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Document 52014AE6716

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der Beitrag der Zivilgesellschaft zur Überarbeitung der EU-Strategie für Zentralasien“ (Sondierungsstellungnahme)

    ABl. C 242 vom 23.7.2015, p. 1–8 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    23.7.2015   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 242/1


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der Beitrag der Zivilgesellschaft zur Überarbeitung der EU-Strategie für Zentralasien“

    (Sondierungsstellungnahme)

    (2015/C 242/01)

    Berichterstatter:

    Jonathan PEEL

    Mitberichterstatter:

    Dumitru FORNEA

    Am 25. September 2014 ersuchte Rihards Kozlovskis, Innenminister und amtierender Außenminister der Republik Lettland, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um die Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zu folgendem Thema:

    „Der Beitrag der Zivilgesellschaft zur Überarbeitung der EU-Strategie für Zentralasien“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 17. Dezember 2014 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 504. Plenartagung am 21./22. Januar 2015 (Sitzung vom 21. Januar 2015) mit 180 gegen 2 Stimmen bei 18 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt nachdrücklich das Ersuchen des künftigen lettischen EU-Ratsvorsitzes um eine Sondierungsstellungnahme zu der anstehenden zweijährlichen Überprüfung der EU-Strategie für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien (1) und insbesondere seinen Vorschlag zur Vertiefung der Beziehungen der EU zu den fünf zentralasiatischen Ländern (2) hin zu einer effektiven Partnerschaft als eine ihrer wesentlichen außenpolitischen Prioritäten.

    1.1.1.

    Auf diese Weise würde der Ausschuss erneut auf die Schlussfolgerungen und Empfehlungen seiner 2011 verfassten Stellungnahme zu Zentralasien hinweisen (3), die nach wie vor aktuell sind.

    1.2.

    Der Ausschuss nimmt die anlässlich der letzten Überarbeitung verabschiedeten Schlussfolgerungen des Rates zur Kenntnis, dass die EU-Strategie sich bewährt hat und nach wie vor gültig ist (4). Jegliches Bemühen der EU um die Vertiefung ihrer Beziehungen mit den fünf zentralasiatischen Ländern muss auf einer pragmatischen Grundlage beruhen und den sich wandelnden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten der Region angepasst sein — ohne Missachtung der wichtigsten Menschenrechte und Grundsätze und mit größtmöglicher Flexibilität, um den Ausbau von Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen zu erleichtern.

    1.2.1.

    Vor allem erübrigt sich sicher der Hinweis, dass es — anders als in Europa — kein echtes regionales Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen diesen Ländern gibt, die daher einzeln betrachtet werden müssen, und dass jedwede Vertiefung oder Erweiterung des Engagements der EU in diesen Ländern sich unweigerlich auf ihre übergeordneten Beziehungen zu Russland auswirken wird. Die EU muss die bestehenden Machtstrukturen in der Region berücksichtigen und sich zugleich das Recht auf unabhängiges Handeln vorbehalten. Da diese fünf Länder früher der ehemaligen Sowjetunion angehörten, ist Russland der Ansicht, dass sie — ebenso wie die Ukraine — in seinem eigenen Einflussbereich liegen. Folglich sind bei dieser Überarbeitung das Gesamtkonzept der EU gegenüber Russland und ihre Beziehungen zu Russland mitzubedenken.

    1.3.

    Der Ausschuss stellt fest, dass die strategische Lage Zentralasiens seit 2011, insbesondere vor dem Hintergrund der Ukrainekrise, an Bedeutung gewonnen hat. Darüber hinaus stellt er fest, dass das Engagement Chinas in der Region exponentiell zugenommen hat. Die Region ist daher wichtig für die Beziehungen der EU zu China und bietet eine gute Gelegenheit zur Stärkung der strategischen Partnerschaft EU-China, insbesondere durch eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Verkehr. Wir empfehlen eine umfassende Behandlung dieser Aspekte.

    1.3.1.

    In der Partnerschaftsstrategie werden Energie und Verkehr als vorrangige Bereiche eingestuft. Der Ausschuss wiederholt seine Empfehlung von 2011, dass die Tragfähigkeit der Verbindungen der EU zu den erheblichen potenziellen Energiereserven Zentralasiens auf praktischen und wirtschaftlichen Überlegungen basieren muss. Die EU beteiligt sich zu Recht an der Entwicklung des Energiesektors in diesen Ländern, zumal ihre Reserven Europa zusätzliche und ergänzende (im Gegensatz zu alternativen) Energiequellen bieten, wenngleich sie durch Fragen des Transits und der Beförderung erschwert werden. Es wird jedoch wichtig sein, mögliche Missverständnisse mit China in Zusammenhang mit dem beiderseitigen Interesse an einer verstärkten Energieversorgung aus Zentralasien zu vermeiden.

    1.3.2.

    Wir empfehlen nachdrücklich, die erheblichen Kompetenzen der EU bezüglich einer verstärkten Zusammenarbeit für die Verbesserung der Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energieträger zu nutzen, da das Potenzial der Region bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist; ein weiteres zentrales Ziel ist der Ausbau der regionalen Zusammenarbeit mit der EITI (5).

    1.3.3.

    Außerdem wiederholt der Ausschuss seine Empfehlung von 2011, dass die vorgeschlagenen Verkehrskorridore Chinas und der EU vollständig aufeinander abgestimmt werden müssen, nicht zuletzt in der Eisenbahninfrastruktur, wo dies möglich ist. Darüber hinaus empfiehlt der Ausschuss, bei der IGC TRACECA (6) (der Zwischenstaatlichen Kommission für den Verkehrskorridor Europa-Kaukasus-Asien) stärker auf Ergebnisse hinzuwirken, um die Entwicklung einer nachhaltigen Infrastrukturkette zu beschleunigen und dabei einen multimodalen Verkehr (insbesondere Schienen- und Straßenverkehrinfrastruktur) durch die Vernetzung des Korridors mit den transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN-V) zu gewährleisten.

    1.4.

    Allerdings wird die EU keine großen Sympathien bei den Menschen in Zentralasien gewinnen, wenn sie lediglich wirtschaftliche Ziele verfolgt. Ein Schwerpunkt der Partnerschaftsstrategie liegt daher auf den Themen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Demokratisierung. Mit der Strategie muss der Aufbau von Vertrauen innerhalb der bestehenden Machtstrukturen gefördert werden. Hier steht die Region weiterhin vor großen Herausforderungen aufgrund des schmerzlichen Übergangs von der Kommandowirtschaft zur marktorientierten Volkswirtschaft, der durch endemische Phasen ethnischer, umweltbezogener und wirtschaftlicher Turbulenzen beeinträchtigt wurde.

    1.4.1.

    In der Partnerschaftsstrategie wird insbesondere die Fähigkeit Europas unterstrichen, „Erfahrungen mit der regionalen Integration auf dem Weg zu politischer Stabilität und Wohlstand“ zu bieten, wobei besonders auf diejenigen Mitgliedstaaten Bezug genommen wird, die der EU 2004 oder später beigetreten sind. Daher ruft der Ausschuss den lettischen Ratsvorsitz nachdrücklich dazu auf, die anderen Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, ihre Erfahrungen mit der Bewältigung des Übergangs von einer Kommandowirtschaft, mit der Entwicklung elektronischer Behördendienste (und insbesondere mit der „elektronischen Seidenautobahn“ — e-silk-highway) sowie mit anderen Fördergebieten auszutauschen, die einen Mehrwert bieten könnten, vor allem wenn sie mit Bemühungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit einhergehen.

    1.4.2.

    Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Empfehlungen der EWSA-Stellungnahme „Nachhaltiger Wandel in Übergangsgesellschaften“ (7). Darüber hinaus möchten wir darauf hinweisen, dass Unternehmen und Gewerkschaften — getrennt voneinander und als Sozialpartner — hierbei ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, indem sie ihre bestehenden Verbindungen nutzen und nicht zuletzt bei den zentralasiatischen Regierungen auf eine umfassendere Anerkennung der positiven Rolle der Zivilgesellschaft hinwirken. Um hierfür zu werben, sowie zur Investitionsförderung empfehlen wir, dass eine Delegation des EWSA bei nächster Gelegenheit nach Zentralasien reist.

    1.4.3.

    Besonders besorgt ist der Ausschuss über Berichte, wonach das Amt des Sonderbeauftragten der EU abgeschafft wurde, und empfiehlt nachdrücklich, es so bald wie möglich wieder einzurichten.

    1.5.

    Die Themen Jugend und Bildung sind besonders wichtig. In diesem Zusammenhang begrüßt der Ausschuss das revidierte, sehr populäre EU-Programm Erasmus+, das zur Förderung noch engerer Bildungskontakte und Mobilität in der Tertiärbildung beiträgt und mit Visumerleichterungen und Gebührenbefreiungen für die begabtesten Studierenden der Region einhergehen soll.

    1.5.1.

    Die Hälfte der zentralasiatischen Bevölkerung ist jünger als 25 Jahre. Daher ist die Sekundärbildung mindestens genauso wichtig wie die Tertiärbildung. Der Ausschuss fordert die EU nachdrücklich zu größerem Engagement und stärkerer Förderung — unter anderem durch die Bereitstellung von Unterrichtsmaterial (soweit es in der Sekundärbildung fehlt) — sowie zu einer umfassenderen Information über die EU in den lokalen Sprachen auf. Erwogen werden sollten auch eine stärkere Unterstützung für Lehrer, eventuell im Rahmen des übergeordneten Programms für ländliche Entwicklung, sowie eine Ausweitung der Zielgruppen, so dass auch die Eltern stärker eingebunden werden. Eine Steigerung des allgemeinen Bildungsniveaus sollte auch eine etwaige Radikalisierung der Jugend in der Region verringern.

    1.5.2.

    Der Ausschuss empfiehlt außerdem eine stärkere Unterstützung für den naturwissenschaftlichen Unterricht in Zentralasien, wo er von historischer Bedeutung war und insbesondere Verbindungen zu den baltischen Staaten bestanden, sowie die Gewährleistung einer stärkeren Medienpräsenz in der Region über europäische Rundfunk- und Fernsehnetzwerke wie Euronews und Euranet, die Programme in den lokalen Sprachen anbieten.

    1.6.

    Gleichwohl ist der Ausschuss der festen Überzeugung, dass die Menschenrechte am besten durch die Entwicklung und Förderung von Kontakten mit der örtlichen Zivilgesellschaft und durch den Ausbau ihrer Fähigkeit zur Entwicklung hin zu einem effektiven (Ansprech-)partner der Regierungen gefördert werden können, wodurch wiederum die Rechtsstaatlichkeit sowie eine unabhängige Justiz gestärkt werden.

    1.6.1.

    Die Förderung eines unabhängigen öffentlichen Dienstes und einer stärkeren Beteiligung der örtlichen Zivilgesellschaft sind nach wie vor entscheidend, vor allem, weil beide traditionell kaum ausgeprägt sind. Wesentlich ist, dass die EU sich selbst im Rahmen des Menschenrechtsdialogs umfassender und intensiver für die örtliche Zivilgesellschaft engagiert und stärker einsetzt, nicht zuletzt durch eine vermehrte Nutzung des Internets und einschlägiger Websites.

    1.6.2.

    Eines der ersten Ergebnisse der EU-Strategie für Zentralasien von 2007 war die Einrichtung des Menschenrechtsdialogs der EU. Mit jedem Land wurden durchschnittlich sechs Dialogrunden durchgeführt. Der Ausschuss begrüßt zwar ausdrücklich die Briefings zivilgesellschaftlicher Organisationen durch den EAD in Brüssel, dringt jedoch auf deutlich mehr Sitzungen mit zentralasiatischen zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort. Diese scheinen bislang nur ad hoc stattgefunden zu haben und meistens nur im Vorfeld des Dialogs; außerdem werden dabei nicht immer diejenigen Themen behandelt, welche die zivilgesellschaftlichen Organisationen als die wichtigsten ansehen.

    1.6.3.

    Der Ausschuss bedauert, dass die Rolle der traditionellen, ländlicheren ashar/hashar-Formen von Gemeinschafts- bzw. Selbsthilfevereinigungen, die in Gebieten mit Nomaden- wie auch mit sesshafter Bevölkerung Zentralasiens tief verwurzelt sind, bislang von der EU weitgehend außer Acht gelassen wurden, die offenbar nur fest etablierte professionelle NGO fördert. Dies muss ebenfalls dringend geändert werden.

    1.7.

    Bemerkungen zu den vielen spezifischen Bereichen der Partnerschaftsstrategie würden den Rahmen dieser Stellungnahme sprengen, doch sind die Themen ökologische Nachhaltigkeit und Wasser weiterhin von grundlegender Bedeutung. Der Ausschuss fordert dringend eine stärkere Betonung der Energieeffizienz, der Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit, vor allem jedoch der Wassereffizienz, sowie intensive Bemühungen zur Verringerung der extrem hohen Wasserverschwendung. Wasser ist ein wichtiges Primärgut in der Region und sollte die Grundlage für jede mögliche Unterstützung der EU für die örtliche Landwirtschaft bilden.

    1.7.1.

    Der Ausschuss wiederholt seine Empfehlung von 2011 zu den miteinander verbundenen, wenngleich schwierigen Fragen der Ernährungs- und Wassersicherheit sowie Energieversorgung. Er fordert die EU erneut nachdrücklich auf, bei den fünf Staaten stärker auf eine gemeinsame und ganzheitliche Bewältigung dieser Probleme hinzuwirken, nicht zuletzt deshalb, weil die EU bei der Unterstützung anderer Akteure auf diesem Gebiet bereits Erfahrung hat, und einen stärkeren gegenseitigen Handel mit Agrarerzeugnissen zu fördern.

    2.   Hintergrund

    2.1.

    Der künftige lettische EU-Ratsvorsitz hat die Vertiefung der Beziehungen der EU zu den fünf zentralasiatischen Ländern zu einer seiner wichtigsten außenpolitischen Prioritäten erklärt. Anfang 2015 sollen die Schlussfolgerungen des Rates nach der zweijährlichen Überarbeitung der EU-Strategie für Zentralasien durch den EAD verabschiedet werden. Der Ausschuss wurde insbesondere ersucht, die zentralen Fragen aufgrund der derzeitigen geopolitischen und strategischen Lage zu erörtern, zumal es ein deutliches Potenzial für die Entwicklung einer echten Partnerschaft zwischen der EU und den zentralasiatischen Ländern gibt.

    2.1.1.

    Zu diesen Fragen gehören Sicherheit, Bildung, Energie, Verkehr, Umweltfragen, darunter auch die ländliche Entwicklung, die übergeordneten Aspekte der nachhaltigen Entwicklung sowie das Unternehmensumfeld, einschließlich KMU, Handel und Investitionen.

    2.1.2.

    Es ist nicht nötig, an dieser Stelle viele der Hintergrunddetails der Stellungnahme von 2011 zu wiederholen. Wichtig ist jedoch der Hinweis, dass die fünf Länder sich zwar über ein sehr großes Gebiet erstrecken, die Gesamtbevölkerung (2013) jedoch nur ca. 66 Mio. Einwohner zählt. Diese vergleichsweise neuen Staaten sind noch im Entstehen begriffen. Sie sind erst seit 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unabhängig geworden, und in keinem dieser Länder gab es vorher eine nationale Befreiungsbewegung. Die meisten haben ein gespanntes Verhältnis zu ihren Nachbarn, nicht zuletzt aufgrund der Grenzen, die selten entlang der ethnischen Grenzen verlaufen; dies kann in Gewalt umschlagen. Das geringe noch vorhandene Zusammengehörigkeitsgefühl kann jedoch auch ein negativer Faktor sein, da es an die Zeiten der Sowjetunion erinnert. Große Herausforderungen bestehen auch aufgrund des schmerzlichen Übergangs zu marktorientierten Volkswirtschaften. Auch die Geisteshaltung der regierenden Eliten hat sich nicht viel verändert: die Verwaltungsstrukturen der alten sowjetischen Nomenklatura haben sich in bürokratische Strukturen einzelner Oligarchen, Clans und Familien verwandelt.

    2.1.3.

    Zudem befinden sich die fünf Länder in grundverschiedenen Entwicklungsphasen. Kasachstan ist der zentrale Akteur der Region, zu dem die Beziehungen der EU rasche Fortschritte verzeichnen. Kirgisistan und Tadschikistan sind weitaus ärmer, jedoch relativ offen mit einem gewissen Maß an zivilgesellschaftlichem Engagement. Die Beziehung der EU zu Usbekistan wird auch enger, während Turkmenistan das am stärksten abgeschottete Land der Region ohne echte unabhängige Zivilgesellschaft bleibt.

    3.   Strategischer Knotenpunkt

    3.1.

    Trotz der Unwirtlichkeit der Gegend ist Zentralasien seit 2011 als strategischer Knotenpunkt immer wichtiger geworden. Aufgrund der geografischen Lage ist die Region bei den Verkehrswegen, die ihr den Zugang zu internationalen Märkten ermöglichen, extrem auf ihre Nachbarländer angewiesen.

    3.1.1.

    Der russische Einfluss ist stark, und seit der Krise in der Ukraine und der Nichteinhaltung internationaler Verträge durch Russland wird er regional und international mit noch größerer Aufmerksamkeit verfolgt. Allgemein wird angenommen, dass der russische Präsident versucht, den früheren Einflussbereich wiederherzustellen. Dies wiederum nährt Ängste vor einer Rückkehr zu den Zeiten des Kalten Krieges und einer stärkeren potentiellen Bedrohung nicht nur konkret der Länder, die früher Teil der Sowjetunion waren, sondern auch allgemeinerer Interessen. Darüber hinaus darf nicht unterschätzt werden, wie stark die „Soft Power“ ist, die Russland über Radio und Fernsehen ausübt, was noch dadurch unterstützt wird, dass Russisch die Hauptverkehrssprache der Region ist und ein großer Anteil der Migranten aus der Region gegenwärtig in Russland beschäftigt ist.

    3.1.2.

    Insbesondere konzentriert sich das internationale Interesse stärker auf Energie (und natürliche Ressourcen), auch wenn der chinesische Einfluss in der Region bereits sehr groß war. Dazu kommt, dass die Aussichten auf ein Kriegsende in Afghanistan und ein abnehmendes Engagement der USA einem militanten Islamismus und dem so genannten Islamischen Staat Vorschub leisten könnten.

    3.2.

    Viele betrachten Zentralasien als Hauptschauplatz einer neuerlichen chinesisch-russischen Rivalität, wobei der EU nur eine Statistenrolle zukommt. In der Finanzkrise 2008 ist die Wirtschaft in China auf Russlands Kosten gewachsen. Im Energiebereich haben diese zwei Länder kein leichtes Miteinander gehabt, und durch das stärkere Engagement Chinas in Zentralasien wird die dortige Vormachtstellung Russlands deutlich infrage gestellt. Dies könnte mit der Zeit ausreichend dafür sein, dass Russland sich trotz der gegenwärtigen Spannungen um engere Beziehungen zur EU bemüht. Es ist auffällig, wie viel Zurückhaltung China (ebenso wie Indien) in der Ukrainekrise an den Tag legt. Viele können die europäischen Bedenken nicht vollständig nachvollziehen.

    3.2.1.

    China ist auch die treibende Kraft hinter der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), zu deren Mitgliedern auch Zentralasien, Russland und der Iran gehören. Ihr ursprünglicher Zweck war die Beilegung von Grenzstreitigkeiten. Für China hat sich die Organisation aber auch nützlich erwiesen, sowohl um in den neuen Ländern für sich zu werben als auch um auf der chinesischen Seite der Grenze in Sinkiang die eigene Position zu stärken. Für Russland ist die SOZ wichtig, um den eigenen Einflussbereich gegen China zu verteidigen, aber sie bietet auch die Möglichkeit, Sicherheitsfragen zu erörtern, darunter Terrorismus, Extremismus und Separatismus (die „drei Geißeln“).

    3.2.2.

    Chinas zunehmende Bedeutung in der Region zeigte sich 2013, als Staatspräsident Xi die Initiative „Wirtschaftsgürtel Seidenstraße“ ins Leben rief, die mit 16,3 Mrd. USD ausgestattet war und deren Ziel darin liegt, engere Verbindungen zu Europa aufzubauen, aber auch die Länder entlang der Seidenstraße zu beteiligen. Der Grund für Chinas wirtschaftliche Aktivitäten in der Region ist sein Energiebedarf. China hat sowohl Straßen als auch Rohrleitungssysteme gebaut und erhebliche Investitionen insbesondere in turkmenisches Gas getätigt, möglicherweise mehr als dort gegenwärtig gefördert werden kann, aber den riesigen Vorkommen in Turkmenistan durchaus angemessen. Zwar berichtete die russische Nachrichtenagentur „Nowosti“ (8), dass Russland Tadschikistan 6,7 Mio. USD als Hilfe für eine Umstrukturierung der Landwirtschaft angeboten habe, aber später erklärte ein tadschikischer Minister gegenüber der Financial Times, dass China bis 2017 mindestens 6 Mrd. USD investieren werde (beinahe 70 % des tadschikischen BIP im Jahr 2013 und mehr als das 40-fache seiner jährlichen ausländischen Direktinvestitionen (9)).

    3.2.3.

    Wie in Afrika geht das chinesische Engagement damit einher, dass massenhaft chinesische Arbeitskräfte und Ingenieure ins Land geholt werden, was einiges Missfallen erregt hat, das in Tadschikistan möglicherweise noch dadurch verschärft wurde, dass viele der einheimischen Arbeitskräfte in Russland arbeiten.

    3.3.

    Am 1. Januar 2015 wird unter der Führung Russlands die aus der früheren Zollunion hervorgegangene Eurasische Wirtschaftsunion Wirklichkeit werden. Kasachstan wird der Wirtschaftsunion angehören, höchstwahrscheinlich auch Kirgisistan, auch wenn das mit Blick auf seine florierende Tätigkeit als Zwischenhändler für Exporte aus China zu Problemen führen könnte. Auch Tadschikistan wird wohl keine andere Alternative haben, als der Währungsunion beizutreten, nicht zuletzt, weil die Heimatüberweisungen der in Russland arbeitenden Tadschiken 52 % seines BIP ausmachen. In Usbekistan und Turkmenistan bestehen jedoch nach wie vor stärkere Bedenken gegen eine erneute Intensivierung der Bindungen zu Russland.

    3.3.1.

    Kasachstan dagegen sieht die Währungsunion im Wesentlichen eher als wirtschaftlichen denn als politischen Zusammenschluss und ist darauf bedacht, die verschiedenen internationalen Interessen, die von außen an es herangetragen werden, in einem Gleichgewicht zu halten. Kasachstan ist sehr daran interessiert, das erst vor kurzem geschlossene vertiefte Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU so bald wie möglich abzuzeichnen. Außerdem ist es als erstes zentralasiatisches Land dem Asien-Europa-Treffen (ASEM) (10) beigetreten. Es ist bedauerlich, dass Kasachstans Beitrittsgesuch für die WTO von der WTO-Ministerkonferenz 2013 nicht zu einem Abschluss gebracht worden ist, was von vielen auf Verzögerungen durch seinen großen eurasischen Nachbarn zurückgeführt wird.

    3.4.

    Obwohl es sich bei dem militanten Islamismus um ein Minderheitenphänomen handelt (religiöser Fanatismus war 1990 im Bürgerkrieg in Tadschikistan ein wesentlicher Faktor), verfolgt jede Regierung eine aggressive säkulare Politik, was angesichts des immer stärker werdenden Wunsches — auch von Frauen — nach einer muslimischen Erziehung kontraproduktiv ist. Sunniten stellen den Großteil der Bevölkerung. Personen aus der Gegend waren an Kampfhandlungen in Syrien beteiligt. Der Iran ist an einer Intensivierung seiner Kontakte in dieser Region interessiert, nicht nur hinsichtlich der Verkehrs- und Energieinfrastruktur (und seiner Beziehung zu China), sondern auch im kulturellen und sprachlichen Bereich. In Tadschikistan und weiten Teilen Usbekistans (z. B. Samarkand, Buchara) wird Persisch gesprochen. Da die anderen Sprachen zur Gruppe der Turksprachen gehören, hat die Türkei ebenfalls ein zentrales Interesse an der Region.

    4.   Das Potenzial zur Entwicklung einer stärkeren Partnerschaft zwischen der EU und Zentralasien

    4.1.

    In der EWSA-Stellungnahme von 2011 wird festgestellt, dass der EU eine vergleichsweise schwache Rolle in der Region zukommt. Die EU hat im Juli 2007 eine eigene Strategie für Zentralasien initiiert, die jetzt turnusmäßig zur Überprüfung ansteht. Obwohl der Handel nur einen geringen Umfang hat, ist die EU einer der Haupthandelspartner aller Länder in der Region, insbesondere Kasachstans. 2013 entfielen auf die EU 38 % des gesamten kasachischen Handelsvolumens und zwei Drittel der kasachischen Exporte (im Wesentlichen Energie). Insgesamt hatten die Importe der EU aus dieser Region ein Volumen von 24,9 Mrd. EUR und die Exporte ein Volumen von 10,6 Mrd. EUR und machten damit 1 % des Gesamthandelsvolumens der EU aus.

    4.1.1.

    Es muss jede Möglichkeit ergriffen werden, den Handelsumfang mit den einzelnen Ländern ebenso wie die dortigen Investitionen zu vergrößern und die Rolle und Tätigkeit der Sozialpartner als zentrale zivilgesellschaftliche Akteure auszubauen.

    4.1.2.

    Kirgisistan kann im Rahmen des ASP (11) Zollvergünstigungen erhalten, aber weder Usbekistan noch Tadschikistan haben einen Antrag zur Aufnahme in das ASP+ gestellt, was zweifellos auf die daran geknüpften Bedingungen zurückzuführen ist. 2016 wird Turkmenistan die Förderungsfähigkeit unter dem ASP verlieren, da es dann als Land mit mittlerem Einkommen eingestuft werden wird. Da nur Kirgisistan und Tadschikistan WTO-Mitglieder sind, ist nicht mit dem Abschluss von Freihandelsabkommen, insbesondere der Art, die die EU mit der Ukraine, Georgien oder Moldau geschlossen hat, zu rechnen. Dennoch muss die EU im Zusammenhang mit der Östlichen Partnerschaft und der Schwarzmeerstrategie ihren Blick, wann immer möglich, viel stärker nach Zentralasien richten.

    4.2.

    Durch eine stärkere Zusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen Energie und Verkehr, bietet Zentralasien eine wichtige Gelegenheit zur Stärkung der strategischen Partnerschaft EU-China. Dies muss gründlich geprüft werden, da beide Seiten beabsichtigen, mehr Energie aus der Region zu beziehen.

    4.2.1.

    Angesichts der riesigen Kohlenwasserstoffvorkommen in Zentralasien, insbesondere in der Form von Erdgas, werden diese Ziele gegenwärtig nicht als stark miteinander konkurrierend wahrgenommen. Natürlich wird das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum in der Region einen stärkeren internen Energiebedarf nach sich ziehen, aber daneben existiert ein erhebliches unerschlossenes Potenzial zur Verbesserung der Energieeffizienz und Erschließung erneuerbarer Energiequellen. Da die EU ein erhebliches Fachwissen entwickelt hat und in ihr eine starke Industrie im Bereich der nachhaltigen Energie entstanden ist, spricht sehr viel für die Verbesserung der Zusammenarbeit in diesen Bereichen, aber auch für eine Ausweitung der Zusammenarbeit in der Region im Rahmen der EITI (12), die eine größere Transparenz bezüglich der Staatseinnahmen aus Energierohstoffen mit sich bringt und die Rolle der Zivilgesellschaft stärkt.

    4.3.

    Das TRACECA-Programm bleibt für die EU eine wichtige Initiative. Hierbei handelt es sich um ein internationales Programm, mit dem auf Grundlage der bestehenden Verkehrssysteme vom Schwarzmeerbecken bis zum Südkaukasus und nach Zentralasien Wirtschaftsbeziehungen, Handel, Verkehr und Kommunikation gestärkt werden sollen. In dem TRACECA-Programm manifestieren sich der politische Wille und die gemeinsamen Ziele der 13 Mitgliedstaaten, darunter die entsprechenden Länder der früheren Sowjetunion und Zentralasiens (mit Ausnahme Turkmenistans), Türkei, Bulgarien und Rumänien.

    4.3.1.

    Der Aufbau einer modernen, interoperablen Straßeninfrastruktur sowie einer strategischen Eisenbahninfrastruktur entlang der Seidenstraße liegt im zentralen Interesse Chinas und der EU, aber auch Russlands. Die erfolgreiche Erschließung dieser Region mittels einer modernen und verlässlichen Infrastruktur wäre eine enorme Chance nicht nur für eine größere wirtschaftliche Integration, sondern auch für die Förderung der Mobilität von Personen und des multikulturellen Austausches, was wiederum die Bedingungen verbessern würde, um Rechtsstaatlichkeit und Demokratie voranzutreiben. Dementsprechend begrüßt der Ausschuss die besondere Bedeutung, die der lettische Ratsvorsitz der Entwicklung multimodaler Verkehrsverbindungen in Eurasien beimisst.

    4.4.

    Kasachstan hat enorme natürliche Ressourcen und fossile Brennstoffe, von denen viele noch unangetastet sind. Allerdings bleibt die fördernde Industrie weit hinter ihren Möglichkeiten zurück (13). Kasachstan und Usbekistan haben reiche Öl- und Gasvorkommen, und allein in Turkmenistan befinden sich 9 % der weltweiten Erdgasreserven (14). Andererseits müssen Kirgisistan und Tadschikistan ihr Potenzial im Bereich der Wasserkraft ebenso wie ihre Vorkommen wertvoller Mineralien noch erschließen (15). Usbekistan und Turkmenistan gehören zu den zehn größten baumwollproduzierenden Ländern weltweit, obwohl ihre Wasserressourcen für diese viel Wasser benötigende Pflanze eigentlich nicht ausreichen.

    4.5.

    Allerdings wird die EU nicht die Sympathie der Menschen in Zentralasien gewinnen, wenn sie lediglich wirtschaftliche Ziele verfolgt. Ein Drittel der Bevölkerung Kirgisistans und Tadschikistans lebt unter der Armutsgrenze. In Kirgisistan sind mehr als zwei Drittel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in der Schattenwirtschaft beschäftigt. Mehr als eine Million Tadschiken und ungefähr halb so viele Kirgisen arbeiten im Ausland, insbesondere in Russland oder Kasachstan, nicht zuletzt aufgrund der Jugendarbeitslosigkeit im eigenen Land. Trotz rechtlicher Gleichstellung der Frau besteht nach wie vor ein Ungleichgewicht zwischen dem Einkommen von Männern und dem von Frauen, was teilweise auf die geringen Beschäftigungsquoten von Frauen, die noch dazu in Niedriglohnberufen tätig sind, zurückzuführen ist. Frauen haben außerdem weniger Bildungsmöglichkeiten.

    4.6.

    Daher werden in dieser Stellungnahme eine Reihe wesentlicher Empfehlungen in den Bereichen Energie- und Wassereffizienz, Ernährungssicherheit (die in Tadschikistan immer noch ein zentrales Problem ist), Wasserversorgungssicherheit und Energieversorgung vorgelegt, die an die Empfehlungen der Stellungnahme von 2011 anknüpfen.

    5.   Die Rolle der Zivilgesellschaft

    5.1.

    Eine grundsätzliche Überzeugung des EWSA ist es, dass der Ausbau von Kontakten zur Zivilgesellschaft vor Ort für die EU einer der besten Wege zu einer effektiven Zusammenarbeit ist. Außerdem ist es wichtig, dass dies auf eine positive Art und Weise geschieht. Nicht zuletzt sollte versucht werden, die Vorbehalte zu zerstreuen, die die Regierungen in der Region gegenüber der Rolle der Zivilgesellschaft in immer stärkerem Ausmaß an den Tag legen (16). Die Förderung eines stärkeren Kontakts zwischen jungen Menschen und entsprechender Austauschprogramme sollte eine Hilfe auf diesem Weg sein. Der Ausschuss begrüßt sehr, dass man sich mit dem erweiterten EU-Programm Erasmus+ zur Förderung engerer Bildungskontakte und Mobilität im tertiären Bildungsbereich, das idealerweise mit Visumerleichterungen und Gebührenbefreiungen für die begabtesten Studierenden der Region einhergeht, um ein hohes Maß an Unterstützung in Zentralasien bemüht.

    5.1.1.

    Die Sekundarbildung ist ein anderer zentraler Bereich, in dem die EU stärker aktiv werden und mehr fördern kann, unter anderem dadurch, dass mehr Informationen über die EU in den lokalen Sprachen bereitgestellt werden und sich stärker um die Einbindung der Eltern bemüht wird. In einigen Ländern sind Rückschritte im Bildungssystem zu beobachten: Es mangelt an Schulbüchern für die Sekundarstufe, und eine gute Erziehung wird allgemein als elitär wahrgenommen, was nicht zuletzt an den enormen Kosten der Hochschulbildung liegt. Ebenfalls positiv könnte sich eine basisnahe Förderung der Lehrer erweisen, vielleicht im Kontext der allgemeinen ländlichen Entwicklung. Es sollte ebenfalls ernsthaft erwogen werden, über europäische Rundfunk- und Fernsehnetzwerke wie Euronews und Euranet, die Programme in den lokalen Sprachen anbieten, eine stärkere Medienpräsenz in der Region zu zeigen.

    5.2.

    2011 hat der Ausschuss in seiner Stellungnahme die Rolle und Tätigkeit der im weiteren Sinne unabhängigen Zivilgesellschaft in Zentralasien untersucht. Bedauerlicherweise scheint sich die Situation seitdem in keinem der fünf Länder nennenswert verbessert zu haben. Stärkere Vorbehalte der Regierungen haben zu einem größeren Druck auf nichtstaatliche Organisationen, die Medien und Oppositionelle geführt. Ende 2011 gab es in Kasachstan bei Protesten der Arbeiter in der Ölindustrie 14 Tote und viele Verletzte, was dazu geführt hat, dass die Regierung unabhängigen Gewerkschaften misstrauischer gegenübersteht, einer der Hauptoppositionsführer verhaftet wurde und verschiedene Medienbetriebe verboten wurden.

    5.2.1.

    In Kirgisistan und Kasachstan, in denen die Zivilgesellschaft stärker aktiv ist, gibt es Bestrebungen zu einer stärkeren Reglementierung internationaler NRO. In Kasachstan wurde eine Studie über die Erfahrungen „anderer Länder“ (d. h. Russlands) erstellt, und im kirgisischen Parlament wurde erneut ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der sich am russischen Beispiel orientiert.

    5.3.

    Besonders eingegangen wurde in der Stellungnahme von 2011 auch auf traditionelle, stärker ländlich geprägte Arten der gemeinschaftlichen Organisation bzw. Vereinigungen zur Selbsthilfe (z. B. zur Verbesserung der gemeinschaftlichen Infrastruktur), die tief in Zentralasien verwurzelt sind, sowohl in den vom Nomadentum geprägten Gebieten als auch dort, wo die Bevölkerung traditionell sesshaft ist. Eine Renaissance erlebten diese Organisationsformen (Ashar/Hashar) in den neunziger Jahren nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems, insbesondere im sozialen Bereich. Auch wenn Ashar-Organisationsformen im allgemeinen keine formalen Strukturen benötigen, haben einige dieser Zusammenschlüsse die formalen Anforderungen für die Gründung einer Organisation erfüllt und sich als Nichtregierungsorganisation eintragen lassen. Diese Zusammenschlüsse bieten gegenüber Spendern aus dem Ausland eine Grundlage für Projekte, die ländliche Gemeinschaften stärken.

    5.3.1.

    Wir bedauern, dass die EU die Tendenz hat, ausschließlich fest etablierte NRO zu fördern, stellen aber gleichzeitig fest, dass Ashar/Hashar-Organisationsformen auf vorsowjetischen Traditionen beruhen, die häufig nicht mit den Wertvorstellungen von Spendern im Einklang stehen, besonders wenn Entscheidungen von „Aksakals“ („Dorfältesten“) getroffen werden. Wenn diese ein Projekt für unnötig halten, richtet sich die Dorfgemeinschaft strikt nach dieser Entscheidung und behindert dessen Umsetzung.

    5.4.

    Auf die EU-Strategie für Zentralasien von 2007 folgte die Einrichtung des Menschenrechtsdialogs der EU. Mit den meisten Ländern fanden sechs Dialogrunden statt (mit Usbekistan acht, mit Kirgisistan fünf).

    5.4.1.

    Vor und nach jeder Dialogrunde führte der EAD in Brüssel Informationsveranstaltungen für zivilgesellschaftliche Organisationen durch. Treffen mit zentralasiatischen Organisationen der Zivilgesellschaft vor Ort dagegen wurden lediglich auf einer Ad-hoc-Basis durchgeführt, meistens vor der jeweiligen Dialogrunde. Diese lokalen Seminare bieten der zentralasiatischen und europäischen Zivilgesellschaft ein Forum zur Erörterung länderspezifischer Menschenrechtsfragen mit EU- und Regierungsvertretern, die die Tagesordnung unter sich festlegen. Die Empfehlungen der Zivilgesellschaft, die in diesen Seminaren erstellt werden, müssen in vollem Umfang Eingang in die Menschenrechtsdialoge finden.

    5.4.2.

    Es ist von Fall zu Fall unterschiedlich, welche Relevanz die Menschenrechtsdialoge und die begleitenden zivilgesellschaftlichen Seminare haben und was für eine Bedeutung sie entfalten. Einige Bedeutung für die tatsächliche Menschenrechtssituation und den Dialog mit den Regierungen hatten lediglich die Seminare in Kirgisistan und Tadschikistan, nach denen einzelne konkrete Gesetzesänderungen durchgeführt wurden (17), insbesondere über die Anwendung von Folter. In beiden Fällen kam den von der EU initiierten Dialogen jedoch lediglich eine ergänzende und unterstützende Bedeutung zu, da die Fragen bereits im Vorfeld in UN-Foren diskutiert worden waren. Bedauerlicherweise war die Wirkung in anderen Ländern sehr beschränkt, in Usbekistan wurde lediglich 2008 ein zivilgesellschaftliches Seminar abgehalten, in Turkmenistan gar keins.

    5.4.3.

    Allerdings wurde der Zivilgesellschaft in Kasachstan ein Mitspracherecht bei der Festlegung der Themen für das zivilgesellschaftliche Seminar 2011 verwehrt. Dort wurden zwar die Rechte behinderter Menschen und Gleichstellungsfragen erörtert, nicht aber über den damals aktuellen Streik der Arbeiter in der Ölindustrie im Westen Kasachstans gesprochen. 2012 lag der Schwerpunkt des Seminars auf dem „Beitrag der Zivilgesellschaft zur Reform der Justiz in Kasachstan“, die Regierung Kasachstans jedoch zeigte kein Interesse an der Veranstaltung, und es ist unklar, ob die Empfehlungen damals in die Menschenrechtsdialoge eingeflossen sind.

    5.5.

    Trotz der unterschiedlichen wirtschaftlichen Lage gibt es bei den fünf Ländern im Bereich Beschäftigung große Gemeinsamkeiten: Es gibt generell zu wenig gute Arbeit, die Schattenwirtschaft ist enorm wichtig, und Korruption ist weit verbreitet. Dies ist ein Klima, das der Vereinigungsfreiheit nicht zuträglich ist.

    5.5.1.

    In allen Ländern bestehen für den Arbeitskampf und insbesondere das Streikrecht restriktive gesetzliche Bestimmungen. Eine Einflussnahme seitens der Regierung ist häufig, meist durch Wunschkandidaten für führende Posten in Gewerkschaften und gesetzliche Beschränkungen von Gewerkschaftsstrukturen, -verfahren und -aktivitäten. In Kasachstan könnte ein neues Gesetz zu einem Gewerkschaftsmonopol führen, wie es bereits in Tadschikistan und Usbekistan der Fall ist. Der soziale (dreiseitige) Dialog auf nationaler Ebene wird stark vom Staat dominiert: Die Rolle der Sozialpartner ist größtenteils beratend, und führende Gewerkschafter stehen den staatlichen Stellen nahe.

    5.5.2.

    In der Stellungnahme von 2011 wurde die Situation hinsichtlich der Kernübereinkommen der ILO untersucht. Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan haben viele Jahre lang mit der ILO zusammengearbeitet, vor allem im Rahmen der Programme für menschenwürdige Arbeit, die Usbekistan im April 2014 unterzeichnet hat. Festzustellen ist, dass das internationale Programm der ILO zur Beseitigung von Kinderarbeit in Kirgisistan und Tadschikistan funktioniert; die EU nimmt auch die positiven Schritte Usbekistans in diesem Bereich zur Kenntnis (18). Die vollständige Umsetzung dieser Übereinkommen bleibt jedoch ein wesentliches Ziel.

    Brüssel, den 21. Januar 2015

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  Europäische Union und Zentralasien: Eine Strategie für eine neue Partnerschaft, Rat QC-79.07.222.29C, Oktober 2007.

    (2)  Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.

    (3)  CESE 1010/2011 (ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 49).

    (4)  Siehe Pressemitteilung Schlussfolgerungen des Rates zu Zentralasien, Juni 2012.

    (5)  Extractive Industries Transparency Initiative (Initiative zur Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie).

    (6)  http://www.traceca-org.org/en/traceca/

    (7)  ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 6.

    (8)  7. Februar 2014.

    (9)  22. Oktober 2014, laut „The Diplomat“11. November 2014.

    (10)  Ein wichtiges Forum für Dialog und Zusammenarbeit auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Im Oktober 2014 waren es 53.

    (11)  Das allgemeine Präferenzsystem der EU.

    (12)  Initiative für Transparenz in der Rohstoffindustrie.

    (13)  http://www.gecf.org/gecfmembers/kazakhstan(observer) (in Englisch).

    (14)  BP Statistical Review of World Energy [Statistischer Weltenergiebericht von BP], Juni 2014.

    (15)  Die Menge der Eisenerzvorkommen in Kirgisistan wird auf 5 Mrd. Tonnen geschätzt, wobei ihr Eisengehalt bei größtenteils über 30 % liegt. Darüber hinaus befindet sich in Kirgisistan eins der größten nachgewiesenen Goldvorkommen der Welt.

    (16)  Dies hat auch mit dem „Arabischen Frühling“, der jüngsten Gesetzgebung „über ausländische Agenten“ in Russland und schließlich der Euromaidan-Bewegung in der Ukraine zu tun.

    (17)  Nachdem auf einem zivilgesellschaftlichen Seminar vier Monate zuvor entsprechende Empfehlungen abgegeben worden waren, verabschiedete das kirgisische Parlament im Juni 2012 ein Gesetz gegen Folter. In Tadschikistan wurde im selben Jahr ein Gesetz verabschiedet, das Folter unter Strafe stellt.

    (18)  Pressemitteilung des EAD vom 19. November 2014.


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