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Document 52019IE2059

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Außenhilfe, Investitionen und Handel als Instrumente zur Verringerung der Ursachen von Wirtschaftsmigration mit besonderem Schwerpunkt auf Afrika“ (Initiativstellungnahme)

EESC 2019/02059

ABl. C 97 vom 24.3.2020, p. 18–26 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

24.3.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/18


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Außenhilfe, Investitionen und Handel als Instrumente zur Verringerung der Ursachen von Wirtschaftsmigration mit besonderem Schwerpunkt auf Afrika“

(Initiativstellungnahme)

(2020/C 97/03)

Berichterstatter:

Arno METZLER

Mitberichterstatter:

Thomas WAGNSONNER

Beschluss des Plenums

23.-24.1.2019

Rechtsgrundlage

Artikel 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Außenbeziehungen

Annahme in der Fachgruppe

28.11.2019

Verabschiedung im Plenum

12.12.2019

Plenartagung Nr.

548

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

152/0/9

1.   Allgemeine Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die EU-Entwicklungspolitik bezweckt die Förderung der nachhaltigen Entwicklung der Entwicklungsländer mit dem vorrangigen Ziel, die Armut zu beseitigen, nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu unterstützen sowie Frieden und Sicherheit, Stabilität, verantwortungsvolle Staatsführung und die Wahrung der Menschenrechte zu fördern. Sie ist ein Eckpfeiler der Beziehungen der EU zum Rest der Welt und trägt neben der Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik (und den internationalen Aspekten weiterer Politikbereiche wie Umwelt, Landwirtschaft und Fischerei) zu den Zielen des auswärtigen Handelns der EU bei. Die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele sollten in jedem Fall ein menschenwürdiges Leben gewährleisten, Rechtsstaatlichkeit garantieren und für gute Arbeitsbedingungen sorgen. In diesem Zusammenhang betont der EWSA ausdrücklich die Notwendigkeit, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen.

1.2.

Auch wenn die Welt stetig im Wandel ist, werden Afrika und Europa enge Nachbarn bleiben. Die 54 Länder Afrikas und die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sich geografisch nahe und haben eine gemeinsame Geschichte sowie eine gemeinsame Zukunft. Der EWSA betont, dass hinsichtlich der gemeinsamen Zukunft der beiden Kontinente die Fehler der Vergangenheit unbedingt zu vermeiden sind.

1.3.

Vor siebzig Jahren war Europa ein Kontinent der Nettoabwanderung. Seine Bürger flohen vor Katastrophen wie Krieg, Hunger, Armut, Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Unterdrückung und Diskriminierung. Die Möglichkeiten, die die EU ihren Bürgern eröffnet hat, machten Europa dann zu einem Kontinent mit Nettozuwanderung. Wir sollten mit afrikanischen Ländern zusammenarbeiten, um ihnen einen ähnlichen Fortschritt zu eröffnen.

1.4.

Es ist schwierig, eine kohärente Wirtschaftsstrategie der EU für Afrika als Ganzes aufzustellen. Der EWSA möchte seine Bereitschaft betonen, sich bei allen entsprechenden Abkommen der EU als Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft und als aktiver Partner an einem solchen transparenten und kohärenten Ansatz zu beteiligen. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) hat erklärt, dass die EU bereits ein starker politischer Partner Afrikas ist und dass der nächste Schritt darin besteht, echte Wirtschaftspartner zu werden und unsere Handels- und Investitionsbeziehungen zu vertiefen. Bei der Bestandsaufnahme der zivilgesellschaftlichen Beziehungen im Rahmen des Cotonou-Abkommens kam dem EWSA eine wichtige Rolle zu. Jetzt ist es wichtig, dass ein kontinuierliches und noch größeres Engagement des EWSA und seiner Strukturen zu einem wesentlichen Bestandteil des Cotonou-Nachfolgeabkommens wird. Das gibt der Zivilgesellschaft der EU die Möglichkeit, die Zivilgesellschaft afrikanischer Länder dabei zu unterstützen, ein zuverlässiger und vertrauenswürdiger Partner für Investoren zu werden. Zu erreichen ist dies nur durch den Ausbau einer Partnerschaft auf Augenhöhe und unter angemessener Berücksichtigung der aktuellen Asymmetrie bei der Wirtschaftslage.

1.5.

Um gemeinsame Ziele zu erreichen, muss die wirtschaftliche Zusammenarbeit unbedingt verstärkt werden. In den letzten Jahren haben sich Konzepte für ein neues Paradigma in den Beziehungen zwischen der EU und Afrika (zum Beispiel in der Landwirtschaft) entwickelt, da man sich verstärkt auf die politische Zusammenarbeit und die Förderung nachhaltiger Investitionen sowie ein stabiles, verantwortungsvolles und integratives Geschäftsumfeld konzentrierte. Dieses Paradigma muss sowohl im Agrarsektor als auch in anderen Sektoren erfolgreich entwickelt werden und mehr Menschen vor Ort einbeziehen.

1.6.

Der EWSA empfiehlt, auf EU-Ebene eine zentrale Anlaufstelle und einen geeigneten Konsultationsmechanismus für die Bereitstellung von Informationen und Kontakten für diejenigen einzurichten, die in Afrika investieren und mit Afrika zusammenarbeiten wollen. Dies würde als eine Form eines politischen Instruments auch der Beobachtung dienen. Die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für alle Initiativen mit Bezug zu Afrika würde Überschneidungen von Projekten vermeiden und die Transparenz und Effizienz der Unterstützung der EU sicherstellen.

1.7.

Außerdem empfiehlt der EWSA die Schaffung einer geeigneten Plattform, mit der ein besserer Austausch von Informationen über bewährte Investitions- und Zusammenarbeitspraktiken zwischen europäischen und afrikanischen KMU gewährleistet werden soll.

1.8.

Es bedarf einer klaren und transparenten institutionellen Architektur der EU-Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika auf der Grundlage des neuen Konsenses über die Entwicklungspolitik (1), der eine realistischere Analyse und Umsetzung der Entwicklungsperspektive ermöglicht. Der EWSA hofft, dass im Cotonou-Nachfolgeabkommen eine pragmatische Plattform für eine reformierte Politik der Entwicklungszusammenarbeit vorgeschlagen wird, die mit der Komplexität des Entwicklungsprozesses im Einklang steht. Diese Plattform sollte auf einer Zusammenarbeit zwischen allen Mitgliedstaaten und Institutionen der EU basieren, damit alle Programme, Projekte und Initiativen auf nationaler und europäischer Ebene erfasst werden können. In bestimmten Bereichen ließen sich so Überschneidungen und Doppelarbeit ebenso vermeiden wie Versäumnisse bei der Unterstützung in anderen Bereichen.

1.9.

Gleichzeitig spricht sich der EWSA für ein Verfahren zur Maximierung der Auswirkungen anderer EU-Politiken auf die soziale und wirtschaftliche Entwicklung (2) aus. So müssen insbesondere die Handels-, Investitions-, Steuer- (3) und Außenhilfepolitik (4), die Bekämpfung der international organisierten Kriminalität und die Klimapolitik mit den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit im Einklang stehen.

1.10.

Der EWSA setzt sich nachdrücklich dafür ein, die europäische Entwicklungsfinanzierung effizienter und wirksamer zu gestalten. Unter Berücksichtigung der Investitionsfonds der EU, die bereits in Afrika investieren, empfiehlt der EWSA die Einrichtung eines Investitionsfonds nach dem Vorbild des ESF, der in Partnerschaften neben privaten und öffentlichen Investitionen als Ko-Investor auftritt. Dieser Fonds sollte auf den Kriterien und Grundsätzen der Agenda 2030 und der Anerkennung international anerkannter grundlegender Standards (5) beruhen. Die geförderten Projekte sollten überwacht und in zentrale Register oder Plattformen aufgenommen werden. Der EWSA mahnt bei allen Projekten eine noch stärkere Zusammenarbeit der zivilgesellschaftlichen Organisationen (insbesondere des EWSA) in Bezug auf ihre ethischen Werte an.

1.11.

Der EWSA fordert die Umsetzung eines Konzepts, bei dem der Schwerpunkt von der Vergabe von Hilfsgeldern auf die Unterstützung eigenverantwortlicher, eigenständiger Wirtschaftsakteure und interkontinentaler wirtschaftlicher Projekte auf der Grundlage der Zusammenarbeit unter gleichen Bedingungen verlagert wird.

1.12.

Die finanziellen Strukturen in Afrika selbst sollten gestärkt werden, um langfristige Finanzierungen sowohl für private als auch für öffentliche Investitionen zu fördern. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte, nachhaltige Entwicklung. Die europäischen Erfahrungen mit dem Genossenschaftsbankwesen und den nationalen Entwicklungsbanken, auf die insbesondere die Kommunen zurückgreifen, können hierfür eventuell als Vorlage dienen. Insbesondere könnten sich Mikrokredite und Investitionen als Schlüssel zur Zukunft der afrikanischen Wirtschaft erweisen. Eine nachhaltige Entwicklung wird es nur dann geben, wenn regionale Wertschöpfungsketten und auf eine Mittelschicht ausgerichtete Verbrauchermärkte Unterstützung finden (6).

1.13.

Der EWSA ist der Auffassung, dass sich die Entwicklungszusammenarbeit der EU darauf konzentrieren sollte, auf eine auf die Menschen ausgerichtete Partnerschaft hinzuarbeiten und dabei die Beteiligung der Zivilgesellschaft, der Gewerkschaften und des Privatsektors zu gewährleisten und den Bürgerinnen und Bürgern Afrikas und Europas direkte Vorteile zu bieten.

1.14.

Der EWSA betont, dass die organisierte Zivilgesellschaft in Partnerschaft mit afrikanischen Strukturen und mithilfe von Instrumenten, die den Zugang zum Rechtssystem, wirksame Sicherheit und Korruptionsbekämpfung gewährleisten, dazu beitragen könnte, durch die Strukturierung der afrikanischen Zivilgesellschaft ein vertrauenswürdiges Umfeld aufzubauen. Dies sollte der Mehrwert der europäischen Zivilgesellschaft für die Entwicklung Afrikas auf der Grundlage der gleichen gemeinsamen Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie politische Rechte und Bürgerrechte sein.

1.15.

Freihandelsabkommen und WPA der EU mit afrikanischen Ländern enthalten keinerlei Mechanismus für den Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft. Die EU sollte sich im Rahmen der Überarbeitung dieser Abkommen um die Einrichtung solcher Dialogmechanismen für nichtstaatliche Akteure bemühen.

1.16.

Ausgehend von dem Ansatz und den ersten Erfahrungen mit den Plattformen nachhaltiger Unternehmen für Afrika („Sustainable Business for Africa“ — SB4A), die sich vor allem auf die Beteiligung des Privatsektors konzentrieren, sollte die EU ihre Hilfe stärker bündeln und eine ähnliche Initiative für die Zivilgesellschaft insgesamt fördern — entweder im Rahmen der SB4A-Plattformen, als Begleitmaßnahme oder parallel dazu. Diese könnten zu nachhaltigen Handels- und Investitionsplattformen für Afrika werden, an denen mehrere Interessenträger beteiligt werden.

1.17.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die EU einen Teil ihrer Mittel für Handelshilfe („Aid for Trade“) unter Berücksichtigung nachhaltiger Handels- und Investitionsbemühungen für die Unterstützung der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen und den Aufbau von Kapazitäten bereitstellen sollte.

1.18.

Durch einen Multi-Stakeholder-Ansatz, an dem auch die Organisationen der Zivilgesellschaft beteiligt sind, fördert der EWSA Initiativen und Anpassungen der handelspolitischen Regelungen von Freihandelsabkommen/WPA/APS, die eine wirksame und nachhaltige Umsetzung des Afrikanischen Freihandelsabkommens (AfCFTA) und die afrikanische Marktintegration begünstigen. So sollte insbesondere der innerafrikanische Handel sowie die regionale und kontinentale Integration gestärkt und wichtige Wirtschaftszweige in ganz Afrika entwickelt werden.

1.19.

Ein zentraler Punkt bei der Verbesserung der Lebensbedingungen in Europa waren Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, insbesondere in die Bildung. Ein Kernziel unserer Entwicklungspolitik in Afrika muss darin liegen, das dortige Bildungsniveau insbesondere wirtschaftlich schutzbedürftiger Gruppen zu heben.

1.20.

Der EWSA begrüßt die von der EU für den nächsten Haushaltszeitraum geplante Aufstockung der Mittel für Afrika auf 40 Mrd. EUR (46,5 Mrd. USD) und hofft auf eine enorme Hebelwirkung durch private Investoren.

2.   Hintergrund

2.1.

Als weltweit größter Entwicklungshilfegeber übernimmt Europa eine führende Rolle in der öffentlichen Entwicklungshilfe. Mit über 50 % aller Entwicklungshilfe weltweit sind die EU und ihre Mitgliedstaaten zusammen genommen der weltweit führende Geber.

2.2.

Nach Angaben der Weltbank (7) beliefen sich die Überweisungen in Entwicklungsländer von im Ausland lebenden Staatsangehörigen im Jahr 2016 auf etwa 426 Mrd. USD, was etwa dem Dreifachen der weltweiten offiziellen Entwicklungshilfe entspricht. Ein erheblicher Beitrag zu Afrikas Entwicklung besteht darin, Migranten aus Afrika die Möglichkeit zu geben, in Europa legal einer Beschäftigung nachzugehen und Geld sicher zu überweisen.

2.3.

Afrika und Europa sind unmittelbare Nachbarn, die durch eine gemeinsame Geschichte miteinander verbunden sind. Sie teilen gemeinsame Werte und Interessen, um ihre Zusammenarbeit in Zukunft zu steuern. Heute befassen sie sich gemeinsam mit globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Frieden und Sicherheit. Afrika wird besonders anfällig für den Klimawandel sein, obwohl es für weniger als 4 % der weltweiten Emissionen verantwortlich ist. 27 der 33 am stärksten vom Klimawandel bedrohten Länder befinden sich in Afrika.

2.4.

Die Zusammenarbeit zwischen Afrika und der Europäischen Union auf kontinentaler Ebene orientiert sich an einer strategischen Partnerschaft, die auf gemeinsamen Werten und Interessen beruht. 2007 wurde die Gemeinsame Strategie Afrika-EU von der EU und der Afrikanischen Union angenommen, um die Verbindungen zwischen den beiden Kontinenten in Schlüsselbereichen der Zusammenarbeit zu stärken, den politischen Dialog zu vertiefen und einen konkreten Fahrplan für künftige gemeinsame Arbeiten vorzulegen.

2.5.

Die EU hat die am längsten bestehende Zusammenarbeit mit der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP), die 1975 im Abkommen von Lomé verankert und 2000 mit dem Cotonou-Abkommen aktualisiert wurde. 48 afrikanische Staaten südlich der Sahara sind Vertragsparteien des Cotonou-Abkommens.

2.6.

Die EU führt derzeit mit den AKP-Staaten Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen zum für den Zeitraum 2000-2020 geltenden Cotonou-Abkommen. Der politische und wirtschaftliche Kontext hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten enorm verändert, wobei angesichts der (mittlerweile weitgehend durch bilaterale und regionale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen geregelten) Handelsbeziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten sowie der Bedeutung des Rahmens der Afrikanischen Union (AU) Kohärenz, Komplementarität und Synergie zwischen den Rahmen der AKP-Staaten und der AU in Frage gestellt werden.

2.7.

Ein Nachfolgeabkommen zum Cotonou-Abkommen bietet eine Gelegenheit, die Vorschriften zu Aspekten wie Investitionen, Dienstleistungen, fairer Handel, Menschenrechte, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Migration zu aktualisieren. Die Zusammenarbeit muss jedoch auf einer neuen Grundlage ausgehend von der Agenda 2030 stattfinden, und es sind die afrikanischen Staaten, die entscheiden müssen, ob sie bei den Verhandlungen gemeinsam als Kontinent auftreten wollen.

2.8.

Aus diesen Gründen besteht der EWSA auf einer kohärenten sozioökonomischen Strategie für die Beziehungen zwischen der EU und Afrika, bei der die Zivilgesellschaft und die Einbindung der Sozialpartner in die Verhandlungen über das Cotonou-Nachfolgeabkommen angemessen berücksichtigt werden.

2.9.

Der EWSA hat festgestellt, dass es kein zentrales Verzeichnis bzw. keine Erfassung sämtlicher Initiativen, Programme und Partnerschaften auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU gibt. Darüber hinaus weiß niemand, wieviel Mittel genau nach Afrika fließen.

3.   Problembereiche

3.1.

Die zunehmende Heterogenität des afrikanischen Kontinents muss gebührende Beachtung finden, und die EU sollte ihre Politik an die Gegebenheiten anpassen. Wir brauchen einen viel pragmatischeren und realistischeren Ansatz für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Afrika.

3.2.

Die direkte Beziehung zwischen der EU und der Afrikanischen Union hat seit der Veröffentlichung der Gemeinsamen Strategie Afrika-EU im Jahr 2007 an Sichtbarkeit gewonnen. Die EU hat auch andere Initiativen vorangetrieben, etwa den Nothilfe-Treuhandfonds, die Investitionsfazilität für Afrika, die Investitionsoffensive für Drittländer und eine Reihe subregionaler Übereinkommen. Die Vielschichtigkeit der Modalitäten in den Beziehungen EU-Afrika führt zu einer komplexen und zuweilen inkohärenten Struktur‚ in der Elemente anderer Politikbereiche mit der Entwicklungszusammenarbeit kombiniert werden. Diese Unübersichtlichkeit wird aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten noch verstärkt.

3.3.

Die Förderung von Investitionen des Privatsektors setzt Frieden, Sicherheit und Stabilität sowie ein günstiges Investitionsklima und Geschäftsumfeld voraus. Aus Umfragen unter Anlegern (8) geht eindeutig hervor, dass in diesem Bereich noch viel mehr getan werden muss, um das Potenzial Afrikas im Wettbewerb um Investitionskapital zu verbessern. Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung der Korruption, eine unabhängige Justiz und eine vorhersehbare Besteuerung sowie Frieden und Stabilität gehören zu den Schlüsselfaktoren, die die Entscheidungen in- und ausländischer Investoren beeinflussen. Es wird davon ausgegangen, dass die Kosten für die Gründung eines Unternehmens in fragilen Staaten etwa dreimal höher sind als anderswo, wodurch private Investitionen erheblich behindert werden (9).

3.4.

In der Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die zentrale Bedeutung von Handel und Investitionen für die Erreichung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele“ (10) heißt es: „Zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung ist die direkte Einbeziehung der Zivilgesellschaft erforderlich, nicht zuletzt deshalb, weil es die Rechtsstaatlichkeit begünstigen und zur Korruptionsbekämpfung beitragen dürfte.“ In der Stellungnahme wurde auch darauf hingewiesen, wie wichtig der Aufbau von Infrastruktur in Afrika ist, der derzeit von China vorangetrieben wird. Der innerafrikanische Handel, insbesondere mit Agrarerzeugnissen, ist sehr schwach entwickelt und macht lediglich zwischen 10 % und 15 % des gesamten Handelsvolumens Afrikas aus. Dies wird sich mit der Umsetzung des WTO-Übereinkommens 2017 über Handelserleichterungen hoffentlich verbessern.

3.5.

Prognosen zufolge sind für die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in Afrika jährlich Mittel in Höhe von rund 600 Mrd. USD erforderlich (11). Selbst unter Berücksichtigung ausländischer Investitionen und öffentlicher Entwicklungshilfe wird die nachhaltige Entwicklung in Afrika von der Mobilisierung und Generierung heimischer Ressourcen abhängen. Solche Ressourcen basieren auf langfristigen Investitionen und langfristiger Wertschöpfung, um hochwertige Arbeitsplätze sowie lokale und regionale Wertschöpfungsketten zu schaffen. Eine bessere Bildung und der private Verbrauch sind die größten Wachstumsmotoren in Afrika, was bedeutet, dass für afrikanische Produkte die Schaffung von Märkten — Verbrauchern — in Afrika eine wesentliche Rolle für die Entwicklung spielt. Die öffentliche Infrastruktur ist extrem wichtig, um auch langfristige private Investitionen zu ermöglichen.

3.6.

Der EWSA weist darauf hin, wie wichtig das Programm Erasmus+ für einen breiteren Zugang der afrikanischen Jugend zu hochwertiger Bildung ist.

3.7.

Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Migration sollte nicht außer Acht gelassen werden. Studien haben gezeigt‚ dass das Bedürfnis nach Migration sinkt, sobald ein bestimmtes Pro-Kopf-Einkommen erreicht wird (je nach Studie zwischen 6 000 und 10 000 USD pro Kopf und Jahr) (12). Abgesehen davon, dass der Großteil der Migration in Afrika innerhalb des Kontinents stattfindet, zeigen diese Zahlen die Notwendigkeit einer Entwicklungspolitik, die darauf ausgerichtet ist, den Menschen ein menschenwürdiges Leben, Beschäftigung und Perspektiven in ihren eigenen Ländern zu ermöglichen. Dies wird eine gewaltige Herausforderung darstellen, da nach demografischen Prognosen im Jahr 2050 2,5 Mrd. Menschen in Afrika leben werden (13).

3.8.

Im Rahmen der Ziele für nachhaltige Entwicklung soll die Gleichstellung der Geschlechter erreicht und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigt werden; die entwicklungsrelevanten Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, weisen einen besonderen geschlechtsspezifischen Aspekt auf, der bei der Konzipierung politischer Maßnahmen berücksichtigt und bei deren Umsetzung aufgegriffen werden muss.

3.9.

Korruption ist — nicht nur in Afrika — ein gewaltiges Problem. Eine gute wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung muss gefördert werden, indem die transparente Verwaltung öffentlicher Finanzen gestärkt und zur Bekämpfung von Korruption ein glaubwürdiges System geschaffen wird, das auf der Unabhängigkeit der Justiz beruht, und indem das Geschäftsklima und die Rahmenbedingungen für sozialen Fortschritt verbessert werden.

3.10.

Die organisierte Zivilgesellschaft könnte eine wichtige Kontrollfunktion übernehmen. Die Stärkung der Rolle von NGO, Gewerkschaften und Unternehmensverbänden sowie die Unterstützung solcher Initiativen in den Partnerländern dienen der Förderung einer verantwortungsvollen Regierungsführung, der Rechtstaatlichkeit und der Demokratisierung.

3.11.

Europa verliert in Afrika gegenüber anderen globalen Akteuren wie China, das Milliarden in den Kontinent investiert, an Boden. Die Mitgliedstaaten der EU befürchten, dass sie bald nur noch in der zweiten Liga spielen. Wenn sich sowohl Europa als auch China nicht ausschließlich auf Gewinne, sondern auch auf eine nachhaltige Entwicklung in Afrika konzentrieren würden, um einen angemessenen Lebensstandard zu fördern, könnte der Migrationsdruck verringert werden.

3.12.

Der EWSA fordert die Umsetzung eines Konzepts, bei dem der Schwerpunkt von der Vergabe von Hilfsgeldern auf die Unterstützung eigenverantwortlicher, eigenständiger Wirtschaftsakteure und interkontinentaler wirtschaftlicher Projekte auf der Grundlage der Zusammenarbeit unter gleichen Bedingungen verlagert wird.

3.13.

Die zögerliche Haltung konservativer Strukturen (z. B. Kirchen) zur Steuerung des Bevölkerungswachstums verringert die Möglichkeiten für die Entwicklung einer Strategie für nachhaltiges wirtschaftliches und soziales Wachstum.

4.   Investitionen

4.1.

Seit vielen Jahren zeichnet sich die Afrikapolitik der EU durch gute Absichten und nicht erfüllte Versprechen aus. Seit der Flüchtlingskrise hat sich das Interesse an einer neuen Strategie für die Zusammenarbeit mit dem Kontinent jedoch stark erhöht. Die EU plant, mehr in Afrika zu investieren, und sie möchte die Handelsbeziehungen intensivieren, da der nächste notwendige Schritt darin besteht, zu echten Wirtschaftspartnern zu werden. Eine solche Partnerschaft sollte auf einer Chancengleichheit beruhen, in deren Rahmen die offenkundigen Asymmetrien zwischen Afrika und Europa Berücksichtigung finden müssen.

4.2.

Bei den Investitionen in Afrika ergibt sich ein uneinheitliches Bild, das eine globale Unsicherheit widerspiegelt, wobei die Ströme ausländischer Direktinvestitionen nach Afrika schwanken und nicht den erforderlichen starken Aufwärtstrend zeigen. 2016 flossen insgesamt 58 % der ausländischen Direktinvestitionen nach Südafrika, Nigeria, Kenia, Ägypten und Marokko, während weniger fortgeschrittene und fragilere Länder sich aufgrund systemischer Herausforderungen schwertun, private Investitionen anzuziehen.

4.3.

Die EU ist der größte Investor in Afrika, da ihre Mitgliedstaaten für rund 40 % der ausländischen Direktinvestitionen (291 Mrd. EUR im Jahr 2016) (14) verantwortlich sind. Afrika lässt aufgrund der starken wirtschaftlichen Fortschritte in den letzten zwanzig Jahren erhebliches Zukunftspotenzial erkennen, das vielversprechende weitere Möglichkeiten eröffnet. Die demografischen Prognosen für Afrika machen deutlich, dass es auch notwendig ist, Millionen neuer, hochwertiger Arbeitsplätze zu schaffen, insbesondere für junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten wollen. Makroökonomische Indikatoren alleine führen nicht zu einem besseren Lebensstandard für alle. Die Politik muss sicherstellen, dass die wirtschaftliche Entwicklung für die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung insgesamt von Nutzen ist.

4.4.

Um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen und hochwertige Arbeitsplätze für die afrikanische Bevölkerung zu schaffen, die sich bis 2050 wohl verdoppeln wird, müssen die öffentlichen und insbesondere die privaten Investitionen zunehmen.

4.5.

Investitionen sind zu einer Schlüsselfrage für die künftige Entwicklung Afrikas geworden und ein Aspekt, der in den Verhandlungen über ein Cotonou-Nachfolgeabkommen zur Sprache kommen wird. Angesichts der Vielzahl der bestehenden Instrumente ist ein besonders großer Mehrwert von den Verhandlungen über eine Investitionsregelung zu erwarten, bei der ein angemessener gleichberechtigter Investorenschutz mit Nachhaltigkeitsverpflichtungen verknüpft wird, insbesondere in Bezug auf die Menschenrechte, den Schutz der Umwelt und die Schaffung eines angemessenen Lebensstandards.

4.6.

In der nächsten Haushaltsperiode plant die EU eine Aufstockung der Mittel für Afrika auf 40 Mrd. EUR (46,5 Mrd. USD). Die Hoffnung besteht darin, dass dieses Geld dann von privaten Investoren multipliziert wird. Als Anreiz möchte die EU Risikogarantien bereitstellen, um den Privatsektor zu ermutigen, Verpflichtungen einzugehen und Investitionen in afrikanischen Ländern zu tätigen. Investitionen, mit denen die in der Agenda 2030 festgelegten Nachhaltigkeitsziele anvisiert und eindeutig erfüllt werden, sollten bei der Unterstützung vorrangig berücksichtigt werden. Neben dem Risikogarantiesystem ist auch ein angemessenes System für die Kontrolle und Überwachung erforderlich, um sicherzustellen, dass die Ziele für nachhaltige Entwicklung erfüllt werden. Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, dass die organisierte Zivilgesellschaft einen Beitrag zur Bekämpfung des Missbrauchs europäischer Fonds leistet.

4.7.

Potenzielle Investoren, vor allem aus den Reihen der KMU, berichten mit Blick auf die politische Stabilität, Justiz, Rechte des geistigen Eigentums, Zugang zu Märkten und die Situation bei der Umsetzung von Handelsabkommen von mangelndem Vertrauen in das Investitionsumfeld.

4.8.

Der EWSA empfiehlt die Einrichtung eines Investitionsfonds nach dem Vorbild des ESF, der in Partnerschaften neben privaten und öffentlichen Investitionen als Ko-Investor auftritt. Dieser Fonds sollte auf den Kriterien und Grundsätzen der Agenda 2030 und der Anerkennung international anerkannter grundlegender Standards (15) beruhen. Die geförderten Projekte sollten überwacht und in zentrale Register oder Plattformen aufgenommen werden. Der EWSA betont eine noch intensivere Zusammenarbeit mit der organisierten Zivilgesellschaft (hier ist besonders der EWSA zu nennen) bei allen Projekten in Bezug auf ihre ethischen Werte.

4.9.

Der EWSA befürwortet die Schaffung eines Umfelds, in dem der Zugang zu Finanzmitteln sowohl für afrikanische als auch für europäische KMU und Kleinstunternehmen erleichtert und der Rechtsrahmen sowohl für öffentliche als auch für private Investitionen verbessert wird, die öffentlichen Beschaffungssysteme effizienter werden, die Investitionen den Menschen vor Ort zugutekommen und die Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen im eigenen Land sowie gegebenenfalls internationale Normen gefördert werden.

4.10.

Die Finanzstrukturen in Afrika sollten auch dahin gehend gestärkt werden, dass sie eine langfristige Finanzierung unterstützen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte, nachhaltige Entwicklung. So war beispielsweise das Genossenschaftsbankenwesen ein Eckpfeiler der Entwicklung in zahlreichen europäischen Ländern, während nationale Entwicklungsbanken, auf die insbesondere die Kommunen zurückgreifen, Investitionen in Europa gefördert haben. Auf diesem Wege finanzierten europäische Länder insbesondere soziale und lokale öffentliche Infrastrukturen, die nicht nur eine wichtige Grundlage für private Investitionen und ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum, sondern auch für die Entwicklung der europäischen Wohlfahrtsstaaten bildeten.

4.11.

Zur Vermeidung eines destruktiven Wettbewerbs sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Finanzinstrumente auf spezifische Ziele und Einrichtungen konzentrieren. Der Wettbewerb zwischen unterschiedlichen europäischen und internationalen Einrichtungen hat zu Missverständnissen und Schwierigkeiten beim Zugang zu afrikanischen Märkten geführt. Erforderlich sind mehr gemeinsames und direktes Engagement sowie Kontrolle und Transparenz. In diesem Zusammenhang könnte der Zivilgesellschaft eine institutionelle Rolle als unabhängiger Beobachter zukommen.

4.12.

Eine Investitionspolitik, die europäische private Investitionen in Afrika fördert, sollte sich insbesondere auf die Schaffung regionaler Wertschöpfungsketten konzentrieren, durch die Güter hergestellt werden, die in erster Linie in Afrika verbraucht werden können, wodurch heimische Märkte entstehen. So könnte das europäische Wachstumsmodell in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg widergespiegelt werden, das in hohem Maße auf die heimischen Märkte angewiesen war, um die Industrie zu entwickeln.

4.13.

Die nichtstaatlichen afrikanischen und europäischen Organisationen, vor allem diejenigen mit afrikanischen Wurzeln, könnten Brücken für die wirtschaftliche Entwicklung schlagen und sich aktiv an der Unterstützung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in ihren Heimatländern beteiligen.

5.   Handel

5.1.

Die EU ist mit 36 % aller Ausfuhren nach wie vor der größte Handelspartner Afrikas vor China und den USA. Ziel der Europäischen Kommission ist es, diese Zusammenarbeit zu intensivieren und auf eine neue vertragliche Grundlage zu stellen.

5.2.

Als wichtigster Handelspartner ist es die Absicht der EU, afrikanischen Ländern ihre großzügigsten Handelspräferenzen anzubieten, entweder im Rahmen des allgemeinen Präferenzsystems (und der Sonderregelung „Alles außer Waffen“ (EBA) für die am wenigsten entwickelten Länder, von denen viele in Afrika liegen) oder im Rahmen von Freihandelsabkommen, insbesondere im Rahmen von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die in erster Linie auf die Entwicklung abzielen.

5.3.

Im Gegensatz zu den Bestimmungen in der neuen Generation von Freihandelsabkommen der EU und im karibischen WPA enthalten die Freihandelsabkommen und die WPA der EU mit afrikanischen Ländern jedoch keinerlei Mechanismus für den Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft. Freihandelsabkommen mit nordafrikanischen Ländern enthalten bisher keine Klauseln zu internen Beratungsgruppen und kein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung. WPA wiederum, bei denen es um Entwicklung geht, beinhalten keine Klauseln zu beratenden Ausschüssen zur Förderung des Dialogs mit nichtstaatlichen Akteuren über die nachhaltige Umsetzung und die Auswirkungen des WPA.

5.4.

Der Kontakt und der Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft können auch außerhalb von (oder parallel zu) Handelsabkommen stattfinden. Da die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und Afrika eine nachhaltige Entwicklung fördern sollen, sollten nicht nur staatliche Akteure, sondern alle Interessenträger eingebunden werden.

5.5.

Es gibt Entwicklungsprobleme, die sich aus der derzeitigen Struktur des Handels zwischen Afrika und Europa ergeben. Selbst nach Ratifizierung werden nicht alle WPA von den Partnerländern auch tatsächlich umgesetzt. Dies ist auch nicht völlig unbegründet, da es zahlreiche Berichte über europäische Exporte gibt, die die Entwicklung lokaler Industrien und Branchen erdrücken (16). Der erweiterte Freihandel ist ein eindeutiger struktureller Wandel für die Partnerländer, die bisher ihre Wirtschaftssektoren durch Vorzugssysteme regulieren konnten. Die WPA werden überdies mit wirtschaftlichen Blöcken ausgehandelt, deren Mitglieder sich häufig in unterschiedlichen Situationen befinden, was unterschiedliche handelspolitische Ansätze rechtfertigen könnte. Schließlich könnten die Verhandlungen über umfassende Handelsabkommen an sich bereits eine organisatorische Herausforderung für Entwicklungsländer und Schwellenländer darstellen.

5.6.

Ein stärkeres Zugehen auf die Zivilgesellschaft ginge mit Kapazitätsaufbau und Kosten einher, die im Hinblick auf wirksame Mechanismen für ihre Einbindung angegangen werden sollten. Die EU sollte einen Teil ihrer Handelshilfe (es könnte ein Prozentsatz festgelegt werden) mit Blick auf nachhaltige Handels- und Investitionsbemühungen auf die Unterstützung der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen, den sozialen Dialog und den Aufbau von Kapazitäten ausrichten.

5.7.

Afrika arbeitet des Weiteren an seinem kontinentalen Freihandelsabkommen (AfCFTA), mit dem ein afrikanischer Binnenmarkt geschaffen werden soll und das bereits mehr als 40 Staaten unterzeichnet haben. Überall in Afrika wird diesem Abkommen von vielen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren eine enorm hohe Bedeutung beigemessen. Hiermit soll der innerafrikanische Handel sowie die regionale und kontinentale Integration gestärkt und wichtige Wirtschaftszweige in ganz Afrika entwickelt werden. Die EU kann diese Bemühungen wirksam unterstützen und mit ihren präferentiellen Handelsregelungen mit afrikanischen Ländern und Regionen (Freihandelsabkommen der EU mit Nordafrika, WPA und APS-Regelung) dazu beitragen, die Integration des kontinentalen Handels zu unterstützen und den Weg für ein Handelsabkommen zwischen beiden Kontinenten zu ebnen.

6.   Eine neue „Allianz Afrika-Europa“

6.1.

Afrika braucht keine Wohltätigkeit, es braucht eine echte und faire Partnerschaft. Das ist die Botschaft der im September 2018 vorgeschlagenen Allianz für nachhaltige Investitionen und Arbeitsplätze zwischen Europa und Afrika, die erklärt, dass dies zur Entstehung von bis zu zehn Millionen Arbeitsplätzen in Afrika allein in den nächsten fünf Jahren beitragen könnte. Diese Arbeitsplätze müssten selbstverständlich ein Einkommen garantieren, das einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. Bei der Allianz geht es darum, private Investitionen zu mobilisieren und die enormen Chancen zu erkunden, die für die Menschen und die Wirtschaft in Afrika und in der EU gleichermaßen von Nutzen sein können. Die EU sollte den Ausbau der zahlreichen Handelsabkommen zwischen der EU und Afrika zu einem Freihandelsabkommen zwischen den beiden Kontinenten in Erwägung ziehen, und zwar als Wirtschaftspartnerschaft auf Augenhöhe. Damit wird durch die Allianz ein wichtiges politisches Zeichen gesetzt. Eine solche Partnerschaft sollte gleichberechtigt sein und die Asymmetrien sowie die jeweiligen Fähigkeiten berücksichtigen.

6.2.

Um zu einem echten Bündnis zu werden, muss auf beiden Seiten nachgedacht werden. Dazu erforderlich ist neben einem besseren Verständnis, einer besseren Koordinierung und einer Zusammenarbeit beider Seiten

die Eigenverantwortung Afrikas,

das Handeln über die Regierungen hinaus,

die Einbeziehung aller nichtstaatlichen Akteure,

das Ziel, ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen in Afrika zu schaffen.

7.   Das Cotonou-Nachfolgeabkommen und die Rolle der Zivilgesellschaft

7.1.

Die Europäische Kommission hat Verhandlungen über eine neue ehrgeizige Partnerschaft mit 79 AKP-Staaten aufgenommen. Sowohl die AKP als auch die EU schätzen die „politische Dimension“ als Erfolg des Cotonou-Abkommens und hegen den Wunsch, diese beizubehalten. Der Schwerpunkt liegt auf dem politischen Dialog über nationale, regionale und globale Fragen von beiderseitigem Interesse sowie auf einem Engagement für Menschenrechte, verantwortungsvolle Regierungsführung und Frieden und Stabilität.

7.2.

Eine solche, gemeinsam mit afrikanischen Ländern entwickelte neue und faire Handelsbeziehung dürfte menschenwürdige Arbeit fördern und öffentliche Dienstleistungen stützen. Im Rahmen der Handelspolitik muss die uneingeschränkte Achtung und der Schutz der Menschenrechte, hochwertiger Arbeitsplätze und der Umwelt sichergestellt und auch den Entwicklungserfordernissen weniger entwickelter Länder Rechnung getragen werden. Handel bietet nur dann große Chancen, wenn er hochwertige Arbeitsplätze schafft und nachhaltiges Wachstum fördert. Die Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft, eine verantwortungsvolle Führung und Transparenz sollten Teil jedweden Handelsabkommens sein.

7.3.

Bei der Förderung der zivilgesellschaftlichen Beziehungen im Rahmen des Cotonou-Abkommens kam dem EWSA eine zentrale Rolle zu. Jetzt ist es wichtig, dass ein kontinuierliches und noch größeres Engagement des EWSA und seiner Strukturen zu einem wesentlichen Bestandteil des Cotonou-Nachfolgeabkommens wird. Das gibt der Zivilgesellschaft der EU die Möglichkeit, die Zivilgesellschaft afrikanischer Länder dabei zu unterstützen, ein zuverlässiger und vertrauenswürdiger Partner für Investoren zu werden.

Brüssel, den 12. Dezember 2019

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  ABl. C 246 vom 28.7.2017, S. 71.

(2)  https://www.africa-eu-partnership.org//sites/default/files/documents/eas2007_joint_strategy_en.pdf.

(3)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 29.

(4)  Im Sinne von Katastrophen- und humanitärer Hilfe, Konfliktprävention, Demokratisierung, Entwicklungszusammenarbeit, nicht aber militärischer und grenzpolizeilicher Unterstützung und Zusammenarbeit.

(5)  So z. B. die dreigliedrige Grundsatzerklärung der IAO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik.

(6)  Aus Studien geht hervor, dass ein gewisses Mindesteinkommen zur Verringerung des Migrationsdrucks führt, siehe z. B. Clemens, Does Development Reduce Migration? (2014) (http://ftp.iza.org/dp8592.pdf).

(7)  http://pubdocs.worldbank.org/en/992371492706371662/MigrationandDevelopmentBrief27.pdf.

(8)  Siehe u. a. den Weltbankbericht „Doing Business 2017“.

(9)  Strategische Mitteilung des Europäischen Zentrums für politische Strategie, „The Makings of an African Century“ (2017).

(10)  ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 27.

(11)  Deutsches Entwicklungsministerium, „Afrika und Europa — Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft — Eckpunkte für einen Marshallplan mit Afrika“ und Unctad, „Economic Development in Africa Report 2016“.

(12)  Siehe u. a. Clemens, Does Development Reduce Migration? (2014) (http://ftp.iza.org/dp8592.pdf).

(13)  Africa's Development Dynamics 2018: Growth, Jobs and Inequalities, AUC/OECD 2018.

(14)  Eurostat, 2018.

(15)  So z. B. die dreigliedrige Grundsatzerklärung der IAO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik.

(16)  Bspw. https://www.deutschlandfunk.de/das-globale-huhn-ghanas-bauern-leiden-unter-gefluegel.766.de.html?dram:article_id=433177; https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/international/835163_Was-Altkleider-fuer-Afrikas-Wirtschaft-bedeuten.html; https://www.dialog-milch.de/im-fokus-eu-milchpulver-und-der-milchmarkt-in-afrika/.


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