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Document 52017IE2892

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Strategie LeaderSHIP 2020 als Vision für die meerestechnische Industrie: Gestaltung einer innovativen, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen meerestechnischen Industrie bis 2020“ (Initiativstellungnahme)

EESC 2017/02892

ABl. C 262 vom 25.7.2018, p. 8–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

25.7.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 262/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Strategie LeaderSHIP 2020 als Vision für die meerestechnische Industrie: Gestaltung einer innovativen, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen meerestechnischen Industrie bis 2020“

(Initiativstellungnahme)

(2018/C 262/02)

Berichterstatter:

Marian KRZAKLEWSKI

Ko-Berichterstatter:

Patrizio PESCI

Beschluss des Plenums

1.6.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

 

 

Zuständige Fachgruppe

Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI)

Annahme in der CCMI

4.4.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

19.4.2018

Plenartagung Nr.

534

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

197/1/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) empfiehlt, dass sich alle Dienststellen der Kommission verstärkt darum bemühen, Verantwortung für die vollständige Umsetzung der Strategie LeaderSHIP 2020 sowie für die Erarbeitung und Umsetzung einer neuen Strategie für die Branche — LeaderSHIP 2030 — zu übernehmen, und dass sie dazu mit den Interessenträgern zusammenarbeiten.

1.2

Da die Strategie 2013 verabschiedet wurde, schlugen sich die Folgen der Wirtschaftskrise von 2008 in den Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Dokuments LeaderSHIP 2020 nieder. In den vergangenen Jahren vollzogen sich jedoch zahlreiche Entwicklungen und ergaben sich ernsthafte Probleme, aber auch neue Chancen für die meerestechnische Industrie in Europa. Der EWSA fordert die Europäische Kommission deshalb auf, die meerestechnische Industrie bei der Bewältigung der vor ihr stehenden Herausforderungen und der Nutzung der sich bietenden Chancen stärker zu unterstützen.

1.3

Im Rahmen der Ankündigung der Strategie LeaderSHIP 2020 haben die Kommission und die Interessengruppen 19 Empfehlungen vereinbart, deren Umsetzung der Verwirklichung der Strategie dienen sollten. Während der Anhörung bewerteten die Interessenvertreter der Industrie die Umsetzung dieser Empfehlungen in einer Umfrage, deren Ergebnisse in Abschnitt 3 dargelegt werden.

1.3.1

Der EWSA stellt fest, dass die Umsetzung aller Empfehlungen vier Jahre nach Bekanntgabe der Strategie ungleichmäßig fortgeschritten und im Schnitt nur zu einem Viertel erfolgt ist. Relativ gut wurden die Empfehlungen zur Säule Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI) umgesetzt. Insgesamt positiv, wenn auch etwas weniger gut, steht es um die Umsetzung der Empfehlungen der Säule „Kompetenzen und Beschäftigung“, mit Ausnahme von Fragen des informellen Lernens. Schlechter sieht es mit der Umsetzung der Empfehlungen zum Thema „Verbesserung des Marktzugangs und des fairen Wettbewerbs“ aus, bei dem die Bewertung nur Fortschritte von 20 % ergab. Am wenigsten wurde in der Säule „Zugang zu Finanzmitteln“ umgesetzt, nämlich durchschnittlich nur 15 %, mit Ausnahme von Maßnahmen zur Förderung der Finanzierung durch die EIB. Der EWSA fordert die Kommission und die Interessenträger auf, die Durchführung der Strategie zu verstärken und die Umsetzung der zentralen Empfehlungen auf die von den Interessengruppen der Branche geforderte neue Strategie für die Branche — LeaderSHIP 2030 — zu übertragen.

1.4

Bei der Anhörung wurde betont, dass die europäische meerestechnische Industrie ein strategischer Schlüsselfaktor für Europa ist und sich in einer relativ guten Verfassung befindet, trotz der vielen Schwierigkeiten, mit denen die Branche insbesondere nach der Wirtschaftskrise konfrontiert war. Asiatische Werften hingegen befinden sich unter anderem als Ergebnis einer intensiven Beihilfepolitik in einer schwierigen Situation. Aber gerade wegen ihrer derzeitigen Schwierigkeiten wird die Konkurrenz aus Asien, vor allem China, den Druck auf Europa erhöhen. Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission, einen Rahmen zu verabschieden, der der europäischen meerestechnischen Industrie weltweit tatsächlich gleiche Wettbewerbsbedingungen bietet.

1.5

Die chinesische Regierung und die Banken leisten den chinesischen Staatsunternehmen umfassende finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung der kürzlich angekündigten Strategie, die darauf abzielt, die europäische Führungsrolle beim Bau von High-End-Schiffen wie Kreuzfahrtschiffen und High-Tech-Schiffsausrüstungen zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der EWSA der Europäischen Kommission, eine entschlossene Industriepolitik auf der Grundlage von Gegenseitigkeit zu verfolgen, die es der europäischen meerestechnischen Industrie ermöglicht, im Wettbewerb zu bestehen.

1.6

Die meerestechnische Industrie steht derzeit unter ordnungspolitischem und sozialem Druck. Im Hinblick auf regulatorische Fragen ist die Branche gefordert, ihre Leistungen in den Bereichen Umwelt und Sicherheit zu verbessern. Im sozialen Bereich hingegen sind Digitalisierung, Automatisierung, Cybersicherheit oder das Internet der Dinge potenziell bahnbrechende Technologien, die die Zukunft der Branche grundlegend verändern können. Gleichzeitig gehen mit diesen Herausforderungen aber auch interessante Chancen für die europäische meerestechnische Industrie einher. Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission deshalb, Investitionen der europäischen meerestechnischen Industrie im Bereich FEI, beispielsweise durch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), zu fördern, um den Bedürfnissen der Branche gerecht zu werden. FEI sind der Schlüssel zur Erhaltung der führenden Wettbewerbsposition der europäischen Meerestechnik gegenüber ihren weltweiten Konkurrenten.

1.7

Europas meerestechnische Industrie hat ein zunehmendes Interesse daran, das wirtschaftliche Potenzial der Meere und Ozeane nachhaltig zu nutzen. Die Erzeugung von Energie in Offshore-Windparks, die Nutzung von Meeresenergie oder die Aquakultur sind nur einige Beispiele. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen und neue Möglichkeiten (z. B. Offshore-Energiespeicherung) zu erschließen, empfiehlt der EWSA der Europäischen Kommission, die europäische meerestechnische Industrie mit blauen ÖPP zu unterstützen.

1.8

Im Gegensatz zu den asiatischen Konkurrenten ist der Zugang zu Finanzmitteln für europäische Werften und europäische Hersteller von Schiffsausrüstung ein großes Problem. Die existierenden europäischen Finanzinstrumente sind entweder unzureichend bekannt oder in einer so kapitalintensiven Branche überhaupt nicht anwendbar. Der EWSA fordert die Europäische Kommission daher auf, ein eigenes Finanzinstrument zu schaffen, das die Investitionen in einen Risikokapitalsektor wie die europäische Schiffbauindustrie fördert.

1.9

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Rolle der Seestreitkräfte für die Aufrechterhaltung der kritischen Masse des gesamten europäischen Schiffbaus von großer Bedeutung und zudem eine treibende Kraft für Forschung und Innovation in der Branche und darüber hinaus ist. Er fordert die Kommission deshalb auf, die maritime Rüstungsindustrie im Rahmen der Fortsetzung der Strategie LeaderSHIP zu einer der Säulen der Strategie zu machen.

1.10

Um wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben, muss die europäische meerestechnische Industrie neue Technologien einsetzen und über ausreichend qualifiziertes und geschultes Personal verfügen. Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Sozialpartner des Schiffbaus erheblich zu unterstützen, damit sie ihre Arbeit im Rahmen des europäischen Qualifikationsrates für die Meerestechnikbranche fortsetzen können. Der EWSA weist die Kommission darauf hin, dass zur Beseitigung der Qualifikationslücken in der Branche Initiativen unter der Federführung der Industrie und der Sachverstand gefördert werden müssen.

1.11

Der EWSA nimmt die Ergebnisse des Berichts New trends in the shipbuilding and marine supply industries (1) (Neue Trends in der Schiffbau- und Schiffsausrüstungsindustrie) zur Kenntnis und fordert die Europäische Kommission auf, mit SEA Europe und IndustriALL sowie anderen Interessenträgern zusammenzuarbeiten, um die Empfehlungen dieses Berichts umzusetzen.

2.   Hintergrund

Die aktuelle Situation der europäischen meerestechnischen Industrie

2.1

Die meerestechnische Industrie der EU umfasst alle Unternehmen, die an der Planung, dem Bau, der Instandhaltung und der Reparatur von Schiffen und anderer Meeresinfrastruktur beteiligt sind, einschließlich der gesamten Lieferkette von Systemen, Ausrüstungen und Dienstleistungen, die von Forschungs- und Bildungseinrichtungen unterstützt werden. Die Unternehmen der EU sind führend auf dem Gebiet der Innovation und liefern jedes Jahr etwa die Hälfte der Schiffsausrüstung weltweit.

2.2

Die europäischen Werften sind erfolgreich beim Bau, der Instandsetzung, der Wartung oder dem Umbau sehr komplexer und technisch fortgeschrittener ziviler und militärischer Schiffe, wie Kreuzfahrtschiffe, Fähren, Offshore-Schiffe und -Anlagen, Fregatten, U-Boote usw. Sie produzieren und liefern auch Technologien im Zusammenhang mit der Entwicklung des blauen Wachstums (z. B. Offshore-Energie, Aquakultur, Gewinnung von Bodenschätzen aus dem Meeresboden). Sie erwirtschaften einen Jahresumsatz von ca. 31 Milliarden Euro und beschäftigen direkt mehr als 200 000 Menschen. Derzeit gibt es rund 300 Werften in Europa (2).

2.3

Die Hersteller und Anbieter von Schiffsausrüstungen aus der EU sind führend auf dem Weltmarkt. Es gibt etwa 22 000 große, kleine und mittlere Unternehmen, die unterschiedlichste Materialien, Systeme, Technologien und Ausrüstungen liefern sowie Ingenieurs- und Beratungsleistungen erbringen. Sie erwirtschaften einen Jahresumsatz von ca. 60 Milliarden Euro und beschäftigen direkt mehr als 350 000 Menschen. Ihr Anteil am Weltmarkt beträgt etwa 50 %.

2.4

Die europäische meerestechnische Industrie investiert 9 % ihrer Gewinne aus Verkäufen in die Forschung, Entwicklung und Innovation — damit ist sie die Branche mit der höchsten FEI-Intensität in Europa.

2.5

Weltweit kämpft der Schiffbau mit einer der schwersten Krisen der letzten Jahre, und 2016 war das bisher schlimmste Jahr, wobei sich die Situation in den nächsten zwei oder drei Jahren weiter verschärfen dürfte. Die geringere Nachfrage im Bereich des Güterverkehrs in Asien hat zu einem deutlichen Rückgang der Aufträge geführt. Nur in Europa ist es gelungen, den positiven Trend bei den Aufträgen seit 2012 fortzusetzen, ohne dass finanzielle Unterstützung und Zuschüsse geflossen sind. Gleichzeitig sehen sich die europäischen Hersteller von meerestechnischen Ausrüstungen den negativen Folgen der dramatisch zurückgehenden Nachfrage aus Asien gegenüber.

2.6

Im Jahr 2016 war das Volumen der Neuaufträge der europäischen Werften höher als das der bereits ausgelieferten Schiffe. In Europa wurden Verträge über neue Schiffe im Wert von 14,7 Milliarden US-Dollar geschlossen, was 55 % des Werts der Neubestellungen weltweit entspricht.

2.7

Die Wettbewerbsfähigkeit der Länder Ostasiens stützt sich zum großen Teil auf protektionistische staatliche Maßnahmen, darunter Subventionen und andere Formen der finanziellen Unterstützung, Auflagen in Bezug auf einen inländischen Fertigungsanteil usw. Darüber hinaus geben diese Länder, anders als Europa, neue Schiffe grundsätzlich bei einheimischen Werften in Auftrag. Europäische Reeder wiederum haben ihre Aufträge für den Bau von Frachtschiffen sowie von Offshore-Versorgungsschiffen zunehmend nicht mehr europäischen Werften, sondern Werften in Asien erteilt. Infolgedessen hat sich die Struktur der europäischen Auftragsbücher in den letzten zehn Jahren verschoben, und zwar in Richtung des Baus komplexer Schiffstypen mit höherer Wertschöpfung. Interessanterweise vollzogen sich diese Veränderungen zu einer Zeit, da die europäische Schiffsbranche selbst von finanziellen bzw. steuerlichen Unterstützungsprogrammen profitiert hat.

Hintergrund der Strategie LeaderSHIP 2020

2.8

Die Strategie LeaderSHIP 2020 (3) ging aus der Initiative LeaderSHIP 2015 hervor, die 2003 ins Leben gerufen wurde, um ein koordiniertes Vorgehen in Reaktion auf die Herausforderungen zu gewährleisten, mit denen der europäische Schiffbau konfrontiert war. Der Schwerpunkt lag auf wissensbasierten Tätigkeiten und der Notwendigkeit einer höheren Rentabilität der Investitionen in die Werften in Bezug auf Forschung, Entwicklung und Innovation.

2.9

2008 wurde der europäische Schiffbau schwer von der internationalen Wirtschaftskrise getroffen, deren Auswirkungen auf die Branche bis heute zu spüren sind. Deshalb waren starke Anreize in Form einer neuen Strategie LeaderSHIP 2020 nötig.

2.10

Das 2013 vorgestellte Dokument zur Strategie LeaderSHIP 2020 wurde von einer breit aufgestellten Gruppe von Interessenträgern erarbeitet, an deren Spitze Branchenvertreter, die Europäische Kommission, das Parlament und die Sozialpartner (SEA Europe und IndustriALL) standen.

2.11

In der Strategie werden folgende Merkmale genannt, die die Branche auszeichnen sollten: Innovationskraft, Umweltfreundlichkeit, Spezialisierung auf High-Tech-Märkte, Energieeffizienz und Fähigkeit zur Erschließung neuer Märkte.

2.12

In dem Bericht über die Strategie LeaderSHIP 2020 werden folgende vier Säulen aufgeführt:

Beschäftigung und Qualifikationen;

Verbesserung des Marktzugangs und faire Wettbewerbsbedingungen;

Zugang zu Finanzmitteln;

Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI).

3.   Bewertung des Stands der Umsetzung der Empfehlungen der Strategie LeaderSHIP 2020

3.1

Der Stand der Umsetzung der Empfehlungen der Strategie LeaderSHIP 2020 wurde auf der Grundlage einer Umfrage unter den Teilnehmern einer öffentlichen Anhörung bewertet. Die Ergebnisse der Umfrage werden im Folgenden dargestellt.

3.2

Die Fortschritte in Bezug auf die Säule „Beschäftigung und Qualifizierung“ der Strategie LeaderSHIP 2020 werden als moderat bewertet. Die besten Ergebnisse sind mit 30 % bei der Umsetzung der Empfehlungen „Schaffung einer Untergruppe Meerestechnische Industrie in der ESCO-Klassifikation“ sowie „Förderung der Branche der meerestechnischen Industrie“ zu verzeichnen. Schlecht werden die Pläne zu „Untersuchungen zum informellen Lernen“ bewertet — sie erhielten die Bewertung „0“. Die übrigen Empfehlungen aus diesem Bereich werden mit 15-20 % bewertet.

3.3

Die Umsetzung der Empfehlungen der zweiten Säule „Verbesserung des Marktzugangs und fairer Wettbewerb“ wird als eher unzulänglich bewertet. Es wurden drei Maßnahmen eingeleitet: die OECD-Arbeitsgruppe „Werften“, eine engere Zusammenarbeit zwischen der Industrie und der Kommission zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und zur Anwendung der IMO-Verordnungen sowie „die Nutzung verschiedener handelspolitischer Instrumente und die Arbeit an Freihandelsabkommen“. Sie sind laut den Bewertungen zu 20 % fortgeschritten. Die anderen Maßnahmen aus diesem Bereich wurden praktisch nicht umgesetzt.

3.4

In Bezug auf die Säule „Zugang zu Finanzmitteln“ stellten die Beteiligten Fortschritte nur im Punkt „Prüfung und Bekanntmachung der Möglichkeiten der Finanzierung und Ausweitung der Kreditvergabe durch die EIB“ fest — hier ergab sich die Bewertung 20-30 %. Die Umsetzung der Empfehlung „Prüfung der Möglichkeiten für blaue ÖPP“ wird auf 15 % geschätzt, und die Empfehlung „Möglichkeiten einer langfristigen Finanzierung durch die Kommission“ wurde praktisch gar nicht umgesetzt (5 %).

3.5

In Bezug auf die Umsetzung der Empfehlungen zu FEI herrscht gedämpfter Optimismus. Drei Empfehlungen wurden bereits zur Hälfte oder mehr umgesetzt. Hier die Bewertungen für diesen Bereich:

Prüfung der Durchführbarkeit von öffentlich-privaten FEI-Projekten im Bereich der Meerestechnik — Bewertung 50 %,

Aufnahme von Bestimmungen über FEI in die EU-Verordnung nach dem Auslaufen der Rahmenvorschriften für staatliche Beihilfen im Schiffbau durch die Kommission — 60 %,

Prüfung der Möglichkeiten für die Zuweisung von Strukturfondsmitteln zur Diversifizierung der Branche, insbesondere im Rahmen regionaler Strategien zur intelligenten Spezialisierung — 45 %,

Entwicklung einer umfassenden ÖPP auf EU-Ebene durch die meerestechnische Industrie, um die Meeresforschung unter anderem auf die emissionsfreie und energieeffiziente Nutzung von Schiffen zu konzentrieren — 30 %.

4.   Allgemeine und besondere Anmerkungen zur Umsetzung der Prioritäten der Strategie LeaderSHIP 2020

Beschäftigung und Qualifikationen

4.1

Dringend erforderlich sind die Behebung des Fachkräftemangels, die Verbesserung der Qualifikation der Arbeitskräfte und eine entsprechende Aus- und Weiterbildung mit dem Ziel, eine kritische Masse an Fachwissen und Know-how in der europäischen meerestechnischen Industrie aufrechtzuerhalten. Daher ist es wichtig, die von den Sozialpartnern mit dem Qualifikationsrat (4) begonnene Arbeit zu unterstützen und fortzusetzen. Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass die Sozialpartner von den EU-Organen in die Politikgestaltung eingebunden und zu jeder die Branche betreffenden EU-Initiative konsultiert werden und dass die Berufsverbände, die die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten, weiterhin in den Dialog eingebunden werden, insbesondere im Rahmen des sozialen Dialogs.

4.2

Für die Arbeitnehmer muss es angemessene Schulungsmaßnahmen geben, damit sie den Herausforderungen der Industrie 4.0 und des künftigen technologischen Wandels (z. B. Digitalisierung) gewachsen sind. Künftige Beschäftigte der meerestechnischen Industrie müssen über Qualifikationen verfügen, die sie in die Lage versetzen, die Chancen und Herausforderungen der blauen Wirtschaft zu meistern.

4.3

Es muss mehr unternommen werden, um den Sektors attraktiver zu machen. Die verschiedenen Laufbahnen, die die Branche Arbeitnehmern bietet, müssen ermittelt und zusammengeführt werden, und die Mobilität der Studierenden (z. B. Erasmus für die meerestechnische Industrie) muss erhöht werden. Die Europäische Kommission sollte die Aktivitäten von SEA Europe und IndustriALL auf europäischer Ebene, im Rahmen des Ausschusses für den sektoralen Dialog weiterhin uneingeschränkt unterstützen.

Verbesserung des Marktzugangs und faire Wettbewerbsbedingungen

4.4

Die europäische Industrie ist nach wie vor unlauterem Wettbewerb durch Drittländer ausgesetzt, und zwar sowohl im Schiffbau als auch zunehmend im Bereich der Schiffsausrüstung. Die Krise in Asien, hervorgerufen durch Produktionsüberkapazitäten, vor allem infolge massiver staatlicher Subventionen, hat zur Folge, dass die Regierungen dieser Länder lokale Werften sowie lokale Hersteller von Schiffsausrüstung unterstützen wollen, was mehr Exporte und damit zusätzlichen Wettbewerbsdruck auf europäische Werften und Schiffsausrüster bedeutet.

4.5

Die asiatischen Werften richten ihr Augenmerk nun auf die erfolgreichen europäischen Märkte für komplexere Schiffstypen wie Kreuzfahrtschiffe und Passagierschiffe. Darüber hinaus kündigte China in seinen jüngst vorgelegten offiziellen Strategiepapieren „Made in China 2025“ und „China Manufacturing 2025“ an, dass es sich zum Ziel gesetzt hat, der weltweit führende Hersteller von High-End-Schiffen, einschließlich Kreuzfahrtschiffen, und hochwertiger Marineausrüstung zu werden, was bedeutet, dass es in unmittelbaren Wettbewerb mit erfolgreichen europäischen Märkten treten wird. Diese Politik erhält volle staatliche Unterstützung in Form staatlicher Beihilfen. Sie stellt auch eine Bedrohung für die europäische meerestechnische Industrie dar.

4.6

Der US-Markt bleibt aufgrund des Jones Act verschlossen. Die Lockerung dieses Gesetzes und die Öffnung des US-Markts würden der europäischen Schiffbauindustrie interessante Möglichkeiten eröffnen. Die EU sollte darauf drängen, obwohl das derzeitige politische Klima in den Vereinigten Staaten eher protektionistisch ausgerichtet ist.

4.7

Wie China, die Vereinigten Staaten, Japan und Südkorea sollten auch die Entscheidungsträger in Europa und den Mitgliedstaaten erkennen, dass die europäische Schiffbauindustrie und der Schiffsausrüstungsbau strategische Bereiche der europäischen Wirtschaft sind, die besonderer Aufmerksamkeit und eines zielgerichteten Ansatzes bedürfen, und zwar sowohl in kommerzieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Marine.

4.8

Die Europäische Kommission sollte sich um den Abschluss eines umfassenden OECD-Abkommens (das auch China einschließt) bemühen, in dem Regeln für Beihilfen und eventuell Preisdisziplin festgelegt sind, und die Bemühungen in dieser Richtung unterstützen.

4.9

Die Gegenseitigkeit zwischen Europa und Drittländern ist von wesentlicher Bedeutung und sollte daher ein Leitprinzip sowohl bei bilateralen als auch multilateralen Handelsverhandlungen und bei Fragen im Zusammenhang mit dem Marktzugang sein. Sie ist der entscheidende Faktor, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, einschließlich der meerestechnischen Industrie, gegenüber ihren globalen Konkurrenten zu stärken. Wenn europäische Unternehmen in einem Drittland mit protektionistischen Maßnahmen konfrontiert sind, sollte die EU die gleichen Schritte gegenüber Unternehmen aus diesen Ländern setzen, wenn diese mit Europa Handel treiben wollen. Nur so kann es einen faireren Wettbewerb für die europäischen Werften und die europäische Schiffsausrüstungsindustrie geben.

Zugang zu Finanzmitteln

4.10

Die Kommission stellt den EFSI, ein Finanzinstrument der Investitionsoffensive von EU-Kommissionspräsident Juncker, häufig als Instrument für die Industrie dar, allerdings sind sein Umfang und auch seine Vorteile nicht ausreichend bekannt (er richtet sich hauptsächlich an KMU). Dieses Instrument und seine Vorteile für die meerestechnische Industrie sollten besser erläutert und bekannt gemacht werden.

4.11

Die Schiffbauindustrie benötigt große Mengen an Kapital, aber die europäischen Werften haben es in jüngster Zeit schwerer, Zugang zu Finanzmitteln zu erhalten. Gleichzeitig profitieren ausländische Werften von erheblichen finanziellen Anreizen, einschließlich staatlicher Beihilfen. Die Kommission sollte daher die Schaffung eines besonderen Systems in Erwägung ziehen, um der kapitalintensiven europäischen Schiffbauindustrie den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern.

4.12

Finanzielle Anreize (z. B. durch europäische Finanzierungsprogramme, wie die Fazilität „Connecting Europe“, Anreize für Reeder, in umweltfreundliche Schiffe, Ausrüstungen oder Technologien zu investieren) sollten genutzt werden, da sie sich für Europa lohnen.

4.13

Geprüft werden sollte, ob eine spezielle branchenspezifische Regelung getroffen werden kann, die Anreize schafft, um die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen meerestechnischen Industrie zu verbessern, und gleichzeitig Verhältnissen vorbeugt, die zu Spannungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten führen. In diesem Zusammenhang können Beispiele für bewährte Verfahren aus anderen Branchen, insbesondere aus der Schifffahrtsbranche, bis zu einem gewissem Grad als Inspirationsquelle dienen.

4.14

Die EU sollte gemeinsam mit Norwegen erwägen, ein spezifisches Programm zur Förderung des umweltfreundlichen und energieeffizienten Kurzstreckenseeverkehrs durch die europäische Schiffbauindustrie und den Schiffsausrüstungssektor aufzulegen. Der EWSA ruft dazu auf, seine auf Ersuchen des maltesischen Ratsvorsitzes ausgearbeitete Sondierungsstellungnahme zum Thema „Diversifizierungsstrategien für den Wasser- und Meerestourismus“ (5) zu nutzen.

4.15

Ferner sollte die Einrichtung eines Finanzierungsprogramms erwogen werden, das es den europäischen Schiffsrecyclinganlagen ermöglicht, größere Schiffstypen zu recyceln.

4.16

Für die technisch hochentwickelte meerestechnische Industrie der EU sind Finanzinstrumente zur Ausführung von öffentlichen Aufträgen für die Seestreitkräfte eine sehr wichtige treibende Kraft und leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer kritischen Masse der Produktion im gesamten Schiffbausektor der EU, während gleichzeitig Forschung und Innovation in diesem Sektor insgesamt und in seinem Umfeld gefördert werden. In diesem Zusammenhang würdigt der EWSA die positive Rolle des EU-Aktionsplans für die Verteidigung, den die Kommission kürzlich vorgelegt hat.

Forschung, Entwicklung und Innovation

4.17

Die Europäische Kommission sollte eine vertragliche öffentlich-private Partnerschaft für die meerestechnische Industrie einrichten, damit die Branche weiter in die Bewältigung der ordnungspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Schifffahrtsindustrie investieren und das wirtschaftliche Potenzial der Maßnahmen für blaues Wachstum ausschöpfen kann. Ein spezifisches (europäisches) Programm zur Innovationsförderung sollte europäische Innovationen voranbringen.

4.18

Europa sollte die europäische Forschung und Entwicklung finanziell unterstützen. Ebenso sollten europäische Innovationen im Hinblick auf die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden. Das Europäische Patentamt sollte die europäischen Patente, auch im Bereich der europäischen Meerestechnik, wirksam überwachen und bei Verstößen Sanktionen verhängen.

4.19

Im künftigen (9.) Rahmenprogramm sollte ausreichende (finanzielle) Unterstützung für die meerestechnische Industrie bereitgestellt werden, um sie in die Lage zu versetzen, die großen künftigen (internationalen oder europäischen) ordnungspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, wie z. B. eine umweltfreundlichere Schifffahrt (6), die Digitalisierung, bahnbrechende Technologien und die vernetzte bzw. automatisierte Schifffahrt, zu bewältigen.

4.20

Der EWSA ist der Auffassung, dass das künftige 9. Rahmenprogramm auch ein Kapitel über die finanzielle Unterstützung der europäischen Industrie enthalten sollte, damit sie das wirtschaftliche Potenzial der blauen Wirtschaft in Europa voll ausschöpfen kann.

Brüssel, den 19. April 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  „Neue Trends in der Schiffbau- und Schiffsausrüstungsindustrie“.

(2)  SEA Europe — The Voice of Maritime Civil & Naval Industries in Europe, 2017 Newsletter.

(3)  http://ec.europa.eu/growth/sectors/maritime/shipbuilding/ec-support_de.

(4)  Branchenrat für Qualifikationsfragen.

(5)  EWSA-Stellungnahme (ABl. C 209 vom 30.6.2017, S. 1).

(6)  Als internationale Branche, die im weltweiten Wettbewerb steht, bevorzugen die Schifffahrt und die meerestechnische Industrie internationale Lösungen für die Ökologisierung der Schifffahrt, die im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) erarbeitet werden sollten.


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