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Document 52007AR0344

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen Aktive Einbeziehung

ABl. C 257 vom 9.10.2008, p. 1–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.10.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 257/1


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Aktive Einbeziehung“

(2008/C 257/01)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN vertritt folgende Ansichten:

Eine optimale Politik der aktiven Einbeziehung bedarf eines vierten Pfeilers mit Querschnittscharakter: soziale Teilhabe.

Die aktive Eingliederung ist das wichtigste Element der aktiven Einbeziehung. Aktive Einbeziehung beruht auf dem „Work First“-Prinzip: jeder Bürger ohne Arbeit sollte in Arbeit gebracht oder weiter qualifiziert werden.

Ein kohärenter Policy-Mix sollte in erster Linie auf regionaler und lokaler Ebene entwickelt und durchgeführt werden. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen sind in erster Linie die Unternehmen und die Sozialpartner als grundlegende Akteure auf diesem Gebiet, in Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, verantwortlich.

Was mit „ausreichendem Einkommen“ gemeint ist, unterscheidet sich je nach Land, Region und Gemeinde. Eine Einkommenssicherung sollte als angemessen erachtet werden, wenn durch sie die strukturelle Armut bekämpft werden kann. Dieses Niveau kann dann als „ausreichend“ definiert werden. Was die Höhe der Leistung betrifft, lässt sich für die EU als Ganzes keine allgemeingültige Regel darüber aufstellen, was „ausreichend“ ist. Die Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sind gemeinsam für eine Politik verantwortlich, die eine angemessene Einkommenssicherung bietet. Auf EU-Ebene sollte dies im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung diskutiert werden.

Im Falle der sozial und wirtschaftlich benachteiligten Regionen und Städte in Europa wird für die Durchführung eines (vorbildlichen) Policy-Mixes zur aktiven Einbeziehung der arbeitsmarktfernsten Bürger die finanzielle Unterstützung der EU benötigt. Daher wird gefordert, den ESF-Haushalt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zum Zwecke der aktiven Einbeziehung unmittelbar zugänglich zu machen.

Soziale, subventionierte oder geschützte Arbeit sowie Sozialunternehmen und Genossenschaften sind Instrumente, die im Policy-Mix auf lokaler Ebene und regionaler Ebene eine wichtige Rolle spielen können. Diese Unternehmen sollten nicht an den herkömmlichen Wettbewerbsregeln des europäischen Marktes gemessen werden (sie benötigen z.B. lockerere Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge und für staatliche Beihilfen).

Berichterstatter

:

Henk KOOL (SPE/NL), Bezirksbürgermeister in Den Haag (Niederlande)

Referenzdokument

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Modernisierung des Sozialschutzes im Interesse einer größeren sozialen Gerechtigkeit und eines stärkeren wirtschaftlichen Zusammenhalts: die aktive Einbeziehung der arbeitsmarktfernsten Menschen voranbringen

KOM(2007) 620 endg.

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

2006 galten in den 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union 80 Millionen Menschen (16 Prozent der Bevölkerung) als armutsgefährdet. Aktive Einbeziehung und die Bekämpfung von Armut ist stark von der Eingliederung der arbeitsmarktfernsten Personen abhängig. Die Tatsache, dass es nach wie vor eine große Zahl armutsgefährdeter und vom Arbeitsmarkt ausgeschlossener Menschen gibt, ist eine unausweichliche Herausforderung für das im Vertrag über die Europäische Union enthaltene Ziel „sozialer Zusammenhalt“.

2.

Die Europäische Kommission stützt sich auf drei Pfeiler, um die aktive Einbeziehung der arbeitsmarktfernsten Personen zu verbessern: 1) angemessene und ausreichende Einkommenssicherung, 2) aktive Eingliederung, 3) Sozialdienstleistungen hoher Qualität.

3.

Eine optimale Politik der aktiven Einbeziehung bedarf jedoch eines vierten Pfeilers mit Querschnittscharakter: soziale Teilhabe.

4.

Für eine aktive Einbeziehung wird ein integrativer und umfassender Ansatz bezüglich der vier Pfeiler benötigt.

5.

Die aktive Eingliederung (der zweite Pfeiler) ist das wichtigste Element der aktiven Einbeziehung. Aktive Einbeziehung beruht auf dem „Work First“-Prinzip: jeder Bürger ohne Arbeit sollte in Arbeit gebracht oder weiter qualifiziert werden. Der erste (angemessene und ausreichende Einkommenssicherung) und der dritte Pfeiler (Sozialdienstleistungen hoher Qualität) stellen unterstützende Elemente dar. Der vierte Pfeiler (soziale Teilhabe) stellt den letzten Behelf einer Politik der aktiven Eingliederung dar. Bürger, die nicht arbeiten können, sollten finanziell und mit anderen Maßnahmen so unterstützt werden, dass sie an der Gesellschaft teilhaben können. Wir stimmen mit der Kommission darin überein, dass diese Pfeiler einen integrativen und umfassenden Ansatz bilden. Jede Gebietskörperschaft sollte daher ein angemessenes Gleichgewicht zwischen sozialer Wohlfahrt, Sozialdienstleistungen, Dienstleistungen für die Allgemeinheit sowie finanzieller und nicht finanzieller Attraktivität von Arbeit anstreben.

6.

Für eine Strategie und Politik der aktiven Einbeziehung sind in erster Linie die Mitgliedstaaten und ihre lokalen und regionalen Gebietskörperschaften verantwortlich. Um die Entwicklung und den Austausch entsprechender Maßnahmen anzuregen, werden jedoch gemeinsame Grundsätze entsprechend dem EU-Ziel „sozialer Zusammenhalt“ vorgeschlagen.

7.

Die wichtigsten Akteure bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen sind die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften. Die EU hat eine unterstützende Funktion. An der Festlegung einer umfassenden Politik der aktiven Einbeziehung werden die einzelnen Ebenen unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips angemessen beteiligt.

8.

Die vier Pfeiler (Einkommenssicherung, aktive Einbeziehung, Zugang zu Sozialdienstleistungen hoher Qualität und soziale Teilhabe) sind miteinander verbunden und sollten einander verstärken. Für jede betroffene Region, Zielgruppe und Einzelperson wird ein optimaler Policy-Mix aus diesen vier Pfeilern gefordert. Maßnahmen zur aktiven Einbeziehung sind auf den Einzelfall zugeschnitten und berücksichtigen die Unterschiede zwischen den Zielgruppen und den einzelnen Menschen. Abhängig vom wirtschaftlichen Modell jedes Mitgliedstaats können die relative Bedeutung dieser vier Pfeiler und die innerhalb jedes dieser Pfeiler ergriffenen Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften variieren.

9.

Die Ergebnisse der Maßnahmen zur Eingliederung der arbeitsmarktfernsten Personen werden von den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften am deutlichsten wahrgenommen. Auch die Folgen von Unzulänglichkeiten dieser Maßnahmen auf lokaler, regionaler, nationaler oder europäischer Ebene sind von ihnen zu tragen. Daher sollte ein kohärenter Policy-Mix in erster Linie auf regionaler und lokaler Ebene entwickelt und durchgeführt werden. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften kennen die Gegebenheiten vor Ort, die Merkmale des Arbeitsmarktes und die vielen Akteure, die bei der Umsetzung eines umfassenden Konzepts zur aktiven Eingliederung eine Schlüsselrolle spielen können.

10.

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sollten daher funktionierende Partnerschaften mit anderen öffentlichen Körperschaften und Behörden, privaten Unternehmen, Sozialpartnern, NGO und Betroffenenvertretern gründen, um einen kohärenten Policy-Mix umsetzen und durchführen zu können.

11.

Zur Entwicklung und Durchführung entsprechender Maßnahmen, die in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen und privaten Stellen konzipiert und umgesetzt werden müssen, benötigen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ein hohes Maß an politischer Freiheit. Die europäischen und einzelstaatlichen Maßnahmen (im Bereich Steuern, Einwanderung, Bildung, Arbeitsverträge usw.) sollten so zugeschnitten sein, dass sie die Bedürfnisse der lokalen und regionalen Ebene hinsichtlich der Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen berücksichtigen und auf sie abgestimmt sind.

12.

Hindernisse und Engpässe, die sich aus europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Rechtsvorschriften und Praktiken ergeben, sollten beseitigt werden.

Aktive Eingliederung

13.

Das wichtigste Instrument der aktiven Einbeziehung ist die Verbesserung der aktiven Eingliederung. Um alle Personen einbeziehen zu können, bedarf es eines umfassenden Ansatzes der aktiven Eingliederung. Für jede Region, Zielgruppe und Einzelperson ist außerdem ein integrierter Policy-Mix erforderlich. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sind die wichtigsten Akteure, die diesen kohärenten Policy-Mix mit ihren Partnern (z.B. nationale Regierungen, Arbeitgeber, sonstige öffentliche Behörden, NGO) entwickeln und durchführen. Die Quintessenz eines umfassenden und integrierten Policy-Mix besteht darin, für möglichst viele Menschen Engpässe zu beseitigen und sie in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Dies kann dadurch bewerkstelligt werden, dass man sie durch Coaching-, Orientierungs- und Schulungsmaßnahmen an bezahlte Arbeit heranführt und Arbeitsplätze für geschützte Bevölkerungsgruppen schafft. Geschützte Arbeitsplätze sind Arbeitsplätze für diejenigen, die noch nicht gleich eine reguläre Arbeit aufnehmen können.

14.

Eine optimale Politik und ein umfassender Ansatz der aktiven Einbeziehung beinhalten folgende Elemente:

Ermutigung junger Menschen zum Erwerb einer Startqualifikation und Schaffung entsprechender Möglichkeiten für sie, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen;

Wiedereingliederung von Menschen ohne Arbeit („Work First“-Prinzip). Gleichzeitig sollten ihnen u.a. Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen, Beratung sowie Zugang zu Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder angeboten werden;

Vermittlung sozialer, geschützter und subventionierter Beschäftigungen für die arbeitsmarktfernsten Menschen;

Einsatz von Instrumenten der sozialen Teilhabe (z.B. Freiwilligenarbeit oder Sportaktivitäten) für Menschen, die aufgrund psychischer oder körperlicher Beeinträchtigungen weder für reguläre noch für geschützte Arbeit in Frage kommen. Gleichzeitig sollte die sozioökonomische Lage derjenigen, die in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden sollen, verbessert werden, und zwar durch Einkommenssicherung und den Zugang zu Sozialdienstleistungen hoher Qualität;

Das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass jeder Einwohner der Union die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe haben sollte.

15.

Der Einsatz intensiver personalisierter Aktionspläne trägt zur Verbesserung der aktiven Eingliederung bei.

16.

Zielgruppen sind ein wichtiges Element des umfassenden, integrierten Policy-Mix. Die öffentlichen Behörden auf regionaler und lokaler Ebene sollten solche Maßnahmen konzipieren und umsetzen, die zur aktiven Einbeziehung aller Menschen unabhängig von ihrem Hintergrund am geeignetsten sind, dabei jedoch die besonderen Hürden, die jeder Einzelne zu überwinden hat, berücksichtigen.

17.

Für die Schaffung von Arbeitsplätzen sind in erster Linie die Unternehmen und die Sozialpartner als grundlegende Akteure auf diesem Gebiet, in Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, verantwortlich. Auf nationaler und regionaler Ebene haben die Regierungen eine unterstützende Aufgabe, indem sie optimale wirtschaftliche Rahmenbedingungen bieten, beispielsweise ein hochwertiges Bildungssystem, effektive Arbeitsplatzvermittlung, adäquate steuerliche Maßnahmen und Flexicurity (Sozialschutz und flexible Beschäftigungsmöglichkeiten). Lokale und regionale Behörden, Sozialdienste und NGO sind für die praktische Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen zuständig, insbesondere für die arbeitsmarktfernsten Menschen. Selbstverständlich müssen die Betroffenen auch ihrer persönlichen Verantwortung gerecht werden.

18.

Die Arbeitgeber — aus dem öffentlichen und sozialen Bereich sowie aus der Privatwirtschaft — sollten erhebliche Anreize erhalten, um die bestehenden Arbeitsplätze auszubauen und neue hochwertige Arbeitsplätze (die sich durch eine ausreichende Entlohnung, gute Arbeitsbedingungen und Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten auszeichnen) zu schaffen. Benötigt werden insbesondere praktische (wenig Qualifizierung erfordernde) Jobs. Privaten Arbeitgebern können von nationalen, regionalen und lokalen Behörden entsprechende Anreize geboten werden, indem die Rahmenbedingungen für Unternehmen optimiert werden.

19.

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften treten selbst als wichtige Arbeitgeber auf. Als solche sollten auch sie die in diesem Dokument dargelegten Grundsätze beherzigen.

20.

Für aufgrund von körperlichen oder geistig-psychischen Beeinträchtigungen extrem arbeitsmarktferne Menschen kann die Schaffung und Finanzierung sozialer und subventionierter Arbeit sowie von Arbeitsplätzen für geschützte Bevölkerungsgruppen ebenfalls erforderlich sein. Lokale und regionale Gebietskörperschaften können hierbei eine wichtige Aufgabe übernehmen, indem sie Sozialunternehmen gründen oder fördern.

21.

Das Nebeneinanderbestehen von Beschäftigungstypen jedweder Art (zeitlich befristete, Gleit-, Teil- und Vollzeitarbeitsplätze sowie die Möglichkeit der Heimarbeit) kann den arbeitsmarktfernsten Menschen helfen, in diesen Markt einzutreten.

22.

Teil der koordinierten Bemühungen um die Verbesserung der Qualifikationen auch der arbeitsmarktfernsten Menschen sollten alle Arten von formaler und informeller Bildung und Ausbildung, partielle Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Fortbildungsmaßnahmen, die Akkreditierung früher erworbener Kenntnisse (Accreditation of prior learning, APL) sowie ein Schwerpunkt auf lebenslangem Lernen sein.

23.

Es bedarf größerer Anstrengungen der nationalen, regionalen und lokalen Behörden, um die Qualität der Bildung entsprechend den Erfordernissen des Arbeitsmarktes zu verbessern. Die lokalen Behörden sollten eine aktivere Beschäftigungspolitik betreiben, und es sollten die Anforderungen der lokalen Märkte berücksichtigt werden. In Mitgliedstaaten, in denen die Arbeitsmarktpolitik eine Zuständigkeit der lokalen Ebene ist, sollten die lokalen Behörden von den nationalen Regierungen Anreize erhalten, damit sie — mit Unterstützung der EU — den lokalen Arbeitsmarkt beobachten.

24.

Der umfassende, integrierte Policy-Mix für aktive Eingliederung sollte Anreize enthalten, um den arbeitsmarktfernsten Menschen eine eigene unternehmerische Tätigkeit zu ermöglichen.

Einkommenssicherung

25.

Die arbeitsmarktfernsten Personen benötigen eine Einkommenssicherung auf ausreichendem Niveau sowie weitere Hilfen, um ein menschenwürdiges Leben zu führen, und eine gewisse körperliche Fitness, um sich in den Arbeitsmarkt wiedereingliedern zu können. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Grundsatz der Europäischen Union.

26.

Was mit „ausreichendem Einkommen“ gemeint ist, unterscheidet sich je nach Land, Region und Gemeinde und wird durch die Höhe der Einkommenssicherung, das Preisniveau, die Haushaltsmerkmale, die Steuerbelastung, die Dauer des Ausschlusses vom Arbeitsmarkt, kulturelle, soziale und historische Gegebenheiten usw. beeinflusst. Eine Einkommenssicherung sollte als angemessen erachtet werden, wenn durch sie die strukturelle Armut bekämpft werden kann. Dieses Niveau kann dann als „ausreichend“ definiert werden. Was die Höhe der Leistung betrifft, lässt sich für die EU als Ganzes keine allgemeingültige Regel darüber aufstellen, was „ausreichend“ ist. Die Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sind gemeinsam für eine Politik verantwortlich, die eine angemessene Einkommenssicherung bietet. Auf EU-Ebene sollte dies im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung diskutiert werden.

27.

Auf EU-Ebene könnte ein gemeinsamer Grundsatz formuliert werden, wonach die Differenz zwischen den niedrigsten Einkommen auf dem Arbeitsmarkt und dem Niveau der Einkommenssicherung groß genug sein muss, um Menschen und bestimmte Zielgruppen zum Arbeiten zu animieren. Diese Differenz stellt im umfassenden Policy-Mix einen wichtigen finanziellen Anreiz dar. „Arbeit muss sich lohnen“ ist ein wichtiger Grundsatz für die Kommission, viele Mitgliedstaaten und für die lokale und regionale Ebene. Daher sollten nationale, regionale und lokale Behörden bei der Entwicklung und Durchführung von Einkommenssicherungsmaßnahmen das Risiko der Armutsfalle berücksichtigen.

28.

Eine Einkommenssicherungsleistung sollte den Personen zukommen, die kein bzw. nur ein unterhalb des Existenzminimums liegendes Arbeitsmarkteinkommen verdienen können (z.B. aufgrund ihrer geringen Produktivität oder weil sie schlecht bezahlte Tätigkeiten annehmen müssen). Die nationalen, regionalen und lokalen Behörden sollten die Funktionsweise des Arbeitsmarktes nicht behindern und bei denjenigen, die eine Einkommenssicherungsleistung erhalten wollen, eine engmaschige Überwachung und eine ernsthafte Antragsprüfung durchführen und eine „Türwächterrolle“ übernehmen. Gleichzeitig sollte es aktive Maßnahmen geben, um all diejenigen zu erreichen, die Sozialversicherungs- und Einkommenssicherungsleistungen sowie soziale Teilhabe benötigen.

29.

Die Einkommenssicherung könnte viele Formen annehmen und ist im Idealfall speziell auf die lokale und individuelle Ebene zugeschnitten. Beispiele für Einkommenssicherung könnten sein: Einkommenssicherung in Höhe des Existenzminimums für Erwerbspersonen, die keiner Beschäftigung oder Ausbildung nachgehen; Hilfe in Naturalien zur Verbesserung von Ernährung, Kleidung, Bildung, Wohnsituation und Gesundheitsfürsorge; ergänzende Einkommenshilfe (so dass das Arbeitseinkommen dem eines durchschnittlich produktiven Arbeitnehmers entspricht); Leistungen zur Deckung hoher Mobilitätskosten und zur Verbesserung der Qualifikationen und Kompetenzen des Einzelnen; Unterstützung zur Gründung des eigenen Unternehmens usw.

Soziale Teilhabe

30.

In manchen Fällen ist die Arbeitsmarktferne auf mehrfache persönlichkeitsbedingte und körperliche Beeinträchtigungen zurückzuführen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt oder auch geschützte Arbeit ist für diese Menschen keine realistische Option. Teil des umfassenden Ansatzes ist es, dass sich die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auch um diese Bürger kümmern. Dabei sollten mehrere Instrumente zur Förderung ihrer sozialen Teilhabe eingesetzt werden.

31.

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sollten alle Arten von Geld- und Naturalleistungen als Instrumente einsetzen, um die soziale Teilhabe nicht erwerbstätiger Menschen zu ermöglichen. Durch diese Instrumente werden Menschen, die andernfalls sozial isoliert werden könnten, zu Sozial-, Kultur-, Sport-, Wohlfahrts- und Freiwilligenaktivitäten animiert.

Zugang zu Sozialdienstleistungen hoher Qualität

32.

Um Einkommenssicherungsmaßnahmen, aktive Eingliederung und soziale Teilhabe so wirksam wie möglich zu machen, sind auf den Einzelnen zugeschnittene Aktionspläne erforderlich, in denen die jeweils benötigten Unterstützungsmaßnahmen zeitlich geplant und gewährleistet werden. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften benötigen die entsprechenden Mittel, um eine Infrastruktur von Dienstleistungen hoher Qualität schaffen und individuelle Aktionspläne erstellen zu können.

33.

Die Erfordernisse und Merkmale individueller Aktionspläne machen ein breit gefächertes Instrumentarium für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften erforderlich.

34.

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sollten den Einsatz von Instrumenten und Managementpraktiken anregen, mit denen die Qualität von Sozialdienstleistungen verbessert werden kann (z.B. universeller Zugang zum Internet, One-Stop-Frontoffice, „Lex silentio“, vorgeschriebene, angemessene Fristen zum Befinden über Einkommenssicherungs- oder Naturalleistungen).

Leitlinien zur Unterstützung der Politik

35.

Damit die Maßnahmen für die aktive Einbeziehung Erfolg haben, müssen sie lokale, regionale, nationale und EU-Politiken integrieren. Sie müssen die Elemente Mindesteinkommen, aktive Arbeitsmarktmaßnahmen, Bildung und Sozialdienstleistungen beinhalten und diese miteinander kombinieren. Es gibt viele Hindernisse, die der Umsetzung umfassender, integrierter Maßnahmen auf lokaler und regionaler Ebene im Weg stehen können. Die nationalen, regionalen und lokalen Behörden sollten gemeinsam die Umsetzung eines umfassenden Ansatzes anstoßen.

36.

Im Falle der sozial und wirtschaftlich benachteiligten Regionen und Städte in Europa wird für die Durchführung eines (vorbildlichen) Policy-Mixes zur aktiven Einbeziehung der arbeitsmarktfernsten Bürger die finanzielle Unterstützung der EU benötigt. Daher wird gefordert, den ESF-Haushalt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zum Zwecke der aktiven Einbeziehung unmittelbar zugänglich zu machen. Ein europäischer Etat zur Finanzierung der sozialen Teilhabe ist ebenfalls erforderlich. Der Interreg-Ansatz bietet ein gutes Beispiel für wirksame Unterstützung durch die Europäische Union.

37.

Soziale, subventionierte oder geschützte Arbeit sowie Sozialunternehmen und Genossenschaften sind Instrumente, die im Policy-Mix auf lokaler Ebene und regionaler Ebene eine wichtige Rolle spielen können. Diese Unternehmen sollten nicht an den herkömmlichen Wettbewerbsregeln des europäischen Marktes gemessen werden (sie benötigen z.B. lockerere Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge und staatliche Beihilfen).

38.

Der umfassende Ansatz wird hauptsächlich von den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften für ihre Einwohner vor Ort durchgeführt. Die Gebietskörperschaften sollten über die rechtlichen Möglichkeiten verfügen, ihre Politik auf die aktive Einbeziehung ihrer Einwohner zu konzentrieren.

39.

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sollten bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung der aktiven Einbeziehung eine führende Rolle spielen. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip der EU könnte ein gemeinsamer, EU-weit gültiger Grundsatz aufgestellt werden, wonach nationale und EU-Rechtsvorschriften und Praktiken den auf lokaler und regionaler Ebene formulierten Bedürfnissen (Grenzsteuersätze, Sozialleistungsstrukturen, Anreize für lebenslanges Lernen, finanzielle Anreize für Arbeitgeber, Arbeitsrecht, Antidiskriminierungsgesetz, Differenzierung der Mindestlohnniveaus usw.) entsprechen sollten.

Methode der offenen Koordinierung

40.

Die Methode der offenen Koordinierung bietet einen — von rechtlichen Zwängen freien — Rahmen für die politische Koordinierung. Bei Anwendung dieser Methode vereinbaren die Mitgliedstaaten, ihre wirksamsten Maßnahmen auf dem Gebiet der aktiven Einbeziehung zu ermitteln und zu fördern, mit dem Ziel, aus den Erfahrungen der anderen zu lernen. Zur Stärkung der Methode der offenen Koordinierung werden die folgenden politischen Empfehlungen formuliert.

41.

Viele Maßnahmen zur Verbesserung der aktiven Einbeziehung der arbeitsmarktfernsten Menschen und zur Gewährung von Einkommenssicherungsleistungen sind nicht wirksam genug. Daher sind qualitativ hochwertige Vergleichs- und Bewertungsstudien über lokale und regionale Maßnahmen zur aktiven Einbeziehung erforderlich, um die Wirksamkeit und Effizienz dieser Maßnahmen zu verbessern. Die Europäische Kommission könnte solche qualitativ hochwertigen Studien anregen.

42.

Peer Reviews zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und ein Netz lokaler und regionaler Beobachter (Progress) können die Lernprozesse verstärken. Die Qualität der Reviews und der Netze lokaler und regionaler Beobachter sowie deren Tätigkeiten sollten von Anfang an klar definiert sein.

43.

Unterschiede in Arbeitskräfteangebot und -nachfrage, uneinheitliche Lohnniveaus und Unterschiede bei der Einkommenssicherung in Europa führen zu einer Migration von Arbeitskräften, die die aktive Einbeziehung der arbeitsmarktfernsten Menschen vor Ort behindern kann. Die Methode der offenen Koordinierung kann eingesetzt werden, um den Einfluss dieser Migrationsbewegungen auf die Frage der aktiven Einbeziehung zu diskutieren.

44.

Die Entwicklung und Verbreitung beispielhafter Verfahren kann dadurch angeregt werden, dass jährlich die bei der aktiven Einbeziehung erfolgreichsten lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ausgewählt und mit einem europäischen Preis ausgezeichnet werden. Eine Systematisierung bewährter Verfahren könnte nach dem Vorbild der thematischen Gruppen des ESF erfolgen.

Brüssel, den 18. Juni 2008

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Luc VAN DEN BRANDE


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