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Document 52006IE1564
Opinion of the European Economic and Social Committee on EU and national administration practices and linkages
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren
ABl. C 325 vom 30.12.2006, p. 3–10
(ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
30.12.2006 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 325/3 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren“
(2006/C 325/03)
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 19. Januar 2006 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren“
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. November 2006 an. Berichterstatter war Herr van IERSEL.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 431. Plenartagung am 13./14. Dezember 2006 (Sitzung vom 14. Dezember) mit 102 gegen 5 Stimmen bei 48 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Zusammenfassung
1.1 |
Dem Ministerrat kommt im Beschlussfassungsprozess der EU eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Trotzdem ist das Problem der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung auf Gemeinschaftsebene noch nie gründlich erörtert worden. Die Europäische Union ist ein einzigartiges Gebilde, was die Teilung der Hoheitsrechte angeht. Dies bedeutet, dass in zahlreichen Bereichen ein transparentes Regieren und Verwalten auf mehreren Ebenen erforderlich ist. Der EWSA ist der Auffassung, dass klar definierte und wirksame innerstaatliche Verfahrensweisen in Politik und Verwaltung der Mitgliedstaaten zusammen mit besserer Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ein integraler Bestandteil des verantwortungsvollen Regierens und Verwaltens in der EU sind. Durch sie kann zu größerer Transparenz und zur Klärung der Auswirkungen von Gemeinschaftsrecht und EU-Politiken auf die ganze Gesellschaft beigetragen werden. Die Analyse einzelstaatlicher Verfahrensweisen zeigt, dass zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bezüglich der politischen und administrativen Behandlung von EU-Angelegenheiten bestehen, und sollte daher eine Debatte über Regierungs- und Verwaltungsverfahren im Umgang mit EU-Recht anregen. Dabei kristallisieren sich möglicherweise hochinteressante und vorbildliche Verfahrensweisen heraus. Eine offene Debatte in ganz Europa über den besten Umgang mit europäischen Angelegenheiten auf einzelstaatlicher Ebene wird auch der Debatte über bessere Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts dienen. Der Ausschuss spricht sich für eine ständige Beobachtung der Verfahrens- und Vorgehensweisen der nationalen Verwaltungen aus. |
2. Einleitung
2.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat 2005 je eine Stellungnahme zur besseren Rechtsetzung und zu einer besseren Durchführung und Durchsetzung des EU-Rechts verabschiedet. Beide Stellungnahmen basierten auf dem Grundsatz: In einem Rechtsstaat ist ein Gesetz gut, wenn es durchsetzbar ist und auch durchgesetzt wird (1). EU-Recht muss in einem transparenten, demokratischen und offenen Prozess entstehen, durch den die Legitimation der EU gestärkt wird. Teil dieses Prozesses sind auch interne Verfahrensweisen der Regierungen und Behörden der Mitgliedstaaten. |
2.2 |
Es ist bemerkenswert und bedauerlich, dass nach vielen Jahren europäischer Integration noch längst nicht alle Mitgliedstaaten EU-Recht und -Politik angemessen politisch und administrativ in die Gestaltung ihrer Politik eingebunden haben, obwohl sie sich in einer Reihe von Bereichen zu einer gemeinsamen Politik und zur Durchführung gemeinsamer Entscheidungen verpflichtet haben. |
2.3 |
Bei der Rechtsetzung, Umsetzung und Durchführung sind die Mitgliedstaaten entscheidend. Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten diese Prozesse handhaben, ebenfalls von großer Bedeutung ist: je besser die Organisation, desto besser das Endergebnis für die Europäische Union, im Interesse der Mitgliedstaaten selbst und für die Gesellschaft insgesamt. |
2.4 |
Es ist unbedingt erforderlich, dass europäische Angelegenheiten auf nationaler Ebene effektiv und transparent gehandhabt werden, da 25 Mitgliedstaaten mit ihrer eigenen Verwaltungskultur und -tradition denselben gemeinsamen Besitzstand achten müssen, was bedeutet, dass sie bei der Rechtsetzung, Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ähnliche Anforderungen zu erfüllen haben. |
2.5 |
Das Problem der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung ist noch nie eingehend auf Gemeinschaftsebene erörtert worden, zum einen aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes, zum andern aus Mangel an wirklichem Interesse seitens der Entscheidungsgremien in Brüssel und den Hauptstädten. Bemerkenswerterweise hat man diesem Aspekt in akademischen Kreisen bisher, abgesehen von einigen Ausnahmen, überhaupt noch keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Zweifellos hat die Organisation und Funktionsweise der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung aber wesentliche Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung in Brüssel und folglich auf die Umsetzung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts. Daher muss bei der Debatte über eine verbesserte Rechtsetzung und Durchführung auch berücksichtigt werden, wie die innerstaatliche Koordination und Politikgestaltung funktioniert. |
2.6 |
Dies ist bei Weitem mehr als eine rein technische Frage. Es ist eine politische Angelegenheit, da eine Debatte über die Verbesserung der Organisation und internen Verfahrensweisen in den Mitgliedstaaten sowie über eine mögliche Neudefinition der jeweiligen Zuständigkeiten von Mitgliedstaaten und Kommission erstrebenswert wäre. Außerdem ist es erforderlich, dass diese Prozesse in den Mitgliedstaaten in transparenter und offener Form ablaufen, um die Kommunikation zwischen der EU und der Gesellschaft zu verbessern und Verwirrung und Misstrauen in der Bevölkerung entgegenzuwirken. |
2.7 |
Aus verständlichen Gründen hat die Kommission die Debatte über die innerstaatlichen Verfahren bisher abgelehnt. Gleichwohl erklärte die Kommission 2001 (2) zu Recht: „Es ist an der Zeit anzuerkennen, dass die Europäische Union von einem diplomatischen zu einem demokratischen Prozess übergegangen ist und ihre Politiken tief in die nationalen Gesellschaften und das tägliche Leben hineinreichen. Der Rat muss seine Fähigkeit, alle Aspekte der EU-Politik auf seiner Ebene und in den Mitgliedstaaten zu koordinieren, ausbauen.“ |
2.8 |
Die Kommission machte 2004 in einer Empfehlung praktische Vorschläge für die „Umsetzung“ von Gemeinschaftsrecht, die direkt an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, um die korrekte Durchführung und Durchsetzung von verabschiedetem Gemeinschaftsrecht (3) zu fördern. Einige dieser Vorschläge können auch dazu dienen, die innerstaatlichen Koordinierungs- und Politikgestaltungsmaßnahmen bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften der EU und bei der Durchführung vereinbarter politischer Ziele zu verbessern. |
2.9 |
Zweifelsohne ist die Rationalisierung der politischen und administrativen Verfahren in den Mitgliedstaaten seit den folgenden Ereignissen notwendiger denn je geworden:
Es muss jedoch noch viel getan werden. |
3. Allgemeiner Kontext
3.1 |
Die EU ist weder ein Staat noch beabsichtigt sie, ein Staat zu werden. Die Kommission ist eine zentrale Stelle, die in klar definierten Bereichen das Initiativrecht besitzt. Der Rat bestimmt das Geschehen, wenn es um Entscheidungen über Gesetzgebung und Haushalt geht, wobei diese häufig vom Europäischen Parlament als Mitgesetzgeber und vom Gerichtshof als Hüter des EU-Rechts beeinflusst werden. Somit hat keines der Organe eine ausschlaggebende Führungsrolle inne. Die EU ist vielmehr ein sehr komplexes Gebilde mit gegenseitigen Abhängigkeiten vieler Akteure. Sie ist einzigartig hinsichtlich des geschaffenen Netzes nationaler und föderaler Verantwortlichkeiten. |
3.2 |
Die Europäische Union ist ferner einzigartig hinsichtlich der geteilten Souveränität. Dies bedeutet, dass in zahlreichen Bereichen ein transparentes Regieren und Verwalten auf mehreren Ebenen erforderlich ist, aber über die Auswirkungen, die dies auf die Verwaltung der Komponenten der EU, d.h. der Mitgliedstaaten hat, besteht noch weitgehend Unklarheit (4). Dies betrifft Angelegenheiten, für die eine gemeinsame Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und „Brüssels“ besteht, aber auch solche, für die die Mitgliedstaaten selbst verantwortlich sind, wie etwa die Umsetzung der Lissabon-Strategie. |
3.3 |
Während der letzten Jahrzehnte hat die EU immer mehr Bereiche in ihre Zuständigkeit übernommen. An diesem dynamischen Prozess sind die Regierungen der Mitgliedstaaten, aber zunehmend auch regionale Gebietskörperschaften, soziale und wirtschaftliche Akteure und die Zivilgesellschaft beteiligt. Seit kurzem stehen Themen des „Dritten Pfeilers“, d.h. des Bereichs Justiz und Inneres, am Beginn der Vergemeinschaftung. Bisher ist es der Kommission in diesem Bereich nicht möglich, gegen Mitgliedstaaten eine Verletzungsklage einzureichen, um Versäumnisse bei der einzelstaatlichen Umsetzung der Rechtsvorschriften gutzumachen (5). |
3.4 |
Obwohl das Gemeinschaftsrecht und die auf EU-Ebene gefassten Beschlüsse häufig direkte Auswirkungen für die einzelnen Bürger, Unternehmen und Organisationen haben, wird die Europäische Union in vielen Mitgliedstaaten immer noch in erster Linie als internationale Organisation außerhalb des eigenen Staates wahrgenommen, in einigen Ländern sogar als rein außenpolitische Angelegenheit. Dies führt zu Verwirrung und schafft eine integrationsfeindliche Distanz. Die Probleme, auf die die EU im politischen und administrativen Kontext der Mitgliedstaaten stößt, sind zum größten Teil auf eine solche Einstellung zurückzuführen. |
3.4.1 |
Im politischen Rahmen sind Stellung und Rolle der einzelstaatlichen Parlamente von höchster Wichtigkeit. In vielen Fällen besteht immer noch eine Kluft zwischen dem Grad ihrer Informiertheit und Eingebundenheit einerseits und dem Entscheidungsprozess auf Gemeinschaftsebene andererseits. Dadurch verstärkt sich auch die Distanz zwischen der EU und der Gesellschaft. |
3.4.2 |
Ein zweiter Aspekt in diesem Zusammenhang ist der Unterschied in Wahrnehmung und Engagement von Politikern, einzelstaatlichen Verwaltungen und den eingebundenen privaten Akteuren. |
3.4.3 |
Drittens kann ein Mangel an Transparenz in der Politikgestaltung zu Unklarheit darüber führen, wie und wann genau einzelstaatliche Standpunkte intern sowie auf EU-Ebene festgelegt und verhandelt werden. Bezeichnenderweise sind in verschiedenen Ministerien die Abteilungen für europäische Angelegenheiten mehr oder weniger getrennt von den Abteilungen für Landesangelegenheiten, obwohl sie sich mit Fachfragen und nicht nur mit der Koordinierung befassen. Das kann sich negativ darauf auswirken, wie sensibel und aufmerksam letztere gegenüber Aspekten sind, die Europa betreffen. Vergleichbare Koordinierungsprobleme bestehen zwischen den ständigen Ausschüssen in den einzelstaatlichen Parlamenten. |
3.4.4 |
Viertens findet auf einzelstaatlicher Ebene der Entscheidungsprozess bezüglich Europas zu häufig getrennt von den Exekutivdirektionen oder -agenturen und auch zu weit von den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften entfernt statt. |
3.5 |
Es gibt hinreichend Beispiele für die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten administrative und politische Verfahren nur relativ ungern umstellen. Sollten die Verfahren aber nicht an die wachsende Komplexität und Bedeutung der EU angepasst werden, so könnte dies zu ständigen Friktionen auf den verschiedenen Ebenen des Entscheidungsprozesses führen. |
3.6 |
Besondere politische Interessen und Traditionen sowie eine national und parteipolitisch eingefärbte Rhetorik sind für gewöhnlich tonangebend. Dadurch entsteht eine künstliche Kluft zwischen den Entscheidungen aus Brüssel und den als spezifisch national wahrgenommenen Interessen und Verfahren. |
3.7 |
Diese Entwicklung ist der Hauptgrund für die besondere paradoxe Situation, dass auf der einen Seite die Regierungen sich in der EU, also in „Brüssel“, über politische Zielsetzungen und Rechtsvorschriften einigen, diese aber auf der anderen Seite zurückweisen, sobald sie auf Landesebene diskutiert werden. |
3.8 |
Diese Kluft kann für Interessengruppen und die Öffentlichkeit insgesamt sehr verwirrend sein. Mit Sicherheit aber verschlimmert dieses Problem die erhebliche Legitimationskrise der EU, da die Meinungen und Erwartungen der Öffentlichkeit direkt davon beeinflusst werden, auf welche Weise und wie zuverlässig die politischen Gemeinschaftsziele auf nationaler Ebene gehandhabt werden. |
3.8.1 |
Der EWSA weist in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass eine eventuelle Legitimitätskrise der EU nicht in erster Linie auf Kommunikationsprobleme zurückgeführt werden sollte. Der primäre Ansatz, um das Vertrauen der Bürger in die EU zurückzugewinnen, muss nach wie vor darin bestehen, die drängenden Probleme der Union zu lösen. |
3.9 |
In diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass eine Reihe von Organisationen der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft auf mehr oder weniger ähnlich widersprüchliche Weise mit „Brüssel“ und der Landespolitik verfahren. |
3.10 |
Der Ruf der EU kann untergraben werden, weil die auf nationaler Ebene geäußerte Kritik meistens an „Brüssel“ und die Kommission gerichtet ist, aber nur selten an die Mitgliedstaaten, die die Hauptakteure im Integrationsprozess sind. |
3.11 |
Nationale Lobbykreise neigen dazu, ganz ähnlich zu handeln, wenn es um die Umsetzung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts geht. Manchmal ergibt sich ihr Verhalten aus den Möglichkeiten, die durch hart umkämpfte Kompromisse im Rat, bei denen den einzelnen Staaten Ermessensspielraum gegeben wird, zustande kommen. Bei anderen Gelegenheiten nutzen die Lobbykreise einfach nur die von den innerstaatlichen Gesetzgebungsorganen ungerechtfertigterweise geschaffenen Möglichkeiten aus, was zu dem so genannten Gold-Plating und zum „Rosinenpicken“ führt. |
3.12 |
Eine einzelstaatlich-bezogene Orientierung in EU-Angelegenheiten kann auch durch die Tendenz begünstigt werden, flexiblere Instrumente anstelle von verbindlichen Rechtsinstrumenten anzuwenden, wie etwa die offene Koordinierungsmethode: je mehr Spielraum für die nationale Auslegung besteht, desto größer fallen die Unterschiede zwischen den Ländern aus. |
4. Koordinierung auf einzelstaatlicher Ebene
4.1 |
Bis vor kurzem wurde anscheinend in vielen Mitgliedstaaten das Problem der Harmonisierung von Prozessen und Verfahren auf nationaler Ebene hauptsächlich durch spontane Entwicklungen innerhalb eines oder mehrerer Ministerien gelöst, ohne dabei eine gut strukturierte Vorgehensweise anzustreben. Zwar sind alle Mitgliedstaaten dabei, ein mehr oder weniger strukturiertes Koordinierungsverfahren (und die entsprechenden Organe) zu entwickeln, aber dies betrifft in vielen Fällen nur die letzte Phase der innerstaatlichen Entscheidungsfindung. Die vorhergehenden Phasen sind in der Regel schlechter organisiert. |
4.2 |
Dies zeigt, dass es eher ein vielschichtiges Modell der Regierungszusammenarbeit gibt als einen dynamischen Prozess der EU-Rechtsetzung mit entsprechenden komplizierten politischen Verhandlungen. In der Praxis wurden durch die europäische Integration sehr breit gefächerte und intensive Kontakte mit unzähligen Querverbindungen zwischen all den Personen im öffentlichen und privaten Sektor geknüpft, die mit der Rechtsetzung, den verwaltungsbezogenen Verhandlungen und Verfahren in Europa befasst sind. So bestehen viele Verknüpfungen im Zusammenhang mit der Erarbeitung europäischer Rechtsvorschriften — u.a. durch die Konsultation von Sachverständigen und Interessensvertretern — sowie im Zusammenhang mit der Aushandlung neuer Rechtsvorschriften, der Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung von verabschiedetem Gemeinschaftsrecht, der Wahrung des Gemeinschaftsrechts durch die einzelstaatlichen Justizbehörden und den Europäischen Gerichtshof und schließlich der Diskussion mit den europäischen Rechtsetzungsorganen über die Erfahrungen einzelner Staaten mit dem Gemeinschaftsrecht. Diese Verfahren erfordern auch ein hohes Maß an Professionalität bei der Gesamtorganisation der nationalen Verwaltungen. |
4.3 |
Eine angemessene Verwaltung und Koordinierung auf nationaler Ebene und eine effektive internationale Vernetzung werden zunehmend erforderlich, da die politischen Zielsetzungen und die Entscheidungsfindung der EU eng an die politischen Zielsetzungen der Einzelstaaten gebunden bzw. mit ihnen verknüpft sind. Die Lissabon-Strategie ist ein anschauliches Beispiel: Sie wurde auf EU-Ebene festgelegt, aber in der Praxis betrifft die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung nur einen begrenzten Teil der Strategie. Die Verantwortlichkeit für die Hauptaspekte liegt weiterhin bei den Mitgliedstaaten. Aber das Endergebnis ist ungewiss, wenn die Mitgliedstaaten vereinbarte Zielvorgaben aufgrund fehlender obligatorischer interaktiver Verfahren zur Abstimmung der Gemeinschafts- und Länderpolitiken nicht oder nur teilweise zu erreichen versuchen. |
4.4 |
Die Intensivierung der europäischen Integration, die auf einer Reihe von EU-Gipfeln und in zahlreichen Ratssitzungen in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission beschlossen wurde, sollte sich in der politischen und administrativen Organisation der Mitgliedstaaten widerspiegeln. Diesbezüglich gibt es zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch beträchtliche Unterschiede (6). Aufgrund historischer Entwicklungen in jedem Land betreffen die Unterschiede nahezu alle Aspekte der Politik und Regierungsführung. |
4.5 |
Zu diesen Aspekten gehören: Verfahren und grundlegende Konzepte der Regierungsführung und Verwaltung, die Rangfolge zwischen den Ministerien, die Merkmale der Ministerien und der zentralisierte vs. dezentrale Staatsaufbau. |
4.6 |
Insbesondere gibt es zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche politische Unterschiede in Bezug auf die EU, und zwar hinsichtlich:
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4.7 |
Ähnliche Unterschiede bestehen bezüglich der Zuständigkeiten und Arbeitsmethoden zwischen den und innerhalb der Ministerien hinsichtlich:
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4.8 |
Die Aufteilung der Arbeit zwischen nationalen Ministerien kann sich ebenfalls ernsthaft auf den Rat auswirken, z.B. sind an dem Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ häufig vier oder fünf Ministerien pro Land beteiligt. Dadurch ist keine Langzeitstrategie möglich, die Führerschaft wird blockiert und es entsteht politisches Stückwerk. |
4.9 |
Die Situation wird noch komplizierter, wenn die Zuständigkeiten auch noch zwischen der nationalen und der regionalen Ebene, wie dies in föderalen Systemen der Fall ist, aufgeteilt werden. Vielschichtige und manchmal undurchsichtige Beziehungen zwischen der nationalen und der regionalen Ebene können leicht zu weiterer Verwirrung führen. |
4.10 |
Auch durch ungeeignete Verfahrensweisen der Kommission und des Sekretariats des Rates der EU werden effiziente Entscheidungsprozesse in den Mitgliedstaaten unmöglich gemacht. So werden beispielsweise die endgültigen Entwürfe der vom Rat erörterten Dokumente erst kurz vor der entsprechenden Ratssitzung weitergeleitet, wodurch selbst die zügigsten nationalen Entscheidungsabläufe konterkariert werden. |
4.11 |
Da die Arbeit in den Mitgliedstaaten zwischen den Ministerien und den Abteilungen unterschiedlich aufgeteilt wird, ist es häufig schwierig, in ganz Europa eine wirksame internationale Vernetzung und langfristige persönliche Kontakte zwischen den zuständigen Beamten aufzubauen. |
4.12 |
Die tägliche Erfahrung zeigt nach wie vor, dass das Wissen eines großen Teils der juristischen Kreise allgemein und vieler nationaler Richter, die europäische Rechtsvorschriften uneingeschränkt berücksichtigen sollen, unzureichend ist. Dadurch werden die nationalen Verwaltungen nicht gerade darin bestärkt, die EU ohne Weiteres als politische und institutionelle Ebene in die innerstaatliche Politikgestaltung einzubinden. |
5. Aktuelle Entwicklungen
5.1 |
Durch ständig stattfindende Rechtsverletzungsverfahren, die die Kommission in Ausübung ihrer wichtigen Aufgabe, Versäumnisse bei der einzelstaatlichen Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften gutzumachen, in Gang bringt, und die Erweiterung des erfolgreichen EU-„Anzeigers“ für die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in einzelstaatliches Recht wurde das Bewusstsein dafür geweckt, dass die nationalen Verfahren an die Gemeinschaftsanforderungen angepasst werden müssen. |
5.2 |
Die Einführung des gemeinschaftlichen Besitzstandes in den zehn neuen Mitgliedsländern bis 2003 hat zu einer ähnlichen Sensibilisierung für dieses Thema geführt. |
5.3 |
Der vorgeschlagene Verfassungsvertrag zielt unter anderem darauf ab, die einzelstaatlichen politischen Verfahren mit der Erarbeitung von Rechtsvorschriften der EU zu verbinden, unter anderem indem die nationalen Parlamente in einer frühen Phase in die EU-Verfahren integriert werden. |
5.4 |
Obwohl die Koordinierungsverfahren gelegentlich verbessert werden, darf man nicht die Augen davor verschließen, dass die meisten nationalen Verwaltungen es in der Regel ablehnen, ihre internen Verfahren zu ändern, und insbesondere ihre Verfahren untereinander oder auf EU-Ebene zu erörtern. Subsidiarität heißt das Motto, auf das man sich beruft. |
5.5 |
Neben der Subsidiarität gibt es noch eine Tatsache, die die Beziehungen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten häufig verkompliziert: Der Zyklus der Entscheidungsfindung der EU deckt sich gewöhnlich nicht mit dem der Politikgestaltung auf nationaler Ebene. |
5.6 |
Obwohl in den Mitgliedstaaten Anpassungen der Koordinierungsverfahren erörtert werden (7), bestehen weiterhin Unterschiede in der Vorgehens- und Verfahrensweise der Mitgliedstaaten. |
5.6.1 |
In Dänemark zum Beispiel wird das Parlament in einer sehr frühen Phase in die Erarbeitung von EU-Rechtsvorschriften und die Gestaltung von EU-Politiken eingezogen, wodurch die Arbeit in Brüssel systematisch sichtbarer und transparenter wird. Gleichzeitig werden in Dänemark bereits seit relativ langer Zeit wirksame Anpassungen administrativer Verfahren vorgenommen und Querverbindungen beim Umgang mit nationalem Recht und EU-Recht aufgebaut. |
5.6.2 |
Im Vereinigten Königreich wurden Verfahren eingeführt, um die EU-Angelegenheiten näher an die einzelstaatliche Politikgestaltung heranzuführen, unter anderem durch ein effizientes Koordinierungssystem zwischen den Ministerien und die Erteilung eines umfangreichen Gemeinschaftsrechts-Mandats an die Kabinettskanzlei. Das House of Commons (Unterhaus) hat die Möglichkeit, die EU-Rechtsvorschriften zu prüfen, und das House of Lords (Oberhaus) nimmt eine aktive Rolle bei der Kommentierung des Gemeinschaftsrechts und der EU-Politiken wahr. |
5.6.3 |
Im Gegensatz hierzu wird das Parlament in Frankreich und Spanien gewöhnlich in einer späten Phase eingebunden. Dies hat Auswirkungen auf die Stellung der EU in der öffentlichen Debatte. EU-Recht und EU-Politiken sind in erster Linie Belange der nationalen Verwaltungen und der politischen Führung. Beachtenswert ist, dass der größte Teil der École nationale d'administration (ENA) als Zeichen eines wachsenden Einflusses der EU in Frankreich von Paris nach Straßburg umgezogen ist. |
5.6.4 |
In den Niederlanden haben einige unglückliche Erfahrungen bei der Durchführung des EU-Rechts wachsendes Interesse an der Handhabung von und der Verfahrensweise bei EU-Angelegenheiten hervorgerufen. Die Reorganisation interner Verfahren in den Ministerien durch die Verbindung der „innerstaatlichen“ und „europäischen“ Interessenbereiche ist im Gange, was sich in der Praxis als schwieriger Prozess erweist. Dies gilt auch für Bemühungen, das Parlament effizienter und rechtzeitiger in EU-Angelegenheiten einzubeziehen. In Luxemburg sind im Parlament bereits Verfahrensweisen erfolgreich angepasst worden. |
5.6.5 |
In den neuen Mitgliedstaaten tragen die Verfahren Früchte, die während der Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft im Zuge der Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands in das innerstaatliche Recht eingeführt oder angepasst wurden und unangetastet geblieben sind. Durch ein weit reichendes Twinning-Projekt mit Sachverständigen aus „alten“ und „neuen“ Mitgliedstaaten werden die neuen Mitgliedstaaten dabei unterstützt, bewährte Verfahren bei der Ausführung von Rechtsvorschriften der EU einzuführen. Dies kann auch Bemühungen fördern, EU-Angelegenheiten in einer früheren Phase der Entscheidungsfindung einzubeziehen. |
5.6.6 |
In Föderalstaaten wie Deutschland und Spanien ist es gewiss nicht einfach, die Kluft zwischen den Regionen — den Bundesländern und Provinzen — und Europa zu überwinden. Insbesondere entstehen manchmal ernsthafte Probleme, wenn die Regionen ausschließlich für die Durchführung des EU-Rechts verantwortlich sind, wie dies in Deutschland der Fall ist. Alle Bundesländer haben eine Vertretung in Brüssel, um in für sie relevante Gemeinschaftsangelegenheiten unmittelbar eingebunden werden zu können. |
5.7 |
Die Einführung und weit verbreitete Nutzung des Systems „nationaler Sachverständiger“ als ein kontinuierlicher Prozess der Interaktion zwischen den nationalen Verwaltungen und der Kommission kann helfen, eine fruchtbare Wechselbeziehung zwischen der einzelstaatlichen Ebene und „Brüssel“ zu stärken. |
5.8 |
Die Europäische Kommission fördert eine Reihe erfolgreicher Kooperationsnetze zwischen Verwaltungen von Mitgliedstaaten sowie zwischen der Europäischen Kommission und einzelstaatlichen Verwaltungen (z.B. SOLVIT, Verbrauchernetze etc.). Die Kommission richtet ferner das Binnenmarktinformationssystem (BIS) ein, das den Verwaltungen der Mitgliedstaaten die Anwendung von Binnenmarktvorschriften erleichtern soll. |
5.9 |
Das System der „nationalen Regulierungsbehörden“ in verschiedenen Bereichen, wie z.B. des Wettbewerbs, der Telekommunikation, Energie und andere, trägt zur Annäherung bei der Durchführung der einvernehmlich beschlossenen EU-Politiken in den Mitgliedstaaten bei. |
5.10 |
Allgemeiner gesagt, es bestehen nach wie vor konzeptionelle Unterschiede zwischen den Ländern, die neue Strukturen zur Verbesserung der Interaktion zwischen der EU und der nationalen Handhabung von EU-Angelegenheiten einrichten, und denjenigen, die bisher auf ein Überdenken ihrer Strukturen und Verfahren verzichten. Dieser Prozess hängt vor allem vom politischen Willen ab. |
6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
6.1 Schlussfolgerungen
6.1.1 |
Die Art und Weise der Organisation nationaler Verwaltungen ist das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung in jedem Land. Demzufolge betreffen die Unterschiede zwischen den Ländern nahezu alle Aspekte des politischen und öffentlichen Lebens. Dies wird auch in Zukunft weitgehend so bleiben. Diese Unterschiede dürften jedoch nicht zwangsläufig einer Anpassung oder gar wechselseitigen Annäherung der Verfahren und Arbeitsmethoden, die bei der Erarbeitung und Durchführung von EU-Recht und gemeinsamen EU-Politiken angewandt werden, im Wege stehen. |
6.1.2 |
Der EWSA ist der Auffassung, dass klar definierte und wirksame innerstaatliche Verfahrensweisen in Politik und Verwaltung zusammen mit besserer Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ein integraler Bestandteil eines verantwortungsvollen Regierens und Verwaltens in der EU sind. |
6.1.3 |
Folglich wäre es sehr wünschenswert, dass die Anpassung und Verbesserung einzelstaatlicher Verfahrensweisen vor dem Hintergrund der Abläufe auf europäischer Ebene und der EU-Prioritäten „bessere Rechtsetzung“ und „Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts“ beurteilt wird, da die Erreichung dieser Ziele weitgehend von einer angemessenen Herangehensweise in allen Mitgliedstaaten abhängt. |
6.1.4 |
Für die Organisation von EU-Angelegenheiten in den Mitgliedstaaten sind Letztere selbst zuständig. Es wäre jedoch ein großer Schritt nach vorn, wenn die politischen Kräfte und nationalen Verwaltungen die EU-Angelegenheiten als einen integralen Bestandteil der Gestaltung ihrer Innenpolitik ansehen und öffentlich bekennen würden, dass sie selbst die EU verkörpern, und wenn sie entsprechend handeln würden. Ausschlaggebend ist der politische Wille, diese Richtung einzuschlagen. |
6.1.5 |
Ein solcher Schritt wäre voll und ganz im Sinne der Besonderheiten der Beziehung zwischen den Gemeinschafts- und den einzelstaatlichen Politiken und deren Auswirkungen, die miteinander verknüpft und mehr denn je voneinander abhängen. Die Einbeziehung der EU als politische und administrative Ebene in die innerstaatliche Politikgestaltung würde ebenfalls zu einer besseren Rechtsetzung der EU beitragen. |
6.1.6 |
In einigen Mitgliedstaaten, insbesondere in Dänemark und seit kurzem auch in Luxemburg, werden die Vorschläge der Kommission in einer frühen Phase auf die politische Tagesordnung gesetzt. Hierzu gehört eine systematische Einbeziehung des dänischen Parlaments. In anderen Mitgliedstaaten wird augenblicklich eine ähnliche Anpassung vorgeschlagen. Dennoch lässt sich sagen, dass sich die meisten einzelstaatlichen Parlamente nicht ganz wohl fühlen, wenn es um die Harmonierung ihres Engagements für die EU-Politiken geht. |
6.1.7 |
Der vorgeschlagene Verfassungsvertrag zielt auch darauf ab, die einzelstaatlichen Parlamente in einer früheren Phase in die Entscheidungsverfahren der EU einzubinden. Diesem Konzept entsprechend erhalten die Parlamente in letzter Zeit Vorschläge für EU-Politiken und Rechtsvorschriften direkt von der Kommission (8). Infolge dieser Verfahrensänderung werden die innerstaatlichen Diskussionen über EU-Politiken, EU-Rechtsvorschriften und deren Auswirkungen in den meisten Mitgliedstaaten zwangsläufig in einer früheren Phase als bisher beginnen. |
6.1.8 |
Eine stärkere Betonung frühzeitiger politischer Diskussionen und Beratungen im nationalen Rahmen kann dazu führen, dass sich die Regierungen in Verhandlungen über konkrete Themen eher für bestimmte Positionen engagieren. |
6.1.9 |
Die Gesellschaft fordert insgesamt mehr Transparenz, wodurch Vertrauen und Legitimation gefördert werden können. Folglich wäre es erstrebenswert, dass die administrativen und politischen Verfahren der Mitgliedstaaten in EU-Angelegenheiten diesem Ziel gerecht werden. Effiziente und transparente Verfahren würden nicht nur der Rechtsstaatlichkeit dienen, sondern auch zu einer verbesserten Kommunikation zwischen der Europäischen Union und den Unternehmen, Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft führen, indem besseres Verständnis sowie eventuell Beteiligung und Engagement erreicht würden (9). |
6.1.10 |
Folglich sind Transparenz und Kommunikation auch von größter Bedeutung für bereits stattfindende oder neu eingerichtete Anhörungen privater Interessengruppen in den Mitgliedstaaten, die manchmal unterschätzt werden. |
6.1.11 |
Die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen ist eine gemeinsame Priorität aller Institutionen. Dazu gehören auch die Kohärenz des Binnenmarktes und seit 2000 die Umsetzung der Lissabon-Strategie. All diese Zielsetzungen sind besser zu erreichen, wenn die Entscheidungsprozesse auf einzelstaatlicher und EU-Ebene effizient miteinander verbunden sind. |
6.1.12 |
Auch wenn die Subsidiarität als Grundsatz in den theoretischen Konzepten und in der Praxis der EU fest verankert ist, muss immer berücksichtigt werden, dass die Handhabung und Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und der entsprechenden Verpflichtungen in den Mitgliedstaaten häufig Auswirkungen auf andere Länder und Gesellschaften in der EU haben. Dies bedeutet, dass öffentliche und private Partner an der Art und Weise interessiert sind, in der jedes einzelne Land seine Beziehungen zur EU handhabt. Mit anderen Worten: Die Organisation und Arbeitsmethoden der nationalen Verwaltungen sind Teil der Verwaltung der EU als Ganzes. |
6.1.13 |
Angemessene Verfahren und eine adäquate Beobachtung der EU-Angelegenheiten in den Mitgliedstaaten wären für die Kommission ebenfalls von großem Nutzen und könnten die Qualität ihrer Arbeit verbessern. |
6.2 Empfehlungen
6.2.1 |
Zusätzlich zu den Vorschlägen in seiner Stellungnahme „Bessere Durchführung des Gemeinschaftsrechts“ (10) empfiehlt der EWSA, in allen 25 Mitgliedstaaten tiefgehende Analysen der nationalen und regionalen Vorgehens- und Verfahrensweisen in EU-Angelegenheiten sowohl unter politischem als auch administrativem Aspekt durchzuführen, um ein vollständiges Bild zu erhalten. |
6.2.2 |
Alle in Kapitel 4 („Koordinierung auf einzelstaatlicher Ebene“) genannten Aspekte bezüglich der Art der Einbindung einzelstaatlicher Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung sind besonders zu beachten. Die Kommission kann ergänzend zu ihren zunehmenden Aktivitäten in den Bereichen „bessere Rechtsetzung“ sowie „Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts“ eine initiierende und unterstützende Rolle in diesem Bereich wahrnehmen. |
6.2.3 |
Die Analysen werden als produktiver Ausgangspunkt einer Debatte über die Effizienz der auf die EU bezogenen Regierungs- und Verwaltungsverfahren dienen. Aus dem Gesamtbild sollten sich wünschenswerte und vorbildliche Verfahrensweisen herauskristallisieren. Die Analysen sollen eine solide Basis für eine offene Debatte in ganz Europa darüber bilden, wie man auf einzelstaatlicher Ebene am besten mit europäischen Angelegenheiten umgehen kann. Auch dies wird die Debatte über bessere Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts voranbringen. |
6.2.4 |
Eine umfassende Analyse und die Ableitung durchführbarer Schlussfolgerungen sind eine sehr komplizierte Angelegenheit. Einzelstaatliche und regionale Behörden bringen auch zunehmend zum Ausdruck, dass ein Meinungs- und Wissensaustausch über einen angemessenen Umgang mit europäischen Angelegenheiten erforderlich ist. Der Ausschuss spricht sich für eine ständige Beobachtung der Verfahrens- und Vorgehensweisen der nationalen Verwaltungen aus. Ferner könnte der bilaterale Meinungsaustausch zwischen den Behörden der einzelnen Staaten unterstützt werden, wie dies z.B. bei dem Kompetenzzentrum IMPEL (11) und dem Netzwerk SOLVIT erfolgt. |
6.2.5 |
Bemerkungen von Unternehmen, Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft sollten ebenfalls systematisch berücksichtigt werden. Sie alle haben ein starkes Interesse an einer besseren Rechtsetzung sowie an der Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, einem Prozess, der von Beginn an auch Transparenz und effiziente Konsultationen auf einzelstaatlicher Ebene erfordert. |
6.2.6 |
Das Binnenmarktinformationssystem (BIS) zur Erleichterung des Informationsaustausches zwischen Verwaltungen der Mitgliedstaaten, das auf eine bessere Anwendung der Binnenmarktvorschriften abzielt, sollte weiter ausgebaut und umgesetzt werden. |
6.2.7 |
Ferner wäre ein EU-Leitfaden zu nationalen Vorgehens- und Verfahrensweisen hilfreich. Solch ein Leitfaden, der die Ergebnisse des Kompetenzzentrums berücksichtigt, könnte als Anleitung für den gesamten Prozess gut funktionierender einzelstaatlicher Verfahrensweisen, besserer Rechtsetzung sowie der Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts dienen. |
Brüssel, den 14. Dezember 2006
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(2) Europäisches Regieren, ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endg.
(3) Empfehlung der Kommission vom 12. Juli 2004 zur Umsetzung binnenmarktrelevanter Richtlinien in innerstaatliches Recht, (2005/309/EG).
(4) Coordinating European Union Affairs: How do different actors manage multilevel complexity?, Adriaan Schout und Andrew Jordan, 29. Mai 2006. In der Studie werden die Koordinierungsverfahren zwischen der Kommission, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden analysiert. Dabei wird offenbar, dass eine umfangreiche Literatur zu Teilaspekten dieses allgemeinen Themas existiert, was zugleich beweist, dass eine Gesamtanalyse der Verfahren in den 25 Mitgliedstaaten nach wie vor fehlt.
(5) Siehe informelles Justiz- und Innenministertreffen vom 20. bis 22. September 2006 in Tampere zum Thema „Verbesserung der Beschlussfassung im Bereich Justiz und Inneres“.
(6) „De Omzetting van Europese richtlijnen: Instrumenten, technieken en processen in zes lidstaten vergeleken“ (Die Umsetzung europäischer Richtlinien: eine vergleichende Studie zu Instrumenten, Techniken und Prozessen in sechs Mitgliedstaaten), Prof. Dr. B. Steunenberg und Prof. Dr. W. Voermans, Universität Leyden, Niederlande, 2006. Neben einer tief greifenden Analyse und Empfehlungen zur Lage in den Niederlanden behandelt diese vergleichende Studie Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und das Vereinigte Königreich.
(7) Siehe Steunenberg und Voermans, Leyden, 2006.
(8) Siehe die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2006.
(9) Bemerkenswert ist, dass in Dänemark die anfängliche Reaktion der Öffentlichkeit auf den Verfassungsvertrag eher positiv war, da in dem Vertrag demokratischere und transparentere Verfahren vorgesehen waren. Dagegen hat das Comité de dialogue, ein Diskussionsforum der Regierung und der Sozialpartner in Frankreich zu Europaangelegenheiten, keine praktische Bedeutung mehr.
(10) ABl. C 24 vom 31.1.2006. In dieser Stellungnahme argumentiert der EWSA, dass obwohl die Mitgliedstaaten „auch weiterhin nach ihrem Ermessen eigene Methoden und Verfahren zur Durchführung des EU-Rechts festlegen können“ sollten, der nächste Schritt „in der Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den einzelstaatlichen Behörden ... darin bestehen [sollte], die nationalen Verwaltungskapazitäten zur Anwendung und Durchsetzung der Politik zu stärken oder zu rationalisieren“ (siehe Ziffer 4.2.1 und 4.2.4). In Kapitel 4 werden diesbezüglich Vorschläge unterbreitet.
(11) Das 1992 eingerichtete „Netz für eine bessere Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts der Europäischen Union“ (IMPEL) ist ein informelles Netz europäischer Umweltinspektoren und Behörden, die sich mit der Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts befassen. Inzwischen sind 30 Länder beteiligt: alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die beiden Beitrittsländer Bulgarien und Rumänien, die EU-Kandidatenländer Kroatien und die Türkei sowie Norwegen und die Europäische Kommission.
ANHANG
zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Die folgende Textstelle der Fachgruppenstellungnahme wurden zugunsten von im Plenum angenommenen Änderungsanträgen abgelehnt, hatte jedoch mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigt:
1.1 |
Dem Ministerrat kommt im Beschlussfassungsprozess der EU eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Trotzdem ist das Problem der innerstaatlichen Koordinierung und Politikgestaltung auf Gemeinschaftsebene noch nie gründlich erörtert worden. Die Europäische Union ist ein einzigartiges Gebilde, was die Teilung der Hoheitsrechte angeht. Dies bedeutet, dass in zahlreichen Bereichen ein transparentes Regieren und Verwalten auf mehreren Ebenen erforderlich ist. Der EWSA ist der Auffassung, dass klar definierte und wirksame innerstaatliche Verfahrensweisen in Politik und Verwaltung der Mitgliedstaaten zusammen mit besserer Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ein integraler Bestandteil des verantwortungsvollen Regierens und Verwaltens in der EU sind. Durch sie kann zu größerer Transparenz und zur Klärung der Auswirkungen von Gemeinschaftsrecht und EU-Politiken auf die ganze Gesellschaft beigetragen werden. Die Analyse einzelstaatlicher Verfahrensweisen zeigt, dass zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bezüglich der politischen und administrativen Behandlung von EU-Angelegenheiten bestehen, und sollte daher eine Debatte über Regierungs- und Verwaltungsverfahren im Umgang mit EU-Recht anregen. Dabei kristallisieren sich möglicherweise hochinteressante und vorbildliche Verfahrensweisen heraus. Eine offene Debatte in ganz Europa über den besten Umgang mit europäischen Angelegenheiten auf einzelstaatlicher Ebene wird auch der Debatte über bessere Rechtsetzung sowie Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts dienen. Der Ausschuss spricht sich für eine ständige Beobachtung der Verfahrens- und Vorgehensweisen der nationalen Verwaltungen aus, ein öffentlich gefördertes virtuelles Kompetenzzentrum, in dem Politiker, nationale Beamte, die Kommission und Hochschulvertreter Daten zu einzelstaatlichen Verfahrensweisen sammeln könnten sowie der Meinungsaustausch gefördert und die Debatte in Gang gesetzt werden könnte. Die Bemerkungen und Standpunkte von Unternehmen, Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft sollten ebenfalls berücksichtigt werden. |
Für das Ändern dieses Absatzes stimmten: Ja-Stimmen: 74, Nein-Stimmen: 59, Stimmenthaltungen: 16.