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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62022CJ0270

    Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 30. November 2023.
    G. D. u. a. gegen Ministero dell'Istruzione und Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS).
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale ordinario di Ravenna.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB‑UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragraf 4 – Öffentlicher Sektor – Lehrkräfte – Einstellung befristet beschäftigter Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst im Wege eines Einstellungsverfahrens auf der Grundlage von Befähigungsnachweisen – Bestimmung des Dienstalters.
    Rechtssache C-270/22.

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2023:933

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

    30. November 2023 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB‑UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragraf 4 – Öffentlicher Sektor – Lehrkräfte – Einstellung befristet beschäftigter Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst im Wege eines Einstellungsverfahrens auf der Grundlage von Befähigungsnachweisen – Bestimmung des Dienstalters“

    In der Rechtssache C‑270/22

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale ordinario di Ravenna (Gericht Ravenna, Italien) mit Entscheidung vom 21. April 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 2022, in dem Verfahren

    G. D.,

    A. R.,

    C. M.

    gegen

    Ministero dell’Istruzione,

    Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS)

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter), P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,

    Generalanwältin: J. Kokott,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von G. D., A. R. und C. M., vertreten durch D. Naso, Avvocato,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Fiandaca und F. Sclafani, Avvocati dello Stato,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Recchia und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 4 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB‑UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen G. D., A. R. und C. M. (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens) auf der einen Seite und dem Ministero dell’Istruzione (Bildungsministerium, Italien) und dem Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS) (Nationales Institut für Sozialfürsorge [INPS], Italien) auf der anderen Seite über die Berechnung der Dienstzeit der Kläger des Ausgangsverfahrens zum Zeitpunkt ihrer Verbeamtung durch das Ministerium.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 lautet:

    „Die Unterzeichnerparteien wollten eine Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge schließen, welche die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge und Beschäftigungsverhältnisse niederlegt. Sie haben ihren Willen bekundet, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse verhindert.“

    4

    Im dritten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung heißt es:

    „Die Vereinbarung legt die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge in der Erkenntnis nieder, dass bei ihrer genauen Anwendung die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und saisonalen Situation berücksichtigt werden müssen. Sie macht den Willen der Sozialpartner deutlich, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert und die Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge auf einer für Arbeitgeber und Arbeitnehmer akzeptablen Grundlage ermöglicht.“

    5

    Paragraf 1 der Rahmenvereinbarung bestimmt:

    „Diese Rahmenvereinbarung soll:

    a)

    durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern;

    b)

    einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse verhindert.“

    6

    Paragraf 2 der Rahmenvereinbarung sieht vor:

    „1.

    Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.

    2.

    Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner können vorsehen, dass diese Vereinbarung nicht gilt für:

    a)

    Berufsausbildungsverhältnisse und Auszubildendensysteme/Lehrlingsausbildungssysteme;

    b)

    Arbeitsverträge und ‑verhältnisse, die im Rahmen eines besonderen öffentlichen oder von der öffentlichen Hand unterstützten beruflichen Ausbildungs‑, Eingliederungs- oder Umschulungsprogramms abgeschlossen wurden.“

    7

    Paragraf 3 der Rahmenvereinbarung lautet:

    „Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

    1.

    ‚befristet beschäftigter Arbeitnehmer‘ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.

    2.

    ‚vergleichbarer Dauerbeschäftigter‘ ein Arbeitnehmer desselben Betriebs mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Qualifikationen/Fertigkeiten angemessen zu berücksichtigen sind.

    Ist in demselben Betrieb kein vergleichbarer Dauerbeschäftigter vorhanden, erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrags oder in Ermangelung eines solchen gemäß den einzelstaatlichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten.“

    8

    Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung bestimmt:

    „1.

    Befristet beschäftige Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

    2.

    Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro‑rata‑temporis-Grundsatz.

    3.

    Die Anwendungsmodalitäten dieser Bestimmung werden von den Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner und/oder von den Sozialpartnern unter Berücksichtigung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der einzelstaatlichen gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen und Gepflogenheiten festgelegt.

    4.

    In Bezug auf bestimmte Beschäftigungsbedingungen gelten für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Betriebszugehörigkeitszeiten wie für Dauerbeschäftigte, es sei denn, unterschiedliche Betriebszugehörigkeitszeiten sind aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.“

    Italienisches Recht

    9

    Art. 4 Abs. 3 des Decreto del Presidente della Repubblica n. 399 -Norme risultanti dalla disciplina prevista dall’accordo per il triennio 1988-1990 del 9 giugno 1988 relativo al personale del comparto scuola (Dekret Nr. 399 des Präsidenten der Republik – Vorschriften zur Vereinbarung vom 9. Juni 1988 über das Personal im Schuldienst für den Dreijahreszeitraum 1988–1990) vom 23. August 1988 (GURI Nr. 213 vom 10. September 1988, Supplemento ordinario Nr. 85, im Folgenden: Präsidialdekret Nr. 399/1988) bestimmt:

    „Nach Abschluss des sechzehnten Dienstjahrs bei Lehrern der Sekundarstufe II, die einen Hochschulabschluss haben, des achtzehnten Dienstjahrs bei administrativen Koordinatoren, Kindergartenerziehern, Grundschullehrern, Lehrern der Sekundarstufe I und Lehrern der Sekundarstufe II, die keinen Hochschulabschluss haben, des zwanzigsten Dienstjahrs bei Hilfskräften und Mitarbeitern, des vierundzwanzigsten Dienstjahrs bei Lehrern an Musikkonservatorien und ‑akademien wird das nur für finanzielle Zwecke relevante Dienstalter für die Zuweisung der nächsthöheren Gehaltsstufen vollständig berücksichtigt.“

    10

    Art. 485 des Decreto legislativo Nr. 297 – Approvazione del testo unico delle disposizioni legislative vigenti in materia di istruzione, relative alle scuole di ogni ordine e grado (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 297 – Billigung des Einheitstexts der für das Unterrichtswesen und alle Schulformen und ‑stufen geltenden Rechtsvorschriften) vom 16. April 1994 (GURI Nr. 115 vom 19. Mai 1994, Supplemento ordinario Nr. 79, im Folgenden: Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 297/1994) sieht vor:

    „1.   Die ersten vier Jahre der von Lehrkräften an staatlichen und staatlich anerkannten weiterführenden Schulen und Kunstschulen, auch solchen im Ausland, als außerplanmäßige Lehrkräfte geleisteten Dienste werden für rechtliche und finanzielle Zwecke vollständig als Beschäftigung auf einer Planstelle anerkannt, die etwaige darüber hinausgehende Zeit zu zwei Dritteln und – für rein finanzielle Zwecke – zum Restdrittel. Die sich aus dieser Anerkennung ergebenden finanziellen Rechte bleiben bestehen und werden in allen weiteren Gehaltsstufen zugrunde gelegt, die auf die zum Zeitpunkt der Anerkennung zugewiesene Gehaltsstufe folgen.

    2.   Für dieselben Zwecke und in demselben Umfang wie in Abs. 1 wird dem dort genannten Personal der Dienst an Schulen staatlicher Mädcheninternate und der Dienst als Grundschullehrkraft auf einer Planstelle und außerplanmäßig an staatlichen Grundschulen oder Ersatzschulen, einschließlich der Schulen der genannten Internate und der Schulen im Ausland, sowie an Volksschulen, subventionierten Schulen oder Hilfsschulen anerkannt.

    3.   Dem Lehrpersonal der Grundschulen wird für dieselben Zwecke und innerhalb derselben in Abs. 1 festgelegten Grenzen der Dienst als außerplanmäßige Lehrkraft an staatlichen Grundschulen, Grundschulen staatlicher Mädcheninternate oder Ersatzschulen, staatlichen und staatlich anerkannten weiterführenden Schulen und Kunstschulen, Volksschulen, subventionierten Schulen oder Hilfsschulen sowie als Lehrkraft auf einer Planstelle und außerplanmäßig an staatlichen oder kommunalen Vorschulen anerkannt.“

    11

    Art. 489 des Decreto legislativo Nr. 297/1994 bestimmt:

    „1.   Für die Zwecke der Anerkennung im Sinne der vorstehenden Artikel gilt eine Lehrtätigkeit als ein volles Schuljahr, wenn sie die Dauer hatte, die in der zum Zeitpunkt ihrer Ausübung geltenden Schulordnung für die Gültigkeit des Jahres vorgesehen ist.

    2.   Zeiten bezahlten Urlaubs und Mutterschaftsurlaubs werden in die Berechnung des anzuerkennenden Zeitraums einbezogen.“

    12

    Art. 11 Abs. 14 der Legge n. 124 – Disposizioni urgenti in materia di personale scolastico (Gesetz Nr. 124 – Dringlichkeitsvorschriften im Bereich des Schulpersonals) vom 3. Mai 1999 (GURI Nr. 107 vom 10. Mai 1999, im Folgenden: Gesetz Nr. 124/1999) lautet:

    „Art. 489 Abs. 1 des [Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994] ist so zu verstehen, dass die bisherige Tätigkeit als außerplanmäßige Lehrkraft ab dem Schuljahr 1974/75 als ein volles Schuljahr gilt, wenn sie mindestens 180 Tage gedauert hat oder vom 1. Februar ununterbrochen bis zum Ende der Abschlussprüfungen ausgeübt wurde.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    13

    Die Kläger des Ausgangsverfahrens arbeiteten als Lehrkräfte auf der Grundlage mehrerer befristeter Verträge unterschiedlicher Art und Dauer, bevor sie nach einem Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen verbeamtet wurden, und zwar am 1. September 2015 im Fall der Vorschullehrerinnen G. D. und C. M. und am 1. September 2011 im Fall des Lehrers der Sekundarstufe II A. R.

    14

    Im Hinblick auf die Anerkennung des nach den früheren befristeten Verträgen erreichten Dienstalters nahm das Bildungsministerium die Wiederherstellung der Laufbahn der Kläger des Ausgangsverfahrens gemäß Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 vor, indem es das Dienstalter bei G. D. mit fünf Jahren und vier Monaten, bei C. M mit acht Jahren und acht Monaten und bei A. R. mit 13 Jahren und vier Monaten ansetzte.

    15

    Da die Kläger des Ausgangsverfahrens der Ansicht waren, dass das Ministerium unter Verstoß gegen Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung ein geringeres Dienstalter angesetzt habe als ihr tatsächliches Dienstalter, beantragten sie beim vorlegenden Gericht, dem Tribunale ordinario di Ravenna (Gericht Ravenna, Italien), ihnen ein Dienstalter von fünf Jahren, elf Monaten und acht Tagen für G. D., von zehn Jahren, fünf Monaten und 18 Tagen für C. M. und von 18 Jahren, sechs Monaten und einem Tag für A. R. sowie die entsprechenden Gehaltszuschläge zuzuerkennen und die Sozialbeiträge und ‑abgaben entsprechend zu berichtigen.

    16

    In diesem Zusammenhang beantragten die Kläger des Ausgangsverfahrens unter Berufung auf die mit dem Urteil Nr. 31149 der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) vom 28. November 2019 begründete Rechtsprechung, dass bei der Berechnung ihres Dienstalters jeder Arbeitstag berücksichtigt werde, genauso wie dies bei unbefristet beschäftigten Lehrkräften der Fall sei.

    17

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) in diesem Urteil unter Heranziehung des Urteils vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), entschieden habe, dass Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 gegen Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung verstoße und folglich unangewendet bleiben müsse, wenn das Dienstalter von befristet beschäftigten Lehrkräften, die verbeamtet würden, in Anwendung der Kriterien von Art. 485 in Verbindung mit Art. 489 dieses Gesetzesvertretenden Dekrets, ergänzt durch Art. 11 Abs. 14 des Gesetzes Nr. 124/1999, niedriger sei als dasjenige, das einer vergleichbaren Lehrkraft zuerkannt würde, die von Anfang an festangestellt gewesen sei.

    18

    Diese Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) habe zum einen zu Divergenzen in der nationalen Rechtsprechung geführt. Zum anderen habe der Gerichtshof im Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), die Vereinbarkeit von Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets, um den es in jener Rechtssache gegangen sei, mit Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung endgültig festgestellt, obwohl bestimmte Randnummern dieses Urteils in einem anderen Sinne verstanden werden könnten und der Gerichtshof nicht alle Aspekte der in jener Rechtssache fraglichen nationalen Rechtsvorschriften berücksichtigt habe.

    19

    Sollte es sich nicht um eine endgültige Feststellung handeln, ist das vorlegende Gericht zunächst der Ansicht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung über die Wiederherstellung der beruflichen Laufbahn von Lehrkräften es ermöglicht habe, ein komplexes Gleichgewicht zwischen den gegensätzlichen Interessen der festangestellten und der prekär beschäftigten Lehrer sowie der verschiedenen Kategorien von befristet beschäftigten Lehrkräften herzustellen, und dass diese Regelung nicht zwingend zu diskriminierenden Ergebnissen führe. Insbesondere erweise sich die Anrechnung des Dienstalters, die diese Regelung nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums, nämlich nach 18 Jahren für die Kläger des Ausgangsverfahrens, erlaube, häufig letztlich als günstig für befristet beschäftigte Lehrer, die verbeamtet würden.

    20

    Sodann fragt das vorlegende Gericht nach der Vergleichbarkeit von Unterrichtsleistungen, die unbefristet oder aber befristet, jedoch über einen längeren Zeitraum erbracht würden, was eine pädagogische Kontinuität bedeute, mit Unterrichtsleistungen, die – wie es bei einigen der Lehraufträgen der Klägern des Ausgangsverfahrens in der Zeit vor ihrer Verbeamtung der Fall gewesen sei – befristet und bruchstückhaft anlässlich kurzer und gelegentlicher Vertretungen nach Bedarf erbracht würden und die es nicht ermöglichten, die gleiche Erfahrung zu erwerben.

    21

    Es müsse auch die Erheblichkeit dieser Gesichtspunkte geprüft werden, um beurteilen zu können, ob sich eine etwaige Benachteiligung im Sinne von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung durch „sachliche Gründe“ im Sinne dieser Bestimmung rechtfertigen lasse.

    22

    Da sich der italienische Gesetzgeber dafür entschieden habe, bei der Berechnung des Dienstalters für ein Schuljahr die Arbeitszeiten nicht zu berücksichtigen, stelle sich schließlich die Frage, wie sich der in Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung vorgesehene Pro‑rata‑temporis-Grundsatz auf diesen günstigen Aspekt der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften auswirke.

    23

    Unter diesen Umständen hat das Tribunale di Ravenna (Gericht Ravenna) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Verlangt das Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), die Nichtanwendung der innerstaatlichen Regelungen über die Anrechnung bisheriger Dienstzeiten bei der Festlegung des Dienstalters anlässlich der Festanstellung (sogenannte „Wiederherstellung der Laufbahn“) von Lehrkräften, soweit diese im konkreten Einzelfall keine Besserstellung bisher prekär beschäftigter Lehrkräfte bei der „Wiederherstellung der Laufbahn“ nach Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 und den damit zusammenhängenden Regelungen bewirken? Oder hat der Gerichtshof im Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), in allgemeiner und abstrakter Weise und damit im Hinblick auf jeden denkbaren Einzelfall die Vereinbarkeit der „Wiederherstellung der Laufbahn“ nach den innerstaatlichen Regelungen mit Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung festgestellt, so dass das innerstaatliche Gericht Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 und die damit zusammenhängenden Regelungen nicht unangewendet lassen muss, soweit diese in diesem Punkt für mit dem Unionsrecht vereinbar befunden wurden?

    2.

    Falls die erste Frage zu verneinen ist (d. h., nur falls die selektive Nichtanwendung von Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 unionsrechtlich geboten wäre und eine Besserstellung bewirken würde): Ist Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen, dass er an innerstaatliche Regelungen die Anforderung stellt, die bisherige zeitweilige Tätigkeit einer nunmehr fest angestellten Lehrkraft im Rahmen von befristeter Beschäftigung bei der Festlegung des Dienstalters gleichzubehandeln, ohne eine Mindestzahl von Arbeitstagen pro Schuljahr vorauszusetzen? Oder ist umgekehrt eine innerstaatliche Regelung mit Paragraf 4 vereinbar, die die Anerkennung der bisherigen Tätigkeit von befristet beschäftigten Lehrkräften mit zeitweiligem Charakter (kurze und gelegentliche Vertretungen) ausschließt, sofern diese pro Schuljahr nicht mindestens 180 Tage lang oder vom 1. Februar bis zum Ende der Abschlussprüfungen ausgeübt wurde (Art. 11 Abs. 14 des Gesetzes Nr. 124/1999)?

    3.

    Falls die erste Frage zu verneinen ist (d. h., nur falls die selektive Nichtanwendung von Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 unionsrechtlich geboten wäre und eine Besserstellung bewirken würde): Verlangt Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung, dass die bisherige Tätigkeit im Rahmen von befristeter Beschäftigung mit einer geringeren Stundenzahl als der, die im Fall der Tätigkeit im Rahmen von unbefristeter Beschäftigung festgelegt ist, im Hinblick auf die Dienstzeiten mit jener gleichbehandelt wird, sobald diese Lehrkraft fest angestellt wird? Falls die vorherige Frage verneint wird: Ab welcher Mindeststundenzahl (z. B. der einer unbefristet in Teilzeit beschäftigten Lehrkraft) würde Paragraf 4 eine solche Anerkennung nach innerstaatlichem Recht vorschreiben?

    Ist, unter einem anderen, spiegelbildlichen Blickwinkel, eine innerstaatliche Rechtsvorschrift mit Paragraf 4 vereinbar, die für die Anerkennung von Dienstzeiten als außerplanmäßige Lehrkraft einer nunmehr fest angestellten Lehrkraft die bisherige Tätigkeit in Form von „Restaufträgen“ unterhalb der geltenden wöchentlichen Mindeststundenzahl für eine vergleichbare unbefristet in Teilzeit beschäftigte Lehrkraft nicht berücksichtigt?

    Falls die letzte Teilfrage zu verneinen ist: Ist es mit Paragraf 4 vereinbar, wenn eine innerstaatliche Rechtsvorschrift für die Anerkennung von Dienstzeiten einer nunmehr fest angestellten Lehrkraft die bisherige Tätigkeit als außerplanmäßige Lehrkraft in Form von „Restaufträgen“ unterhalb der geltenden wöchentlichen Mindeststundenzahl für eine vergleichbare unbefristet in Teilzeit beschäftigte Lehrkraft nach dem Pro‑rata‑temporis-Grundsatz berücksichtigt?

    Zum Antrag auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens

    24

    Das vorlegende Gericht hat beantragt, die vorliegende Rechtssache dem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

    25

    Zur Stützung seines Antrags hat es auf die seit dem Urteil Nr. 31149 der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) vom 28. November 2019 bestehende Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Auslegung des Unionsrechts, die Gefahr einer Beeinträchtigung der Erfordernisse einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts und die große Zahl der von den Vorlagefragen betroffenen Rechtsstreitigkeiten, die bei den italienischen Gerichten anhängig seien, verwiesen.

    26

    Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden kann, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

    27

    Was zunächst die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Tragweite des Unionsrechts in Erwartung der Antwort des Gerichtshofs auf die Vorlagefragen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das beschleunigte Verfahren nach Art. 105 Abs. 1 ein Verfahrensinstrument ist, mit dem auf eine außerordentliche Dringlichkeitssituation reagiert werden soll (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 31. August 2010, UEFA und British Sky Broadcasting, C‑228/10, EU:C:2010:474, Rn. 6, vom 20. Dezember 2017, M. A. u. a.,C‑661/17, EU:C:2017:1024, Rn. 17, und vom 18. Januar 2019, Adusbef u. a.,C‑686/18, EU:C:2019:68, Rn. 11).

    28

    Das bloße – wenn auch legitime – Interesse der Rechtsuchenden daran, den Umfang der ihnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte möglichst schnell zu klären, ist jedoch nicht geeignet, das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne von Art. 105 Abs. 1 zu belegen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. März 2018, Vitali,C‑63/18, EU:C:2018:199, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    29

    Was sodann die Gefahr einer Beeinträchtigung der Erfordernisse einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Bedeutung der Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung der zur Unionsrechtsordnung gehörenden Bestimmungen in der Europäischen Union jedem Ersuchen nach Art. 267 AEUV immanent ist und für sich allein nicht ausreichen kann, um eine Dringlichkeit zu begründen, die es rechtfertigen würde, das Vorabentscheidungsersuchen einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. September 2018, Lexitor (C‑383/18, EU:C:2018:769, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    30

    Was schließlich die Tatsache betrifft, dass die aufgeworfenen Fragen Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten in Italien sind, ist darauf hinzuweisen, dass die beträchtliche Zahl von Personen oder Rechtsverhältnissen, die möglicherweise von der Vorlagefrage betroffen ist, als solche keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann, der die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens rechtfertigen könnte (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. September 2018, Lexitor,C‑383/18, EU:C:2018:769, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    31

    Der Präsident des Gerichtshofs hat daher am 30. Juni 2022 nach Anhörung des Berichterstatters und der Generalanwältin entschieden, dem Antrag nicht stattzugeben.

    Zu den Vorlagefragen

    Zur Zulässigkeit

    32

    Die italienische Regierung macht geltend, die Vorlagefragen seien unzulässig. Das mit der ersten Frage aufgeworfene Problem sei nämlich hypothetisch, da sich die Zweifel des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der Auslegung des im Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), aufgestellten Grundsatzes allein aus der Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) und damit aus einer Uneinheitlichkeit der nationalen Rechtsprechung ergäben, die sich mit in der innerstaatlichen Rechtsordnung vorhandenen Mitteln ausräumen lasse. Die zweite und die dritte Frage seien nur dann zu prüfen, wenn die Antwort auf die erste Frage dazu führe, dass über diesen Grundsatz „hinausgegangen“ werde. Somit werde auch mit der zweiten und der dritten Frage ein hypothetisches Problem aufgeworfen. Die zweite Frage beziehe sich überdies nicht auf eine Ungleichbehandlung befristet und unbefristet beschäftigter Lehrkräfte, sondern auf eine unterschiedliche Behandlung von zwei Gruppen befristet beschäftigter Lehrkräfte danach, ob sie die Schwellenwerte, die in den im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften festgelegt seien, erreicht hätten oder nicht.

    33

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen die vorgelegten Fragen daher die Auslegung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 19. Dezember 2019, Darie, C‑592/18, EU:C:2019:1140, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    34

    Hieraus folgt, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in den rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Vorabentscheidungsersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 19. Dezember 2019, Darie,C‑592/18, EU:C:2019:1140, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    35

    Im vorliegenden Fall erläutert das vorlegende Gericht im Vorabentscheidungsersuchen, dass trotz der vom Gerichtshof im Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), vorgenommenen Auslegung von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung divergierende Entscheidungen der nationalen Gerichte zur Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften mit dieser Bestimmung ergingen. Der Gerichtshof habe in dem Urteil nicht alle Aspekte dieser nationalen Rechtsvorschriften berücksichtigt. In Fällen wie dem der Kläger des Ausgangsverfahrens bestünden daher Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung, so dass für die Entscheidung des anhängigen Rechtsstreits eine Beantwortung der ersten Frage sowie gegebenenfalls der zweiten und der dritten Frage, die hilfsweise gestellt worden seien, erforderlich sei.

    36

    Das mit den Vorlagefragen aufgeworfene Problem ist daher nicht hypothetisch.

    37

    Die mit der zweiten Frage erbetene Auslegung von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung steht außerdem in einem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits. In diesem Rechtsstreit wenden sich die Kläger des Ausgangsverfahrens nämlich gegen die Methode zur Berechnung des Dienstalters, die bei ihrer Verbeamtung hinsichtlich des Zeitraums, in dem sie als Lehrkräfte mit befristeten Verträgen beschäftigt waren, angewandt wurde, im Vergleich zu der Methode, die angewandt worden wäre, wenn sie von Anfang an festeingestellt worden wären. Außerdem enthält das Vorabentscheidungsersuchen die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für die Beantwortung dieser Frage erforderlich sind.

    38

    Folglich sind die Vorlagefragen zulässig.

    Rechtliche Würdigung

    39

    Zunächst ist festzustellen, dass es, wie das vorlegende Gericht ausführt, in der Rechtssache, in der das Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), ergangen ist, um Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 ging, der auf die Kläger des Ausgangsverfahrens anwendbar ist und nach ihrer Ansicht gegen Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung verstößt.

    40

    In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung nationalen Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass zum Zweck der Einstufung eines Arbeitnehmers in eine Vergütungsgruppe bei seiner Einstellung als Berufsbeamter auf der Grundlage von Befähigungsnachweisen die im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zurückgelegten Dienstzeiten bis zu vier Jahren vollständig und darüber hinaus teilweise – zu zwei Dritteln – angerechnet werden, grundsätzlich nicht entgegensteht.

    41

    Das vorlegende Gericht führt jedoch aus, dass der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), ergangen sei, nicht über alle Informationen zu den im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften verfügt habe. Insoweit verweist es in der Vorlageentscheidung auf die in Art. 4 Abs. 3 des Präsidialdekrets Nr. 399/1988 vorgesehene nachträgliche Anrechnung sowie auf die Regelung in Art. 489 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 in der durch Art. 11 Abs. 14 des Gesetzes Nr. 124/1999 ergänzten Fassung, wonach von einer befristet beschäftigten Lehrkraft geleistete Unterrichtszeiten, die kürzer als ein Schuljahr sind, für die Berechnung des Dienstalters nur dann einem vollem Schuljahr gleichgestellt werden, wenn sie sich über mindestens 180 Tage oder vom 1. Februar ununterbrochen bis zum Ende der Abschlussprüfungen erstreckt haben.

    42

    Soweit sich das vorlegende Gericht im Übrigen fragt, ob der Gerichtshof in dem Urteil die Vereinbarkeit dieser nationalen Rechtsvorschriften mit Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung endgültig beurteilt habe, so dass es einem nationalen Gericht nicht mehr möglich sei, in einem konkreten Fall festzustellen, dass ein Verstoß gegen diese Bestimmung vorliege, und die nationalen Rechtsvorschriften gegebenenfalls unangewendet zu lassen, ist diese Auffassung zurückzuweisen.

    43

    Im Rahmen eines nach Art. 267 AEUV eingeleiteten Verfahrens ist die Auslegung der nationalen Vorschriften nämlich Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht des Gerichtshofs, und es kommt diesem nicht zu, sich zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit den Bestimmungen des Unionsrechts zu äußern. Der Gerichtshof ist nur befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem Gericht ermöglichen, die Vereinbarkeit solcher Vorschriften mit dem Unionsrecht zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2022, Ligue des droits humains, C‑817/19, EU:C:2022:491, Rn. 240 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    44

    Überdies ist ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat und eine nationale Regelung nicht im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts auslegen kann, nach dem Grundsatz des Vorrangs verpflichtet, für die volle Wirksamkeit der Anforderungen des Unionsrechts in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – nationale Regelung oder Praxis, die einer Bestimmung des Unionsrechts mit unmittelbarer Wirkung entgegensteht, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2022, Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld [Unmittelbare Wirkung], C‑205/20, EU:C:2022:168, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    45

    In Anbetracht der Verteilung der Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof hat sich dieser darauf beschränkt, dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache, in der das Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), ergangen ist, Hinweise zur Auslegung von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung zu geben, und zwar – wie in den Rn. 35, 48, 49 und 53 des Urteils ausgeführt – im Hinblick auf den vom vorlegenden Gericht beschriebenen rechtlichen und sachlichen Rahmen und vorbehaltlich der Überprüfungen, die in die alleinige Zuständigkeit dieses Gerichts fallen. Der Gerichtshof hat im Tenor des Urteils zudem das Wort „grundsätzlich“ verwendet.

    46

    Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt, dass einige der von den Klägern des Ausgangsverfahrens als befristet Beschäftigte zurückgelegten Dienstzeiten nicht die Schwellenwerte erreicht haben, die in den in Rn. 41 des vorliegenden Urteils genannten nationalen Rechtsvorschriften festgelegt sind, also sich nicht über mindestens 180 Tage pro Schuljahr oder vom 1. Februar ununterbrochen bis zum Ende der Abschlussprüfungen erstreckt haben; dies ist anders als bei der in der Rechtssache, in der das Urteil vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), ergangen ist, in Rede stehenden Klägerin, die, wie in Rn. 8 des Urteils ausgeführt, in der Zeit vor ihrer Verbeamtung auf der Grundlage von Verträgen tätig war, die jeweils auf ein Jahr befristet waren.

    47

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass die von den befristet beschäftigten Lehrkräften erbrachten Leistungen nach diesen Rechtsvorschriften einem vollen Schuljahr gleichgestellt würden, wenn die besagten Schwellenwerte erreicht würden, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Arbeitsstunden und auch dann, wenn die Zahl der geleisteten Wochenstunden unter der für Vollzeitarbeit oder für Teilzeitarbeit vorgesehenen wöchentlichen Arbeitszeit liege. Dagegen würden Dienste, die diese Schwellenwerte nicht erreichten, nicht berücksichtigt, und von denjenigen, die sie erreichten, würden nach Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 nur die ersten vier Jahre vollständig und die darüber hinaus gehende Zeit zu zwei Dritteln berücksichtigt, wobei das Restdrittel zunächst nicht, nach einer bestimmten Anzahl von Jahren dann doch angerechnet werde.

    48

    Unter diesen Umständen ist, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, wissen möchte, ob Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für die Zwecke der Anerkennung des Dienstalters eines Arbeitnehmers bei seiner Verbeamtung Dienstzeiten, die im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zurückgelegt wurden und die sich nicht über mindestens 180 Tage oder vom 1. Februar ununterbrochen bis zum Ende der Abschlussprüfungen erstreckt haben, unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Arbeitsstunden unberücksichtigt bleiben und diese Schwellenwerte erreichende Zeiten, soweit sie über vier Jahre hinausgehen, nur zu zwei Dritteln berücksichtigt werden, wobei das Restdrittel erst nach einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren angerechnet wird.

    49

    Nach ihrem Paragrafen 1 Buchst. a soll die Rahmenvereinbarung u. a. durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern. Desgleichen heißt es im dritten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, dass sie „den Willen der Sozialpartner deutlich [macht], einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert“. Im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 wird dazu festgestellt, dass die Rahmenvereinbarung insbesondere die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse durch Festlegung von Mindestvorschriften verbessern soll, die geeignet sind, die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung zu gewährleisten (Urteil vom 5. Juni 2018, Montero Mateos, C‑677/16, EU:C:2018:393, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    50

    Die Rahmenvereinbarung, insbesondere ihr Paragraf 4, bezweckt, diesen Grundsatz auf befristet beschäftigte Arbeitnehmer anzuwenden, um zu verhindern, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis von einem Arbeitgeber benutzt wird, um diesen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Dauerbeschäftigten zuerkannt werden (Urteil vom 5. Juni 2018, Montero Mateos, C‑677/16, EU:C:2018:393, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    51

    In Anbetracht der in den beiden vorstehenden Randnummern dargelegten Ziele der Rahmenvereinbarung muss ihr Paragraf 4 als Ausdruck eines Grundsatzes des Sozialrechts der Union verstanden werden, der nicht restriktiv ausgelegt werden darf (Urteil vom 5. Juni 2018, Montero Mateos, C‑677/16, EU:C:2018:393, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    52

    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung, der unmittelbare Wirkung entfaltet, es in Nr. 1 verbietet, befristet beschäftigte Arbeitnehmer hinsichtlich der Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten schlechter zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus „sachlichen Gründen“ gerechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2011, Rosado Santana, C‑177/10, EU:C:2011:557, Rn. 56 und 64, sowie vom 5. Juni 2018, Montero Mateos, C‑677/16, EU:C:2018:393, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    53

    Paragraf 4 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung enthält dasselbe Verbot hinsichtlich der bestimmte Beschäftigungsbedingungen betreffenden Betriebszugehörigkeitszeiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2011, Rosado Santana, C‑177/10, EU:C:2011:557, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    54

    Aus Wortlaut und Ziel von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung ergibt sich, dass er nicht die Entscheidung, befristete Arbeitsverträge anstelle von unbefristeten Arbeitsverträgen abzuschließen, an sich betrifft, sondern die Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer, die einen befristeten Vertrag abgeschlossen haben, im Vergleich zu denen der Arbeitnehmer, die mit einem unbefristeten Vertrag beschäftigt sind, wobei der Begriff der Beschäftigungsbedingungen Maßnahmen erfasst, die zu dem zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber begründeten Arbeitsverhältnis gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Oktober 2020, Universitatea Lucian Blaga Sibiu u. a., C‑644/19, EU:C:2020:810, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    55

    Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Regelungen über die für die Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe zurückzulegenden Dienstzeiten, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, unter den Begriff der Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung fallen (Urteil vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    56

    Daher ist gemäß den Ausführungen in den Rn. 52 und 53 des vorliegenden Urteils im Hinblick auf die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts zu untersuchen, ob die im Ausgangsverfahren fraglichen Rechtsvorschriften zu einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte führen, bevor gegebenenfalls geprüft wird, ob eine solche Ungleichbehandlung durch „sachliche Gründe“ gerechtfertigt werden kann.

    57

    Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig und geht im Übrigen aus Rn. 27 des Urteils vom 20. September 2018, Motter (C‑466/17, EU:C:2018:758), hervor, dass das Dienstalter von unbefristet beschäftigten Lehrkräften, die im Wege von Auswahlverfahren eingestellt werden, zum Zweck ihrer Einstufung in eine Vergütungsgruppe in vollem Umfang berücksichtigt werden kann. Insbesondere wird bei diesen Lehrkräften zur Berechnung ihres Dienstalters offenbar jeder Arbeitstag berücksichtigt, und zwar, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, unabhängig von den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden oder dem Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeit. Außerdem gibt das vorlegende Gericht nicht an, dass Urlaubszeiten oder Fehlzeiten, z. B. wegen Krankheit, dabei nicht angerechnet würden.

    58

    Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht indes hervor, dass Dienstzeiten, die von den Klägern des Ausgangsverfahrens im Verlauf eines Schuljahrs als befristet beschäftigte Lehrkräfte, die im Wege eines Auswahlverfahrens aufgrund von Befähigungsnachweisen in die Berufsbeamtenlaufbahn eintreten, zurückgelegt wurden und nicht die in Art. 489 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 in der durch Art. 11 Abs. 14 des Gesetzes Nr. 124/1999 ergänzten Fassung festgelegten Schwellenwerte erreichen, im Hinblick auf die Anerkennung ihres Dienstalters nicht berücksichtigt werden. Ferner werden gemäß Art. 485 dieses Gesetzesvertretenden Dekrets von Dienstzeiten, die diese Schwellenwerte erreichen, nur die ersten vier Jahre vollständig und die folgenden Jahre zu zwei Dritteln angerechnet.

    59

    Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das Restdrittel des Dienstalters, das über die ersten vier Jahren hinaus zunächst nicht berücksichtigt werde, gemäß Art. 4 Abs. 3 der Präsidialverordnung Nr. 399/1988 gegebenenfalls nach Ablauf einer bestimmten Frist im Hinblick auf spätere Einstufungen der befristet beschäftigten und dann verbeamteten Lehrkräfte in die Gehaltstabelle angerechnet werden könne. Allerdings kann diese nachträgliche Anrechnung erst nach einem besonders langen Zeitraum erfolgen, nämlich zwischen dem 16. und dem 24. Dienstjahr je nach den betroffenen Lehrkräften, konkret nach 18 Dienstjahren bei den Klägern des Ausgangsverfahrens, wenn sie dann noch zum Personal des Bildungsministeriums gehören.

    60

    Daraus folgt, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine Ungleichbehandlung zum Nachteil dieser befristet beschäftigten Lehrkräfte gegenüber den im Wege von allgemeinen Auswahlverfahren unbefristet eingestellten Lehrkräften begründet, für die diese Beschränkungen nicht gelten.

    61

    Eine solche Ungleichbehandlung stellt nur dann eine nach Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung verbotene Diskriminierung dar, wenn sie vergleichbare Situationen betrifft und nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2018, Motter, С‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 28).

    62

    Was erstens die Vergleichbarkeit der betreffenden Situationen betrifft, ist zur Beurteilung der Frage, ob Arbeitnehmer die gleiche oder eine ähnliche Arbeit im Sinne der Rahmenvereinbarung verrichten, im Einklang mit Paragraf 3 Nr. 2 und Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zu prüfen, ob diese Arbeitnehmer unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können (Urteile vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 29, und vom 30. Juni 2022, Comunidad de Castilla y León, C‑192/21, EU:C:2022:513, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    63

    Wenn die befristet beschäftigten Arbeitnehmer während der Zeit ihrer Beschäftigung erwiesenermaßen die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie die vom selben Arbeitgeber auf unbestimmte Zeit beschäftigten Arbeitnehmer oder die gleiche Arbeitsstelle wie diese bekleiden, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich diese beiden Arbeitnehmergruppen in einer vergleichbaren Situation befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Governo della Repubblica italiana [Status der italienischen Friedensrichter], C‑658/18, EU:C:2020:572, Rn. 144 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    64

    Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens in der Zeit vor ihrer Verbeamtung verschiedene Lehraufträge, manchmal von kurzer Dauer und mit einem niedrigen Stundenkontingent, wahrgenommen haben. Mit solchen Aufträgen soll einem variablen Vertretungsbedarf entsprochen werden, der auf den von der italienischen Regierung hervorgehobenen Mangel an verbeamteten Lehrkräften zurückzuführen ist.

    65

    Im Einzelnen lässt sich dem Vorabentscheidungsersuchen entnehmen, dass G. D., eine Vorschullehrerin, zahlreiche einzelne Arbeitstage geleistet hat und C. M, ebenfalls Vorschullehrerin, im ersten Jahr fünf Monate und vier Tage arbeitete, was 62 Verträgen und durchschnittlich zwei Tagen pro Vertrag, die an verschiedenen Schulen gearbeitet wurden, entsprach. A. R., der Sekundarschullehrer ist, habe keinen Beweis für die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden erbracht, aber eine beträchtliche Anzahl derjenigen Verträge, in denen die Stundenzahl angegeben sei, betreffe nur einen Bruchteil der Vollzeitarbeit mit einem sehr geringen Stundenkontingent, z. B. fünf Wochenstunden bei einer Reihe von Verträgen im Jahr 2003.

    66

    Aus diesem Ersuchen scheint sich jedoch zu ergeben, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens im Rahmen dieser verschiedenen Aufträge die gleichen Aufgaben wahrnahmen und die gleiche Stelle bei demselben Arbeitgeber bekleideten wie die unbefristet beschäftigten Lehrkräfte, die sie zu vertreten hatten. Das vorlegende Gericht führt in diesem Zusammenhang nicht aus, dass ihnen Aufgaben zugewiesen worden wären, die sich wesentlich von denen der zu vertretenden Lehrkräfte unterschieden hätten. Somit lässt sich feststellen, dass sich die Kläger in Anbetracht der Art der Arbeit und der Arbeitsbedingungen in einer Situation befinden, die mit der Situation der unbefristet beschäftigten Lehrer, die sie zu vertreten hatten, vergleichbar ist.

    67

    Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen sind die Aufgaben, die von den Klägern der Ausgangsverfahren im Rahmen ihres vor ihrer Verbeamtung geleisteten Dienstes wahrgenommen wurden, daher grundsätzlich als mit den Aufgaben der unbefristet beschäftigten Lehrkräfte vergleichbar anzusehen, wobei der Umstand, nicht mit Erfolg an einem Auswahlverfahren der Verwaltung teilgenommen zu haben, die Vergleichbarkeit der Situation der befristet beschäftigten Lehrkräfte mit derjenigen der verbeamteten Lehrkräfte nicht in Frage stellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 33 bis 35).

    68

    Was die Tatsache betrifft, dass bestimmte von den Klägern des Ausgangsverfahrens in diesem Rahmen wahrgenommenen Aufträge von kurzer Dauer waren und nicht aufeinander folgten, deutet zum einen nichts darauf hin, dass diese Aufträge geeignet wären, die wahrgenommenen Aufgaben oder die bekleideten Arbeitsstellen oder aber die Art oder die Bedingungen der geleisteten Arbeit wesentlich zu verändern. Zum anderen enthält die dem Gerichtshof vorgelegte Akte keinen Anhaltspunkt dafür, dass die kurze Zeitdauer und die Diskontinuität von bestimmten gegebenenfalls von einer unbefristet beschäftigten Lehrkraft geleisteten Diensten zur Folge hätte, dass die in diesem Zusammenhang erworbene Erfahrung bei der Berechnung des Dienstalters dieser Lehrkraft nicht berücksichtigt würde. Dies zu beurteilen ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, das allein über sämtliche relevanten Informationen verfügt.

    69

    Was zweitens die Frage betrifft, ob die in Rn. 60 des vorliegenden Urteils genannte Ungleichbehandlung der in Rn. 67 dieses Urteils identifizierten vergleichbaren Situationen durch „sachliche Gründe“ im Sinne von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Begriff so zu verstehen ist, dass eine unterschiedliche Behandlung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten nicht allein damit gerechtfertigt werden kann, dass sie in einer allgemeinen und abstrakten Norm des nationalen Rechts vorgesehen ist. Dieser Begriff verlangt, dass die festgestellte Ungleichbehandlung durch das Vorhandensein genau bezeichneter, konkreter Umstände gerechtfertigt ist, die die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem speziellen Zusammenhang kennzeichnen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 36 und 37, sowie vom 30. Juni 2022, Comunidad de Castilla y León, C‑192/21, EU:C:2022:513, Rn. 41 und 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    70

    Es muss sich anhand objektiver und transparenter Kriterien überprüfen lassen, ob die Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspricht und ob sie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Diese Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung befristete Verträge geschlossen worden sind, und ihren Wesensmerkmalen ergeben oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 37, und vom 30. Juni 2022, Comunidad de Castilla y León, C‑192/21, EU:C:2022:513, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    71

    Die Berufung auf die bloße temporäre Natur der Arbeit des Personals der öffentlichen Verwaltung genügt diesen Anforderungen nicht und kann daher für sich allein keinen „sachlichen Grund“ im Sinne von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 38, und vom 30. Juni 2022, Comunidad de Castilla y León, C‑192/21, EU:C:2022:513, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    72

    Im vorliegenden Fall berufen sich das vorlegende Gericht und die italienische Regierung zur Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren fraglichen Ungleichbehandlung auf die Notwendigkeit, zum einen den Unterschieden in der Berufsausübung zwischen den von Anfang an im Wege allgemeiner Auswahlverfahren eingestellten verbeamteten Lehrkräften, denen die Costituzione della Repubblica Italiana (Verfassung der Italienischen Republik) besondere Bedeutung beimesse, und den Lehrkräften, die ihre Berufserfahrung auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge erworben hätten, Rechnung zu tragen und zum anderen zu verhindern, dass es zu umgekehrten Diskriminierungen Ersterer komme. Sie weisen insbesondere darauf hin, dass Letztere auf den verschiedensten Fachgebieten sowie unter unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und mit unterschiedlichen Arbeitszeiten eingesetzt würden, ohne dass zuvor mittels eines Auswahlverfahrens ihre Eignung überprüft worden wäre.

    73

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann jedes dieser Ziele einen „sachlichen Grund“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 bzw. Nr. 4 der Rahmenvereinbarung darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 47 und 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    74

    Allerdings steht ebenfalls fest, dass die Verhinderung einer umgekehrten Diskriminierung keinen solchen sachlichen Grund darstellen kann, wenn die betreffende nationale Regelung die Berücksichtigung sämtlicher von den Arbeitnehmern im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zurückgelegter Dienstzeiten bei der Festlegung ihres Dienstalters anlässlich ihrer unbefristeten Einstellung und somit der Höhe ihres Gehalts vollständig und unter allen Umständen ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2012, Valenza u. a., C‑302/11 bis C‑305/11, EU:C:2012:646, Rn. 62, und Beschluss vom 4. September 2014, Bertazzi u. a., C‑152/14, EU:C:2014:2181, Rn. 16).

    75

    Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof zu den vom vorlegenden Gericht und von der italienischen Regierung angeführten Zielen ausgeführt, dass sie berechtigterweise als dazu bestimmt angesehen werden können, einem echten Bedarf zu entsprechen, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 48 und 51).

    76

    Die im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften können grundsätzlich insoweit als zur Erreichung dieser Ziele geeignet angesehen werden, als sie die Berücksichtigung des Dienstalters, das im Zusammenhang mit zeitlich begrenzten und verschiedenartigen Unterrichtsdiensten erworben wurde, bei denen es an pädagogischer Kontinuität fehlt und die Eignung der betreffenden Lehrkraft nicht zuvor mittels eines Auswahlverfahrens überprüft wurde, bei der unbefristeten Einstellung beschränken.

    77

    Hinsichtlich der Erforderlichkeit dieser nationalen Rechtsvorschriften zur Erreichung der verfolgten Ziele ergibt sich aus den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen, dass die Regelung in Art. 489 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/1994 in der durch Art. 11 Abs. 14 des Gesetzes Nr. 124/1999 ergänzten Fassung automatisch entweder zugunsten oder zum Nachteil der betroffenen befristet beschäftigten Lehrkräfte wirkt.

    78

    Die von diesen Lehrkräften über eine Dauer von 180 Tagen pro Jahr, d. h. ungefähr zwei Drittel eines Schuljahrs, erbrachten Leistungen werden nämlich, wie vom vorlegenden Gericht und von der italienischen Regierung ausgeführt, dem Dienst eines vollen Schuljahrs gleichgestellt. Das Gleiche gilt, wenn dieser Dienst vom 1. Februar bis zum Ende der Abschlussprüfungen erbracht wurde.

    79

    Erreichen die Leistungen diese Dauer hingegen nicht oder werden sie zwischen dem 1. Februar und dem genannten Termin nicht ununterbrochen erbracht, werden sie nicht berücksichtigt, auch nicht in begrenztem Umfang. Diese Ausschlussregelung kommt zu der Regelung hinzu, nach der die Dienstzeiten gemäß Art. 485 dieses Gesetzesvertretenden Dekrets nur für die ersten vier Jahre voll und danach zu zwei Dritteln angerechnet werden.

    80

    Insoweit hat der Gerichtshof zwar anerkannt, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die Berücksichtigung des im Rahmen befristeter Arbeitsverträge erreichten Dienstalters von mehr als vier Jahren auf einen Anteil von zwei Dritteln beschränkt, nicht als über das hinausgehend angesehen werden kann, was erforderlich ist, um unter Beachtung der leistungsbezogenen Werte und der Erwägungen der Unparteilichkeit und der Effektivität der Verwaltung, auf denen die Einstellungen im Wege von Auswahlverfahren beruhen, die vorstehend geprüften Ziele zu erfüllen und ein Gleichgewicht zwischen den berechtigten Interessen der befristet beschäftigten Arbeitnehmer und der Dauerbeschäftigten zu schaffen (Urteil vom 20. September 2018, Motter, C‑466/17, EU:C:2018:758, Rn. 51).

    81

    Die Beschränkung der Berücksichtigung des im Rahmen befristeter Arbeitsverträge erreichten Dienstalters von mehr als vier Jahren auf einen Anteil von zwei Dritteln in Verbindung mit einem solchen Ausschluss, die dazu führt, dass die Dienstzeit der befristet beschäftigten Lehrkraft gänzlich unberücksichtigt bleibt, wenn sie unter den vom italienischen Gesetzgeber festgelegten Schwellenwerten liegt, geht jedoch über das hinaus, was erforderlich ist, um den Unterschieden Rechnung zu tragen, die zwischen der Erfahrung von auf der Grundlage von Auswahlverfahren eingestellten Lehrkräften und derjenigen von auf der Grundlage von Befähigungsnachweisen eingestellten Lehrkräften bestehen, und umgekehrte Diskriminierungen Ersterer zu vermeiden.

    82

    Diese Feststellung kann nicht damit in Frage gestellt werden, dass die tatsächliche Zahl der von Letzteren geleisteten Arbeitsstunden, die unter der für Vollzeitarbeit oder sogar für Teilzeitarbeit vorgesehenen wöchentlichen Arbeitszeit liegen kann, bei der Berechnung ihres Dienstalters nicht berücksichtigt wird.

    83

    Wie in den Rn. 57 und 68 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hängt nämlich auch die Dienstzeit der unbefristet beschäftigten Lehrkräfte nicht davon ab, wie viel sie tatsächlich gearbeitet haben, und auch bei den von ihnen erbrachten Unterrichtsdienste kann es Unterbrechungen geben. Das Kriterium, das in den im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften für die Berechnung der Dienstzeit der Lehrkräfte vorgesehen ist, scheint daher nicht auf die Zahl der von diesen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen der betreffenden Lehrkraft und ihrem Arbeitgeber abzustellen, und zwar auch bei den verbeamteten Lehrkräften, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

    84

    Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für die Zwecke der Anerkennung des Dienstalters eines Arbeitnehmers bei seiner Verbeamtung Dienstzeiten, die im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zurückgelegt wurden und die sich nicht über mindestens 180 Tage oder vom 1. Februar ununterbrochen bis zum Ende der Abschlussprüfungen erstreckt haben, unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Arbeitsstunden unberücksichtigt bleiben und diese Schwellenwerte erreichende Zeiten, soweit sie über vier Jahre hinausgehen, nur zu zwei Dritteln berücksichtigt werden, wobei das Restdrittel erst nach einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren angerechnet wird.

    Kosten

    85

    Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

     

    Paragraf 4 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB‑UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge

     

    ist dahin auszulegen, dass

     

    er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für die Zwecke der Anerkennung des Dienstalters eines Arbeitnehmers bei seiner Verbeamtung Dienstzeiten, die im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zurückgelegt wurden und die sich nicht über mindestens 180 Tage oder vom 1. Februar ununterbrochen bis zum Ende der Abschlussprüfungen erstreckt haben, unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Arbeitsstunden unberücksichtigt bleiben und diese Schwellenwerte erreichende Zeiten, soweit sie über vier Jahre hinausgehen, nur zu zwei Dritteln berücksichtigt werden, wobei das Restdrittel erst nach einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren angerechnet wird.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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