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Document 62021CN0045

    Rechtssache C-45/21: Vorabentscheidungsersuchen des Ustavno sodišče Republike Slovenije (Slowenien), eingereicht am 28. Januar 2021 — Banka Slovenije/Državni zbor Republike Slovenije

    ABl. C 128 vom 12.4.2021, p. 19–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    12.4.2021   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 128/19


    Vorabentscheidungsersuchen des Ustavno sodišče Republike Slovenije (Slowenien), eingereicht am 28. Januar 2021 — Banka Slovenije/Državni zbor Republike Slovenije

    (Rechtssache C-45/21)

    (2021/C 128/25)

    Verfahrenssprache: Slowenisch

    Vorlegendes Gericht

    Ustavno sodišče Republike Slovenije

    Parteien des Ausgangsverfahrens

    Klägerin: Banka Slovenije

    Andere Partei im Verfahren: Državni zbor Republike Slovenije

    Vorlagefragen

    a)

    Sind Art. 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Art. 21 des Protokolls Nr. 4 dahin auszulegen, dass sie es einer nationalen Zentralbank, die Mitglied des Europäischen Systems der Zentralbanken ist, verbieten, gegenüber ehemaligen Inhabern zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente, über deren Löschung sie bei der Ausübung der ihr gesetzlich übertragenen Befugnisse zur Ergreifung außerordentlicher Maßnahmen im öffentlichen Interesse zwecks Verhinderung der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems entschieden hat, aus Eigenmitteln für den Schaden zu haften, wenn sich in späteren Gerichtsverfahren herausstellt, dass bei der Löschung der Grundsatz, dass kein Inhaber eines Finanzinstrumentes aufgrund einer außerordentlichen Maßnahme schlechter gestellt werden darf, als wenn es diese außerordentliche Maßnahme nicht gäbe, nicht beachtet wurde, wobei die nationale Zentralbank (1) für Schäden, die aufgrund von Tatsachen und Umständen, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung der Zentralbank darstellten und wie sie die Zentralbank vor Augen hatte oder vor Augen hätte haben müssen, vorhersehbar waren und (2) für Schäden, die Folge der Handlungen von Personen sind, die bei der Ausübung dieser Befugnisse der Zentralbank auf Grundlage deren Bevollmächtigung handelten, dabei jedoch, unter Berücksichtigung von Tatsachen und Umständen, über die sie verfügten bzw. über die sie unter Berücksichtigung der Bevollmächtigungen verfügen hätten müssen, nicht wie ein guter Sachverständiger gehandelt haben, haftet?

    b)

    Sind Art. 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Art. 21 des Protokolls Nr. 4 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Zentralbank, die Mitglied des Europäischen Systems der Zentralbanken ist, verbieten, einem Teil ehemaliger Inhaber zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente (nach dem Kriterium der Vermögensverhältnisse) aufgrund der Löschungen, über die sie bei der Ausübung des ihr gesetzlich übertragenen Befugnisses zur Ergreifung außerordentlicher Maßnahmen im öffentlichen Interesse zwecks Verhinderung der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems entschieden hat, besondere finanzielle Entschädigungen aus Eigenmitteln auszubezahlen, wobei es für den Entschädigungsanspruch ausreicht, dass das Finanzinstrument zum Erlöschen gebracht wurde, und es unerheblich ist, ob der Grundsatz, dass kein Inhaber eines Finanzinstrumentes aufgrund einer außerordentlichen Maßnahme schlechter gestellt werden darf, als wenn es diese außerordentliche Maßnahme nicht gäbe, verletzt wurde?

    c)

    Sind Art. 130 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Art. 7 des Protokolls Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass einer nationalen Zentralbank die Zahlung von Entschädigungen für Schäden, die als Folge der Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse entstanden sind, in einer Höhe, die ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte, auferlegt wird? Ist es in diesem Zusammenhang für die Schlussfolgerung, dass der Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit einer nationalen Zentralbank verletzt wurde, wesentlich, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen die Schadensersatzpflicht auferlegt wurde?

    d)

    Sind die Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36/EU (1) bzw. Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48/EG (2), die die Vertraulichkeit der bei der Beaufsichtigung von Kreditinstituten erlangten oder entstandenen vertraulichen Informationen schützen, dahin auszulegen, dass diese beiden Richtlinien auch die Vertraulichkeit von Informationen schützen, die bei der Durchführung von Maßnahmen erlangt worden oder entstanden sind, die der Rettung von Banken zur Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems dienten, als die Gefahr für die Solvenz und Liquidität der Banken nicht mit ordentlichen Maßnahmen der Beaufsichtigung beseitigt werden konnte, diese Maßnahmen jedoch als Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (3) galten?

    e)

    Wenn die Antwort auf die Frage unter Punkt d) bejaht wird, sind die Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36/EU bzw. die Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48/EG betreffend den Schutz der bei der Beaufsichtigung erlangten oder entstandenen vertraulichen Informationen dahin auszulegen, dass für deren Schutz die spätere Richtlinie 2013/36/EU auch dann relevant ist, wenn es sich um vertrauliche Informationen handelt, die während des Geltungszeitraums der Richtlinie 2006/48/EG erlangt worden oder entstanden sind, wenn diese im Geltungszeitraum der Richtlinie 2013/36/EU weitergegeben worden sein sollen?

    f)

    Wenn die Antwort auf die Frage unter Punkt d) bejaht wird, ist Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU (und Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/48/EG, abhängig von der Beantwortung der vorherigen Frage) dahin auszulegen, dass es sich bei Informationen, über die die nationale Zentralbank als Aufsichtsbehörde verfügt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt nach deren Entstehen öffentlich wurden, bzw. bei Informationen, die zwar ein Geschäftsgeheimnis sein könnten, jedoch fünf Jahre alt oder älter sind und es wegen des Zeitablaufs grundsätzlich gilt, dass es sich um historische Informationen handelt und dass sie deswegen ihre Vertraulichkeit verloren haben, nicht mehr um vertrauliche Informationen handelt, die von der Geheimhaltungspflicht umfasst sind? Hängt im Falle von historischen Informationen, die fünf Jahre alt oder älter sind, der Erhalt des Status der Vertraulichkeit davon ab, ob die Vertraulichkeit aus anderen Gründen als der Geschäftsposition der beaufsichtigten Kreditinstitute oder anderer Unternehmen, begründet sein könnte?

    g)

    Wenn die Frage unter Punkt d) bejaht wird, ist Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2013/36/EU (und Art 44 Abs. 1 Unterabs. 3 der 2006/48/EG, abhängig von der Beantwortung der vorherigen Frage unter Punkt e)) dahin auszulegen, dass dieser eine automatische Weitergabe vertraulicher Unterlagen, die nicht Dritte betreffen, die versuchen würden, das Kreditinstitut zu retten, und rechtlich für die Entscheidung des Gerichts in einem zivilgerichtlichen Schadensersatzverfahren gegen ein für die Beaufsichtigung zuständiges Organ relevant sind, noch vor Beginn des streitigen Verfahrens sämtlichen potentiellen Klägern und deren rechtsfreundlichen Vertretern, ohne ein gesondertes konkretes Verfahren zur Entscheidung über die Berechtigung der Weitergabe jeder einzelnen Unterlage jedem einzelnen Berechtigten und ohne die Abwägung zwischen einander entgegengesetzten Interessen in jedem konkreten Fall, zulässt, und zwar sogar, wenn es sich um Informationen im Zusammenhang mit Kreditinstituten handelt, die weder im Konkurs noch in Zwangsliquidation geendet, sondern eine staatliche Beihilfe in einem Verfahren genossen haben, in dem Finanzinstrumente von Aktionären und nachrangigen Gläubigen der Kreditinstitute zum Erlöschen gebracht wurden?

    h)

    Wenn die Frage unter Punkt d) bejaht wird, ist Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/36/EU (und Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/48/EG, abhängig von der Beantwortung der Frage unter Punkt c)) dahin auszulegen, dass dieser eine für jedermann zugängliche öffentliche Bekanntgabe auf einer Webseite mit vertraulichen Unterlagen bzw. ihren Zusammenfassungen, die keine Dritten, die versuchen würden, das Kreditinstitut zu retten, betreffen und rechtlich für die Entscheidung des Gerichts in einem zivilgerichtlichen Schadensersatzverfahren gegen ein für die Beaufsichtigung zuständiges Organ relevant sind, zulässt, wenn es sich um Informationen im Zusammenhang mit Kreditinstituten handelt, die weder im Konkurs noch in Zwangsliquidation geendet, sondern eine staatliche Beihilfe in einem Verfahren genossen haben, in dem Finanzinstrumente von Aktionären und nachrangigen Gläubigen der Kreditinstitute zum Erlöschen gebracht wurden, gleichzeitig aber vorgeschrieben ist, dass bei der betreffenden öffentlichen Bekanntgabe auf der Webseite sämtliche vertraulichen Informationen unkenntlich gemacht werden sollten?


    (1)  Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338).

    (2)  Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2006, L 177, S. 1).

    (3)  ABl. L 125, 5.5.2001.


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