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Document 51994AC1004

STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren"

ABl. C 393 vom 31.12.1994, p. 50–55 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT)

51994AC1004

STELLUNGNAHME DES WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSSES zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren"

Amtsblatt Nr. C 393 vom 31/12/1994 S. 0050


Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren () (94/C 393/09)

Der Rat beschloß am 30. März 1994, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 84 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr und Kommunikationsmittel nahm ihre Stellungnahme am 20. Juli 1994 an. Berichterstatter war Herr Whitworth.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 318. Plenartagung (Sitzung vom 14. September 1994) einstimmig folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Dieser Vorschlag betrifft eine der wichtigeren Maßnahmen, die die Kommission in ihrer Mitteilung "Eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr" vom 24. Februar 1993 (Dok. KOM (93) 66 endg.) angekündigt hatte. Zu dieser Mitteilung hatte der Wirtschafts- und Sozialausschuß am 24. November 1993 eine Stellungnahme abgegeben, in der er die vorgeschlagene Vorgehensweise in bezug auf die Hafenstaatkontrolle vom Grundsatz her unterstützte.

2. Vorgeschichte

2.1. Internationale Normen für den Bau und Betrieb von Schiffen, die Ausbildung und Befähigungszeugnisse von Besatzungen sowie bestimmte Aspekte der Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen sind in einer Reihe internationaler Übereinkünfte festgelegt, die über die Jahre hinweg von der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) und der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) getroffen wurden. Diese Übereinkünfte sind für diejenigen Staaten verbindlich, die sie ratifizieren und aufgrund dessen dafür Sorge zu tragen haben, daß Schiffe, die unter ihrer Flagge fahren, die entsprechenden Normen einhalten (Flaggenstaatkontrolle).

2.2. Im Jahre 1981 führte die IMO den Grundsatz ein, daß die vertragschließenden Regierungen geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, daß Schiffe, die ihre Häfen anlaufen, aber unter der Flagge eines Landes fahren, das nicht dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) beigetreten ist, Normen genügen müssen, die nicht lockerer sein dürfen als die im SOLAS-Übereinkommen verankerten Standards. Dieser Grundsatz wurde bei allen späteren internationalen Seeverkehrsregelwerken übernommen, so daß international verkehrende Schiffe, unabhängig davon, ob der Eintragungstaat das entsprechende Übereinkommen ratifiziert hat oder nicht, den internationalen Normen entsprechen müssen. Dieses Prinzip ist die Rechtsgrundlage für die Hafenstaatkontrolle, wie sie heute ausgeuebt wird.

2.3. Die Übereinkommen sehen im allgemeinen vor, daß die Hafenstaatkontrolle in erster Linie die Form einer Prüfung der Zeugnisse annimmt, die aufgrund der betreffenden Übereinkommen an Bord des Schiffes mitgeführt werden müssen. Diese Zeugnisse werden, sofern sie gültig sind, akzeptiert, soweit es keine eindeutigen Gründe für die Annahme gibt, daß die tatsächlichen Verhältnisse bezueglich des Schiffes oder seiner Ausrüstung in wesentlichen Teilen nicht mit den Angaben in diesen Zeugnissen übereinstimmen. Diesbezuegliche Mängel müssen beseitigt werden, bevor das Schiff weiterfährt. Schwerwiegendere Mängel, die das Schiff oder an Bord befindliche Personen gefährden könnten, machen möglicherweise die Festhaltung des Schiffes erforderlich, bis die Mängel behoben sind.

2.4. Einige der seit 1975 verabschiedeten IMO-Entschließungen enthalten Leitlinien für die Hafenstaatkontrolle. Durch die IMO-Entschließung A742(18) vom 4. November 1993 wurde der Anwendungsbereich der Hafenstaatkontrolle auf eine Reihe spezifischer betrieblicher Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit von Schiffen und der Verhütung von Verschmutzung ausgedehnt. Die entsprechenden Übereinkommen werden gegenwärtig überarbeitet, um den Bestimmungen dieser Entschließung Rechnung zu tragen (so soll z.B. ein neues Kapitel XI des SOLAS-Übereinkommens, das eine neue Bestimmung über betriebliche Anforderungen im Rahmen der Hafenstaatkontrolle enthält, am 1. Januar 1996 in Kraft treten).

3. Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle (MOU)

3.1. Die (Meeresanrainer-)Staaten der Gemeinschaft sowie Finnland, Norwegen, Schweden und seit kurzem auch Polen und Kanada verfolgen inzwischen eine gemeinsame Politik und Vorgehensweise in bezug auf die Hafenstaatkontrolle. Dies wurde in einer Vereinbarung (Memorandum of Understanding - MOU) aus dem Jahre 1982 zwischen den Seeverkehrsbehörden der betreffenden Länder festgelegt. Diese Vereinbarung wurde immer wieder überarbeitet, um die Normen entsprechend den innerhalb der IMO getroffenen neuen Vereinbarungen zu aktualisieren und effizientere Besichtigungsverfahren einzuführen.

3.2. Die Kommission erkennt den Wert der auf der Vereinbarung basierenden Hafenstaatkontrolle an, macht jedoch darauf aufmerksam, daß deren Bestimmungen für die Signatarstaaten keine Rechtsverbindlichkeit haben; ausserdem umfassen die vereinbarten Kriterien keine systematische Regelung für die Inspektion und das Festhalten von Schiffen, und es mangelt ihnen auch an Einheitlichkeit. Die Kommission deutet des weiteren an, daß einige Mitgliedstaaten die Vereinbarung weniger streng anwenden als andere und unternormige Schiffe durch eine geschickte Wahl ihrer Bestimmungshäfen strengeren Überprüfungen aus dem Wege gehen können. Sie ist des weiteren der Auffassung, daß die Vereinbarung nicht zu weniger Schiffsunglücken und Meeresverschmutzung in europäischen Gewässern geführt hat.

4. Kommissionsvorlage

4.1. Der Richtlinienvorschlag sieht eine einheitliche und für die gesamte Gemeinschaft (und mithin für den EWR) verbindliche Hafenstaatkontrollregelung vor. Seine Anforderungen werden daher für die Mitgliedstaaten und mithin auch für die Besichtiger, die die Überprüfung von Schiffen vornehmen, verbindlich sein.

4.2. Die einzelnen Bestimmungen der Richtlinie umfassen den Inhalt des derzeitigen MOU sowie etliche neue, recht ausführliche und detaillierte Kriterien für die Überprüfung und das Festhalten von Schiffen. Insbesondere wird der Schwerpunkt etwas stärker auf das Festhalten von Schiffen gelegt, für bestimmte Kategorien von Schiffen eine Regelung über verstärkte Kontrolle eingeführt, für Schiffe, die nachweislich strengeren Normen genügen, ein "vereinfachtes Prüfverfahren" vorgeschlagen und ein Mindestqualifikationsprofil für Hafenstaat-Besichtiger festgelegt.

4.3. Die Kommission ist offenbar der Ansicht, daß weiterhin vom bestehenden MOU-Instrumentarium Gebrauch gemacht werden sollte, doch dürfte der vorgeschlagene Richtlinienvorschlag sich mit den Arbeiten des bestehenden MOU-Sekretariats und des Kontrollausschusses überschneiden, denn er legt fest, daß vergleichbare Funktionen auch von der Kommission wahrgenommen werden, wobei sie von einem neu einzurichtenden Beratenden Ausschuß unterstützt wird.

5. Allgemeine Bemerkungen

5.1. So wie der Wirtschafts- und Sozialausschuß die vorgeschlagene Aktion in seiner Stellungnahme zu der Kommissionsmitteilung über die Sicherheit im Seeverkehr vom Grundsatz her unterstützte, befürwortet er auch die mit dem jetzigen Richtlinienentwurf angestrebten Zielsetzungen. Insbesondere begrüsst er die erklärte Strategie der Kommission, die Schlagkraft des MOU dadurch zu stärken, daß von allen Mitgliedstaaten verlangt wird, die Hafenstaatkontrolle in einheitlicher Weise zu handhaben und ausreichende Mittel für die praktische Durchführung bereitzustellen, um zu gewährleisten, daß bestimmten Mindestanforderungen bei der Schiffsüberprüfung Genüge getan wird.

5.2. Die Kriterien für die Besichtigung und das Festhalten von Schiffen sollten hinreichend streng sein, damit gewährleistet ist, daß alle in europäischen Gewässern verkehrenden Schiffe mit sämtlichen Aspekten der international vereinbarten Standards im Einklang stehen und mithin der Betrieb von Substandardschiffen aufhört. Diese Ziele sollten erreicht werden, ohne daß eine übermässig bürokratische Regelung eingeführt wird oder der grossen Mehrheit von Schiffen, die ordnungsgemäß und entsprechend den nationalen Anforderungen und internationalen Normen betrieben werden, überzogene Auflagen gemacht werden. In diesem Zusammenhang sollte die normale Hafenumschlagszeit eines Schiffes nicht durch die detaillierten Besichtigungsanforderungen verlängert werden, sofern nicht eindeutige Mangelverdachtsmomente vorliegen, die eine Detailüberprüfung erforderlich machen.

5.3. Der Ausschuß stellt fest, daß die detaillierten Bestimmungen der bestehenden MOU in bestimmten Abschnitten ergänzt und verschärft wurden. Er begrüsst, daß diese neuen Kriterien im grossen und ganzen den Bestimmungen der bereits bestehenden oder demnächst in Kraft tretenden IMO- und IAO-Regelwerken entsprechen. Dies deckt sich mit dem Standpunkt, der bereits in einigen früheren Stellungnahmen des Ausschusses (und insbesondere in Ziffer 3.4.3 der Stellungnahme zu der gemeinsamen Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr) vertreten wurde, daß Auflagen für Nicht-EG-Schiffe auf international vereinbarten Normen und Anforderungen basieren sollten. Dennoch bleiben einige mögliche Kollisionsbereiche zwischen Gemeinschafts- und Völkerrecht bestehen.

5.4. Wenn die Hafenstaatkontrolle ihre volle Wirksamkeit entfalten und einheitlich durchgeführt werden soll, ist dafür zu sorgen, daß ihre wesentlichen Anforderungen für die Regierungen der Mitgliedstaaten Rechtsverbindlichkeit haben und in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden. Die Wirksamkeit von Schiffsüberprüfungen hängt jedoch ganz wesentlich vom Urteilsvermögen der einzelnen Besichtiger ab. Der Wortlaut der Artikel und insbesondere der Anhänge sollte daher mit dem der IMO-Rechtsinstrumente (und dabei insbesondere der Entschließung A742 (18)) in Einklang stehen, in denen die detaillierten Verfahren als Leitlinien für die Vorgehensweise des Besichtigers angelegt sind, der sie befolgt, wenn nach seinem Ermessen die Verhältnisse an Bord eines bestimmten Schiffes ein Tätigwerden erforderlich oder zweckmässig erscheinen lassen.

5.5. Desgleichen ist es sehr wichtig, daß die spezifischen Kriterien, nach denen sich die Besichtiger zu richten haben, eine objektive Beurteilung gestatten, damit keine Streitigkeiten über das Ergebnis von Inspektionen entstehen und die Besichtiger dabei keinem Druck ausgesetzt sind.

5.6. Zu Recht wird im Richtlinienentwurf der Schwerpunkt auf das Festhalten eines Schiffes bis zur Mängelbeseitigung als letzte Sanktionsform gelegt, wenn sich bei einer Besichtigung Mängel herausstellen, die eindeutig eine Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit oder die Umwelt darstellen. Ebenso wichtig ist, daß die Befugnis zum Festhalten eines Schiffes von den einzelnen Besichtigern nicht willkürlich oder uneinheitlich gehandhabt werden kann. Daher ist die in Artikel 9 Absatz 4 enthaltene Anforderung zu begrüssen, derzufolge Besichtiger im Einklang mit den Bestimmungen der Regel 19 Buchstabe f in Kapitel I des SOLAS-Übereinkommens von 1974/1978 handeln müssen.

5.7. Der Ausschuß kann sich nicht so recht vorstellen, wie die vorgeschlagene Richtlinie und das derzeitige MOU nebeneinander existieren können. Die vorgeschlagene Richtlinie enthält einige Verweise auf die künftige Funktion dieser Vereinbarung und ihrer Verwaltung sowie der dazugehörigen SIRENAC E-Datenbank. Die im MOU enthaltenen detaillierten Inspektionskriterien werden jedoch von den entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie überlagert werden und somit für die Praxis ohne Bedeutung sein. Es wird gemeinhin anerkannt, daß das MOU in den letzten zwölf Jahren für die Koordinierung der Hafenstaatkontrolle in europäischen Gewässern wertvolle und wirksame Dienste geleistet hat und zu einem Modell für ähnliche Übereinkommen in anderen Teilen der Welt geworden ist. Es würde vielerorts Unruhe auslösen, wenn die vorgeschlagene Richtlinie sich das Know-how, das erwiesenermassen während des mehr als zehnjährigen Bestehens des MOU aufgebaut werden konnte, nicht zunutze machen würde.

5.8. Es ist eindeutig wünschenswert, die MOU-Verfahren mit denen der Richtlinie in deren endgültiger Form in Einklang zu bringen. Dies könnte z.B. dadurch erreicht werden, daß der MOU-Kontrollausschuß (dem Vertreter der einzelnen Signatarstaaten und der Kommission angehören) die MOU-Verfahren und -Anforderungen in bezug auf Überprüfungen und das Festhalten von Schiffen auf die entsprechenden Bestimmungen der vorgeschlagenen Richtlinie abstimmt. (Der Ausschuß nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, daß ein gleichartiger Vorschlag im Entwurf der Schlusserklärung für die fünfte Ministerkonferenz über Hafenstaatkontrolle enthalten ist). Die Kommission könnte dann eine Ratsrichtlinie ausarbeiten, die das revidierte Memorandum und etwaige spätere Änderungen zu diesem Regelwerk für die Mitgliedstaaten verbindlich macht. Auf diese Weise bliebe das Know-how und der weltweite Einfluß des MOU erhalten, und es würden Funktionsüberschneidungen zwischen der Kommission und dem MOU vermieden, während zugleich stärker rechtsverbindliche Kriterien festgelegt würden.

5.9. Der Ausschuß macht darauf aufmerksam, daß er in seiner Stellungnahme zu dem Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Gefahrgut-Strassentransport (Dok. CES 1281/93) eine ähnliche Vorgehensweise empfohlen hat, und zwar dahingehend, daß in der Ratsrichtlinie den Mitgliedstaaten die Einhaltung des derzeit geltenden Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR) zur Auflage gemacht werden sollte.

5.10. Diese Vorgehensweise darf die Einführung strengerer und wirksamerer Hafenstaatkontrollverfahren nicht verzögern, sondern muß, wenn sie einmal in Kraft ist, eine zuegigere Aktualisierung der Kontrollverfahren erlauben.

5.11. Nach der Veröffentlichung des Richtlinienvorschlags legte ein von der britischen Regierung eingesetzter Untersuchungsausschuß, der sich unter dem Vorsitz von Lord Donaldson mit der Verhütung der Meeresverschmutzung durch die Handelsschiffahrt befassen sollte, seinen Bericht vor. Darin wird die Auffassung der Kommission geteilt, daß einer stärkeren Wirksamkeit der Hafenstaatkontrolle hohe Priorität beigemessen werden sollte. Der Bericht enthält eine Reihe detaillierter Vorschläge, deren Einarbeitung in die MOU-Kontrollverfahren die britische Regierung ihren MOU-Partnern nach Ansicht des Untersuchungsausschusses empfehlen sollte. Dazu gehören z.B. Vorschläge für die Eigenmängelmeldung von Schiffen, gelegentliche Massenüberprüfungen aller Schiffe, die in einem festgelegten Zeitraum einen bestimmten Hafen anlaufen, und die Identifizierung der Reeder und Verwalter von Schiffen, an denen gravierende Mängel festgestellt werden. Dieser Bericht ist unzweifelhaft ein nützlicher Beitrag zum gegenwärtigen Stand der Überlegungen über die Hafenstaatkontrolle. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß die Kommission die darin enthaltenen Vorschläge voll in Betracht ziehen sollte. Andere sachdienliche Vorschläge sollten in ähnlicher Weise berücksichtigt werden.

6. Besondere Bemerkungen

6.1.

Artikel 2 - Begriffsbestimmungen

6.1.1. Die in der Begründung enthaltene Argumentation für die Einbeziehung des internationalen Schiffsvermessungsübereinkommens von 1969 ist dem Ausschuß nicht so recht einsichtig, da die vorgeschlagene Richtlinie nicht vorsieht, daß bestehende Schiffe entsprechend umgerüstet werden müssen, so daß sie den zusätzlichen Anforderungen im Sinne der am 18. Juli 1994 in Kraft tretenden neuen Bruttoraumgehalts-Vereinbarungen genügen.

6.1.2. Gleichwohl müssen nach dem 18. Juli alle Schiffe mit einem internationalen Schiffsmeßbrief (1969) ausgestattet sein, und die Prüfung dieser Zeugnisse wird entsprechend den im Richtlinienentwurf enthaltenen Vorschlägen wesentlicher Bestandteil der Hafenstaatkontrolle sein.

6.2.

Artikel 3 - Geltungsbereich

6.2.1. Die vorgeschlagene Ausdehnung der Hafenstaatkontrollverfahren auf Schiffe, die in den Hoheitsgewässern eines Mitgliedstaats verkehren, würde in der Praxis unüberwindbare Schwierigkeiten bereiten. In der Begründung wird diese Maßnahme für notwendig erachtet, um ein durchfahrendes Schiff, dem eine Verschmutzung vorgeworfen wird, überprüfen zu können. Die UN-Seerechtskonvention, die sich eingehend mit dem Recht der "friedlichen Durchfahrt" befasst, legt aber bereits die völkerrechtlich zulässigen Eingreifbefugnisse fest, die für die Handhabung solcher Verschmutzungsfälle geeignet sind. Ausserdem werden durchfahrende Schiffe von den Hafenstaatkontrollbestimmungen der IMO- und IAO-Übereinkommen, auf denen die Richtlinie basiert, nicht erfasst.

6.2.2. Die Bestimmungen sollten indes auch für alle (beispielsweise an einem Fluß gelegenen) für seegängige Schiffe erreichbaren Häfen sowie für Schiffe gelten, die ausserhalb der Hafengrenzen vor Anker liegen.

6.3.

Artikel 5 - Überprüfungspflichten

6.3.1. Aus der Definition eines "Schiffes" in Artikel 2 ist klar, daß die Zielvorgabe 25% auch Schiffe einschließt, die nicht in dem betreffenden Mitgliedstaat eingetragen sind. Da diese Bestimmung im Kontext der in Anhang I verankerten Prioritätenliste zu sehen ist, dürfte gewährleistet sein, daß ein Mitgliedstaat den Verpflichtungen nicht einfach dadurch nachkommen kann, daß er für die Besichtigung einfach die Schiffe auswählt, bei denen die Überprüfung am problemlosesten ist. Der dreizehnte Erwägungsgrund besagt, daß durch die 25%-Vorgabe erreicht werden soll, daß rund 80% der ausländischen Schiffe, die innerhalb des Gebiets fahren, zu einem gegebenen Zeitpunkt überprüft werden. Eventüll könnte Artikel 5 Absatz 1 so erweitert werden, daß er diese Überlegungen widerspiegelt.

6.3.2. Es sollte klar gemacht werden, daß die in Anhang I enthaltene Prioritätenliste als Leitfaden für die Mitgliedstaaten gedacht ist und die Reihenfolge der Kriterien nicht als Rangordnung anzusehen ist.

6.3.3. Wie im vierzehnten Erwägungsgrund ausgeführt, könnte eine besondere Überprüfungsregelung die Seeverkehrssicherheit steigern, indem sie einen Anreiz für die Reeder schafft, strengere Normen einzuhalten, als es nach den entsprechenden Übereinkommen erforderlich wäre. Die einzelnen Kriterien müssten sorgfältig abgesteckt werden und sollten vor ihrer Verabschiedung Gegenstand eingehender Beratungen sein. Sie sollten allerdings die Schiffe nicht vor regelmässigen "Stichproben" bewahren.

6.4.

Artikel 6 - Überprüfungsverfahren

6.4.1. Die Besichtiger sollten verpflichtet sein, sich von der Befähigung und Gewissenhaftigkeit der Schiffsbesatzung "zu überzeugen" (Absatz 1 Buchstaben b und c); der Begriff "Prüfung" legt in diesem Zusammenhang eine unrealistische Nachweisbarkeit nahe. Der Ausdruck "Befähigung" ist im Kontext der Artikel 7 und 9 der Richtlinie über die Ausbildung von Seeleuten unpassend. Von Nicht-EG-Schiffen sollte verlangt werden, daß sie statt einer Gemeinschaftsrichtlinie, die für ihre Eintragungsländer nicht rechtsverbindlich ist, das Internationale Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten sowie die IMO-Entschließung 742 (18) erfuellen.

6.4.2. In Absatz 1 Buchstabe d) sollten die Besichtiger darauf verpflichtet werden, eine Erstbeurteilung des Schiffes einschließlich der in den einschlägigen Rechtsakten der IAO spezifizierten Lebens- und Arbeitsbedingungen vorzunehmen.

6.4.3. Die Bezugnahme auf das "entsprechende Zeugnis" in Absatz 1 Buchstabe e erscheint dem Ausschuß unverständlich, da das IAO-Übereinkommen 164, das demnächst in den Anhang zum Übereinkommen 147 aufgenommen wird, keinerlei diesbezuegliche Anforderung enthält. Hingegen wäre eine Auflage, der zufolge an Bord des Schiffes ein medizinisches Handbuch mitzuführen ist, angemessen.

6.4.4. Die in Absatz 1 aufgeführten Mindestanforderungen an die Überprüfung könnten um die Prüfung sämtlicher Berichte oder Beschwerden (gemäß Punkt 2 des Anhangs III) ergänzt werden.

6.5.

Artikel 9 - Mängelbeseitigung und Festhalten

6.5.1. Die in Regel 19 Buchstabe f in Kapitel I des SOLAS-Übereinkommens von 1974/78 enthaltene Anforderung, daß alles Erdenkliche unternommen werden sollte, um zu vermeiden, daß ein Schiff übergebührlich lange fest- oder aufgehalten wird, sollte in diesem Artikel ausdrücklich verankert werden, wie dies auch in Ziffer 3 Absatz 11 des MOU der Fall ist.

6.6.

Artikel 10 - Folgemaßnahmen nach einer Überprüfung und nach einem Festhalten

6.6.1. Bezueglich der Anforderung, daß ein Schiff, dessen Mängel im Überprüfungshafen nicht beseitigt werden können, nur zu einer Reparaturwerft in der Gemeinschaft weiterfahren darf, hegt der Ausschuß Bedenken. Diese Beschränkung ist nicht mit Sicherheitsgründen zu rechtfertigen, und die Fahrt zu einem Nichtgemeinschaftshafen mit entsprechenden Reparaturanlagen kann in manchen Fällen kürzer und sicherer sein. Dessenungeachtet sollte eine erneute Überprüfung nach der Reparatur von einem Besichtiger der Gemeinschaft durchgeführt werden.

6.7.

Artikel 11 - Berufsprofil der Besichtiger

6.7.1. Die in Anhang VII aufgeführten Mindestkriterien für Besichtiger sind im allgemeinen zu befürworten. Der IMO-Unterausschuß "Flaggenstaatdurchführung" entwickelt momentan ähnliche Kriterien, die mit den in Anhang VII genannten nicht unvereinbar sein sollten. Es könnte auf das Erfordernis einer entsprechenden Ausbildung hingewiesen werden, und in diesen Fällen könnte eine Abweichung von der Mindestzeit von zwei Dienstjahren vorgesehen werden.

6.7.2. In seiner früheren Stellungnahme zur gemeinsamen Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr hatte der Ausschuß die Ansicht vertreten, daß durch die Bereitstellung von Mitteln aus dem Gemeinschaftshaushalt ein maßgeblicher Beitrag dazu geleistet werden könnte, daß für die Durchführung von Hafenstaatkontrollen entsprechend geschulte Besichtiger zur Verfügung stehen. Der Ausschuß begrüsst die im Rahmen des KAROLUS-Programms bereits eingeleiteten Initiativen.

6.8.

Artikel 14 - Veröffentlichung des Festhaltens

6.8.1. Der Vorschlag, daß Einzelheiten über das Festhalten eines Schiffes zu veröffentlichen sind, ist zu befürworten, weil er einen Anreiz für Reeder, Flaggenstaatverwaltungen und Klassifizierungsgesellschaften darstellt, die Einhaltung der internationalen Normen zu gewährleisten. Die Veröffentlichung könnte durch das MOU-Sekretariat erfolgen.

6.8.2. Der kommerzielle Schaden, den solche Veröffentlichungen verursachen könnten, ist indes erheblich. Daher sollten von der Veröffentlichung solche Fälle ausgenommen sein, in denen dem Festhalten des Schiffes nicht ein Verschulden des Reeders zugrunde liegt, wie z.B. bei Unwetterschäden oder plötzlichem Maschinenschaden. Die Veröffentlichungsabsicht sollte zum Zeitpunkt des Festhaltens bekanntgegeben werden, damit eine Gelegenheit zur Gegendarstellung gegeben wird.

6.9.

Artikel 15 - Gebühr für die erneute Überprüfung

6.9.1. Aus der Überschrift zu diesem Artikel, nicht jedoch aus dem eigentlichen Wortlaut, geht hervor, daß die Gebühr lediglich im Falle der zweiten und jeder weiteren Inspektion, die zur Kontrolle der Beseitigung der bei der ersten Überprüfung festgestellten Mängel durchgeführt werden muß, fällig wird.

6.10.

Artikel 17 und 19 - Beratender Ausschuß und Ausschußverfahren

6.10.1. Auf diese Bestimmungen könnte verzichtet werden, wenn das in Ziffer 5.8 der vorliegenden Stellungnahme angeregte Verfahren angewandt würde.

6.11.

Anhang I - Liste vorrangig zu überprüfender Schiffe

6.11.1. Die in Ziffer 2 angesprochene Erhebung des Durchschnittswerts der festgehaltenen Schiffe sollte prozentual und in absoluten Zahlen erfolgen.

6.11.2. Es sollte eine zusätzliche Rubrik "Schiffe unter der Flagge eines Staates, der die wesentlichen IMO- und IAO-Übereinkommen bislang noch nicht ratifiziert hat" in den Anhang I aufgenommen werden.

6.12.

Anhang III - Triftige Gründe für eine gründlichere Überprüfung

6.12.1. Ein Bericht oder eine Beschwerde im Sinne der Ziffer 2 dieses Anhangs könnte auch in Anhang I als Anlaß einer Überprüfung aufgeführt werden. Es versteht sich von selbst, daß die Besichtiger die Anonymität des Beschwerdeführers wahren müssen.

6.13.

Anhang IV - Verfahren und Leitlinien

6.13.1. Die Bezugnahme auf die IAO-Veröffentlichung "Überprüfung der Arbeitsbedingungen an Bord: Verfahrensleitlinien" ist in der Richtlinie der einzige Hinweis auf die verschiedenen IAO-Übereinkommen über die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord, die im IAO-Übereinkommen 147 zusammengefasst wurden.

6.13.2. Wie er in seiner früheren Stellungnahme zur gemeinsamen Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr zum Ausdruck gebracht hat, misst der Ausschuß diesem Aspekt der Hafenstaatkontrolle grosse Bedeutung bei und empfiehlt, daß auch die im Anhang zum Übereinkommen 147 enthaltenen Übereinkommen in Anhang IV aufgeführt werden sollten. Des weiteren sollte auf die Anwendung neuer, ergänzender IAO-Übereinkommen, die im Laufe der Zeit in den Anhang aufgenommen werden, Bezug genommen werden.

6.14.

Anhang V - Verstärkte Kontrolle

6.14.1. Die für bestimmte Schiffsarten vorgesehenen verstärkten Kontrollmaßnahmen, durch die eine entsprechend detaillierte Überprüfung gewährleistet wird, sind zu befürworten. Dabei bedürfen ältere Schiffe natürlich besonderer Aufmerksamkeit. Wie der Ausschuß in Ziffer 3.7.1 seiner Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission "Eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr" ausführte, ist "das Alter eines Schiffes kein zuverlässiges Kriterium zur Qualitätsbeurteilung, wenn das Schiff im Einklang mit internationalen Standards gebaut, betrieben und gewartet wird". Folglich ist es schwerlich zu rechtfertigen, daß das Alter eines Schiffes als starres Kriterium zugrunde gelegt wird; daher sollten die speziell für Öltanker und Massengutfrachter im Hinblick auf die Anwendung der aufgeführten Leitlinien vorgeschlagenen "Altersangaben" in gerechtfertigten Einzelfällen Abweichungen erlauben.

6.14.2. Derselbe Ermessensspielraum sollte für die verstärkte Kontrolle von Fahrgastschiffen eingeräumt werden. Die vorgeschlagenen Kriterien sind nichtsdestoweniger von grösster Bedeutung, und die diesbezuegliche Befähigung der Schiffsbesatzung ist ein wichtiger Faktor.

6.15.

Anhang VI - Mängel, die das Festhalten eines Schiffes rechtfertigen

6.15.1. Als Ziffer 11 sollte in diesem Anhang ein weiteres Beispiel aufgeführt werden: "Mängel, die auf die Nichteinhaltung der Anforderungen des IAO-Übereinkommens 147 zurückzuführen sind, wenn sie die Sicherheit des Schiffes oder die Sicherheit und die Gesundheit der Besatzung eindeutig gefährden."

7. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

7.1. Der Ausschuß begrüsst den Richtlinienvorschlag und unterstützt die darin verfolgten Ziele.

7.2. Er erkennt zwar die erheblichen Verbesserungen an, die die Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle (MOU) in den zwölf Jahren ihres Bestehens bewirkt hat, ist jedoch der Auffassung, daß die Überprüfungsanforderungen im Rahmen der Hafenstaatkontrolle die Rechtswirkung von gemeinschaftlichen Rechtsakten haben und einheitlich angewandt werden sollten.

7.3. Der Ausschuß bekräftigt den bereits in früheren Stellungnahmen zum Ausdruck gebrachten Standpunkt, daß gemeinschaftliche Anforderungen auf internationalen Übereinkommen der IMO und der IAO beruhen sollten, und begrüsst die Tatsache, daß diese Situation generell bei den Anforderungen des Richtlinienvorschlags in Betracht gezogen wurde.

7.4. Eine ausreichend strenge Durchführung der Hafenstaatkontrolle ist von ausschlaggebender Bedeutung, um die wirksame Anwendung international vereinbarter Normen auf alle Schiffe sicherzustellen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen, ohne gleichzeitig ordnungsgemäß betriebene und instandgehaltene Schiffe zu benachteiligen. Allgemein gesagt, zeichnet sich der Richtlinienvorschlag durch seine Ausgewogenheit in dieser Hinsicht aus.

7.5. Es ist dem Ausschuß wichtig, daß aus den im Rahmen des MOU gemachten Erfahrungen voller Nutzen gezogen wird. Es muß eine wirksame Möglichkeit für ein Nebeneinander von Gemeinschafts- und MOU-Regelungen gefunden werden: beider Anforderungen müssen miteinander in Einklang gebracht werden, um eine unnötige Funktionsüberschneidung zu vermeiden.

7.6. Die Kommission sollte vor der endgültigen Abfassung des Richtlinienvorschlag die Anregungen zur Hafenstaatkontrolle prüfen, die der kürzlich vorgelegte Bericht des von der britischen Regierung eingesetzten Untersuchungsausschusses über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch die Handelsschiffahrt enthält.

7.7. Diese Stellungnahme umfasst eine Reihe von besonderen Bemerkungen, mit denen die Vorschläge der Kommission präzisiert und wirksamer gestaltet werden sollen.

Geschehen zu Brüssel am 14. September 1994.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Susanne TIEMANN

() ABl. Nr. C 107 vom 15. 4. 1994, S. 14.

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