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Document 52006AE1565

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission — Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus KOM(2006) 134 endg.

ABl. C 325 vom 30.12.2006, p. 11–15 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

30.12.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 325/11


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission — Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus“

KOM(2006) 134 endg.

(2006/C 325/04)

Die Kommission beschloss am 17. März 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen zu obenerwähnter Vorlage.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. November 2006 an. Berichterstatter war Herr MENDOZA, Mitberichterstatter Herr BARROS VALE.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 75 gegen 6 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die gelungene Mitteilung der Kommission „Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus“ und unterstützt das Engagement der Kommission, die Strategie und die Tourismuspolitik in den nächsten Jahren nachhaltig zu fördern.

1.2

Er würdigt das Bemühen der Kommission, die Vielzahl der Dokumente, Stellungnahmen und Diskussionen in einem kurzen Dokument zusammengefasst zu haben. Das Ergebnis wird dem Auftrag gerecht, der Öffentlichkeit diese neuausgerichtete Tourmismuspolitik verständlich zu machen.

1.3

Sowohl die Gründe dieser neuen Politik im Rahmen der überarbeiteten Lissabon-Strategie als auch die Zielvorgaben der Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit sind nachvolllziehbar.

1.4

Fundiert sind auch die in der Kommissionsmitteilung ausgewiesenen Herausforderungen und die vorgeschlagene Bewältigungsform. Als methodische Vorgehensweise wird die Einbeziehung aller Interessenträger in verschiedenen Formen von Partnerschaft und „wettbewerbsfähiger Partnerschaft“ angeregt, Mitwirkung als Grundpfeiler der neuen Tourismuspolitik.

1.5

Angemessen ist ferner, dass sich die Kommission verpflichtet, diese neue Politik im Zuge von Zusammenarbeit, Fördermaßnahmen und Koordinierung zwischen den Interessengruppen umzusetzen. Nach Ansicht des EWSA sollten die konkrete Vorgehensweise und die Durchführungsinstrumente jedoch ergänzt werden. So sollte die Generaldirektion Unternehmen eine aktivere Rolle spielen und die Umsetzung von Initiativen auf europäischer Ebene vorantreiben.

1.6

Der EWSA bekräftigt seine Empfehlung, bei der Entwicklung dieser Partnerschaftspolitik einen Europäischen Tourismusrat einzusetzen und die Voraussetzungen für die Schaffung einer Europäischen Agentur für Tourismus zu prüfen.

1.7

Begrüßt wird der von der Kommission erklärte Wille, die Nutzung der bestehenden Finanzierungsinstrumente zu optimieren, allerdings wird kein Programm zur Bewältigung der klar umrissenen Herausforderungen im Bereich des Tourismus vorgeschlagen. Nach Ansicht des Ausschusses bietet der Bereich des Sozialtourismus bereits ein angemessenes Feld, um in Form von Pilotprojekten einige transnationale Erfahrungen zu sammeln.

1.8

Der EWSA verspricht sich viel von dem Abschluss der derzeit laufenden Arbeiten für die europäische Agenda 21 für den Tourismus. Dieses Dokument wird sicherlich die allgemeine Politik der Nachhaltigkeit im europäischen Tourismus ergänzen und konkretisieren. Die Schaffung von Datenbanken für gute Praktiken sowohl in Bezug auf die Nachhaltigkeit als auch auf andere Aspekte im Zusammenhang mit Qualität, Kreativität und Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus sind angemessene Instrumente, die von der Kommission vorangetrieben werden sollten.

1.9

Für die Statistik schlägt der EWSA vor, ein Netz von Beobachtungsstellen für den Tourismus aufzubauen, dank deren nicht nur die Daten des Sektors ermittelt, sondern auch eine strategische und zukunftsweisende Vision entwickelt werden können, die es ermöglicht, künftig notwendige Maßnahmen vorherzusehen.

1.10

Der EWSA ist bereit, auch weiterhin im Bereich des Tourismus nach Maßgabe der in der Kommissionsmitteilung formulierten Leitlinien tätig zu sein und ruft die übrigen EU-Institutionen, Mitgliedstaaten, Regionen und Gebietskörperschaften, Branchenakteure, Unternehmen, Gewerkschaften und alle Bürger auf, ihren Beitrag zu leisten bei der Kenntnis und der Förderung des Tourismus als allgemeines Recht und ein für die Zukunft Europas strategisch wichtiger Wirtschaftszweig.

2.   Die Mitteilung der Kommission

Im Interesse eines besseren Verständnisses dessen, was die Kommission allen Interessengruppen und europäischen Institutionen vermitteln möchte, wird die Mitteilung nachfolgend in ihren Kernpunkten kurz zusammengefasst:

2.1   Der Tourismus und die überarbeitete Lissabon-Strategie

2.1.1

Wachstum und Beschäftigung als Herausforderung. Die Kommission verbindet in Kapitel 1 ihrer Mitteilung die neue europäische Tourismuspolitik mit der notwendigen Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie. Auf diese Weise anerkennt sie ausdrücklich die wichtige Rolle, die der Tourismus derzeit für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen spielt und setzt zu Recht auf den Tourismus als eine Wirtschaftstätigkeit, die auch in Zukunft ihren Beitrag zur Vollbeschäftigung leisten und diesen sogar vergrößern kann. Die Kommissionsmitteilung analysiert die Zusammensetzung des Sektors und hebt die an seiner Entwicklung beteiligte Vielfalt an Dienstleistungen und Berufen ebenso hervor wie die Vielzahl der in dieser Branche tätigen kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen. Dank seiner besonderen Charakteristika ist dieser Wirtschaftszweig für flexible Beschäftigungsverhältnisse geeignet. Gleichzeitig wird auf die Notwendigkeit von Ausgleichsmaßnahmen zur Gewährleistung von Stabilität und Qualität der Beschäftigung im Tourismussektor hingewiesen.

Die Kommission macht deutlich, dass der Tourismus eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der Regionen in Europa und seine Nachhaltigkeit positive Auswirkungen auf verschiedene Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft hat. In diesem Sinne wird die derzeit in der Kommission erarbeitete „Agenda 21 für den europäischen Tourismus“ sicherlich als Richtschnur und geeignetes Instrument für die Gewährleistung dieser nachhaltigen Entwicklung des Tourismus fungieren.

Ein weiterer Faktor, den es in Bezug auf den Beitrag des Tourismus zur Lissabon-Strategie zu berücksichtigen gilt, ist die Erweiterung der Europäischen Union und ihre positive Auswirkung auf die Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Damit dies gelingt, bedarf es der Mitwirkung und Zusammenarbeit aller privaten und öffentlichen Partner auf sämtlichen Ebenen als Grundlage für die von der Kommission vorgeschlagene neue europäische Tourismuspolitik.

2.1.2

Die Herausforderungen des Tourismus. Die Kommission führt in ihrer Mitteilung mehrere globale Herausforderungen für den europäischen Tourismus auf, die sich im Zuge des tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels in Europa und der Welt ergeben.

Die erste Herausforderung besteht in der sich grundlegend wandelnden Bevölkerungsstruktur, was zur Folge hat, dass sehr viel mehr Menschen, insbesondere im Alter über 50 Jahren, immer mehr reisen. Der Tourismus muss sich diesen neuen Anforderungen anpassen.

Eine andere wichtige Herausforderung stellen die weltweit neu hinzukommenden Reiseziele dar, sodass sich die Produkte und Dienstleistungen dieser neuen Marktrealität anpassen müssen.

Und schließlich die Notwendigkeit, dass sich der Tourismus unter den Kriterien der wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Nachhaltigkeit entwickelt.

Nach Auffassung der Kommission können diese Herausforderungen durch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit angemessen bewältigt und die mit der Lissabon-Strategie angestrebten Ziele erfüllt werden.

2.1.3

Dialog und Partnerschaft. Zur angestrebten Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit setzt die Kommission in ihrer Mitteilung auf den Dialog und die Partnerschaft zwischen allen Interessenträgern. Jedewede Form der Partnerschaft auf sämtlichen Ebenen ist vonnöten und muss einen Handlungsschwerpunkt im Tourismussektor darstellen.

2.2

Eine neue EU-Tourismuspolitik. Die Kommission schlägt in ihrer Mitteilung eine neue europäische Tourismuspolitik mit dem Ziel vor, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und mehr und bessere Arbeitsplätze unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in Europa und weltweit zu schaffen. Zu diesem Zweck schlägt sie Dialog, Koordinierung und Partnerschaft auf sämtlichen Ebenen vor.

2.2.1

Tourismusrelevante Querschnittsmaßnahmen. Die Kommission stellt drei Maßnahmenbündel vor:

Eine bessere Rechtsetzung durch häufigere Folgenabschätzung, Prüfung der Legislativvorschläge und Vereinfachung bestehender Rechtsvorschriften.

Koordinierung sämtlicher Gemeinschaftspolitiken, die sich auf den Tourismus auswirken, durch interaktive Konsultation und Partnerschaft mit allen Interessengruppen.

Optimierte Nutzung der bestehenden europäischen Finanzierungsinstrumente: EFRE, Kohäsionsfonds, ESF, Europäischer Landwirtschaftsfonds und andere, die zur Stärkung der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus beitragen können.

Die Kommission sieht in ihrer Mitteilung für ihre eigenen Dienststellen wesentliche Aufgaben im Bereich der Koordinierung von Initiativen im öffentlichen und privaten Bereich vor. So sollen diese insbesondere dafür sorgen, dass die interaktive Information in der Branche aufrechterhalten wird und alle Interessengruppen zusammenarbeiten, damit alle gemeinschaftlichen Finanzierungsinstrumente dem Tourismus zugute kommen.

2.3

Förderung der Nachhaltigkeit im Tourismus. Als Kernelement bei der Gestaltung der neuen EU-Tourismuspolitik sieht die Kommission den Vorschlag einer europäischen Agenda 21 für den Tourismus. Die diesbezüglichen Arbeiten sind angelaufen und sollten 2007 abgeschlossen werden.

In der Zwischenzeit sieht die Kommission die sofortige Umsetzung verschiedener Sondermaßnahmen vor. Dazu gehört u.a. das vom EWSA in mindestens sieben Initiativstellungnahmen behandelte Thema der Vereinfachung des Austauschs bewährter Verfahrensweisen im Tourismussektor in Bezug auf folgende Aspekte: Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit, Sport, Kultur, wirtschaftliche Erholung, EU-Erweiterung, öffentlich-private Partnerschaft und Sozialtourismus in Europa.

2.4

Bessere Kenntnis und größere Öffentlichkeitswirkung des Tourismus. Zur Steigerung der strategischen Bedeutung des Tourismus in der allgemeinen EU-Politik gibt die Kommission verschiedene politische Leitlinien vor, u.a.:

Verbesserung der Verfügbarkeit statistischer Daten im Bereich des Tourismus, hierzu gehören insbesondere die Tourismussatellitenkonten.

Fortsetzung der Werbung für europäische Reiseziele, u.a. durch das von der Kommission eingerichtete Europäische Internet-Portal für Reiseziele, das sicherlich in naher Zukunft ein einflussreiches Instrument zur Förderung von touristischen Produkten, Kultur- und Sportveranstaltungen sein und eine breite Palette von Werbemöglichkeiten bieten wird.

Mehr öffentliche Aufmerksamkeit für den Tourismus als gemeinsames Ziel durch verschiedene gemeinsame Aktionen mit den Mitgliedstaaten, wie etwa die seit 2002 jährliche Veranstaltung des Europäischen Tourismusforums. Die Kommission wird sich auch weiterhin für die Verbreitung ihrer Vorschläge, Schlussfolgerungen oder einfach für die Diskussion über Tourismusthemen einsetzen. Desgleichen hat jede Ratspräsidentschaft verschiedene Veranstaltungen für eine bessere Öffentlichkeitswirkung und einen größeren Stellenwert des Tourismus in Europa organisiert.

2.5   Schlussfolgerung der Mitteilung

Die Kommission schließt ihre Mitteilung mit der grundlegenden Feststellung, dass alle öffentlichen und privaten Interessenträger bei der Verabschiedung und praktischen Umsetzung der Tourismuspolitik uneingeschränkt zusammenarbeiten müssen. Sie empfiehlt erneut eine Partnerschaft auf sämtlichen Ebenen als Voraussetzung für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die einen langfristig nachhaltigen EU-Tourismus sicherstellt. Das von der Kommission mit der Vorlage dieser Mitteilung verfolgte Ziel wird somit sehr anschaulich.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Alle EU-Institutionen haben dem Tourismus in ihren strategischen Arbeitsdokumenten großen Raum geschenkt. Gleichwohl steht diese Präsenz noch in keinem Verhältnis zur Bedeutung, die der Tourismus als Wirtschaftstätigkeit derzeit hat, und zu seinem künftigen Potenzial auf europäischer Ebene. Und diese Bedeutung ist bei Weitem nicht nur eine wirtschaftliche. Denn sie hat auch ganz klar eine soziale und kulturelle Dimension, ebenso wie als Kulturerbe und als Element zur Vollendung der Unionsbürgerschaft. Der Tourismus erstreckt sich auf verschiedene Sektoren und wirkt sich deshalb auf zahlreiche gemeinschaftliche Strategien, Politiken und Maßnahmen aus.

3.2

Obwohl der Tourismus gegenwärtig nicht Gegenstand einer gemeinsamen Politik der Europäischen Union ist, planen doch mehrere EU-Institutionen Maßnahmen und Aktionen, die Auswirkungen auf den Tourismus haben oder sich auf diesen Sektor als Instrument zur Erreichung verschiedener Grundziele der Europäischen Union stützen. Der neue, noch nicht verabschiedete Verfassungsvertrag stellt in diesem Sinne einen Fortschritt dar. Denn er würdigt die ergänzende Rolle des Tourismus auch zur Koordinierung nationaler Politiken für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, und er anerkennt den wirtschaftlichen Charakter des Tourismus.

3.3

Dieser Raum wird dem Tourismus in verschiedenen EU-Institutionen gewidmet:

im Europäischen Parlament, das mehrfach sehr unterschiedliche Entschließungen zum Tourismus und seinen Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Wirtschaft verabschiedet hat. So z.B. zu „Tourismus und Entwicklung“ und zu „den neuen Perspektiven und neuen Herausforderungen für einen nachhaltigen europäischen Fremdenverkehr“;

im Rat der Europäischen Union, der sich zu verschiedenen Anlässen in Form von Schlussfolgerungen und Aktionsplänen mit dem Tourismus befasst hat in dem Bestreben, die Notwendigkeit seiner Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und seine Fähigkeit zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu betonen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Schlussfolgerungen des Rates vom 7. Juli 2006 betreffend die Mitteilung der Kommission über die neue EU-Tourismuspolitik, in denen diese Mitteilung begrüßt und die Kommission aufgerufen wird, eine aktive Rolle bei der Koordinierung der einzelnen Politiken zu übernehmen.

in der Europäischen Kommission im Zuge verschiedener Mitteilungen, der Einsetzung, dem Ausbau und der Kontinuität der Europäischen Tourismusforen, der Veranstaltung von Konferenzen zu verschiedenen Themen: Sozialtourismus, Agenda 21 für den Tourismus und viele andere Aktionen.

im Ausschuss der Regionen, der u.a. Stellungnahmen zur Mitteilung der Kommission „für die Zukunft des Tourismus in Europa“ und über „Grundlinien zur Nachhaltigkeit des europäischen Tourismus“ verabschiedet hat;

im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, der dem Tourismus seit jeher besondere Aufmerksamkeit widmet. So hat er seit 1999 bis heute mehr als 11 einschlägige Stellungnahmen verabschiedet, aktiv an verschiedenen Europäischen Tourismusforen der Kommission mitgewirkt und an zahlreichen Veranstaltungen zu verschiedenen Aspekten des Tourismus teilgenommen und diese unterstützt, wie z.B. der Welttourismustag 2005 in Brüssel und 2006 in Léon. Besonders erwähnenswert ist die Zusammenarbeit des EWSA mit anderen Institutionen bei allen Initiativen, die diese im Tourismusbereich planen.

3.4

In dieser Stellungnahme möchte sich der EWSA nicht nur mehr oder weniger kritisch mit der Mitteilung der Kommission auseinandersetzen und die einschlägigen Empfehlungen aufzählen, die sich aus der Diskussion über diese Mitteilung ergeben. Er möchte vielmehr auch die bestehenden Initiativen unter die Lupe nehmen und selbst klare Vorschläge unterbreiten. In diesem Sinne wird die Mitteilung der Kommission als positiv bewertet. Gleichwohl wird vorgeschlagen, auf bestimmte Handlungsbereiche einzuwirken, die in ihrer Gesamtheit eine Tourismuspolitik ausmachen. In der gegenwärtigen EU-Politik gibt es verschiedene Elemente, die zwar nicht unmittelbar in den Bereich des Tourismus gehören, aber doch tiefgreifende Auswirkungen auf seine Entwicklung haben: u.a. der freie Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen, das Verkehrswesen und die Umwelt … Eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Tourismuspolitik muss auf diesen Elementen konzipiert werden.

3.5

Generell möchte diese Stellungnahme folgende konkrete Aussagen machen:

Der Tourismus ist ein Recht aller Unionsbürger nach Maßgabe des Globalen Ethischen Kodex für den Tourismus, das Pflichten in Bezug auf bewährte Praktiken mit sich bringt.

Dieses Recht schafft Reichtum und direkte und indirekte Wertschöpfung, insbesondere für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, die für Europa einen strategisch wichtigen und erwiesenermaßen stabilen Industriezweig darstellen.

Die Qualität der Dienstleistungen der Marktteilnehmer und die Verantwortung der Nutzer gegenüber den Gemeinden vor Ort sind Werte, die wir als Grundlage für ihren Fortbestand erhalten müssen.

Der Tourismus hat positive wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Auswirkungen auf lokaler und regionale Ebene oder sollte diese haben; in diesem Sinne ist er ein Instrument zur Kenntnis anderer Kulturen, Lebensarten und Verhaltensweisen und der interregionalen Zusammenarbeit.

Der Tourismus ist ein dynamischer Sektor, der gegenwärtig und zukünftig viele Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet und die Fähigkeit besitzt, hochwertige und stabile Arbeitsplätze mit Rechten zu schaffen.

Der Tourismus ist nicht frei von Problemen, wie etwa das der Massenphänomene und der Saisonabhängigkeit, die den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit zur Folge haben.

Der Ausschuss ist überzeugt von der Notwendigkeit einer zielgerichteten und ehrgeizigen europäischen Agenda 21 für den Tourismus.

Das europäische Tourismusmodell ist eine innereuropäische Notwendigkeit und kann weltweit als Bezugsgröße fungieren, wenn es nicht auf mehr Vorschriften basiert, sondern auf Werten wie Qualität, Nachhaltigkeit, Zugänglichkeit u.a., die freiwillig an den Reisezielen und von allen Wirtschaftsteilnehmern eingehalten werden.

Das europäische Tourismusmodell basiert auf einer Vielfalt an Reisezielen, Tourismuskonzepten und Gestaltungsformen, die es bereichern.

Das vom Ausschuss befürwortete europäische Tourismusmodell ist ein gutes Instrument für Frieden und Verständnis unter den Völkern.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Die Kommission stellt in ihrer Mitteilung die generellen Grundlagen, Herausforderungen, politischen Maßnahmen, wichtigsten Aufgabenbereiche und die methodische Vorgehensweise für eine neue EU-Tourismuspolitik vor. Damit dies alles in einer nicht sehr umfangreichen Mitteilung zusammengefasst werden konnte, hat man sich im Vorfeld sicherlich sehr um Prägnanz bemüht und unzählige Dokumente, Standpunkte und Diskussionen auswerten müssen. Die Kommission ist im Ergebnis ihrem Auftrag gerecht worden, nämlich der Öffentlichkeit ihren Standpunkt in Bezug auf den Tourismus und die in diesem komplexen Wirtschaftszweig künftig zu ergreifenden Maßnahmen klar zu machen.

4.2

Die Grundlage, auf welche die Kommission diese neue Tourismuspolitik stellt, ist insofern tragfähig, als sie von der überarbeiteten Lissabon-Strategie und ihren beiden großen Bausteinen — Wachstum und Beschäftigung — gestützt wird. Wenn die große Gemeinschaftsstrategie in der Erreichung dieser Zielsetzungen besteht, dann besteht der Beitrag, den der Tourismus hierzu leisten kann, sicherlich darin, ihre Rolle zu stärken und die richtigen Fundamente für ihre Entwicklung zu legen.

4.3

Es wäre vermutlich zweckmäßig gewesen, wenn die Kommission in ihrer Mitteilung auch die Rolle des Tourismus in den großen EU-Erklärungen und in der Europäischen Verfassung analysiert hätte, um herauszufinden, wie in diesen Dokumenten die gegenwärtige Tourismuspolitik konzipiert wird und was die neue EU-Tourismuspolitik an Fortschritten bringt. Es darf nicht vergessen werden, dass die Mitgliedstaaten und Regionen mehrfach ihren Willen bekundet haben, auch weiterhin für den Tourismus zuständig zu sein, wobei die Europäische Union durchaus als Impulsgeber für bestimmte gemeinsame Aspekte fungieren kann, die zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Tourismusbranche beitragen können. So ist z.B. die Einrichtung und Verwaltung eines EU-Portals zur Werbung für Europa als Reiseziel eine Forderung, die derzeit umgesetzt und optimiert wird. In einer Zeit, in der die Binnengrenzen verschwimmen, werden gemeinsame Maßnahmen unverzichtbar.

4.4

Die Kommission hat sicherlich die wichtigsten Herausforderungen skizziert, mit denen der Tourimus in den nächsten Jahrzehnten konfrontiert ist. Vielleicht hätte der Bezugsrahmen weiter gefasst werden können, aber sicherlich ist die grundlegende Herausforderung der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit umfassend genug, um auch andere wichtige Herausforderungen einzuschließen, wie die Verbesserung der Qualität, die Bekämpfung der Saisonabhängigkeit oder die bessere Professionalisierung der in der Tourismusbranche tätigen Arbeitnehmer. Für die in der Tourismusbranche Beschäftigten ist die berufliche Bildung und die Verbesserung der Qualifikation im Rahmen des integrierten Programms für lebenslanges Lernen besonders wichtig, da hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit der Branche gestärkt und eine hohe Dienstleistungsqualität gewährleistet wird.

4.5

In der Kommissionsmitteilung wird immer wieder zu Partnerschaften aufgerufen. Dies überrascht nicht, denn schon im Titel wird das Ziel einer Stärkung der Partnerschaft als identitätsstiftende Handlungsachse für die neue europäischen Tourismuspolitik vorgegeben. Insbesondere ist die Rolle der Gewerkschaften und Unternehmensverbände hervorzuheben, die in die Partnerschaftsprozesse einbezogen und an allen Diskussionen und Foren sowie an der Umsetzung der allgemeinen Maßnahmen zur Verbesserung des Sektors beteiligt werden müssen. Interessant wäre außerdem die Schaffung einer Datenbank für nachahmenswerte Praktiken in der Tourismuswirtschaft, die als Ort des Austauschs von erfolgreichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Zusammenarbeit aller Interessengruppen fungieren könnte. Desgleichen wäre es zweckmäßig, stabile Netze zwischen Städten und Reisezielen im gemeinsamen Bestreben nach Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Begrüßt wird das Projekt „herausragender Reiseziele“, das auch korrekte Arbeitsbeziehungen und die Einbeziehung der Gewerkschaften und Unternehmensverbände am ausgewählten Reiseziel beinhalten muss.

4.6

Die Kommission verpflichtet sich, diese neue Politik durch Partnerschaft, bestimmte Fördermaßnahmen und Koordinierung der Interessengruppen umzusetzen. Vielleicht wäre es aber auch erforderlich, ausführlicher zu veranschaulichen, wie sich diese drei Handlungsmethoden jeweils in der Praxis umsetzen lassen. Die Generaldirektion Unternehmen spielt nach Ansicht des EWSA bei der Koordinierung aller EU-Politiken, die direkt oder indirekt den Tourismus betreffen, eine herausragende Rolle. Gleichwohl sollte die Kommission bestimmen, welches Arbeitsorgan für diese Koordinierung zuständig sein soll. Außerdem sollte die Kommission eine aktivere Rolle beim Anstoß von Initiativen auf europäischer Ebene spielen. So hat der EWSA mehrfach vorgeschlagen, einen Europäischen Tourismusrat einzusetzen und die Voraussetzungen für die Schaffung einer Europäischen Agentur für Tourismus zu sondieren.

4.7

Die Kommission macht in ihrer Mitteilung das notwendige Ziel einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der europäischen Tourismuswirtschaft sehr deutlich. Der weltweit wachsende Wettbewerbsdruck in diesem Sektor untergräbt die Wertschöpfung der Wirtschaftsteilnehmer. Deshalb wird Europa seine Spitzenposition als Reiseziel in Zukunft nur behaupten können, wenn es seine Anstrengungen im Bereich Innovation, Qualität und Kreativitätsförderung erheblich verstärkt und die Produktivität aller Faktoren und Wirtschaftsteilnehmer steigert.

4.8

Nach Ansicht des Ausschusses geht die Kommission in ihrer Mitteilung nicht hinlänglich auf die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) für die neue Tourismuspolitik ein, und zwar sowohl aus Sicht der Nutzer als auch aus Sicht der Unternehmen und Wirtschaftsteilnehmer. Forschungs- und Entwicklungsbemühungen im Tourismusbereich zur besseren Nutzung dieser Technologien müssen eine der Prioritäten der nächsten Jahre sein.

4.9

Der EWSA begrüßt ausdrücklich die vorgeschlagene „bessere Rechtsetzung“, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass weniger Rechtsvorschriften nicht zwangsläufig auch bessere Rechtsvorschriften bedeuten. Zur Anpassung der einschlägigen Rechtsvorschriften und zur Regulierung des Sektors im Bereich der Arbeit müssen die Tarifverhandlungen in den von den Sozialpartnern bestimmten Bereichen ausgebaut werden.

4.10

Es ist wichtig, dass konkrete Maßnahmen verabschiedet werden sollen, insbesondere zur optimierten Nutzung der bestehenden europäischen Finanzierungsinstrumente, doch mangelt es an einer stärkeren Konkretisierung und dem Entwurf eines Programms, das speziell auf die Bewältigung der wichtigen Herausforderungen des europäischen Tourismus zugeschnitten ist, die in der Mitteilung zutreffend skizziert werden. Es muss sichergestellt werden, dass die für den Tourismus bereitgestellten Mittel ihre Ziele wirkungsvoll und effizient erfüllen.

4.11

Die Kommission misst der „europäischen Agenda 21 für den Tourismus“ große Bedeutung bei, welche Strategien, Programme und Maßnahmen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus umfassen soll. Erwartet wird ein grundlegendes Dokument, das sicherlich Aufschluss über die verschiedensten Fragen und wirtschaftliche, soziale und ökologische Gleichgewichte geben wird. Nach Ansicht des Ausschusses sollte das große Thema der Wachstumsgrenzen, des nachhaltigen Tempos beim Wachstum der Reiseziele und des Schutzes der Küstengebiete und anderer sensibler Habitate in diesem Dokument konsequent behandelt und diesbezüglich durchführbare und nachhaltige Vorschläge formuliert werden.

4.12

Wichtig ist auch die Bedeutung, welche die Kommission den statistischen Daten im Bereich des Tourismus beimisst. Allerdings wäre es u.U. erforderlich, diese durch Studien zu begleiten, die eine klare strategische Zukunftsvision verfolgen und in der Lage sind, Trends sichtbar zu machen, Ergebnisse zu bringen und künftige Maßnahmen vorherzusehen. Die Einrichtung einer oder mehrerer Beobachtungsstellen für den Tourismus in einer europaweiten Netzstruktur könnte sich in diesem Zusammenhang als hilfreich erweisen. In den Tourismusstatistiken muss den beschäftigungsbezogenen Variablen mehr Bedeutung beigemessen werden.

4.13

Die Kommission spricht in ihrer Mitteilung sehr klar die erforderliche Verbesserung der Öffentlichkeitswirkung, Kenntnis und Akzeptanz des Tourismus in der europäischen Öffentlichkeit an. Wie der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zur Erklärung von Katowice und in der Stellungnahme zum Thema „Tourismus und Kultur: zwei Kräfte im Dienste des Wachstums“ sowie in anderen Dokumenten gefordert hat, wären auch Bildungs- und Motivationskampagnen an die Adresse aller Unionsbürger, insbesondere aber der jungen Menschen, erforderlich.

Brüssel, den 14. Dezember 2006

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


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