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Judgment of the General Court (Second Chamber) of 8 July 2004.#MFE Marienfelde GmbH v European Union Intellectual Property Office.#Case T-334/01.
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 8. Juli 2004. MFE Marienfelde GmbH gegen Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum. Rechtssache T-334/01.
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 8. Juli 2004. MFE Marienfelde GmbH gegen Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum. Rechtssache T-334/01.
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)
„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Ältere Wortmarke HIPPOVIT – Anmeldung des Wortzeichens HIPOVITON als Gemeinschaftsmarke – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Anspruch auf rechtliches Gehör“
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 8. Juli 2004
Leitsätze des Urteils
1. Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage beim Gemeinschaftsrichter – Befugnisse des Gerichts – Abänderung einer Entscheidung
des Amtes – Umfang – Aufhebung einer Entscheidung der Widerspruchsabteilung
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 62 Absatz 1 und 63 Absatz 3)
2. Gemeinschaftsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke
– Ernsthafte Benutzung – Begriff – Auslegung unter Berücksichtigung des Normzwecks des Artikels 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung
Nr. 40/94
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 43 Absätze 2 und 3)
3. Gemeinschaftsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke
– Ernsthafte Benutzung – Begriff – Beurteilungskriterien
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 43 Absätze 2 und 3)
4. Gemeinschaftsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke
– Ernsthafte Benutzung – Anwendung der Kriterien auf den konkreten Fall
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 43 Absätze 2 und 3)
5. Gemeinschaftsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke
– Vom Amt gesetzte Frist – Vorlegung zusätzlicher Beweismittel nach Ablauf der Frist, aber im Hinblick auf neu zutage getretene
Gesichtspunkte – Zulässigkeit
(Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Artikel 1 Regel 22 Absatz 1)
6. Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage beim Gemeinschaftsrichter – Befugnis des Gerichts zur Abänderung der angefochtenen
Entscheidung – Grenzen
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 63 Absatz 3)
1. Im Rahmen einer Klage gegen die Entscheidung einer Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster
und Modelle) in Bezug auf ein Widerspruchsverfahren kann das Gericht auch über den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung der
Widerspruchsabteilung entscheiden.
Da sich nämlich aus Artikel 62 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke ergibt, dass die Beschwerdekammer
die Entscheidung der Dienststelle des Amtes, die zuerst entschieden hat, aufheben kann, gehört eine solche Aufhebung zu den
Maßnahmen, die das Gericht aufgrund seiner Änderungsbefugnis nach Artikel 63 Absatz 3 dieser Verordnung treffen kann.
(vgl. Randnr. 19)
2. Bei der Auslegung des Begriffes der ernsthaften Benutzung der Gemeinschaftsmarke im Sinne von Artikel 43 Absätze 2 und 3 der
Verordnung Nr. 40/94 ist zu berücksichtigen, dass der Normzweck des Erfordernisses, dass die ältere Marke ernsthaft benutzt
worden sein muss, um einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung entgegengehalten werden zu können, darin besteht, Markenkonflikte
zu begrenzen, soweit kein berechtigter wirtschaftlicher Grund vorliegt, der einer tatsächlichen Funktion der Marke auf dem
Markt entspringt. Dagegen zielt diese Bestimmung weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolges noch auf eine Überprüfung
der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf ab, den Markenschutz nur umfangreichen Verwertungen von Marken vorzubehalten.
(vgl. Randnr. 32)
3. Eine Gemeinschaftsmarke wird ernsthaft benutzt im Sinne von Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94, wenn sie
entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu
garantieren, benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter
Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen. Mit der Bedingung
einer ernsthaften Benutzung der Marke wird deswegen verlangt, dass die Marke so, wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt
ist, öffentlich und nach außen benutzt wird.
Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche
Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt
angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen,
die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der
Marke.
Bezüglich des Umfangs der Benutzung der älteren Marke sind insbesondere das Handelsvolumen aller Benutzungshandlungen sowie
die Länge des Zeitraums, in dem Benutzungshandlungen erfolgt sind, und die Häufigkeit dieser Handlungen zu berücksichtigen.
(vgl. Randnrn. 33-35)
4. Bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Benutzung einer älteren Marke im konkreten Fall ist eine umfassende Beurteilung unter
Berücksichtigung aller relevanten Faktoren vorzunehmen. Diese Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen
den zu berücksichtigenden Faktoren. So kann ein geringes Volumen von unter der Marke vertriebenen Waren durch eine große Häufigkeit
oder zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem können der erzielte
Umsatz und die Zahl der unter der älteren Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang
mit anderen relevanten Faktoren wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem
Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den charakteristischen Merkmalen der Waren oder
Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Daher braucht die Benutzung der älteren Marke nicht immer umfangreich
zu sein, um als ernsthaft eingestuft zu werden.
Je begrenzter jedoch das Handelsvolumen der Markenverwertung ist, desto größer ist die Notwendigkeit, dass der Widerspruchsführer
ergänzende Angaben liefert, die etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung der betreffenden Marke ausräumen können.
(vgl. Randnrn. 36-37)
5. Regel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, wonach
der Nachweis der Benutzung der älteren Marke innerhalb der dem Widersprechenden vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt
(Marken, Muster und Modelle) gesetzten Frist zu erbringen ist und der Widerspruch zurückgewiesen wird, wenn die Beweismittel
nicht fristgemäß vorgelegt werden, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass diese Vorschrift der Berücksichtigung zusätzlicher
Beweismittel im Hinblick auf neu zutage getretene Gesichtspunkte entgegenstünde, und zwar auch dann nicht, wenn die Beweismittel
nach Ablauf dieser Frist vorgelegt werden.
(vgl. Randnr. 56)
6. Die in Artikel 63 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehene Möglichkeit für das Gericht, die Entscheidung einer Beschwerdekammer
des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) abzuändern, ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn
die Sache entscheidungsreif ist. Dies setzt voraus, dass das Gericht anhand der ihm vorgelegten Beweismittel die Entscheidung
treffen kann, die die Beschwerdekammer nach den vorliegend anwendbaren Vorschriften zu treffen hatte. Diese Voraussetzung
ist nicht erfüllt, wenn die Beschwerdekammer selbst über den Widerspruch hätte entscheiden oder die Sache an die Widerspruchsabteilung
hätte zurückverweisen können.
(vgl. Randnrn. 62-63)
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer) 8. Juli 2004(1)
In der Rechtssache T-334/01
MFE Marienfelde GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Rojahn und S. Freytag,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch E. Joly und G. Schneider als Bevollmächtigte,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:Vétoquinol AG, vormals Chassot AG, mit Sitz in Bern (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Kockläuner,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 26. September 2001 (Sache R 578/2000-4)
in Bezug auf ein Widerspruchsverfahren zwischen der MFE Marienfelde GmbH und der Vétoquinol AG
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,
Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,
aufgrund der Klageschrift und der Erwiderung, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 24. Dezember 2001 bzw. am 29. Juli
2002,aufgrund der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung des HABM, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 24. April bzw.
am 30. Oktober 2002,aufgrund der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung der Streithelferin, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 22.
April bzw. am 29. Oktober 2002,auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2003,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Die Streithelferin meldete am 30. Dezember 1996 unter ihrem früheren Namen Chassot AG nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des
Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung beim Harmonisierungsamt
für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.
2
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen HIPOVITON.
3
Die Waren, für die die Eintragung der Marke beantragt wurde, gehören zur Klasse 31 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15.
Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner überarbeiteten
und geänderten Fassung und entsprechen folgender Beschreibung: „Futtermittel“.
4
Am 11. Mai 1998 wurde die Markenanmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht.
5
Die Klägerin legte am 11. August 1998 gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung
der angemeldeten Marke für alle von der Markenanmeldung erfassten Waren ein. Der Widerspruch wurde auf eine in Deutschland
am 17. Mai 1972 eingetragene Marke mit dem Prioritätstag 16. Mai 1969 gestützt. Diese aus dem Wortzeichen HIPPOVIT bestehende
Marke (im Folgenden: ältere Marke) ist für Waren der Klasse 31 im Sinne des Abkommens von Nizza eingetragen worden, die folgender
Beschreibung entsprechen: „Futtermittel“.
6
Zur Begründung ihres Widerspruchs berief sich die Klägerin auf das relative Eintragungshindernis des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe
b der Verordnung Nr. 40/94.
7
Mit Schreiben vom 15. März 1999 verlangte die Streithelferin, dass die Klägerin gemäß Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung
Nr. 40/94 den Nachweis erbringt, dass sie die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung
in dem Mitgliedstaat, in dem sie geschützt ist, ernsthaft benutzt hat. Mit Mitteilung vom 8. April 1999 forderte die Widerspruchsabteilung
des HABM (im Folgenden: Widerspruchsabteilung) die Klägerin auf, diesen Nachweis binnen zwei Monaten zu erbringen.
8
Am 4. Mai 1999 übermittelte die Klägerin dem HABM erstens vier Prospekte mit der älteren Marke; in den Buchstaben „O“ waren
jedoch der Kopf und der Vorderkörper eines Pferdes eingefügt. Zweitens legte sie ein Deckblatt „Marienfelder Tierfutter-Programm“
mit Bestellformular und ein Werbeblatt „Ich liebe Pferde von A–Z“ vor. Drittens reichte sie eine eidesstattliche Versicherung
ihres Geschäftsführers R. Bode ein, worin dieser erklärt, dass sich die mit dem Verkauf unter der älteren Marke erzielten
Umsatzzahlen für die Zeit von Januar bis Juni 1998 auf 12 500 DM und für die Zeit von Januar bis Dezember 1998 auf 21 100
DM beliefen.
9
Nachdem die Klägerin und die Streithelferin mehrere Schriftsätze gewechselt hatten, übersandte ihnen das HABM am 24. Januar
2000 eine schriftliche Mitteilung, in der es hieß:
„Das [HABM] weist Sie darauf hin, dass keine ergänzende Stellungnahme eingereicht werden kann.“
10
In einem Schriftsatz vom 8. Februar 2000 führte die Streithelferin u. a. aus, dass der von der Klägerin mit dem Verkauf von
Waren unter der älteren Marke erzielte Umsatz dem Verkauf von 459 Packungen entspreche und sich der gesamte Jahresumsatz der
Klägerin für 1998 auf 2,8 Mio. DM belaufe.
11
Mit schriftlicher Mitteilung vom 8. März 2000 wies das HABM die Klägerin und die Streithelferin unter Bezugnahme auf seine
schriftliche Mitteilung vom 24. Januar 2000 darauf hin, dass es den Inhalt des Schriftsatzes der Streithelferin vom 8. Februar
2000 bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen werde.
12
Mit Entscheidung vom 28. März 2000 (Entscheidung Nr. 601/2000) wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch gemäß Artikel
43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe nicht den Nachweis erbracht, dass
sie die ältere Marke im Sinne dieser Bestimmung ernsthaft benutzt habe. Die von der Klägerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung
sei weder von einer neutralen Person noch von einem unparteiischen Organ abgegeben worden und müsse daher von anderen Nachweisen
gestützt werden. Die anderen von der Klägerin vorgelegten Beweismittel enthielten nach Meinung der Widerspruchsabteilung keine
Angaben über Ort, Zeit oder Umfang der Benutzung der älteren Marke.
13
Am 23. Mai 2000 legte die Klägerin beim HABM nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 Beschwerde gegen die Entscheidung der
Widerspruchsabteilung ein.
14
Als Anlage zur Beschwerdebegründung vom 28. Juli 2000 legte die Klägerin Rechnungen für die Teilnahme an verschiedenen Messen
im Jahr 1998, die Miete von Ausstellungsständen sowie den Kauf von Etiketten und Werbematerial vor. Außerdem legte sie 15
Rechnungen über den Verkauf von Produkten unter der älteren Marke aus der Zeit vom 6. März 1998 bis 19. Mai 1998 vor. In diesen
Rechnungen sind die Namen der Käufer unkenntlich gemacht. Der diesen Rechnungen entsprechende Umsatz belief sich, soweit er
vor dem 11. Mai 1998 erzielt wurde, auf 2 753,84 DM.
15
In einem Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 wiederholte die Streithelferin unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 8. Februar
2000 die darin enthaltenen Behauptungen zum Umsatz der Klägerin. Das HABM leitete der Klägerin diesen Schriftsatz mit Schreiben
vom 24. Oktober 2000 zu und wies sie darauf hin, dass diese Mitteilung ausschließlich zu ihrer Information erfolge.
16
Mit Entscheidung vom 26. September 2001, die der Klägerin am 15. Oktober 2001 zugestellt wurde (im Folgenden: angefochtene
Entscheidung), wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde ab. Sie führte im Wesentlichen aus, dass sich der
relevante Zeitraum für die Prüfung der ernsthaften Benutzung der älteren Marke vom 12. Mai 1993 bis zum 11. Mai 1998 erstrecke
und die Klägerin nicht behaupte, die Marke vor 1998 benutzt zu haben. In Bezug auf die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers
der Klägerin war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass es nicht erforderlich sei, über deren Beweiswert zu entscheiden. Auch
wenn der darin angegebene Umsatz, der 1998 mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielt worden sei, als zutreffend
unterstellt werde, gehe aus der eidesstattlichen Versicherung nicht hervor, dass die Marke im relevanten Zeitraum ernsthaft
benutzt worden sei. Der Umsatz von 12 500 DM entspreche, selbst wenn er auf den relevanten Zeitraum bezogen werde, dem Verkauf
von nur gut 450 Packungen der betroffenen Produkte und sei im Vergleich zum gesamten Jahresumsatz der Klägerin, der sich 1998
auf 2,8 Mio. DM belaufen habe, sehr gering. Unter diesen Umständen könne unentschieden bleiben, ob die Klägerin die ältere
Marke dadurch, dass sie sie in einer anderen als der eingetragenen Form verwendet habe, überhaupt rechtserhaltend benutzt
habe.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
17
Die Klägerin beantragt,
–
die angefochtene Entscheidung und die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 28. März 2000 aufzuheben;
–
dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
18
Das HABM und die Streithelferin beantragen,
–
die Klage abzuweisen;
–
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
EntscheidungsgründeZur Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung
19
Die Klägerin beantragt Aufhebung sowohl der angefochtenen Entscheidung als auch der Widerspruchsentscheidung. Dieser Antrag
ist zulässig. Er ist auf Erlass derjenigen Entscheidung gerichtet, die die Beschwerdekammer nach Ansicht der Klägerin auf
die beim HABM eingelegte Beschwerde hätte erlassen müssen. Aus Artikel 62 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 ergibt
sich, dass die Beschwerdekammer die Entscheidung der Dienststelle des HABM, die zuerst entschieden hat, aufheben kann. Eine
solche Aufhebung gehört somit zu den Maßnahmen, die das Gericht aufgrund seiner Änderungsbefugnis nach Artikel 63 Absatz 3
der Verordnung Nr. 40/94 treffen kann (in diesem Sinne, in Bezug auf einen Antrag auf Zurückverweisung der Sache an den Prüfer,
Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache T-106/00, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], Slg. 2002, II-723, Randnr.
19, bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofes vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache C-150/02 P, Streamserve/HABM, noch
nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).
Zur Begründetheit
20
Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Artikel 43 Absätze
2 und 3 in Verbindung mit Artikel 15 der Verordnung Nr. 40/94 geltend. Mit dem zweiten Klagegrund wirft sie der Beschwerdekammer
vor, sie habe die von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismittel unberücksichtigt gelassen. Mit dem dritten Klagegrund
wird ein Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 gerügt. Mit dem vierten und dem fünften Klagegrund
werden eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht.
Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 43 Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Artikel 15 der Verordnung Nr. 40/94 und
zum Klagegrund einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
– Vorbringen der Parteien
21
Die Klägerin führt allgemein aus, der Begriff der ernsthaften Benutzung einer Marke sei dahin auszulegen, dass er jede Handlung
umfasse, die nach Art, Umfang und Dauer objektiv eine normale Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt darstelle. Der
Umfang, den eine solche Benutzung haben müsse, hänge von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Größe des betreffenden
Unternehmens und dessen Diversifizierungsgrad ab.
22
Im vorliegenden Fall hätte die Beschwerdekammer nach Ansicht der Klägerin bei ordnungsgemäßer Anwendung der von ihr aufgeführten
Beurteilungskriterien zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine ernsthafte Benutzung der älteren Marke vorgelegen habe. Im
relevanten Zeitraum habe die Klägerin in ganz Deutschland Produkte unter dieser Marke verkauft. Aus der eidesstattlichen Versicherung
ihres Geschäftsführers ergebe sich, dass der mit diesen Verkäufen erzielte Umsatz, auch wenn er wegen der Markteinführung
der betreffenden Produkte relativ gering gewesen sei, eine normale Benutzung der Marke mit dem Ziel der Schaffung eines Absatzmarktes
für diese Produkte beweise.
23
Außerdem sei der in der angefochtenen Entscheidung für das Jahr 1998 zugrunde gelegte Umsatz von 2,8 Mio. DM unrichtig.
24
Im Rahmen des Klagegrundes, mit dem eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird, rügt die Klägerin,
die Beschwerdekammer habe sie vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht über ihre Absicht informiert, diese Entscheidung
auf die Tatsache zu stützen, dass die Klägerin im relevanten Zeitraum unter der älteren Marke lediglich gut 450 Packungen
des Produktes verkauft habe. In ihrer Erwiderung führt sie aus, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung
den Inhalt des Schriftsatzes der Streithelferin vom 8. Februar 2000 berücksichtigt habe, obwohl die Widerspruchsabteilung
ihr mitgeteilt habe, dass dieser Schriftsatz nicht berücksichtigt werde.
25
Das HABM trägt vor, dass aus den verschiedenen Sprachfassungen der Artikel 43 Absatz 2 und 15 der Verordnung Nr. 40/94 hervorgehe,
dass der Begriff der ernsthaften Benutzung eine echte, wahre, tatsächliche oder wirkliche Benutzung erfordere. Die Benutzung
müsse demnach geeignet sein, die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden, und dürfe nicht lediglich
zur Erhaltung eines bestehenden Markenrechts erfolgen.
26
Die Frage, ob eine Marke im Einzelfall ernsthaft benutzt werde, sei im Wege einer Gesamtbeurteilung zu prüfen, bei der der
betreffende Markt, die normalen Vertriebsumstände für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die Produktions- bzw.
Vertriebskapazitäten des Markeninhabers sowie dessen Marktanteile zu berücksichtigen seien.
27
Zum vorliegenden Fall weist das HABM erstens darauf hin, dass nach den von der Klägerin vorgelegten Beweismitteln die Benutzung
der älteren Marke erst Anfang des Jahres 1998, also nur etwas mehr als vier Monate vor der Veröffentlichung der Markenanmeldung,
begonnen habe. Zweitens sei der Umsatz, der im relevanten Zeitraum mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielt
worden sei, nur geringfügig, was nicht allein darauf zurückgeführt werden könne, dass die Vermarktung der betreffenden Produkte
erst Anfang 1998 begonnen habe. Die Verkaufszahlen für das zweite Halbjahr 1998 seien nämlich geringer als die zu Beginn des
Jahres. Drittens sei der von der Klägerin mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielte Umsatz im Vergleich
zu ihrem gesamten Jahresumsatz von geringer Bedeutung.
28
Nach Ansicht des HABM hat die Beschwerdekammer auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör beachtet.
29
Die Streithelferin trägt vor, dass die Klägerin die ältere Marke nicht ernsthaft benutzt habe. Der Umsatz, den sie mit dem
Verkauf von Produkten unter dieser Marke erzielt habe, stelle allenfalls 0,75 % ihres gesamten Jahresumsatzes dar. In der
mündlichen Verhandlung hat die Streithelferin ausgeführt, selbst wenn man unterstelle, dass der in der eidesstattlichen Versicherung
des Geschäftsführers der Klägerin angegebene Umsatz aus dem Verkauf von mit der älteren Marke gekennzeichneten Produkten zutreffe,
seien von diesen Produkten im relevanten Zeitraum nur ungefähr 38 Packungen im Monat verkauft worden.
– Würdigung durch das Gericht
30
Wie sich aus der neunten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 40/94 ergibt, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass
der Schutz einer älteren Marke nur insoweit berechtigt ist, als sie tatsächlich benutzt worden ist. Im Einklang mit dieser
Begründungserwägung sieht Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 vor, dass der Anmelder einer Gemeinschaftsmarke
den Nachweis verlangen kann, dass die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung
der Marke, gegen die Widerspruch erhoben wird, in ihrem Schutzgebiet ernsthaft benutzt wurde (Urteil des Gerichts vom 12.
Dezember 2002 in der Rechtssache T-39/01, Kabushiki Kaisha Fernandes/HABM – Harrison [HIWATT], Slg. 2002, II-5233, Randnr.
34).
31
Nach Regel 22 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung
Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) hat sich der Nachweis der Benutzung auf Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Widerspruchsmarke
zu beziehen.
32
Bei der Auslegung des Begriffes der ernsthaften Benutzung ist zu berücksichtigen, dass der Normzweck des Erfordernisses, dass
die ältere Marke ernsthaft benutzt worden sein muss, um einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung entgegengehalten werden zu können,
darin besteht, Markenkonflikte zu begrenzen, soweit kein berechtigter wirtschaftlicher Grund vorliegt, der einer tatsächlichen
Funktion der Marke auf dem Markt entspringt (Urteil des Gerichts vom 12. März 2003 in der Rechtssache T-174/01, Goulbourn/HABM
– Redcats [Silk Cocoon], Slg. 2003, II-789, Randnr. 38). Dagegen zielt diese Bestimmung weder auf eine Bewertung des kommerziellen
Erfolges noch auf eine Überprüfung der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf ab, den Markenschutz nur umfangreichen
Verwertungen von Marken vorzubehalten.
33
Wie sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 11. März 2003 in der Rechtssache C-40/01 (Ansul, Slg. 2003, I-2439) zur Auslegung
von Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) – dessen normativer Inhalt im Wesentlichen dem des Artikels 43 der
Verordnung Nr. 40/94 entspricht – ergibt, wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die
Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren, benutzt wird, um für diese
Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die
allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (Urteil Ansul, Randnr. 43). Mit der Bedingung einer ernsthaften
Benutzung der Marke wird deswegen verlangt, dass die Marke so, wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich
und nach außen benutzt wird (Urteile Ansul, Randnr. 37, und Silk Cocoon, Randnr. 39).
34
Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche
Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt
angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen,
die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der
Marke (Urteil Ansul, Randnr. 43).
35
Bezüglich des Umfangs der Benutzung der älteren Marke sind insbesondere das Handelsvolumen aller Benutzungshandlungen sowie
die Länge des Zeitraums, in dem Benutzungshandlungen erfolgt sind, und die Häufigkeit dieser Handlungen zu berücksichtigen.
36
Bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Benutzung einer älteren Marke im konkreten Fall ist eine umfassende Beurteilung unter
Berücksichtigung aller relevanten Faktoren vorzunehmen. Diese Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen
den zu berücksichtigenden Faktoren. So kann ein geringes Volumen von unter der Marke vertriebenen Waren durch eine große Häufigkeit
oder zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem können der erzielte
Umsatz und die Zahl der unter der älteren Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang
mit anderen relevanten Faktoren wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem
Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den charakteristischen Merkmalen der Waren oder
Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die Benutzung der
älteren Marke nicht immer umfangreich zu sein braucht, um als ernsthaft eingestuft zu werden (Urteil Ansul, Randnr. 39).
37
Je begrenzter jedoch das Handelsvolumen der Markenverwertung ist, desto größer ist die Notwendigkeit, dass der Widerspruchsführer
ergänzende Angaben liefert, die etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung der betreffenden Marke ausräumen können.
38
Im Licht dieser Erwägungen ist die angefochtene Entscheidung zu prüfen.
39
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaftsmarkenanmeldung am 11. Mai 1998 veröffentlicht wurde und der in Artikel
43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 genannte Zeitraum von fünf Jahren demzufolge vom 11. Mai 1993 bis 10. Mai 1998
reicht (im Folgenden: maßgebender Zeitraum).
40
Aus Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 ergibt sich, dass von den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen nur
Marken erfasst werden, deren ernsthafte Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt wurde.
Einer Marke drohen diese Sanktionen daher schon dann nicht mehr, wenn sie während eines Teils des maßgebenden Zeitraums ernsthaft
benutzt wurde.
41
Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin nur behauptet, die ältere Marke ab Januar 1998 benutzt
zu haben. Die Beschwerdekammer hat daher die angefochtene Entscheidung zutreffend auf die Beurteilung der Benutzung gestützt,
die nach dem Vortrag der Klägerin in der Zeit von Anfang des Jahres 1998 bis zum 10. Mai 1998 erfolgt ist.
42
Die Beschwerdekammer hat, ohne dass dies in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich erwähnt ist, für ihre Beurteilung
nur die Druckschriften und die eidesstattliche Versicherung, die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegt wurden,
sowie die Stellungnahmen berücksichtigt, die die Streithelferin mit ihren Schriftsätzen vom 8. Februar und 9. Oktober 2000
eingereicht hat.
43
Zur eidesstattlichen Versicherung ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer die Frage, welchen Beweiswert sie hat,
ausdrücklich offen gelassen hat. Sie hat allerdings für ihre Prüfung den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung als wahr
unterstellt. Das Gericht hält es für angebracht, vorliegend von derselben Prämisse auszugehen.
44
Was sodann die von der Klägerin vorgelegten Druckschriften angeht, so hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass
sich ihnen keine Angaben zum Zeitraum der Verwendung der älteren Marke entnehmen ließen. Sie hielt es jedoch für möglich,
aus ihnen auf Art und Ort der Verwendung zu schließen, da das unter den Druckschriften befindliche Bestellformular ersichtlich
für den deutschen Markt bestimmt sei.
45
Bei der Prüfung, ob diese Verwendung als ernsthaft einzustufen ist, hat sich die Beschwerdekammer im Wesentlichen auf zwei
verschiedene Gesichtspunkte gestützt. Zunächst hat sie angenommen, dass der Umsatz von 12 500 DM – selbst wenn man unterstelle,
dass er vom 1. Januar bis 11. Mai 1998 und nicht vom 1. Januar bis 30. Juni 1998 erzielt worden sei – und der auf rund 450
Packungen geschätzte Umfang der Verkäufe für ein Produkt mittlerer Preislage zu gering seien. Sodann hat sie festgestellt,
dass der mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielte Umsatz, der ungefähr 0,75 % des auf 2,8 Mio. DM veranschlagten
gesamten Jahresumsatzes der Klägerin ausmache, unzureichend sei.
46
Aus den tatsächlichen Feststellungen der Beschwerdekammer ergibt sich, dass die Klägerin mit dem Verkauf von Produkten unter
der älteren Marke einen gewissen Umsatz erzielt hat. Die ältere Marke war somit Gegenstand von Benutzungshandlungen, die unter
Berücksichtigung der Situation in dem betreffenden Wirtschaftszweig objektiv geeignet waren, für die Waren, für die die Marke
eingetragen wurde, einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern.
47
Das Gericht stellt fest, dass es sich um einen geringen Umsatz handelt, der in einem relativ kurzen Zeitraum von viereinhalb
Monaten erzielt worden ist, der unmittelbar vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung lag.
48
Daher ist zu prüfen, ob Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Benutzung, die sich aus deren geringem Umfang oder deren Wiederaufnahme
gerade vor der Veröffentlichung der Markenanmeldung ergeben, auf der Grundlage der von den Parteien geltend gemachten Tatsachen
und Beweise begründet waren.
49
Zum Verhältnis des mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielten Umsatzes zum Jahresumsatz der Klägerin
ist darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeiten der Unternehmen, die auf ein und demselben Markt vertreten sind, einen unterschiedlichen
Diversifikationsgrad aufweisen. Außerdem zielt die Verpflichtung zum Nachweis der ernsthaften Benutzung einer älteren Marke
nicht darauf ab, die Geschäftsstrategie eines Unternehmens zu überprüfen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es für ein Unternehmen
in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv gerechtfertigt ist, eine Ware oder ein Warensortiment auch dann zu vermarkten, wenn
der Anteil dieser Waren am Jahresumsatz des betreffenden Unternehmens gering ist. Zudem entspricht bei einem Unternehmen von
bescheidener Größe ein geringer Prozentsatz vom Jahresumsatz einem geringen absoluten Betrag.
50
Daraus folgt, dass das Verhältnis des Gesamtumsatzes der Klägerin zu dem mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke
erzielten Umsatz für sich gesehen nur ein schwacher Anhaltspunkt ist und daher für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der
Benutzung dieser Marke nicht ausschlaggebend sein kann.
51
Zum Volumen der Verkäufe von Produkten unter der älteren Marke und zu dem in absoluten Zahlen ausgedrückten Umsatz, der damit
erzielt wurde, hat das HABM in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Beschwerdekammer der Ansicht gewesen sei, dass
Waren mittlerer Preislage in aller Regel in größerer Menge verkauft würden als Waren mit sehr hohem Preis. In der angefochtenen
Entscheidung wird darauf verwiesen, dass – in absoluten Zahlen ausgedrückt – schwache Umsatz- und Verkaufszahlen einer Ware
mittlerer oder niedriger Preislage auf eine nicht ernsthafte Benutzung der betreffenden Marke schließen ließen. Diese Erwägung
ist zwar an sich nicht falsch, doch ist sie unvollständig, wenn die charakteristischen Merkmale des relevanten Marktes nicht
berücksichtigt werden.
52
Die Klägerin hat dazu im Verfahren vor der Beschwerdekammer geltend gemacht, dass die unter der älteren Marke verkauften Produkte
nur in geringer Menge verwendet würden. Diese Behauptung ist von der Streithelferin im Beschwerdeverfahren nicht bestritten
worden. Sie wird außerdem durch die von der Klägerin vorgelegten Prospekte untermauert, die Angaben zur Dosierung der betreffenden
Produkte enthalten. Dieser Hinweis wird im Übrigen in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt, obwohl er den geringen
Umfang der Verkäufe unter der älteren Marke erklären konnte.
53
Die Beschwerdekammer hat auch nicht das sowohl in der Widerspruchsbegründung als auch in dem bei der Beschwerdekammer eingereichten
Schriftsatz enthaltene Vorbringen der Klägerin berücksichtigt, dass sie die Vermarktung der betreffenden Produkte wieder aufgenommen
habe und das Volumen des Handels mit diesen Produkten deshalb gering gewesen sei. Diese Angabe konnte aber für die Beurteilung
der Frage, ob die ältere Marke ernsthaft benutzt wurde, relevant sein, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der im zweiten
Halbjahr 1998 angeblich erzielte Umsatz geringer war als der im ersten Halbjahr erzielte. Es ist nämlich denkbar, dass die
Anfangsphase der Vermarktung einer Ware länger dauert als einige Monate.
54
Die Klägerin hat allerdings keinen Beweis vorgelegt, dass sich die unter der älteren Marke vertriebenen Produkte in der Markteinführungsphase
befanden, obwohl die Streithelferin dies – erstmals – in ihrem Schriftsatz vor der Beschwerdekammer vom 9. Oktober 2000 bestritten
hat, mit dem sie auf die Beschwerdeschrift geantwortet hat. Dieses Versäumnis konnte der Klägerin jedoch nur vorgeworfen werden,
wenn ihr ordnungsgemäß Gelegenheit gegeben worden war, auf den Schriftsatz der Streithelferin vom 9. Oktober 2000 zu reagieren.
Das Gericht stellt hierzu fest, dass sich aus den vom HABM übermittelten Akten ergibt, dass dieser Schriftsatz der Klägerin
mit Schreiben vom 24. Oktober 2000 mit dem Hinweis zugeleitet wurde, dass diese Mitteilung ausschließlich zur Information
erfolge. Was außerdem den Schriftsatz der Streithelferin vom 8. Februar 2000 betrifft, auf den diese in ihrem Schriftsatz
vom 9. Oktober 2000 Bezug genommen hat, so hatte die Widerspruchsabteilung des HABM die Klägerin mit Mitteilung vom 8. März
2000 darüber informiert, dass der Inhalt dieses Schriftsatzes vom 8. Februar 2000 nicht berücksichtigt werde. Folglich hatte
die Klägerin, da sie nicht aufgefordert wurde, zum Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 Stellung zu nehmen, keine Gelegenheit,
die Zweckmäßigkeit der Vorlage weitere Beweismittel zu beurteilen.
55
Diese Feststellung gilt auch für die Angaben zur absoluten Zahl der verkauften Erzeugnisse und zum behaupteten gesamten Jahresumsatz
der Klägerin, die im Schriftsatz der Streithelferin vom 8. Februar 2000 enthalten sind (Randnr. 10 des vorliegenden Urteils)
und die die Streithelferin in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 in Bezug genommen und die Beschwerdekammer in der angefochtenen
Entscheidung berücksichtigt hat.
56
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Regel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2868/95, wonach der Nachweis der Benutzung der
älteren Marke innerhalb der dem Widersprechenden vom HABM gesetzten Frist zu erbringen ist und der Widerspruch zurückgewiesen
wird, wenn die Beweismittel nicht fristgemäß vorgelegt werden, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass diese Vorschrift der
Berücksichtigung zusätzlicher Beweismittel im Hinblick auf neu zutage getretene Gesichtspunkte entgegenstünde, und zwar auch
dann nicht, wenn die Beweismittel nach Ablauf dieser Frist vorgelegt werden.
57
Da die Verordnung Nr. 2868/95 von der Kommission nach Artikel 140 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 erlassen wurde, sind ihre
Vorschriften nämlich im Einklang mit der letztgenannten Verordnung auszulegen. Dabei sind insbesondere die Artikel 43 Absatz
1 und 74 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 zu berücksichtigen. Artikel 43 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt, dass
das HABM bei der Prüfung des Widerspruchs die Beteiligten so oft wie erforderlich auffordert, innerhalb einer von ihm zu bestimmenden
Frist eine Stellungnahme zu seinen Bescheiden oder zu den Schriftsätzen anderer Beteiligter einzureichen. Artikel 74 Absatz
2 der Verordnung Nr. 40/94, wonach das HABM Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden,
nicht zu berücksichtigen braucht, räumt den Dienststellen des HABM ein Ermessen im Hinblick auf die Berücksichtigung von nach
Ablauf der Frist vorgelegten Beweismitteln ein.
58
Nach alledem stellt das Gericht fest, dass die Beschwerdekammer bei der Beurteilung, ob die Benutzung der älteren Marke als
ernsthaft einzustufen war, nicht alle relevanten Kriterien berücksichtigt hat. Außerdem hat sie sich auf eine unvollständige
tatsächliche Grundlage gestützt, weil sie die Klägerin nicht aufgefordert hat, zu den neuen Tatsachen und Argumenten Stellung
zu nehmen, die die Streithelferin in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 angeführt hat, d. h. zum angeblichen gesamten Jahresumsatz
der Klägerin, zum Vorbringen in Bezug auf die Menge der verkauften Produkte und zu dem Vorbringen, mit dem die Streithelferin
die Behauptung der Klägerin bestritten hat, dass sich die mit der älteren Marke gekennzeichneten Produkte in der Markteinführungsphase
befunden hätten.
59
Daraus folgt, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist, ohne dass über die übrigen Klagegründe entschieden zu werden
braucht.
Zum Antrag auf Änderung der angefochtenen Entscheidung
60
Zur Begründung dieses Antrags wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, dass sie die Entscheidung der Widerspruchsabteilung
nicht aufgehoben habe, soweit diese davon ausgegangen sei, dass eine eidesstattliche Versicherung eines Geschäftsführers des
Inhabers der älteren Marke kein hinreichendes Beweismittel darstellen könne.
61
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die funktionelle Kontinuität innerhalb des HABM bedeutet, dass die Beschwerdekammer zu
einer neuen Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Beweise verpflichtet ist. Führt diese Prüfung zu einem anderen Ergebnis
als dem der Dienststelle, die zuerst entschieden hat, so kann die Beschwerdekammer nach Artikel 62 Absatz 1 der Verordnung
Nr. 40/94 entweder über den Widerspruch entscheiden oder die Sache an die Widerspruchsabteilung zurückverweisen.
62
Die Beschwerdekammer hätte demnach, auch wenn man dem Vorbringen der Klägerin, wie es oben in Randnummer 60 dargestellt ist,
folgte, selbst über den Widerspruch entscheiden oder die Sache an die Widerspruchsabteilung zurückverweisen können.
63
Das Gericht würde aber mit einer Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung die angefochtene Entscheidung ändern.
Diese in Artikel 63 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehene Möglichkeit ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die
Sache entscheidungsreif ist (Urteil des Gerichts vom 2. Juli 2002 in der Rechtssache T-323/00, SAT.1/HABM [SAT.2], Slg. 2002,
II-2839, Randnr. 18; gegen dieses Urteil ist Rechtsmittel eingelegt worden). Dies setzt voraus, dass das Gericht anhand der
ihm vorgelegten Beweismittel die Entscheidung treffen kann, die die Beschwerdekammer nach den vorliegend anwendbaren Vorschriften
zu treffen hatte. Aus der vorstehenden Randnummer ergibt sich, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt
ist.
64
Demnach kommt eine Änderung der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht nicht in Betracht.
Kosten
65
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu
verurteilen. Nach Artikel 87 § 4 Unterabsatz 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine
eigenen Kosten trägt.
66
Im vorliegenden Fall ist die Streithelferin in gleicher Weise unterlegen wie das HABM. Die Klägerin hat jedoch nicht beantragt,
der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen, und das HABM ist dem Antrag, ausschließlich ihm die Kosten der Klägerin aufzuerlegen,
nicht entgegengetreten.
67
Daher ist zu entscheiden, dass das HABM neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Klägerin trägt und dass die Streithelferin
ihre eigenen Kosten trägt.
Aus diesen Gründen
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom
26. September 2001 (Sache R 578/2000-4) wird aufgehoben.
2.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.
Das HABM trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin.
4.
Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.
Forwood
Pirrung
Meij
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2004.