EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 51994AC1000

STELLUNGNAHME des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum "GRÜNBUCH - Strategische Optionen für die Stärkung der Programmindustrie im Rahmen der audiovisuellen Politik der Europäischen Union"

ABl. C 393 vom 31.12.1994, p. 25–29 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT)

51994AC1000

STELLUNGNAHME des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum "GRÜNBUCH - Strategische Optionen für die Stärkung der Programmindustrie im Rahmen der audiovisuellen Politik der Europäischen Union"

Amtsblatt Nr. C 393 vom 31/12/1994 S. 0025


Stellungnahme zum Grünbuch - Strategische Optionen für die Stärkung der Programmindustrie im Rahmen der audiovisuellen Politik der Europäischen Union (94/C 393/05)

Die Kommission beschloß am 14. April 1994, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 198 um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: Grünbuch - Strategische Optionen für die Stärkung der Programmindustrie im Rahmen der audiovisuellen Politik der Europäischen Union.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen nahm ihre Stellungnahme am 28. Juli 1994 an. Berichterstatter war Herr Flum.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 318. Plenartagung (Sitzung vom 14. September 1994) mehrheitlich bei 1 Gegenstimme folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Das Grünbuch will sich "mit den Zukunftsaussichten einer ganz bestimmten Industrie, der europäischen Programmindustrie im Kino- und Fernsehbereich, befassen", weil - so das Grünbuch im Vorwort - "die Kino- und Fernsehprogramme vorrangig Träger der europäischen Kulturen (sind) und Zeugnis von den Traditionen und der Identität eines jeden Landes (geben)". Es soll zur Grundlage "tiefer und weitgehender Konsultationen" dienen. Dabei fassen die Autoren die zentrale Fragestellung wie folgt zusammen:

"Wie kann die Europäische Union zur Entwicklung einer europäischen Programmindustrie im Kino- und Fernsehbereich beitragen, die sich auf dem Weltmarkt behaupten kann, zukunftsorientiert arbeitet, die Verbreitung der europäischen Kulturen gewährleistet und Arbeitsplätze in Europa schafft?"

1.2. Vorausgegangen sind dem das Weißbuch "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung - Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert" (Dok. KOM (93) 700 endg. vom 5. Dezember 1993) sowie der Entwurf einer Entschließung des Rates: "Digitalfernsehen - ein Orientierungsrahmen für die Gemeinschaftspolitik" (Dok. KOM (93) 557 endg. vom 17. November 1993) und der "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung von Normen für die Ausstrahlung von Fernsehsignalen" () und auch das Grünbuch "Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt. Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion" (Dok. KOM (92) 480 endg. vom 23. Dezember 1992).

1.3. Für seine thematische Beschränkung auf die Entwicklung der europäischen Programmindustrie für Kino und Fernsehen gibt das Grünbuch zwei Gründe an:

- Weil Film und Fernsehen "vorrangige Instrumente zur Vermittlung von Kultur" seien, gäben sie "Zeugnis von den Traditionen und der Identität eines jeden Landes und verdienten daher Unterstützung";

- angesichts der "strategischen Rolle bei der Entwicklung des audiovisuellen Sektors", den es der Programmindustrie zuschreibt, müssten diese Trends beachtet werden: "Wie die in jüngster Zeit erfolgten Entwicklungen zeigen, streben die weltweit mächtigsten Marktteilnehmer (Hersteller von Bauteilen und Geräten oder Kabel- und Telekommunikationsgesellschaften) nach der Kontrolle über die bedeutendsten Programmkataloge".

2. Vorbemerkungen

2.1. Was an dieser Stelle bereits durchscheint - die Gefährdung von Programmvielfalt und Meinungsfreiheit durch die weltweit mächtigsten Marktteilnehmer und mögliche Gegenstrategien der Europäer - bleibt in der Folge allerdings ausgeklammert: Das Grünbuch beschränkt sich auf die Erörterung der ökonomischen Konsequenzen seiner verschiedenen "strategischen Optionen". So bleiben auch bei den Zielen der europäischen Strategie für die Entwicklung der Programmindustrie die Einfluesse und divergierenden Interessen weltweit agierender Medienkonzerne unberücksichtigt. Die Kommission geht vielmehr davon aus, daß "das Auftreten neuer finanzkräftiger Marktteilnehmer im audiovisuellen Sektor ... der europäischen Programmindustrie im Hinblick auf Investitionen und Absatzmärkte neue Perspektiven (eröffnet)", und sie verweist auf die Prognose des oben erwähnten Weißbuchs, das beim beschleunigten Wachstum in der audiovisuellen Industrie Europas ziemlich optimistisch davon ausgeht, daß "bis zum Jahr 2000 etwa 2 Mio. neue Arbeitsplätze geschaffen werden".

2.2. Realistischer werden die Hindernisse bei der Entwicklung einer wirklich europäischen Programmindustrie analysiert. Sprachbarrieren, abgeschottete Märkte und das unzureichende Eingehen auf technologische Neuerungen können die Entwicklung einer europäischen Programmindustrie behindern. Deshalb muß sich die Europäische Union nach Auffassung der Kommission "für den Ausbau einer Programmindustrie einsetzen, die sowohl auf ihrem eigenen als auch auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig ist und folglich ihre kulturelle Vielfalt zum Ausdruck bringen, Arbeitsplätze schaffen und Gewinne erzielen kann. Das Endziel dieser mittel- bis langfristigen Politik ist, daß die europäische Programmindustrie auf einem offenen und dynamischen Weltmarkt wieder rentabel wirtschaften kann".

2.3. Obwohl im Text des Grünbuchs der Ausbau einer wettbewerbsfähigen europäischen Programmindustrie als Voraussetzung "kultureller Vielfalt" erscheint, spielen Überlegungen zur Sicherung der kulturellen Eigenart europäischer Film- und TV-Produktionen bei diesen "Strategischen Optionen für die Stärkung der Programmindustrie" keine Rolle. Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, daß bloß kommerzielle Perspektiven bei der Förderung solcher Programmindustrien keineswegs kulturelle Vielfalt begünstigen, sondern eher Produktionen, die möglichst hohe Einschaltquoten versprechen und sich darin immer mehr gleichen. Schon deshalb darf die Erhaltung und Entwicklung öffentlich-rechtlicher - durch Gebühren der Zuschauer oder Zuhörer finanzierten - Programmproduktionen in Europa nicht vernachlässigt werden: Nachweislich haben solche Sendeanstalten ungleich höhere Anteile an kulturellen Programmen auf den Weg gebracht als ihre kommerziellen Konkurrenten. Auch dieser wichtige Gesichtspunkt fehlt in den "Strategischen Optionen".

2.4. Nach einer Darstellung der vorhandenen Instrumente - so der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" als "Bezugsrahmen für den freien Verkehr von Fernsehdiensten", der Förderung unabhängiger europäischer Produktionen, des Programms MEDIA - wendet sich die Kommission den "Optionen für die Zukunft" zu. Dabei geht es ihr nicht darum, "ein Bündel konkreter Maßnahmen zu entwickeln, die auf Gemeinschaftsebene vorgeschlagen werden könnten. Die Überlegungen sollen vielmehr richtungsweisend für künftige Aktionen bzw. strategische Prioritäten der Europäischen Union sein". Gleichwohl müssen nach Auffassung der Kommission "umgehend effiziente Maßnahmen eingeleitet werden", damit die europäische Industrie ihre Marktchancen nutzen kann. Unter den Voraus- setzungen dazu nennt die Kommission ausdrücklich die "Abschaffung von Hemmnissen beim Zugang zum Binnenmarkt" und beruft sich dabei auch auf den in ihrem Weißbuch aufgezeigten Trend "zu einer weltweiten Liberalisierung und Deregulierung", der auch für den audiovisuellen Sektor gelte. Konkret heisst das: "Die Entwicklung spezifischer nationaler Rechtsvorschriften für den audiovisuellen Sektor darf das Funktionieren des Binnenmarktes nicht behindern." Im gleichen Atemzug beklagt die Kommission freilich die mangelnde Transparenz und erkennt, daß "aufgrund der Internationalisierung und Globalisierung des Sektors eine Analyse der Marktdurchdringungsstrategien internationaler Konzerne im audiovisuellen und Multimedia-Bereich immer schwieriger (wird)".

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Diese Analysen führen die Kommission freilich nicht dazu, Überlegungen über die Begrenzung der Marktmacht von internationalen Konzernen anzustellen. Sie möchte im Vorfeld "vor allem die Markttransparenz verbessern"; so fordert sie eine "engere Zusammenarbeit zwischen den für Wettbewerbsfragen zuständigen Instanzen auf nationaler und Gemeinschaftsebene". Und sie fordert eine "Effizienzsteigerung bei der Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts":

"Entscheidend für die harmonische Entwicklung des Rundfunks in Europa sind die Ausarbeitung gemeinsamer Regeln, die Überwachung der Einhaltung dieser Regeln durch die Marktteilnehmer sowie die Anwendung wirksamer Sanktionen bei einer Nichteinhaltung. Die unterschiedliche Anwendung dieser Regeln in den Mitgliedstaaten würde den in der Richtlinie 'Fernsehen ohne Grenzen' vorgesehenen Wettbewerb beim freien Austausch von Fernsehprogrammen verzerren."

3.2. Der Absicht der Kommission, für unverzerrten Wettbewerb zu sorgen, fallen auch Strategien zur Begrenzung von Marktanteilen zum Opfer.

3.3. Der letzte Teil des Grünbuchs mündet in Fragenkatalogen zur Herstellung von mehr Transparenz und zur Schaffung finanzieller Anreize. Die Kommission propagiert eine "Änderung der Einstellungen" und will zu diesem Zweck über das Grünbuch hinaus eine umfassende Anhörung der Fachkreise vorsehen, "um die Meinungen der auf europäischer Ebene repräsentativen Berufsverbände des audiovisuellen Sektors sowie der Branchenvertreter und Marktteilnehmer zu erfahren". Bei der Beantwortung des Fragenkatalogs ebenso wie bei diesen Anhörungen ist es notwendig, Vorschläge zur Begrenzung europäischer Medienmacht zu diskutieren. Das Ziel europaweiter Regelungen sollte sich dabei nicht am kleinsten gemeinsamen Nenner orientieren.

4. Besondere Bemerkungen

4.1. In seiner Konzentration auf das hindernisfreie Funktionieren des Binnenmarktes und die Propagierung eines "Trends im Dienstleistungssektor ... zu einer weltweiten Liberalisierung und Deregulierung" verzichtet das Grünbuch bewusst auf die Darstellung möglicher gesellschaftspolitischer Konsequenzen ungezuegelten Wettbewerbs im audiovisuellen Bereich. Dabei kann nicht geleugnet werden, daß Filme, Fernseh- und Radioprogramme schon deshalb nicht mit anderen Dienstleistungen vergleichbar sind, weil sie zu einem wesentlichen Teil die kulturelle Identität europäischer Länder ausmachen. So würde zweifellos uneingeschränkter Wettbewerb zur Dominanz weniger, meist aussereuropäischer Medienkonzerne im europäischen Markt führen und damit die kulturelle Identität gefährden.

4.2. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte die Europäische Union im Dezember 1993 durchgesetzt, daß das Welthandelsabkommen GATT den audiovisiüllen Bereich nicht einbezieht, um die kulturelle Eigenständigkeit und Vielfalt Europas zu sichern. Und wenn das Grünbuch die fortschreitende technologische Entwicklung - insbesondere die anstehende Digitalisierung und ihre Konsequenzen für die Programmindustrie - als Argument für eine notwendige Beschleunigung bei der "Schaffung des europäischen Informationsraums" anführt, muß doch darauf hingewiesen werden, daß die Konzentrationsprozesse im Medienbereich ebenfalls rapide zunehmen und dringend der Regelung bedürfen. Jedenfalls kann dieser Aspekt nicht ausgespart bleiben, bis sich die Kommission auf konkrete Folgerungen aus den Stellungnahmen des Europäischen Parlaments, des WSA und anderer Institutionen zum Grünbuch "Pluralismus und Medienkonzentration" geeinigt hat.

4.3. Darüber hinaus verhindern in der vorliegenden Argumentation weder die Erfahrungen mit der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" vom Oktober 1989 noch jüngste politische Entwicklungen den Rückzug auf nur noch industriepolitische Überlegungen. So wurde die mit der FernsehRichtlinie angestrebte Quotenregelung zugunsten europäischer Programmbestandteile von kommerziell betriebenen Sendeanstalten missachtet. Diese Entwicklungen sollten nach Auffassung des WSA als Alarmzeichen für die audiovisuelle Politik der Europäischen Union gelten und Maßnahmen gegen Medienkonzentration in Europa - wie sie der WSA schon mehrfach vorgeschlagen hat - auslösen.

4.4. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß nimmt mit Interesse die Zielvorgabe der Kommission bezueglich der Schaffung neuer Arbeitsplätze im audiovisuellen Bereich zur Kenntnis. Nach Aussage der Kommission soll es bis zum Jahr 2000 weitere 2 Millionen Arbeitsplätze in diesem Industriebereich geben.

Um diese Entwicklung konkret verfolgen zu können, wird die Kommission gebeten, jährlich über den Fortschritt zu berichten.

Der Wirtschafts- und Sozialausschuß weist mit Nachdruck darauf hin, daß in eine solche Statistik nur neu gesschaffene Arbeitsplätze aufgenommen werden sollten und nicht die in diesem Prozeß auftretenden Verlagerungen von einem Medienbereich in den anderen.

4.5. Doch der WSA muß feststellen, daß die zahlreichen Überlegungen und Anregungen zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven für eine demokratische europäische Medienkultur, wie er sie in den letzten Jahren vorgelegt hat, wiederum unberücksichtigt geblieben sind. Ohnehin beschränkte sich die Konsultation im Vorfeld der Veröffentlichung des Grünbuchs auf Vertreter der Industrie und der Anwender, wiewohl der WSA immer wieder seine Bereitschaft zu Vorberatungen erklärt hat.

5. Entwurf von Antworten auf die im Grünbuch "Strategische Optionen für die Stärkung der Programmindustrie im Rahmen der audiovisuellen Politik der Europäischen Union" gestellten Fragen

5.1. Wie kann die Effizienz bei der Kontrolle und der Anwendung des Gemeinschaftsrechts gesteigert werden ()?

Voraussetzung jeder Kontrolle bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist die Transparenz der Besitzverhältnisse an den audiovisuellen Medien im europäischen Bereich. Mit den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und damit fast ungezuegelter Chancen für die Vervielfältigung von Programmen wächst die Notwendigkeit der Abwehr immer massiverer Konzentrationsprozesse. Deshalb muß die Pflicht zur Offenlegung der Besitzverhältnisse im audiovisuellen Bereich der Mitgliedsländer ebenso verankert werden wie konkrete Grenzen der Beteiligung auf diesem Feld (vgl. die Stellungnahme des WSA zum Grünbuch "Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt - Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion" vom 22. September 1993).

5.2. Wie kann der Vielfalt der Dienste Rechnung getragen werden?

Wie kann der innereuropäische Programmaustausch gefördert werden?

Sollen genauere gemeinsame Begriffsbestimmungen festgelegt werden?

Sollen Anreize für Investitionen in die Programmproduktion oder den Erwerb von Rechten Vorrang vor sendezeitbezogenen Mechanismen erhalten ()?

Die Vielfalt der Dienste kann durch die notwendige Einschränkung von Konzentrationsprozessen sowohl national wie europaweit ebenso begünstigt werden, wie durch konkrete Fördermaßnahmen.

Innereuropäischer Programmaustausch kann zum einen durch die Förderung supranationaler Sendeanstalten wie ARTE ermöglicht werden. Dazu wären öffentlich-rechtliche Strukturen schon deshalb hilfreich, weil die Kosten mehrsprachig ausgestrahlter Programme kommerzielle Unternehmer vermutlich abschrecken würden. Auf der anderen Seite könnten europaweite Konzepte wie MEDIA die Entwicklung europäischer Programmstrukturen und Produktionswege positiv beeinflussen.

Die Festlegung gemeinsamer Begriffsbestimmungen wäre in mehrfacher Hinsicht sinnvoll und notwendig: so etwa für die Definition der Begrenzung von Konzentrationsprozessen im Medienbereich ebenso wie bei der Festlegung von Bedingungen der Förderung. Anreize für Investitionen in die Programmproduktion schließlich sollten sich auf die Förderung der Produktion kulturell wertvoller Programme oder den Erwerb ihrer Rechte konzentrieren.

5.3. Soll angesichts der Notwendigkeit, die Einnahmen aus der Verwertung zu maximieren und das Entstehen neuer Datenträger und Netze zu fördern, ein Gemeinschaftssystem der chronologischen Verwertung der Medien beibehalten werden?

Soll das bestehende System geändert und insbesondere auf andere Nutzungsarten als den Rundfunk ausgedehnt werden ()?

Zur chronologischen Verwertung der Medien: Angesichts der Vielfalt von Interessen und Abhängigkeiten bei der Produktion von Filmen und der mit der Digitalisierung anstehenden Vervielfältigung von Programmkanälen ist eine tiefgehende Überprüfung der Regelungen über die Verwertung nötig.

5.4. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen der Entwicklung neuer Dienste und der Entwicklung der europäischen Programmindustrie optimieren?

Ist es zweckmässig, spezifische Regeln zur Förderung neuer Übertragungstechniken für audiovisuelle Programme (insbesondere von Programmarten, die individuell abgerufen werden können, im Gegensatz zu Fernsehdiensten im eigentlichen Sinne, "point to multipoint" Kommunikation) aufzustellen? Wie sähen die geeigneten Maßnahmen aus ()?

Regeln zur Förderung neuer Übertragungstechniken für audiovisuelle Programme - insbesondere die Möglichkeit, diese individuell abrufen zu können - sind in den Augen des WSA nicht notwendig. Denn nicht jede Innovation auf dem audiovisuellen Sektor bedarf auch noch der Förderung - zumal dann nicht, wenn sie als zusätzliches Angebot keinem erkennbaren Mangel im Kommunikationsbereich abhilft. Sehr wohl dagegen scheint es notwendig, von Anfang an durch rechtliche Festlegungen die neu entstehende europaweite Dominanz grosser Medienkonzerne auch auf diesem Sektor zu verhindern.

5.5. Soll bei der Schaffung finanzieller Anreize weiterhin ein horizontaler Ansatz verfolgt werden, so daß alle Phasen des künstlerischen Schaffens, der Produktion, des Vertriebs und der Verwertung abgedeckt werden, oder sollen die Finanzhilfen auf einige vorrangige Bereiche konzentriert werden, um eine Hebelwirkung für den Gesamtprozeß zu erzielen? Wenn ja, auf welche Bereiche ()?

Im einzelnen:

Wie kann die Entwicklung von Vorhaben mit europäischer Ausrichtung verbessert werden?

Wie können Anreize für den gesamteuropäischen Programmvertrieb und die Öffnung der nationalen Märkte geschaffen werden?

Wie kann die Qualität der Synchronisation und der Untertitelung verbessert werden?

Wie können Anreize für Investitionen geschaffen werden?

Wie können marktorientierte und auf die neuen Techniken ausgerichtete Ausbildungsgänge entwickelt werden?

Ein "horizontaler Ansatz" bei der Schaffung finanzieller Anreize für die ganze Breite der audiovisuellen Palette in Europa hängt von der Ermittlung des Bedarfs in den einzelnen Bereichen ab. Dabei müssten sowohl die technologischen wie die finanziellen Entwicklungsperspektiven untersucht werden - unter besonderer Berücksichtigung der Förderung von Initiativen, denen nicht bloß das Kalkül grosser Medienkonzerne zur Abdeckung auch noch der letzten Marktlücken zugrunde liegt.

Anreize für den gesamteuropäischen Programmvertrieb können dabei vorzugsweise intensive Informationen über die Produkte in den wichtigsten - oder möglichst allen - europäischen Sprachen bieten. Ein solcher Übersetzer-Pool wäre eine der wichtigsten Investitionen und könnte gleichzeitig auch neue Qualitätsstandards für Synchronisationen schaffen. Er ließe sich beispielsweise durch Abschläge bei der TV-Werbung ("Werbegroschen") finanzieren, zumal solche Abschläge allen Beteiligten wiederum zugute kämen. Nach Auffassung des Ausschusses sind die bisherigen Bemühungen der Kommission auf diesem Gebiet noch nicht ausreichend.

5.6. Sollen weiterhin finanzielle Anreize für Einzelprojekte (im Bereich des künstlerischen Schaffens, der Produktion oder der Verwertung) gewährt werden?

oder

Sollen vorrangig Unternehmen global gefördert werden ()?

Die Behauptung, globale Förderungen von Unternehmen führten zu einer Wachstumsstrategie, könnte ein gefährlicher Kurzschluß sein. So gibt es in der Wirtschaftsgeschichte ausreichend Belege dafür, daß das Gießkannenprinzip bei Förderungsmaßnahmen auch nicht entfernt so effektiv wirkt wie der konkrete Anreiz bei der Finanzierung von Einzelprojekten.

5.7. Die Mechanismen, die eine strukturelle Wirkung auf Ebene der Europäischen Union haben sollen, müssen eine wirklich europäische Dimension erreichen und mit ausreichenden Mitteln ("kritische Masse") ausgestattet sein, um die Ziele innerhalb angemessener Frist erreichen zu können ().

Siehe dazu die Anregungen oben unter 5.5 auf die Fragen zum Thema "gesamteuropäischer Programmvertrieb" - als Voraussetzung jeder anderen Förderung.

5.8. Wie kann die Union die besonderen Gegebenheiten von Ländern mit begrenztem Sprachraum bzw. niedriger Produktionskapazität berücksichtigen?

Sollen diese Besonderheiten im Rahmen allgemein anzuwendender Mechanismen berücksichtigt werden oder sollen spezifische Mechanismen entwickelt werden?

(Wenn ja, welche?) ()

Der Wirtschafts- und Sozialausschuß unterstützt alle zusätzlichen Maßnahmen, die sicherstellen, daß auch in Ländern mit begrenztem Sprachraum bzw. niedriger Produktionskapazität die gewachsene kulturelle Vielfalt und Eigenart gesichert wird und erhalten bleibt.

Die von der Kommission hier angesprochene "kulturelle Bedeutung" des audiovisuellen Sektors kann eben nicht nur als Folgeergebnis der Marktmechanismen aus dem Kompetenzbereich der Europäischen Union ausgeklammert werden.

In ihrer neuesten Mitteilung über "Europas Weg in die Informationsgesellschaft, ein Aktionsplan" (Dok. KOM (94) 347 endg.) unterstreicht die Kommission zum ersten Mal mit dem vom Wirtschafts- und Sozialausschuß geforderten Nachdruck, daß Film-, Fernseh- und Rundfunkprogramme "Kulturgüter" sind, die sich "nicht wie andere Erzeugnisse behandeln" lassen ().

5.9. Im Hinblick auf die Entwicklung des audiovisuellen Marktes in den Ländern Mittel- und Osteuropas stellen sich folgende Fragen:

Sollen sich die Maßnahmen der Europäischen Union auf Instrumente zur Förderung der Entwicklung und des Wiederaufbaus beschränken, die alle industriellen Bereiche (und somit auch den audiovisuellen Bereich) umfassen?

oder

Sollen auch Fachkreise aus diesen Ländern Zugang zu den Gemeinschaftsmechanismen zur Schaffung finanzieller Anreize erhalten?

oder

Sollen spezielle Instrumente geschaffen werden, mit denen insbesondere Initiativen von Gemeinschaftsunternehmen in diesen Ländern im Rahmen von Partnerschaften gefördert werden ()?

Fachkreise aus den mittel- und osteuropäischen Ländern sollten schon deshalb in die Mechanismen zur Schaffung finanzieller Anreize einbezogen werden, weil ein solcher Austausch auch der Programmvielfalt in den Ländern der EU nützen würde. Das schließt nicht aus, daß konkrete Initiativen von Gemeinschaftsunternehmen im Rahmen von Partnerschaften gefördert werden könnten, vorausgesetzt, diese Unternehmen beteiligen sich auch selbst in ausreichender Weise daran.

5.10. Soll ein gemeinsamer Rahmen für den Gedankenaustausch geschaffen werden, um eine Verbesserung der nationalen Fördersysteme für die Programmindustrie und eine eventuelle Konvergenz dieser Systeme zu bewirken?

Welche Themen sollten vorrangig Gegenstand dieses Gedankenaustauschs sein?

Sollte ein derartiges Vorgehen dazu dienen,

gemeinsame Proritäten bei den nationalen Fördersystemen festzulegen?

die allmähliche Einbeziehungen einer europäischen Dimension zu bewirken?

eine Debatte über die Finanzierungsmodalitäten auszulösen ()?

Der WSA plädiert aus den genannten Gründen ganz entschieden für die Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für den Gedankenaustausch zur Förderung der Konvergenz nationaler Fördersysteme. Zentrales Thema bei solchen Konzeptionen sollten Überlegungen zu einem gesamteuropäischen System von Abgaben sein, wie sie unter 5.3.2 des Grünbuchs - insbesondere ii) - skizziert worden sind.

Ziel solcher Überlegungen sollte es sein, konkrete Maßnahmen zur finanziellen Förderung audiovisueller Programmbestandteile europäischer Kultur auf Gemeinschaftsebene - und darüber hinaus - festzulegen. Die Zeit ist reif dafür.

Geschehen zu Brüssel am 14. September 1994.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Susanne TIEMANN

() ABl. Nr. C 341 vom 18. 12. 1993.

() Grünbuch - Frage, S. 45.

() Grünbuch - Fragen, S. 47.

() Grünbuch - Fragen, S. 49.

() Grünbuch - Fragen, S. 51.

() Grünbuch - Fragen, S. 53.

() Grünbuch - Fragen, S. 54.

() Grünbuch - Frage, S. 56.

() Grünbuch - Frage, S. 57.

() Dok. KOM(94) 347 endg., S. 20.

() Grünbuch - Fragen, S. 59.

() Grünbuch - Fragen, S. 63.

Top