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Document 52018AE3902

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufstellung des Programms ‚Digitales Europa‘ für den Zeitraum 2021-2027“ (COM(2018) 434 final — 2018/0227 (COD))

EESC 2018/03902

ABl. C 62 vom 15.2.2019, p. 292–297 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 62/292


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufstellung des Programms ‚Digitales Europa‘ für den Zeitraum 2021-2027“

(COM(2018) 434 final — 2018/0227 (COD))

(2019/C 62/46)

Berichterstatter:

Norbert KLUGE

Mitberichterstatter:

Ulrich SAMM

Befassung

Befassung durch das Europäische Parlament, 14.6.2018

Befassung durch den Rat, 25.6.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 172, Artikel 173 Absatz 3 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Beschluss des Präsidiums

19.6.2018

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

4.10.2018

Verabschiedung im Plenum

17.10.2018

Plenartagung Nr.

538

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

212/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, dass die Europäische Kommission das Programm „Digitales Europa“ aufgesetzt hat. Es unterstreicht die Absicht, Europa bei der Digitalisierung zu einem herausgehobenen Akteur werden zu lassen und seine Wirtschaftskraft im globalen Wettbewerb zu stärken. Das Programm „Digitales Europa“ verfolgt das Ziel, einen einheitlichen digitalen Binnenmarkt zu ermöglichen und den digitalen Wandel für alle Bürgerinnen und Bürger Europas positiv zu gestalten. Dieses Programm hat das Potenzial zum wirksamen Erfolg; aber nur dann, wenn die bisher unbekannten Details des Programms richtig aufgesetzt werden.

1.2.

Forschende gehören zu den Treibern für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Kompetenzen und Fähigkeiten sind Voraussetzung für ein hohes Niveau der Forschung sowie für die praktische Umsetzung des Programms. Sie gehören somit zu den Erfolgsfaktoren für das Programm. Der EWSA sieht, dass das Programm der Förderung von Forschung und Entwicklung deshalb einen hohen Stellenwert einräumt.

1.3.

Damit die Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung im Dienste aller Bürger der Europäischen Union (EU) stehen und verbreitet werden, möchte der EWSA den Dialog zwischen Forschung, Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen intensivieren. Komplexe Sachverhalte müssen so dargestellt werden, dass sie von Nichtfachleuten verstanden und nachvollzogen werden können. Der EWSA schlägt weiterhin vor, das Programm mit den Prinzipien der Forschungsförderung durch Horizont 2020 (Horizont Europa) zu verknüpfen, welche u. a. auf der Einhaltung der Europäischen Charta für Forschende und den Grundsätzen „Responsible Research and Innovation“ sowie „Open Science“ basieren.

1.4.

Der EWSA sieht es positiv, dass die Förderung digitaler Kompetenzen zu einem Kernstück des Programms erhoben wurde. Digitale Kompetenzen und Fähigkeiten sind die Voraussetzung dafür, die anderen vier Schwerpunkte erfüllen zu können. Es ist bedauerlich, dass das Budget für diesen Schwerpunkt kleiner ist als das Budget der anderen Schwerpunkte. Der EWSA unterstützt daher den Vorschlag des Europäischen Parlaments, das Budget von 700 Mio. EUR (7,6 % des gesamten Budgets) auf 830 Mio. EUR (9 % des gesamten Budgets) zu erhöhen. Er betont aber auch, dass in Fragen der Ausbildung insbesondere die Mitgliedstaaten mit ihren nationalen Budgets in der Verantwortung sind. Der EWSA sieht, dass die Budgets für digitale Qualifizierung in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. Er appelliert daher an die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten auf ihre eigene große Verantwortung in diesem Bereich hinzuweisen, damit alle Menschen gleichmäßig von der Digitalisierung profitieren können.

1.5.

Der EWSA sieht die Notwendigkeit, hoch qualifizierte Talente auszubilden und anzuwerben, um die Attraktivität Europas als Arbeitsplatz für diese Gruppe im weltweiten Wettbewerb zu verbessern. Der EWSA betont aber auch, dass der Fokus im Programm nicht allein auf besonderen Anstrengungen für die Gewinnung hoch qualifizierter und digital fortgeschrittener Fähigkeiten und Kapazitäten liegen darf. Unternehmen, Arbeitnehmer sowie Verbraucher sollten umfassend bei Einführung und Anwendung sowohl grundlegender als auch fortgeschrittener digitaler Techniken gefördert werden. Das ist für die Quantität und Qualität der Arbeitsplätze und für die Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidend. Der EWSA stellt fest, dass heute noch immer viele Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Bürgerinnen und Bürger nicht über grundlegende technische Ausstattungen und Fähigkeiten verfügen. Der EWSA verweist in diesem Zusammenhang auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19. Oktober 2017, wonach Investitionen in digitale Kompetenzen zum Ziel haben sollen, dass „alle europäischen Bürgerinnen und Bürger die erforderlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten erhalten“ (1).

1.6.

Das Programm „Digitales Europa“ wird dann in diesem Feld erfolgreich sein, wenn es als „Kopf“ fungiert und andere EU-Förderprogramme mit ähnlicher Zielsetzung im Blick behält. Mittel, z. B. aus dem ESF+, müssen in die Finanzierung notwendiger Maßnahmen einbezogen werden.

1.7.

Der EWSA wünscht, dass bei der Umsetzung der digitalen Innovationszentren Sozialpartner sowie die Zivilgesellschaft standardmäßig eingebunden werden. Sie sollen Zugang zu den digitalen Innovationszentren erhalten. Als nichtstaatliche Organisationen können sie das Wirken der Innovationszentren besser sichtbar machen und ihre Akzeptanz verbessern.

Der EWSA möchte von vornherein eine mögliche soziale Schieflage bei der Umsetzung des Programms vermeiden. Da die Digitalisierung jegliche Lebensbereiche und Menschen betrifft, ist es von größter Notwendigkeit, dass alle Bürgerinnen und Bürger in der EU davon profitieren können. Der EWSA legt deshalb Wert darauf, das Programm so auszugestalten, dass die Vorteile und Chancen des digitalen Europas der gesamten europäischen Gesellschaft zur Teilhabe offenstehen. Digitalisierung in Europa muss inklusiv gestaltet werden. Menschen dürfen aufgrund von Faktoren wie Geschlecht, sozialer Status, geringerer Bildungsstand, Qualifikationen, digitale Fähigkeiten, Herkunft, Alter oder auch Behinderungen nicht vom digitalen Fortschritt ausgeschlossen sein. Die entstehende „digitale Rendite“ muss durch entsprechende politische Maßnahmen fair verteilt werden. Sie darf nicht nur einigen wenigen Interessengruppen Vorteile verschaffen. Maßnahmen zur Umsetzung des Programms müssen den Grundsatz in der EU berücksichtigen, dass der einzelne Mensch Eigentümer über seine Daten ist und bleibt.

1.8.

Der EWSA möchte das Programm stärker an die gesellschaftlichen Realitäten binden. Die arbeitsmarktpolitischen Effekte sowie unterschiedliche Auswirkungen der Digitalisierung auf Regionen müssen berücksichtigt werden. Er sieht es deshalb als ein wesentliches Kriterium für den Erfolg des Programms, dass die Digitalisierung zu wirtschaftlicher Teilhabe und Arbeitsplätzen führt und dies in allen Regionen Europas geschieht.

1.9.

Der EWSA möchte, dass die EU als ein Akteur in der Welt gesehen werden kann, der Wissen vermittelt und im internationalen Wettbewerb mit China und den USA mithalten kann. Dazu gehört ebenso, dass Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Technologie vertrauen. Das Programm „Digitales Europa“ kann besonders dort einen Mehrwert schaffen, wo einzelne Staaten alleine nicht viel ausrichten können. Das gilt besonders für den Schwerpunkt Cyberkriminalität mit der gemeinsamen Entwicklung von Methoden und Strategien gegen Cyberangriffe von außerhalb Europas. Dazu gehört z. B. der Aufbau einer unabhängigen europäischen Mikrochip-Industrie.

1.10.

Der EWSA befürwortet, dass alles Handeln im Rahmen des Programms ethischen Grundsätzen folgt. Dazu erinnert der EWSA an seine Forderung, das Prinzip „human in command“ durchzusetzen, insbesondere bei der weiteren Entwicklung und Anwendung der KI in der Arbeitswelt. Basierend auf solchen ethischen Grundsätzen sind weitere gesetzgeberische Maßnahmen (z. B. zu Haftungsfragen, Datenschutz, Arbeitnehmerschutz, Verbraucherschutz) unabdingbar. Letztendlich wird die weitere Digitalisierung unserer Gesellschaft nur erfolgreich sein, wenn neben Gesetzen kulturelle Entwicklungen in Gang gesetzt werden, die für Nutzen und Risiken digitaler Entwicklungen sensibilisieren.

2.   Hintergrund — Das Programm „Digitales Europa“

2.1.

Am 2. Mai 2018 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen für 2021-2027 angenommen. Im Rahmen dieses Finanzrahmens brachte die Europäische Kommission am 6. Juni 2018 die Verordnung über das Programm „Digitales Europa“ für den Zeitraum zwischen 2021 und 2027 hervor.

2.2.

Mit dem Programm „Digitales Europa“ will die Europäische Kommission der Strategie des digitalen Binnenmarkts einen soliden Finanzrahmen zur Seite stellen und die Investitionslücke schließen. Dafür hat sie einen Gesamthaushalt von 9,2 Mrd. EUR geschaffen. Das allgemeine Ziel des Programms besteht darin, den digitalen Wandel der Industrie zu unterstützen. Die Vorteile des digitalen Wandels sollen erhöht werden, und alle europäischen Bürger, öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen in der EU sollen davon profitieren.

2.3.

Das Programm „Digitales Europa“ umfasst fünf Schwerpunktbereiche: (1) Hochleistungsrechnen, (2) Künstliche Intelligenz, (3) Cybersicherheit und Vertrauen, (4) Fortgeschrittene digitale Kompetenzen sowie (5) Gewährleistung der breiten Nutzung der digitalen Technik in der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus befasst es sich mit der Digitalisierung der Industrie.

2.4.

Im ersten Schwerpunkt „Hochleistungsrechnen“ sollen mithilfe von sogenannten „Supercomputern“ Kapazitäten geschaffen werden, um die stetig wachsenden Datenmengen besser verarbeiten zu können. Mit 2,7 Mrd. EUR soll das Programm die Kapazitäten der EU im Hochleistungsrechnen und in der Datenverarbeitung stärken und für deren umfassende Nutzung bei der Bewältigung des Klimawandels, der Verbesserung der Gesundheitsfürsorge und der Sicherheit sorgen.

2.5.

Die eingeplanten 2,5 Mrd. EUR im Schwerpunkt der künstlichen Intelligenz (KI) will die Europäische Kommission einsetzen, um die Kapazitäten in der EU in diesem Bereich aufzubauen sowie zu stärken. Dazu gehört es, den Aufbau, sicheren Zugang sowie die Speicherung von großen Datensätzen und Algorithmen zu ermöglichen. Außerdem sollen bestehende Erprobungs- und Versuchseinrichtungen für KI in den Mitgliedstaaten gestärkt und die Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen gefördert werden. Die technologischen Fortschritte sollen durch Unternehmen und öffentliche Institutionen verwendet werden.

2.6.

Im Schwerpunkt „Cybersicherheit und Vertrauen“ soll mit 2 Mrd. EUR sichergestellt werden, dass die Union über die technologischen und industriellen Kapazitäten zur Sicherung ihrer Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie verfügt. Die Investitionen dienen unter anderem dazu, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten fortgeschrittene Cybersicherheitsausrüstung und -werkzeuge zu beschaffen, die Einführung der jüngsten Cybersicherheitslösungen in allen Bereichen der Wirtschaft zu gewährleisten, die bestehenden europäischen Kenntnisse optimal zu nutzen sowie die Kapazitäten in den Mitgliedstaaten und in der Privatwirtschaft in diesem Bereich zu stärken.

2.7.

Um von den Investitionen in die digitale Technik zu profitieren, bedarf es einer befähigten Gesellschaft und Arbeitskräfte. Mit 700 Mio. EUR will die Europäische Kommission im vierten Schwerpunkt fortgeschrittene digitale Kompetenzen fördern, insbesondere im Bereich Hochleistungsrechnen, künstliche Intelligenz, „distributed ledger“ (z. B. Blockchain) sowie Cybersicherheit. Es sollen langfristiger Schulungen und Kurse für Studierende, IT-Fachleute und Arbeitskräfte konzipiert und durchgeführt werden. Ebenso steht an, kurzfristige Schulungen und Kurse sowie die Ausbildung am Arbeitsplatz zu fördern. Die Vermittlung der Fähigkeiten soll insbesondere in digitalen Innovationszentren durchgeführt werden.

2.8.

Die öffentliche Verwaltung und die Bereitstellung von Dienstleistungen in Bereichen von öffentlichem Interesse sollen durch den fünften Handlungsschwerpunkt gefördert werden. Mit 1,3 Mrd. EUR soll z. B. sichergestellt werden, dass im öffentlichen Sektor und in Bereichen wie Gesundheit und Pflege, Bildung, Verkehr sowie der Kultur- und Kreativbranche moderne digitale Technologien eingeführt und genutzt werden können. Des Weiteren sollen öffentliche Verwaltungen sowie die Industrie, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), bei der Einführung der digitalen Technik unterstützt werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die Digitalisierung und die Transformationen in der Arbeits- und Lebenswelt, welche die technologischen Fortschritte mit sich bringen, sind allgegenwärtig. Kaum ein Lebensbereich wird davon nicht bereits aktuell erreicht.

3.2.

Der EWSA begrüßt die Auflegung des Programms „Digitales Europa“ durch die Europäische Kommission, da es zeigt, welche Wichtigkeit die Europäische Kommission dem Thema widmet. Durch diese Prioritätensetzung kann ein klarer EU-Mehrwert durch Förderung moderner Spitzentechnologie erzielt werden, die zur Bewältigung der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit beitragen und sich positiv auf Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit und die allgemeinen Lebensbedingungen aller Bürger auswirken kann. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Europäische Kommission in der Mitteilung zum mehrjährigen Finanzplan (2) das Szenario vorlegt, die Investitionen ins Digitale zu verdoppeln. Der EWSA unterstreicht auch die Notwendigkeit sozialer Investitionen im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel, damit die gesamte Gesellschaft von der digitalen Transformation profitiert. Es wird unterstrichen, dass der Mensch immer die Kontrolle über die Maschine („human in command“) besitzen muss — insbesondere im Bereich der KI.

3.3.

Der EWSA freut sich, dass die Europäische Kommission mit dem Programm „Digitales Europa“ die Einführung und optimale Nutzung der digitalen Kapazitäten fördert. Der EWSA stimmt mit der Europäischen Kommission überein, dass die digitalen Kapazitäten die Grundlage für Innovation in Bereichen von allgemeinem Interesse und in der Wirtschaft bilden. Es ist für die positive digitale Transition der EU unerlässlich, über die führende digitale Technik sowie die adäquaten Fähigkeiten zu verfügen. Der EWSA erachtet das vorgesehene Budget als beachtlich, aber nicht vergleichbar mit jenen der Wettbewerber USA und China. Er ist indes überzeugt, dass mit diesem Budget die vorgesehenen Ziele erreicht werden können, mahnt aber an, dass auch eine erhebliche Aufstockung der Investitionen in den EU-Mitgliedstaaten erforderlich ist, um Europa auf Weltklasseniveau zu halten.

3.4.

Dem EWSA ist es wichtig, dass alles getan werden muss, damit die gesamte europäische Gesellschaft an der technischen Entwicklung teilhaben kann. Das Programm „Digitales Europa“ sollte sich zum Ziel setzen, die digitale Rendite, welche sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in verschiedenen Bereichen ergeben wird, fair auf die gesamte europäische Bevölkerung zu verteilen, wie z. B. dem Eigentum von Daten. Da die Digitalisierung jegliche Lebensbereiche und Menschen betrifft, ist es von größter Notwendigkeit, dass alle davon profitieren. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile der Digitalisierung können nur dann umfassend zum Tragen kommen, wenn Europa in den städtischen und ländlichen Gebieten und gesellschaftsweit Netze mit hoher Kapazität bereitstellen kann. Dazu sind öffentliche Investitionen erforderlich, da der Markt allein nicht für die Anbindung aller abgelegenen Gebiete sorgen und ein Mindestmaß an digitalem Zugang für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft sicherstellen wird.

3.5.

Dem EWSA ist es wichtig, dass eine gebündelte und koordinierte Vorgehensweise in der EU einen Mehrwert schaffen kann, der von einzelnen Staaten alleine nicht zu leisten wäre. Dazu gehört insbesondere der Aufbau einer unabhängigen europäischen Mikrochip-Industrie über das Förderprogramm für Hochleistungsrechnen (3), die gemeinsame Entwicklung von Methoden und Strategien gegen Cyberangriffe von außen (4), die Schaffung von Normen für den digitalen Binnenmarkt, eine konsequente Anwendung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung und deren Weiterentwicklung insbesondere für Anwendungen der KI (5) und des autonomen Fahrens (6). Die Anwendung europäischer Werte (Datenschutz, Schutz der Privatsphäre, Sozialschutz, Nachhaltigkeit) in der Entwicklung von KI könnte eines Tages zum Wettbewerbsvorteil werden, nämlich dann, wenn die Menschen zunehmend sensibilisiert sind bezüglich der Methoden der Datennutzung durch Dritte (USA) und dem Überwachungspotenzial von KI-Systemen (China).

3.6.

Der EWSA sieht es als positiv an, dass im Programm „Digitales Europa“ an mehreren Stellen die Digitalisierung der Industrie in den Vordergrund gerückt wurde. Es besteht keine Frage, dass der digitale Wandel nur gelingen kann, wenn alle Unternehmen und ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon profitieren. Es wäre daher wünschenswert, wenn dieser Aspekt noch kohärenter in das Programm eingeflossen wäre, sodass die Fortschritte, z. B. auch über Indikatoren der Digitalisierung verschiedener Unternehmensgrößen, erkennbar sind.

3.7.

Um die technischen und digitalen Kapazitäten zu stärken, wird ein großer Teil des Budgets in Forschungsprojekte und Innovationsprogramme fließen. Der EWSA betont die Notwendigkeit der engen Kopplung der Förderung an die Prinzipien der Forschungsförderung durch Horizont 2020 (Horizont Europa), welche auf der Einhaltung der Europäischen Charta für Forschende (7), sowie den Grundsätzen „Responsible Research and Innovation“ (8) und „Open Science“ (9) basieren. Nur durch die Anbindung an diese Grundsätze ist gesichert, dass die Forschung in den Dienst der Menschheit gestellt wird. Die Ergebnisse sollen der Forschung für Nichtfachleute verständlich gemacht, verbreitet sowie verwertet werden. Kurzum, die Forschung soll für die Gesellschaft relevant sein.

3.8.

Um die Relevanz der Forschung für die gesamte europäische Gesellschaft zu gewährleisten, sollten regelmäßige Dialogveranstaltungen stattfinden. In diesen können sich die Forscher untereinander, aber auch mit der weiteren Gesellschaft austauschen und gegenseitige Impulse setzen.

3.9.

Es ist in diesem Sinne erfreulich, dass es ein Ziel des Programms ist, die öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen an der Entwicklung teilhaben zu lassen. Der EWSA befürwortet den Austausch zwischen den unterschiedlichen Akteuren. Der EWSA ermutigt die Europäische Kommission, diesen Austausch über alle Regionen, Sektoren und Unternehmensgrößen durchzuführen. Die Aufnahme von fortgeschrittenen Technologien für Unternehmen und insbesondere KMU kann durch Partnerschaften und ein gutes Umfeld der Industrie erleichtert werden. Darüber hinaus wünscht der EWSA die Einhaltung des Partnerschaftsprinzips und die Beteiligung der Sozialpartner sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen an der Durchführung des Programms „Digitales Europa“. Der soziale Dialog zwischen den Sozialpartnern unterstützt die Umsetzung des Programms „Digitales Europa“ für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

3.10.

Der EWSA sieht die Notwendigkeit, hoch qualifizierte Talente auszubilden und anzuwerben, um die Attraktivität Europas als Arbeitsplatz für diese Gruppe im weltweiten Wettbewerb zu verbessern. Der EWSA betont aber auch, dass das Programm „Digitales Europa“ sich nicht allein auf die hochqualifizierten und digital fortgeschrittenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fokussieren darf. Gerade weil das Programm „Digitales Europa“ das Ziel verfolgt, den digitalen Binnenmarkt zu ermöglichen und die digitale Transition positiv zu gestalten, gilt es, alle Bürger und Bürgerinnen sowie alle Arbeitskräfte in der EU von diesem starken Förderprogramm profitieren zu lassen. Wenn dies nicht gelingt, besteht die Gefahr, die soziale Schere in Europa weiter zu öffnen. Wie der EWSA in anderen Stellungnahmen darlegte, ist das oberste Gebot zur Erreichung des digitalen Binnenmarkts die Schließung der Qualifikationslücke, auch im Bereich der digitalen Kompetenzen (10). Die Europäische Kommission verweist in ihrem Programm auf Förderprogramme wie ESF+ oder EFRE, um grundlegende digitale Kenntnisse zu vermitteln. Da die Strukturen dieser Programme eine flächendeckende Förderung in Europa nicht ermöglichen, sollte jedoch das Programm „Digitales Europa“ ebenso unterschiedliche Qualifikationsniveaus abdecken. Wenn die notwendigen Mittel in diesem Programm nicht dafür ausreichen sollten, Vorteile der Digitalisierung für alle Menschen zu garantieren, müssen diese Forderungen an die anderen Programme, wie den ESF+ gestellt werden. Das Programm „Digitales Europa“ sollte als Kopf zu dem Thema fungieren und die anderen Programme im Blick halten, sodass die Ziele erreicht werden können. Ansonsten könnte am Ende von den verschiedenen EU-Förderprogrammen nur eine Minderheit profitieren.

3.11.

In diesem Zusammenhang unterstreicht der EWSA das Ziel, eine inklusive Gesellschaft anzustreben, in der die Gleichstellung aller gefördert wird. Menschen dürfen aufgrund von Faktoren wie Geschlecht, sozialer Status, Bildung, Qualifikationen, digitale Fähigkeiten, Herkunft, Alter oder auch Behinderungen nicht im digitalen Wandel benachteiligt werden.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA unterstützt das Ziel der Europäischen Kommission, einen erleichterten Zugang zu digitalen Kapazitäten und Technologien bei Unternehmen, insbesondere KMU, zu fördern. Allerdings übersieht die Fokussierung des Programms auf fortgeschrittene Technologien, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unternehmen heute erst einmal Unterstützung bei der Grundausstattung der Digitalisierung benötigen. Der EWSA betont, dass eine umfassende Förderung von Unternehmen zur Einführung sowohl grundlegender als auch fortgeschrittener digitaler Techniken für Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze in Europa entscheidend ist. Der EWSA ermutigt dazu, den sozialen Dialog zwischen den Sozialpartnern auch im Bereich der Investitionen aus dem Programm zu suchen.

4.2.

Der EWSA begrüßt den spezifischen Schwerpunkt Cybersicherheit und Vertrauen im Programm. Cybersicherheit ist ebenso relevant für die Entwicklung wie für das Funktionieren unserer Demokratien. Das Vertrauen von Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Cybersicherheit ist kritisch für den Erfolg des Programms.

4.3.

Das Programm sollte möglichst stark an die gesellschaftlichen Realitäten gebunden werden. Die arbeitsmarktpolitischen Effekte sowie die unterschiedlichen Auswirkungen der Digitalisierung auf die verschiedenen Regionen sollten berücksichtigt werden. Der EWSA sieht es daher als wichtig an, bei der Umsetzung des Programms die Chancen für wirtschaftliche Teilhabe und Arbeitsplätze, welche aus der Digitalisierung entstehen, herauszuarbeiten. Ferner ist es von äußerster Wichtigkeit, diese Chancen in den Regionen Europas zu fördern. Dafür bietet sich die geplante Zusammenarbeit mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Kohäsionsfonds an. Ein Austausch zwischen dem Programm „Digitales Europa“, dem EFRE und dem Kohäsionsfonds sollte regelmäßig stattfinden. Darüber hinaus sollten die Innovationszentren, welche vor Ort in den Regionen etabliert werden, das Ziel der regionalen Entwicklung verfolgen.

4.4.

Der vierte Schwerpunkt („Fortgeschrittene digitale Kompetenzen“) sowie die Digitalisierung der Industrie sollen insbesondere durch Innovationszentren umgesetzt werden. Sie werden als Zugangspunkte zu den neuesten digitalen Kapazitäten dienen. Der EWSA bemerkt freudig, wie weit die Umsetzung des Programms durchdacht ist. Das Ziel, mindestens ein digitales Innovationszentrum pro Mitgliedstaat zu bilden und den Mitgliedstaaten in äußerster Randlage der EU weitere Stellen anzubieten, befürwortet der EWSA. Es wird eine Zusammenarbeit zwischen den Innovationszentren befürwortet. Kritisch sieht der EWSA den starken administrativen Aufwand, welcher mit dem Aufbau der Innovationszentren einhergeht. Grenzübergreifende Konsortien könnten dabei behilflich sein. Des Weiteren sollte die Einbindung von Sozialpartnern sowie der Zivilgesellschaft Voraussetzung bei den digitalen Innovationszentren werden. Mit dieser Einbindung kann die Arbeit der Zentren an die Bedürfnisse der lokalen Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie weitere Nutzer der Technologien angepasst und der Nutzen für breite Teile der Bevölkerung zugänglich gemacht werden.

4.5.

Der Schwerpunkt zur Förderung fortgeschrittener digitaler Kompetenzen ist ein Kernstück, um die anderen vier Schwerpunkte erfüllen zu können. Es ist daher bedauerlich, dass das Budget für diesen Schwerpunkt kleiner ist als das Budget der anderen Schwerpunkte. Der EWSA unterstützt daher den Vorschlag des Europäischen Parlaments, das Budget von 700 Mio. EUR (7,6 % des gesamten Budgets) auf 830 Mio. EUR (9 % des gesamten Budgets) zu erhöhen (11). Der EWSA betont aber auch, dass in Fragen der Ausbildung insbesondere die Mitgliedstaaten mit ihren nationalen Budgets in der Verantwortung sind. Der EWSA hat aber Zweifel daran, ob die Europäische Kommission in der Lage sein wird, alle notwendigen Mittel einzusetzen, um die Mitgliedstaaten für die Dringlichkeit der digitalen Bildung aller Bevölkerungsgruppen ab der Grundschule zu sensibilisieren. Budgets für diese Aufgabe variieren stark zwischen den Mitgliedstaaten. Damit niemand von den Weiterbildungsprogrammen aufgrund zu geringer nationaler Budgets ausgeschlossen werden, sollte die EU die Umsetzung dieses Schwerpunkts genau beobachten und ihre Schlüsse daraus öffentlich kommunizieren.

4.6.

Der EWSA stellt ebenso wie das Europäische Parlament (12) fest, dass alle Handlungen im Rahmen des Programms unter ethischen Grundsätzen erfolgen sollen. Insbesondere für die Arbeit im Bereich der künstlichen Intelligenz gilt es, die aktuell geschaffenen und noch zu entwickelnden Grundsätze (13) zu befolgen. Dazu erinnert der EWSA an seine Forderung betreffend das Prinzip „human in command“, welches als eine wesentliche Richtschnur für zukünftige Entwicklungen gelten soll. Basierend auf solchen ethischen Grundsätzen sind weitere gesetzgeberische Maßnahmen (z. B. zu Haftungsfragen, Datenschutz, Verbraucherschutz) unabdingbar. Letztendlich wird die weitere Digitalisierung unserer Gesellschaft nur erfolgreich sein, wenn sich neben Gesetzen auch eine entsprechende kulturelle Entwicklung zur Sensibilisierung bezüglich Nutzen und Risiken gefördert wird.

4.7.

Der EWSA wünscht sich, dass im Handlungsschwerpunkt „Künstliche Intelligenz“ — neben der Stärkung der Kapazitäten und der Zugänglichmachung ebendieser — die Frage der rechtlichen Haftung bei der Verwendung von künstlicher Intelligenz und automatisierter Systeme in den Mittelpunkt gerückt wird. Es ist positiv zu sehen, dass Datenbanken auch KMU frei zugänglich gemacht werden sollen. Auch der öffentliche Sektor sollte Zugang erhalten. Darüber hinaus müssen Unternehmen auf diese Arbeit vorbereitet werden, und es bedarf einer klaren rechtlichen Leitlinie, wer bei Unfällen oder Ähnlichem haftet. Der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Bürgerinnen und Bürger hat die gleiche Bedeutung wie die Generierung wirtschaftlichen Wachstums.

Brüssel, den 17. Oktober 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  EUCO 14/17 — Tagung des Europäischen Rates (19. Oktober 2017) — Schlussfolgerungen.

(2)  COM(2018) 98 final.

(3)  ABl. C 283 vom 10.8.2018, S. 89.

(4)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 86.

(5)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 1, INT/851 — „Künstliche Intelligenz für Europa“ (ABL. C 440 vom 6.12.2018, S. 51) und TEN/664 — „Initiative zu den Herausforderungen für Online-Plattformen in Bezug auf die Verbreitung von Desinformation“ (Abl. C 440 vom 6.12.2018, S. 183).

(6)  TEN/673 — „Vernetzte und automatisierte Mobilität“ (siehe Seite 274 dieses Amtsblatts) und INT/846 — „Vertrauen, Privatsphäre und Sicherheit für Verbraucher und Unternehmen im Internet der Dinge“ (ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 8).

(7)  https://euraxess.ec.europa.eu/jobs/charter.

(8)  https://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/en/h2020-section/science-and-society.

(9)  https://ec.europa.eu/research/openscience/.

(10)  ABl. C 71 vom 24.2.2016, S. 65.

(11)  Entwurf einer Stellungnahme — 2018/0227 (COD).

(12)  Entwurf eines Berichts — 2018/0227 (COD).

(13)  https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/high-level-expert-group-artificial-intelligence.


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