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Document 52014AR4330

    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Ein strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020

    ABl. C 140 vom 28.4.2015, p. 16–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.4.2015   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 140/16


    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Ein strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020

    (2015/C 140/04)

    Berichterstatter

    :

    Mauro D'ATTIS (IT/EVP), Mitglied des Stadtrats von Brindisi

    Referenzdokument

    :

    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über einen strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020

    COM(2014) 332 final

    I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Allgemeine Bemerkungen

    1.

    begrüßt die in der Mitteilung der Europäischen Kommission formulierte Absicht, einen strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020 zu schaffen und die Beschäftigungsziele der Europa-2020-Strategie einzuhalten, die durch die Förderung hoher Standards bei den Arbeitsbedingungen sowohl in der EU als auch auf internationaler Ebene erreicht werden sollen, er fragt sich aber, warum die Kommission keine spezifische legislative Maßnahme innerhalb dieses strategischen Rahmens — insbesondere bezüglich Erkrankungen des Bewegungsapparats und Karzinogene — vorsieht;

    2.

    unterstützt in diesem Zusammenhang die Aufforderung des Europäischen Parlaments an die Europäische Kommission,

    ein Modell für das Screening und die Registrierung von Asbest gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2009/148/EG auszuarbeiten, umzusetzen und zu fördern;

    eine Folgenabschätzung und eine Kosten-Nutzen-Analyse zur Möglichkeit durchzuführen, Aktionspläne für die sichere Beseitigung von Asbest aus öffentlichen Gebäuden aufzustellen, und

    Informationen und Leitlinien vorzulegen, um private Hauseigentümer darin zu bestärken, ihre Gebäude gründlich auf asbesthaltige Materialien untersuchen und eine diesbezügliche Risikobewertung durchführen zu lassen;

    3.

    verweist auf das widersprüchliche Verhalten der Europäischen Kommission, die einerseits einen strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020 aufstellen möchte, andererseits aber gleichzeitig in ihrem Arbeitsprogramm für 2015 ankündigt, eventuell den Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 92/85/EWG des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz zurückzuziehen;

    4.

    erkennt an, wie wichtig es ist, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Risiken für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und die stetige, schrittweise Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf EU-Ebene abzustimmen;

    5.

    nimmt zur Kenntnis, dass ein großer Teil der diesbezüglich in der EU-Strategie für den Zeitraum 2007-2012 vorgesehenen Initiativen bereits durchgeführt wurde, wobei aber keine verbindlichen und messbaren Ziele mit einem Zeitplan festgelegt wurden;

    6.

    betont die grundlegende und wichtige Rolle, die die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter bei der Entwicklung von Maßnahmen für Gesundheit und Sicherheit auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene spielen müssen, und ruft die Kommission auf, bei ihren Entscheidungsprozessen den sozialen Dialog zu stärken;

    7.

    stimmt der Entscheidung der Europäischen Kommission zu, drei wesentliche Herausforderungen innerhalb des neuen strategischen Rahmens zu definieren. Diese sind: 1. die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften; 2. bessere Maßnahmen zur Vorbeugung gegen berufsbedingte Krankheiten einschließlich der Vorsorge gegen neue und aufkommende Risiken; 3. die Reaktion auf den demografischen Wandel;

    8.

    stimmt mit dem Europäischen Parlament darin überein, dass die Wirtschaftskrise nicht als Vorwand für die Aufweichung der Strategien dienen sollte, und hebt die Bedeutung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz als Grundrecht der Arbeitnehmer hervor (1);

    9.

    bedauert die geringe Einbindung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) in die Strategie der Kommission und fordert die Kommission auf, deren formelle Einbeziehung bei den Bemühungen in diesem Bereich zu garantieren und sie auch angesichts ihrer Funktion als wichtige Arbeitgeber als grundlegende institutionelle Akteure anzuerkennen;

    10.

    betont, dass die LRG aufgrund ihrer Partnerschaft und Beziehungen zu den örtlichen Unternehmen bei der Anpassung der Vorschriften, der Förderung einer „Präventionskultur“ und der korrekten Anwendung der Präventionsstandards sowie der Unterstützung der Vertretung und kollektiven Wahrnehmung von Interessen im Sicherheitsbereich eine wichtige Rolle wahrnehmen können;

    Bemerkungen zu den von der Kommission aufgezeigten sieben wichtigsten strategischen Zielen

    A.   Weitere Konsolidierung der nationalen Strategien

    11.

    schlägt vor, einen (wünschenswerterweise von der EU-OSHA koordinierten) zentralen europäischen Lenkungsausschuss mit Ermittlungs-, Koordinierungs- und Entwicklungsaufgaben im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit einzurichten, auch zwecks wirksamerer Wahrnehmung einer proaktiven Referenz-, Steuerungs- und Überwachungsfunktion bei der Anwendung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten. Ein solcher Lenkungsausschuss sollte:

    eine vernetzte Organisationsstruktur haben, die synergetisch verschiedene Zuständigkeiten koordiniert, die derzeit auf zahlreiche europäische (insbesondere EU-OSHA und Eurofound), nationale, regionale und lokale Einrichtungen aufgeteilt sind, bei denen zugleich eine Neufestlegung der operativen Aufgaben und Funktionen angesichts des tiefgreifenden Wandels der letzten fünfzehn Jahre für wichtig erachtet wird;

    in Kooperation und unter Beteiligung der Sozialpartner auf EU-Ebene auch die Funktion eines ständigen Forums für Konsultation und Entwicklung wahrnehmen, um ein verschiedene Blickwinkel umfassendes Gesamtbild im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhalten;

    zur Vermeidung zusätzlicher Kosten im Hinblick auf den aktuellen europäischen Ausgabenüberprüfungsrahmen ausschließlich auf solche Humanressourcen zurückgreifen und solche Räume, geeignete Infrastrukturen usw. nutzen, die bereits vom Netz der im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz tätigen europäischer und nationaler Institutionen genutzt werden;

    12.

    ist der Ansicht, dass rasch Maßnahmen gegen die Beschneidung der Arbeitnehmerrechte ergriffen werden sollten wie auch zum wirksamen Abbau der im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz bei den Rechtsvorschriften sowie den Modellen herrschenden Unterschiede, durch die es zu Sozialdumping und unlauterem Wettbewerb unter den Gebieten innerhalb des EU-Markts kommen kann;

    13.

    befürwortet die von der Kommission vorgesehene Maßnahme zur Überprüfung der nationalen Strategien vor dem Hintergrund des neuen Rahmens und zur Einrichtung einer Datenbank mit allen nationalen Strategien für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in Zusammenarbeit mit der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA). Diese Arbeit soll im engen Dialog mit den europäischen Sozialpartnern durchgeführt werden;

    14.

    ist überzeugt, dass die Entwicklung einer „Präventionskultur“ gefördert werden muss (mit Initiativen im Bereich der Schulbildung, Lehrlingsausbildung und Berufs- und Weiterbildung) wie auch das Entstehen einer soliden und modernen „Unternehmenskultur“, die auf der Überzeugung gründet, dass die Qualität der industriellen Verfahren und Produkte von der Qualität der Arbeitskräfte abhängt;

    15.

    misst Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der Prävention arbeitsbedingter Risiken, die sowohl den Arbeitnehmern als auch dem Unternehmen selbst Vorteile bringen, entscheidende Bedeutung zu;

    16.

    pflichtet der Kommission darin bei, dass die Sensibilisierung für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz bereits in der Schule beginnt, und befürwortet die Empfehlung, diese Fragen stärker in den schulischen Lehrplänen zu berücksichtigen;

    17.

    begrüßt, dass die Kommission der Sensibilisierung der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit schenkt, und unterstreicht die Rolle, die die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften dabei spielen müssen;

    18.

    befürwortet mit besonderem Nachdruck die Finanzierung von Maßnahmen ab 2014 und fordert eine Ad-hoc-Unterstützung für von den LRG vorgelegte Projekte, insbesondere für Gebiete, in denen eine wirksame flächendeckende Versorgung durch das öffentliche Gesundheitswesen nicht gegeben ist, oder für Gebiete, die vor demografischen Herausforderungen stehen;

    B.   Erleichterung der Einhaltung der Rechtsvorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, insbesondere in Kleinst- und Kleinunternehmen

    19.

    spricht sich im Sinne des Grundsatzes einer horizontalen Subsidiarität dafür aus, Maßnahmen zur Unterstützung der Unternehmen bei technischen und organisatorischen Lösungen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vorzusehen;

    20.

    stimmt der Kommission darin zu, dass eine technische und finanzielle Unterstützung des Online-Instruments für die interaktive Gefährdungsbeurteilung (OiRA) (2) und anderer technischer und wissenschaftlicher Instrumente und IT-Werkzeuge in den Mitgliedstaaten erforderlich ist, vor allem in Sektoren mit hoher Priorität und in Kleinst- und Kleinunternehmen;

    21.

    befürwortet die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme, den Austausch bewährter Verfahren mit den KMU zu fördern, die von größeren Unternehmen in der Auftragnehmer-Lieferant-Auftraggeber-Kette unterstützt werden, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu verbessern;

    22.

    fordert mehr integrierte Strategien für die KMU (finanzielle Anreize, besserer Zugang zu ESF und EFRE, praktikable, aber vom technischen und wissenschaftlichen Standpunkt aus präzise Instrumente für die Risikoabschätzung, Partnerschaft);

    23.

    plädiert für die Förderung von Maßnahmen zur Gewährung von Steuervergünstigungen für Kapitalanlagen und jährliche Instandhaltungskosten von Unternehmen, die im Einklang mit von den zuständigen öffentlichen Regulierungsstellen herausgegebenen Leitlinien und Modellen Systeme und Instrumente für das Management im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz einführen;

    24.

    spricht sich daher dafür aus, einen europäischen Plan mit Anreizmaßnahmen für Unternehmen in Bezug auf Projekte zur Einführung und Unterhaltung von Systemen für das Management im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz auszuarbeiten; hierbei sollte auf Garantiefonds zurückgegriffen werden, um den Zugang zu Bankkrediten zu erleichtern und die Unternehmen — insbesondere die KMU — stärker technisch zu unterstützen, auch über die Agentur EU-OSHA;

    C.   Bessere Durchsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit durch die Mitgliedstaaten

    25.

    befürwortet die in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Januar 2014 zu wirksamen Kontrollen am Arbeitsplatz als Strategie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der EU enthaltenen politischen Maßnahmen und Empfehlungen;

    26.

    begrüßt es, dass der Ausschuss hoher Arbeitsaufsichtsbeamter (Senior Labour Inspectors Committee, SLIC) gegenüber den Arbeitsaufsichtsbehörden und den für Sicherheit und Gesundheit zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten eine Lenkungs- und Koordinierungsfunktion wahrnimmt und mit angemessenen Instrumenten und Mitteln ausgestattet wird;

    27.

    weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass die für die Kontrolle der Sicherheit und Gesundheit zuständigen Verwaltungsbeamten auch bei der Einhaltung der Vorschriften Unterstützung leisten, und unterstreicht die Rolle, die den LRG bei der Förderung ihrer Ausbildung zukommt. Er dringt darauf, spezielle Modelle für die Kontrollen in Kleinst- und Kleinunternehmen festzulegen, damit diesen keine untragbaren bürokratischen und finanziellen Belastungen entstehen;

    28.

    Maßnahmen zur besseren Durchsetzung der Vorschriften sollten sich auf Erkenntnisse über die Wirksamkeit stützen und auf Branchen konzentrieren, in denen die konkrete Gefahr von Verstößen gegen die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften besteht, wobei sichergestellt werden sollte, dass sie sich auf die Durchsetzung bestehender Vorschriften bezüglich der Gefährdung durch Karzinogene wie Asbest beziehen sowie auf die am häufigsten am Arbeitsplatz auftretenden Erkrankungen wie jene des Bewegungsapparates, stressbedingte Erkrankungen sowie andere Erkrankungen der Atemwege wie z. B. die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD);

    29.

    fordert eine verstärkte Rolle der LRG bei der regionalen Kontrolle, hauptsächlich mittels einer schrittweisen Stärkung ihrer Befugnisse und insbesondere bei der Auftrags- und Unterauftragsvergabe, die zu denjenigen Bereichen gehören, in denen die Aufsicht am meisten zu wünschen übrig lässt;

    30.

    schlägt vor, den Austausch bewährter Verfahren unter den in diesem Bereich tätigen lokalen und regionalen Behörden zu fördern;

    31.

    pflichtet der Notwendigkeit bei, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, dem Ausschuss hoher Arbeitsaufsichtsbeamter (SLIC) und dem Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (ACSH) die Wirksamkeit der verhängten Sanktionen und Bußgelder und der unkonventionellen Arten der Überwachung zu bewerten, sofern dem öffentlichen Sektor eine diesbezügliche Mitwirkungsmöglichkeit eingeräumt wird;

    32.

    hält die Einrichtung einer europäischen Plattform für den Schutz der Gesundheit von Arbeitsmigranten für eine zeitgemäße und strategische Entscheidung, da die Staaten aufgrund der Auswirkungen der Globalisierung und des vor allem durch die Migration herbeigeführten sozialen und demografischen Wandels immer mehr an Interventionsmöglichkeiten einbüßen;

    D.   Vereinfachung der bestehenden Rechtsvorschriften

    33.

    begrüßt die Aufnahme der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG (3), die aus einer 2011 von der Europäischen Kommission durchgeführten Untersuchung als eines der zehn für die KMU am aufwendigsten Regelwerke hervorging, in das Programm für die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT) (4);

    34.

    ist der Auffassung, dass die Sanktionsmaßnahmen Hand in Hand mit einem zielorientierten Ansatz mit klaren Regeln und wirksamen und straffen Verfahren gehen muss, wobei auch die Rolle der bilateralen Vertretungsgremien der Sozialpartner, die bei einer angemessenen Einbindung unter Wahrung der Rollenverteilung die für die nach nationalem Recht zuständigen Stellen sinnvoll bei der Umsetzung der Präventionsmaßnahmen unterstützen können, aufgewertet werden sollte;

    35.

    befürwortet die vorgeschlagene Maßnahme, im Rahmen der Analyse der Rechtsvorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz mögliche Maßnahmen zur Vereinfachung der Gefährdungsbeurteilung und/oder zur Senkung des Verwaltungsaufwands und zur Vereinfachung der Dokumentation zu ermitteln, doch muss gleichzeitig sichergestellt werden, dass das Arbeitnehmerschutzniveau nicht abgesenkt wird;

    36.

    ist der Ansicht, dass sich für bestimmte Wirtschaftszweige, insbesondere für Kleinstunternehmen Instrumente wie zum Beispiel das Online-Instrument für die interaktive Gefährdungsbeurteilung (OiRA) ermitteln und fördern lassen, die die Risikoanalyse erleichtern. Die objektiven Kriterien und Parameter müssen sich auf eine akkurate Risikobewertung und ein sorgfältiges Risikomanagement stützen, im Rahmen des Zulässigen vereinfacht und gemeinsam mit den zuständigen institutionellen Akteuren konkret festgelegt werden, um — auch in Form freiwilliger Bescheinigungen — vereinfachte Instrumente für Risikobewertung und Risikomanagement zu entwickeln;

    37.

    ist der Auffassung, dass die Komplexität und Schwerfälligkeit bei der Anwendung der Systeme für das Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auch auf einen Verwaltungsaufwand zurückzuführen ist, der nicht immer geltenden Rechtsvorschriften, sondern der Pflicht zur Einhaltung internationaler Standards zuzuschreiben ist; erkennt zwar die Professionalität der für die Sicherheit Zuständigen an, doch sollte dies in den Unternehmen, vor allem kleineren, nicht die Dinge an weiterer Stelle verkomplizieren; fordert daher einen europäischen Vergleich im Bereich Qualitätszertifikate für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, der auf die Schaffung eines freiwilligen EU-Standards ausgerichtet ist, mit dem tragfähige Mindestanforderungen festgelegt werden;

    E.   Bewältigung der Herausforderungen der Alterung der Erwerbsbevölkerung und neuer Risiken

    38.

    ist überzeugt, dass die Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer mit einem Vorsorgeansatz und auf ganzheitliche Weise angegangen werden müssen, wobei der engen Verbindung zwischen der Produktion, der Arbeit und der Umwelt auf der Grundlage der besten zur Verfügung stehenden medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse Rechnung zu tragen ist;

    39.

    weist auf die durch Asbest verursachten Krankheiten sowie Lungen-, Haut- und Krebserkrankungen, Asthma, obstruktive Lungenerkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparats, stressbedingte und andere chronische Krankheiten hin; betont, dass dies eine gründliche Analyse der bestehenden und der sich aus den Umstrukturierungen und neuen Technologien, Materialien und Produkten ergebenden, neuen Risiken erfordert;

    40.

    hält es hinsichtlich der industriellen Anwendung neuer Technologien, Materialien und Produkte angesichts der herrschenden wissenschaftlichen Unsicherheit für erforderlich, bei ihrem Einsatz einen „Vorsorgeansatz“ bezüglich des Managements der Gesundheitsrisiken zu verfolgen;

    41.

    ist der Auffassung, dass:

    die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Umstrukturierungen und der Einführung neuer Technologien und Arbeitsmethoden berücksichtigt werden müssen;

    umfassende Risikobewertungen im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und die Gesellschaft durchgeführt werden sollten und hierbei auch der wirtschaftlichen Nutzen- bzw. Kostenwirkung Rechnung zu tragen ist;

    das Vorsorgeprinzip „risikoorientiert“ sein und mit einer angemessenen Bewertung einhergehen sollte, solange keine auf eine breitere wissenschaftliche Grundlage gestützten und vom oben genannten zentralen europäischen Lenkungsausschuss technisch validierten Daten vorliegen;

    42.

    stellt fest, dass die Zahl der erwerbstätigen Frauen steigt und Unterschiede zwischen dem Berufsleben der Frauen und Männer (Beschäftigungsform, unterschiedliche Risikogefährdung) bestehen, die sich jeweils auf die Gesundheit und Sicherheit auswirken;

    43.

    empfiehlt eine Diversifizierung der Schutzmaßnahmen in der Arbeitswelt, damit sie sowohl bei den Frauen als auch den Männern Wirkung zeigen, wobei der Form der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und den subjektiven und objektiven Unterschieden bei der jeweiligen Risikogefährdung Rechnung zu tragen ist;

    44.

    teilt die Auffassung, dass die Politik im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Förderung der Chancengleichheit in der EU-Politik beitragen kann, insbesondere durch die Begünstigung einer ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung und der Richtlinie 2006/54/EG, die eine Schlechterstellung von Frauen am Arbeitsplatz aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft untersagt (5)  (6);

    45.

    bekräftigt, dass „lebenslanges Lernen und Freiwilligentätigkeit treibende Kräfte für Aktivität und Gesundheit im Alter sind. Die Erwachsenenbildung und das ehrenamtliche Engagement älterer Menschen sollten auf EU-Ebene sowie auf der nationalen und lokalen Ebene gefördert werden, um so dazu beizutragen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, einen aktiven Ruhestand zu fördern und ein unabhängiges Leben zu begünstigen“ (7); die EU sollte daher die Ausarbeitung eines Handbuchs bewährter europäischer Praktiken im Bereich des aktiven Alterns veranlassen;

    46.

    ist folglich der Meinung, dass es mit Blick auf eine Lösung des Problems der alternden Erwerbsbevölkerung wesentlich ist, für den Austausch von Informationen und bewährten Verfahrensweisen zwischen Mitgliedstaaten und Unternehmen sowie geeignete Eingliederungsmaßnahmen Sorge zu tragen;

    47.

    ist zuversichtlich, dass „Maßnahmen der EU zur Förderung von Aktivität und Gesundheit im Alter und für die Solidarität zwischen den Generationen der Innovation und dem Wachstumspotenzial in der gesamten EU Schwung geben und öffentlichen und privaten Akteuren auf der lokalen, nationalen und EU-Ebene wirtschaftliche Vorteile bringen wird“ (8);

    F.   Verbesserung der Erhebung statistischer Daten und Weiterentwicklung der Datengrundlage

    48.

    hebt hervor, dass eine verbesserte Datenerhebung von grundlegender Bedeutung ist, um einen Vergleich der Leistungen im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz in der EU zu gewährleisten, und weist darauf hin, dass die vergleichende Analyse der Daten mit Blick auf eine kontinuierliche Verbesserung mittels Meldung bewährter Praktiken in Bezug auf die Verfahren und nicht unter dem Gesichtspunkt der bloßen Klassifizierung eingeführt werden sollte. Dies dient dazu, die gemeinsame Nutzung der Daten über die tatsächlichen Risiken durch die Mitgliedstaaten zu fördern;

    49.

    befürwortet die Forderung der Kommission, umfassendere statistische Daten zu Berufsunfällen und -krankheiten, der beruflichen Exposition und mit der Arbeit zusammenhängenden Krankheiten zu erheben und zu gewinnen, auch auf lokaler und regionaler Ebene;

    50.

    weist darauf hin, dass im Bereich der Verwaltung des Informationssystems für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz die Rolle der Sozialpartner zu stark eingeschränkt zu sein scheint; sie wären vielmehr effiziente Partner bei der Schaffung der Systemarchitektur, der verstärkten Erhebung von Daten aus den einzelnen Wirtschaftszweigen, der Steuerung der Datenflüsse und der Datennutzung;

    51.

    hebt hervor, dass zuverlässigere statistische Daten dazu dienen, sich ein Bild der für die Gesundheit der Arbeitnehmer bestehenden Risiken zu machen, die Ursachen besser zu verstehen und somit praktische Schlussfolgerungen zu ziehen;

    52.

    plädiert für die Einrichtung eines europäischen Informationssystems für die Prävention am Arbeitsplatz (Vorbeugung setzt Wissen voraus) als dynamisches operatives Instrument, mit dem die in den aktuellen nationalen Systemen verfügbaren Daten übernommen werden können, und die Schaffung eines Interpretationsmodells mit einer einheitlichen Datenbank;

    G.   Bessere Koordinierung der Anstrengungen auf EU- und internationaler Ebene

    53.

    teilt den Standpunkt der Kommission, dass klare EU-Standards bei den Rechtsvorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz dazu beitragen könnten, dass auch auf internationaler Ebene gleichwertige Arbeitsstandards im Wege bi- und multilateraler Vereinbarungen mit Drittstaaten zustande kommen;

    54.

    ist der Auffassung, dass im neuen internationalen Kontext der Globalisierung gewährleistet werden muss, dass internationale Übereinkommen und Vereinbarungen über die im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz geltenden Standards geschlossen und von allen betroffenen Parteien konkret angewandt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu bewahren und zu vermeiden, dass Unternehmen auf der Suche nach laxeren Rechtsvorschriften ihre Tätigkeit in Drittländer verlagern;

    55.

    erinnert die Kommission daran, alle Mitgliedstaaten zur Ratifizierung sämtlicher ILO-Übereinkommen und sonstiger internationaler Abkommen und Vereinbarungen über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz anzuhalten, und bei der Aushandlung aller weltweit geschlossenen Partnerschaften und insbesondere im Rahmen der laufenden Verhandlungen über die transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den USA die Rechtsvorschriften im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und damit verbundene Fragen genau zu überwachen.

    Brüssel, den 12. Februar 2015

    Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

    Markku MARKKULA


    (1)  Entschließung des Europäischen Parlaments zur Europäischen Strategie für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (2013/2685(RSP)).

    (2)  https://osha.europa.eu/it/topics/oira

    (3)  COM(2012) 746.

    (4)  http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sme/files/smes/top10report-final_de.pdf

    (5)  Richtlinie 2000/78/EG des Rates, ABl. L 303 vom 2.12.2000.

    (6)  Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.

    (7)  CdR 56/2012 fin „Aktives Altern: Innovation — Intelligente Gesundheit — Bessere Lebensqualität“, Berichterstatter: Arnoldas Abramavičius (LT/EVP).

    (8)  CdR 56/2012 fin „Aktives Altern: Innovation — Intelligente Gesundheit — Bessere Lebensqualität“, Berichterstatter: Arnoldas Abramavičius (LT/EVP).


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