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Document 52011AE0363

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA)“ (KOM(2010) 521 endg.)

ABl. C 107 vom 6.4.2011, p. 58–63 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.4.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 107/58


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA)“

(KOM(2010) 521 endg.)

2011/C 107/12

Berichterstatter: Peter MORGAN

Der Rat beschloss am 19. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA)

KOM(2010) 521 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen und Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 17. Februar) mit 173 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss ist sehr stark bewusst, dass die heutige Zivilgesellschaft in hohem Maße von Internetdienstleistungen abhängt. Der Ausschuss ist ferner beunruhigt über die relative Unwissenheit der Zivilgesellschaft bezüglich ihrer Cybersicherheit. Nach Ansicht des EWSA ist die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) als Einrichtung dafür zuständig, den Mitgliedstaaten und Dienstleistungsanbietern dabei behilflich zu sein, ihre allgemeinen Sicherheitsstandards zu verbessern, so dass alle Internetnutzer die notwendigen Vorkehrungen für ihre persönliche Internetsicherheit treffen.

1.2

Deswegen unterstützt der EWSA denn auch den Vorschlag, die ENISA zu stärken, um zur Gewährleistung einer hohen Netz- und Informationssicherheit (NIS) innerhalb der Union beizutragen, um das Problembewusstsein zu heben und eine Kultur der Netz- und Informationssicherheit in der Gesellschaft zum Nutzen der Bürger, Verbraucher, Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors in der Union zu entwickeln und auf diese Weise zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen.

1.3

Der Auftrag von ENISA ist für die sichere Weiterentwicklung der Netzstruktur des Staatswesens, der Industrie, des Handels und der Zivilgesellschaft in der EU. Der EWSA erwartet, dass die Europäische Kommission für die ENISA die höchsten Leistungsstandards vorsieht und die Leistungsfähigkeit der ENISA im Kontext auftretender und sich abzeichnender Bedrohungen der Cybersicherheit beobachtet.

1.4

Alle von NATO, Europol und der Europäischen Kommission entworfenen Strategien hängen von einer effizienten Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ab, in denen sich wiederum eine ganze Palette interner Stellen mit Fragen der Cybersicherheit befasst. Die Strategien von NATO und Europol sind auf proaktives und operatives Handeln angelegt. In der Strategie der Europäischen Kommission ist die ENISA eindeutig eine wichtige Komponente des komplexen Gefüges an Einrichtungen, die für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen (CIIP) zuständig sind. Auch wenn in der neuen Verordnung keine operative Rolle für die ENISA vorgesehen ist, so wertet der EWSA die ENISA gleichwohl als Einrichtung, die in erster Linie für CIIP in der Zivilgesellschaft der EU zuständig ist.

1.5

Die operative Zuständigkeit für die Cybersicherheit auf nationaler Ebene liegt bei den Mitgliedstaaten. Die Standards für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen sind in den 27 Mitgliedstaaten zweifelsohne sehr unterschiedlich. Die Rolle der ENISA besteht darin, die diesbezüglich weniger gut ausgestatteten Mitgliedstaaten auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Sie muss für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten Sorge tragen und den Mitgliedstaaten bei der Anwendung bewährter Verfahrensweisen behilflich sein. Was grenzübergreifende Bedrohungen angeht, muss die Rolle der ENISA in Warnungshinweisen und Vorbeugungsmaßnahmen liegen.

1.6

Die ENISA wird auch in die internationale Zusammenarbeit mit Drittstaaten eingebunden werden müssen. Diese Zusammenarbeit wird hochpolitisch angelegt sein und zahlreiche Einrichtungen auf EU-Ebene einbinden, gleichwohl muss nach Ansicht des EWSA die ENISA auf der internationalen Bühne ihren Platz finden.

1.7

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die ENISA eine wichtige Rolle dabei spielen kann, Forschungsprojekte im Sicherheitsbereich auf den Weg zu bringen und einen Beitrag zu ihnen zu leisten.

1.8

Im Rahmen der Folgenabschätzung wird der EWSA die vollständige Umsetzung der Optionen 4 und 5, die die ENISA zu einer operativen Agentur werden ließe, aus heutiger Sicht nicht unterstützen. Da die Cybersicherheit ein großes Problem ist und sich die Bedrohungen dynamisch entwickeln, müssen die Mitgliedstaaten weiterhin in der Lage sein, die Bedrohungen vorausschauend zu bekämpfen. Die Entwicklung operativer Agenturen der EU führt in der Regel zu einer Entqualifizierung der Mitgliedstaaten. Im Bereich der Cybersicherheit ist aber gerade das Gegenteil erforderlich, die Qualifikation der Mitgliedstaaten muss gesteigert werden.

1.9

Der EWSA kann den Standpunkt der Kommission nachvollziehen, dass die ENISA über einen genau umrissenen und sorgsam beobachteten Auftrag sowie eine angemessene Mittelausstattung verfügen sollte. Gleichwohl befürchtet der EWSA, dass das auf fünf Jahre begrenzte Mandat der ENISA langfristige Vorhaben ausschließen und die Entwicklung von Humankapital und eines Wissensfundus innerhalb der Agentur gefährden könnte. Diese Agentur wird eine ganz kleine Einrichtung sein, die sich mit einem großen und wachsenden Problem befasst. Wegen der Bandbreite und Größenordnung ihrer Aufgaben wird die ENISA Sachverständigenteams beschäftigen müssen. Die Arbeiten der ENISA werden unterschiedlich sein und sowohl kurzfristige Aufgaben als auch Langzeitprojekte umfassen. Daher würde der Ausschuss ein dynamisches und unbegrenztes Mandat der ENISA vorziehen, das kontinuierlich durch regelmäßige Prüfungen und Begutachtungen bestätigt würde. Die Mittel könnten dann je nach Bedarf stufenweise zugewiesen werden.

2.   Einführung

2.1

Diese Stellungnahme betrifft eine Verordnung zur Weiterentwicklung der ENISA.

2.2

Die Kommission legte ihren ersten Vorschlag zu einem kooperativen Vorgehen im Bereich der Netz- und Informationssicherheit in einer Mitteilung aus dem Jahr 2001 dar (KOM(2001) 298 endg.). Als Reaktion auf die Mitteilung arbeitete Daniel Retureau seinerzeit eine umfassende Stellungnahme (1) aus.

2.3

Die Kommission schlug danach eine Verordnung zur Gründung der ENISA vor (KOM(2003) 63 endg.). Die Stellungnahme des EWSA (2) zu diesem Vorschlag für eine Verordnung verfasste Göran Lagerholm. Die Agentur wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 460/2004 errichtet.

2.4

Mit der exponentiellen Zunahme der Nutzung des Internet ist die Informationssicherheit ein immer wichtigeres Anliegen geworden. 2006 veröffentlichte die Kommission daher eine Mitteilung, in der sie eine Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft darlegte (KOM(2006) 251 endg.). Die Stellungnahme (3) des EWSA verfasste Antonello Pezzini.

2.5

Da die Bedenken im Hinblick auf die Informationssicherheit zunahmen, legte die Kommission 2009 einen Vorschlag zum Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen (KOM(2009) 149 endg.) vor. Thomas McDonogh verfasste die Stellungnahme (4), die im Dezember 2009 vom Plenum des EWSA verabschiedet wurde.

2.6

Es wird nun vorgeschlagen, die ENISA zu stärken und besser zu gestalten, um zur Gewährleistung einer hohen Netz- und Informationssicherheit innerhalb der Union beizutragen, um das Problembewusstsein zu heben und eine Kultur der Netz- und Informationssicherheit in der Gesellschaft zum Nutzen der Bürger, Verbraucher, Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors in der Union zu entwickeln und auf diese Weise zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen.

2.7

Die ENISA ist jedoch nicht die einzige Sicherheitsagentur, die für den Cyberspace der EU geplant ist. Für die Reaktion auf Internetkrieg und Cyberterrorismus ist das Militär zuständig. Die NATO ist auf diesem Gebiet die wichtigste Einrichtung. Ihrem neuen strategischen Konzept zufolge, das im November 2010 in Lissabon veröffentlicht wurde (und unter der Adresse http://www.nato.int/lisbon2010/strategic-concept-2010-eng.pdf abgerufen werden kann), wird die NATO ihre Fähigkeit weiterentwickeln, Angriffe auf Computernetze zu verhindern, zu entdecken, sich dagegen zu verteidigen und sich davon zu erholen, auch indem sie den NATO-Planungsprozess dazu nutzt, nationale Fähigkeiten zur Bekämpfung von Computerkriminalität zu stärken und zu koordinieren, indem sie für alle NATO-Gremien einen zentralen Schutz vor Computerkriminalität gewährleistet und die Überwachungs-, Warn- und Reaktionsaufgaben der NATO im Bereich der Computerkriminalität besser mit denen der Mitgliedstaaten zusammenführt.

2.8

Nach dem Cyberangriff auf Estland im Jahr 2007 wurde das Kompetenzzentrum für kooperativen Schutz vor Computerangriffen (CCD COE) am 14. Mai 2008 offiziell gegründet, um die Fähigkeiten der NATO bei der Abwehr von Cyberangriffen zu verbessern. Das Zentrum mit Sitz in Tallinn (Estland) ist ein internationales Gremium, das derzeit von Estland, Lettland, Litauen, Deutschland, Ungarn, Italien, der Slowakischen Republik und Spanien („sponsoring nations“) unterstützt wird.

2.9

Für elektronische Verbrechen auf EU-Ebene ist Europol zuständig. Folgender Text ist ein Auszug aus einem Schriftstück, das Europol dem britischen Oberhaus vorgelegt hat (siehe http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200910/ldselect/ldeucom/68/68we05.htm):

Die Strafverfolgungsbehörden müssen mit der technischen Entwicklung von Straftätern Schritt halten, damit Verbrechen wirksam verhütet oder aufgedeckt werden können. Da die Hochtechnologie keine Grenzen kennt, müssen die Fähigkeiten in der gesamten EU den gleichen hohen Standard aufweisen, damit keine „Schwachstellen“ entstehen, an denen sich Hochtechnologie-Kriminalität straflos entfalten kann. Diese Fähigkeiten sind in der EU bei weitem nicht homogen. Die Entwicklung erfolgt sogar ausgesprochen asymmetrisch; einige Mitgliedstaaten haben in bestimmten Bereichen einen großen Vorsprung, andere dagegen sind technisch gesehen im Rückstand. Daher ist ein zentraler Dienst erforderlich, der alle Mitgliedstaaten bei der Koordinierung gemeinsamer Tätigkeiten unterstützt, die Vereinheitlichung der Ansätze und Qualitätsstandards fördert und bewährte Verfahrensweisen ermittelt und verbreitet; nur so kann eine einheitliche Strafverfolgung zur Bekämpfung von Hochtechnologie-Kriminalität innerhalb der EU sichergestellt werden.

2.10

Bei Europol wurde 2002 das „High Tech Crime Centre“ (HTCC) eingerichtet. Die relativ kleine Einheit ist das Kernstück der Arbeit von Europol in diesem Bereich und wird in Zukunft voraussichtlich weiter wachsen. Das HTCC spielt bei der Koordinierung, der operativen Unterstützung, der strategischen Analyse und der Ausbildung eine bedeutende Rolle. Besonders wichtig ist die Aufgabe der Ausbildung. Darüber hinaus hat Europol die ECCP eingerichtet, die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Cyberkriminalität, die sich hauptsächlich mit folgenden Fragen befasst:

Internet Crime Reporting Online System (I-CROS);

Arbeitsdatei zu Analysezwecken (Cyborg);

Internet and Forensic Expertise recipient (I-FOREX).

2.11

Die EU-Strategie für die Cybersicherheit ist im Kapitel „Vertrauen und Sicherheit“ der Digitalen Agenda für Europa erläutert. Die Herausforderungen werden wie folgt beschrieben:

Bislang hat sich das Internet als erstaunlich sicher, widerstandsfähig und stabil erwiesen, aber IT-Netze und die Endgeräte der Nutzer bleiben einer breiten Palette sich ständig verändernder Bedrohungen ausgesetzt: In den letzten Jahren hat die Menge unerwünscht zugesandter E-Mails („Spam“) solche Ausmaße angenommen, dass der E-Mail-Verkehr im Internet erheblich beeinträchtigt wird (nach verschiedenen Schätzungen entfallen auf Spam 80-98 % aller versandten E-Mails), und mit diesen Spam-Mails werden im großem Maßstab auch Computerviren und Schadsoftware verbreitet. Auch Identitätsdiebstahl und Online-Betrug nehmen rapide zu. Die Angriffe werden immer raffinierter (Trojaner, Botnets usw.) und sind häufig finanziell motiviert. Sie können aber auch politische Motive haben, wie die Cyberangriffe auf Estland, Litauen und Georgien in jüngster Zeit gezeigt haben.

2.12

In der Agenda vorgesehene Maßnahmen sind:

Schlüsselaktion 6: im Jahr 2010 Vorschläge für Maßnahmen vorlegen, die eine Politik zur Stärkung der Netz- und Informationssicherheit auf hohem Niveau zum Ziel haben, einschließlich Legislativinitiativen, u.a. für eine modernisierte Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA), und Maßnahmen, die eine schnellere Reaktion auf Cyberangriffe ermöglichen, einschließlich eines IT-Notfallteams (Computer Emergency Response Team, CERT) für die EU-Organe;

Schlüsselaktion 7: Vorschläge für Maßnahmen, einschließlich Legislativinitiativen, zur Bekämpfung von Cyberangriffen auf Informationssysteme bis 2010 sowie entsprechende Vorschriften zur Gerichtsbarkeit im virtuellen Raum auf europäischer und internationaler Ebene bis 2013.

2.13

In einer Mitteilung von November 2010 (KOM(2010) 673 endg.) hat die Kommission die Agenda durch den Entwurf einer EU-Strategie der inneren Sicherheit weiterentwickelt. Die Strategie hat fünf Ziele; das dritte Ziel ist der bessere Schutz der Bürger und Unternehmen im Cyberspace. Drei Aktionsprogramme sind vorgesehen, die Maßnahmen im Einzelnen sind der nachstehenden (der Kommissionsmitteilung entnommenen und unter http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/malmstrom/archive/internal_security_strategy_in_action_en.pdf abrufbaren) Tabelle zu entnehmen:

ZIELE UND MASSNAHMEN

VERTEILUNG DER ZUSTÄNDIGKEITEN

ZEITPLAN

ZIEL 3:   Besserer Schutz der Bürger und Unternehmen im Cyberspace

Maßnahme 1:   Aufbau von Kapazitäten bei Strafverfolgung und Justiz

Errichtung eines EU-Zentrums für Cyberkriminalität

Abhängig vom Ergebnis der für 2011 geplanten KOM-Durchführbarkeitsstudie

2013

Aufbau von Kapazitäten für Ermittlungen in Fällen von Cyberkriminalität und für deren strafrechtliche Verfolgung

MS zusammen mit EPA, Europol und Eurojust

2013

Maßnahme 2:   Zusammenarbeit mit der Industrie zur Aktivierung und zum Schutz der Bürger

Entwicklung von Meldevorrichtungen für im Cyberspace begangene Straftaten und Information der Bürger über Computersicherheit und Cyberkriminalität

MS, KOM, Europol, ENISA und Privatwirtschaft

in Arbeit

Richtlinien für die Zusammenarbeit im Umgang mit illegalen Internet-Inhalten

KOM gemeinsam mit MS und dem Privatsektor

2011

Maßnahme 3:   Verbesserung des Reaktionsvermögens gegenüber Cyberangriffen

Aufbau eines Netzes von Computer-Notfallteams, bestehend aus den Teams der einzelnen Mitgliedstaaten und des Teams für die EU-Organe, Entwicklung nationaler Notfallpläne sowie Durchführung regelmäßiger Übungen zur Abwehr von Cyberangriffen und zur Datenwiedergewinnung

MS und EU-Organe zusammen mit ENISA

2012

Aufbau eines Europäischen Informations- und Warnsystems (EISAS)

MS gemeinsam mit KOM und ENISA

2013

2.14

Alle von NATO, Europol und der Europäischen Kommission entworfenen Strategien hängen von einer effizienten Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ab, in denen sich eine Vielzahl an internen Stellen mit Fragen der Cybersicherheit befasst. Die Strategien von NATO und Europol sind auf aktives und operatives Handeln ausgelegt. In der Strategie der Europäischen Kommission ist die ENISA eindeutig eine wichtige Komponente des komplexen Gefüges an Einrichtungen, die für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen (CIIP) zuständig sind. Auch wenn in der neuen Verordnung keine operative Rolle für die ENISA vorgesehen ist, so wertet der EWSA die ENISA gleichwohl als Einrichtung, die in erster Linie für CIIP in der Zivilgesellschaft der EU zuständig ist.

3.   Der ENISA-Vorschlag

3.1

Mit der ENISA müssen sieben Problempunkte gelöst werden:

(1)

Vielfalt und Uneinheitlichkeit nationaler Konzepte

(2)

Beschränkte Frühwarn- und Reaktionsfähigkeit in Europa

(3)

Mangel an zuverlässigen Daten und unzureichende Kenntnis über sich verändernde Probleme

(4)

Geringes Bewusstsein für Risiken und Herausforderungen im Bereich der NIS

(5)

Internationale Dimension der Probleme im Bereich der NIS

(6)

Notwendigkeit von Kooperationsmodellen für die angemessene Umsetzung der Politik

(7)

Notwendigkeit eines effizienteren Vorgehens gegen Cyberkriminalität.

3.2

Im ENISA-Vorschlag sind die bestehenden Bestimmungen und die neuen, in der Digitalen Agenda der EU dargelegten Initiativen gebündelt:

3.3

Von den bestehenden Maßnahmen soll die ENISA Folgendes unterstützen:

(i)

ein Europäisches Forum der Mitgliedstaaten (EFMS) für die Förderung von Gesprächen und den Austausch bewährter Praktiken mit dem Ziel, gemeinsame politische Ziele und Prioritäten hinsichtlich der Sicherheit und Widerstandsfähigkeit von IKT-Infrastrukturen zu vereinbaren;

(ii)

eine europäische öffentlich-private Partnerschaft für Robustheit (EP3R) als flexiblen europäischen ordnungspolitischen Rahmen für widerstandsfähige IKT-Infrastrukturen, in der die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor in Bezug auf Zielsetzungen für Sicherheit und Widerstandsfähigkeit gefördert wird.

(iii)

Das vom Europäischen Rat am 11. Dezember 2009 beschlossene Stockholmer Programm fördert Maßnahmen zur Gewährleistung der Netzsicherheit und ermöglicht eine schnellere Reaktion auf Cyberangriffe in der Union.

3.4

Die ENISA unterstützt folgende neue Entwicklungen:

(i)

Verstärkung der Aktivitäten des EFMS

(ii)

Stärkung der Europäischen öffentlich-privaten Partnerschaft für Robustheit (EP3R) durch die Erörterung innovativer Maßnahmen und Instrumente zur Verbesserung der Sicherheit und Widerstandsfähigkeit

(iii)

Anwendung der im Reformpaket für die elektronische Kommunikation vorgesehenen Sicherheitsanforderungen

(iv)

Unterstützung EU-weiter Einsatzübungen zur Cybersicherheit

(v)

Einrichtung eines IT-Notfallteams (CERT) für die EU-Organe

(vi)

Mobilisierung und Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Vollendung der nationalen/staatlichen IT-Notfallteams und erforderlichenfalls bei deren Aufbau, um ein gut funktionierendes europaweites CERT-Netz zu schaffen

(vii)

Sensibilisierung für die Herausforderungen im Bereich der NIS.

3.5

Bevor dieser Vorschlag abgeschlossen wurde, sind fünf verschiedene Politikoptionen untersucht worden. Mit jeder Option wurden Aufgaben und Mittel verknüpft. Die Wahl fiel auf die dritte Option. Sie sieht eine Ausweitung der gegenwärtigen ENISA-Aufgaben und die Einbindung der Strafverfolgungs- und Datenschutzbehörden als Akteure vor.

3.6

Bei Option 3 würde eine modernisierte NIS-Agentur zu Folgendem beitragen:

Vereinheitlichung der nationalen Konzepte (Problempunkt 1), Stärkung einer daten- bzw. wissens-/informationsgestützten Politikgestaltung und Entscheidungsfindung (Problempunkt 3) und Stärkung des Bewusstseins für Risiken und Herausforderungen im Bereich der NIS und deren Bewältigung (Problempunkt 4) durch:

eine effizientere Sammlung einschlägiger Informationen über Risiken, Bedrohungen und Anfälligkeiten durch jeden einzelnen Mitgliedstaat;

eine bessere Verfügbarkeit von Informationen über gegenwärtige und künftige Herausforderungen und Risiken im Bereich der NIS;

eine höhere Qualität der NIS-Vorgaben in den Mitgliedstaaten.

Verbesserung der Frühwarn- und Reaktionsfähigkeit in Europa (Problempunkt 2) durch:

Unterstützung der Kommission und der Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung europaweiter Übungen, wodurch Größeneinsparungen bei der Bewältigung EU-weiter Störungen erzielt werden;

Förderung der Arbeit der EP3R, die dank gemeinsamer politischer Ziele und EU-weiter Normen für die Sicherheit und Widerstandfähigkeit letztlich zu mehr Investitionen führen könnte.

Förderung eines gemeinsamen globalen NIS-Konzepts (Problempunkt 5) durch:

die Verbesserung des Informations- und Wissensaustauschs mit Nicht-EU-Ländern.

Effizientere und wirksamere Bekämpfung der Cyberkriminalität (Problempunkt 7) durch:

Einbindung in nichtoperative Aufgaben im Zusammenhang mit den NIS-Aspekten der Strafverfolgung und justiziellen Zusammenarbeit, z.B. in den gegenseitigen Informationsaustausch und die Fortbildung (z.B. in Zusammenarbeit mit der Europäischen Polizeiakademie (EPA).

3.7

Bei Option 3 würde die ENISA über alle notwendigen Ressourcen verfügen, damit sie ihre Aufgaben zufriedenstellend und gründlich wahrnehmen und dadurch eine tatsächliche Wirkung erzielen kann. Mit einer aufgestockten Mittelausstattung (5) könnte die ENISA deutlich proaktiver werden und mehr Initiativen zur Förderung der aktiven Mitarbeit der Akteure ergreifen. Außerdem würde diese neue Situation mehr Flexibilität ermöglichen, so dass schnell auf Änderungen im sich ständig weiterentwickelnden NIS-Umfeld reagiert werden könnte.

3.8

Politikoption 4 umfasst operative Funktionen zur Bekämpfung von Cyberangriffen und zur Reaktion auf Netzstörungen. Zusätzlich zu den in Option 3 dargelegten Tätigkeiten würde die Agentur operative Funktionen übernehmen, z.B. eine aktivere Rolle beim Schutz kritischer Infrastrukturen in der EU, etwa bei der Verhütung und Bewältigung von Störungen, indem sie insbesondere als IT-Notfallteam (CERT) der EU im NIS-Bereich wirkt und als EU-NIS-Krisenzentrum die nationalen CERTs sowohl im Tagesgeschäft als auch bei Notfällen koordiniert.

3.9

Option 4 würde eine größere Wirkung auf operativer Ebene zusätzlich zu der von Option 3 erzielen. Als EU-NIS-CERT und durch die Koordinierung der nationalen CERTs würde die Agentur zu höheren Größeneinsparungen bei der Bewältigung EU-weiter Störungen und zu geringeren operativen Risiken für Unternehmen beitragen, z. B. dank höherer Sicherheit und Widerstandsfähigkeit. Diese Option würde eine beträchtliche Aufstockung der finanziellen und personellen Mittel der Agentur erforderlich machen, was Bedenken bezüglich ihrer Aufnahmefähigkeit und der effektiven Mittelverwendung im Verhältnis zu den angestrebten Zielen hervorruft.

3.10

Politikoption 5 sieht operative Funktionen zur Unterstützung der Strafverfolgungs- und der Justizbehörden bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität vor. Zusätzlich zu den in Option 4 dargelegten Tätigkeiten würde diese Option für ENISA folgende Funktionen vorsehen:

Unterstützung in verfahrensrechtlichen Fragen (vgl. das Übereinkommen über Computerkriminalität): z.B. Sammeln von Verkehrsdaten, Abfangen von Inhaltsdaten, Überwachung von Datenströmen im Fall von DoS-Überlastungsangriffen (Denial-of-Service-Angriffen)

Wirken als Kompetenzzentrum für die Untersuchung von Straftaten und deren NIS-Aspekte.

3.11

Option 5 würde durch zusätzliche operative Funktionen zur Unterstützung der Strafverfolgungs- und der Justizbehörden eine größere Wirkung bei der Bekämpfung der Cyberkriminalität erzielen als die Optionen 3 und 4.

3.12

Option 5 würde eine beträchtliche Aufstockung der Haushaltsmittel der Agentur erforderlich machen, was auf ähnliche Bedenken bezüglich ihrer Aufnahmefähigkeit und der effektiven Mittelverwendung stößt.

3.13

Die Optionen 4 und 5 hätten zwar eine größere positive Wirkung als Option 3, nach Ansicht der Kommission gibt es jedoch eine Reihe von Gründen, die gegen diese Optionen sprechen:

Sie wären politisch problematisch in Bezug auf die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen (d.h. eine Reihe von Mitgliedstaaten würde einer Zentralisierung operativer Funktionen nicht zustimmen).

Die Erweiterung des Mandats, wie in Option 4 und 5 geprüft, könnte zu einer unklaren Stellung der Agentur führen.

Die Aufnahme dieser neuen und völlig andersartigen operativen Aufgaben in das Mandat der Agentur könnte sich kurzfristig als sehr schwierig erweisen, und es besteht die Gefahr, dass die Agentur nicht in der Lage ist, solche Aufgaben in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen ordnungsgemäß zu erfüllen.

Nicht zuletzt sind auch die Kosten der Umsetzung der Optionen 4 und 5 prohibitiv hoch – die dafür erforderlichen Haushaltsmittel beliefen sich auf das Vier- bis Fünffache des gegenwärtigen ENISA-Haushalts.

4.   Bestimmungen der Verordnung

4.1

Die Agentur unterstützt die Kommission und die Mitgliedstaaten dabei, die rechtlichen und regulatorischen Anforderungen der Netz- und Informationssicherheit zu erfüllen.

4.2

Der Verwaltungsrat bestimmt die allgemeine Ausrichtung der Tätigkeit der Agentur.

4.3

Dem Verwaltungsrat gehören je ein Vertreter jedes Mitgliedstaats, drei von der Kommission ernannte Vertreter und jeweils ein Vertreter der IKT-Branche, der Verbrauchergruppen und der wissenschaftlichen Sachverständigen für Informationstechnologie an.

4.4

Die Agentur wird von einem unabhängigen Direktor geleitet, der für die Aufstellung des Arbeitsprogramms der Agentur verantwortlich ist, das dem Verwaltungsrat zur Genehmigung vorgelegt wird.

4.5

Der Direktor ist ferner für die Erstellung eines jährlichen Haushaltsplans zur Unterstützung des Arbeitsprogramms verantwortlich. Der Verwaltungsrat muss der Kommission und den Mitgliedstaaten den Haushaltsplan und das Arbeitsprogramm zur Genehmigung vorlegen.

4.6

Der Verwaltungsrat setzt auf Vorschlag des Direktors eine Ständige Gruppe der Interessenvertreter ein, die sich aus Sachverständigen der IKT-Branche, der Verbrauchergruppen, Wissenschaftlern sowie Strafverfolgungs- und Datenschutzbehörden zusammensetzt.

4.7

Da die Verordnung noch in Vorbereitung ist, sind die Zahlen nicht sicher. Die Agentur hat derzeit 44-50 Mitarbeiter und einen Haushalt von 8 Mio. EUR. Entsprechend dem Konzept könnte Option 3 eine Erhöhung des Personals auf 99 Personen und des Haushalts auf 17 Mio. EUR mit sich bringen.

4.8

Die Verordnung sieht eine feste Mandatszeit von fünf Jahren vor.

Brüssel, den 17. Februar 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 33.

(2)  ABl. C 220 vom 16.9.2003, S. 33.

(3)  ABl. C 97 vom 28.4.2007, S. 21.

(4)  ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 98.

(5)  Der Verweis auf höhere Ressourcen hängt von der Annahme des ENISA-Vorschlags in der derzeitigen Form ab.


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