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Document 52002AE0863

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Anwendung der Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf Selbständige" (KOM(2002) 166 endg. — 2002/0079 (CNS))

ABl. C 241 vom 7.10.2002, p. 139–142 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002AE0863

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Anwendung der Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf Selbständige" (KOM(2002) 166 endg. — 2002/0079 (CNS))

Amtsblatt Nr. C 241 vom 07/10/2002 S. 0139 - 0142


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Anwendung der Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf Selbständige"

(KOM(2002) 166 endg. - 2002/0079 (CNS))

(2002/C 241/26)

Der Rat beschloss am 28. Mai 2002, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 20. Juni 2002 an. Berichterstatterin war Frau Schweng.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 392. Plenartagung am 17. und 18. Juli 2002 (Sitzung vom 18. Juli) mit 77 gegen 32 Stimmen bei 15 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einführung

1.1. Bereits das Gemeinschaftsprogramm für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz für 1996-2000 hatte die Prüfung der Notwendigkeit eines Vorschlags für eine Empfehlung des Rates zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz für Selbständige vorgesehen. Die Kommission hat bereits im Jahre 1996 dem Beratenden Ausschuss für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz einen ersten Entwurf dieser Empfehlung zur Stellungnahme vorgelegt. Dieser Ausschuss verabschiedete insgesamt zwei Stellungnahmen zu diesem Thema: In der ersten Stellungnahme aus dem Jahre 1997 wurde die Europäische Kommission aufgefordert, einen Bericht über die Organisation von Sicherheit und Gesundheitsschutz Selbständiger in den Mitgliedstaaten zu erstellen, um mögliche Aktionslinien klarer erkennen zu können.

1.2. Nachdem die europäische Agentur in Bilbao diesen Bericht im Auftrag der Europäischen Kommission fertiggestellt hatte, hat der Beratende Ausschuss 1999 eine zweite Stellungnahme verabschiedet in der auf den Inhalt des Entwurfes der Kommission eingegangen wurde. Der Beratende Ausschuss schlug vor, einzelne Bestimmungen klarer voneinander abzugrenzen und zu formulieren. Die Kommission ist den Empfehlungen dieses Ausschusses weitgehend gefolgt.

1.3. Die europäischen Sozialpartner wurden im Rahmen des Verfahrens des sozialen Dialogs ebenfalls zu Ausrichtung und Inhalt einer möglichen Gemeinschaftsinitiative konsultiert.

2. Inhalt der Empfehlung

2.1. Der Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung sieht folgende Punkte vor: Die Mitgliedstaaten sollen Rechte und Pflichten der Selbständigen anerkennen, ihre Sicherheit und Gesundheit ebenso zu schützen wie Arbeitnehmer. Die Selbständigen sollen insbesondere in den Anwendungsbereich der Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz einbezogen werden, gegebenenfalls sind diese Rechtsvorschriften an die besondere Situation der Selbständigen anzupassen.

2.2. Selbständige sollen Zugang zu bestimmten Diensten und Einrichtungen bekommen, wo sie Informationen und Ratschläge über die Verhütung von berufsbedingten Risiken für Sicherheit und Gesundheitsschutz erhalten können. Selbständige sollen weiterhin Zugang zu Fortbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet von Sicherheit und Gesundheitsschutzmaßnahmen haben, ohne dass damit erhebliche finanzielle Belastungen verbunden sind.

2.3. Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass die Gesundheit von Selbständigen in einer den Gefahren angemessenen Weise überwacht wird. Bei der Ausarbeitung von Legislativmaßnahmen ist auf die Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten zurückzugreifen Die Mitgliedstaaten müssen ferner für eine angemessene Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften sorgen und der Kommission vier Jahre nach Annahme der vorliegenden Empfehlung die Maßnahmen mitteilen, die zur Durchführung dieser Empfehlung getroffen wurden.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Bisher haben nur zwei Mitgliedstaaten die Selbständigen in den Geltungsbereich der Rechtsvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz einbezogen, nämlich Portugal und Irland. Die Selbständigen werden in diesen beiden Ländern wie Unselbständige behandelt. Teilweise ist dies auch in Dänemark, dem Vereinigten Königreich und in Schweden der Fall.

3.2. In den anderen Mitgliedstaaten gelten die Rechtsvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz nicht für Selbständige, mit Ausnahme derjenigen Bereiche, in denen Koordinierungsbedarf mit Unselbständigen besteht (z. B. auf Baustellen für die auch eine einschlägige EU-Richtlinie existiert(1).

3.3. Die Kommission hat für ihren Vorschlag einer Empfehlung Artikel 308 als Rechtsgrundlage gewählt. Begründet wird dies mit dem Argument, dass Artikel 137 des Vertrages als Instrument für rechtliche Maßnahmen nur die Richtlinie vorsieht. Zusätzlich zu diesem Argument möchte der Ausschuss darauf hinweisen, dass Artikel 137 nur Maßnahmen zur "Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer" vorsieht, wodurch Maßnahmen für Selbständige ausgeschlossen sind.

3.4. Die Kommission geht davon aus, dass Selbständige dasselbe Recht haben, ihre Gesundheit zu schützen wie Arbeitnehmer. Der Ausschuss begrüßt diese Auffassung, möchte aber auf einen grundlegenden Unterschied zwischen Selbständigen und Unselbständigen hinweisen: Ein Unselbständiger ist in die Arbeitsabläufe eines Unternehmens eingegliedert und kann sein Arbeitsumfeld nicht autonom gestalten.

3.5. Die Kommission meint mit dieser Empfehlung nicht die sogenannten Scheinselbständigen, also Personen, die zwar als Selbständige gelten, aber oft in einem Verhältnis zu einer dritten Partei stehen, das als Beschäftigungsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber und einem abhängigen Erwerbstätigen bezeichnet werden könnte. Der Beratende Ausschuss hat in seiner Stellungnahme aus dem Jahr 1999 die Kommission aufgefordert, durch eine entsprechende Erklärung darauf hinzuweisen, dass die Scheinselbständigen bereits unter die Rahmenrichtlinie fallen. Die Kommission hat dies wiederholt, wenn auch nur mündlich, klargestellt. Der EWSA empfiehlt, dass die Kommission diese Erklärung in der allernächsten Zukunft schriftlich abgibt. Die Kommission sollte ebenfalls eine Anstrengung unternehmen, um die Definition von Scheinselbständigen zu verbessern, damit Missbräuche wirksamer bekämpft werden können.

3.6. Ein Selbständiger ist laut Erwägungsgrund 4 ein Erwerbstätiger, der nicht durch ein Arbeitsverhältnis an einen Arbeitgeber oder ganz allgemein durch ein Beschäftigungs- und Abhängigkeitsverhältnis an einen Dritten gebunden ist (z. B. Angehörige der freien Berufe, Einzelunternehmer, Landwirte). Ein Selbständiger kann autonom entscheiden, welche Aufträge und Arbeiten er annimmt, in welcher Form er sie ausführt und welche Vorsichtsmaßnahmen er trifft, bzw. welches Risiko er eingehen möchte. Sein Entscheidungsspielraum ist daher ein wesentlich größerer als der eines Arbeitnehmers.

3.7. Um für sich beurteilen zu können, ob mit bestimmten Tätigkeiten ein Risiko verbunden ist, ist es unabdingbar, dass der Selbständige Zugang zu entsprechenden Informationen erhält. Selbständige sollten ermutigt werden, für sich selbst eine Risikoeinschätzung vorzunehmen.

4. Besondere Bemerkungen

4.1. Der Ausschuss kann die Vorlage eines nicht zwingenden Instruments seitens der Kommission befürworten. Desgleichen unterstützt er den Ansatz der Kommission, Selbständigen nicht nur Rechte sondern auch Pflichten in Bezug auf ihre eigene Gesundheit und Sicherheit aufzuerlegen. Selbständige müssen zum einen erforderlichenfalls vor sich selbst geschützt werden und zum anderen daran gehindert werden, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber denjenigen zu verschaffen, die die geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzvorschriften einhalten. Der Ausschuss stellt fest, dass die Selbständigen derzeit nur dort in die Sicherheits- und Gesundheitsschutzgesetzgebung einbezogen werden, wo es zu einer Gefährdung von Arbeitnehmern durch Selbständige kommen kann. Dieser Grundsatz wurde bereits in die Baustellen-Richtlinie und in die Richtlinie über Gerüste aufgenommen.

4.2. Des Weiteren weist der Ausschuss darauf hin, dass die Rahmenrichtlinie 89/391/EWG, die von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wurde, Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber festlegt. Wer soll im Falle eines Selbständigen eine Risikobewertung seines Arbeitsplatzes durchführen? Wer soll für die Information und Unterweisung verantwortlich sein? Diese klare Teilung der Rahmenrichtlinie würde bei einer Einbeziehung der Selbständigen nicht möglich sein.

4.3. Es wäre wünschenswert, wenn die Empfehlung des Rates nicht nur legislative Maßnahmen vorsehen würde, sondern auch Maßnahmen, die der Hebung des Bewusstseinsstandes der Selbständigen für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit dienen würden. Ein Beispiel für solche Maßnahmen könnten nationale Informationskampagnen über Sicherheit und Gesundheit der Selbständigen, differenziert je nach Branche sein. Weiterhin könnte überlegt werden, Sicherheit und Gesundheitsschutz von Selbständigen in die Beschäftigungspolitischen Leitlinien aufzunehmen und entsprechende Indikatoren dafür zu entwickeln (Unfallrate der Selbständigen, etc).

4.4. Der Ausschuss begrüßt und unterstützt die Empfehlungen betreffend Zugang zu Diensten oder Einrichtungen, damit gewährleistet wird, dass Selbständigen die für sie relevanten Informationen zur Verfügung stehen. Ebenso begrüßt der Ausschuss die Empfehlung betreffend Zugang zu Fortbildungsmaßnahmen, sowie die Empfehlung, dass weder Information noch Fortbildung mit so schweren finanziellen Belastungen verbunden ist, dass die Selbständigen von der Teilnahme abgehalten werden könnten. Der Ausschuss geht sogar noch weiter und drängt darauf, dass dem Selbständigen durch Information und Fortbildung so geringe Kosten wie möglich entstehen sollten.

4.5. Bei der Empfehlung betreffend die Überwachung der Gesundheit von Selbständigen ist es aus Sicht des Ausschusses wichtig, dass Selbständigen dadurch keine zusätzlichen administrativen Lasten aufgebürdet werden. Selbständige sollten wirksam ermutigt werden, sich der Gesundheitsüberwachung zu unterziehen.

4.6. In Bezug auf die Empfehlung betreffend angemessene Kontrolle und Überwachung der Rechtsvorschriften Selbständiger weist der Ausschuss darauf hin, dass auch in dieser Empfehlung legislative Maßnahmen nicht als das einzige Instrument zur Regelung der Arbeitsbedingungen Selbständiger gesehen werden sollten. Durch die Hinzufügung des Wortes "allfällige" vor einschlägigen legislativen Maßnahmen könnte diesem Wunsch Rechnung getragen werden.

4.7. Der Ausschuss begrüßt die 10. Empfehlung der Kommission, wonach die Mitgliedstaaten über die Wirksamkeit der Maßnahmen berichten müssen, die sie als Folge dieser Empfehlung getroffen haben. Er hält es für sinnvoll, dass die Mitgliedstaaten in ihren Fortschrittsberichten auch auf diejenigen Bestimmungen des jeweiligen nationalen Arbeitnehmerschutzrechtes eingehen, bei denen eine Einbeziehung der Selbständigen besondere Probleme bereitet. Ebenso sollte in diesen Berichten auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen eingegangen werden. Die nationalen Berichte sollten von der Kommission zu einem Synthesebericht zusammengefasst werden und im Beratenden Ausschuss für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz diskutiert werden.

Brüssel, den 18. Juli 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) Richtlinie 92/57/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz.

ANHANG

zur Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses

1. Die folgende Ziffer aus der Stellungnahme der Fachgruppe, deren Beibehaltung von mindestens einem Viertel der Abstimmenden gefordert wurde, wurde infolge der Annahme eines Änderungsantrages durch die Plenarversammlung gestrichen.

Ziffer 4.1

Der Ausschuss begrüßt, dass die Kommission ein nicht verbindliches Instrument vorgelegt hat, bedauert jedoch, dass die Kommission dem Unterschied zwischen Selbständigen und Arbeitnehmern nicht ausreichend Rechnung trägt, indem sie Mitgliedstaaten empfiehlt, Selbständigen nicht nur Rechte sondern auch Pflichten in Bezug auf deren eigene Gesundheit und Sicherheit aufzuerlegen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass eine Einbeziehung der Selbständigen in die Sicherheits- und Gesundheitsschutzgesetzgebung nur dort erfolgen sollte, wo es zu einer Gefährdung von Arbeitnehmern durch Selbständige kommen kann(1). Dieser Grundsatz wurde bereits in der Baustellen-Richtlinie(2) und in der Richtlinie über Gerüste(3) aufgenommen.

Ergebnis der Abstimmung über die Streichung der Ziffer

Ja-Stimmen: 62, Nein-Stimmen: 47, Stimmenthaltungen: 9.

2. Abgelehnter Änderungsantrag

Der folgende Änderungsantrag, der mindestens ein Viertel der Stimmen erhielt, wurde im Verlauf der Debatte abgelehnt.

Ziffer 4.5

Folgenden Satz hinzufügen: "Der Ausschuss fordert die Kommission dazu auf, die Möglichkeiten einer effektiven Überwachung in Übereinstimmung mit folgenden Ziffern sowie Ziffer 4.1 zu untersuchen."

Begründung

Siehe Änderungsantrag 1 bezüglich Ziffer 4.1.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 55, Nein-Stimmen: 56, Stimmenthaltungen: 7.

(1) Gemäß der Rahmenrichtlinie 89/391 hat der Arbeitgeber der betroffenen Arbeitnehmer festzustellen, ob für diese ein Risiko gegeben ist.

(2) Richtlinie 92/57/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz.

(3) Richtlinie 2001/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 zur Änderung der Richtlinie 89/655/EWG des Rates über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit.

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