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Document 52010AR0400

    Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Schutz und Entwicklung alteingesessener sprachlicher Minderheiten im Rahmen des Vertrags von Lissabon“

    ABl. C 259 vom 2.9.2011, p. 31–33 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    2.9.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 259/31


    Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Schutz und Entwicklung alteingesessener sprachlicher Minderheiten im Rahmen des Vertrags von Lissabon“

    2011/C 259/06

    DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

    unterstreicht die positive Wirkung der Minderheitensprachen und der sprachlichen Vielfalt in Europa sowohl für den sozialen Zusammenhalt im Allgemeinen als auch für die Menschen und die Gemeinschaften, denen sie angehören, im Besonderen; dies ermöglicht außerdem die Förderung der Kreativität und der Innovation im Rahmen einer Aufwertung des kulturellen Erbes auch zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung;

    unterstreicht, dass die Sensibilität für dieses Thema in Europa zunimmt, wie die Entwicklung des EU-Rechts zeigt, namentlich im Rahmen des Vertrags von Lissabon, in dem die Achtung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt als Eckpfeiler des Schutzes und der Entwicklung des europäischen Kulturerbes festgeschrieben wurde, und die Charta der Grundrechte, die jede Form der Diskriminierung aufgrund der Sprache oder der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit verbietet;

    hebt seine eigene grundlegende Rolle als eine Versammlung hervor, in der bewährte Methoden zum Schutz und zur Aufwertung von Minderheitensprachen wie auch allgemein der Kultur jedweder sprachlichen Minderheit als Ausdruck des kulturellen Pluralismus Europas zusammengetragen und verbreitet werden können, was im Interesse aller alteingesessener sprachlicher Minderheiten ist;

    äußert letztlich die Hoffnung, dass sich die Kommission und der Rat zunehmend der Notwendigkeit bewusst werden, dass eine verstärkte Rechtsgrundlage eine spezifische, angemessen finanzierte Politik zugunsten sprachlicher Minderheiten ermöglicht.

    Berichterstatter

    Luciano CAVERI (IT/ALDE), Mitglied des Regionalrats der Autonomen Region Aostatal

    I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Allgemeine Bemerkungen

    1.

    stellt zunächst fest, dass die Europäische Union reich ist an alteingesessenen (als autochthon oder traditionell definierbaren) sprachlichen und nationalen Minderheiten, die sich in Idiomen verständigen, welche sich von den jeweiligen Staatssprachen unterscheiden;

    2.

    weist darauf hin, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in allen EU-Mitgliedstaaten gemäß dem Subsidiaritätsprinzip bei der Wahrung und Förderung dieser kulturellen und sprachlichen Vielfalt eine bedeutende Rolle spielen, z.B. im Bereich der Bildung (aller Formen und Ebenen), der Kultur und der Medien sowie der regionalen Entwicklung;

    3.

    unterstreicht die positive Wirkung der Minderheitensprachen und der sprachlichen Vielfalt in Europa sowohl für den sozialen und kulturellen Bereich im Allgemeinen als auch für die Menschen und die Gemeinschaften, denen sie angehören, im Besonderen; dies ermöglicht außerdem die Förderung der Kreativität und der Innovation im Rahmen einer Aufwertung des kulturellen Erbes auch zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung;

    4.

    weist darauf hin, dass in den letzten Jahren der Fundus an Rechtsinstrumenten zum Schutz und zur Entwicklung der sog. Minderheitensprachen durch Maßnahmen im Bereich des internationalen Rechts immer größer geworden ist, wie etwa durch die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören (1992) und die zahlreichen Erklärungen, Konventionen und Empfehlungen der UNESCO seit ihren Anfängen bis hin zum jüngsten Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (2005);

    5.

    begrüßt insbesondere die wichtige Rolle, die der Europarat auf dem Gebiet der Sprachenpolitik schon immer gespielt hat, insbesondere mit der grundlegenden Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (1992) und dem Rahmenübereinkommen für den Schutz nationaler Minderheiten (1995);

    6.

    verweist ferner auf die Entschließung des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates vom 18. März 2010 (301/2010) zu Minderheitensprachen als Instrument der Regionalentwicklung, in der der positive Beitrag dieser Sprachen zur regionalen Entwicklung hervorgehoben wird;

    7.

    unterstreicht, dass die Sensibilität für dieses Thema in Europa zunimmt, wie die Entwicklung des EU-Rechts zeigt, namentlich im Rahmen des Vertrags von Lissabon, in dem die Achtung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt als Eckpfeiler des Schutzes und der Entwicklung des europäischen Kulturerbes festgeschrieben wurde, und die Charta der Grundrechte, die jede Form der Diskriminierung aufgrund der Sprache oder der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit verbietet;

    8.

    stellt fest, dass die verschiedenen EU-Institutionen die Existenz einiger Schutzaspekte in den Prinzipien der bestehenden Verträge („gemeinschaftlicher Besitzstand“) anerkannt hatten, noch bevor das Schutzsystem durch diese Rechtsgrundlage auf eine solide Basis gestellt wurde. Dies war bei der Erweiterung zu beobachten, als sie im Einklang mit den Grundsätzen von Kopenhagen aktive Maßnahmen zum Schutz der sprachlichen Minderheiten gefordert haben - auch dank einer dynamischen Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof in diesem Themenbereich;

    9.

    betont jedoch, dass, auch wenn die Rechtsentwicklung einen größeren Schutz (unter Berücksichtigung der Verfassungsgrundsätze der einzelnen Mitgliedstaaten) ermöglicht, dies für die Kommission noch kein ausreichender Grund für eine Rechtsgrundlage ist, die spezifische Haushaltslinien für alteingesessene sprachliche Minderheiten rechtfertigen würde;

    10.

    verweist auf die Bemühungen der verschiedenen Institutionen, auch des AdR, um Wahrung der Mehrsprachigkeit bei der politischen Tätigkeit und der Verwaltungsarbeit und um eine schrittweise Einführung der Minderheitensprachen, wie die Übereinkommen mit Spanien und dem Vereinigten Königreich veranschaulichen;

    11.

    begrüßt die Zusammenarbeit der Kommission mit den verschiedenen Organisationen, die sich in der EU für sprachliche Minderheiten einsetzen, und verweist auf die umfangreichen Tätigkeiten des Netzwerkes zur Förderung sprachlicher Vielfalt (NPLD) sowie auf die Zusammenarbeit mit dem mittlerweile aufgelösten Europäischen Büro für die weniger verbreiteten Sprachen (EBLUL) und dem Mercator-Netz, die sich seit Langem mit unterschiedlichen Aspekten der Minderheitensprachen und -kulturen beschäftigen;

    12.

    stimmt zu, dass bereits heute durch zahlreiche europäische Programme (Media, Initiativen für KMU, Strukturfonds, Entwicklung neuer Technologien usw.) Maßnahmen zugunsten sprachlicher Minderheiten finanziert werden, bisweilen unter Berücksichtigung geografisch weiträumiger Maßnahmen wie die Donau-Strategie und die Alpenkonvention (mit der sich die Gruppe „Alpenraum“ beschäftigte);

    13.

    muss auf der anderen Seite aber auch feststellen, dass laut einer Studie des Europäischen Parlaments von 2008 die Mittel zur Förderung der Sprachenvielfalt - im Verhältnis zur zunehmenden Zahl der Gemeinschaftssprachen - abgenommen haben;

    Notwendige Maßnahmen

    14.

    hebt seine eigene grundlegende Rolle als eine Versammlung hervor, in der bewährte Methoden zum Schutz und zur Aufwertung von Minderheitensprachen wie auch allgemein der Kultur jedweder sprachlichen Minderheit als Ausdruck des kulturellen Pluralismus Europas zusammengetragen und verbreitet werden können, was im Interesse aller alteingesessener sprachlicher Minderheiten ist;

    15.

    fordert die Europäische Kommission auf, die sprachliche Vielfalt weiterhin zu fördern, indem sie das Lehren von Sprachen, insbesondere der Minderheiten- oder Regionalsprachen, auf verschiedene Weise unterstützt;

    16.

    fordert die EU-Institutionen auf, die Verwendung dieser Sprachen beim unmittelbaren Kontakt zwischen ihnen und den Bürgern - vor allem auf Internetseiten und bei der Online-Kommunikation - zu fördern, um auch die Nähe der EU zu den alteingesessenen sprachlichen Minderheiten zu veranschaulichen;

    17.

    ermutigt auch die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, durch Informationskampagnen die Rechte sprachlicher Minderheiten sowie die Fülle und Vielfalt der eigenen Kultur in ihrem Gemeinwesen und in anderen Teilen Europas bekannt zu machen;

    18.

    ersucht die Kommission, die regionalen und lokalen Institutionen in Europa bei der Entwicklung des Unterrichtswesens mit Materialien und Instrumenten (wie Ausbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte) unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der einzelnen Sprachgemeinschaften zu unterstützen;

    19.

    empfiehlt, die Minderheiten- und Regionalsprachen in allen Politikfeldern und Programmen sowie Querschnittsprioritäten der EU umfassend zu berücksichtigen, vor allem in den Bereichen audiovisuelle Medien, Bildung auf allen Ebenen, Kultur und Sprachunterricht wie auch territoriale Zusammenarbeit, regionale Entwicklung, Fremdenverkehr und Jugendaustausch;

    20.

    schlägt der Kommission und damit auch dem Rat vor, im künftigen Programmplanungszeitraum den Minderheiten- und Regionalsprachen im Rahmen der Regionalpolitik in folgenden Bereichen in geeigneter Weise Rechnung zu tragen: dem nächsten Forschungsrahmenprogramm, dem Kultur- und Media-Programm, allen Kultur-, Schul- und Berufsbildungsprogrammen und insbesondere dem Aktionsprogramm für lebenslanges Lernen (LLP); dies sollte auch für Bereiche gelten wie die Strukturfonds, die digitale Agenda und alle Aspekte der Förderung des Potenzials der Menschen und der Gemeinschaften, denen sie angehören;

    21.

    lenkt die Aufmerksamkeit der Kommission auf die Notwendigkeit eines regelmäßig aktualisierten Gesamtrahmens (auch im Zuge der Überarbeitung der Euromosaik-Studien) für die verschiedenen Maßnahmen zur Förderung der alteingesessenen sprachlichen Minderheiten, u.a. um Möglichkeiten für den Austausch und das gegenseitige Kennenlernen zugunsten eines soliden kulturellen Zusammenhalts bei der Ausgestaltung des europäischen Einigungswerks zu schaffen, bei dem den Minderheits- und Regionalsprachen eine bedeutende Rolle im „europäischen Puzzle“ zugedacht wird;

    22.

    äußert letztlich die Hoffnung, dass sich die Kommission und der Rat zunehmend der Notwendigkeit bewusst werden, dass eine verstärkte Rechtsgrundlage eine spezifische, angemessen finanzierte Politik zugunsten sprachlicher Minderheiten ermöglicht;

    23.

    empfiehlt den Mitgliedstaaten, bei denen die Entscheidungsbefugnis in der Sprachenpolitik in erster Linie liegt, für sprachliche Vielfalt in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet sensibel zu sein und dabei den alteingesessenen sprachlichen Minderheiten mehr Bedeutung beizumessen – wissend, dass die Anerkennung des kulturellen Erbes und aller anderen Werte, die sie vermitteln (Geschichte, Sprache und Kulturgüter), zum friedlichen Zusammenleben und zur Bereicherung der europäischen Identität beiträgt.

    Brüssel, den 30. Juni 2011

    Die Präsidentin des Ausschusses der Regionen

    Mercedes BRESSO


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