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Document 52006AE1580
Opinion Of the European Economic and Social Committee on the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on enhancing supply chain security COM(2006) 79 final — 2006/0025 (COD)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette KOM(2006) 79 endg. — 2006/0025 (COD)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette KOM(2006) 79 endg. — 2006/0025 (COD)
ABl. C 325 vom 30.12.2006, p. 73–77
(ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
30.12.2006 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 325/73 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette“
KOM(2006) 79 endg. — 2006/0025 (COD)
(2006/C 325/18)
Der Rat beschloss am 4. April 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 80 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen:
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. November 2006 an. Berichterstatter war Herr SIMONS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 13. Dezember) mit 115 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
In Anknüpfung an die im Luft- und Seeverkehrssektor ergriffenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr hat die Kommission einen Verordnungsentwurf zur besseren Sicherung der Lieferkette des Landverkehrs erstellt, der für die Mitgliedstaaten verbindlich ist und für die Wirtschaft auf freiwilliger Basis eingeführt wird. |
1.2 |
Die „Lieferkette“ wird von der Kommission definiert als „sämtliche Beförderungsvorgänge und Begleitprozesse zwischen dem Herstellungs- und dem Bestimmungsort einer Ware“. Die Kommission gibt ferner an, dass der Verordnungsvorschlag ausschließlich den Güterverkehr betrifft und der Personenverkehr möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden kann. |
1.3 |
Ziel des Vorschlags ist es, neben einer besseren Sicherung der Lieferkette einen gemeinsamen Rahmen für ein systematisches Vorgehen auf europäischer Ebene zu schaffen, ohne den Verkehrsbinnenmarkt und die Wirksamkeit bestehender Sicherheitsmaßnahmen zu gefährden. Gleichzeitig sollen unnötige Verfahren und Belastungen auf europäischer und innerstaatlicher Verwaltungsebene vermieden werden. |
1.4 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) vertritt die Auffassung, dass im Bereich der Gefahrenabwehr beim Güterverkehr über Landverkehrsträger (Binnenschifffahrt, Schiene und selbstverständlich auch Rohrleitungen) aufgrund der großen wechselseitigen Abhängigkeit zwischen diesen Verkehrsträgern ein koordiniertes Vorgehen erforderlich ist, da die Stärke der gesamten Lieferkette durch ihr schwächstes Glied bestimmt wird. |
1.5 |
Die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen allerdings im Hinblick auf die Lissabon-Strategie wirksam und effizient sein und dürfen nicht zu einem höheren Verwaltungsaufwand und/oder Wettbewerbsverzerrungen in und zwischen den Verkehrsträgern führen. Der Ausschuss hat große Zweifel, ob dieses Ziel mit dem vorliegenden Vorschlag erreicht wird, da dieser doch sehr bürokratisch erscheint. Außerdem hat der Ausschuss den Eindruck, dass die mit der Einführung der vorgeschlagenen Maßnahmen einhergehenden Belastungen auf die Arbeitnehmer und Arbeitgeber der betroffenen Branche abgewälzt werden sollen. Aus diesem Grund sollten die mit dem Status „zuverlässiges Unternehmen“ einhergehenden Vorteile sowie die Auswirkungen dieses Status auf die Lieferkette genauer definiert werden, damit es nicht zu beträchtlichen Störungen der Lieferkette und gesamtwirtschaftlichen Mehrkosten ohne entsprechende Vorteile kommt. |
1.6 |
In diesem Zusammenhang vermisst der Ausschuss auch Maßnahmen, um die bauliche Infrastruktur angemessen gegen terroristische Anschläge zu sichern. Gerade auch aufgrund des Umstands, dass die Landverkehrsträger Infrastrukturen wie Tunnels, Viadukte und das Rohrleitungsnetz nutzen, sollten Vorschläge zur Gefahrenabwehr in der Lieferkette mit Vorschlägen zur besseren Sicherung der baulichen Infrastruktur kombiniert werden. |
1.7 |
Der Vorschlag der Kommission, die Verantwortung für das Ergreifen von Maßnahmen zum Schutz der Lieferkette den Mitgliedstaaten aufzuerlegen, geht nach Ansicht des Ausschuss in die richtige Richtung. Dies gilt an sich auch für die Einsetzung einer speziellen Behörde, die die in der Verordnung vorgeschlagenen Maßnahmen für die Sicherung der Lieferkette in den einzelnen Mitgliedstaaten koordiniert, umsetzt und überwacht. Angesichts der entscheidenden Rolle dieser Behörde vertritt der Ausschuss jedoch die Auffassung, dass der Kommissionsvorschlag diesbezüglich viel zu dürftig ausgefallen ist. |
1.8 |
Der Ausschuss hätte es begrüßt, wenn bei der Formulierung neuer Vorschläge im Bereich der Gefahrenabwehr die Wesensmerkmale der einzelnen Verkehrssektoren inventarisiert, die für die einzelnen Verkehrsträger getroffenen Maßnahmen berücksichtigt und die bereits ausgesprochenen Empfehlungen auf diesem Gebiet mit einbezogen worden wären. Aufgrund der unterschiedlichen Wesenscharakteristik der Verkehrsträger — so sind im Straßengüterverkehr 500.000 zumeist kleine Unternehmen tätig — sind jeweils auf die einzelnen Unternehmen abgestimmte Maßnahmen erforderlich. |
1.9 |
Wegen der Auswirkungen, die die vorgeschlagenen Maßnahmen auf die einzelnen Verkehrssektoren haben werden, hätte es nach dem Dafürhalten des Ausschusses mehr überzeugt, wenn die Vorteile der Maßnahmen für die jeweiligen Unternehmen in dem Kommissionsvorschlag prägnanter zum Ausdruck gekommen wären. Aus heutiger Sicht ist es auch aufgrund der Tatsache, dass im internationalen Verkehr keine systematischen Grenzkontrollen mehr stattfinden, fraglich, ob die Unternehmen auch wirklich in den Genuss dieser Vorteile kommen. |
1.10 |
Die Mindestnormen in Bezug auf die Gefahrenabwehr, die die Unternehmen zu erfüllen haben, müssen von den Mitgliedstaaten in einer Regelung für „zuverlässige Unternehmen“ festgelegt werden. Nach Auffassung des Ausschusses gibt es keine Garantie, dass dies zu einem harmonisierten System von Mindestnormen führt und dann gleiche Wettbewerbsbedingungen entstehen. |
1.11 |
Die Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen soll zu Lasten der einzelnen Mitgliedstaaten gehen. Der Ausschuss hält dies unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität für richtig. Die Investitionskosten für die Gefahrenabwehr sowie die damit verbundenen laufenden Kosten sollten den Unternehmen in Rechnung gestellt und nach Auffassung des Ausschusses auf die von ihnen berechneten Preise oder Tarife umgelegt werden. Darüber hinaus ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Kommission in ihrem Vorschlag den mit dem Status „zuverlässiges Unternehmen“ verbundenen Vorteilen mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. |
1.12 |
In Bezug auf die Rolle der Europäischen Kommission vertritt der Ausschuss die Meinung, dass die EU ausreichende Mittel zur Verfügung stellen sollte, um Länder außerhalb der Europäischen Union in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ergreifen, durch die dasselbe Sicherheitsniveau wie in der EU gewährleistet wird. Der Ausschuss hält dies aufgrund des internationalen Charakters des Güterverkehrs über Landverkehrsträger für einen wichtigen Gesichtspunkt. |
2. Einleitung
2.1 |
In ihrer Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen (KOM(2006) 79 endg.) vom 27. Februar 2006 über die Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette stellt die Kommission fest, dass der Terrorismus einer der größten Bedrohungen für Demokratie und Freiheit ist. |
2.2 |
Nach dem Dafürhalten der Kommission ist die Gefahr eines Terroranschlags auf den Güterverkehr trotz der verschärften Sicherheitsmaßnahmen nach wie vor hoch. So wurden in Europa insbesondere die Sicherung des Luftverkehrs und der Flughäfen sowie des Seeverkehrs und der Seehäfen verbessert. |
2.3 |
In der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 wird ein europäischer Gesetzesrahmen für die Sicherheit des Luftverkehrs und der Flughäfen festgelegt. Die Verordnung (EG) Nr. 725/2004 enthält Bestimmungen zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen, und in Richtlinie 2005/65/EG sind Maßnahmen zur Erhöhung der Gefahrenabwehr im gesamten Hafenbereich verankert. |
2.4 |
Auch der Ausschuss hat zu dieser Thematik seinen Beitrag geleistet. Er hat verschiedene Stellungnahmen verabschiedet, insbesondere auf dem Gebiet des Luft- und Seeverkehrs, wobei sich insbesondere Frau BREDIMA-SAVOPOULOU mit ihrer Stellungnahme zur Verbesserung der Gefahrenabwehr in Häfen, auf Schiffen und in Hafenanlagen und Herr McDONOGH mit seiner Stellungnahme zur Sicherheit in der (Zivil-)Luftfahrt hervorgetan haben. In Bezug auf das Thema Landverkehr wird auf die Stellungnahme „Sicherheit der Verkehrsträger“ vom 14. Dezember 2005 verwiesen (Berichterstatter: Herr SIMONS). |
3. Kommissionsvorschlag
3.1 |
Die Kommission weist darauf hin, dass Güterbeförderungen im Landverkehr besser geschützt werden müssen und dass es derzeit keinerlei Vorschriften gibt, die sich auf die gesamte Lieferkette des Landverkehrs in der Gemeinschaft erstrecken. Die Lieferkette umfasst definitionsgemäß in diesem Zusammenhang sämtliche Beförderungsvorgänge und Begleitprozesse zwischen dem Herstellungs- und dem Bestimmungsort einer Ware. |
3.2 |
Die Kommission schlägt daher als Ergänzung bereits bestehender Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Verkehr eine Gemeinschaftsmaßnahme zur besseren Sicherung der Lieferkette im Landverkehr vor. Diese ist für die Mitgliedstaaten verbindlich, beruht für das „Unternehmen der Lieferkette“ jedoch auf Freiwilligkeit. Die Kommission macht allerdings deutlich, dass die Gefahrenabwehr im Personenverkehr, insbesondere im Massenverkehr, nicht Gegenstand des Vorschlags ist und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden kann. |
3.3 |
Der Verordnungsentwurf bezieht sich somit auf die folgenden Träger des Güterverkehrs: Binnenschifffahrt, Schiene und Straße. |
3.4 |
Die Kommission legt neben diesem Verordnungsentwurf eine Mitteilung vor, in der die wesentlichen Aspekte zur Sicherheit der Lieferkette erläutert und die Gründe dargelegt werden, aus denen der vorgeschlagene Verordnungsentwurf am ehesten geeignet ist, die Gefahrenabwehr im europäischen Güterverkehr gezielt zu verbessern. |
3.5 |
Der „Mitteilung über die Verbesserung der Sicherheit der Lieferkette“ zufolge hat die Kommission folgende Ziele:
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3.6 |
Zur Erreichung dieser Ziele vorgeschlagene Maßnahmen
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3.7 |
In der vorliegenden Stellungnahme soll die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme analysiert und auf der Grundlage dieser Analyse beurteilt werden, inwieweit die Ziele, die sich die Kommission gesetzt hat, erreicht werden können. |
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 |
Bevor inhaltlich auf die Mitteilung und den Verordnungsentwurf eingegangen wird, muss Klarheit über die zu verwendenden Begriffe bestehen. So ist in der englischen Fassung die Rede von „security“, in der niederländischen von „beveiliging“ und in der deutschen von „Sicherheit“. In den Sprachen einiger EU-Mitgliedstaaten wird zwar keine Unterscheidung zwischen den Begriffen „beveiliging“ (Sicherung, Schutz, Gefahrenabwehr) und „veiligheid“ (Sicherheit) gemacht, im Deutschen jedoch durchaus. Im Text muss daher der Begriff „Sicherheit“ durch den Begriff „Sicherung“ ersetzt werden, denn es geht hier um den Vorgang der Sicherung und nicht die Sicherheit an sich. |
4.2 |
Die Kommission vertritt die Auffassung, dass nachdem auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr im Luftverkehr und in Flughäfen sowie im Seeverkehr und in Seehäfen ein europäischer Rechtsrahmen geschaffen worden ist, als nächster Schritt eine Regelung für die Landverkehrsträger getroffen werden müsste. |
4.3 |
Nach Auffassung des Ausschusses geht die Kommission hier an der — auch von ihr selbst festgestellten — Tatsache vorbei, dass die Verkehrsträger Luft- und Seeverkehr völlig andere Wesensmerkmale aufweisen als die Verkehrsträger Binnenschiffverkehr, Schiene und Straße. Während es im Luft- und Seeverkehr eine begrenzte Anzahl von Unternehmen gibt, ist der Binnenschiffverkehr und der Güterverkehr auf der Straße durch sehr viele (ca. 500 000) Kleinunternehmen — häufig Einmannbetriebe — gekennzeichnet, die in einem Markt tätig sind, in dem die Gewinnmargen sehr gering oder häufig sogar negativ ausfallen. Werden die Produzenten, die am Anfang der Lieferkette stehen, mitgerechnet, beträgt die Gesamtzahl der Unternehmen in der Lieferkette rund 4,7 Millionen. Nach Ansicht des Ausschusses ist dies ein zusätzliches Erschwernis bei Maßnahmen, wie sie die Kommission vorschlägt. |
4.4 |
Nach Ansicht des Ausschusses stellt die Kommission zu Recht fest, dass es in der Praxis quasi unmöglich ist, mit einer einzigen umfassenden Aktion Sicherungsvorschriften und -maßnahmen für die Lieferkette des Landverkehrs zu erlassen. Sie hält es daher für realistischer, einen Rahmen mit Mindestsicherheitsanforderungen festzulegen, die schrittweise an den technischen Fortschritt und neu auftretenden Risiken angepasst werden können, um in einem gegebenen Betriebsumfeld für ausreichende Sicherheit zu sorgen. |
4.5 |
Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Dies gilt auch für den Schutz der Lieferkette. Die Kommission ist der Auffassung, dass jedes Unternehmen bzw. jedes Glied der Lieferkette — ausschließlich — die Verantwortung für die Sicherheit seines eigenen Tätigkeitsbereichs trägt und die Lieferkette in ihrer Gesamtheit durch die Bündelung der einzelnen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geschützt wird. Der Ausschuss vertritt ebenfalls die Ansicht, dass jedes Unternehmen für seinen Teil der Lieferkette die Verantwortung übernehmen sollte. Er weist darauf hin, dass die Gefahr möglicher Terroranschläge nicht nur bei den einzelnen Unternehmen, sondern auch bzw. vor allem an den Umschlagplätzen oder in der Infrastruktur gegeben ist. |
4.6 |
Nach Ansicht des Ausschusses werden gerade die von der baulichen Infrastruktur ausgehenden Gefahren, für die die Behörden der Mitgliedstaaten Abwehrmaßnahmen vorsehen müssen, gewaltig unterschätzt. Es hat nach Auffassung des Ausschusses wenig Sinn, in die Sicherung der einzelnen Glieder der Lieferkette zu investieren, wenn von der öffentlichen Hand nicht gleichzeitig auch Investitionen getätigt werden, um die bauliche Infrastruktur auf ein hohes Sicherheitsniveau zu bringen. |
4.7 |
Angesichts der Zahl der potenziell von der vorgeschlagenen Maßnahme betroffenen Unternehmen ist die Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen der Kommission zufolge nur erreichen, indem jeweils eine einzige Behörde je Mitgliedstaat benannt wird, die die Anwendung der im Verordnungsvorschlag festgelegten Maßnahmen für die Sicherheit der Lieferkette koordiniert, umsetzt und überwacht. Davon ausgehend, dass der vorliegende Kommissionsvorschlag ein Schritt in die richtige Richtung ist, vertritt der Ausschuss angesichts der entscheidenden Rolle dieser zuständigen Behörde die Meinung, dass der Verordnungsentwurf in diesem Punkt viel zu dürftig ausgefallen ist. |
4.8 |
Um Bedingungsgleichheit in der EU zu schaffen, ist es nach Auffassung des Ausschusses wichtig, dass der Status „zuverlässiges Unternehmen“ in jedem Mitgliedstaat anhand derselben Beurteilungskriterien verliehen wird. So wird z.B. ein Spediteur aus Polen dieselben Anforderungen erfüllen müssen, um für den Status „zuverlässiges Unternehmen“ in Frage zu kommen, wie ein Spediteur aus Portugal oder Griechenland. Erst dann kann eine gegenseitige Anerkennung des Status „zuverlässiges Unternehmen“ erfolgen. Der Kommissionsvorschlag in seiner jetzigen Form enthält keine hinreichenden Garantien für die Schaffung von Bedingungsgleichheit. Die Kommission hat in die Anhänge zwar ein Verzeichnis der Mindestanforderungen aufgenommen, die erfüllt werden müssen; nach Auffassung des Ausschusses bieten diese jedoch keine ausreichende Garantie für die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen. |
4.9 |
Der Kommissionsvorschlag kommt zu einer — mit der Lissabon-Strategie zusammenfallenden — Zeit, in der die Mitgliedstaaten alles daran setzen, den Verwaltungsaufwand für Verlade- und Transportunternehmen drastisch zu reduzieren. Wie nachvollziehbar der Kontext des Vorschlags auch sein mag: Der mit der Einführung der Verordnung verbundene Verwaltungsaufwand geht zu Lasten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im betroffenen Sektor. Der Ausschuss vertritt daher die Meinung, dass sich die einzelstaatlichen und internationalen Behörden auch finanziell beteiligen sollten. |
4.10 |
Zudem werden die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahme zur Verleihung des Qualitätskennzeichens „zuverlässiges Unternehmen“ auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Landverkehrssektor in dem Vorschlag nur gestreift. Die Arbeitnehmer werden entsprechende Schulungen bekommen, wie sie sich in den verschiedenen Situationen zu verhalten haben, und die Unternehmen müssen diverse Gefahrenabwehrmaßnahmen ergreifen, die die Kosten stark in die Höhe treiben und bei denen es fraglich ist, ob sie an die Auftraggeber oder die Kunden weitergegeben werden können. |
4.11 |
Nach Meinung des Ausschusses wird in dem Kommissionsvorschlag nicht konkret genug darauf eingegangen, welche Vorteile aus dem Erwerb des Status „zuverlässiges Unternehmen“ erwachsen. Dies gilt sowohl für den Umfang dieser Vorteile als auch für die Art und Weise, wie diese erzielt werden können. |
4.12 |
Der Ausschuss fragt sich, ob sich die Kommission bei der Meinungsbildung über den Verordnungsentwurf der in den verschiedenen Sektoren bereits ergriffenen Maßnahmen genügend bewusst war. So gilt für den Güterverkehr auf der Straße — wenn auch nur für einen (und zwar den verwundbarsten) Teilbereich — das ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße), während für den Binnenschiffverkehr das ADNR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein) Anwendung findet, in dessen Artikel 1 Absatz 10 das Gefahrgut in der Binnenschifffahrt geregelt wird. Ähnliche Vereinbarungen gibt es auch für den Güterverkehr auf der Schiene. Nach Auffassung des Ausschusses wäre es sinnvoll, zunächst zu prüfen, ob eine Anpassung der bestehenden Maßnahmen nicht ebenso wirksam wäre wie die Einführung eines neuen Verordnungsvorschlags. Es ist nicht ganz klar, ob die Kommission dies bedacht hat. Mit Blick auf die Verringerung des Verwaltungsaufwands wäre dies zu empfehlen. |
4.13 |
Des Weiteren vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Erlangung des Status „zuverlässiges Unternehmen“ für ein Unternehmen eine beträchtliche Verringerung der Frachtkontrollen in Häfen und an Grenzen bedeutet. Garantien dafür, dass dies auch tatsächlich geschieht, oder diesbezügliche Vereinbarungen sind dem Kommissionsvorschlag jedoch nicht zu entnehmen. Der Ausschuss vertritt die Meinung, dass angesichts der von den Unternehmen und Einzelbetrieben verlangten Anstrengungen Garantien in Bezug auf die voraussichtlichen Vorteile für die Teilnehmer geboten werden müssen, zumal die Vorteile bezüglich der Grenzaufenthalte aufgrund der Tatsache, dass es keine systematischen Kontrollen an den Binnengrenzen mehr gibt, ohnehin nicht mehr gegeben sind. |
4.14 |
Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr so beschaffen sein müssen, dass sie für bestimmte Grundrechte wie das Recht auf Unternehmensvertretung oder gewerkschaftlichen Zusammenschluss oder für bestimmte unternehmensfremde Personen, die zeitweilig — wie etwa beim Be- und Entladen — von den Aktivitäten des Unternehmens betroffen sind, kein Hemmnis darstellen. |
4.15 |
Darüber hinaus möchte der Ausschuss auf eine Problematik verweisen, die sich insbesondere im internationalen Straßengüterverkehr auftut. Die Rastplätze für Lkw-Fahrer werden von den Fahrern häufig als so unsicher erachtet, dass sie sich nicht mehr trauen, dort Halt zu machen, um zu übernachten. Die Folge davon ist, dass die Fahrt- und Ruhezeitenregelung schwer einzuhalten ist und die Verkehrsunsicherheit zunimmt. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass wesentlich mehr in die Sicherung dieser Rastplätze investiert werden muss, gerade auch, weil sie als Übernachtungsmöglichkeiten für den internationalen Straßengüterverkehr genutzt werden. Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, dieser Problematik Aufmerksamkeit zu schenken und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, die zu einer verbesserten Sicherheit führen. |
5. Besondere Bemerkungen
5.1 |
Bevor auf die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme zur Erhöhung des Sicherungsniveaus eingegangen wird, scheint es ratsam zu prüfen, welche Gefahrenabwehrmaßnahmen bei den einzelnen Landverkehrsträgern bereits getroffen wurden. |
5.2 |
Im Binnenschiffverkehr werden zur Ladung und/oder Löschung häufig Seehäfen genutzt. In diesen Fällen findet bereits der ISPS(International Ship and Port Facility Security)-Code Anwendung. |
5.3 |
Im Schienenverkehr steht die Sicherheit von Personen und Gütern von jeher hoch im Kurs. In diesem Zusammenhang sollte das Prinzip einer flexiblen und praxisorientierten Risikobewertung gestärkt werden. Beim Ergreifen von Gefahrenabwehrmaßnahmen muss verwundbaren Orten wie Bahnhofs- und Rangierbereichen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. In Bezug auf die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im internationalen Güterverkehr auf der Schiene muss der UIC (Internationaler Eisenbahnverband) Empfehlungen unterbreiten. |
5.4 |
Der Güterkraftverkehrssektor — sowohl Berufsspediteure als auch Unternehmen, die Werkverkehr betreiben — setzt sich aus einer sehr großen Zahl vorwiegend kleiner bis sehr kleiner Betriebe zusammen und ist dadurch sehr verwundbar. Die internationale Dachorganisation, der Internationale Straßentransport-Verband (IRU), hat so genannte Security Guidelines (Leitlinien für die Gefahrenabwehr) für Unternehmensmanagement, Kraftfahrer und Verlader aufgestellt. Ferner wurde ein Regulierungsrahmen für Verträge über freiwillige Zusammenarbeit mit den Zollbehörden ausgearbeitet. |
5.5 |
Bei der Aufstellung der in Ziffer 4.4 genannten Leitlinien wurden folgende Ausgangspunkte zugrunde gelegt:
|
5.6 |
Der Ausschuss möchte nachdrücklich auf die — unter dem Blickwinkel der Gefahrenabwehr — Verwundbarkeit von Rohrleitungen hinweisen. In ihrem Dokument lässt die Kommission diesen Verkehrsträger, der zwar vom Sicherheitsstandpunkt aus komplex, aufgrund der geringen Zahl von Unternehmen jedoch sehr gut überschaubar ist, völlig außer Acht. Der Ausschuss empfiehlt daher, der Gefahrenabwehr bei Rohrleitungen, die neben Verkehrsträgern auch Infrastruktur sind, besondere Aufmerksamkeit zu schenken. |
5.7 |
Im Lichte der in Ziffer 3.7 vorgetragenen Bemerkungen macht es nach Meinung des Ausschusses gewiss Sinn, dass jeder Mitgliedstaat eine zuständige Behörde benennt, die die Sicherheit der Lieferkette koordiniert, umsetzt und überwacht, sofern diese Behörde nicht nur die Verantwortung trägt, sondern auch über die entsprechende Handlungskompetenz verfügt. Letzteres wurde nicht ausdrücklich in den Text des Verordnungsentwurfs aufgenommen. Der Ausschuss empfiehlt, die Verabschiedung eines gewichtigen Rechtsinstruments wie der Verordnung zum Anlass zu nehmen, detailliertere Vorschriften hierüber aufzunehmen, damit ein einheitliches Vorgehen in den Mitgliedstaaten gewährleistet ist. |
5.8 |
Der Verordnungsentwurf sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften über die Vergabe des Status „zuverlässiges Unternehmen“ durch die zentrale zuständige Behörde an Unternehmen der Lieferkette erlassen, wenn diese von einer Reihe näher definierter Aktivitäten im Rahmen der Lieferkette betroffen sind. Dieser Status wird für drei Jahre gewährt, wobei die Möglichkeit einer Verlängerung besteht, wenn das „zuverlässige Unternehmen“ die Mindestanforderungen dieses Verordnungsvorschlags weiterhin erfüllt. Sobald das betreffende Unternehmen im Besitz des Status „zuverlässiges Unternehmen“ ist, sollten weniger strenge Sicherheitskontrollen für dieses Unternehmen gelten. |
5.9 |
Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Kommission die Dinge zu optimistisch schildert. Aus dem Text des Verordnungsentwurfs gehen weder die Einsetzung einer Struktur mit jeweils einer zuständigen Behörde je Mitgliedstaat noch das Verfahren und die Kriterien hervor, aufgrund derer Antragstellern der Status „zuverlässiges Unternehmen“ zuerkannt wird. |
5.10 |
Nur in der dem Verordnungsentwurf beigefügten Mitteilung ist davon die Rede, dass die Unternehmen in puncto Sicherheit bestimmten Mindestnormen erfüllen müssen. Die Mitgliedstaaten sollen diese Mindestnormen im Rahmen einer Regelung für „zuverlässige Unternehmen“ selbst ausarbeiten. Wenn jeder Mitgliedstaat seine eigenen Mindestnormen anwendet, gibt es keinerlei Gewähr, dass ein harmonisiertes EU-weites System von Mindestnormen entstehen wird. Im Gegenteil: Der Ausschuss befürchtet, dass sich — wenn keine Auflagen hinsichtlich Form und Inhalt von Mindestnormen gemacht werden — ein Nebeneinander miteinander nicht vergleichbarer Regeln herausbilden wird. Wie in Ziffer 3.8 bereits erwähnt, äußert der Ausschuss die Besorgnis, ob die anzustrebenden fairen Wettbewerbsbedingungen auf diese Weise auch wirklich erreicht werden können. Der Kommission wird geraten, der Frage, wie dafür gesorgt werden kann, dass der Status „zuverlässiges Unternehmen“ in den einzelnen Mitgliedstaaten gleichen Inhalt und gleiche Bedeutung hat, besonderes Augenmerk zu schenken. |
5.11 |
Aufgrund der Systematik der beiderseitigen Anerkennung des Status „zuverlässiges Unternehmen“ wird es auch in der EU zu ungleicher Behandlung und somit zu einer gewissen Form von Wettbewerbsverzerrung kommen. |
5.12 |
Der Ausschuss möchte darauf hinweisen, dass der Begriff „zuverlässiges Unternehmen“ je nach Verkehrsträger eine andere Bedeutung annehmen kann. So besteht der Schienenverkehrssektor aus einigen Großunternehmen, während im Straßengüterverkehr ca. 500.000 zumeist kleine Unternehmen tätig sind. |
5.13 |
Der Ausschuss ist von den in Artikel 6 des Verordnungsentwurfs angeführten Vorteilen für „zuverlässige Unternehmen“ nicht überzeugt. Die Mitgliedstaaten sollen laut dem Kommissionsvorschlag dafür zu sorgen haben, dass „zuverlässige Unternehmen“ von Erleichterungen und vereinfachten Verfahren zur Sicherheitskontrolle — so genannten „beschleunigten Verfahren“ — profitieren. Dadurch soll nach den Worten der Kommission gewährleistet werden, dass in diesem Fall weniger strenge Sicherheitskontrollen zur Anwendung kommen. Dem Ausschuss muten die betreffenden Passagen vage und wenig konkret an, und er hält die Durchführbarkeit daher für sehr fraglich. |
5.14 |
Aus dem Kontext geht hervor, dass die — wie auch immer geartete — Finanzierung der sich aus der Durchführung der vorgeschlagenen Regelung ergebenden Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten erfolgen soll. Nach Einschätzung des Ausschusses bedeutet dies eine schwere Belastung für die Mitgliedstaaten. Es erscheint unerlässlich, den Umfang der Verantwortung und der Mitarbeit der einzelnen Mitgliedstaaten sowie der „zuverlässigen Unternehmen“ genau festzulegen. Die Kosten, die mit der Einsetzung und Instandhaltung eines Systems, wie es die Kommission vorschlägt, verbunden sind, werden angesichts der fragmentierten Zielgruppen hoch sein. |
5.15 |
Es liegt auf der Hand, dass die Behörden der Mitgliedstaaten die Kosten im Zusammenhang mit der Festlegung von Bestimmungen und der Kontrolle ihrer Anwendung selbst übernehmen. Daneben wird die Europäische Union Mittel zu der wie auch immer gearteten Unterstützung von Ländern außerhalb der EU bereitstellen müssen, um diese Länder in die Lage zu versetzen, dasselbe Sicherheitsniveau wie die EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Der Ausschuss hält dies aufgrund des internationalen Charakters des Güterverkehrs über Landverkehrsträger für einen wichtigen Gesichtspunkt. |
5.16 |
Die Investitionskosten für die Gefahrenabwehr sowie die damit verbundenen laufenden Kosten wie Personal-, Versicherungs- und Auskunftskosten sollten von den Unternehmen getragen werden, die die Gefahrenabwehrmaßnahmen treffen, und auf die Preise/Tarife, die sie berechnen, umgelegt werden. Dabei muss bedacht werden, dass die Versicherungsprämie von Unternehmen, die den Status „zuverlässiges Unternehmen“ erlangt haben, gesenkt werden muss. Bei genauer Betrachtung stellt sich eine Situation dar, in der auf dem Verkehrsmarkt 'zuverlässige Unternehmen' und solche, die diesen Status nicht besitzen, nebeneinander tätig sein werden. Dies kann zur Entstehung zweier Gruppen von Unternehmen führen: zum einen Unternehmen, die sichere, aber teurere Dienstleistungen erbringen, und zum anderen Unternehmen, die die mit höheren Sicherheitsstandards verbundenen Kosten nicht tragen und ihre Dienste daher billiger anbieten können. |
5.17 |
In Erwägungsgrund 11 des Verordnungsvorschlags wird im niederländischen Text zu Recht das Wort „gevestigd“ (im deutschen Text: „niedergelassen“) verwendet. Der Ausschuss weist darauf hin, dass dieses Wort in einigen anderen Sprachfassungen (wie beispielsweise der polnischen) im Sinne von „eine Tätigkeit ausüben“ wiedergegeben wird, was jedoch etwas völlig Anderes ist. |
Brüssel, den 13. Dezember 2006.
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS