Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52019AE3042

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge“ (COM(2019) 208 final — 2019/0101 (COD))

    EESC 2019/03042

    ABl. C 14 vom 15.1.2020, p. 78–83 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.1.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 14/78


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge“

    (COM(2019) 208 final — 2019/0101 (COD))

    (2020/C 14/11)

    Alleinberichterstatter: Jorge PEGADO LIZ

    Befassung

    Europäisches Parlament, 15.7.2019

    Rat, 24.6.2019

    Rechtsgrundlage

    Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    3.9.2019

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    25.9.2019

    Plenartagung Nr.

    546

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    107/1/1

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) weist darauf hin, dass die Städte Paris, Brüssel und Madrid die Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission (1) beim Gericht der Europäischen Union angefochten haben, woraufhin das Gericht am 13. Dezember 2018 Teile der Verordnung für nichtig erklärte.

    1.2.

    Der EWSA stellt zudem fest, dass das Gericht der Kommission mit Februar 2020 eine ausreichend lange Frist für die Abstellung der in der Verordnung festgestellten Mängel gesetzt hat, damit das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes nicht gefährdet wird, unbeschadet der Tatsache, dass die Kommission Rechtsmittel eingelegt hat.

    1.3.

    Der EWSA weist auf das Ausmaß des Abgasskandals hin, zu dem er sich bereits in mehreren Stellungnahmen geäußert hat, und bedauert, dass die Kommission nicht in der Lage war, den Ereignissen durch wirksame Maßnahmen von Anfang an entgegenzuwirken.

    1.4.

    Der Ausschuss kann auch nicht umhin darauf hinzuweisen, dass die EU trotz seiner seit über 20 Jahren wiederholt nachdrücklich vorgebrachten Forderungen nicht in der Lage (oder gewillt) war, ein wirksames Instrument für Sammelklagen zur Bewältigung derartiger Situationen einzuführen.

    1.5.

    Der EWSA ist zudem der Ansicht, dass die in diesem Vorschlag enthaltene Lösung nicht darauf beschränkt sein darf, ein förmliches Problem abzustellen, ohne dabei den Anliegen der Kläger wirklich zu entsprechen.

    1.6.

    Er befürchtet zudem, dass die Befugnisübertragung an die Kommission für den Erlass delegierter Rechtsakte in der im Vorschlag enthaltenen Form nicht nur die Wirksamkeit der Rechtsvorschriften, sondern auch den vom Gesetzgeber mit delegierten Rechtsakten verfolgten Zweck erneut infrage stellt. Aus diesem Grund hält er es für angezeigt, die Thematik delegierte Rechtsakte im Lichte der jüngsten interinstitutionellen Vereinbarung auf der Grundlage seiner bisherigen diesbezüglichen Stellungnahmen in Form einer weiteren Initiativstellungnahme erneut zu untersuchen.

    1.7.

    Der EWSA hofft ferner, dass die Kommission dafür Sorge trägt, dass die Verordnungen (EU) 2017/1154 (2) (3. Paket) und (EU) 2018/1832 (3) (4. Paket) nicht ähnlich wie der vorliegende Vorschlag Gegenstand eines solchen Verfahrens vor Gericht werden.

    1.8.

    Angesichts der Zahl der in diesem Bereich angenommenen Legislativmaßnahmen (ca. 100 Rechtsakte) fordert der EWSA die Kommission auf, im Einklang mit den Grundsätzen der Agenda für bessere Rechtsetzung die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Zusammenfassung/Kodifizierung auf diesem Gebiet zu prüfen.

    1.9.

    Abschließend fordert der EWSA die Kommission auf, seine Empfehlungen für kürzere Fristen und mehr Rechtssicherheit zu prüfen.

    2.   Der Abgasskandal (Dieselgate) und der kollektive Verbraucherschutz

    2.1.

    Im September 2015 wurde bekannt, dass der VW-Konzern Fahrzeuge hergestellt und verkauft hatte, in denen die Labortests (4) zur Messung der Fahrzeugemissionen mittels einer Software manipuliert wurden.

    2.2.

    Das Unternehmen hat damit weltweit Millionen von Verbrauchern geschädigt, die ein solches Fahrzeug in dem Vertrauen gekauft hatten, dass es den gesetzlichen Grenzwerten für Schadstoffemissionen entsprach und für die Umwelt und in Bezug auf den Verbrauch nachhaltiger war. Durch dieses Verhalten hat das Unternehmen zudem der Gesundheit der Bürger und der Umwelt insgesamt schweren Schaden zufügt.

    2.3.

    Es wurde festgestellt, dass aufgrund des Vorgehens des Unternehmens und der Anforderungen der Labortests die Emissionswerte für Stickoxide im realen Fahrbetrieb 10 bis 40 Mal höher waren als die im Labortest gemessenen Werte.

    2.4.

    Das Unternehmen hat auch eingeräumt, die Abschalteinrichtung weltweit in rund 11 Mio. Dieselfahrzeuge eingebaut zu haben. Aufgrund dieses Skandals haben die Europäische Kommission und einige Mitgliedstaaten Verwaltungsverfahren und strafrechtliche Verfahren zur Ahndung dieser Praktiken des Unternehmens eingeleitet.

    2.5.

    Der EWSA weist darauf hin, dass Millionen von Verbrauchern effektiv keine Entschädigung erhalten haben und dass nach wie vor keine Informationen verfügbar sind über die Konsequenzen der von nationalen Behörden durchgeführten Ermittlungen und auch nicht über die Rückrufe durch das Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf die Wiederherstellung der Konformität für eine eventuelle Weiternutzung des Fahrzeugs.

    2.6.

    Eine Reihe europäischer Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen haben kollektive Rechte geltend gemacht und dazu Sammelklagen gegen Volkswagen und SEAT eingereicht, wobei die Verfahren jedoch nur auf nationaler Ebene angestrengt und nach unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Vorschriften durchgeführt werden.

    2.7.

    Unbeschadet dieser Verfahren dürften viele dieser Verbraucher nie eine Entschädigung erhalten, da es kein europäisches Instrument für Sammelklagen gibt. Überdies wird in dem kürzlich von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (5) nicht ausreichend der Notwendigkeit Rechnung getragen, dass Verbraucher für den erlittenen Schaden wirksam entschädigt werden müssen. Die Möglichkeit einer solchen Entschädigung der Verbraucher wäre im vorliegenden Fall von grundlegender Bedeutung gewesen, doch so sind die Verbraucher vollends auf die in den einzelnen Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen und Entscheidungen angewiesen. Es steht zu hoffen, dass die laufenden Verhandlungen mit dem EP und dem Rat über einen verbesserten Vorschlag in Kürze erfolgreich abgeschlossen werden können.

    3.   Maßnahmen der Europäischen Kommission und Stellungnahmen des EWSA

    3.1.

    Angesichts dieses Skandals haben die EU-Institutionen versucht, Abhilfe zu schaffen und dieser Situation ein Ende zu setzen (6).

    3.2.

    Im Zusammenhang mit der am 17. Dezember 2015 eingeleiteten und am 2. März 2017 abgeschlossenen Arbeit des Untersuchungsausschusses des EP zu Emissionsmessungen in der Automobilindustrie (EMIS) (7) hat die Kommission eine Reihe wirksamer Maßnahmen ergriffen. Dazu gehört insbesondere das RDE-Prüfverfahren (Real Driving Emissions — Prüfung der Emissionen im praktischen Fahrbetrieb) (8), das mit den Verordnungen (EU) 2016/427 (9) (1.Paket), (EU) 2016/646 (10) (2.Paket), (EU) 2017/1154 (11) (3.Paket) und (EU) 2018/1832 (12) (4.Paket) eingeführt bzw. weiterentwickelt wurde.

    3.3.

    Der EWSA hat insbesondere seit 2006 mehrfach zur Thematik der Abgasemissionen, vor allem in Bezug auf Feinstaub (PM), Stickoxide (NOx), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlenwasserstoffe (HC), Stellung genommen und dabei auf bestimmte Mängel der jeweils vorgeschlagenen Systeme hingewiesen und zuverlässigere Messverfahren empfohlen (13).

    3.4.

    Zu den in Ziffer 3.2 genannten Verordnungen wurde der EWSA jedoch nicht um Stellungnahme ersucht, da dies für Rechtsakte, die die Kommission nach Artikel 296 und 297 AEUV erlässt, nicht zwingend erforderlich ist (im Gegensatz zu Rechtsakten, die nach den Artikeln 38 ‚46, 95, 113, 115, 164, 166, 169, 177, 182, 188, 192, 194, 203, 336 und insbesondere Artikel 304 AEUV erlassen werden).

    3.5.

    Am 26. Juni 2016 erhob die Stadt Paris (Rechtssache T-339/16), am 29. Juni 2016 die Stadt Brüssel (Rechtssache T-352/16) und am 19. Juli 2016 die Stadt Madrid (Rechtssache T-391/16) unter Berufung auf Art. 263 AEUV gegen Kommission jeweils Klage auf Nichtigkeitserklärung der Verordnung (EU) 2016/646 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6). Die Klagen wurden erhoben wegen Unzuständigkeit, da die Kommission zu Unrecht das Regelungsverfahren mit Kontrolle angewendet habe und nicht das ordentliche Gesetzgebungsverfahren; wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, da ein wesentliches Element eines Basisrechtsakts unter Verletzung der für seinen Erlass vorgesehenen Formvorschriften geändert wurde; wegen Verstoß gegen Vorschriften des Primär- und des Sekundärrechts sowie gegen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, konkret wegen Verletzung der Bestimmungen der Art. 3, Art. 11, Art. 114 Abs. 3 und Art. 191 AEUV sowie der Art. 35 und 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Bestimmungen der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (14), von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates (15) und der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission (16); und schließlich wegen Ermessensmissbrauch, da der von der Kommission mit der Heraufsetzung der Grenzwerte für NOx-Emissionen verfolgte Zweck weder mit dem im Unionsrecht festgelegten Zweck noch mit dem Zweck übereinstimmt, den die Kommission nach ihren eigenen Angaben verfolgt hat.

    3.6.

    In seinem Urteil vom 13. Dezember 2018 hat das Gericht entschieden, die drei Verfahren miteinander zu verbinden und den Rechtsmitteln in Bezug auf folgende Punkte stattzugeben:

    „Anhang II Nr. 2 der Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission […] wird für nichtig erklärt, soweit er in Anhang IIIA Nrn. 2.1.1 und 2.1.2 der Verordnung Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 den Wert des endgültigen Übereinstimmungsfaktors CF pollutant und den Wert des vorläufigen Übereinstimmungsfaktors CF pollutant für die Masse der Stickstoffoxide festsetzt.“

    „Die Wirkungen der nach Nr. 1 des vorliegenden Tenors für nichtig erklärten Bestimmung werden bis zum Erlass einer diese Bestimmungen ersetzenden neuen Regelung innerhalb einer angemessenen Frist aufrechterhalten, wobei diese Frist zwölf Monate ab dem Tag des Wirksamwerdens des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf.“

    4.   Der Kommissionsvorschlag

    4.1.   Ursprung und Begründung des Vorschlags

    4.1.1.

    Im Mai 2017 legte die Europäische Kommission Maßnahmen vor, mit denen Mobilität und Verkehr in Europa modernisiert werden sollen. Konkret zielten die Maßnahmen darauf ab, die CO2-Emissionen, Luftverschmutzung, Verkehrsüberlastung und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern.

    4.1.2.

    Bereits 2007 wurde die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erlassen, mit der die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) geregelt und bestimmte Emissionsgrenzwerte für Neufahrzeuge eingeführt wurden.

    4.1.3.

    Als Folge des Abgasskandals hat die Kommission die Verfahren, Prüfungen und Anforderungen für die Typgenehmigung eingehend analysiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass die im praktischen Fahrbetrieb mit Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen tatsächlich entstehenden Emissionen, insbesondere die NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen, die im vorgeschriebenen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) gemessenen Emissionen erheblich überschreiten.

    4.1.4.

    Die Kommission hielt es für erforderlich, quantitative RDE-Anforderungen festzulegen, um die Abgasemissionen unter allen normalen Betriebsbedingungen im Einklang mit den in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehenen Emissionsgrenzwerten zu begrenzen. Dies führte zum Erlass der Verordnung (EU) 2016/646 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008, wobei im Wege des Ausschussverfahrens die Referenzwerte für die Übereinstimmungsfaktoren auf der Grundlage der bei den Tests gemessenen Emissionswerte überarbeitet wurden.

    4.1.5.

    Diese Änderung, die der zweiten Phase des RDE-Verfahrens entspricht, sah obligatorische Tests zur Ermittlung der NOx-Emissionen vor, zunächst ab September 2017 für alle neuen Fahrzeugtypen und dann ab September 2019 für sämtliche Neufahrzeuge. Die Änderung wurde von EP und Rat angenommen (17).

    4.1.6.

    Im Dezember 2018 erklärte das Gericht in seiner Entscheidung über die Klagen der Städte Paris, Madrid und Brüssel einige Bestimmungen der Verordnung (EU) 2016/646 für nichtig. Es urteilte insbesondere, dass die sogenannten Übereinstimmungsfaktoren nicht im Ausschussverfahren hätten angenommen werden dürfen. Sie hätten vielmehr nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden müssen. Die Nichtigerklärung betrifft nur Teile der Vorschriften und hat keine Auswirkungen auf das eigentliche Prüfverfahren unter realen Fahrbedingungen, das weiterhin gilt.

    4.1.7.

    Das Gericht schob das Wirksamwerden dieser Nichtigerklärung bis Februar 2020 auf, um der Kommission Zeit zur Umsetzung des Urteils zu geben.

    4.2.   Inhalt und Zweck des Vorschlags

    4.2.1.

    Um ungebührlichen Aufwand für die Hersteller zu vermeiden, die bei der Konstruktion ihrer Fahrzeuge das zuvor angenommene Verfahren für die RDE-Prüfung berücksichtigt hatten, hat die Kommission diesen Legislativvorschlag vorgelegt, der Folgendes beinhaltet:

    Wiedereinführung der zuvor angenommenen Übereinstimmungsfaktoren;

    Ermächtigung der Kommission, die vom Gesetzgeber festgelegten Übereinstimmungsfaktoren jährlich nach unten zu korrigieren, um den Fortschritten bei der Genauigkeit des portablen Emissionsmesssystems Rechnung zu tragen.

    4.2.2.

    Die Kommission argumentiert, dass das Gericht in seinem Nichtigkeitsurteil die technische Begründung der Übereinstimmungsfaktoren nicht in Frage gestellt habe. Daher, und da die im praktischen Fahrbetrieb und die im Labor gemessenen Emissionen immer noch voneinander abweichen, wird vorgeschlagen, Übereinstimmungsfaktoren in die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufzunehmen.

    4.2.3.

    Die Übereinstimmungsfaktoren werden in zwei Schritten eingeführt: Im ersten Schritt soll ein zeitlich begrenzter Übereinstimmungsfaktor gelten, während als zweiter Schritt nur der endgültige Übereinstimmungsfaktor verwendet werden sollte. Die Kommission wird damit beauftragt, die endgültigen Übereinstimmungsfaktoren unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts regelmäßig zu überprüfen.

    4.2.4.

    Darüber hinaus wird der Kommission die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 290 AEUV delegierte Rechtsakte für die spezifischen Verfahren, Prüfungen und Anforderungen der Typgenehmigung zu erlassen. Diese Befugnisübertragung erstreckt sich auch darauf, die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 um die entsprechenden überarbeiteten Vorschriften und die zur Emissionsmessung verwendeten Prüfzyklen zu ergänzen. Der Vorschlag ermöglicht ferner die Änderung dieser Verordnung, um die endgültigen Übereinstimmungsfaktoren nach unten korrigieren und die auf der Partikelmasse basierenden Grenzwerte neu bestimmen und Grenzwerte auf Grundlage der Partikelzahl einführen zu können.

    4.2.5.

    Dem Vorschlag zufolge muss der Hersteller erneut nachweisen, dass alle von ihm in der EU verkauften, zugelassenen oder in Betrieb genommenen Neufahrzeuge die endgültigen Grenzwerte einhalten.

    4.2.6.

    Bereits vor Veröffentlichung ihres Vorschlags hatte die Kommission beim EuGH Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts eingelegt, da die frühere Verordnung ihrer Ansicht nach keine wesentlichen Elemente und insbesondere nicht die endgültigen Übereinstimmungsfaktoren betraf, sondern nur das Kriterium ihrer Messung.

    5.   Allgemeine Bemerkungen

    5.1.

    Es gehört nicht zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des EWSA, sich in einen rechtlichen Konflikt zwischen EU-Organen einzumischen, zumal die Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel noch beim EuGH anhängig ist. Es obliegt dem EWSA jedoch, sich zu dem von der Kommission vorgeschlagenen Rahmen zu äußern und dazu Stellung zu nehmen, inwieweit dieser Rahmen das Erreichen der vorgeschlagenen Ziele gewährleistet.

    5.2.

    Mit dem vorliegenden Vorschlag werden die formellen Mängel der Unzuständigkeit und der Verletzung verschiedener Vorschriften des Primärrechts aufgrund des rechtswidrigen Rückgriffs auf ein falsches Verfahren sicherlich abgestellt.

    5.3.

    In Bezug auf die inhaltlichen Aspekte hegt der EWSA jedoch Zweifel, dass die vorgeschlagene Lösung, nämlich der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte zu übertragen, mit dem rechtlichen Zweck delegierter Rechtsakte, wie in seinen Stellungnahmen zu delegierten Rechtsakten (18) dargelegt, im Einklang steht. Die Übertragung erfolgt nämlich in Bereichen, in denen nach Auffassung des Gerichts nur der Gesetzgeber wesentliche Elemente ändern kann, Elemente, die die Kommission nun offenbar an sich ziehen möchte.

    5.4.

    Der EWSA begrüßt die Beibehaltung der Fristen für die Anwendung der vorgeschlagenen Bestimmungen, die wie bisher ab dem 1. September 2017 für neue Fahrzeugtypen und ab dem 1. September 2019 für alle Neufahrzeuge gelten.

    5.5.

    Er hinterfragt jedoch die rechtliche Wirksamkeit der Maßnahmen in Anbetracht der fehlenden Sicherheit bezüglich dieses Gesetzgebungsverfahrens, da ja das Inkrafttreten der Maßnahme im September infrage gestellt werden könnte und auch schon Fragen hinsichtlich der rückwirkenden Anwendung der Maßnahme aufgeworfen wurden.

    5.6.

    Das Ganze wird dadurch noch komplizierter, dass mit dem eingelegten Rechtsmittel die endgültige Entscheidung über die dem Gericht unterbreitete Frage auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben ist. Es fragt sich sogar, ob überhaupt eine Notwendigkeit für die Annahme des Vorschlags besteht, unabhängig davon, ob die Entscheidung des EuGH zu Gunsten der Kommission ausfällt oder nicht.

    5.7.

    Angesichts dessen läge die einzige Begründung für den Vorschlag in dem Versuch, den Herstellern eine gewisse Rechtssicherheit zu bieten, damit diese gegebenenfalls ihre Fahrzeugproduktion weiterführen können. Dies beseitigt jedoch nicht die potenziellen Auswirkungen der Entscheidung des EuGH auf die Geltungsdauer der Bestimmungen, was die Aufträge und die Zulieferungen gefährdet.

    5.8.

    Der EWSA betont jedenfalls, dass die Verbraucher Zugang zu den bereits auf offiziellen Websites (19) veröffentlichten RDE-Tests haben müssen, damit sie diese Informationen mit den Umweltparametern der Fahrzeuge gemäß Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (20) abgleichen können. Die Einbeziehung dieser Informationen würde die Verbraucher bei ihren Kaufentscheidungen entsprechend den Umweltauswirkungen der erworbenen Fahrzeuge unterstützen.

    5.9.

    Der EWSA hofft darüber hinaus, dass die Kommission die Vereinbarkeit des Vorschlags mit den verschiedenen Rechtsakten über RDE-Tests gewährleisten kann (der vorliegende Vorschlag bezieht sich auf das zweite Paket) und dass die beiden danach erlassenen Rechtsakte (Partikelzahl in den Tests, Verfeinerung der Prüfmethoden (dritter RDE-Rechtsakt) und Möglichkeit unabhängiger Prüfungen von bereits in Verkehr befindlichen Fahrzeugen durch Dritte (vierter RDE-Rechtsakt)) dadurch nicht infrage gestellt werden.

    5.10.

    Unbeschadet der spezifischen Natur des Vorschlags fordert der EWSA die Kommission nachdrücklich auf, die in Ländern außerhalb Europas eingeführten Verfahren zu berücksichtigen, insbesondere die Erfahrungen der USA im Hinblick auf die Kriterien für die Übereinstimmung und für Sanktionen bei Nichteinhaltung durch die Hersteller (21).

    5.11.

    Der EWSA ist sich bewusst, dass der Abgasskandal nicht nur eine Reihe von Defiziten im Bereich der NOx-Emissionen aufgezeigt hat, sondern er hat auch deutlich gemacht, dass Millionen von Verbrauchern Fahrzeuge gekauft haben, die nicht den zur Verfügung gestellten Produktinformationen entsprachen. Die große Mehrheit dieser Verbraucher wurden individuell nicht für den erlittenen Schaden entschädigt.

    5.12.

    Die Kommission sollte unbedingt den vollständigen Schadensersatz für alle Geschädigten sicherstellen oder zumindest dafür sorgen, dass es ein europäisches Verfahren zur Geltendmachung kollektiver Rechte gibt, das wirksam, sinnvoll und schnell die Entschädigung der Verbraucher für die erlittenen Umweltschäden herbeiführt, was bei dem im Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen vorgesehenen Verfahren nicht der Fall ist.

    6.   Besondere Bemerkungen

    6.1.   Artikel 1 Absatz 3

    6.1.1.

    Der EWSA vertritt die Ansicht, dass die im Anhang I Tabelle 2 aufgeführten Übereinstimmungsfaktoren angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse möglicherweise nicht ehrgeizig genug sind, um eine Verringerung der NOx-Emissionen sicherstellen zu können, da die 2018 vorgeschlagenen Faktoren heute eher konservativ erscheinen.

    6.1.2.

    Er betont außerdem, dass diese Faktoren regelmäßig, d. h. mindestens im Jahresabstand, überprüft werden müssen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten.

    6.2.   Artikel 1 Absatz 4

    6.2.1.

    Der EWSA hält die Bestimmung für wichtig, wonach der Hersteller das Fahrzeug so ausrüsten muss, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den vorgeschlagenen Bestimmungen entspricht. Er betont jedoch, dass diese Informationen nicht nur den Verbrauchern zum Zeitpunkt des Kaufes zu Verfügung gestellt werden müssen, sondern dass auch die Einhaltung dieser Bestimmung durch die Behörden zwingend kontrolliert werden muss.

    6.2.2.

    Der EWSA empfiehlt, die Definition des Begriffs „normale Betriebsbedingungen“, bei dem es sich ja um ein Konformitätserfordernis handelt, nicht der subjektiven Auslegung durch die Kommission selbst zu überlassen (22), sondern in eine Rechtsvorschrift aufzunehmen, um so für mehr Sicherheit bei seiner Auslegung zu sorgen.

    6.3.   Artikel 1 Absatz 5

    6.3.1.

    Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Frist von sechs Monaten, innerhalb der der Hersteller die Informationen über die Konformität zur Verfügung stellen muss, angesichts der Umweltschutzauflagen in diesem Sektor zu lang ist und deshalb höchstens drei Monate betragen sollte.

    Brüssel, den 25. September 2019

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  ABl. L 109 vom 26.4.2016, S. 1.

    (2)  ABl. L 175 vom 7.7.2017, S. 708.

    (3)  ABl. L 301 vom 27.11.2018, S. 1.

    (4)  Diese Tests wurden von der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) durchgeführt und veranlassten das Unternehmen zuzugeben, dass in den Fahrzeugen eine Abschalteinrichtung eingebaut wurde, die mittels eines Software-Algorithmus erkannte, ob ein Test auf Schadstoffemissionen erfolgte.

    (5)  COM(2018) 184 final — 2018/0089 (COD); Stellungnahme des EWSA: ABl. C 440 vom 6.12.2018, S 66.

    (6)  Siehe die Liste der legislativen Maßnahmen: https://ec.europa.eu/growth/sectors/automotive/legislation/motor-vehicles-trailers_de.

    (7)  Bericht A8-0049/2017, in dem das EP insbesondere zu folgenden Schlussfolgerungen gelangte: „Unbeschadet der angeführten Gründe mangelte es der Kommission an politischem Willen und Entschlossenheit, die ernste Frage der hohen NOx-Emissionen anzugehen und dem Schutz der öffentlichen Gesundheit der Bürger Vorrang einzuräumen. […] Die Kommission machte auf Ebene des TCMV und der Arbeitsgruppe RDE-LDV nicht von allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch, um den Entscheidungsfindungsprozess voranzubringen und die Typgenehmigungsprüfungen gemäß Artikel 14 Absatz 11. der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zeitnah so anzupassen, dass sie den realen Fahrbedingungen entsprechen“.

    (8)  In diesem Prüfverfahren, das die tatsächlichen Emissionen auf der Straße besser widerspiegeln und die Abweichung zwischen den im praktischen Fahrbetrieb und im Labor gemessenen Emissionen reduzieren soll, werden die Emissionen bei einer Prüfung auf der Straße mithilfe tragbarer Emissions-Analysegeräte im Fahrzeug gemessen.

    (9)  ABl. L 82 vom 31.3.2016, S. 1.

    (10)  ABl. L 109 vom 26.4.2016, S. 1.

    (11)  ABl. L 175 vom 7.7.2017, S. 708.

    (12)  ABl. L 301 vom 27.11.2018, S. 1.

    (13)  Siehe insbesondere die Stellungnahmen ABl. C 311 vom 12.9.2014, S 55, ABl. C 251 vom 31.7.2015, S 31, ABl. C 227 vom 28.6.2018, S 52, ABl. C 367 vom 10.10.2018, S 32 und ABl. C 440 vom 6.12.2018, S 95.

    (14)  ABl. L 152 vom 11.6.2008, S. 1.

    (15)  ABl. L 171 vom 29.6.2007, S. 1.

    (16)  ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1.

    (17)  Siehe das Themenpapier des Europäischen Rechnungshofs vom Februar 2019: Die Reaktion der EU auf den „Diesel-Skandal“, https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/BRP_Vehicle_emissions/BRP_Vehicle_emissions_DE.pdf.

    (18)  ABl. C 67 vom 6.3.2014, S 104, ABl. C 13 vom 15.1.2016, S 145, ABl. C 288 vom 31.8.2017, S 29 und ABl. C 345 vom 13.10.2017, S 67.

    (19)  Siehe https://www.acea.be/publications/article/access-to-euro-6-rde-monitoring-data.

    (20)  ABl. L 12 vom 18.1.2000, S. 16.

    (21)  Derzeit kann die Kommission gemäß Artikel 85 der Verordnung (EU) 2018/858 Geldstrafen von bis zu 30 000 EUR pro Fahrzeug gegen die Hersteller verhängen.

    (22)  Siehe z. B. Antwort von Kommissarin Bieńkowska auf eine parlamentarische Anfrage (Anfrage P-006693-16): http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/P-8-2016-006693-ASW_EN.html.


    Top