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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62021CJ0580

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 20. April 2023.
EEW Energy from Waste Großräschen GmbH gegen MNG Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom GmbH.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2009/28/EG – Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Art. 16 Abs. 2 Buchst. c – Zugang zu den Übertragungs- und Verteilernetzen – Vorrangiger Zugang für Strom aus erneuerbaren Energiequellen – Erzeugung sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen.
Rechtssache C-580/21.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2023:304

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

20. April 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2009/28/EG – Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Art. 16 Abs. 2 Buchst. c – Zugang zu den Übertragungs- und Verteilernetzen – Vorrangiger Zugang für Strom aus erneuerbaren Energiequellen – Erzeugung sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen“

In der Rechtssache C‑580/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 22. September 2021, in dem Verfahren

EEW Energy from Waste Großräschen GmbH

gegen

MNG Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom GmbH,

Beteiligte:

50 Hertz Transmission GmbH,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, F. Biltgen, I. Jarukaitis und Z. Csehi (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der EEW Energy from Waste Großräschen GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte B. Rechner und A. Vallone,

der MNG Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin B. Christ und Rechtsanwalt T. Höch,

der 50 Hertz Transmission GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt T. Burmeister und Rechtsanwältin L. Reichstein,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B. De Meester und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. November 2022

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a und e dieser Richtlinie sowie von Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der EEW Energy from Waste Großräschen GmbH (im Folgenden: EEW) und der MNG Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom GmbH (im Folgenden: MNG Strom) wegen des Schadens, der EEW durch wiederholte Aufforderungen von MNG Strom bezüglich des Netzzugangs für von EEW erzeugten Strom entstanden sein soll.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2001/77/EG

3

In Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 2001, L 283, S. 33) hieß es:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

c)

‚Strom aus erneuerbaren Energiequellen‘: Strom, der in Anlagen erzeugt wurde, die ausschließlich erneuerbare Energiequellen nutzen, sowie der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Hybridanlagen, die auch konventionelle Energieträger einsetzen, einschließlich Strom aus erneuerbaren Energiequellen, der zum Auffüllen von Speichersystemen genutzt wird, aber mit Ausnahme von Strom, der als Ergebnis der Speicherung in Speichersystemen gewonnen wird“.

Richtlinie 2009/28

4

Die Erwägungsgründe 11, 60 und 61 der Richtlinie 2009/28 lauteten vor Aufhebung dieser Richtlinie durch die Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ABl. 2018, L 328, S. 82):

„(11)

Für die Berechnung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Bestimmung dieser Quellen ist es erforderlich, transparente und eindeutige Regeln festzulegen. …

(60)

Der vorrangige Netzzugang und der garantierte Netzzugang für Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen sind wichtig, um erneuerbare Energiequellen in Einklang mit Artikel 11 Absatz 2 und in Fortentwicklung von Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2003/54/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG – Erklärungen zu Stilllegungen und Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen (ABl. 2003, L 176, S. 37)] in den Elektrizitätsbinnenmarkt zu integrieren. Die hinsichtlich der Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes und hinsichtlich der Einspeisung zu erfüllenden Anforderungen können je nach den Merkmalen des nationalen Netzes und seines sicheren Betriebs unterschiedlich sein. Der vorrangige Netzzugang gewährleistet, dass angeschlossene Erzeuger von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen in der Lage sind, die Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen nach den Netzanschlussregeln jederzeit, wann immer die Energiequelle verfügbar ist, zu verkaufen und zu übertragen. Falls die Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen in den Spotmarkt integriert ist, gewährleistet der garantierte Netzzugang, dass die gesamte verkaufte und geförderte Elektrizität Zugang zum Netz erhält, wodurch an das Netz angeschlossene Anlagen eine Höchstmenge an Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen verwenden können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Abnahmeverpflichtungen für erneuerbare Energie zu fördern oder einzuführen. Bei anderen Netzen wird ein Festpreis für Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen – gewöhnlich kombiniert mit einer Abnahmeverpflichtung für den Netzbetreiber – festgelegt. In diesem Fall ist der vorrangige Netzzugang bereits gegeben.

(61)

Unter bestimmten Umständen können die Übertragung und Verteilung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen nicht in vollem Umfang ohne Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit oder Sicherheit des Netzes gewährleistet werden. Unter diesen Umständen kann es angebracht sein, diesen Produzenten einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Gleichwohl ist es nach den Zielen dieser Richtlinie erforderlich, die Übertragung und Verteilung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen anhaltend zu steigern, ohne dass dabei die Zuverlässigkeit oder Sicherheit des Netzes beeinträchtigt wird. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, um einen höheren Marktanteil von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen – unter anderem unter Berücksichtigung der Besonderheiten variabler Ressourcen und noch nicht lagerfähiger Ressourcen – zu ermöglichen. Der Anschluss neuer Anlagen für erneuerbare Energie sollte in dem gemäß den Zielen dieser Richtlinie geforderten Umfang so schnell wie möglich genehmigt werden. Die Mitgliedstaaten können zur Beschleunigung der Netzanschlussverfahren die Möglichkeit des vorrangigen Netzzugangs oder der Reservierung von Anschlusskapazitäten für neue Anlagen, die Energie aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, vorsehen.“

5

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2009/28 sah vor:

„Mit dieser Richtlinie wird ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben. In ihr werden verbindliche nationale Ziele für den Gesamtanteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch und für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor festgelegt. Gleichzeitig werden Regeln für statistische Transfers zwischen Mitgliedstaaten, gemeinsame Projekte zwischen Mitgliedstaaten und mit Drittländern, Herkunftsnachweise, administrative Verfahren, Informationen und Ausbildung und Zugang zum Elektrizitätsnetz für Energie aus erneuerbaren Quellen aufgestellt. …“

6

Art. 2 dieser Richtlinie bestimmte:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten die Begriffsbestimmungen der Richtlinie [2003/54].

Ferner gelten die folgenden Begriffsbestimmungen. Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

‚Energie aus erneuerbaren Quellen‘ Energie aus erneuerbaren, nichtfossilen Energiequellen, das heißt Wind, Sonne, aerothermische, geothermische, hydrothermische Energie, Meeresenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas;

e)

‚Biomasse‘ den biologisch abbaubaren Teil von Erzeugnissen, Abfällen und Reststoffen der Landwirtschaft mit biologischem Ursprung (einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe), der Forstwirtschaft und damit verbundener Wirtschaftszweige einschließlich der Fischerei und der Aquakultur sowie den biologisch abbaubaren Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten;

j)

‚Herkunftsnachweis‘ ein elektronisches Dokument, das gemäß den Anforderungen von Artikel 3 Absatz 6 der [Richtlinie 2003/54] ausschließlich als Nachweis gegenüber einem Endkunden dafür dient, dass ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Menge an Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurde;

…“

7

In Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2009/28 hieß es:

„(1)   Der Bruttoendenergieverbrauch aus erneuerbaren Quellen in den einzelnen Mitgliedstaaten wird berechnet als Summe

a)

des Bruttoendenergieverbrauchs von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen,

(3)   Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a wird der Bruttoendenergieverbrauch von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen als die Elektrizitätsmenge berechnet, die in einem Mitgliedstaat aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, unter Ausschluss der Elektrizitätserzeugung in Pumpspeicherkraftwerken durch zuvor hochgepumptes Wasser.

Bei Hybridanlagen, die sowohl Brennstoffe aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen nutzen, wird nur der aus erneuerbaren Energiequellen erzeugte Elektrizitätsanteil berücksichtigt. Hierfür wird der Anteil der einzelnen Energiequellen auf der Grundlage ihres Energiegehalts berechnet.

Aus Wasserkraft und Windkraft erzeugte Elektrizität wird gemäß den Normalisierungsregeln in Anhang II berücksichtigt.“

8

Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie sah vor:

„Zum Zweck des Nachweises gegenüber den Endkunden darüber, welchen Anteil Energie aus erneuerbaren Quellen im Energiemix eines Energieversorgers ausmacht oder in welcher Menge sie darin enthalten ist, der gemäß Artikel 3 Absatz 6 der Richtlinie [2003/54] zu erbringen ist, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Herkunft von aus erneuerbaren Energiequellen erzeugter Elektrizität als solche im Sinne dieser Richtlinie gemäß objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien garantiert werden kann.“

9

Art. 16 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/28 bestimmte:

„(1)   Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Schritte, um die Übertragungs- und Verteilernetzinfrastruktur, intelligente Netze, Speicheranlagen und das Elektrizitätssystem auszubauen, um den sicheren Betrieb des Elektrizitätssystems zu ermöglichen, während der Weiterentwicklung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen Rechnung getragen wird, was die Zusammenschaltung zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten einschließt. Die Mitgliedstaaten ergreifen ferner geeignete Maßnahmen, um die Genehmigungsverfahren für Netzinfrastrukturen zu beschleunigen und die Genehmigung von Netzinfrastrukturen mit Verwaltungs- und Planungsverfahren zu koordinieren.

(2)   Vorbehaltlich der zur Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes zu erfüllenden Anforderungen, auf der Grundlage transparenter und nichtdiskriminierender Kriterien, die von den zuständigen nationalen Behörden festgelegt werden,

a)

gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Betreiber der Übertragungs- und Verteilernetze in ihrem Hoheitsgebiet die Übertragung und Verteilung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen gewährleisten;

b)

sehen die Mitgliedstaaten außerdem entweder einen vorrangigen Netzzugang oder einen garantierten Netzzugang für Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen vor;

c)

stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Betreiber der Übertragungsnetze beim Abrufen von Elektrizitätserzeugungsanlagen auf der Grundlage transparenter und nichtdiskriminierender Kriterien Erzeugungsanlagen Vorrang gewähren, in denen erneuerbare Energiequellen eingesetzt werden, soweit der sichere Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems dies zulässt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass angemessene netz- und marktbezogene betriebliche Maßnahmen ergriffen werden, um Beschränkungen der Einspeisung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen möglichst gering zu halten. Werden umfassende Maßnahmen zur Beschränkung der Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen ergriffen, um die Sicherheit des nationalen Elektrizitätssystems und die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Netzbetreiber diese Maßnahmen der zuständigen Regelungsbehörde melden und angeben, welche Abhilfemaßnahmen sie zu treffen beabsichtigen, um unangemessene Beschränkungen zu vermeiden.“

Deutsches Recht

10

§ 3 („Begriffsbestimmungen“) des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vom 25. Oktober 2008 (BGBl. 2011 I S. 1634) in der zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Juli 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: EEG 2012) bestimmte:

„Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.

‚Anlage‘ jede Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien …

3.

‚Erneuerbare Energien‘ … Energie aus Biomasse … sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie,

…“

11

§ 11 („Einspeisemanagement“) Abs. 1 EEG 2012 sah vor:

„Netzbetreiber sind … ausnahmsweise berechtigt, an ihr Netz unmittelbar oder mittelbar angeschlossene Anlagen … zu regeln, soweit

1.

andernfalls im jeweiligen Netzbereich einschließlich des vorgelagerten Netzes ein Netzengpass entstünde,

2.

der Vorrang für Strom aus erneuerbaren Energien … gewahrt wird, soweit nicht sonstige Anlagen zur Stromerzeugung am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten …

…“

12

§ 12 („Härtefallregelung“) EEG 2012 Abs. 1 bestimmte:

„Wird die Einspeisung von Strom aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien … wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 11 Absatz 1 reduziert, sind die von der Maßnahme betroffenen Betreiberinnen und Betreiber … für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen zu entschädigen. …“

13

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass diese Vorschriften des EEG 2012 im Wesentlichen denen der drei nacheinander auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassungen des EEG entsprechen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14

EEW betreibt in Großräschen (Deutschland) eine thermische Abfallverwertungsanlage, mit der sie Strom und Wärme erzeugt. Ein aus biologisch abbaubaren Abfällen bestehender Anteil wird gleichzeitig mit anderen Abfallarten verbrannt. Die Höhe des Anteils biologisch abbaubarer Abfälle variiere und könne bis zu 50 % der gesamten Abfallmenge betragen. Ein Teil des von dieser Anlage erzeugten Stroms wird in das Verteilernetz eingespeist, das von MNG Strom betrieben wird, mit der EEW durch einen Anschluss- und Einspeisevertrag verbunden ist.

15

MNG Strom forderte EEW zwischen 2011 und 2016 im Rahmen ihres Netzsicherheitsmanagements – gegebenenfalls in Absprache mit der 50 Hertz Transmission GmbH als Betreiberin des Übertragungsnetzes – in einer Vielzahl von Fällen zu einer vorübergehenden Reduzierung der Stromeinspeisung wegen Netzengpässen auf. Daraufhin klagte EEW gegen MNG Strom und machte Entschädigungsansprüche in Höhe von 2,24 Mio. Euro geltend, die sie u. a. auf § 12 EEG 2012 stützte.

16

Das Berufungsgericht verneinte Ansprüche von EEW mit der Begründung, dass der in der Anlage von EEW erzeugte Strom nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen werde und diese Anlage daher nicht als „Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien“ im Sinne der anwendbaren nationalen Bestimmungen einzuordnen sei.

17

EEW legte gegen diese Entscheidung beim Bundesgerichtshof (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Revision ein.

18

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hängt der Ausgang des Rechtsstreits von der Antwort auf die Frage ab, ob es sich bei der Anlage von EEW um eine „Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien“ im Sinne von § 12 EEG 2012 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/77 und den Bestimmungen der Richtlinie 2009/28, insbesondere ihrem Art. 16 Abs. 2 Buchst. c, handelt.

19

Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 16 Abs. 2 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a und e der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen, dass auch solchen Erzeugungsanlagen Vorrang bei der Stromeinspeisung in das Netz zu gewähren ist, in denen Elektrizität durch thermische Verwertung von gemischten Abfällen erzeugt wird, wobei die Abfälle einen variablen Anteil biologisch abbaubarer Abfälle aus Industrie und Haushalten enthalten?

2.

Falls die Frage 1 bejaht wird: Ist die Gewährung des Vorrangs bei der Stromeinspeisung gemäß Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 abhängig von der Höhe des bei der Stromerzeugung in der unter 1. beschriebenen Weise eingesetzten Anteils biologisch abbaubarer Abfälle?

3.

Falls die Frage 2 bejaht wird: Gibt es eine Erheblichkeitsschwelle für den Anteil biologisch abbaubarer Abfälle, unterhalb derer für die erzeugte Elektrizität eine Anwendung der für Elektrizität aus erneuerbaren Energien geltenden Regelungen ausscheidet?

4.

Falls die Frage 3 bejaht wird: Bei welchem Anteil liegt diese Schwelle oder wie ist sie zu bestimmen?

5.

Falls die Fragen 1 und 2 bejaht werden: Kann bei der Anwendung der Regelungen für Elektrizität aus erneuerbaren Energien auf Elektrizität, die nur anteilig aus biologisch abbaubaren Abfällen erzeugt worden ist, der Rechtsgedanke des Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2009/28 in der Weise herangezogen werden, dass diese Regelungen nur auf den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Elektrizitätsanteil Anwendung finden und dieser Anteil aufgrund des Energiegehalts der einzelnen Energiequellen berechnet wird?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

20

Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen ist, dass der vorrangige Zugang zum Stromnetz für Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, nicht nur denjenigen Anlagen zu gewähren ist, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch solchen, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugen.

21

Nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Betreiber der Übertragungsnetze beim Abrufen von Elektrizitätserzeugungsanlagen auf der Grundlage transparenter und nicht diskriminierender Kriterien Erzeugungsanlagen Vorrang gewähren, in denen erneuerbare Energiequellen eingesetzt werden, soweit der sichere Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems dies zulässt.

22

Zwar definiert die Richtlinie 2009/28 in Art. 2 Buchst. a den Begriff „Energie aus erneuerbaren Quellen“ so, dass er u. a. die „Biomasse“ umfasst, und in Art. 2 Buchst. e den Begriff „Biomasse“ so, dass er u. a. „den biologisch abbaubaren Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten“ umfasst, sie legt aber nicht die Reichweite des Begriffs „Erzeugungsanlage, in der erneuerbare Energiequellen eingesetzt werden“ im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Buchst. c fest.

23

Unter diesen Umständen folgt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Vorschrift, sondern auch ihres Kontexts und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (Urteil vom 2. Juni 2022, T.N. und N.N. [Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft], C‑617/20, EU:C:2022:426, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Was zunächst den Wortlaut von Art. 16 Abs. 2 Buchst. c Satz 1 der Richtlinie 2009/28 betrifft, kann allein anhand dessen Bezugnahme auf Anlagen, in denen erneuerbare Energiequellen „eingesetzt werden“, nicht festgestellt werden, ob unter diese Bestimmung nur Anlagen fallen, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, oder ob sie auch für Anlagen gilt, die diese Energiequellen hierfür nur teilweise einsetzen.

25

Satz 2 dieser Bestimmung, der sich auf Maßnahmen bezieht, die ergriffen werden sollen, um die Nichtinanspruchnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen möglichst gering zu halten, scheint mit der Verwendung des Verbs „geringhalten“ von dem Grundsatz auszugehen, dass der vorrangige Zugang auch den Anlagen gewährt werden sollte, die nur teilweise erneuerbare Energiequellen einsetzen. Der Ausschluss solcher Anlagen hätte nämlich zur Folge, dass ein – gegebenenfalls erheblicher – Teil „grünen“ Stroms vom vorrangigen Zugang ausgeschlossen würde.

26

Was zweitens den Kontext dieser Bestimmung angeht, definierte Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/77 den Begriff „Strom aus erneuerbaren Energiequellen“ als „Strom, der in Anlagen erzeugt wurde, die ausschließlich erneuerbare Energiequellen nutzen, sowie der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Hybridanlagen, die auch konventionelle Energieträger einsetzen“.

27

Die Richtlinie 2009/28, die die Richtlinie 2001/77 ersetzte und im entscheidungserheblichen Zeitraum in Kraft war, hat diese Definition nicht übernommen. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 definiert „Energie aus erneuerbaren Quellen“ als „Energie aus erneuerbaren, nichtfossilen Energiequellen“ und präzisiert dann, welche erneuerbaren Quellen unter diese Definition fallen. Folglich hängt, worauf 50 Hertz Transmission hingewiesen hat, die Einstufung als „Energie aus erneuerbaren Quellen“ nicht mehr von der Art der Anlage ab, in der die Energie erzeugt wird, sondern ausschließlich von den in diesen Anlagen zur Stromerzeugung eingesetzten Energiequellen.

28

Was schließlich die mit der Richtlinie 2009/28 verfolgten Ziele anbelangt, wird mit dieser Richtlinie nach ihrem Art. 1 ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben, u. a. durch die Festlegung verbindlicher nationaler Ziele für den Gesamtanteil von Energie aus solchen Quellen am Bruttoendenergieverbrauch.

29

Außerdem geht aus dem 60. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervor, dass sie durch Integration der Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen in den Spotmarkt die Nutzung dieser Elektrizität bestmöglich fördern soll. Im 61. Erwägungsgrund der Richtlinie wird ausgeführt, dass sie zum Ziel hat, die Übertragung und Verteilung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen anhaltend zu steigern, und dass die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck geeignete Maßnahmen ergreifen sollten, um einen höheren Marktanteil von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen zu ermöglichen.

30

Ferner zielt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der in Art. 16 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2009/28 vorgesehene garantierte Netzzugang darauf ab, erneuerbare Energiequellen in den Elektrizitätsbinnenmarkt zu integrieren, indem sichergestellt wird, dass der gesamte aus erneuerbaren Energiequellen erzeugte Strom Zugang zu den Netzen hat, wodurch eine Höchstmenge an Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen verwendet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2022, Fondul Proprietatea,C‑179/20, EU:C:2022:58, Rn. 62).

31

Die Ziele einer größtmöglichen Ausschöpfung des aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stroms und einer anhaltenden Steigerung seiner Übertragung und Verteilung könnten gefährdet sein, wenn eine Stromerzeugungsanlage, die nicht ausschließlich erneuerbare Energiequellen einsetzt, deshalb einer Anlage gleichgestellt würde, die nur herkömmliche Energiequellen nutzt, und infolgedessen von dem in Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 vorgesehenen vorrangigen Zugang ausgeschlossen würde.

32

Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen ist, dass der vorrangige Zugang zum Stromnetz für Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, nicht nur denjenigen Anlagen zu gewähren ist, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch solchen, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugen.

Zu den Fragen 2 bis 5

33

Mit den Fragen 2 bis 5, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen ist, dass einer Anlage, die Strom zu variablen Anteilen sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugt, ein vorrangiger Netzzugang nur für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stromanteil zu gewähren ist, und, falls ja, welche Anwendungsmodalitäten für diesen vorrangigen Zugang gelten.

34

Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht konkret wissen, ob eine Anlage wie die von EEW betriebene, die Strom aus einer Mischung von Abfällen mit einem variablen Anteil an biologisch abbaubaren Abfällen aus Industrie und Haushalten erzeugt, nur für den aus diesem variablen Anteil erzeugten Strom vorrangigen Zugang zum Netz erhalten muss.

35

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus den Definitionen in Art. 2 Buchst. a und e der Richtlinie 2009/28 hervorgeht, dass es sich bei der durch Biomasseverwertung gewonnenen Energie zwar um Energie aus erneuerbaren Quellen handelt, aber nur der biologisch abbaubare Anteil u. a. von Abfällen aus Industrie und Haushalten unter den Begriff „Biomasse“ fällt, so wie er in der Richtlinie definiert ist. Die durch thermische Verwertung von Abfällen aus Industrie und Haushalten erzeugte Energie wird also in Bezug auf den aus dem biologisch abbaubaren Anteil dieser Abfälle erzeugten Strom unter Ausschluss des aus herkömmlichen Abfällen bestehenden Anteils als Energie aus erneuerbaren Quellen angesehen.

36

Weiter hat der Gerichtshof zu Art. 16 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie entschieden, dass in dieser Bestimmung zwar die Möglichkeit angesprochen wird, einen „garantierten Zugang“ zum Netz für aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Strom einzurichten, aber nur für „grünen“ Strom, und dass diese Bestimmung daher nicht als Rechtsgrundlage für nationale Bestimmungen dienen kann, die den garantierten Zugang für Anlagen betreffen, in denen Energie aus einer herkömmlichen Quelle erzeugt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2022, Fondul Proprietatea, C‑179/20, EU:C:2022:58, Rn. 65). Wie der Generalanwalt in Nr. 46 seiner Schlussanträge ausführt, ist der Grundsatz des vorrangigen Netzzugangs nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie entsprechend auszulegen.

37

Somit muss eine Stromerzeugungsanlage, die eine Mischung aus Abfällen einsetzt, bei der nur ein variabler Anteil aus biologisch abbaubaren Industrie- und Haushaltsabfällen besteht, oder – allgemeiner – die variable Anteile sowohl erneuerbarer als auch herkömmlicher Energiequellen einsetzt, nur für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten variablen Stromanteil den in Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 vorgesehenen vorrangigen Zugang erhalten können.

38

Die Richtlinie 2009/28 bestimmt jedoch nicht, wie der Stromanteil zu berechnen ist, der von einer Stromerzeugungsanlage, die sowohl erneuerbare als auch herkömmliche Energiequellen einsetzt, aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, und insbesondere, ob dieser Anteil einen Mindestwert als Schwelle erreichen muss, damit der erzeugte Strom vorrangigen Zugang erhält.

39

Die Richtlinie 2009/28 stellt in ihrem Art. 16 Abs. 2 Buchst. c lediglich zwei Erfordernisse auf.

40

Erstens macht diese Bestimmung den vorrangigen Zugang von den Notwendigkeiten der Sicherheit des nationalen Elektrizitätssystems abhängig. Hierzu wird im 60. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28 ausgeführt, dass die hinsichtlich der Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes sowie der Einspeisung zu erfüllenden Anforderungen je nach den Merkmalen des nationalen Netzes und seines sicheren Betriebs unterschiedlich sein können.

41

Zweitens verlangt Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28, dass die Verwaltung des vorrangigen Zugangs auf der Grundlage transparenter und nicht diskriminierender Kriterien erfolgt. In diesem Zusammenhang unterstreicht der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie, dass es wichtig ist, für die Berechnung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Bestimmung dieser Quellen transparente und eindeutige Regeln festzulegen. Der 60. Erwägungsgrund weist allgemein darauf hin, dass es für die Integration erneuerbarer Energiequellen in den Elektrizitätsbinnenmarkt wichtig ist, den vorrangigen Zugang Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen vorzubehalten, und insbesondere darauf, dass sich dieser vorrangige Zugang in den nationalen Netzanschlussregeln niederschlagen sollte, indem den angeschlossenen Erzeugern von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen gewährleistet wird, dass sie in der Lage sind, diese Elektrizität jederzeit, wann immer die Energiequelle verfügbar ist, zu verkaufen und zu übertragen.

42

Demnach verfügen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Umsetzungsmodalitäten für den vorrangigen Zugang, den Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, erhalten müssen, über einen weiten Gestaltungsspielraum, solange sie die mit der Richtlinie 2009/28 verfolgten Ziele beachten.

43

Im Übrigen hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2009/28 keineswegs eine abschließende Harmonisierung der nationalen Regelungen zur Förderung der Erzeugung grüner Energie vornehmen wollte, sondern zum einen davon ausging, dass die Mitgliedstaaten verschiedene Förderregelungen anwenden, und zum anderen von dem Grundsatz, wonach das ungestörte Funktionieren dieser Förderregelungen zu gewährleisten ist, damit das Vertrauen der Investoren erhalten bleibt und die Mitgliedstaaten wirksame nationale Maßnahmen im Hinblick auf die Erfüllung der verbindlichen nationalen Gesamtziele, die ihnen diese Richtlinie vorschreibt, konzipieren können (Urteil vom 4. Oktober 2018, L.E.G.O., C‑242/17, EU:C:2018:804, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Folglich ist es nach ständiger Rechtsprechung Sache des für die Beurteilung des Sachverhalts und die Auslegung des innerstaatlichen Rechts allein zuständigen nationalen Gerichts, festzustellen, ob die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Erfordernisse in Bezug auf die Festlegung der Umsetzungsmodalitäten für den vorrangigen Zugang für Anlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, im konkreten Fall erfüllt sind. Der Gerichtshof, der im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Fragen des vorlegenden Gerichts sachdienlich zu beantworten hat, kann jedoch auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu den von den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Anwendung des vorrangigen Netzzugangs zu berücksichtigenden Aspekte geben, die dem vorlegenden Gericht die Entscheidung ermöglichen können (vgl. entsprechend Urteil vom 22. September 2020, Cali Apartments, C‑724/18 und C‑727/18, EU:C:2020:743, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45

Was dies betrifft, verlangt das Erfordernis in Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28, wonach der vorrangige Netzzugang auf der Grundlage transparenter und nicht diskriminierender Kriterien zu bestimmen ist, entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 54 seiner Schlussanträge, dass diese Kriterien klar sind, von den Mitgliedstaaten im Voraus mitgeteilt werden und ihre Anwendung für alle Betroffenen vorhersehbar ist.

46

Im Übrigen ergibt sich aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof, dass Stromerzeugungsanlagen für die Zwecke von Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 in drei Gruppen eingeteilt werden können, nämlich erstens ausschließlich erneuerbare Energiequellen einsetzende Anlagen, zweitens ausschließlich herkömmliche Energiequellen einsetzende Anlagen und drittens einen Mix aus erneuerbaren und herkömmlichen Energiequellen nutzende Anlagen.

47

Es liegt auf der Hand, dass zum einen die Anlagen der ersten Gruppe – unter dem Vorbehalt der die Netzsicherheit und ‑kapazität betreffenden Beschränkungen – immer vorrangigen Zugang für den gesamten von ihnen erzeugten Strom erhalten müssen und die Anlagen der zweiten Gruppe auf der Grundlage dieser Bestimmung keinen vorrangigen Zugang erhalten können, und dass zum anderen die Anlagen dieser ersten beiden Gruppen grundsätzlich innerhalb ihrer jeweiligen Gruppe gleich behandelt werden müssen.

48

Dagegen ist in Bezug auf die Anlagen der dritten Gruppe erstens darauf hinzuweisen, dass diesen – wie aus Rn. 37 des vorliegenden Urteils hervorgeht – nur für den aus erneuerbaren Energiequellen gewonnenen Anteil des Stroms ein vorrangiger Zugang zu gewähren ist. Zweitens können die Anlagen innerhalb der dritten Gruppe nicht gleich behandelt werden, da der von ihnen genutzte Anteil erneuerbarer Energiequellen nicht zwangsläufig identisch ist.

49

Das mit der Richtlinie 2009/28 verfolgte Ziel, die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen zu fördern, könnte gefährdet sein, wenn die einen hohen Anteil erneuerbarer Energiequellen nutzenden Anlagen zum Nachteil anderer Anlagen, die ebenfalls – aber in geringerem Umfang – erneuerbare Energiequellen einsetzen, systematisch vorrangigen Zugang hätten. Zwar müssen Erstere im Hinblick auf dieses Ziel gegenüber Letzteren bevorzugt werden können, jedoch ohne dass ihnen systematisch Vorrang gewährt wird.

50

Daher ist es wichtig, dass die Kriterien für die Bestimmung der Reihenfolge, in der der Netzbetreiber die Anlagen abruft, die einen Mix aus erneuerbaren und herkömmlichen Energiequellen nutzen, den Umfang des Anteils der von den Anlagen eingesetzten erneuerbaren Energiequellen widerspiegeln.

51

Zudem ist es wichtig, dass diese Kriterien die technischen Besonderheiten und Zwänge berücksichtigen, die die Verwaltung des Zugangs der Anlagen zu den Stromnetzen kennzeichnen. In diesem Zusammenhang hat MNG Strom dargelegt, dass der Übertragungsnetzbetreiber den Anteil der von einer Stromerzeugungsanlage verwendeten biologisch abbaubaren Abfälle nicht in Echtzeit kenne, wenn er die Reihenfolge wählen müsse, in der die Anlagen abzuschalten seien, wobei die Betreiber dieser Anlagen im Übrigen selbst nicht zu jedem Zeitpunkt wüssten, wie hoch der Anteil der aus erneuerbaren Quellen erzeugten Energie sei. 50 Hertz Transmission wiederum hat darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über den Vorrang eine fast augenblicklich zu treffende Notfallmaßnahme sei und sich auf die nachgelagerten Wirtschaftsteilnehmer auswirke, was bedeute, dass die Vorrangkriterien es ermöglichen müssten, dem Netzbetreiber konkrete Orientierungshilfen zu geben.

52

Darüber hinaus liegt es in der Natur der Elektrizität, dass sich ihre Herkunft und insbesondere die Energiequelle, aus der sie gewonnen wurde, nach der Einspeisung in ein Übertragungs- oder Verteilernetz kaum noch bestimmen lässt (Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 87). Entsprechend ist es zu dem Zeitpunkt, zu dem der Betreiber des Übertragungsnetzes Strom bei einer Stromerzeugungsanlage abruft, die sowohl erneuerbare als auch herkömmliche Energiequellen nutzt, ebenso schwierig, den genauen Anteil des von dieser Anlage aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stroms zu ermitteln. Diese technischen Umstände führen zu einer gewissen Unsicherheit, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Teil des Stroms, für den angegeben wird, er sei aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt, zu diesem bestimmten Zeitpunkt nicht vollständig auf diese Weise erzeugt wurde.

53

Für das Ziel der Richtlinie 2009/28, den Netzzugang von Strom aus erneuerbaren Energiequellen bestmöglich zu fördern, ist es aber nicht erforderlich, dass der Netzbetreiber genau zu dem Zeitpunkt, zu dem er eine einen Energiemix nutzende Stromerzeugungsanlage abruft, den genauen Anteil dieser Art von Strom an der von der Anlage gelieferten Gesamtenergiemenge kennt.

54

Insoweit genügt es, dass die Anwendung der von den zuständigen nationalen Behörden festgelegten Kriterien es erlaubt, über einen hinreichend langen und repräsentativen Zeitraum und im Rahmen des technisch Möglichen jeder Anlage, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugt, den vorrangigen Netzzugang proportional zu dem von ihr eingesetzten Anteil erneuerbarer Energiequellen zu gewähren.

55

Nicht ausgeschlossen werden darf, dass die zuständigen nationalen Behörden hierfür einen Herkunftsnachweis im Sinne von Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2009/28 berücksichtigen, der gegebenenfalls einem Stromerzeuger nach Art. 15 dieser Richtlinie erteilt wird, unabhängig davon, dass ein solcher Nachweis, wie u. a. aus Art. 15 Abs. 1 hervorgeht, ausgestellt wird, damit die Endkunden sich von der genauen Zusammensetzung des Energiemixes eines Energieversorgers überzeugen können.

56

Im Übrigen hindert nichts die zuständigen nationalen Behörden daran, sich im Rahmen der Wahrnehmung ihres Gestaltungsspielraums hinsichtlich der Festlegung dieser Kriterien auf bestimmte Vorschriften in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 zu stützen, insbesondere auf die Vorschrift, wonach bei Hybridanlagen, die sowohl erneuerbare als auch herkömmliche Energiequellen nutzen, zur Berechnung des aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stromanteils der Anteil der einzelnen Energiequellen auf der Grundlage ihres Energiegehalts berechnet wird.

57

Nach alledem ist auf die Fragen 2 bis 5 zu antworten, dass Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen ist, dass einer Anlage, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugt, ein vorrangiger Netzzugang nur für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stromanteil zu gewähren ist. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Anwendungsmodalitäten für diesen vorrangigen Zugang zu bestimmen, indem sie transparente und nicht diskriminierende Kriterien festlegen, anhand deren unter Berücksichtigung der Anforderungen hinsichtlich der Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes eine Reihenfolge bestimmt werden kann, die sich nach dem Umfang des Anteils richtet, zu dem die jeweilige Stromerzeugungsanlage erneuerbare Energiequellen einsetzt.

Kosten

58

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG

ist dahin auszulegen, dass

der vorrangige Zugang zum Stromnetz für Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, nicht nur denjenigen Anlagen zu gewähren ist, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch solchen, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugen.

 

2.

Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28

ist dahin auszulegen, dass

einer Anlage, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugt, ein vorrangiger Netzzugang nur für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stromanteil zu gewähren ist. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Anwendungsmodalitäten für diesen vorrangigen Zugang zu bestimmen, indem sie transparente und nicht diskriminierende Kriterien festlegen, anhand deren unter Berücksichtigung der Anforderungen hinsichtlich der Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes eine Reihenfolge bestimmt werden kann, die sich nach dem Umfang des Anteils richtet, zu dem die jeweilige Stromerzeugungsanlage erneuerbare Energiequellen einsetzt.

 

Regan

Gratsias

Biltgen

Jarukaitis

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. April 2023.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Kammerpräsident

E. Regan


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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