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Document 52006AE0403

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Grünbuch über den Ausbau des europäischen Rahmens für Investmentfonds (KOM(2005) 314 endg.)

    ABl. C 110 vom 9.5.2006, p. 19–25 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    9.5.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 110/19


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch über den Ausbau des europäischen Rahmens für Investmentfonds“

    (KOM(2005) 314 endg.)

    (2006/C 110/04)

    Die Europäische Kommission beschloss am 12. Juli 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:„Grünbuch: Ausbau des europäischen Rahmens für Investmentfonds“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2006 an. Berichterstatter war Herr GRASSO.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 425. Plenartagung am 15. März 2006 mit 138 gegen 1 Stimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Vorbemerkungen

    1.1

    Auf dem Weg zur vollständigen Integration der europäischen Finanzmärkte liefert das Grünbuch der Kommission wertvolle strategische Hinweise. Wirtschaftsentwicklung und Wachstum der europäischen Länder sind bekanntlich eng mit der Entwicklung und Integration der Finanzmärkte verbunden, wobei diese Integration auch die Vollendung der dritten Phase der Union selbst darstellt.

    1.2

    Abgesehen von der wissenschaftlichen Debatte darüber, ob die Entwicklung des Finanzsystems der Wirtschaftsentwicklung vorausgeht oder folgt, sei hervorgehoben, dass sich im Rahmen des Dualismus zwischen Bankenorientierung und Finanzmarktorientierung, der das so genannte angelsächsische (und insbesondere US-amerikanische) Modell vom „europäischen Modell“ unterscheidet, die Rechtsvorschriften und Leitlinien der Union gegenwärtig offenbar in Richtung einer vollständigen Einbindung beider Ausrichtungen in unser Wirtschaftssystem weiterentwickeln.

    1.3

    In der Tat nehmen die Finanzmärkte und -institutionen in unserer Gesellschaft die wichtige Aufgabe wahr, Einheiten mit einer finanziellen Deckungslücke und Einheiten mit finanziellem Überschuss zusammenzubringen, wobei sie Spielregeln gehorchen, die auf Kriterien der effizienten Kapitalallokation und der Zweckmäßigkeit beruhen. Doch gilt es außerdem zu bedenken, dass ein reibungsloser Wettbewerb zwischen den Unternehmen auf dem Kapital- und Kreditmarkt noch vor dem Wettbewerb auf dem Warenmarkt stattfindet.

    2.   Der OGAW-Markt in der EU und die Notwendigkeit der Harmonisierung

    2.1

    Dreh- und Angelpunkt der europäischen Rechtsvorschriften für verwaltete Spareinlagen im Allgemeinen und OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) im Besonderen bildet eine Kernvorschrift, die Richtlinie 85/611/EWG, die in den letzten Jahren den Regelungsrahmen für die Entwicklung des Sektors vorgegeben hat. Obwohl der Abbau der rechtlichen Barrieren für die Niederlassung und grenzübergreifende Vermarktung der Produkte innerhalb der Union noch keineswegs vollendet ist, bewegt sich der OGAW-Markt in einem harmonisierten rechtlichen Bezugsrahmen.

    2.2

    Die Entwicklung des OGAW-Marktes scheint unaufhaltsam voranzuschreiten. Das verwaltete Nettovermögen ist in den letzten Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten gestiegen. Nach Angaben von European Fund and Asset Management Association, Investment Company Institute, and other Mutual Fund Association hatte der Markt bestehend aus den EU-15, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen, Norwegen und der Schweiz im Zeitraum 1996-2005 eine jährliche Wachstumsrate von insgesamt 14,5 % zu verzeichnen, wobei der verwaltete Netto-Vermögensbestand von etwa 1,450 Billionen EUR auf mehr als 4,900 Billionen EUR angestiegen ist.

    2.3

    Die Veröffentlichung (1) der jährlichen Entwicklung von Anzahl und Gesamtkapital der Fonds weltweit zeigt, dass dieser Bereich sowohl zahlenmäßig als auch in Bezug auf das verwaltete Vermögen gewachsen ist.

    2.4

    Nach Ansicht des EWSA ist es sehr wichtig, wenngleich schwierig, das Problem der Steuerharmonisierung zu lösen, um den Wachstumstrend bei den OGAW zu verstärken. Die Strategien zur Internationalisierung des Bereichs können sowohl durch Markteintritts- als auch durch Marktaustrittsschranken beeinflusst werden. Die Marktaustrittsschranken resultieren aus der Besteuerung gebietsfremder Zeichner nach den inländischen Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Fonds seinen Sitz hat; die Markteintrittsschranken resultieren aus den Rechtsvorschriften des Wohnsitzlandes des Zeichners.

    2.5

    Im europäischen Rahmen scheinen sich die steuerlichen Regelungen für die OGAW fast überall am Grundsatz der Neutralität der Fondsanlage gegenüber der Direktinvestition zu orientieren; in nahezu allen europäischen Ländern gibt es das Modell der formalen oder substantiellen steuerlichen Transparenz (no-veil) der Organismen, was die Besteuerung der Erträge direkt bei den Anlegern mit sich bringt. Das Modell der Transparenz ist auf die Anwendung des Grundsatzes der capital export neutrality (Kapitalexportneutralität) zugeschnitten und kommt, wenn keine Quellensteuer auf die durch den Fonds erzielten Finanzerträge erhoben wird, in der Besteuerung der Anleger nach dem Wohnsitzkriterium zum Ausdruck.

    3.   Bemerkungen zum Abschnitt „Allgemeine Bewertung“

    3.1

    In der europäischen Finanzindustrie sind die OGAW im Durchschnitt weniger als ein Drittel so groß wie ihre US-amerikanischen Konkurrenten; daraus ergeben sich wohl geringere Skalenerträge, was für die Anleger eine Minderung ihrer Nettorendite bedeutet.

    3.2

    Obwohl das vorrangige Ziel der EU-Rechtsetzung darin besteht, eine Regelung für das Produktfinanzwesen zu treffen, ist der EWSA der Auffassung, dass der effektive Nutzen für die Anleger von der Gesamtregulierung des Finanzsystems abhängt (und folglich von der Regelung für Waren und Dienstleistungen).

    3.3

    In dem Grünbuch wird darüber hinaus die Möglichkeit des erhöhten operativen Risikos als Folge der Auslagerung bestimmter Funktionen hervorgehoben, die auch zu Interessenkonflikten führen können: diese Sorge ist berechtigt und sollte entsprechende Rechtsetzungsmaßnahmen nach sich ziehen.

    3.4

    Wird ein Prozess in mehrere, verschiedenen Einrichtungen übertragene Teile zerlegt, liegt das Problem nicht so sehr in den technischen Aspekten, nach denen die Unterteilung erfolgt, als vielmehr in den ausgewogenen Bedingungen, unter denen sich der (neue) Markt, der die Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer regelt, entwickelt. Als Beispiel mag das Segment der Finanzanalyse dienen. Nach üblicher Praxis werden Finanzanalysen nicht gesondert gehandelt, sondern in andere, in der Regel operative Dienstleistungen eingebunden: so ist z.B. ein Wertpapiervermittler bestrebt, Analysen zu einzelnen Wertpapieren als Gegenleistung für geschäftliche Kontinuität zu vertreiben, basierend auf Provisionen in einer Höhe, die auch die Kosten für die Analyse umfasst.

    3.5

    Der Umlauf der Informationen (Analysen) erfolgt demzufolge nach Marktlogiken, wie sie für ein „öffentliches Gut“ typisch sind: der Informationsbedarf ist in einem bestimmten Umfang gegeben, und der Preis errechnet sich aus der Summe der Preise, die von den verschiedenen Käufern gezahlt werden; unter diesen Käufern gibt es jedoch nur wenige, die wirklich zahlen. Das bewirkt zumindest eine Schieflage: die Analysetätigkeit wird zu gering bezahlt, was einen Anreiz zur Entwicklung von Skalenerträgen bei der Analyseerstellung, verbunden mit einer unvermeidlichen Qualitätsminderung, schafft und zudem dazu anregt, Kostenvorteile zu nutzen, die auch aus Interessenkonflikten resultieren (siehe beispielsweise das Eingreifen der britischen Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen FSA in der Frage der „soft commission“ zwischen broker/dealer und Vermögensverwaltern). Nach Ansicht des EWSA sollten Regeln festgelegt werden, um möglichst zu verhindern, dass die Preisbildungsmechanismen in der Industrie der Vermittlung der dem Finanzkapital innewohnenden Risiken mit denen in der Industrie der Vermittlung/Umwandlung der Anlagerisiken verwechselt werden.

    4.   Beantwortung der Fragen

    4.1   Frage 1: Wird mit den nachstehend genannten Initiativen ausreichend Rechtssicherheit für die Umsetzung der Richtlinie geschaffen?

    A.

    Beseitigung der Unsicherheit betreffend die Anerkennung der Fonds während des Übergangs von OGAW I nach OGAW III;

    B.

    Vereinfachung des Anzeigeverfahrens für Fonds, die den „Europäischen Pass“ in Anspruch nehmen;

    C.

    Förderung der Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zur Verwendung von Derivaten und des vereinfachten Prospekts;

    D.

    Klärung der Definition der Vermögenswerte, die von einem OGAW erworben werden können.

    4.1.1

    Für die Beantwortung der Frage muss zwischen „Produktfinanzwesen“ und „Dienstleistungsfinanzwesen“ unterschieden werden. Ersteres hat die Bestimmung der Geschäftsinstrumente zum Ziel, die es ermöglichen, Finanzkapitalgeber und Finanzkapitalempfänger zusammenzubringen; das Ziel des Dienstleistungsfinanzwesens besteht hingegen darin, nach Instrumenten zu suchen, die sich besser an die Erfordernisse des Kapitalnehmers oder Kapitalgebers anpassen, und im Falle des Fehlens geeigneter Produkte aufzuzeigen, welche Merkmale sie vermissen lassen.

    4.1.2

    Durch die Umgestaltung der Finanzsysteme von „bankzentrierten“ zu „marktzentrierten“ Systemen ändert sich die Zweckbestimmung der Finanzvermittlung, die sich immer häufiger genötigt sieht, Risiken zu vermitteln anstelle des Finanzkapitals, dem diese innewohnen. Die Risikovermittlung lohnt sich, sofern der Vermittler imstande ist, die Risiken kostengünstiger zu managen als der Anleger. Demzufolge muss man sich fragen, ob ein auf die Risikominderung abzielendes Legislativsystem wirksamer ist als ein System, das auf die Gewährleistung eines angemessenen Effizienzniveaus des Risikovermittlungsprozesses ausgerichtet ist.

    4.1.3

    Es muss berücksichtigt werden, dass auch im Rahmen effizienter Finanzmärkte das auf einer Anlage lastende Gesamtrisiko theoretisch aufgeteilt werden müsste in ein „Pay-off-Risiko“ und ein „Informationsrisiko“. Ersteres misst die effektive Volatilität der Rendite einer Anlage. Letzteres hingegen bewertet die (im Wesentlichen auf den Informationsmangel der Wirtschaftsakteure zurückzuführende) Schwierigkeit, das Pay-off-Risiko richtig einzuschätzen. Es gilt, sich bewusst zu machen, dass sich die Prämie für das Risiko, das den Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte innewohnt, aus beiden Risikosachverhalten ergibt und dass die Verbindungen zwischen diesen Sachverhalten nicht durch eine bloße Additionalität gekennzeichnet sind, sondern durch unterschiedlich starke Wechselbeziehungen.

    4.1.4

    Demzufolge kann der EWSA die Frage bejahen, allerdings mit der Einschränkung, dass dies für den Bereich des „Produktfinanzwesens“ gilt. Was das „Dienstleistungsfinanzwesen“ anbelangt, so sollte eine größere Freiheit bei den Anlagedienstleistungen eingeführt werden, indem beispielsweise die gegenwärtigen Beschränkungen bei der Werbung für Finanzprodukte, die den Grundsatz der so genannten Herkunftslandkontrolle nicht vollständig übernehmen, aufgehoben werden.

    4.1.5

    Das Anliegen, das dieser Verfahrensweise zugrunde liegt, ist klar: es soll die Vorschriftenumgehung durch solche Wirtschaftssubjekte verhindern, die bestrebt sind, ein Netz zur Verkaufsförderung aufzubauen, indem sie günstigere Regelungen von EU-Ländern auszunutzen. Doch diese Logik leidet nach Ansicht des EWSA an einem anfänglichen Denkfehler: wenn die Umgehung möglich ist, bedeutet dies, dass die Regelungen nicht wirklich angeglichen wurden.

    4.1.6

    Deshalb empfiehlt der EWSA, den „freien Verkehr“ der Tätigkeiten des Dienstleistungsfinanzwesens zu fördern, um somit mehr Einheitlichkeit bei der einzelstaatlichen Umsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich Anlagen und Wertpapiere (einschließlich der OGAW III) zu erzielen.

    4.2   Frage 2: Bestehen weitere Bedenken hinsichtlich der alltäglichen Umsetzung der Richtlinie in die Praxis, die vorrangig behandelt werden sollten?

    4.2.1

    Die Angleichung der Rechtsvorschriften muss durch Maßnahmen zur Koordinierung der einschlägigen Steuerregelungen flankiert werden. Bis zum heutigen Tage bestehen auf dem europäischen Markt wie auf allen anderen Finanzplätzen unterschiedliche nationale Systeme nebeneinander, zu denen bei bestimmten Profilen noch Regeln hinzukommen, die sich aus bilateralen Vereinbarungen zur Verhinderung von Doppelbesteuerungen ergeben.

    4.2.2

    Das Geflecht unterschiedlicher Steuervorschriften führt zu Wettbewerbsverzerrungen, Doppelbesteuerungen und Möglichkeiten für Arbitragegeschäfte, zu Steuerumgehung und Steuerhinterziehung. Deshalb müssen die einzelstaatlichen Vorschriften mit der zunehmenden Internationalisierung des Marktes in diesem Sinne effizienter werden.

    4.2.3

    Für die Nationalstaaten ist die Steuer-Variable ein hervorragendes protektionistisches Fördermittel. Die unterschiedlichen steuerlichen Auslegungen, die für die aus anderen EU-Ländern kommenden OGAW-Instrumente vorgenommen werden können, gestatten die Anwendung weniger günstiger Steuerregelungen, wodurch faktisch eine Art Markteintrittsschranke errichtet wird. Der Ausschuss ist sich darüber im Klaren, dass die Steuerharmonisierung nicht als ein Ziel betrachtet werden kann, das kurzfristig leicht zu erreichen ist, auch weil Maßnahmen in diesem Bereich nur einstimmig beschlossen werden dürfen. Gleichwohl wird empfohlen, die Festlegung einer gemeinschaftlichen Steuerregelung für Investmentprodukte auf der Ebene der Besteuerung und der Abschöpfung in Erwägung zu ziehen.

    4.3   Frage 3: Würde ein wirksamer „Europäischer Pass“ für Verwaltungsgesellschaften zu weiteren bedeutenden wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber den bisherigen Delegationsvereinbarungen führen? Geben Sie bitte Ihre Datenquellen und das wahrscheinliche Ausmaß des erwarteten Nutzens an.

    4.3.1

    Der Pass und der „vereinfachte Prospekt“ erscheinen als zweckmäßige Maßnahmen, um die Probleme im Zusammenhang mit der Marktfragmentierung und die Hindernisse für eine reibungslose Kapitalmobilität und Vollendung der Märkte zu überwinden, und außerdem als geeignet, ausreichende Rechtssicherheit herzustellen; desgleichen hält es der EWSA für unerlässlich, den Weg weiter zu verfolgen, der darauf hinausläuft, dass die Unsicherheiten in Bezug auf die Anerkennung der während des Übergangs von OGAW I nach OGAW III aufgelegten Fonds beseitigt werden.

    4.4   Frage 4: Würde eine Aufteilung der aufsichtlichen Zuständigkeit für die Verwaltungsgesellschaft und den Fonds zwischen zwei Mitgliedstaaten zu zusätzlichen operationellen Risiken oder aufsichtlichen Bedenken führen? Bitte beschreiben Sie die Ursachen des Problems und Mittel und Wege für eine wirksame Eindämmung dieser Risiken.

    4.4.1

    Der EWSA ist sich bewusst, dass innerhalb der EU zwei Finanzsysteme koexistieren — das englische und das kontinentale -, die auf absehbare Zeit kaum angeglichen werden können. Gleichwohl wünscht der EWSA auch in diesem Fall, dass die neuen Vorschriften die Anwendung einer einzigen Regulierungsquelle vorsehen, um den Angleichungsprozess zu erleichtern, denn die Einführung gesetzlicher Schranken gegen die wahllose Inanspruchnahme der Einrichtungen des einen oder des anderen Regulierungssystems würde lediglich der Verstetigung der gegenwärtigen Unausgewogenheit dienen.

    4.4.2

    Der EWSA ist überzeugt, dass die Aufteilung der aufsichtlichen Zuständigkeit für die Verwaltungsgesellschaft und den Fonds zwischen zwei Mitgliedstaaten zu zusätzlichen aufsichtsrechtlichen Schwierigkeiten und somit operativen Risiken führt, was die Effizienz ihrer Tätigkeit zu beeinträchtigen droht. Der Ausschuss hält es daher für zweckmäßig, die Verantwortung gegenüber dem Anleger beim Fonds seines Herkunftslandes zu belassen, und zwar auch dann, wenn die Verwaltungsgesellschaft eine ausländische Gesellschaft ist.

    4.5   Frage 5: Sollte eine größere Transparenz, Vergleichbarkeit und Beachtung der Anlegerbedürfnisse beim Fondsvertrieb die Funktionsweise der europäischen Investmentfondsmärkte und das Niveau des Anlegerschutzes wesentlich verbessern? Sollte dies eine Priorität sein?

    4.5.1

    Die bloße Regulierung der produktiven Phase der Finanzinstrumente reicht nicht aus, um die Funktionsweise der Investmentfondsmärkte und den Anlegerschutz zu verbessern. Der Ausschuss empfiehlt eine angemessene Beachtung der Vertriebsphase und eine bessere Transparenz, um den Anlegern das Treffen bewusster Entscheidungen zu ermöglichen.

    4.5.2

    Bei der Information der Anleger kann das gesellschaftliche und kulturelle Umfeld, in dem die Anleger selbst aufgewachsen sind und gelebt haben, nicht völlig außer Acht gelassen werden. Die Erweiterung der Europäischen Union um Länder, die bis vor 15 Jahren nicht an der Marktwirtschaft teilhatten, wirft die Frage auf, ob es angebracht ist, an einem einheitlichen Informationsstandard festzuhalten. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass diesbezüglich Überlegungen eingeleitet werden sollten, wobei zum einen die Notwendigkeit des Aufbaus eines möglichst einfachen und einheitlichen Rechtsrahmens und zum anderen die unterschiedliche Wirtschafts- und Finanzkultur, die noch zwischen einigen Mitgliedstaaten besteht, berücksichtigt werden müssen.

    4.6   Frage 6: Würde eine Klärung der Wohlverhaltensregeln für Wertpapierfirmen, die die Fondsanteile bei den Anlegern vertreiben, deutlich zur Erreichung dieses Ziels beitragen? Sollen weitere Schritte (verstärkte Offenlegung) ins Auge gefasst werden?

    4.6.1

    Eine Klärung der Wohlverhaltensregeln für Wertpapierfirmen, die die Fondsanteile vertreiben, kann vom EWSA nur begrüßt werden. Gleichwohl darf nicht unterschätzt werden, dass die tagtägliche Umsetzung der Richtlinie in Bezug auf das Risikomanagement und die Offenlegung von Provisionen mit objektiven Schwierigkeiten verbunden ist, die nicht immer leicht zu überwinden sind.

    4.6.2

    Man schaue sich nur die technische Problematik der Rechnungslegung im Vergleich zu den Benchmarks an. Sie erlangt eine völlig andere Bedeutung, wenn der Auftrag der Vermögensverwaltung auf die Überbietung der Benchmark ausgerichtet ist, als wenn die „Benchmark erneut erreicht werden“ soll; das unterschiedliche Delegationsverfahren — bei gleichen technischen Instrumenten — verlangt die Übernahme verschiedenartiger Risiken, denn um „die Benchmark zu überbieten“, müssen dem Vermögensverwalter Abweichungen in den Allokationen und somit die Übernahme zusätzlicher Risiken erlaubt werden.

    4.6.3

    Vor diesem Hintergrund wird die Einführung von Regelungen empfohlen, die darauf abzielen, auch die Modalitäten (nicht den Umfang) des Umschlags der in die Portefeuilles aufgenommenen Anlagen transparenter zu gestalten: Bei gleicher Brutto-Performance führen nämlich stärkere Portfolioumschläge dazu, dass höhere Transaktionskosten in Rechnung gestellt werden, wodurch sich die Netto-Performance für den Kunden verringert. Dabei handelt es sich um ein besonders heikles Thema, wenn später ein Teil der Transaktionskosten dem Fondsmanager selbst auferlegt/rückübertragen werden sollte.

    4.7   Frage 7: Gibt es fondsspezifische Themen, die von den laufenden Arbeiten auf dem Gebiet der detaillierten Umsetzung der MiFID-Wohlverhaltensregeln nicht abgedeckt sind?

    4.7.1

    Die MiFID-Richtlinie kann vor allem im Hinblick auf die Erreichung hoher Transparenzstandards in der Vertriebsphase der OGAW eine wichtige Rechtsgrundlage sein.

    4.7.2

    Die MiFID-Richtlinie enthält jedoch keine Transparenzregeln für den Handel mit Schuldverschreibungen, der mitunter einen erheblichen Mangel an Transparenz aufweisen kann. Demzufolge kann diese Richtlinie nach Auffassung des EWSA nicht als Instrument zur Vervollständigung des OGAW-Rechtsrahmens und Schließung seiner etwaigen Lücken betrachtet werden.

    4.8   Frage 8: Gibt es eine kommerzielle oder wirtschaftliche Logik (Netto-Vorteile) für grenzüberschreitende Fonds-Fusionen? Könnten diese Vorteile weitgehend durch eine Rationalisierung innerhalb der nationalen Grenzen erzielt werden?

    4.8.1

    Europäische Fonds weisen immer noch eine relativ geringe Durchschnittsgröße auf: 2004 lag sie bei 195 Mio. Dollar, gegenüber dem USA-Durchschnitt von 628 Mio. Dollar im selben Jahr. Dieser Aspekt wirkt sich auf die Möglichkeit der Erzielung von Skalenerträgen aus, somit auf die Renditen und nicht zuletzt auf die Rentabilität der Fondsverwaltungsgesellschaft.

    4.8.2

    Bekanntlich besteht einer der finanziellen Effekte des wirtschaftlichen Globalisierungsprozesses in der Minderung des absoluten Risikoniveaus, was mit einer Neuordnung zwischen (steigenden) systematischen Risiken und (sinkenden) spezifischen Risiken einhergeht. Auch wenn grenzüberschreitende Fonds-Fusionen zugegebenermaßen die Skalenerträge steigern können, muss ihre Anwendung auf jene Produkte beschränkt bleiben, für die sie ein effektiver Erfolgsmotor sind, d.h. auf alle Bereiche des verwalteten Sparens, in denen die Effizienz erheblicher ist als die Wirksamkeit. In den Segmenten hingegen, in denen die Wirksamkeit zu wünschen übrig lässt, könnten Zusammenballungen Auswirkungen haben, die alles andere als vorteilhaft wären.

    4.9   Frage 9: Könnten die gewünschten Vorteile durch „Pooling“ (gemeinsame Fondsverwaltung) erzielt werden?

    4.9.1

    Das Pooling der Verwaltung von Vermögenswerten aus unterschiedlichen Fonds mit im Wesentlichen ähnlichen Merkmalen ermöglicht offenkundige Skalenerträge und ist ein Instrument, das bereits von Fondsverwaltungsgesellschaften genutzt wird, um die Effizienz der Anlageverwaltung zu verbessern. Das grenzüberschreitende Pooling stößt jedoch auf die bereits ausführlich erörterten steuerrechtlichen und normativen Probleme bezüglich der Investmentfonds. Deshalb kann es nach Ansicht des EWSA keine Alternative sein, um die Probleme und die normativen und institutionellen Schwierigkeiten zu umgehen, die sich bei der Konsolidierung der Investmentfondsindustrie stellen.

    4.10   Frage 10: Ist der Wettbewerb auf Ebene der Fondsverwaltung und/oder des Fondsvertriebs ausreichend, um sicherzustellen, dass alle Anleger von einer höheren Effizienz profitieren?

    4.10.1

    Die Antwort auf diese Frage lautet „Nein“, was sich auch bei den Erfahrungen der USA zeigt. Auf dem US-amerikanischen Markt existieren die Investmentfonds seit 60 Jahren: trotz des spektakulären Wachstums der Anzahl der angebotenen Fonds und ihrer Größe haben sich die Kosten zu Lasten der Fonds und der Anleger insgesamt etwa verdoppelt (2). Das kam in einer weniger zufriedenstellenden Netto-Performance im Vergleich zu den Benchmarks zum Ausdruck: während nämlich im Zeitraum 1945-1965 die Performance der Benchmarks im Durchschnitt um jährlich 1,7 % über der Performance der Fonds lag, hat sich dieser Abstand im Zeitraum 1983-2003 vergrößert und wird mit 2,7 % jährlich ausgewiesen.

    4.11   Frage 11: Welches sind die Vor- und Nachteile (aufsichtliche oder kommerzielle Risiken), die sich aus der Möglichkeit der Wahl einer Verwahrstelle in einem anderen Mitgliedstaat ergeben? Inwiefern machen Delegations- oder andere Vereinbarungen legislative Maßnahmen auf diesem Gebiet überflüssig?

    4.11.1

    Die Möglichkeit der Wahl einer Verwahrstelle in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Fondsverwaltungsgesellschaft könnte den Wettbewerb zwischen Verwahrstellen steigern und die Fondskosten senken.

    4.11.2

    Gleichzeitig könnte dies größere aufsichtliche Risiken für den Fall mit sich bringen, dass die Zusammenarbeit und die Harmonisierung zwischen den einschlägigen Regulierungsbehörden nicht ausreichend gediehen ist.

    4.11.3

    Obgleich sie nicht unerheblich sind, liegen die der Verwahrstelle gezahlten Provisionen doch niedriger als andere Kosten, wie z.B. die für die Vertriebsstruktur. Deshalb regt der EWSA an, die Vor- und Nachteile einer solchen Rechtsetzungsmaßnahme gegeneinander abzuwägen.

    4.12   Frage 12: Sind Sie der Meinung, dass ein von der Branche betriebener andauernder Standardisierungsprozess innerhalb einer vernünftigen Frist zu Ergebnissen führen würde? Bedarf es einer Intervention von öffentlicher Seite?

    4.12.1

    Die Standardisierung, Automatisierung und Computerisierung der Orderplatzierung und Fondsabwicklung sind eine Grundbedingung, um die Fondsvertreiber in die Lage zu versetzen, ihr Produktangebot zu erweitern und den Wettbewerb zu steigern.

    4.12.2

    Das würde jedoch tiefe Eingriffe in die Protokolle und Standards der operativen und Informatikverfahren erforderlich machen, was sich in erheblichen Kosten für die Marktteilnehmer niederschlagen würde. Es muss berücksichtigt werden, dass in Kontinentaleuropa die Fondsverwaltungsgesellschaften und die Fondsvertreiber oft demselben Konzern angehören. In einem solchen Kontext sind die Marktteilnehmer wahrscheinlich weniger motiviert, die nötigen Kosten für eine Erhöhung des Wettbewerbs auf der Vertriebsebene zu tragen. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass eine Intervention von öffentlicher Seite diesen Prozess vorantreiben und beschleunigen kann.

    4.13   Frage 13: Stellt ein massiver Einsatz von formellen Anlagebeschränkungen einen guten Ansatz für die Gewährleistung eines hohen Anlegerschutzniveaus dar?

    4.13.1

    Die Wirksamkeit rigider Verhaltensmuster hinsichtlich des Risikos ist seit jeher Gegenstand einer umfassenden Debatte in der Wirtschaft, speziell im Lichte der wechselnden Vorteile, die sich aus den nach den Wechselkursabkommen von Bretton-Woods gesammelten Erfahrungen ergaben. Das resultiert aus dem unterschiedlichen Charakter, den das Risiko im Verhältnis zur Zeit aufweist: kurzfristig ist nämlich riskant, was im Verhältnis zu einer Beschränkung fluktuiert, während langfristig risikoreich ist, was im Vergleich zu den Entwicklungen des Systems starr ist. Demzufolge würde die Einführung starrer Regeln, die durch formelle Anlagebeschränkungen auferlegt würden, auf kurze Sicht vorteilhafte Effekte, auf lange Sicht jedoch wesentliche Risiken hervorbringen.

    4.13.2

    Dem ist ein Aspekt hinzuzufügen, der sich aus den jüngsten Studien der Strömung der so genannten „behavioural finance“ ergibt: Verhalten und Entscheidungen der einzelnen Vermittler werden der Tendenz nach wesentlich vom Grad des Risikos beeinflusst, mit dem sie verbunden sind. Mit zunehmendem Risikograd sind stärkere Reaktionen zu beobachten und umgekehrt; daher lehnt der EWSA eine Regelung ab, die übermäßig starre Vorschriften einführt und langfristig einen doppelten Effekt hätte: die operative Trägheit der Instrumente und eine verminderte Reaktionsfähigkeit der Wirtschaftssubjekte, deren Auswirkungen alle noch zu ermitteln wären, die aber gewiss negativ sind. Andererseits könnte das Bewusstsein, „wirklich“ sein Kapital „zu verlieren“, der wirksamste Anreiz sein, es zu schützen.

    4.13.3

    Dieses Phänomen bringt eine weitere Verzerrung auf den Märkten mit sich: die Erwartungshaltung, wonach der etwaige Erfolg, den das Risiko zeitigt, vom Anleger geerntet wird, während eventuelle Misserfolge an den Markt weitergegeben werden.

    4.14   Frage 14: Meinen Sie, dass die Schutzmaßnahmen auf Ebene der Verwaltungsgesellschaft und der Verwahrstelle solide genug sind, um neuen Risiken bei der Verwaltung und administrativen Handhabung der OGAW entgegenzuwirken? Welche anderen Maßnahmen zur Beibehaltung eines hohen Anlegerschutzniveaus wären Ihrer Meinung nach zweckmäßig?

    4.14.1

    Der Ausschuss regt an, einzugreifen, eventuell mit formalen und starren Regelungen, die jedoch nur darauf gerichtet sein sollten, Vereinbarungen über abgestimmte Verhaltensweisen aufzubrechen; wenn das geschähe, dürfte der Markt reifer sein und somit keine strengen Auflagen mehr erfordern. Ein Bereich von besonderem Interesse ist die Rechnungslegung: zu häufig sind die Rechnungslegungspflichten nach Zeiträumen angelegt, die überhaupt nicht (weil sie zu kurz sind) mit denen der Finanzprodukte übereinstimmen, sodass in den Berichten der Nutzen einer zeitlichen Diversifizierung, den manche Anlagen mit sich bringen, kaum erkennbar wird.

    4.14.2

    Zur Stärkung des Anlegerschutzniveaus regt der EWSA an, die Schaffung eines Sondergarantiefonds zu erwägen, dem auch die Einnahmen aus Sanktionen der Aufsichtsbehörden zufließen würden. Dieser Fonds sollte natürlich nicht die Marktrisiken abdecken, die mit Investitionen in OGAW einhergehen; vielmehr sollte er zur Erstattung von Verlusten der Anleger durch nicht ordnungsgemäße Verhaltensweisen der Vermittler beitragen.

    4.15   Frage 15: Gibt es Beispiele für Verzerrungen der Wahl der Anleger, die von den europäischen und/oder nationalen politischen Entscheidungsträgern besonders beachtet werden sollten?

    4.15.1

    Investmentfonds konkurrieren mit Finanzprodukten wie den anteilsgebundenen Lebensversicherungen, die von den Anlegern ähnlich wahrgenommen werden, obwohl sie auf recht unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen beruhen.

    4.15.2

    Das kann Verzerrungen in den Entscheidungen der Anleger bewirken, verbunden mit negativen Folgen auf der Kostenebene und hinsichtlich der Risiken der getätigten Anlagen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass das Problem nicht mit einem Rabatt-Wettbewerb durch Lockerung der Auflagen und der bei Fondsanlagen geforderten Garantien gelöst werden kann. Vielmehr wäre es wünschenswert, eine Anhebung der Regulierungsstandards anzustreben, durch die Finanzprodukte, bei denen sich wirklich zeigt, dass sie als eine direkte Alternative zu Investmentfonds aufgefasst werden, vergleichbaren regulatorischen Anforderungen unterworfen werden wie Investmentfonds.

    4.16   Frage 16: Inwiefern verursachen Probleme der regulatorischen Fragmentierung Marktzugangsprobleme, die einen gemeinsamen EU-Ansatz für a) „Private Equity“-Fonds, b) „Hedge-Fonds“ und „Dach-Hedge-Fonds“ erforderlich machen?

    4.16.1

    Die Beantwortung dieser Frage bedarf einer Vorbemerkung, die auch mehr Klarheit in das in der vorhergehenden Frage aufgeworfene Problem bringt. Es ist erforderlich, dass der Gesetzgeber den Begriff Wertpapier eindeutig definiert. Es muss zweifelsfrei geklärt werden, ob dieser Begriff dem Begriff der Liquidität des Instruments übergeordnet ist oder nicht. Gegenwärtig werden die beiden Begriffe nämlich faktisch als Ersatzbegriffe verwendet, wobei versucht wird, sowohl die alternativen Anlageformen als auch die OGAW aus dem Wertpapierbegriff „herauszudrängen“. Nach Ansicht des Ausschusses handelt es sich um ein Missverständnis, das unter Umständen schwerwiegend sein kann, weil es zur Verwechselung von zwei völlig verschiedenen Grundsätzen der Finanzmarktheorie führen könnte: dem der Effizienz und dem der Vollständigkeit.

    4.16.2

    Ein Finanzmarkt ist effizient, wenn die Transaktionskosten für die in ihn erfolgten Investitionen vertretbar sind; ein Finanzmarkt ist vollständig, wenn er alle möglichen Investitionen in ihn umfasst.

    4.16.3

    „Private Equity“-Fonds und Hedge-Fonds müssen eher nach der Wirksamkeit (Fähigkeit, die besten Anlagen auszuwählen) als nach der Effizienz (Fähigkeit, Skalenerträge bei den Kosten zu erzielen) beurteilt werden. Aus diesem Grund ist die Frage der Fondsgröße weniger relevant: vielmehr legen die Probleme im Zusammenhang mit der Wirksamkeit (Fähigkeit, sich schnell auf dem Markt zu bewegen, ohne seine Entwicklung zu beeinflussen) und der Eindämmung des Systemrisikos (siehe Rettung des LTCM-Fonds 1998) nahe, vorzugsweise keine Ziele eines übermäßigen Größenwachstums anzustreben.

    4.17   Frage 17: Gibt es spezifische Risiken (aus Sicht des Anlegerschutzes oder der Marktstabilität), die sich aus den Tätigkeiten der „Private Equity“-Fonds oder der „Hedge-Fonds“ ergeben, und die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen?

    4.17.1

    Diese Anlagen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie neben dem Pay-off-Risiko ein massives Informationsrisiko aufweisen. Es ist richtig, Regeln für dieses Risiko aufzustellen, vor allem, um die Gefahr von Betrügereien zu begrenzen, doch wäre es falsch, seine übertriebene Reduzierung anzustreben. Eine vollständige Entwicklung der Transparenz dieser Fonds würde nämlich die Gefahr entstehen lassen, dass die Kompetenz des Fondsmanagers, die doch die Grundlage für die Erzielung von schwach an den Markt gebundenen Renditen bildet, überflüssig würde.

    4.17.2

    Die Maßnahme, die ergriffen werden müsste, sollte nach Ansicht des Ausschusses nicht darin bestehen, den aussichtslosen Versuch zu unternehmen, einen komplexen Prozess transparent zu gestalten, sondern dem „Durchschnittsanleger“ bewusst zu machen, dass alternative Anlageformen eine höhere Sachkenntnis oder, falls diese nicht vorhanden ist, die Hinzuziehung eines Experten erfordern.

    4.18   Frage 18: Inwiefern könnte eine gemeinsame Regelung für „Private Placement“ dazu beitragen, die Hindernisse für das grenzübergreifende Angebot alternativer Anlagen an qualifizierte Anleger zu überwinden? Kann diese Klärung der Marketing- und Vertriebsprozesse unabhängig von flankierenden Maßnahmen auf Ebene der Fondsverwaltung usw. umgesetzt werden?

    4.18.1

    Die Festlegung einer gemeinsamen Regelung für das „Private Placement“ qualifizierter Anleger könnte der Entwicklung von „Private Equity“-Fonds in der Europäischen Union erheblichen Auftrieb verleihen.

    4.18.2

    Qualifizierte Anleger müssen per definitionem über Sachverständnis und Eigenkapital verfügen, die für risikoreiche Anlagen wie „Private Equity“-Fonds erforderlich sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie die Fähigkeit und Glaubwürdigkeit der Fondsmanager beurteilen können. Wird außerdem berücksichtigt, dass „Private Equity“-Fonds an sich eine gewisse Risikostreuung gewährleisten, dürften keine weiteren Flankierungsmaßnahmen zur strengen Regulierung der Tätigkeit der Verwaltungsgesellschaften nötig sein.

    4.19   Frage 19: Stellen die derzeitigen produktbasierten und Details vorschreibenden OGAW-Rechtsvorschriften langfristig eine gute Basis für einen gut beaufsichtigten und integrierten europäischen Investmentfondsmarkt dar? Unter welchen Bedingungen bzw. zu welchem Zeitpunkt sollte eine Entwicklung hin zu einer mehr auf Prinzipien beruhenden, risikobasierten Regelung überlegt werden?

    4.19.1

    Es gibt verschiedene Beispiele, die auf die Mängel des derzeitigen Ansatzes hinweisen: man denke nur an den Fall der ETF (Exchange Traded Funds), die die positiven Aspekte eines Fonds (v.a. Diversifizierung) mit jenen einer Aktie (ständige Möglichkeit des Kaufs und Verkaufs auf dem Markt) miteinander kombinieren. Die Richtlinie erleichtert die Verbreitung dieses Instruments, indem es als OGAW den „Pass“ nutzen kann, andererseits beschränkt sie den Besitz desselben durch einen anderen OGAW, weil sie es in dieser Hinsicht wie eine Aktie betrachtet.

    4.19.2

    Auch im Lichte der zu den alternativen Anlageformen angestellten Erwägungen und der Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit nicht auf das Produktfinanzwesen zu beschränken, sondern auch auf das Dienstleistungsfinanzwesen auszudehnen, vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass eine Entwicklung in Richtung einer auf Prinzipien basierenden Regelung wünschenswert ist. Gleichzeitig ist er der Auffassung, dass die Aktualisierung des normativen Rahmens schrittweise erfolgen sollte, um ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen Konsultationsfristen und Geschwindigkeit des Revisionsverfahrens zu erreichen.

    5.   Künftige Herausforderungen

    5.1

    Wie aufgezeigt wurde, erweckt das europäische OGAW-System immer noch den Eindruck eines zersplitterten Marktes, der aus relativ kleinen Unternehmen (im Verhältnis zu den amerikanischen) besteht und auf dem die Zusammenarbeit und die grenzüberschreitenden Ströme immer noch sehr zähflüssig erscheinen — Faktoren, welche das Erzielen hoher Skalenerträge und somit die Senkung der Kosten behindern.

    5.2

    Andererseits würde die auch in dem Grünbuch (3) zum Ausdruck gebrachte übertriebene Sorge um die Definition der Vermögenswerte, die von den OGAW erworben werden können, wonach die Fonds verpflichtet werden sollen, in erster Linie in liquide Finanzinstrumente zu investieren, die Intervention auf nicht reglementierten Märkten verhindern.

    5.3

    Deshalb wäre es wünschenswert, die Möglichkeit des Eintritts in „Private Equity“- Geschäfte in Erwägung zu ziehen. Das würde mit dem Ziel im Einklang stehen, das Kapital der KMU für die Beteiligung von Risikokapital und somit von „Private Equity“ zu öffnen.

    5.4

    Das europäische Wirtschaftssystem ist stark durch das Vorhandensein kleiner und mittlerer Unternehmen geprägt, die oftmals aufgrund ihrer Besonderheit, vorwiegend auf Banken zurückzugreifen, eine unzureichende Kapitalausstattung besitzen.

    5.5

    Diese unzureichende Kapitaldecke geht oft mit einer Überschuldung, vor allem in Form kurzfristiger Verbindlichkeiten, einher sowie mit einem hohen Bestand an kommerziellen Verbindlichkeiten und Forderungen, die mit der extremen gegenseitigen Abhängigkeit der Unternehmen ein und desselben Produktionszweigs zusammenhängen. Diese Merkmale sind auch die Folge eines Eigentumssystems, das typisch für den Familienkapitalismus ist, bei dem das Vermögen des Unternehmers und das Firmenkapital häufig vermischt sind.

    5.6

    Diese Problematiken auf Unternehmensebene und die Notwendigkeit, allgemeinere Ziele eines Produktions-„Systems“ auf europäischer Ebene zu erreichen, verleihen den Lösungen für die finanziellen Probleme der KMU strategische Bedeutung. Diese Ziele gliedern sich in drei Richtlinien, die folgendermaßen zusammengefasst werden können:

    Förderung einer Unternehmenskultur, die darauf abzielt, das Kapital der KMU für die Zuführung von Risikokapital durch Dritte und durch Finanzorganismen zu öffnen,

    Förderung der Innovation als Instrument der Wettbewerbsfähigkeit auf globalisierten Märkten,

    Flankierung der Unternehmenskontinuität (und -nachfolge), verstanden als ein Prozess, der keine die Unternehmensexistenz beeinträchtigende „Diskontinuität“ hervorrufen darf.

    5.7

    Ausgehend von diesen Prämissen hofft der Ausschuss, dass die EU-Rechtsetzung ihre Aufmerksamkeit auf den wichtigen „Private Equity“-Sektor ausdehnt, wogegen der Bereich des Risikokapitals ein Sektor ist, der in Europa noch zu schwach entwickelt ist.

    5.8

    Der Ausschuss ist außerdem der Meinung, dass der derzeitige Überlegungsprozess zum Rechtsrahmen der Investmentfonds als Gelegenheit wahrgenommen werden sollte, sich auch der Entwicklung des sozialverantwortlichen Investierens zuzuwenden, ohne die Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung und des Umweltschutzes dem Profit zu opfern. 2003 entfielen zirka 0,37 % des von den europäischen OGAW verwalteten Gesamtvermögens auf „ethische Fonds“  (4). Der Vergleich mit dem US-amerikanischen Markt, wo im selben Jahr 11,3 % des insgesamt von den OGAW verwalteten Vermögens auf ethische Fonds entfielen, lässt erkennen, dass es in Europa noch sehr hohe Wachstumsmargen für das sozialverantwortliche Finanzwesen gibt.

    5.9

    Um eine raschere Entwicklung des sozialverantwortlichen Finanzwesens zu fördern, könnten die Mitgliedstaaten Steueranreize vorsehen, v.a. eine Steuersenkung für Gewinne aus diesen Investitionen; damit würden sie dem in einigen Mitgliedstaaten schon vorgesehenen Ansatz folgen, freiwillige Beiträge an gemeinnützige Organisationen vom Gewinn abzuziehen. Darüber hinaus sollten auch Gewinne aus Fonds, die ggf. in gemeinnützige Organisationen reinvestiert werden, steuerbegünstigt werden.

    5.10

    Da dieser Vorschlag so innovativ ist, wünscht der Ausschuss eine eingehendere Untersuchung des Themas und eine Durchführbarkeitsstudie, wobei auch die Analyse der vorhandenen bewährten Praktiken genutzt werden sollte.

    5.11

    Mittel- und langfristig stehen demnach im Wesentlichen die folgenden Herausforderungen an:

    Befassung mit den neuen Produkten, die durch die Innovation im Finanzwesen zwangsläufig „geschaffen“ werden — insbesondere mit den alternativen Anlageformen -, die für die Innovations-„Finanzierung“ der KMU zunehmend unentbehrlicher sind;

    Überwindung, auch durch Fusionen, der zu kleinen Fondsgrößen in Europa, die nicht wettbewerbsfähige Verwaltungskosten verursachen, und gleichzeitig Schaffung eines Informations- und Analysemarktes;

    Verwirklichung eines „vollständigen“ Marktes, auf dem das „Produktfinanzwesen“ und das „Dienstleistungsfinanzwesen“ geregelt sind.

    5.12

    Korrekte Informationen über die Risiken und die ihnen unterliegenden Produkte sowie die Glaubwürdigkeit der Fondsmanager hinsichtlich Menge und Modalitäten der Transaktionen sind Faktoren, die, ungeachtet der gleichwohl erforderlichen Regeln, dem Markt zu Vertrauen, Zuverlässigkeit und Wohlverhaltensregeln verhelfen können — Faktoren, die von grundlegender Bedeutung für seine Effizienz und für die Wirksamkeit der Ressourcenallokation sind.

    5.13

    Die Harmonisierung der steuerlichen Regelungen, die Förderung von Fusionen, die Ermöglichung des gemeinsamen Fondsmanagements („Pooling“), die Förderung des Wettbewerbs in Management und Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen, die Abschaffung der Vorschrift, wonach Verwaltungsgesellschaft und Verwahrstelle ein und demselben Mitgliedstaat angehören müssen, und die Vermeidung hoher „Transaktionskosten“ als Folge unterschiedlicher Zeichnungs- und Rückzahlungsverfahren werden dem Markt zu mehr Effizienz und Wirksamkeit verhelfen.

    Brüssel, den 15. März 2006

    Die Präsidentin

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Anne-Marie SIGMUND


    (1)  Quelle: European Fund ans Asset Management Association, Investment Company Institute, and other Mutual Fund Association.

    (2)  Bogle J.C. (2005), „The Mutual Fund Industry 60 Years Later: For Better or Worse?“, Financial Analysts Journal, Januar/Februar.

    (3)  KOM(2005) 314 endg., S. 5, Ziffer 4.

    (4)  Sustainable Investment Research International (SiRi) Group.


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