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Document 52006AE1569

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im europäischen Weinsektor KOM(2006) 319 endg.

ABl. C 325 vom 30.12.2006, p. 29–34 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

30.12.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 325/29


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im europäischen Weinsektor“

KOM(2006) 319 endg.

(2006/C 325/07)

Die Europäische Kommission beschloss am 22. Juni 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 8. November 2006 an. Berichterstatter war Herr KIENLE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 107 gegen 2 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Bericht zur Reform der Europäischen Weinmarktorganisation vorgelegt hat. Der EWSA begrüßt insbesondere, dass die Kommission im Grundsatz die Beibehaltung einer weinspezifischen Marktorganisation vorschlägt, innerhalb der die Option „grundlegende Reform“ verfolgt werden kann.

1.2

Da die europäischen Weine sowohl im Binnenmarkt als auch auf wichtigen Exportmärkten Marktanteile gegenüber den Weinen aus Drittländern, insbesondere der Neuen Welt, verloren haben, ist eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weine zu verbessern und Marktanteile zurückzugewinnen. Dabei sollte die Kommission bei der Reform und den Außenhandelsregelungen die Position des europäischen Weinsektors als Weltmarktführer stärker berücksichtigen.

1.3

Der EWSA erinnert an seine Stellungnahme vom 27./28. Januar 1999 (1), in der er die damaligen Reformvorschläge der Europäischen Kommission bereits für unzureichend erachtet hat. Viele seiner Anregungen — insbesondere in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Interventionsmaßnahmen, Berücksichtigung der regionalen Unterschiede, Informationen — sind heute aktueller denn je.

1.4

Der EWSA unterstreicht, dass der Wein und der Weinbau wichtige und integrale Bestandteile der europäischen Kultur und Lebensart sind. Der Weinbau prägt in vielen europäischen Weinbauregionen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld. Der Ausschuss legt deshalb Wert darauf, dass nicht nur die ökonomischen Konsequenzen, sondern auch die Folgen für Beschäftigung, Sozialgefüge, Umwelt — insbesondere durch die Rodeprogramme — sowie Verbraucherschutz und Gesundheit bei der Reform bedacht werden.

1.5

Der EWSA weist darauf hin, dass der Weinbau in der Europäischen Union Existenzgrundlage für 1,5 Mio. überwiegend kleine Familienbetriebe ist und über 2,5 Mio. Arbeitnehmern zumindest saisonal Beschäftigung gibt. Daher achtet der Ausschuss darauf, dass bei der Reform Maßnahmen bevorzugt werden, die sich positiv auf die Einkommen der Winzer und die Beschäftigungsmöglichkeiten im europäischen Weinbau auswirken.

1.6

Der EWSA erachtet den Vorschlag der Europäischen Kommission, den Wein erzeugenden Mitgliedstaaten jeweils einen nationalen Finanzrahmen zur Verfügung zu stellen, als wichtigen Beitrag zu mehr Subsidiarität und Berücksichtigung der regionalen Unterschiede. Der EWSA hält sich bei seinen Vorschlägen zur Aufteilung der Förderinstrumente zwischen EU-Gemeinschaftsrahmen und Maßnahmen innerhalb des „nationalen Finanzrahmens“ an diese Grundsätze und verneint Schritte zur Renationalisierung der Weinmarktpolitik.

1.7

Der EWSA erwartet von der Europäischen Kommission konkrete Vorschläge für Maßnahmen für die Verbraucherinformation und für die Absatzförderung im Binnenmarkt und auf Exportmärkten.

2.   Überlegungen und Vorschläge der Kommission

Ziele der Reform

2.1

Die Kommission nennt als Ziele der Reform: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Stärkung des Images der europäischen Weine, Wiedergewinnung von Marktanteilen und Eroberung neuer Marktanteile, möglichst einfache Regeln, Berücksichtigung der gesellschaftlichen und politischen Rolle der Weinbauregionen.

2.1.1

Die Kommission spricht als weiteres Ziel die Herstellung eines Marktgleichgewichts an und leitet daraus bestimmte Maßnahmen, wie z.B. den Bedarf einer umfassenden Rodung ab.

Die derzeitige GMO für Wein

2.2

Die Kommission analysiert in ihrem Bericht die derzeitige Marktlage, beschreibt Probleme mit der derzeitigen GMO und leitet daraus Maßnahmen ab.

Vier Optionen

2.3

Die Kommission zog vier mögliche Optionen für die Reform der EU-Weinmarktorganisation in Erwägung:

Beibehaltung des Status quo mit geringfügigen Anpassungen,

Reform in Anlehnung an die GAP-Reform,

Deregulierung des Weinmarkts,

grundlegende Reform der GMO.

2.3.1

Die Kommission kommt aufgrund ihrer Bewertungen zu dem Schluss, dass unter den vier Optionen die grundlegende Reform die meisten Vorteile biete und dass die Beibehaltung einer spezifischen Weinmarktorganisation erforderlich sei.

Grundlegende Reform der GMO

2.4

Die Kommission schlägt eine einstufige und eine zweistufige Reform alternativ vor. Bei der Variante A soll die Anbauregelung umgehend (oder zum 1.8.2010) ohne Übergangsregelung abgeschafft werden. Bei der Variante B soll vor Abschaffung der Anbauregelung eine umfassende Rodungsaktion durchgeführt werden, um eine strukturelle Anpassung vorzunehmen.

Abschaffung der Marktinstrumente und Einführung zukunftsweisender Maßnahmen

2.5

Die Europäische Kommission schlägt vor, folgende Maßnahmen sofort abzuschaffen:

Beihilfen für die Destillation von Nebenprodukten,

Trinkwein- und Krisendestillation,

Beihilfen für die private Lagerhaltung,

Mostbeihilfen im Zusammenhang mit der Anreicherung und der Herstellung von Traubensaft.

Nationaler Finanzrahmen

2.6

Die Kommission schlägt vor, dass jedem Wein erzeugenden Mitgliedstaat ein nach objektiven Kriterien berechneter nationaler Finanzrahmen zur Verfügung gestellt wird. Mit diesen Mitteln soll er aus einem bestimmten Maßnahmenangebot die für seine Situation am besten geeigneten Maßnahmen finanzieren.

Entwicklung des ländlichen Raums

2.7

Die Europäische Kommission schlägt vor, dass viele dieser Umstellungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen der ländlichen Entwicklung durchgeführt und hierfür ein Finanzmitteltransfer aus dem spezifischen Weinbudget in die Säule II erfolgen soll.

Qualitätspolitik und geografische Angaben

2.8

Die Kommission schlägt eine grundlegende Überarbeitung des geltenden Regelwerks zur Qualität mit Blick auf eine bessere Übereinstimmung der EU-Qualitätspolitik mit den internationalen Vorschriften, insbesondere dem TRIPs-Abkommen, vor.

Weinbereitungsverfahren

2.9

Die Kommission schlägt eine Liberalisierung der Weinbereitungsverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Normen der Internationalen Weinorganisation, OIV, vor.

Anreicherung

2.10

Die Kommission schlägt ein Verbot der Anreicherung mit Saccharose, kombiniert mit einer Streichung der Beihilfe für die Mostkonzentrat-Verwendung sowie eine erhebliche Begrenzung der Anreicherungsspannen für die nördlichen Weinbaugebiete vor.

Etikettierung

2.11

Die Kommission schlägt vor, die Etikettierungsvorschriften zu vereinfachen und einen einzigen Rechtsrahmen einzuführen, der für alle Kategorien von Wein und die betreffenden Angaben gilt.

Absatzförderung und Information

2.12

Die Kommission plant, eine verantwortungsvolle Absatz- und Informationspolitik zu verfolgen. Alle im geltenden Recht vorgesehenen Möglichkeiten sollen genutzt werden.

Umweltschutz

2.13

Die Kommission will sicherstellen, dass die Reform des Weinsektors auch dazu beiträgt, die Auswirkungen des Weinbaus und der Weinbereitung auf die Umwelt zu minimieren.

WTO

2.14

Die Kommission legt Wert darauf, dass die neue GMO WTO-kompatibel ist. Sie verbindet damit die Abschaffung der geltenden Interventionsmaßnahmen und die Zulassung der Herstellung von Weinen in der Europäischen Union aus importierten Mosten und Vermischung von Drittlandsweinen mit EU-Weinen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

Ziele der Reform

3.1

Der EWSA kann weitgehend die Ziele, die von der Europäischen Kommission genannt werden, unterstützen. Er hält jedoch einige Anpassungen für erforderlich.

3.1.1

Der EWSA erinnert daran, dass er in seiner damaligen Stellungnahme u.a. als Ziele genannt hat:

Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Sektors,

Abschaffung der Interventionsmaßnahmen als künstliche Absatzmöglichkeiten für die Überschusserzeugung,

Berücksichtigung der regionalen Unterschiede,

Informationen über die Vorzüge eines moderaten Weinkonsums.

3.1.2

Der EWSA hält eine umfassende Prüfung für erforderlich, ob bei einem globalisierten Weinmarkt und nach dem Wegfall eines effektiven Außenschutzes das Ziel eines Marktgleichgewichts überhaupt noch erreichbar ist.

3.1.3

Daher ist der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weinerzeuger besonderes Augenmerk zu schenken. Es gilt, den europäischen Wirtschaftsstandort zu stärken, Qualitätsanstrengungen zu unterstützen und sich vermehrt an den Marktentwicklungen und Verbraucherwünschen auszurichten.

3.1.4

Der Ausschuss hält es für erforderlich, dass die ökonomischen Ziele konkretisiert und um soziale und beschäftigungspolitische Ziele ergänzt werden. Hierbei ist vor allem eine Verbesserung der Einkommenssituation für die Weinbaubetriebe anzustreben. Den Entwicklungsmöglichkeiten von Jungwinzern ist besonderes Augenmerk zu widmen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Vollarbeitskräfte und für saisonale Arbeitnehmer müssen berücksichtigt und die Voraussetzungen für eine angemessene Entlohnung verbessert werden.

3.1.5

Der Ausschuss steht einer Übertragung von Kompetenzen vom Ministerrat auf die Kommission, z.B. bei der Zulassung neuerer Weinbereitungsverfahren, kritisch gegenüber, da die Kommission bei der Verhandlung bilateraler Abkommen die Interessen der europäischen Weinerzeuger unzureichend vertreten hat.

3.1.6

Der EWSA ist der Auffassung, dass die derzeitigen Finanzmittel aufgestockt werden müssen, um dem Beitritt von zwei neuen Erzeugerländern zur EU Rechnung zu tragen.

Die derzeitige GMO für Wein — ex-post-Analyse

3.2

Der EWSA hält eine umfassende Überprüfung der Analyse der Kommission und der daraus abgeleiteten Maßnahmen für erforderlich, da die Analyse von Marktbeteiligten und unabhängigen Organisationen in Frage gestellt wird.

3.2.1

Der Ausschuss hält eine bessere und umfassendere Marktbeobachtung für erforderlich, um als Grundlage für die Organisation des Weinmarkts bessere Daten über die Erzeugung, den Handel und den Verbrauch zu erhalten. Die bisher verwendeten Gesamtdaten sind wichtig, aber unzureichend. Notwendig sind auch aktuelle Informationen über Veränderungen der Produktionsstrukturen, der Absatzwege und des Konsumentenverhaltens.

3.2.2

Die Aussage der Kommission, dass es ansteigende strukturelle Überschüsse gäbe, ist zu überprüfen. Der Ausschuss verweist darauf, dass der Anstieg von Lagerbeständen auch unter Berücksichtigung einer vermehrten Qualitätsweinproduktion zu würdigen ist.

Vier Optionen

3.3

Der EWSA behält sich eine umfassende Prüfung dieser vier Optionen vor, stimmt jedoch nach vorläufiger Analyse dem Ergebnis der Auswahl zu. Allerdings ist die Ausgestaltung der Option „Grundlegende Reform“ zu ändern.

3.3.1

Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich, dass die Europäische Kommission die Beibehaltung einer weinspezifischen Marktorganisation vorschlägt. Alle Aspekte der Marktorganisation, von der Erzeugung bis zum Verbrauch, insbesondere auch die Maßnahmen zum Verbraucherschutz, der Gesundheitsfürsorge und der Verbraucherinformation, sind innerhalb der Marktorganisation für Wein zu berücksichtigen.

Grundlegende Reform

3.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass die neue Weinmarktorganisation 2008 in Kraft treten soll. Er hält jedoch eine „phasing-out-Periode“ für erforderlich, um den Betrieben bei Bedarf eine schrittweise Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

3.4.1

Der EWSA spricht sich entschieden gegen den Vorschlag aus, mehr als ein Drittel des zur Verfügung stehenden Budgets für ein Rodungsprogramm auszugeben, so dass diese Mittel für Marktmaßnahmen bzw. Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nicht zur Verfügung stehen. Indessen wird die Bedeutung der Rodung als ein Instrument der Marktorganisation anerkannt (siehe unten), das den Weinbauregionen als eine freiwillige Maßnahme innerhalb des gemeinschaftlichen Gesamtrahmens angeboten werden soll.

3.4.2

Der Ausschuss widerspricht einer totalen Liberalisierung der Anpflanzungsregeln, da hierdurch die ökonomischen, sozialen, umweltpolitischen und landschaftserhaltenden Ziele der Weinmarktreform gefährdet werden. Eine Verlagerung des Weinanbaus aus den kulturellen Weinlandschaften in die billiger zu bewirtschaftenden Flächen kann nicht unterstützt werden. Wenn die europäische Anbauregelung verbunden mit einem Neuanpflanzungsverbot nicht fortgesetzt werden soll, dann ist ein Ermächtigungsrahmen zu schaffen, damit die Weinbauregionen ihre Anbauregelungen im Einklang mit den Zielen der Europäischen Weinmarktorganisation fortführen oder ausgestalten können.

3.4.3

Der Ausschuss bemängelt, dass die Kommission ihren Worten „Rückgewinnung von Marktanteilen“ keine Taten bei der Ausgestaltung der grundlegenden Reform folgen lässt. Es fehlt an Instrumenten und Maßnahmen, um diese unterstützenswerten Ziele verwirklichen zu können.

Abschaffung der Marktinstrumente und Einführung zukunftsweisender Maßnahmen

3.5

Der EWSA erinnert an seine frühere Forderung, Interventionsmaßnahmen als künstliche Absatzmöglichkeiten abzuschaffen und würdigt die Vorschläge im Lichte dieser Zielsetzung.

3.5.1

Der Ausschuss empfiehlt, dass die Rodung als Bestandteil eines strukturellen Programms mit sozialen Komponenten von Weinbauregionen den Betrieben, die ganz oder teilweise aus der Produktion aussteigen wollen, als freiwillige Maßnahme angeboten werden kann.

3.5.2

Der Ausschuss hält einen sofortigen Ausstieg aus den Interventionsmaßnahmen für nicht vertretbar. Daher empfiehlt er, dass innerhalb des nationalen Finanzrahmens in der „phasing-out-Periode“ 2008-2010

Destillationen zur Herstellung von Trinkbranntwein (derzeit Art. 29) und

Beihilfen zur privaten Lagerhaltung (derzeit Art. 24 ff.)

angeboten werden können.

3.5.3

Nach Auffassung des Ausschusses muss die Pflicht zur Beseitigung der Nebenprodukte beibehalten werden, um die Qualität der Weinerzeugnisse zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu vermeiden.

3.5.4

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass innerhalb des nationalen Finanzrahmens Maßnahmen zur Krisenprävention vorgesehen werden müssen, die auf der Mitverantwortung der Erzeuger basieren.

3.5.5

Der Ausschuss hält die Einführung von neuen zukunftsweisenden Instrumenten für erforderlich, um die definierten Ziele zu erreichen. Hierzu zählen u.a.:

Umfassende Marktbeobachtung,

Informationsprogramme für den Binnenmarkt, um die Verbraucher über die Vorzüge eines moderaten Konsums zu informieren und vor dem Missbrauch zu warnen,

Schaffung eines Exportförderungsprogramms,

Informationsprogramme für die Verbraucher in Drittländern und

Forschungsprogramme, auch in Zusammenarbeit mit Drittländern.

3.5.6

Der Ausschuss betont, dass die Instrumente der Marktorganisation in allererster Linie denjenigen zu Gute kommen müssen, die den Weinbau in Europa fortentwickeln wollen, und nicht denjenigen zugedacht werden, die aus welchen Gründen auch immer ausscheiden.

Nationaler Finanzrahmen

3.6

Der EWSA begrüßt diesen Vorschlag, da er seinen Forderungen nach stärkerer Berücksichtigung der regionalen Unterschiede und einer konsequenteren Umsetzung der Subsidiarität im Weinsektor entspricht. Um die Renationalisierung zu verhindern und den europäischen Charakter des einheimischen Weinsektors zu wahren, muss jedoch ein konsequenter und angemessener Gemeinschaftsrahmen beibehalten werden.

3.6.1

Er hatte bereits in seiner Stellungnahme (CES 68/99) gefordert, dass es in den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten liegen soll, welche Maßnahmen für ihre Weinbaugebiete aus dem Umstellungsprogramm ausgewählt werden. Dabei kann den Erzeugerorganisationen, Branchenvereinigungen und Einrichtungen mit entsprechender Zielsetzung eine große Bedeutung zugemessen werden.

3.6.2

Der EWSA erinnert daran, dass er ein spezielles Programm zur Förderung der benachteiligten Weinbaugebiete, wie z.B. dem Anbau in Steil- und Hanglagen gefordert hatte. Diejenigen Gebiete, die extremen klimatischen Bedingungen unterworfen sind, sollten ebenfalls Nutznießer solcher Programme sein.

3.6.3

Der EWSA spricht sich für einen umfangreichen Maßnahmenkatalog aus, der nach seiner Umfassung über die Beispiele der Kommission hinausgehen sollte. Er verweist auf seine Stellungnahme (CES 68/99), in der er bereits eine erhebliche Erweiterung des Programms zur Förderung von Kellerwirtschaft und Vermarktung gefordert hat.

3.6.4

Ferner müssen nach Auffassung des Ausschusses innerhalb des nationalen Finanzrahmens kohärente und integrierte Maßnahmen finanziert werden, um die größtmögliche Wirksamkeit zu erzielen. Diese Maßnahmen müssen daher in umfassende Pläne für die gesamte Produktionskette integriert werden, die vom Weinanbau über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung des Produkts reichen. Darüber hinaus müssen auch Maßnahmen finanziert werden, die den Erzeugern eine mitverantwortliche Bewirtschaftung des Potenzials und Erschließung alternativer Absatzmärkte ermöglichen. Nach Auffassung des Ausschusses muss die zentrale Verantwortung für die Verwaltung dieser Pläne bei den Erzeugerorganisationen liegen.

3.6.5

Die Verteilung des Budgets für den nationalen Finanzrahmen sollte — wie bereits im Falle der Umstrukturierung praktiziert — entsprechend dem Rebflächenschlüssel erfolgen. In der phasing-out-Periode sind ausreichende finanzielle Mittel für die auslaufenden Marktmechanismen vorzusehen, damit die Betriebe, die bisher die Maßnahmen in Anspruch genommen haben, sich schrittweise an die neuen Rahmenbedingungen anpassen können.

3.6.6

Die Instrumente des nationalen Finanzrahmens sollen in der EU-Weinmarktorganisation definiert werden. Den Mitgliedstaaten obliegt es, im Rahmen ihres anteiligen finanziellen Budgets (Rebflächenschlüssel) eine Auswahl zu treffen, um ihren Weinbau wettbewerbsfähiger zu machen. Die Programme müssen in Brüssel angezeigt werden. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung obliegt den Mitgliedstaaten.

3.6.7

Der Ausschuss schlägt folgende Aufteilung von Förderungsinstrumenten zwischen dem EU-Gemeinschaftsmaßnahmen und Maßnahmen im Rahmen des nationalen Finanzrahmens vor:

3.6.7.1

Gemeinschaftsmaßnahmen:

Europäische Marktbeobachtung,

Informationsprogramme für die Verbraucher auf europäischer Ebene und auf Exportmärkten,

Exportprogramme für Drittländer,

Forschungsprogramme.

3.6.7.2

Nationaler Finanzrahmen:

Beihilfen für die Verwendung von Most für die Anreicherung,

Art. 29 Destillation (2008-2010),

Beihilfen für die Destillation der Nebenprodukte (2008-2010),

endgültige und temporäre Rodungsmaßnahmen,

flächenbezogene Direktbeihilfen,

Grünernte,

Beihilfen für die Traubensaftherstellung,

Restrukturierung, Umstellung und Umlegung von Rebflächen,

Maßnahmen zur Verbesserung der Erfassungs- und Vermarktungsstrukturen (z.B. integriertes Netzwerk von Unternehmen und Unternehmenszusammenschlüsse),

Informationsprogramme für die Verbraucher,

Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung,

Programm für benachteiligte Gebiete, wie z.B. Hang- und Steillagen, und Gebiete mit extremen klimatischen Bedingungen,

Krisenmanagement (Prävention und Bewältigung von Krisen, Versicherungsfonds).

Entwicklung des ländlichen Raums

3.7

Der Ausschuss hat in vielen Stellungnahmen die Bedeutung der 2. Säule für die zukünftige Entwicklung des ländlichen Raums, zu dem auch die europäischen Weinbaugebiete zählen, betont.

3.7.1

Unter Berücksichtigung dieser grundsätzlichen Zielrichtung spricht er sich zur Lösung der speziellen Probleme des Weinsektors dafür aus, dass die im Rahmen der Weinmarktreform diskutierten Maßnahmen insgesamt aus dem Weinbudget finanziert werden. Daher darf das Budget weder durch Kürzungen noch durch Mitteltransfers geschmälert werden.

Qualitätspolitik und geografische Angaben

3.8

Da diese Vorschläge der Kommission von sehr weitgehender Bedeutung sind und letztlich die heutige Qualitätssystematik abschaffen sollen, erwartet der EWSA von der Europäischen Kommission Simulationsmodelle, wie sich diese Vorschläge auf die Ziele der Weinmarktreform sowohl hinsichtlich verbesserter Wettbewerbsfähigkeit und Qualitätsförderung als auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten auswirken werden.

3.8.1

Der EWSA fordert, dass zuerst die geltenden Regelungen des TRIPs-Abkommens, insbesondere die Einführung eines Registers zum Schutz von Herkunftsangaben realisiert werden, bevor über eine Änderung des geltenden europäischen Qualitätssystems diskutiert wird.

Weinbereitungsverfahren

3.9

Der EWSA sieht in den Vorschlägen Widersprüche, die aufgelöst werden müssen.

3.9.1

Der Ausschuss hält eine international akzeptierte Definition des Produktes Wein für unbedingt erforderlich. Dies verlangt auch die Festlegung von anerkannten Produktionsmethoden.

3.9.2

Die Zulassung jeglicher Verfahren, die irgendwo auf der Welt akzeptiert werden, widerspricht der stärkeren Orientierung an den OIV-Normen.

3.9.3

Der Ausschuss spricht sich dafür aus, die Orientierung der Weinbereitungsverfahren an die OIV-Normen konsequenter in die strategische Ausrichtung von bilateralen oder internationalen Handelsverträgen einzubeziehen.

3.9.4

Der Ausschuss widerspricht der vorgesehenen Zulassung, aus importierten Traubenmosten oder Mostkonzentraten in Europa Wein herzustellen oder Drittlandsprodukte mit europäischen Erzeugnissen zu verschneiden.

Anreicherung

3.10

Der EWSA hat in seiner Stellungnahme aus dem Jahre 1999 gefordert, den unterschiedlichen Standort-, Klima- und Witterungsbedingungen innerhalb der Europäischen Union Rechnung zu tragen. Er weist darauf hin, dass diese Thematik sehr sensibel ist und nicht zu einer Entzweiung der europäischen Weinwirtschaft oder gar zu einer Blockade der Reformvorschläge führen darf.

3.10.1

Der EWSA bewertet daher die Vorschläge der Kommission unter Berücksichtigung seiner bisherigen Stellungnahme, der vorgetragenen Analysen der Kommission, der vorgeschlagenen Liberalisierung der Weinbereitungsmethoden, der Anerkennung von Weinbereitungsverfahren in bilateralen Verträgen sowie im Lichte der Reformziele, insbesondere der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Senkung der Produktionskosten. Bei Abwägung des Für und Wider des Kommissionsvorschlags spricht er sich für eine grundsätzliche Fortführung der geltenden Regelungen für die Verwendung von Saccharose und für die Beihilfe für Mostkonzentrate aus.

Etikettierung

3.11

Der EWSA bewertet die Vorschläge als sehr komplex und erwartet von der Europäischen Kommission eine genaue Simulation der Folgen der vorgeschlagenen Änderungen.

3.11.1

Der EWSA verweist darauf, dass das Bezeichnungsrecht erst vor kurzem nach jahrelanger Diskussion geändert wurde. Er fordert die Europäische Kommission auf darzulegen, welche neuen Gesichtspunkte vorliegen, die bei der gerade zu Ende gegangenen Diskussion nicht gewürdigt worden sind.

3.11.2

Der Ausschuss begrüßt Vereinfachungen der Etikettierungsregeln, wenn sie der besseren Verbraucherinformation dienen. Derartige Änderungen dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen oder Irreführung der Verbraucher wächst und zu einer Flut von gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Unter diesen Gesichtspunkten ist auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine fakultative Angabe von Rebsorte und Jahrgang für einfache Tafelweine zu prüfen, die geringere Anforderungen als Land- und Qualitätsweine b.A. erfüllen müssen.

3.11.3

Der Ausschuss weist darauf hin, dass bei einer immer größer werdenden Europäischen Union die Sprachenvielfalt wächst und daraus Handelsbehinderungen entstehen können, wie dies zur Zeit bei der Angabe der Sulfite der Fall ist. Daher ist bei der Etikettierung von obligatorischen Angaben, z.B. Zutaten, die Möglichkeit zu schaffen, sie durch allgemein verständliche Symbole anzugeben.

Absatzförderung und Information

3.12

Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme CES 68/99 gefordert, die Informationen über die gesundheitlichen Vorzüge eines moderaten Weinkonsums und über die Gefahren des Missbrauchs zu einer wichtigen Säule der Weinmarktorganisation zu machen.

3.12.1

Da die Vorschläge der Kommission sehr vage sind, fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, konkrete Maßnahmen für die Verbraucherinformation und die Absatzförderung im Binnenmarkt und auf Exportmärkten vorzuschlagen, die über den unzureichenden geltenden Rahmen hinausgehen und geeignet sind, Marktanteile zurückzugewinnen oder auszubauen.

3.12.2

Dabei muss einer umfassenden Information über die Vorzüge eines moderaten Weinkonsums als Bestandteil einer gesundheitsbewussten Ernährung und eines modernen Lebensstils besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

3.12.3

Die seit Jahren zu beobachtende Verschlechterung der Außenhandelsbilanz muss gestoppt und durch Exportförderungsprogramme wieder erheblich verbessert werden.

Umweltschutz

3.13

Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme CES 68/99 eine umfassendere Betrachtung gefordert.

3.13.1

Die Weinbaugebiete sind in aller Regel einzigartige Kulturlandschaften, die von Winzern durch umweltschonende Bewirtschaftungsweisen gepflegt werden müssen. Der Weinbau ist Bestandteil der Lebenskultur ganzer Regionen, deren wirtschaftliche, soziale und kulturelle Existenz vom Weinbau abhängt.

3.13.2

Eine Reform muss daher Umwelt, Sozialgefüge, Infrastruktur, Wirtschaft und Lebenswert umfassend berücksichtigen.

WTO

3.14

Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme CES 68/99 eine Zulassung von Verschnitten zwischen Drittlandsimporten mit EU-Erzeugnissen oder die Herstellung von Weinen in der EU aus Drittlandserzeugnissen wegen der daraus entstehenden Nachteile für die europäischen Erzeuger und Missbrauchsgefahren für Konsumenten abgelehnt. Er hatte bedauert, dass es an Vorschlägen der Kommission fehlt, die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handelsverkehr, insbesondere auf den Exportmärkten, zu stärken. Der Ausschuss bekräftigt diese Kritik erneut im Hinblick auf die anstehende Weinmarktreform.

3.14.1

Im Lichte seiner früheren Analysen fordert der EWSA, dass die Kommission bei der Reform der Weinmarktorganisation und insbesondere der Außenhandelsregelungen die Position des europäischen Weinsektors als Weltmarktführer stärker berücksichtigt.

Brüssel, den 14. Dezember 2006

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 101 vom 12.4.1999, S. 60-64.


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