge der energetischen Renovierung zu fördern (1).

5.   Bemerkungen — Raschere und umfassendere Renovierung zur Verbesserung des Gebäudebestands

5.1.

Der EWSA stimmt der Feststellung der Kommission zu, dass die individuellen Investitionsentscheidungen durch zahlreiche Hindernisse erschwert werden und finanzielle Mittel, insbesondere auf lokaler Ebene, nur schwer zugänglich sind. Letzteres gilt sowohl für die nationalen Instrumente als auch die Strukturfonds, insbesondere in der Projektprüfungsphase, aber auch aufgrund der Fristen für die Auszahlung der Förderbeträge. Um die festgelegten Ziele, auch im Rahmen der Umsetzung der Bestimmungen der Kohäsionspolitik 2021-2027 ab 2021, zu erreichen, müssen diese Schwierigkeiten und Mängel behoben werden.

5.2.

Der EWSA nimmt die von der Kommission im Rahmen der öffentlichen Konsultation ermittelten Hindernisse und die Vorschläge in den folgenden Bereichen zur Kenntnis: Verbesserung der Informationen, der Rechtssicherheit und der Anreize für Investitionen, Gewährleistung einer angemessenen und zielgerichteten Finanzierung, Kapazitäten zur Vorbereitung und Durchführung von Projekten, Förderung umfassender und integrierter Renovierungsmaßnahmen, Befähigung des gesamten Baugewerbes zu nachhaltigen Renovierungen und schließlich Renovierungen als Maßnahme zur Bekämpfung von Energiearmut und zur Förderung bezahlbaren Wohnraums durch eine spezifische europäische Initiative. Diese Vorschläge müssen gemäß den Grundsätzen der Einfachheit, einer im Voraus definierten Kombination sich ergänzender Finanzmittel, die von den öffentlichen Behörden mobilisiert werden können, sowie der Angemessenheit der Kontrollen staatlicher Beihilfen umgesetzt werden.

5.3.

Der EWSA befürwortet den Vorschlag der Kommission, die Beobachtungsstelle für den EU-Gebäudebestand mit der Verwaltung einer europäischen Datenbank über die Energieeffizienz von Gebäuden zu beauftragen und die Konzeption von diesbezüglichen Anreizen zu unterstützen. Diese Beobachtungsstelle muss mit der EU-Beobachtungsstelle für Energiearmut zusammenarbeiten, die in diesem Zusammenhang zu stärken ist.

5.4.

Der EWSA erkennt die Besonderheit der aktuellen Situation in Bezug auf die potenzielle Mobilisierung europäischer Ressourcen für energetische Renovierungen im Rahmen des Aufbauinstruments NextGenerationEU einerseits und der Kohäsionspolitik 2021-2027 andererseits an. Es gibt nicht weniger als 13 Instrumente, die einen Beitrag zur Kofinanzierung energetischer Renovierungen, entweder durch nicht rückzahlbare Zuschüsse oder durch langfristige Darlehen zu Vorzugszinsen und öffentliche Garantien, leisten können.

5.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Europäische Union diese Ausnahmesituation zum Anlass nehmen muss, um nicht nur quantitative Renovierungsziele zu formulieren, sondern ebenso die Mitgliedstaaten und ihre jährlichen Investitionsprogramme für energetische Renovierungen zu stärken sowie eine jährliche Bewertung dieser Programme im Rahmen des Europäischen Semesters zu gewährleisten, indem sie neben der wirtschaftspolitischen Steuerung ein echtes „grünes“ Governance-System einführt oder die offene Methode der Koordinierung anwendet.

5.6.

Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Ausnahmesituation ebenso für die Bekämpfung der Energiearmut und deren Beseitigung genutzt werden muss, da diesen Maßnahmen bei der Mobilisierung von Finanzmitteln ein hoher Stellenwert zukommt. Die Beobachtungsstelle für Energiearmut muss in ihren Aufgaben gestärkt und an die Spitze eines europäischen Netzes von Beobachtungsstellen für Energiearmut der Mitgliedstaaten gestellt werden.

5.7.

Der EWSA möchte die Kommission jedoch darauf aufmerksam machen, dass die potenziellen Investoren, insbesondere Haushalte und Vermieter von Sozialwohnungen, Schwierigkeiten haben, diese verschiedenen Finanzierungswege zu kombinieren und dabei die einzelnen Rechtsvorschriften, Bemessungsgrundlagen und Prüfungen zu beachten. In Anbetracht des Zeithorizonts bis zum Jahr 2050 sollten diese Instrumente vereinheitlicht werden, damit sie für die anvisierten Haushalte und öffentlichen Behörden besser verständlich und zugänglich werden.

5.8.

Der EWSA schlägt der Kommission angesichts des Zeitrahmens der betreffenden Investitionen und des Ziels bis 2050 vor, eine Vereinfachung und bessere Nachvollziehbarkeit für die betroffenen europäischen Haushalte zu gewährleisten, indem geprüft wird, ob ein spezifischer durch die Europäische Investitionsbank (EIB) unterstützter Investitionsfonds realisierbar ist, durch den die technische Hilfe, die Kombination der vorhandenen Instrumente und die Aufrechterhaltung der Maßnahmen bis 2050 gewährleistet werden könnten.

5.9.

Der EWSA befürwortet den Ansatz der Kommission, die staatlichen Beihilfen für Investitionen in energetische Renovierungen in diesem Sinne zu überprüfen. Da diese staatlichen Beihilfen für energetische Renovierungen dringend notwendig sind, müssen sie vereinfacht werden, damit sie kein Hindernis mehr für Investitionsentscheidungen darstellen. Der EWSA begrüßt ebenso die Entscheidung der Kommission, den Beschluss 2012/21/EU der Kommission (2) über staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, im Jahr 2021 zu bewerten. Denn Beihilfen für die energetische Renovierung von Sozialwohnungen unterliegen dieser Regelung für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen.

5.10.

Der EWSA befürwortet den Vorschlag der Kommission, eine europäische Initiative für bezahlbaren Wohnraum mit 100 innovativen und partizipativen Leuchtturmprojekten zur umfassenden Renovierung von Sozialwohnungsvierteln einzuleiten, das als Modell für eine breit angelegte Entwicklung in der Europäischen Union fungieren soll. Durch die flächendeckende Einführung der Maßnahmen und die Industrialisierung der Gebäuderenovierung werden mit der Unterstützung der EIB und angesichts der erwartbaren Investitionen der Vermieter von Sozialwohnungen in die Qualität ihrer Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht nur örtliche Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch die Renovierungskosten bei anderen Wohngebäuden und öffentlichen Bauten gesenkt, da vor Ort neue Industriezweige entstehen werden.

5.11.

Der EWSA schlägt der Kommission vor, basierend auf den Erfahrungen mit der ELENA-Fazilität die Mitgliedstaaten mit Unterstützung der EIB dazu anzuregen, öffentliche Dienste zur technischen Hilfe bei energetischen Renovierungsmaßnahmen, insbesondere für die betroffenen Haushalte, einzurichten, um den in einigen Mitgliedstaaten bereits beobachteten unlauteren Werbemethoden und betrügerischen Praktiken bei der energetischen Renovierung vorzubeugen.

5.12.

Der EWSA unterstützt voll und ganz die von Präsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union angekündigte Initiative „neues Europäisches Bauhaus“, auf die in der Mitteilung ausführlicher eingegangen wird. Sie wird Fachleute verschiedener Disziplinen mit dem Ziel zusammenbringen, die Gebäude von morgen zu konzipieren und neu zu überdenken, wie nachhaltiges Leben und Wohnen künftig aussehen könnte und sollte. Der EWSA fordert alle Interessenträger auf, sich an der öffentlichen Konsultation der Kommission zu beteiligen.

Brüssel, den 24. Februar 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  ABl. C 240 vom 16.7.2019, S. 15.

(2)  Beschluss 2021/21/EU der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (ABl. L 7 vom 11.1.2012, S. 3).


Top