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Document 52017IP0043

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2017 zur Lage der Menschenrechte und der Demokratie in Nicaragua — der Fall Francisca Ramírez (2017/2563(RSP))

    ABl. C 252 vom 18.7.2018, p. 189–191 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    18.7.2018   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 252/189


    P8_TA(2017)0043

    Die Lage der Menschenrechte und der Demokratie in Nicaragua und der Fall Francisca Ramirez

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2017 zur Lage der Menschenrechte und der Demokratie in Nicaragua — der Fall Francisca Ramírez (2017/2563(RSP))

    (2018/C 252/19)

    Das Europäische Parlament,

    unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Nicaragua, insbesondere auf die Entschließung vom 18. Dezember 2008 zu den Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger, die bürgerlichen Freiheiten und die Demokratie in Nicaragua (1) und die Entschließung vom 26. November 2009 (2),

    unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin von Federica Mogherini, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HV), vom 16. August 2016 zu der kürzlich in Nicaragua ergangenen gerichtlichen Entscheidung, Abgeordnete des Parlaments von diesem auszuschließen, und auf die Erklärung der VP/HV vom 19. November 2016 zum Ergebnis der Wahlen in Nicaragua,

    unter Hinweis auf den Bericht der EU-Beobachtungsmission für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 6. November 2011 in Nicaragua,

    unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretariats der Organisation Amerikanischer Staaten vom 16. Oktober 2016 zum Ablauf der Wahlen in Nicaragua,

    unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretariats der Organisation Amerikanischer Staaten vom 20. Januar 2017,

    unter Hinweis auf das im August 2013 in Kraft getretene Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Ländern Zentralamerikas von 2012 und seine Menschenrechtsklauseln,

    unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern von 2004,

    unter Hinweis auf die EU-Leitlinien für die Unterstützung bei der Planung und Reform der Bodenpolitik in Entwicklungsländern von 2004,

    unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen zu Menschenrechtsverteidigern vom Dezember 1998,

    unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP),

    unter Hinweis auf das von Nicaragua ratifizierte Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker von 1989 (Übereinkommen Nr. 169),

    unter Hinweis auf den Internationalen Pakt von 1966 über bürgerliche und politische Rechte,

    unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

    gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

    A.

    in der Erwägung, dass Aufbau und Festigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten fester Bestandteil der außenpolitischen Maßnahmen der EU wie etwa des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Ländern Zentralamerikas von 2012 sein muss;

    B.

    in der Erwägung, dass sich die Lage in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den vergangenen Jahren in Nicaragua verschlechtert hat;

    C.

    in der Erwägung, dass 2013 in Nicaragua das Gesetz Nr. 840 verabschiedet wurde, mit dem dem privaten chinesischen Unternehmen „HK Nicaragua Canal Development Investment Company Ltd.“ (HKND) eine 100 Jahre geltende Konzession für einen durch Nicaragua führenden Kanal, der die beiden Ozeane verbinden soll, erteilt wurde;

    D.

    in der Erwägung, dass der HKND mit diesem Gesetz die Genehmigung erteilt wurde, Grundeigentümer zu enteignen, und von den vor Ort geltenden Steuer- und Gewerbevorschriften ausgenommen wurde; in der Erwägung, dass der HKND mit dem Gesetz zudem garantiert wurde, dass Verstöße gegen den Vertrag nicht strafrechtlich verfolgt würden;

    E.

    in der Erwägung, dass zwischen dem 27. November und dem 1. Dezember 2016 Demonstranten aus allen Teilen Nicaraguas in der Hauptstadt des Landes zusammenkamen und gegen den Bau des die beiden Ozeane verbindenden Kanals protestierten, da dieses Großprojekt möglicherweise die Vertreibung Tausender in den Gebieten an der geplanten Kanalstrecke ansässiger Kleinbauern und Angehöriger indigener Völker nach sich ziehen wird, und dabei auch die mangelnde Transparenz der Präsidentschaftswahl vom 6. November 2016 anprangerten; in der Erwägung, dass die Polizei nach Berichten von Menschenrechtsverteidigern Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition gegen die Protestierenden einsetzte;

    F.

    in der Erwägung, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde und entgegen den Vorschriften des IAO-Übereinkommens Nr. 169 keine Vorabkonsultationen mit den indigenen Völkern stattgefunden haben; in der Erwägung, dass die geplante Kanalstrecke durch Gebiete verlaufen soll, die von indigenen Völkern bewohnt sind, und dass durch das Vorhaben 30 000 bis 120 000 Angehörige indigener Völker vertrieben würden;

    G.

    in der Erwägung, dass sich wissenschaftliche Organisationen höchst besorgt darüber geäußert haben, dass die Kanalstrecke durch den Nicaraguasee führen soll, wodurch die größte Süßwasserquelle Mittelamerikas gefährdet würde; in der Erwägung, dass wissenschaftliche Organisationen die Regierung von Nicaragua aufgefordert haben, das Vorhaben bis zum Abschluss unabhängiger Untersuchungen und der öffentlichen Diskussion ihrer Ergebnisse zu unterbrechen;

    H.

    in der Erwägung, dass Francisca Ramírez, die Koordinatorin des Nationalen Rates für den Schutz des Landes, des Sees und der Souveränität, im Dezember 2016 eine formale Beschwerde gegen die Repressalien und Gewaltmaßnahmen in Nueva Guinea einreichte; in der Erwägung, dass Francisca Ramírez Einschüchterungsversuchen ausgesetzt war sowie willkürlich festgehalten wurde und dass Angehörige von Francisca Ramírez als Vergeltung für ihre Aktivitäten tätlich angegriffen wurden;

    I.

    in der Erwägung, dass Journalisten in Nicaragua Repressalien, Einschüchterungsversuchen und Verhaftungen ausgesetzt sind und häufig mit dem Tode bedroht werden;

    J.

    in der Erwägung, dass im August 2016 der Besuch des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Situation von Menschenrechtsverteidigern Michel Forst in Nicaragua abgesagt wurde, da ihm die nicaraguanische Regierung immer wieder Steine in den Weg gelegt hatte;

    K.

    in der Erwägung, dass der strikte Ausschluss von Oppositionskandidaten eindeutig belegt, dass die Bedingungen für freie und faire Wahlen nicht gegeben waren und dass Vereinigungsfreiheit, politischer Wettbewerb und Pluralismus in ernstzunehmender Weise beeinträchtigt werden;

    L.

    in der Erwägung, dass die Sonderberichterstatterin für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten 2014 im Rahmen eines Verfahrens der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung auf die stark politisch beeinflussten Ernennungen von Richtern des Obersten Gerichtshofs hinwies; in der Erwägung, dass die 2013 vorgenommenen Änderung der Verfassungsvorschriften in Bezug auf die Wiederwahl des Präsidenten unter intransparenter Umgehung der Gesetze erfolgte; in der Erwägung, dass Blutsverwandte oder angeheiratete Angehörige des Präsidenten gemäß Artikel 147 der Verfassung von Nicaragua nicht als Kandidaten für das Amt des Präsidenten oder des Vizepräsidenten antreten dürfen;

    M.

    in der Erwägung, dass in staatlichen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen Korruption, auch durch Angehörige des Präsidenten, weiterhin eines der größten Probleme ist; in der Erwägung, dass Staatsbeamte häufig korrupt sind und ungerechtfertigte Beschlagnahmen sowie willkürliche Einschätzungen durch Zoll- und Steuerbehörden häufig vorkommen;

    1.

    äußert sich besorgt über die sich stetig verschlechternde Menschenrechtslage in Nicaragua und äußert sein Bedauern über die Angriffe und Repressalien von Einzelpersonen, politischen Kräften und staatlichen Stellen gegen Menschenrechtsorganisationen und ihre Mitglieder sowie gegen unabhängige Journalisten;

    2.

    fordert die Regierung nachdrücklich auf, von Repressalien gegen Francisca Ramírez und andere Menschenrechtsverteidiger Abstand zu nehmen, die in legitimer Weise ihrer Aufgabe nachgehen; fordert die nicaraguanischen Behörden auf, der Straflosigkeit von Personen, die Straftaten gegen Menschenrechtsverteidiger begangen haben, ein Ende zu setzen; bestärkt Umweltschützer und Menschenrechtsverteidiger in ihrem Recht, Protest zu äußern, ohne Vergeltungsmaßnahmen fürchten zu müssen; fordert Nicaragua auf, vor der Ergreifung weiterer Maßnahmen eine konkrete unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung einzuleiten und das gesamte Verfahren öffentlich zu machen;

    3.

    fordert die nicaraguanische Regierung auf, ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte nachzukommen, insbesondere der von ihr 2008 unterzeichneten Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker und dem IAO-Übereinkommen Nr. 169;

    4.

    fordert die nicaraguanische Regierung auf, das Land der indigenen Völker vor den Auswirkungen überdimensionierter Entwicklungsvorhaben zu schützen, die seine lebenserhaltenden Eigenschaften beeinträchtigen, wodurch die indigene Bevölkerung in Konflikte verwickelt und Gewaltakten ausgesetzt wird;

    5.

    äußert sich äußerst besorgt über den Ausschluss von Mitgliedern der Opposition aus der Nationalversammlung von Nicaragua und über das Gerichtsurteil, mit dem Änderungen an der Führungsstruktur der Oppositionspartei vorgenommen wurden;

    6.

    fordert Nicaragua auf, die Werte der Demokratie und damit auch die Gewaltenteilung umfassend zu wahren und alle Oppositionsparteien wieder ihre Aufgaben wahrnehmen zu lassen, indem kritische Stimmen im politischen System und in der Gesellschaft insgesamt zugelassen werden; weist darauf hin, dass die umfassende Beteiligung der Opposition, die Beendigung der Polarisierung im Justizwesen, das Ende der Straflosigkeit und eine unabhängige Zivilgesellschaft wesentliche Faktoren für den Erfolg jeder Demokratie sind;

    7.

    weist auf die rechtswidrigen Maßnahmen hin, mit denen die Verfassung so geändert wurde, dass die Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten aufgehoben wurde und Daniel Ortega viele Jahre im Amt bleiben konnte;

    8.

    weist darauf hin, dass die Wahlen 2011 und 2016 von den Organen der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten wegen der festgestellten Unregelmäßigkeiten heftig kritisiert wurden; weist darauf hin, dass derzeit ein Dialog mit der Organisation Amerikanischer Staaten stattfindet und dass bis zum 28. Februar 2017 eine Vereinbarung unterzeichnet werden sollte, was die Lage verbessern könnte;

    9.

    bekräftigt, dass Presse- und Medienfreiheit unerlässliche Elemente der Demokratie und einer offenen Gesellschaft sind; fordert die nicaraguanischen Behörden auf, die Medienvielfalt wiederherzustellen;

    10.

    weist darauf hin, dass Nicaragua vor dem Hintergrund des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Ländern Zentralamerikas daran erinnert werden muss, dass Werte, die die EU vertritt und fördert — die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie sowie die Menschenrechte — zu achten sind; fordert die EU auf, die Lage zu überwachen und erforderlichenfalls zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden können;

    11.

    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, der Parlamentarischen Versammlung Europa–Lateinamerika, dem Zentralamerikanischen Parlament sowie der Regierung und dem Parlament der Republik Nicaragua zu übermitteln.

    (1)  ABl. C 45 E vom 23.2.2010, S. 89.

    (2)  ABl. C 285 E vom 21.10.2010, S. 74.


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