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Document 32010Y1228(01)

Erläuternde Mitteilung der Kommission zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2007/58/EG

ABl. C 353 vom 28.12.2010, p. 1–6 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

28.12.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 353/1


Erläuternde Mitteilung der Kommission zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2007/58/EG

2010/C 353/01

1.   EINLEITUNG

In dieser erläuternden Mitteilung wird der Standpunkt der Kommission zur Anwendung der Richtlinie 2007/58/EG vom 23. Oktober 2007 dargelegt, die die Öffnung des Marktes für grenzüberschreitende Schienenpersonenverkehrsdienste regelt und von den Mitgliedstaaten bis zum 4. Juni 2009 umgesetzt werden musste (1). Nach einer von den Dienststellen der Kommission Ende 2009 durchgeführten Umfrage über die Anwendung der Richtlinie sowie anschließenden Gesprächen mit Vertretern der Mitgliedstaaten und Fachverbänden des Eisenbahnsektors erschien eine Mitteilung dieser Art notwendig. Dabei wurde die Kommission von Eisenbahn-Regulierungsstellen und Verkehrsministerien um Informationen und Orientierungshilfe in Bezug auf die Anwendung bestimmter Vorschriften der Richtlinie gebeten. Mit dieser Mitteilung soll daher sichergestellt werden, dass die von den Mitgliedstaaten beschlossenen Umsetzungsmaßnahmen mit der Richtlinie voll im Einklang stehen.

Von den Beteiligten wurden zwei Hauptfragen aufgeworfen, die für die Öffnung des Marktes für grenzüberschreitende Schienenpersonenverkehrsdienste entscheidend sind, da sie sich unmittelbar auf die Rechte der Eisenbahnunternehmen auf Infrastrukturzugang auswirken.

1.

Wie wird festgestellt, ob der Hauptzweck eines Verkehrsdienstes in der grenzüberschreitenden Beförderung von Fahrgästen liegt?

2.

Wie wird beurteilt, ob der neue Verkehrsdienst das wirtschaftliche Gleichgewicht öffentlicher Dienstleistungsaufträge beeinträchtigt?

Die vorliegende Mitteilung ist auf diese beiden Fragen beschränkt. Gegebenenfalls können anschließend auch andere Aspekte der Richtlinie 2007/58/EG behandelt werden.

1.   Wie wird der Hauptzweck eines Verkehrsdienstes festgestellt?

Erwägungsgrund 8

Die Einführung neuer, allgemein zugänglicher grenzüberschreitender Eisenbahnverbindungen mit Zwischenhalten sollte nicht dafür benutzt werden, eine Marktöffnung für inländische Personenverkehrsdienste zu bewirken, sondern sich lediglich auf zusätzliche Zwischenhalte auf der grenzüberschreitenden Strecke konzentrieren. Dementsprechend sollte deren Einführung Verkehrsdienste betreffen, deren Hauptzweck in der grenzüberschreitenden Beförderung von Fahrgästen liegt. Bei der Bestimmung des Hauptzwecks des Verkehrsdienstes sollten Kriterien wie beispielsweise der Anteil am Umsatz und am Fahrgastaufkommen (ermittelt anhand der Fahrgastzahlen im inländischen oder grenzüberschreitenden Verkehr und der Streckenlänge) berücksichtigt werden. Diese Bestimmung sollte durch die jeweilige nationale Regulierungsstelle auf Antrag eines Betroffenen vorgenommen werden.

Artikel 10 Absatz 3a

Die Eisenbahnunternehmen, die unter Artikel 2 fallen, erhalten spätestens ab dem 1. Januar 2010 das Recht auf Zugang zur Infrastruktur in allen Mitgliedstaaten, um grenzüberschreitende Personenverkehrsdienste zu erbringen. Bei der Durchführung eines grenzüberschreitenden Personenverkehrsdienstes haben die Eisenbahnunternehmen das Recht, Fahrgäste an beliebigen Bahnhöfen auf der grenzüberschreitenden Strecke aufzunehmen und an einem anderen abzusetzen, auch an Bahnhöfen in demselben Mitgliedstaat.

Das Recht auf Zugang zur Infrastruktur der Mitgliedstaaten, in denen der Anteil des grenzüberschreitenden Personenverkehrs auf der Schiene mehr als die Hälfte des Personenverkehrsumsatzes der Eisenbahnunternehmen dieses Mitgliedstaats ausmacht, ist bis zum 1. Januar 2012 zu erteilen.

Die in Artikel 30 der Richtlinie 2001/14/EG genannte(n) zuständige(n) Regulierungsstelle(n) bestimmt (bestimmen) auf Antrag der jeweils zuständigen Behörden und/oder der betroffenen Eisenbahnunternehmen, ob der Hauptzweck des Verkehrsdienstes in der Beförderung von Fahrgästen zwischen Bahnhöfen in verschiedenen Mitgliedstaaten liegt.

Verantwortlichkeiten

Gemäß Artikel 10 Absatz 3a bestimmen allein die Regulierungsstellen, ob der Hauptzweck eines Verkehrsdienstes in der Beförderung von Fahrgästen zwischen Bahnhöfen in verschiedenen Mitgliedstaaten liegt. Die Regulierungsstellen müssen dabei unabhängig handeln, was bedeutet, dass ihre Entscheidung durch Anweisungen, die sie von einer anderen Behörde aufgrund nationaler gesetzlicher Anforderungen erhält, weder beeinflusst noch im Voraus bestimmt werden kann.

Für die Bestimmung des Hauptzwecks eines Verkehrsdienstes können nach Artikel 10 Absatz 3a in besonderen Fällen auch mehrere Regulierungsstellen zuständig sein. Betrifft eine Entscheidung den Eisenbahnverkehr mehrerer Mitgliedstaaten, so müssen demnach zwei oder mehrere Regulierungsstellen in die Entscheidung einbezogen werden. Da es sich um grenzüberschreitende Verkehrsdienste handelt, ist es ausgesprochen wichtig, dass die betreffenden Regulierungsstellen Entscheidungen von länderübergreifender Wirkung angemessen koordinieren. Sie sollten deshalb die Regulierungsstellen der anderen Mitgliedstaaten, die von dem Verkehrsdienst betroffen sind, systematisch informieren und mit ihnen vor einer unter ihre Zuständigkeit fallenden Entscheidung erste Überlegungen darüber austauschen, ob die Anforderung hinsichtlich des Hauptzwecks des Verkehrsdienstes erfüllt ist.

Beschlussverfahren

Gemäß Artikel 10 Absatz 3a werden die Regulierungsstellen auf Antrag der jeweils zuständigen Behörden und/oder der betroffenen Eisenbahnunternehmen tätig. Die Regulierungsstellen sollten somit nicht von sich aus handeln, sondern nur auf Antrag einer der interessierten Parteien.

Beantragen Eisenbahnunternehmen den Zugang zur Infrastruktur, um grenzüberschreitende Personenverkehrsdienste zu erbringen, so sollte der betreffende Verkehrsdienst als grenzüberschreitend angesehen werden, wenn der Zug die Grenze mindestens eines Mitgliedstaates überquert, unabhängig davon, ob der Verkehrsdienst Kabotage einschließt oder nicht. Die Regulierungsstellen sollten den Hauptzweck des Verkehrsdienstes in jedem Einzelfall prüfen. Die „betroffenen Eisenbahnunternehmen“ sind ausschließlich diejenigen, die nachweisen können, dass der neue Verkehrsdienst Auswirkungen auf sie hat. Die „zuständigen Behörden“ sind diejenigen, die befugt sind, den Zugang zur Schieneninfrastruktur zu gewähren, zu begrenzen oder zu verweigern.

Damit die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung in vollem Umfang respektiert werden, sollte das Beschlussverfahren klar, transparent und diskriminierungsfrei sein. Es sollte veröffentlicht werden und ihm sollte eine Konsultation der Beteiligten sowie ein Informationsaustausch mit anderen Regulierungsstellen zugrunde liegen, um angemessene und faire Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer des Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass allen Marktteilnehmern hinreichende Rechtssicherheit für die Entwicklung ihrer Aktivitäten geboten werden muss. Das Verfahren sollte so einfach, effizient und transparent wie möglich sein und mit dem Verfahren zur Beantragung von Fahrwegkapazität im Einklang stehen. Die Einzelheiten des Verfahrens können sich im Laufe ändern, vor allem unter Berücksichtigung der von den Regulierungsstellen gewonnenen Erfahrungen.

Kriterien

In Artikel 10 Absatz 3a sind keine Kriterien festgelegt, anhand deren der Hauptzweck des Verkehrsdienstes zu bestimmen wäre. Allerdings werden in Erwägungsgrund 8 drei Kriterien genannt, auf die sich die Regulierungsstellen stützen können: der Anteil am Umsatz und am Fahrgastaufkommen, ermittelt anhand der Fahrgastzahlen im inländischen und grenzüberschreitenden Verkehr, sowie die Streckenlänge. Diese Kriterien dienen lediglich als Beispiele und sind als solche unverbindlich, so dass auch andere Kriterien herangezogen werden können.

Die Kriterien sollten eindeutig festlegen, welche Faktoren von den Regulierungsstellen bei der Bestimmung des Hauptzwecks des Verkehrsdienstes zu berücksichtigen sind. Diese Faktoren sollten die Regulierungsstellen in die Lage versetzen, anstatt der Merkmale, die der Verkehrsdienst zu einem bestimmten Zeitpunkt aufweist, vielmehr seinen mittelfristigen Zweck zu bestimmen. Die Bewertung sollte ein vorausschauendes Element enthalten, wobei absehbare allmähliche Anpassungen des Verkehrsdienstes und die Marktbedingungen zu berücksichtigen sind. Mögliche Entscheidungsgrundlagen können vom betreffenden Eisenbahnunternehmen vorgelegte Geschäftspläne und Marktprognosen sein.

Zur Bestimmung des Hauptzwecks eines Verkehrsdienstes sollte die Analyse der Regulierungsstellen sowohl quantitativ wie qualitativ ausgerichtet sein. Die strenge oder ausschließliche Anwendung eines quantitativen Schwellenwerts ist somit nicht möglich. Qualitative Faktoren, die die Regulierungsstellen bei der Bestimmung des Zwecks des Verkehrsdienstes gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, sind dessen Vermarktung, die angebotenen Halte und die verwendeten Fahrzeuge.

2.   Wie wird beurteilt, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht öffentlicher Dienstleistungsaufträge beeinträchtigt wird?

Erwägungsgrund 10

Die Öffnung grenzüberschreitender Personenverkehrsdienste für den Wettbewerb, die das Recht einschließen, Fahrgäste zwischen beliebigen Bahnhöfen auf der Strecke eines grenzüberschreitenden Verkehrsdienstes — auch zwischen Bahnhöfen in demselben Mitgliedstaat — zu befördern, könnte sich auf die Organisation und die Finanzierung von Personenverkehrsdiensten auf der Schiene auswirken, die im Rahmen eines Vertrages über öffentliche Dienstleistungen erbracht werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, das Zugangsrecht zum Markt einzuschränken, wenn dieses Recht das wirtschaftliche Gleichgewicht dieser Verträge über öffentliche Dienstleistungen gefährden würde und wenn die in Artikel 30 der Richtlinie 2001/14/EG genannte zuständige Regulierungsstelle einem entsprechenden Antrag der zuständigen Behörden, die den Vertrag über öffentliche Dienstleistungen geschlossen haben, auf der Grundlage einer objektiven wirtschaftlichen Analyse stattgibt.

Erwägungsgrund 12

Bei der Beurteilung der Frage, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags über öffentliche Dienstleistungen gefährdet sein könnte, sollten vorab festgelegte Kriterien berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Auswirkungen auf die Rentabilität von Verkehrsdiensten, auf die sich ein Vertrag über öffentliche Dienstleistungen erstreckt, einschließlich der dadurch verursachten Auswirkungen auf die Nettokosten für die zuständige Behörde, die den Vertrag geschlossen hat, die Fahrgastnachfrage, die Fahrpreisgestaltung, die Regelungen für den Fahrscheinverkauf, die Lage und die Anzahl der Halte auf beiden Seiten der Grenze sowie die Fahrzeiten und die Häufigkeit der geplanten neuen Verbindung. Unter Beachtung dieser Beurteilung und der Entscheidung der zuständigen Regulierungsstelle können die Mitgliedstaaten das angestrebte Recht auf Zugang zu grenzüberschreitenden Personenverkehrsdiensten gewähren, ändern oder verweigern; hierzu gehört auch die Erhebung eines Entgelts vom Betreiber eines neuen grenzüberschreitenden Personenverkehrsdienstes im Einklang mit der wirtschaftlichen Analyse, nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts sowie gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung.

Erwägungsgrund 17

Die nationalen Regulierungsstellen sollten nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/14/EG Informationen austauschen und in Einzelfällen gegebenenfalls ihre Beurteilungsgrundsätze und ihre Beurteilungspraxis in der Frage, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht eines Vertrages über öffentliche Dienstleistungen gefährdet ist, koordinieren. Ausgehend von ihrer Erfahrung sollten sie schrittweise Leitlinien entwickeln.

Artikel 10 Absatz 3b

Die Mitgliedstaaten können das in Absatz 3a festgelegte Zugangsrecht auf Strecken zwischen einem Ursprungsort und einem Zielort, die Gegenstand eines oder mehrerer mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht vereinbarer Verträge über öffentliche Dienstleistungen sind, einschränken. Eine derartige Einschränkung darf das Recht zur Beförderung von Fahrgästen zwischen beliebigen Bahnhöfen auf der Strecke eines grenzüberschreitenden Verkehrsdienstes, auch zwischen Bahnhöfen in demselben Mitgliedstaat, nur in dem Fall einschränken, in dem die Ausübung dieses Rechts das wirtschaftliche Gleichgewicht eines Vertrags über öffentliche Dienstleistungen gefährden würde.

Die Frage, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht gefährdet würde, wird von der (den) in Artikel 30 der Richtlinie 2001/14/EG genannten Regulierungsstelle(n) auf der Grundlage einer objektiven wirtschaftlichen Analyse und vorab festgelegter Kriterien auf Antrag eines der folgenden Beteiligten beurteilt:

der zuständigen Behörde(n), die den Vertrag über öffentliche Dienstleistungen geschlossen hat (haben);

anderer betroffener zuständiger Behörden, die zur Einschränkung des Zugangsrechts nach Maßgabe dieses Artikels befugt sind;

des Infrastrukturbetreibers; oder

des den öffentlichen Dienstleistungsauftrag erfüllenden Eisenbahnunternehmens.

Die zuständigen Behörden und die den öffentlichen Dienstleistungsauftrag erfüllenden Eisenbahnunternehmen stellen der (den) zuständigen Regulierungsstelle(n) die Informationen zur Verfügung, die diese nach vernünftigem Ermessen für die Entscheidungsfindung benötigt (benötigen). Die Regulierungsstelle prüft die zur Verfügung gestellten Informationen, hört gegebenenfalls alle Betroffenen an und unterrichtet die Betroffenen von ihrer mit einer Begründung versehenen Entscheidung innerhalb einer vorher festgelegten angemessenen Frist, auf jeden Fall jedoch spätestens zwei Monate nach Eingang aller entscheidungserheblichen Informationen. Die Regulierungsstelle teilt die Gründe für ihre Entscheidung mit und gibt an, in welchem Zeitraum und unter welchen Bedingungen

die jeweils zuständige(n) Behörde(n),

der Infrastrukturbetreiber,

das den Vertrag über öffentliche Dienstleistungen erfüllende Eisenbahnunternehmen oder

das den Zugang beantragende Eisenbahnunternehmen

eine erneute Prüfung der Entscheidung verlangen können.

Verantwortlichkeiten

Gemäß Artikel 10 Absatz 3b sind die Mitgliedstaaten befugt, aber nicht verpflichtet, den Zugang zu Strecken, für die öffentliche Dienstleistungsaufträge erteilt wurden, einzuschränken, wenn das wirtschaftliche Gleichgewicht dieser Dienstleistungsaufträge durch neue grenzüberschreitende Verkehrsdienste gefährdet würde. Nur wenn die Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, müssen die Regulierungsstellen feststellen, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags durch den geplanten neuen Verkehrsdienst gefährdet würde. Die Regulierungsstellen müssen dabei unabhängig handeln. In Erwägungsgrund 14 wird insbesondere darauf hingewiesen, wie die Regulierungsstellen organisiert sein sollten, damit sie ihre Befugnisse unabhängig von den Behörden wahrnehmen können, die die öffentlichen Dienstleistungsaufträge vergeben.

Bei einer eventuellen Einschränkung von Zugangsrechten durch die Mitgliedstaaten nach Artikel 10 Absatz 3b sollte der Beurteilung der Regulierungsstelle Rechnung getragen werden. Wie es in Erwägungsgrund 10 heißt, setzt eine Einschränkung des Zugangsrechts durch die Mitgliedstaaten die Zustimmung der zuständigen Regulierungsstelle voraus. Dies kann in Form einer verbindlichen Stellungnahme geschehen, in der beurteilt wird, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht öffentlicher Dienstleistungsaufträge gefährdet ist und in der eine spezifische Maßnahme vorgeschlagen wird, oder im Wege eines Zustimmungsverfahrens, bei dem etwaige Entscheidungsentwürfe über die Einschränkung von Zugangsrechten einer Prüfung unterzogen werden.

Falls erforderlich, sollten die Beurteilungen und Entscheidungen der Regulierungsstellen im Einzelfall koordiniert werden. Dies gilt insbesondere, wenn es bei den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen um grenzüberschreitende Verkehrsdienste geht, oder generell in den Fällen, in denen die Tragfähigkeit eines grenzüberschreitenden Verkehrsdienstes in einem Mitgliedstaat durch die Einschränkung von Kabotagerechten in einem anderen beeinflusst werden könnte. Um in solchen Fällen ein gemeinsames Verständnis der Situation zu erreichen, sollten die betreffenden Regulierungsstellen Informationen und erste Überlegungen darüber austauschen, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht öffentlicher Dienstleistungsaufträge gefährdet ist und eventuelle Einschränkungen vorgenommen werden sollten. Die Regulierungsstellen sollten die Stellen der anderen Mitgliedstaaten konsultieren, unbeschadet der Möglichkeit, dass in dem Mitgliedstaat der konsultierten Regulierungsstelle der Zugang zu Strecken, für die öffentliche Dienstleistungsaufträge gelten, eingeschränkt werden kann.

Abgesehen von den oben genannten Sonderfällen wird in Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2007/58/EG darauf hingewiesen, dass die Regulierungsstellen nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/14/EG systematisch Informationen über ihre Arbeit sowie über ihre Beurteilungsgrundsätze und Beurteilungspraxis austauschen sollten, um ausgehend von ihrer Erfahrung schrittweise Leitlinien zu entwickeln.

Beschlussverfahren

Die Frage, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags gefährdet sein könnte, sollte von den Regulierungsstellen unabhängig davon beurteilt werden können, ob der Hauptzweck des Verkehrsdienstes untersucht worden ist oder nicht. Beide Vorgänge können zwar gleichzeitig erfolgen, jedoch kann keiner von ihnen Voraussetzung des anderen sein.

Gemäß Artikel 10 Absatz 3b muss die Beurteilung auf einen der betreffenden Regulierungsstelle vorgelegten Antrag erfolgen. Dieser Antrag kann nur von einem der folgenden Beteiligten gestellt werden: 1) der/den zuständigen Behörde(n), die den öffentlichen Dienstleistungsauftrag erteilt hat/haben; 2) anderen zuständigen Behörden, die zur Einschränkung des Zugangs zur betreffenden Infrastruktur befugt sind; 3) dem betreffenden Infrastrukturbetreiber oder 4) dem Eisenbahnunternehmen, das den öffentlichen Dienstleistungsauftrag erfüllt. Kann der Antragsteller nicht die zur Entscheidungsfindung notwendigen Informationen liefern oder erfolgt die Antragstellung nicht innerhalb einer angemessenen, von der Regulierungsstelle vorab festgelegten Frist, so sollte keine Beurteilung durchgeführt werden. Hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass allen Marktteilnehmern hinreichende Rechtssicherheit für die Entwicklung ihrer Aktivitäten geboten werden muss. Das Verfahren sollte so einfach, effizient und transparent wie möglich sein und mit dem Verfahren zur Beantragung von Fahrwegkapazität im Einklang stehen.

Die Regulierungsstellen sollten solche Beurteilungen nicht von sich aus durchführen, sondern nur auf Antrag eines der oben genannten Beteiligten. Die Beurteilung der Regulierungsstelle sollte sich auf die in dem Antrag aufgeführten Punkte beschränken.

Ihr sollten ein objektives Verfahren sowie im Voraus bestimmte Kriterien zugrunde liegen. Für die Entwicklung eines solchen Verfahrens, einschließlich der anzuwendenden Kriterien, sind allein die Regulierungsstellen zuständig. Diese Zuständigkeit kann durch keine Behörde, die an der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge mitwirkt oder Gesellschafterkontrolle über ein Eisenbahnunternehmen ausübt, eingeschränkt werden.

Das Beschlussverfahren sollte so festgelegt werden, dass es mit den Marktentwicklungen im Einklang steht und im Laufe der Zeit Anpassungen ermöglicht, insbesondere um den Erfahrungen der Regulierungsstellen und den gemeinsamen Leitlinien in Erwägungsgrund 17 Rechnung zu tragen.

Das Verfahren sollte eine eingehende wirtschaftliche Analyse beinhalten. Die Regulierungsstellen müssen deshalb die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des neuen Verkehrsdienstes auf den betreffenden Dienstleistungsauftrag angemessen beurteilen. Die einfache Anwendung vorab festgelegter Schwellenwerte sollte deshalb in der Regel nicht als ausreichend angesehen werden.

In der Folgenabschätzung sollte belegt werden, inwieweit das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Dienstleistungsauftrags gefährdet ist. Dies bedeutet, dass die sich aus dem neuen Verkehrsdienst ergebenden Auswirkungen zwar bestimmt werden müssen, dass dies für sich allein aber noch nicht ausreicht. Im Rahmen der wirtschaftlichen Analyse sollte vielmehr festgestellt werden, in welchem Ausmaß das wirtschaftliche Gleichgewicht des Dienstleistungsauftrags beeinträchtigt wird. Darüber hinaus sollten die Auswirkungen exakt dem neuen Verkehrsdienst und keinen anderen Faktoren, etwa dem allgemeinen Wirtschaftsklima, zugeschrieben werden können. Betroffen sind diejenigen Dienstleistungsaufträge, die sich auf Verbindungen zwischen Ursprungs- und Zielorten, die auch von dem neuen Verkehrsdienst bedient werden, oder auf vergleichbare Verkehrsdienste zwischen denselben Ursprungs- und Zielorten erstrecken, die auf einer gegebenenfalls betroffenen Parallelstrecke bedient werden.

Damit die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung in vollem Umfang respektiert werden, sollte das verwendete Verfahren klar, transparent und diskriminierungsfrei sein. Es sollte veröffentlicht werden und ihm sollte eine Konsultation der Beteiligten sowie ein Informationsaustausch mit anderen Regulierungsstellen zugrunde liegen, um angemessene und faire Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Die Einzelheiten des Verfahrens können sich mit der Zeit ändern, insbesondere mit Blick auf die Anpassung an die anhand der Erfahrungen der Regulierungsstellen entwickelten gemeinsamen Leitlinien.

Kriterien

Schwerpunkt der Analyse sollten die wirtschaftlichen Auswirkungen sein, die der neue Verkehrsdienst auf den öffentlichen Dienstleistungsauftrag insgesamt und nicht auf einzelne Verbindungen hat. Wie es in Erwägungsgrund 12 heißt, muss dazu Folgendes berücksichtigt werden: 1) die Nettokosten für die zuständige Behörde, die den Auftrag erteilt hat, und 2) die Rentabilität der vom Eisenbahnunternehmen aufgrund des Auftrags erbrachten Verkehrsdienste. Allein die Tatsache, dass der neue Verkehrsdienst zu einem niedrigeren Preis oder in demselben Zeitraum wie die Verkehrsdienste im Rahmen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags angeboten wird, lässt nicht den Schluss zu, dass das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Dienstleistungsauftrags gefährdet ist.

Zur Bestimmung der Auswirkungen auf die Rentabilität für das Eisenbahnunternehmen und auf die Nettokosten für die zuständige Behörde werden in Erwägungsgrund 12 mehrere nützliche Faktoren genannt: die Fahrgastnachfrage, die Fahrpreisgestaltung, die Regelungen für den Fahrscheinverkauf, die Lage und die Anzahl der Halte beiderseits der Grenze sowie die Fahrzeiten und die Häufigkeit der neuen Verbindung. Dies allein entspricht allerdings noch nicht der in der Richtlinie geforderten wirtschaftlichen Analyse und reicht nicht aus, um festzustellen, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht gefährdet ist. Die genannten Aspekte dienen lediglich als Beispiele und haben weder erschöpfenden noch verbindlichen Charakter.

Nicht jede Auswirkung auf einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag sollte als Gefährdung des wirtschaftlichen Gleichgewichts angesehen werden. Begrenzte oder einmalige Auswirkungen, insbesondere innerhalb der im Dienstleistungsauftrag selbst festgelegten Grenzen, sollten nicht als „gefährdend“ gelten. In der Beurteilung sollte nachgewiesen werden, dass die Tragfähigkeit der im Rahmen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags erbrachten Verkehrsdienste tatsächlich beeinträchtigt ist. Das Gleichgewicht sollte als gefährdet angesehen werden, wenn belegt werden kann, dass die wirtschaftliche Durchführbarkeit dieser öffentlichen Verkehrsdienste bei akzeptabler Qualität auf dem Spiel steht.

In diesem Zusammenhang wäre es nicht ausreichend nachzuweisen, dass der Markteintritt des neuen Unternehmens zu höheren öffentlichen Ausgaben führt. Vielmehr müssten diese Ausgaben in erheblichem Maße steigen, damit von einer Gefährdung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des betreffenden Dienstleistungsauftrags ausgegangen werden kann.

Diese erläuternde Mitteilung berührt nicht die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Umsetzungsmaßnahmen zu beschließen, um der Richtlinie 2007/58/EG nachzukommen.


(1)  Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sowie der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur. Die in dieser Mitteilung verwendete Nummerierung der Artikel bezieht sich auf die letzte konsolidierte Fassung der Richtlinie 91/440/EWG (Basisrechtsakt).


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