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Document 52018AE1695

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ (COM(2018) 97 final)

    EESC 2018/01695

    ABl. C 62 vom 15.2.2019, p. 73–82 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.2.2019   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 62/73


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“

    (COM(2018) 97 final)

    (2019/C 62/12)

    Berichterstatter:

    Carlos TRIAS PINTÓ

    Befassung

    Europäische Kommission, 10/04/2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

     

     

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

    Annahme in der Fachgruppe

    07/09/2018

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    17/10/2018

    Plenartagung Nr.

    538

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    164/6/5

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Im Hinblick auf die wesentlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Kapitalmarktunion und auf eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Eurozone ist ein solides, langfristig angelegtes System zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums der wichtigste Faktor für die Wiederherstellung des Vertrauens in die Märkte und für die Lenkung von Sparvermögen in nachhaltige Investitionen. Dadurch werden zusätzliche Finanzierungsquellen für KMU geschaffen und Vorhaben für grüne und soziale Infrastruktur gefördert.

    1.2.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Aktionsplan der Kommission und stimmt zu, dass „Europa […][weltweit] das bevorzugte Ziel für nachhaltige Investitionen […] werden [kann]“ (1). Seiner Ansicht nach ist es wichtig, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU zu gewährleisten. Im weiteren Sinne geht es dabei um die Förderung dauerhaften, inklusiven und nachhaltigen Wirtschaftswachstums, produktiver Vollbeschäftigung und menschenwürdiger Arbeit für alle (Nachhaltigkeitsziel 8).

    1.3.

    Diese Herausforderungen sollten harmonisch durch eine gemeinsame Anstrengung aller, darunter auch der Akteure im Finanzsektor, der Unternehmen, der Bürger und der Behörden, angegangen werden. Zudem ist die Umstellung auf ein Modell des nachhaltigen Wachstums ein komplexes Unterfangen und ohne Zweifel ein schrittweiser Prozess, in dem sektorspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden müssen.

    1.4.

    Vorrang haben sollten eine ganzheitliche Vision, Zusammenarbeit und die weitere Integration zwischen den Mitgliedstaaten. Es ist von größter Bedeutung, dass die gesamte EU in diesem Bereich mit einer Stimme spricht und denselben Ansatz verfolgt. Dies wird nicht nur dazu beitragen, die gesetzten Ziele zu erreichen, sondern auch Fortschritte in anderen wichtigen Bereichen wie der Energieunion, der Bankenunion, der Kapitalmarktunion und der Digitalen Agenda ermöglichen.

    1.5.

    Nachhaltige Wirtschaftsmodelle brauchen ein anderes Finanzierungssystem, in dem Banken unterschiedlicher Größe und mit verschiedenen Geschäftsmodellen und weitere Finanzakteure gleichberechtigt koexistieren. Zu diesem Zweck müssen die einschlägigen Rechtsvorschriften ergänzt und hinsichtlich ihrer Kohärenz und ordnungsgemäßen Anwendung im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbessert werden.

    Nach Ansicht des EWSA muss die Umlenkung der Finanzströme in eine nachhaltigere Wirtschaft Hand in Hand gehen mit finanzieller Inklusion und sozialem Zusammenhalt in einem Europa, in dem niemand zurückgelassen wird. Denn die wachsenden Einkommensunterschiede in der Bevölkerung können ein Hemmnis für nachhaltiges Wachstum sein, weshalb die Unternehmen und Behörden durch eine entsprechende Politik diese Situation wieder in ein Gleichgewicht bringen müssen.

    1.6.

    Es muss ein angemessenes Maß an Kohärenz zwischen den bestehenden finanziellen Rahmenbedingungen auf globaler Ebene gewährleistet werden, wobei die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen als gemeinsamer Bezugsrahmen heranzuziehen sind und die nachhaltige Taxonomie mit diesen Zielen abzugleichen ist (2). Die im Aktionsplan vorgeschlagene überarbeitete Taxonomie der EU sollte weltweit gefördert und in allen Mitgliedstaaten einheitlich und zeitgleich in das EU-Recht aufgenommen und regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.

    1.7.

    Alles in allem unterstützt der EWSA den Plan der Kommission zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums, der die Nachhaltigkeit der gesamten Wertschöpfungskette erhöhen sollte, mit Nachdruck, möchte jedoch eine Reihe von Anmerkungen zu den im Plan vorgesehenen Maßnahmen und zur Umsetzung vorbringen:

    I.

    Ein ganzheitlicher Ansatz unter Verwendung des Lebenszykluskonzepts zur Aufnahme finanzieller Solidität (3) in den Investitionsprozess bedarf nachhaltiger Investitionen und verantwortungsvoller Kreditvergabe: beide Faktoren hängen untrennbar miteinander zusammen und müssen gemeinsam betrachtet werden, sonst würde die Vollendung der Finanzunion (Banken- und Kapitalmarktunion) beeinträchtigt

    II.

    Die Taxonomie muss dynamisch gestaltet sein und schrittweise auf der Grundlage einer klaren Festlegung der ESG-Kriterien für nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeiten aufgebaut werden. Dabei sollte zunächst mit der Konfiguration der Umweltfaktoren (das „E“ in ESG) begonnen werden, allerdings mit Garantien in den Bereichen Soziales und Unternehmensführung.

    III.

    Die zehn Maßnahmen weisen eine große interne Kohärenz auf und stehen miteinander in Wechselwirkung. Daher bedarf es einer guten Abstimmung zwischen der Konfiguration der neuen Taxonomie (Maßnahme 1), deren Berücksichtigung durch die Ratingagenturen (Maßnahme 6), bei der Entwicklung von Systemen für die Bewertung („scorings“) auf der Grundlage zuverlässiger Informationen des Unternehmens (Maßnahme 9), der Ergänzung der Kennzeichnungen (Maßnahme 2) und Nachhaltigkeitsbenchmarks (Maßnahme 5). Auf diese Weise verfügen die Akteure des Finanzsystems über eine zuverlässige Grundlage für die Einbeziehung der Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) bei ihren Investitionsentscheidungen (Maßnahme 7) auf der Grundlage der vorherigen Beratung und proaktiven Interaktion mit ihren Kunden (Maßnahme 4). Dies alles erfolgt unter dem Gesichtspunkt der treuhänderischen Pflicht zum Handeln im besten Interesse der Anleger und Begünstigten (die sich ableitet aus dem im Besitzstand der EU verankerten Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht).

    IV.

    Die Normung und gegebenenfalls anschließende Kennzeichnung der nachhaltigen Finanzprodukte könnten durch den neuen europäischen Rahmen für gedeckte Schuldverschreibungen (4) ergänzt werden und in die geplanten europaweiten nachhaltigen Produkte (angefangen beim Kapitel Altersversorgung) einfließen.

    V.

    Unbedingt erforderlich sind verschiedene gezielte Anreize zur Förderung nachhaltiger Investitionen, sofern ihre positiven externen Effekte nachgewiesen sind. Harmonisierte Methoden für die Ermittlung sogenannter Low-Carbon-Indizes sollten als Richtschnur für die Berechnung anderer Auswirkungen dienen. Im Sinne der Widerstandsfähigkeit und Stabilität des Finanzsektors sollte die Möglichkeit der Einführung eines Faktors zur Unterstützung umweltfreundlicher Lösungen (green supporting factor) untersucht werden, um dessen Umfang angemessen zu definieren. In diesem Bereich unterstützt der EWSA das Europäische Parlament bei der Förderung der Einbeziehung von Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen im Rahmen von Basel IV (5). Möglicherweise sollten andere Alternativen, die unmittelbar den Endkreditnehmern und Investoren zugutekommen, z. B. steuerliche Anreize, in Erwägung gezogen werden.

    VI.

    Die Offenlegung hochwertiger, möglichst weit harmonisierter, vollständigerer, aussagekräftiger und vergleichbarer nichtfinanzieller Information sollte weiterverfolgt werden, um externe Kontrollen zu erleichtern. Im Hinblick darauf sollte auch die Wirkung der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen (Richtlinie 95/2014/EU) bewertet werden. Zudem sollte parallel dazu die Entwicklung alternativer Bilanzierungsmethoden angegangen werden.

    VII.

    Die europäischen Aufsichtsbehörden und ihr gemeinsamer Ausschuss (Joint Committee) müssen sich auf fachlich spezialisierte Ressourcen stützen (es gibt viele Einrichtungen mit langjähriger Erfahrung mit SRI), um die technischen Normen für die delegierten Rechtsakte der Europäischen Kommission und die anschließende Überwachung der umfangreichen Umsetzung der Rechtsvorschriften zu entwickeln, wobei verhältnismäßige und wirksame Verfahren festzulegen und der häufig gemachte Fehler einer übermäßigen Technokratisierung zu vermeiden ist.

    VIII.

    Außerdem muss die Verwahrstelle einer Finanzanlage in der Lage sein, ihre Aufgabe der Überwachung der Tätigkeit des Anlageverwalters oder der Investmentgesellschaft wirksam wahrzunehmen, weshalb ihre Unabhängigkeit gewährleistet sein muss. Das macht insbesondere im Falle von Kapitalverflechtungen oder wechselseitigen Kapitalbeteiligungen (6) eine Strategie für den Umgang mit Interessenkonflikten erforderlich.

    IX.

    In Bezug auf den Kommissionsvorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 (7) hält der EWSA den vorliegenden Vorschlag für einen Schritt in die richtige Richtung, wenngleich für die Realisierung der ehrgeizigen Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mehr Ehrgeiz notwendig ist. Daher fordert der EWSA eine Aufstockung der EU-Ausgaben zur Verwirklichung der Klimaziele (8) um mindestens 30 %, ohne dass dies auf Kosten anderer Verpflichtungen geht. Der EWSA begrüßt die erhebliche prozentuale Steigerung der Mittel für Verpflichtungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz (+46 %). Es liegt jedoch klar auf der Hand, dass die vorgesehenen Haushaltsmittel für den Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung und die Bekämpfung des Klimawandels nach wie vor unzureichend sind.

    1.8.

    Studien (9) haben ergeben, dass Anleger sich wünschen, dass im Rahmen ihrer Investitionen klimapolitische, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Zur Förderung eines leichteren und sicheren Zugangs für Anleger sollten „vorbildliche europaweite nachhaltige Finanzprodukte“ geschaffen werden, beginnend mit einem gesamteuropäischen Markt für Altersvorsorgeprodukte. Die internationale Vermarktung dieser sicheren und nachhaltigen Produkte würde ausländische Investitionen nach Europa anziehen.

    1.9.

    Die Informationsarbeit über diese Maßnahmen ist außerordentlich wichtig, damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, was die EU für sie tut. Die Verantwortung muss gemeinsam von allen öffentlichen und privaten Akteuren getragen werden, und die Vermittlung von Finanzwissen (10) sollte verbindlich vorgeschrieben werden, um sicherzustellen, dass die Menschen dieses neue Konzept verstehen, und um sozial verantwortliche Anlageprodukte für Kleinanleger und zugleich die nachhaltige Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen zu fördern.

    1.10.

    Abschließend verweist der EWSA auf das Potenzial der künstlichen Intelligenz bei der Lenkung der Präferenzen der Endanleger hin zu den entsprechenden Investitionen. Angesichts der Erfahrungen mit dem Mehrwert des „ESG Machine Learning“ (bei dem SRI-Indikatoren, Nachhaltigkeits-Benchmarks usw. kombiniert werden), sollte die neue Taxonomie bei diesen neuen Initiativen erprobt werden. Außerdem sollten im Hinblick auf eine Ausweitung der Kreditvergabe der Banken und Investoren an bestimmte Sektoren oder Tätigkeiten, die ESG-Grundsätze berücksichtigen, auch Lösungen des maschinellen Lernens geprüft werden.

    1.11.

    Der EWSA fordert die beiden Gesetzgeber auf, die drei von der Kommission am 24. Mai 2018 vorgelegten Legislativvorschläge, die auf den Aktionsplan zurückgehen, zügig zu erörtern und anzunehmen.

    2.   Einleitung: Der Werdegang des neuen Szenarios

    2.1.

    Die beschleunigte Finanzialisierung oder finanzielle Durchdringung der Volkswirtschaften begann 1971, als die USA die Goldbindung des Dollars aufhob und Geld ein stärker treuhänderisches und immaterielles Gut und somit abhängig vom Vertrauen der Nutzer wurde. Bis in die achtziger Jahre entsprach die Geldmenge (M2) ähnlich wie das Volumen der Finanzderivate rund 50 % des weltweiten BIP.

    2.2.

    Nach einem Rückgang während der Krise wurde das frühere Niveau im Jahr 2015 erneut erreicht, wobei sich die finanziellen Vermögenswerte in Bezug auf M2 vervierfacht und die Derivate mehr als verzehnfacht hatten.

    2.3.

    Dieses Ungleichgewicht zwischen der Real- und der Finanzwirtschaft nimmt mit dem Aufkommen der Finanztechnologie und Versicherungstechnologie (FinTech und InsurTech) immer weiter zu, weshalb größere Bemühungen um eine solide Regulierung und Aufsicht zur Gewährleistung der Finanzstabilität nötig sind.

    2.4.

    Durch die Agenda 2030 der UN und ihre 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) sowie das Übereinkommen von Paris zur Anpassung an und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel sollen für Stabilität, Regenerierung und ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen inklusiven Gesellschaften und prosperierenden Volkswirtschaften sorgen.

    2.5.

    Im Einklang mit dem Geist der EU-Verträge und den entsprechenden Maßnahmen ist der Übergang zu einer emissionsarmen und ressourcenschonenden Wirtschaft sowie zu einer Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU sicherzustellen, aber auch um wirtschaftliche, soziale und ordnungspolitische Aspekte in ausgewogener Weise zusammenzuführen.

    2.6.

    Die Antwort Europas auf die Agenda 2030 muss mit den Verträgen im Einklang stehen und wieder eine langfristige Perspektive der Nachhaltigkeit bieten, in der Wirtschaftswachstum, sozialer Zusammenhalt und Umweltschutz Hand in Hand gehen und sich gegenseitig verstärken.

    2.7.

    Das Finanzwesen kann bei der Bewältigung der Herausforderungen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen, insbesondere in Bezug auf die Mobilisierung der erforderlichen Mittel für die Schließung einer jährlichen Investitionslücke von fast 180 Mrd. EUR, die gebraucht werden, um die Klima- und Energieziele der EU bis 2030 zu erreichen (11). In diesem Zusammenhang schließt sich der EWSA der Feststellung der hochrangigen Gruppe zur nachhaltigen Finanzierung an, die besagt, dass der Wandel der EU-Wirtschaft in der Realwirtschaft stattfinden muss, wobei eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren gefördert werden muss.

    2.8.

    Der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft wird mit digitalen Technologien und Innovationen einhergehen und sollte globale Werte schützen und fördern (12), wie der Generalsekretär der Vereinten Nationen feststellt. Die rechtlichen und operativen Risiken von Blockchain-Technologie, Kryptowährungen und Smart Contracts (intelligenten Verträgen) nehmen aufgrund der fehlenden Regulierung und Transparenz zu. Im Hinblick auf einen besseren Schutz der Verbraucher und Anleger sowie der Integrität der Märkte und zur Vermeidung schädlicher Praktiken (Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung) müssen Anreize für die Sicherheit und Transparenz der Innovationsnetze im Finanzbereich geschaffen werden (13).

    2.9.

    Die Projekte im Zusammenhang mit den Zielen der COP 21 (14) erfordern genügend langfristiges, finanzielles wie immaterielles Kapital mit entsprechendem Engagement (Humanressourcen, Technologie und andere Formen des Beziehungskapitals, einschließlich institutionellem Kapital).

    2.10.

    Es bedarf unbedingt einer Anpassung der öffentlichen Maßnahmen, der Stimulierung privater Akteure und einer Aufstockung der EU-Haushaltsmittel, wobei Transparenz und Langfristigkeit in der Wirtschaft zu fördern sind.

    2.11.

    Eine tragfähige Vision erfordert eine engere, umfassendere und ganzheitliche Verknüpfung mit spezifischen Politikbereichen wie der Energieunion, der Digitalen Agenda und der europäischen Säule sozialer Rechte, um — öffentliche wie private — soziale und ökologische Investitionen anzuregen.

    2.12.

    Diese Denkweise steht auch im Zentrum der geplanten Kapitalmarktunion der EU, und der EWSA teilt die Ansicht, dass privates Kapital, Mittel aus dem europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) und anderen EU-Fonds in effizienter Weise kombiniert werden sollten, um Investitionen in Unternehmen zu lenken, die positive externe Effekte auf sozialer und ökologische Ebene aufweisen.

    2.13.

    Es muss jetzt gehandelt werden. Europa ist in den letzten 28 Jahren der Vorreiter der Nachhaltigkeit gewesen, steht auf diesem Gebiet jedoch keineswegs mehr allein da.

    3.   Ein Finanzwesen im Dienste einer nachhaltigeren Welt

    3.1.

    Wir sind in zunehmendem Maße mit den dramatischen und unabsehbaren Folgen des Klimawandels und der Ressourcenverknappung konfrontiert. Diese Ereignisse verschärfen häufig die soziale Ausgrenzung oder Ungleichheit.

    3.2.

    Gemäß Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union ist die Union verpflichtet, auf eine nachhaltige Entwicklung mit einem hohen Maß an Umweltschutz hinzuwirken. Die Dringlichkeit des Klimawandels hat mittlerweile, auch für den EWSA, oberste Priorität, und sie bildet sowohl für die öffentlichen Behörden als auch für die Akteure der Wirtschaft, die Arbeitnehmer und die Bürgerinnen und Bürger einen übergeordneten Handlungsrahmen. Dementsprechend muss ein umfassender wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Wandel angestoßen und vor allem finanziert werden.

    3.3.

    Diese Herausforderungen sollten in harmonischer Weise durch gemeinsame Anstrengungen aller angegangen werden. Dem Finanzsektor kommt eine wichtige Rolle dabei zu, die Mittel, Ersparnisse und Investitionen der Bürger, Sparer und Investoren in die Wirtschaft zu leiten. Letztlich wird der eigentliche Wandel in der Wirtschaft stattfinden, und daher ist die Rolle der Unternehmen so wichtig und unabdingbar. Auch die Behörden müssen diesbezüglich ihren Verpflichtungen nachkommen.

    3.4.

    Europa wird nur dann eine starke Position einnehmen, wenn ein maximaler Konsens über den Plan erzielt wird. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Kräfte bündeln und an einem Strang ziehen. Individuelle Ansätze und Eigeninteressen sollten zurückstehen und einem gemeinsamen Projekt für die Zukunft Platz machen, das gleichzeitig auch die Zukunft der kommenden Generationen sichern sollte. Die Antwort Europas auf die Agenda 2030 muss eine langfristige Perspektive der Nachhaltigkeit und klare Ziele bieten, in denen Wirtschaftswachstum, sozialer Zusammenhalt und Umweltschutz Hand in Hand gehen und sich gegenseitig unterstützen.

    3.5.

    Ein langfristiger Ansatz für ein nachhaltiges Wachstum sollte durch eine Politik flankiert werden, die die negativen externen Effekte sowie nachhaltige und nicht nachhaltige Investitionsmöglichkeiten angemessen bewertet. Gleichzeitig sollte auch eine gute Berechenbarkeit einer besser in globale Wertschöpfungsketten integrierten Industriepolitik in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden. Dazu sollte anhand einer eingehenden Analyse ein von der Kommission und den Mitgliedstaaten unterstützter, geeigneter politischer Prozess entwickelt werden.

    3.6.

    Der EWSA betont, dass sich ein nachhaltiges Wachstum auf ökologische, wirtschaftliche, soziale und ordnungspolitische Aspekte im Rahmen eines ausgewogenen, globalen und umfassenden Ansatzes beziehen sollte, der im Einklang mit allen Nachhaltigkeitszielen und dem Pariser Klimaschutzübereinkommen steht und bei dem unverzichtbare bereichsübergreifende Mindestbedingungen festgelegt werden. Diese absolut geltende Mindestschwelle ist in internationalen Übereinkommen betreffend die Rechte besonders schutzbedürftiger Personen (etwa Frauen und Mädchen, Kinder, Flüchtlinge, Arbeitsmigranten, Menschen mit Behinderungen usw.) (15) niedergelegt und wird durch verantwortungsbewusstes Handeln im Steuerbereich durchgesetzt.

    3.7.

    Es gibt reichlich Belege dafür, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger mit ihren Ersparnissen und Investitionen gerne auch soziale und ökologische Ziele verfolgen würden. Sie müssen deshalb die Möglichkeiten für und den Zugang zu Fragen im Zusammenhang mit der nachhaltigen Finanzierung haben.

    3.8.

    Zu diesem Zweck muss sich das Finanzsystem letztlich mehr dahin bewegen, dass es für die Bürgerinnen und Bürger der EU transparent, sachorientiert und verständlich ist. Die Verbesserung des Zugangs zu Informationen über die Nachhaltigkeit und die Förderung der finanziellen Allgemeinbildung (ein tieferes Verständnis dafür, wie das Finanzwesen funktioniert) sind wesentliche Elemente.

    4.   Umlenkung der Kapitalflüsse in eine nachhaltigere Wirtschaft

    4.1.

    Durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) wurden seit seiner Einrichtung öffentliche und private Investitionen in strategisch wichtige EU-Projekte mobilisiert und gemäß der Projektliste der Europäischen Investitionsbank (EIB) verwaltet: Investitionen in umweltfreundliche Energie und Ressourceneffizienz, Wasserwirtschaft, digitale Branchen, Verkehr usw.

    4.2.

    Erforderlich ist jedoch eine stärkere Abdeckung anderer Branchen über den EFSI hinaus, insbesondere derjenigen im Bereich der sozialen Infrastruktur und der Institutionen, die das immaterielle Kapital von jungen Menschen, Frauen und anderen ausgegrenzten oder benachteiligten sozialen Gruppen zur Geltung bringen.

    4.3.

    Endogene Rücklagenbildung ist eine unverzichtbare Quelle soliden Wirtschaftswachstums, was sich durch die Finanzierung nachhaltiger Projekte von KMU durch lokale Banken äußern sollte.

    4.4.

    Nach Auffassung des EWSA sollte der EFSI aufgestockt werden, indem Fördermittel der Kreditanstalten und öffentlichen Banken der EU-Mitgliedstaaten einbezogen werden, die als Netz gemeinsam eine strategischere und inklusive langfristige Perspektive entwerfen könnten, die sich an einer gemeinsamen Definition des Begriffs „nachhaltig“ ausrichtet und in deren Rahmen ein Fahrplan zur Dekarbonisierung der Unternehmen entworfen wird.

    4.5.

    Gleichzeitig fordert der EWSA die Europäische Zentralbank (EZB) auf zu prüfen, ob ein grüner und sozialer Zinssatz eingeführt werden könnte, um auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Investitionen und Darlehen zu fördern; er stimmt überdies mit dem Europäischen Parlament darin überein, dass die Leitlinien der EZB für Ankaufprogramme ausdrücklich dem Übereinkommen von Paris und den ESG-Zielen Rechnung tragen sollten.

    4.6.   Ein einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige Tätigkeiten

    4.6.1.

    Die traditionellen Methoden für Berechnungen und die Durchführung von Folgenabschätzungen müssen überprüft werden. Es bedarf einer Neudefinierung zuverlässigerer quantitativer und qualitativer Indikatoren, die die vorrangigen wirtschaftlichen und ökologischen Werte mit denen der Gesellschaft und des Überlebens der Menschheit in Einklang bringt.

    4.6.2.

    Der EWSA stimmt der Kommission dahingehend zu, dass es dringend erforderlich ist, die erste Phase der Schaffung einer starken und gleichzeitig dynamischen „Nachhaltigkeitstaxonomie“ einzuläuten, um die Kohärenz des Marktes zu gewährleisten und klare Leitlinien zu der Frage festzulegen, was — gemäß einem ganzheitlichen Ansatz — ökologisch und sozial ist und einer guten Unternehmensführung entspricht.

    4.6.3.

    Rückgrat dieses Prozesses bildet eine Gruppe technischer Sachverständiger im Bereich des nachhaltigen Finanzwesens, die stets über hohe Qualifikationen und genaue Kenntnisse der strategischen Industriezweige verfügen muss, um eine solide und glaubwürdige grüne und soziale Taxonomie zu erstellen.

    4.6.4.

    Das Mandat der Gruppe sollte mit klaren Zielen in Bezug auf Inhalt und Zeitplan beginnen, wobei der erste Schritt darin bestünde, die neue Taxonomie mit anderen bestehenden internationalen Klassifikationen (gewerbliche Aktivität, Beruf, Studium usw.) zu vereinigen, um den Kriterien und Referenzen der UN stärker zu entsprechen.

    4.6.5.

    Die europäische Taxonomie sollte folgende drei Ebenen umfassen:

    eine Mindestnorm im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen für 2030, dem Klimaschutzübereinkommen von Paris und dem Grundsatz der Schadensvermeidung in Übereinstimmung mit der ESG-Risikoanalyse;

    eine mittlere Ebene, auf der Tätigkeiten bestimmt werden, die eine überprüfbar „positive Auswirkung“ haben, und zwar entsprechend der Definition der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI);

    eine Ebene mit Tätigkeiten, die im Einklang mit den Bedürfnissen verschiedener Interessenträger, die die Taxonomie als Referenz verwenden werden, einen positiven Wandel beschleunigen und Unterstützung für ökologische, wirtschaftliche und soziale Herausforderungen bieten können.

    4.6.6.

    Es müssen unbedingt verschiedene Arten des Nutzens von Investitionen klassifiziert werden, die bei der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors (Taxonomie) zugeordnet werden können. Zudem sollten positive Kriterien durch umweltschädliche Auswirkungen (16) ergänzt werden, damit die nicht nachhaltigen Finanzanlagen bestimmt werden können.

    4.6.7.

    Die neue Taxonomie sollte im Zusammenhang mit der Strategie und dem Investitionsplan der EU für einen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft stehen. Sie sollte Finanztätigkeiten zugunsten der Verringerung der CO2-Emissionen in den Kategorien des Emissionshandelssystems (EHS) der EU (17) und der Lastenteilungsverordnung (18) umfassen.

    4.7.   Normen und Kennzeichen für nachhaltige Finanzprodukte

    4.7.1.

    Die Förderung eines leichteren und sicheren Zugangs für Anleger ist für eine Erweiterung der nachhaltigen Finanzmärkte unerlässlich. Europäische Normen für nachhaltiges Finanzwesen sollten sorgfältig konfiguriert werden, wobei Standards für sozial verantwortliches Investieren festgelegt werden sollten.

    4.7.2.

    Zu diesem Zweck könnte mit der Einführung einer offiziellen EU-Norm für grüne Anleihen begonnen und ein EU-Gütezeichen oder Zertifikat für grüne Anleihen erwogen werden, das einer externen Prüfung unterzogen wird, um Garantien für Investitionen mit positiven Auswirkungen zu geben. Vor dem Hintergrund des „Aktionsplans Finanzdienstleistungen für Verbraucher: bessere Produkte, mehr Auswahl“ empfiehlt (19) der EWSA der Kommission, leichter vergleichbare und völlig transparente Produkte zu definieren, die einfach sind und ähnliche Merkmale aufweisen.

    4.7.3.

    Dies bietet die Möglichkeit, vorbildliche europaweite nachhaltige Produkte anzubieten und geeignete, unabhängige und verbindlich zertifizierte Vergleichswerkzeuge (20) für die einzelnen nachhaltigen Finanzprodukte in den verschiedenen Rechtsordnungen der EU vorzusehen.

    4.7.4.

    Die im Legislativvorschlag der Kommission vom 29. Juni 2017 vorgesehene Konfiguration eines „gesamteuropäischen Markts für Altersvorsorgeprodukte“(PEPP) (21) verpflichtet die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten zu veröffentlichen, ob und in welchem Umfang sie ESG-Faktoren in ihre Risikomanagementsysteme aufnehmen; durch diese Bestimmungen werden sie jedoch nicht verpflichtet, ESG-Faktoren in ihrer Investitionspolitik zu berücksichtigen. Die Aufnahme dieser Verpflichtung würde dazu beitragen, ihren Einsatz als eine der nachhaltigen Lösungen auszuweiten.

    4.7.5.

    Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, diese Verpflichtung zu gegebener Zeit in alle Produkte im Zusammenhang mit der Altersversorgung aufzunehmen. Dies würde es ermöglichen, dass sie auf nachhaltige Art und Weise zur Lösung der Probleme mit dem derzeitigen umlagefinanzierten System beitragen.

    4.8.   Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte

    4.8.1.

    Im Einklang mit den strategischen Zielen der neuen Industriepolitik der EU sollte die Umlenkung der Kapitalallokation in langfristige Investitionen mit der Aufgabe einhergehen, das Wachstum von KMU zu fördern, weniger entwickelte Regionen zu unterstützen, die Infrastruktur zu modernisieren und Menschen mittels allgemeiner und beruflicher Bildung zu qualifizieren.

    4.8.2.

    Neben den Investitionen in eine nachhaltige Infrastruktur ist eine breiter gefasste makroprudenzielle Politik im Einklang mit Solvabilität II nötig, die den physischen Auswirkungen (zunehmende Anfälligkeit für Gefahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel) Rechnung trägt. So könnten zum Beispiel Bauvorschriften zur Begrenzung der Auswirkungen von Naturkatastrophen Versicherungsgesellschaften verpflichten, ihr Risikomanagement an den neuen Grundsätzen eines nachhaltigen Versicherungswesens neu auszurichten.

    4.8.3.

    Der EWSA unterstützt die Verstärkung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI 2.0) und des Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD). Er begrüßt die Einrichtung des Programms InvestEU im Rahmen des MFR 2021-2027, das mehr privates Kapital mobilisieren und Zugang zum Markt für Anleihen sowie für Versicherungs- und Pensionsfonds erhalten sollte.

    4.8.4.

    Es sollte weiteres privates Kapital erschlossen werden, um Unternehmen, insbesondere KMU, Anreize für und Unterstützung bei Investitionen in Innovation und FuE zu geben.

    4.8.5.

    Des Weiteren empfiehlt der EWSA, besser kenntlich zu machen, wo bestehende öffentliche und private Initiativen zu einem Maximum an nachhaltiger, widerstandsfähiger Infrastruktur führen, sodass sie mithilfe skalierbarer Lösungen in der EU und in Partnerländern nachgeahmt werden können.

    4.9.   Nachhaltigkeitserwägungen in der Finanzberatung

    4.9.1.

    Wie auch in seiner Stellungnahme „Nachhaltigkeitsanforderungen an institutionelle Anleger und Vermögensverwalter“ (22) zum Ausdruck gebracht, spricht sich der EWSA für die Änderung der MiFID-II-Richtlinie und der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) in dem Sinne aus, dass verpflichtend geprüft werden muss, wie die Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger integriert werden können. Die Berater könnten dann geeignete Empfehlungen zu Finanzprodukten aussprechen und die Kunden klar über mögliche Risiken und Vorteile in Verbindung mit den verschiedenen Nachhaltigkeitsfaktoren informieren.

    4.9.2.

    Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Nachhaltigkeitspräferenzen in ihre Leitlinien zur Eignungsbeurteilung aufnehmen soll.

    4.10.   Nachhaltigkeitsbenchmarks

    4.10.1.

    Eine gemeinsame Methodik zur Messung der außerfinanziellen Leistung nachhaltiger Investitionen wäre das Beste. Daher begrüßt der EWSA Vorschriften für harmonisierte Benchmarks, die Emittenten mit niedriger CO2-Bilanz erfassen, denn er sieht darin einen ersten Schritt, der auf andere Nachhaltigkeitsparameter ausgedehnt werden sollte.

    4.10.2.

    Der EWSA fordert deshalb die Kommission auf, ihren Fokus durch die technische Sachverständigengruppe auf den sozialen Bereich auszuweiten, die beauftragt werden sollte, alle interessierten Beteiligten zu Rate zu ziehen und einen Bericht über die Gestaltung und die Methodik des Benchmark-Index für Kohlenstoff vorzulegen.

    5.   Einbettung der Nachhaltigkeit in das Risikomanagement

    Nachhaltigkeit bezieht sich auf Risiken, die mit der Wohlstandsschaffung zusammenhängen, wobei die Wirkung von Gewinnung, Erwerb und Verschlechterung von Ressourcen nicht außer Acht gelassen werden darf.

    5.1.   Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in Marktanalysen und Ratings

    5.1.1.

    Der EWSA hat darauf gedrungen, dass in Ratingagenturen keine Interessenkonflikte bestehen dürfen und dass die Unabhängigkeit der Anbieter von Marktforschungs- und Bewertungsdiensten gewährleistet sein muss. Darüber hinaus ist eine transparente und zeitnahe Begründung der von ihnen genutzten Methoden für jeden Einzelfall nötig.

    5.1.2.

    Die Ratingagenturen berücksichtigen den Einfluss bahnbrechender Trends bei den Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Faktoren) auf die künftige Kreditwürdigkeit von Emittenten bisher nicht ausreichend. Der EWSA fordert klare EU-Normen und Aufsicht für alle in der EU tätigen Ratingagenturen mit Blick auf die Einbeziehung von ESG-Faktoren in die Ratings. Außerdem plädiert er für die Schaffung eines Akkreditierungsverfahrens für „Grüne Finanzen“ durch von der ESMA zertifizierte Agenturen.

    5.1.3.

    Es sollte auch eine Akkreditierung der Interessenträger wie Banken, Verwalter von Fonds usw. erwogen werden. Dadurch würden die verschiedenen Finanzakteure stärkeren Verpflichtungen unterliegen und ein gewisser Trend zum „Greenwashing“ („Grünfärberei“) durch vordergründige Erstellung eines Plans für nachhaltige Produkte vermieden werden.

    5.1.4.

    Schließlich empfiehlt der EWSA, die Schaffung „grüner“ Länderratings zu erwägen. Eindeutig grüne Ratings neben Länderratings würden die Staaten auch zur ständigen Verbesserung ihrer diesbezüglichen Leistungen anhalten. Gleichzeitig könnte dies als Anreiz für ausländische Investitionen dienen.

    5.2.   Nachhaltigkeitspflichten institutioneller Anleger und Vermögensverwalter: treuhänderische Pflicht

    5.2.1.

    Die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) müssen die strikte Übereinstimmung mit den Aufgaben von Finanzvermittlungsdiensten gewährleisten.

    5.2.2.

    Dies erfordert einen ganzheitlicheren Ansatz, als er im Aktionsplan der Kommission skizziert ist; der Fokus muss stärker auf Beziehungen in Bereichen liegen, die von Vielfalt gekennzeichnet sind, wie Bildung, Faktoren, Gender, geografische, rassische oder ethnische, religiöse, kulturelle oder sonstige Zugehörigkeit.

    5.2.3.

    Als grundlegender Teil ihrer gesetzlichen Verpflichtungen sollten Investoren aktiv auf ihre Kunden zugehen, um mehr über deren außerfinanzielle Interessen zu erfahren, und sie auch unmissverständlich über mögliche finanzielle Risiken und Vorteile in Verbindung mit ESG-Faktoren informieren.

    5.2.4.

    Regulierungsbehörden, Investoren, Vermögensverwalter, Arbeitnehmer in der Finanzbranche und Berater müssen im besten Interesse des Begünstigten (z. B. künftiger Rentner) oder des Kunden (Privatkunde oder institutioneller Anleger) handeln. Alle Lenkungsaktivitäten und das Abstimmungsverhalten in den Organen müssen gemäß den treuhänderischen Pflichten auf den Schutz des nachhaltigen Wertes der Anlagen gerichtet sein. Sie müssen darüber berichten, in welcher Weise sie von ihren Stimmrechten als Anteilseigner der Vermögenswerte eines Fonds Gebrauch machen.

    5.2.5.

    Durch die Klarstellung der Pflichten von Anlegern in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren stärkt die EU langfristige Investitionen (nachhaltiges Finanzieren wird axiomatisch mit Langfristigkeit in Verbindung gebracht).

    5.3.   Aufsichtsvorschriften für Banken und Versicherungsgesellschaften

    5.3.1.

    Der EWSA hat unlängst auf die Rolle verwiesen, die Banken dank ihrer Funktion als Mittler zwischen bewusstem Sparen und sozial verantwortlichem Investieren spielen können. Der EWSA hat unlängst auf die Rolle verwiesen, die Banken dank ihrer Funktion als Mittler zwischen bewusstem Sparen und sozial verantwortlichem Investieren spielen können. Der Ausschuss empfiehlt, dass Banken hinsichtlich des Kapitalbedarfs günstigere Bedingungen erhalten, wenn sie in die grüne Wirtschaft und langfristige, nicht-komplexe „inklusive“ Darlehensformen, z. B. Hypothekendarlehen, insbesondere im Zusammenhang mit der Energieeffizienz, der Installation von Solarpaneelen usw. investieren. Zudem sollten für Investitionen in umweltschädliche Vermögenswerte Kapitalaufschläge erwogen werden, um Anreize für einen positiven Übergang hin zu nachhaltigen Aktivitäten zu schaffen. Möglicherweise sollten Alternativen, die unmittelbar den Endkreditnehmern und Investoren zugutekommen, z. B. steuerliche Anreize, in Erwägung gezogen werden. Der einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) sollte in dieser Frage eine besondere Kontrolle ausüben (23).

    5.3.2.

    Allerdings müssen aktualisierte Bankenratingmodelle bei der Berechnung risikogewichteter Vermögenswerte stets das aktuellste Risikoniveau wiedergeben, das mit diesen nachhaltigen Aktiva verbunden ist, um ein hohes Maß an Verbraucherschutz zu gewährleisten.

    5.3.3.

    Im Hinblick darauf ist es notwendig, den Umfang des sogenannten „grünen Stützfaktors“ besser zu definieren und umfassende und rigorose empirische Erkenntnisse sicherzustellen, angefangen bei einer klaren und eindeutigen Definition für grüne Investitionen. Die verantwortungsvolle Forschung und Innovation (RRI) im Rahmen von Horizont 2020 und des neuen Programms Horizont Europa könnte ein hervorragender Weg zur Erzielung wissenschaftlicher Ergebnisse sein.

    5.3.4.

    Insgesamt erfordert dieses neue Szenarium zur Gewährleistung der Resilienz und der finanziellen Stabilität eine sinnvolle Kombination beim Finanzrisikomanagement, wobei die ESG Auswirkungen auf die Rendite mitberücksichtigt und die Regeln in einem dynamischen Prozess entsprechend angepasst werden müssen. Wie das Europäische Parlament in seiner Entschließung zu einem nachhaltigen Finanzwesen (24) hingewiesen hat, sollte die Kommission die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Basel-IV-Rahmen vorantreiben.

    6.   Förderung von Transparenz und Langfristigkeit

    6.1.1.

    Nachhaltiges Finanzieren bedarf eines Rahmens mit Anreizen, durch den Kapitalströme in notwendige Investitionen geleitet werden, um eine faire soziale und ökologische Wende in Europa sicherzustellen, dessen führende Position in puncto Werte den europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil sichert.

    6.2.   Offenlegung und Rechnungslegung

    6.2.1.

    Der EWSA stellt fest, dass die EU-Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen (NFI-Richtlinie) ohne großen Ehrgeiz und nach einer nicht angeglichenen Methodik umgesetzt wurde, nur Großunternehmen erreicht und somit für faire und umfassende nachhaltige Investitionen in Europa kaum etwas bringt.

    6.2.2.

    Nachhaltigkeit bringt eine Reihe neuer Probleme und Herausforderungen im Hinblick auf die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen mit sich, wie z. B. den digitalen Wandel, neue Parameter, Standardisierung, obligatorische Anforderungen, neue nachhaltige Wirtschaftsmodelle usw. Die Taxonomien und Methoden für die Berichterstattung sollten so weit wie möglich standardisiert werden, und die Regeln sollten so angepasst werden, dass mehr und bessere nichtfinanzielle Informationen zur Verfügung stehen. Dies würde Regulierungs- und Marktaufsichtsbehörden einen besseren Überblick über globale Marktentwicklungen geben und sie folglich besser befähigen, entsprechend zu handeln. Diese derzeitige Phase wird als „Eignungsprüfung“ bezeichnet, bei der im Anschluss an die von der Kommission eingeleitete öffentliche Konsultation Überlegungen im Einklang mit der Arbeitsgruppe für klimabezogene Finanzberichterstattung des Rates für Finanzmarktstabilität berücksichtigt werden.

    6.2.3.

    Bei Crowdfunding-Plattformen sollten im „Basisinformationsblatt“ auch die nach buchhalterischen Aspekten wichtigsten immateriellen, aber finanziell wesentlichen Risiken (25) und Vorteile bei der Finanzierung eines Crowdfunding-Projekts angegeben sein.

    6.2.4.

    Der EWSA unterstützt die Entschließung des Europäischen Parlaments zu Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS 9) (26) und fordert nachdrücklich eine Abschätzung der Folgen der IFRS auf nachhaltige Investitionen.

    6.2.5.

    Der EWSA begrüßt es, dass die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) beauftragt werden soll, die Wirkung neuer oder geänderter IFRS auf nachhaltige Investitionen zu bewerten und mögliche alternative Bilanzierungsmethoden zu prüfen.

    6.2.6.

    Des Weiteren regt der EWSA an, dass die Kommission die ESMA auffordern sollte:

    die derzeitige Praxis auf dem Ratingmarkt zu bewerten und dabei zu analysieren, in welchem Umfang umweltbezogene, soziale und ordnungspolitische Erwägungen berücksichtigt werden;

    Informationen über umweltbezogene und soziale Nachhaltigkeit in ihre Leitlinien für die Offenlegung durch Ratingagenturen aufzunehmen und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen.

    6.3.   Corporate Governance und zu kurzfristiges Denken der Kapitalmärkte

    6.3.1.

    Viele Anleger würden gern wissen, ob ein Unternehmen nach genauen und transparenten Rechnungslegungsmethoden arbeitet und ob normale Aktionäre in wichtigen Fragen mitstimmen dürfen. Außerdem wollen sie, dass in den Unternehmen keine Interessenkonflikte bei der Auswahl von Vorstandsmitgliedern, Ratingagenturen und Rechnungsprüfern bestehen.

    6.3.2.

    Es ist an der Zeit, unter den ESG-Faktoren (environmental, social, governance) nicht nur auf E (für Umwelt) und S (für Soziales) zu achten (Standards, Label, grüner und sozialer Stützfaktor für Aufsichtsvorschriften, Nachhaltigkeitsbenchmarks), sondern auch den Faktor G (für Corporate Governance) ernsthaft zu erwägen und all denjenigen Unternehmen, die eine transparente Offenlegung wichtiger Aspekte (wie Steuergebaren, Menschenrechte, Korruption, Geldwäsche und andere gesetzwidrige Aktivitäten) umgehen, von allen Unterstützungsleistungen auszuschließen und ihnen die Nachhaltigkeitseinstufung zu entziehen.

    7.   Umsetzung des Aktionsplans

    7.1.

    Der EWSA fordert, alle beteiligten europäischen Institutionen, Agenturen und Mechanismen so aufeinander abzustimmen, nötigenfalls durch eine Änderung ihres Mandats, dass der Aktionsplan von seiner Zeitplanung her reibungslos umgesetzt werden kann.

    7.2.

    Die Ungewissheit über die Zukunft und die mangelnde Offenlegung langfristiger Risiken sind die hauptsächlichen begrenzenden Faktoren einer Zeithorizontanalyse (weswegen nur wenige Prognosen über fünf Jahre hinausreichen).

    7.3.

    Die europäischen Aufsichtsbehörden sollten zudem eine relevante Rolle bei der Überwachung der Nachhaltigkeit spielen. Um zu einer gemeinsamen EU-Methodik für die Analyse relevanter Szenarien zu gelangen, sollten ESG-Risikofaktoren in einer langfristigen Sichtweise untersucht werden, und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) könnte sie schrittweise in seine Stresstests aufnehmen.

    7.4.

    Schließlich sollte die Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) die Anwendung der internationalen Standards für Regulierung und Aufsicht (27) im Bereich nachhaltiger Finanzierung durchsetzen und fördern, um dadurch die globale Kohärenz der neuen Nachhaltigkeitsarchitektur sicherzustellen.

    Brüssel, den 17. Oktober 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  Siehe Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums (COM/2018/097 final), Abschnitt 6 — Nächste Schritte.

    (2)  Siehe Entwurf der EIB für eine Taxonomie: https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/180131-sustainable-finance-final-report-annex-3_en.pdf.

    (3)  Beim Rahmen der Wesentlichkeitskriterien werden diejenigen Faktoren untersucht, die für die Finanzergebnisse eines Unternehmens am relevantesten sind, auch die finanziell wesentlichen Nachhaltigkeitsfaktoren.

    (4)  Gedeckte Schuldverschreibungen sind Schuldverschreibungen, die von Kreditinstituten begeben werden und durch einen abgegrenzten Pool von Vermögenswerten besichert sind, auf den die Inhaber der Schuldverschreibungen als bevorrechtigte Gläubiger direkt zugreifen können. Siehe die neuen Verordnungsvorschläge COM(2018) 93 final — 2018/0042 (COD) und COM(2018) 94 final — 2018/043 (COD).

    (5)  Das Baseler Regelwerk ist eine internationale Vereinbarung, mit der eine Reihe von Reformen zur Verbesserung der Regulierung, der Aufsicht und des Risikomanagements im Bankensektor eingeführt wurden. Die Standards des Baseler Ausschusses sind Mindestanforderungen, die für international tätige Banken gelten. Die Aufnahme von Bestimmungen über Nachhaltigkeit in dieses Regelwerk würde daher dazu beitragen, weltweit Fortschritte in diese Richtung zu erreichen. https://www.bis.org/bcbs/basel3.html.

    (6)  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2016.078.01.0011.01.DEU.

    (7)  Für den umfassenden Standpunkt des EWSA siehe die Stellungnahme zum Mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum nach 2020 (ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 106).

    (8)  Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, dass mindestens 25 % der EU-Ausgaben im Zeitraum 2021-2027 zu den Klimazielen beitragen (im Zeitraum 2014-2020 lag dieser Anteil bei 20 %).

    (9)  https://www.morganstanley.com/pub/content/dam/msdotcom/ideas/sustainable-signals/pdf/Sustainable_Signals_Whitepaper.pdf.

    (10)  Siehe Bericht der IOSCO/OECD The Application of Behavioural Insights to Financial Literacy and Investor Education Programmes and Initiatives.

    (11)  Siehe oben, Aktionsplan, Allgemeine Einführung, Ziffer 1.1.

    (12)  Das Ziel besteht darin festzulegen, wie das System der Vereinten Nationen die Nutzung dieser Technologien im Hinblick auf eine raschere Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und deren einfachere Angleichung an die Werte der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und die Normen und Standards des Völkerrechts unterstützen kann. http://www.un.org/en/newtechnologies/images/pdf/SGs-Strategy-on-New-Technologies.pdf.

    (13)  Siehe EWSA-Stellungnahme zum FinTech-Aktionsplan der Kommission (ABl. C 367 vom 10.10.2018, S. 61).

    (14)  COP 21: Klimakonferenz der Vereinten Nationen 2015.

    (15)  Siehe insbesondere die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, die Charta der Grundrechte der EU und die Arbeitsnormen der ILO.

    (16)  Siehe die von der OECD verabschiedete „Empfehlung des Rates über gemeinsame Ansätze für öffentlich geförderte Exportkredite und die sorgfältige Prüfung von ökologischen und sozialen Aspekten“.

    (17)  Wie in Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG, geändert durch Richtlinie 2009/29/EG, aufgeführt.

    (18)  Verordnung zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021-2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013.

    (19)  Siehe EWSA-Stellungnahme „Finanzdienstleistungen für Verbraucher“ (ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 51).

    (20)  Ausgehend von den „Grundprinzipien für Vergleichswerkzeuge“ (Key principles for comparison tools).

    (21)  Die Vermögenswerte in kapitalgedeckten und privaten Altersvorsorgesystemen lagen Ende 2016 bei über 38 Billionen USD im Gebiet der OECD.

    (22)  Siehe Ziffer 3.8 der Stellungnahme „Nachhaltigkeitsanforderungen an institutionelle Anleger und Vermögensverwalter“ (siehe S. 97 dieses Amtsblatts).

    (23)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zur Vollendung der Bankenunion (ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 46).

    (24)  http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20180529IPR04517/meps-back-resolution-on-sustainable-finance.

    (25)  Buchhalterische Posten sind dann finanziell wesentlich, wenn sie die wirtschaftlichen Entscheidungen der Nutzer beeinflussen könnten. Der Grundsatz der Wesentlichkeit ist ein allgemein anerkanntes Rechnungslegungsprinzip, wonach das Unternehmen solche Fragen grundsätzlich offenlegen muss. https://www.business-case-analysis.com/materiality-concept.html.

    (26)  http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2016-0381+0+DOC+XML+V0//DE.

    (27)  Siehe Methodology for Assessing Implementation of the IOSCO Objectives and Principles of Securities Regulation.


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