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Document 52014AE4756

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Sechster Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt: Investitionen in Beschäftigung und Wachstum (COM(2014) 473 final)

ABl. C 242 vom 23.7.2015, p. 43–47 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

23.7.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 242/43


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Sechster Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt: Investitionen in Beschäftigung und Wachstum

(COM(2014) 473 final)

(2015/C 242/08)

Berichterstatter:

Paulo BARROS VALE

Die Europäische Kommission beschloss am 23. Juli 2014, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Sechster Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt: Investitionen in Beschäftigung und Wachstum“

COM(2014) 473 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 16. Dezember 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 504. Plenartagung am 21./22. Januar 2015 (Sitzung vom 21. Januar 2015) mit 211 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Kommission — „Sechster Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt“, möchte jedoch gleichzeitig eine Reihe von Vorbehalten und Bedenken zu dieser derart wichtigen Thematik vorbringen.

1.2.

Ziel der Kohäsionspolitik muss ihr ursprünglicher Zweck bleiben, der auch im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert ist, nämlich die Förderung des sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts. Dafür müssen Zusammenarbeit und Solidarität in den Dienst einer harmonischen Entwicklung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gestellt werden. Die Fokussierung auf die Europa-2020-Strategie ist wichtig, angesichts der derzeitigen Herausforderungen aber unzureichend.

1.3.

Der Bericht ist eine Bilanz der Bemühungen der EU um ein lebenswerteres Europa, jedoch auch eine Bestandsaufnahme der dabei auftretenden Schwierigkeiten. Infolge der Krise sind die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede und das zwischen den (und innerhalb der) verschiedenen Mitgliedstaaten bestehende Gefälle größer geworden, wobei es zu einer Konzentration von Wachstum und Entwicklung gekommen ist. Die bei der Konvergenz erzielten Fortschritte wurden von der Krise nicht nur unterbrochen, sondern in einigen Fällen hat sich die Lage sogar verschärft, und fast im gesamten Euroraum herrscht Rezession.

1.4.

In Zeiten der Krise, wie wir sie gerade durchleben, sind die meisten Mitgliedstaaten und insbesondere die Länder des Euroraums nicht in der Lage, Investitionen zu fördern, wodurch sich die Unterschiede zwischen den Gebieten in Randlage und den Zentren (sowohl zwischen den EU-Mitgliedstaaten als auch innerhalb der einzelnen Länder) vergrößern. Das führt zu perversen Effekten wie Migrationsströmen und Konzentration der Investitionstätigkeit in den am höchsten entwickelten Gebieten, was eine rückläufige Entwicklung und Entvölkerung für die anderen Regionen bedeutet.

1.5.

Die ergriffenen Sparmaßnahmen haben generell nicht die erwartete Wirkung gezeigt. Ein ausgeglichener Haushalt ist ein erstrebenswertes Ziel, das aber nicht um jeden Preis verfolgt werden darf, da es sonst negative Auswirkungen hat und die Ergebnisse der Kohäsionspolitik zunichtemacht.

1.6.

Die Kohäsionspolitik, die in vielen Fällen die wichtigste Quelle von Investitionen sein dürfte, sollte ehrgeiziger konzipiert oder sogar grundlegend überarbeitet werden, solange kein Aufschwung bei Wachstum und Beschäftigung zu verzeichnen ist. Aus den bislang erzielten Ergebnissen kann geschlossen werden, dass die für diese Politik bereitgestellten Mittel offenkundig nicht ausreichen, um die wirklichen Probleme zu lösen. Es gilt daher, alternative Formen der Finanzierung für Konvergenzmaßnahmen zu finden, die die Kohäsionspolitik auf eine neue Stufe heben, die nicht nur auf der Solidarität innerhalb Europas beruht — derzeit ein besonders heikles Thema. Für die Solidarität innerhalb Europas werden große Anstrengungen unternommen, doch angesichts des Ausmaßes der Defizite, die in den wirtschaftlich und sozial am schwächsten entwickelten Regionen bestehen, reichen die dabei mobilisierten Ressourcen nicht für die realen Konvergenzerfordernisse aus.

1.7.

In einer globalen Wirtschaft hat sich die Globalisierung in unterschiedlicher Weise in den verschiedenen Regionen ausgewirkt. Diese verfolgen unterschiedliche Ansätze für Investitionen, wobei untersucht werden muss, warum einigen Regionen die Konvergenz gelingt, anderen dagegen nicht. Es muss unbedingt gelingen, mit der Kohäsionspolitik neue Formen der Governance einzuführen, mit denen die Regionen erfolgreich auf die vor ihnen stehenden Herausforderungen reagieren können. Die Rolle des Staates sollte es sein, zur Aufwertung der besonderen Merkmale der Regionen beizutragen, die Grundsätze der intelligenten Rechtsetzung einzuhalten, ein dynamisches Unternehmertum sicherzustellen und insbesondere die Entwicklung der KMU zu unterstützen sowie die Innovationsfähigkeit zu stärken, um damit Wohlstand, Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und ökologische Nachhaltigkeit zu fördern.

1.8.

Die Kohäsionspolitik muss auch in Zukunft auf die Förderung des Wirtschaftswachstums und der Wettbewerbsfähigkeit abstellen, darf dabei aber nicht die sozialen Ziele für ein intelligentes und inklusives Wachstum vernachlässigen. Der EWSA unterschreibt das Motto dieses sechsten Kohäsionsberichts: „Investitionen in Beschäftigung und Wachstum“.

2.   Vorschläge

2.1.

Grundlegendes Ziel der Kohäsionspolitik ist es, ihre Mittel so zu kanalisieren und zu investieren, dass ein veritabler Investitionsplan für Wachstum und Beschäftigung vorangetrieben wird. Zusammen mit dem nun beschlossenen Juncker-Plan sollen damit vorrangig länderübergreifende europäische Strukturprojekte (z. B. verschiedene Verkehrsnetze und Breitbandnetze) finanziert werden und eine Direktfinanzierung für Unternehmen (insbesondere KMU) in Schlüsselbereichen der lokalen Entwicklung und der Sozialwirtschaft bereitgestellt werden.

2.2.

Im Rahmen des unlängst angenommenen Juncker-Plans wird ein „Fonds für strategische Investitionen“ geschaffen, der aus bestehenden EU-Fonds und durch die EIB finanziert wird. Dabei hat man sich das sehr ehrgeizige Ziel gesetzt, eine größtmögliche Nutzung privater und öffentlicher Investitionsmittel zu erreichen, wozu schnell umsetzbare Projekte ausgewählt werden. Der Plan geht davon aus, dass es eine riesige, noch unerschlossene Nachfrage nach Investitionen dieser Art gibt. Ob der Plan Erfolg haben wird, kann nur die Zukunft zeigen.

2.3.

Mit Blick auf weiterführende Zielstellungen sind im Rahmen der Kohäsionspolitik neben den verfügbaren Fonds auch eigene Finanzierungsformen denkbar, z. B. durch Beteiligung der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder Eurobonds, ohne dadurch die Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung oder die Erfüllung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu gefährden.

2.4.

Damit die Investitionen ihre Multiplikatorwirkung entfalten können, sollte ein beträchtlicher Teil der verbleibenden Strukturfondsmittel aus dem vorhergehenden Programmplanungszeitraum (2007-2013) sowie Mittel aus dem neuen Zeitraum der EIB für eine Rekapitalisierung zugewiesen werden, um so auf dem Markt Risikokapital einzuwerben, das die Wirkung der Kohäsionspolitik verstärken könnte (1).

2.5.

Die Kohäsionspolitik muss mit den anderen Initiativen der EU gut verzahnt sein, insbesondere mit der Förderung der Wirtschafts- und Währungsunion, damit die elf gesteckten Ziele zusammen erreicht werden können und die „Investitionen für Wachstum und Beschäftigung“ tatsächlich getätigt werden.

2.6.

Die Kohäsionspolitik darf die Ziele der Haushaltskonsolidierung nicht infrage stellen. Die finanziell am schlechtesten gestellten Mitgliedstaaten haben derzeit nicht die Mittel, um die öffentliche Investitionstätigkeit anzukurbeln, und bieten daher für private Anleger keine attraktiven Konditionen. Der Grundsatz der Zusätzlichkeit muss in den betroffenen Mitgliedstaaten mit Umsicht und in entsprechend angepasster Form angewandt werden, da die Nichteinhaltung dieses Grundsatzes die Mittelzuweisungen beeinträchtigt, die in einigen Fällen die einzige Finanzierungsquelle für Investitionen sein können. Der EWSA unterstützt die Anwendung der goldenen Regeln, wonach die Kofinanzierung im Rahmen der Strukturfonds in den am stärksten von der Rezession betroffenen Staaten vorläufig aus den Berechnungen für den Fiskalpakt (und/oder Stabilitätspakt) ausgenommen werden sollte (2).

2.7.

Hier ist eine Überwachung der Ergebnisse von wesentlicher Bedeutung. Der EWSA bekräftigt seine Auffassung, dass die Zwischen- und Endergebnisse durch dynamische Arbeitsgruppen bewertet werden sollten, die ihre Schlussfolgerungen auf einem jährlichen europäischen Gipfel (3) vorstellen könnten, mit dem die Debatte über und ggf. die Annahme von Korrekturmaßnahmen gefördert werden.

2.8.

Die Durchführung der Kohäsionspolitik muss unter Einbindung der Sozialpartner erfolgen. Im Rahmen des Modells für die Verwaltung der kohäsionspolitischen Programme sollte die Möglichkeit von pauschalen Subventionen für die organisierte Zivilgesellschaft erwogen werden, um eine bürgernahe und unmittelbar auf die Lösung bestimmter Probleme ausgerichtete Unterstützung zu ermöglichen. Der EWSA setzt sich bereits seit Langem bei den EU-Institutionen dafür ein, doch leider ohne konkreten Erfolg.

2.9.

Es müssen regelrechte Kontrollmechanismen geschaffen werden, die die Sozialpartner zur Begleitung dieser Politik befähigen, damit sie nicht in vielen Fällen bloße Zuschauer bleiben, sondern tatsächlich mitwirken können. Der Beitrag der Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft ist von wesentlicher Bedeutung, nicht nur bei der Konzipierung der operationellen Programme, sondern auch bei der Überwachung und Bewertung der Ergebnisse. Durch Einbindung der Partner werden die Debatte über die festgestellten Probleme und Verbesserungs- und Vereinfachungsvorschläge für einen leichteren Zugang zu EU-Finanzierungen und für eine effizientere Verwendung der Mittel gefördert.

2.10.

Die Vereinfachung und Harmonisierung der Vorschriften für die Programme und die Vereinheitlichung der Verfahren und Formulare sind entscheidende Voraussetzungen für bessere Ergebnisse. Die Kommission kann bestimmte Verfahren vereinfachen, doch die wichtigste Rolle kommt den Mitgliedstaaten zu, da mit den EU-Verordnungen Möglichkeiten und keine Pflichten eingeführt werden. Die Mitgliedstaaten brauchen Unterstützung und Anreize für eine drastische Vereinfachung der Verfahren und den Verzicht auf unnötige zusätzliche Details, wobei die Kommission diese Bemühungen begleiten könnte und soweit möglich eine strikte Kontrolle der Ergebnisse anstelle rein administrativer Kontrollen stattfinden sollte. Die Vereinfachung könnte durch eine außerordentliche Maßnahme (eine neue Verordnung) des Rates geregelt werden (4).

2.11.

Die Anwendung eines Grundsatzes der Gewährung von Investitionen und der Bewertung der Förderfähigkeit der Ausgaben mit der Möglichkeit der Erstattung auf der Grundlage vereinfachter Kosten (Pauschalprinzip) ist für verschiedene Fälle denkbar, zum Beispiel für allgemeine Betriebskosten, wobei die Förderfähigkeit der Ausgaben dann vom Ergebnis und nicht von der buchhalterischen Zurechnung anhand von Verteilungsschlüsseln abhängt. Die Mitgliedstaaten müssen dann Anreize für die möglichst umfassende Anwendung dieses Grundsatzes erhalten, wobei die Verfahren zu vereinfachen sind.

2.12.

Die Vereinfachung derjenigen Verwaltungsverfahren, die nichts zu den Ergebnissen beitragen, muss durch Schulungsmaßnahmen für Unternehmer, insbesondere Mittelständler, und deren Beschäftigte sowie für Beamte flankiert werden. Die Schulung ist ein grundlegendes Instrument für das Verständnis der Finanzierungsverfahren und für die korrekte Verwendung der verfügbaren Mittel. Insbesondere die Fortbildung von Beamten ist wesentlich, um das thematische Ziel einer besseren öffentlichen Verwaltung zu erreichen.

2.13.

Die durch die Verringerung des Verwaltungsaufwands eingesparten Ressourcen könnten für die Schaffung einer Arbeitsgruppe bei der Kommission verwendet werden, mit dem Ziel, die Mitgliedstaaten und die Regionen bei der Aufstellung und Umsetzung von kohäsionspolitischen Vorhaben zu beraten und zu unterstützen. Diese Gruppe zur Unterstützung der Länder und der Regionen könnte in letzter Instanz und bei Verletzung der Vorschriften an die Stelle der für die Verwaltung der EU-Mittel zuständigen nationalen Stellen treten, sei es bei der Planung oder bei der Umsetzung der Pläne und der Einhaltung der Fristen.

2.14.

Die Ziele der Kohäsionspolitik dürfen nicht nur anhand von quantitativen Indikatoren gemessen werden. Zur Förderung des sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts, der das Kernstück der Kohäsionspolitik bildet, gehören auch Ziele, die durch qualitative Indikatoren gemessen werden können, die auf die Erfassung der Entwicklung und nicht nur des Wachstums ausgelegt sind. Es reicht zum Beispiel nicht, die Zahl der Arbeitslosen zu erfassen, die an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen und Arbeit gefunden haben, sondern es muss auch gemessen werden, inwieweit sich diese Bildungsmaßnahmen in einer Verbesserung der Lebensbedingungen niederschlagen.

2.15.

Die Ex-ante-Konditionalität, mit der eine Reihe von Voraussetzungen für die Auszahlung der Gelder festgelegt wird, darf nicht dazu führen, das bestimmte besonders hoch verschuldete Regionen von der Förderung ausgeschlossen werden, weil sie aufgrund ihrer Situation nicht in der Lage sind, die zur Schaffung dieser Voraussetzungen nötigen Investitionen zu tätigen oder anzuziehen. Die Ex-ante-Konditionalität muss behutsam angewendet oder sogar für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt werden, wenn eine Krisensituation oder Deflation droht, da sonst die bereits schwierige Situation bestimmter Regionen noch verschärft und diesen jede Möglichkeit genommen wird, wachstumsfördernde Finanzierungen zu erhalten, was die Probleme für sie weiter verschlimmert.

2.16.

Die makroökonomische Konditionalität darf nicht zur Anwendung kommen, da sonst die Regionen und ihre Bürger für die auf nationaler oder europäischer Ebene getroffenen makroökonomischen Entscheidungen bestraft werden (5).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die Einführung von Reformen in der Kohäsionspolitik wurde bereits im fünften Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt behandelt, wobei der EWSA seinerzeit den allgemeinen Ansatz befürwortet hatte.

3.2.

Die Kohäsionspolitik wird als Hauptwachstumsmotor dargestellt. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass sie das nur sein kann, wenn sie mit den anderen EU-Maßnahmen in den einzelnen Politikbereichen zusammenwirkt. Die Ausrichtung der Kohäsionspolitik auf die Ziele der Strategie Europa 2020 ist zwar wichtig, reicht jedoch nicht aus: Es gilt, zusammen mit den übrigen gemeinsamen Politikbereichen und Instrumenten auf wirtschaftlicher, sozialer und regionaler Ebene gemeinsame Umsetzungsstrategien aufzustellen.

3.3.

Besonderes Augenmerk muss der Umsetzung der Kohäsionspolitik in den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern gelten, die um eine Haushaltskonsolidierung ringen, was ihre öffentliche Investitionstätigkeit beeinträchtigt. Die Gratwanderung zwischen der Anwendung des Grundsatzes der Zusätzlichkeit und der notwendigen Haushaltskonsolidierung ist schwierig, eine fehlende Verzahnung der Ziele und der Methoden zu ihrer Verwirklichung kann die Haushaltskonsolidierung beeinträchtigen und/oder die potenzielle Wirkung der Kohäsionspolitik aufheben.

3.4.

Die Bedeutung der Kohäsionspolitik für die Entwicklung der am stärksten benachteiligten Regionen wird anerkannt, doch in einigen dieser Regionen hätte dieses Wachstum bei günstigeren Entwicklungsbedingungen stärker ausfallen können. Der EWSA befürwortet die Einführung eines „Good governance“-Kriteriums im Einklang mit den Leitlinien der OECD, das ein besseres Umfeld für die Entwicklung ermöglichen soll.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Bis in Europa bei Entwicklung, Beschäftigung und Wohlstand wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird, ist es noch ein weiter Weg. Das intelligente, nachhaltige und inklusive Wachstum, das eine Priorität der Strategie Europa 2020 bildet, wird jetzt durch die Neuausrichtung der Kohäsionspolitik unterstützt.

4.2.

Im sechsten Bericht ist noch keine Bewertung der Wirkung der Kohäsionspolitik im Zeitraum 2007-2013 enthalten, da diese erst nachträglich Anfang 2015 evaluiert wird. Anhand der vorliegenden Daten kann jedoch festgestellt werden, dass die Krise große Auswirkungen hatte und es der Kohäsionspolitik nicht gelungen ist, diesen Auswirkungen zu begegnen, wobei die Unterschiede in einigen Fällen gleich geblieben oder sogar größer geworden sind.

4.3.

Hierbei ist eine klare Festlegung von Strategien für die einzelnen Investitionsbereiche unter Berücksichtigung der Besonderheiten der verschiedenen Regionen von wesentlicher Bedeutung. Wie es in der Mitteilung heißt, „sollten Projekte an Strategien ausgerichtet sein und nicht umgekehrt“. Strategien aufzustellen reicht jedoch nicht aus. Es gilt, ein geeignetes regulatorisches Umfeld zu schaffen, das strikt ist, jedoch nicht durch unnötigen Verwaltungsaufwand abschreckend und hemmend wirkt. Günstige Rahmenbedingungen sind von größter Bedeutung, wie in der Mitteilung festgestellt wird. Die Kommission muss mehr Entschlossenheit gegenüber den Staaten an den Tag legen, die die Vorschriften nicht einhalten, um so die Verschwendung von Geldern, die von den Nettozahler-Staaten nicht geduldet wird, zu verhindern.

4.4.

Die Kohäsionspolitik erhält eine neue Ausrichtung in Form der vorteilhaften Auswahl einer begrenzten Zahl von Prioritäten, da mit den knappen Mitteln nicht der gesamte Bedarf der weniger entwickelten Regionen gedeckt werden kann. Der konzentrierte Einsatz der Mittel zur Unterstützung von Projekten mit großer und anhaltender Wirkung auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene hat zwar Vorteile, da damit spezifische Probleme gelöst werden. Ein derartiger Ansatz kann aber in einigen Fällen auch negative Auswirkungen haben: In Ländern mit in ihrer Entwicklung sehr heterogenen Gebieten, in denen es wenig private Investitionen gibt, kann eine zu große Mittelkonzentration Gebiete oder Zonen von Wachstum und Entwicklung ausschließen, die eigentlich Kohäsionsmittel erhalten könnten, was zu ihrer Konvergenz und zu einer gesamtheitlichen Entwicklung beitragen würde.

4.5.

Angesichts der unterschiedlichen vorliegenden Daten zur Wirkung der Kohäsionspolitik können die tatsächlichen Auswirkungen der getätigten Investitionen nur schwer beziffert werden, was zeigt, dass nicht die geeignetsten Indikatoren ausgewählt wurden. Der EWSA begrüßt, dass es hier anscheinend eine Weiterentwicklung gibt, da klare und messbare Ziele und Ergebnisse festgelegt werden sollen. Die in den Partnerschaftsvereinbarungen festgelegten Prioritäten, Indikatoren und Ziele müssen langfristig überwacht werden, was gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen ermöglicht, um eine tatsächliche Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Ergebnisse und eine zuverlässige Beobachtung der Maßnahmen sicherzustellen.

4.6.

Die Auswahl der Indikatoren darf sich jedoch nicht auf rein quantitative Kriterien beschränken. Das quantitative Kriterium ist zwar ideal, um Wachstum zu messen, für die Entwicklung jedoch sind qualitative Indikatoren erforderlich, die nicht vernachlässigt werden dürfen.

4.7.

In der Mitteilung werden die Städte als Wachstumsmotoren herausgestellt. An sie fließt fast die Hälfte der im Rahmen des EFRE bereitgestellten Mittel. Investitionen in die Städte und in ihr Potenzial als Katalysatoren sind zu begrüßen, jedoch mit Vorbehalten. Der EWSA weist darauf hin, dass diese Investitionen durchdacht werden müssen, da sonst Zentralismus mit negativen Auswirkungen Vorschub geleistet wird. Der Zuzug von vielen Menschen in die Städte kann zwar die Entwicklung stimulieren, eine Übervölkerung verstärkt jedoch auch Armut und soziale Ausgrenzung. Der Mangel an Investitionen in weniger zentral gelegenen Regionen bedroht die Lebensqualität der dortigen Bevölkerung und führt zu einer immer stärkeren Entvölkerung und Abwanderung in die großen Städte, wobei Tätigkeiten in der Landwirtschaft, Fischerei und Industrie — für die Entwicklung der EU wesentlichen Wirtschaftszweigen — aufgegeben werden.

4.8.

Die bessere Einbeziehung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft wird als ein Grundprinzip der Kohäsionspolitik herausgestellt. Die Kommission hat im Januar 2014 eine delegierte Verordnung zum Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (6) veröffentlicht. Bei der Analyse des Dokuments kommt man zu dem Schluss, dass es keine großen Neuerungen im Vergleich zur bestehenden Praxis gibt und darin lediglich die Grundprinzipien für die Auswahl und die Einbindung der Partner und eine Reihe nachahmenswerter Vorgehensweisen aufgelistet werden, ohne dass eine verbindliche Regelung für eine Überwachung durch die Sozialpartner eingeführt wird. In Wirklichkeit spielen die Sozialpartner in vielen Mitgliedstaaten lediglich eine symbolische Rolle bei der Entscheidungsfindung: Es findet zwar eine Konsultation statt, doch der Meinung der bürgernahen Akteure, die die Probleme besonders gut kennen, wird nicht Rechnung getragen. Ungeachtet dieser Probleme bekräftigt der EWSA seine Unterstützung für die umfassende Umsetzung des Europäischen Verhaltenskodex.

4.9.

Der EWSA hatte bereits Gelegenheit, seine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, dass alle Partner und Interessenträger der organisierten Zivilgesellschaft in die Vorbereitung, Durchführung und Ex-post-Bewertung der Programme und Projekte einbezogen werden sollten, da dies zu einer verbesserten Qualität und effizienteren Umsetzung beiträgt (7).

4.10.

Der bürokratische Aufwand muss verringert werden. Unter Heranziehung der im Rahmen der Rechnungsprüfungen ausgesprochenen Empfehlungen sollte der Schwerpunkt der Programme auf der Kontrolle der erzielten Ergebnisse und nicht so sehr der Form liegen, in der diese erreicht wurden, da dies mit komplizierten Verwaltungsverfahren verbunden ist, für die im öffentlichen und im privaten Sektor riesige und kostspielige Strukturen unterhalten werden müssen. Bürokratischer Aufwand ist ein großes Hemmnis für die Teilnahme vieler Unternehmer und für die Effizienz der öffentlichen Verwaltung. Eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verfahren, Vorschriften und Formulare ist nicht nur möglich, sondern wünschenswert.

5.   Good Governance — eine neue Herausforderung für 2014-2020

5.1.

Es gibt zwei unterschiedliche Auffassungen über die Bedeutung und den Einfluss einer guten Regierungsführung auf das Wirtschaftswachstum, von denen sich jedoch eine durchzusetzen scheint: Eine gute Regierungsführung und das Vorhandensein effizienter öffentlicher Einrichtungen sind notwendige Voraussetzungen für eine solide wirtschaftliche Entwicklung. Diese Ansicht wird auch vom EWSA vertreten.

5.2.

Rechtssicherheit und eine unabhängige Justiz sowie eine angemessene und beständige Rechtssetzung verringern die Verschwendung von Verwaltungsressourcen und vermitteln ein Gefühl der Stabilität, das sich günstig auf Investitionen auswirkt, was wiederum unmittelbar die Kohäsionspolitik betrifft.

5.3.

Der EWSA befürwortet die Einführung des in den Grundsätzen der OECD für effiziente öffentliche Investitionen verankerten Good-Governance-Kriteriums in der Kohäsionspolitik, da damit einem Querschnittserfordernis entsprochen wird. Die bestehenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Fähigkeit zur Umsetzung von Projekten und neuen Unternehmungen müssen verringert werden, da eine schwache Governance nicht nur den Inlandsmarkt beeinträchtigt, sondern auch Hindernisse für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten schafft, was dem Binnenmarkt schadet.

5.4.

Einige Mitgliedstaaten haben offenbar Nachholbedarf hinsichtlich der Koordinierung auf regionaler Ebene und grundsätzlich in Bezug auf eine wirksame regionale Regierungsebene als Bindeglied zwischen der nationalen und der lokalen Regierungsebene, die in der Lage ist, regionale Strategien zu entwerfen, die für die Entwicklung und Konvergenz der Regionen von Bedeutung sind. Der Zentralstaat ist oft unfähig, die Bedürfnisse und Prioritäten seiner Gebietskörperschaften richtig zu interpretieren, überträgt den regionalen Einrichtungen aber dennoch mitunter nicht die erforderlichen Befugnisse, weshalb diese lediglich den Resonanzkörper für die nationale Politik bilden und keinen Mehrwert für die Region schaffen.

5.5.

Im Rahmen des neuen Kriteriums der Good Governance darf nicht vergessen werden, dass eine effiziente öffentliche Verwaltung nur möglich ist, wenn die Verantwortlichen in den Behörden entsprechend geschult werden und gleichzeitig der politische Wille für die erforderlichen Änderungen der Vorschriften da ist.

Brüssel, den 21. Januar 2015

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 10.

(2)  ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 10.

(3)  ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 68.

(4)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 23.

(5)  ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 30.

(6)  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 240/2014 der Kommission (ABl. L 74 vom 14.3.2014, S. 1).

(7)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 23.


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